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- 26 - Nr. 2/2001 Die Entwicklung der geodätischen Grundlagen für die Kartographie und die Kartenwerke 1810 - 1945* Gert Krüger und Jörg Schnadt * leicht überarbeitete Fassung des Begleitbands zur Aus- stellung „Berlin-Brandenburg im Kartenbild“ mit freund- licher Genehmigung der Staatsbibliothek Berlin Eines der Ergebnisse der Landesvermessung sind die Landkarten. Sie wer- den heute entsprechend dem Bedarf hergestellt und sind jedermann zu- gänglich. Das war nicht immer so. Um die Wende des 18. zum 19. Jahr- hundert begann aber eine neue Entwicklung in der Kartographie Preußens. Nicht mehr der Wille des Monarchen und auch nicht mehr die Kreativität Einzelner war für das Entstehen eines Kartenwerkes maßgebend, sondern vor allem der Verwaltungsbedarf. Mit neuen Organisationsformen entwi- ckelte sich eine systematische und konsequent als Staatsaufgabe betrie- bene Kartographie. Dabei wurden auf hohe Genauigkeit ausgerichtete geo- dätische Prinzipien in die Herstellung eingeführt. Königreich Preußen Die Anfänge im 18. Jahrhundert Die vom Gebiet Brandenburg hergestellten ältesten Karten sind nach Quirin (1954, S. 598) „historische Karten“: „... deren Inhalt uns heute ohne Rücksicht auf ihren ur- sprünglichen Zweck lediglich auf Grund ihrer Entstehungszeit einen historisch ge- wordenen Zustand ... vor Augen führt“. Dies gilt - streng genommen - auch für alle topographischen Karten, die schon bei ih- rem Erscheinen einen bereits historisch ge- wordenen Zustand des Raums darstellen. Der Beginn der wissenschaftlich fundier- ten und organisatorisch systematischen To- pographischen Kartographie im ehemali- gen Königreich Preußen und dann im Deut- schen Reich schloss - so gesehen - die „his- torische Kartographie“ ab. Für die hier betrachteten Karten steht auch der Begriff „Altkarten“. Die Entwicklung der Kartographie eines Landes hängt von vielfältigen Faktoren ab. Neben dem erforderlichen technisch-wis- senschaftlichen Entwicklungsstand zählen zu ihnen u.a. die Motivation der jeweiligen Eliten, speziell des Herrschers sowie der Bedarf der Verwaltungsbehörden und des Militärs an Karten. Im hier betrachteten Zeitraum leitete in Brandenburg-Preußen - im Gegensatz z. B. zu den süddeutschen Staaten - nicht der Wille des Monarchen den Beginn intensiver ziviler kartogra- phischer Tätigkeit im o.a. Sinne ein, son- dern vor allem die Einsicht eines Ministers, dass topographische Karten für die Staats- verwaltung von größter Bedeutung sind. Die nach dem erfolgreichen Ende des Sie- benjährigen Krieges 1763 erreichte po- litische Sicherung Brandenburg-Preußens bescherte dem Land eine lange Friedens- zeit, die für umfangreiche topographische

Gert Krüger und Jörg Schnadt Die Entwicklung der ... · l : 50000 als Instrument für die Staatsver-waltung angeregt und topographische Auf-nahmen dafür in Auftrag gegeben hatte

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Die Entwicklung der geodätischenGrundlagen für die Kartographie und dieKartenwerke 1810 -1945*

Gert Krüger und Jörg Schnadt

* leicht überarbeitete Fassung des Begleitbands zur Aus-stellung „Berlin-Brandenburg im Kartenbild“ mit freund-licher Genehmigung der Staatsbibliothek Berlin

Eines der Ergebnisse der Landesvermessung sind die Landkarten. Sie wer-den heute entsprechend dem Bedarf hergestellt und sind jedermann zu-gänglich. Das war nicht immer so. Um die Wende des 18. zum 19. Jahr-hundert begann aber eine neue Entwicklung in der Kartographie Preußens.Nicht mehr der Wille des Monarchen und auch nicht mehr die KreativitätEinzelner war für das Entstehen eines Kartenwerkes maßgebend, sondernvor allem der Verwaltungsbedarf. Mit neuen Organisationsformen entwi-ckelte sich eine systematische und konsequent als Staatsaufgabe betrie-bene Kartographie. Dabei wurden auf hohe Genauigkeit ausgerichtete geo-dätische Prinzipien in die Herstellung eingeführt.

Königreich Preußen

Die Anfänge im 18. JahrhundertDie vom Gebiet Brandenburg hergestelltenältesten Karten sind nach Quirin (1954, S.598) „historische Karten“: „... deren Inhaltuns heute ohne Rücksicht auf ihren ur-sprünglichen Zweck lediglich auf Grundihrer Entstehungszeit einen historisch ge-wordenen Zustand ... vor Augen führt“.Dies gilt - streng genommen - auch für alletopographischen Karten, die schon bei ih-rem Erscheinen einen bereits historisch ge-wordenen Zustand des Raums darstellen.Der Beginn der wissenschaftlich fundier-ten und organisatorisch systematischen To-pographischen Kartographie im ehemali-gen Königreich Preußen und dann im Deut-schen Reich schloss - so gesehen - die „his-torische Kartographie“ ab. Für die hier

betrachteten Karten steht auch der Begriff„Altkarten“.

Die Entwicklung der Kartographie einesLandes hängt von vielfältigen Faktoren ab.Neben dem erforderlichen technisch-wis-senschaftlichen Entwicklungsstand zählenzu ihnen u.a. die Motivation der jeweiligenEliten, speziell des Herrschers sowie derBedarf der Verwaltungsbehörden und desMilitärs an Karten. Im hier betrachtetenZeitraum leitete in Brandenburg-Preußen- im Gegensatz z. B. zu den süddeutschenStaaten - nicht der Wille des Monarchenden Beginn intensiver ziviler kartogra-phischer Tätigkeit im o.a. Sinne ein, son-dern vor allem die Einsicht eines Ministers,dass topographische Karten für die Staats-verwaltung von größter Bedeutung sind.Die nach dem erfolgreichen Ende des Sie-benjährigen Krieges 1763 erreichte po-litische Sicherung Brandenburg-Preußensbescherte dem Land eine lange Friedens-zeit, die für umfangreiche topographische

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Aufnahme- und Zeichenarbeiten genutztworden ist.

Die Persönlichkeiten, deren Streben nacheiner zuverlässigen, z. T. auch wissen-schaftlich fundierten kartographischenDarstellung Brandenburg-Preußens her-vortrat, waren der Feldmarschall SamuelReichsgraf v. Schmettau (Vater) 1749/50,der Minister Friedrich Wilhelm Graf v. d.Schulenburg-Kehnert seit seinem Amtsan-tritt 1771 sowie Friedrich Wilhelm KarlGraf v. Schmettau (Sohn) ab 1773/76.

Die Triangulationen Samuel v. Schmet-taus 1749/50 zur Bestimmung einer Län-gengraddistanz in Deutschland nach demVorbild der 1718 abgeschlossenen franzö-sischen Erdbogenmessung mussten wegendes ablehnend reagierenden Königs Fried-rich II. von Preußen im Geheimen erfolgen.Diese Arbeiten zogen Ortslagenkorrektu-ren auf Karten nach sich, die in dem vonder Preußischen Akademie der Wissenschaf-ten herausgegebenen Schulatlas enthaltenwaren. Erst 1776 wurden die Ergebnissedieser ersten preußischen Triangulationveröffentlicht. Die relativ weiträumige Tri-angulation Samuel v. Schmettaus stelltejedoch kein Triangulationsnetz I. Ordnungdar, das Topographen als Basis für die Be-stimmung von Aufnahmepunkten hätte die-nen können. Eine Verdichtung dieses Net-zes scheiterte am Widerstand des Königsund am fehlenden Vermessungspersonal.

Das etwa von 1773 bis 1787 entstande-ne Kartenwerk im Maßstab l : 50000, dasunter Mitwirkung von Friedrich WilhelmKarl Graf v. Schmettau, dem Sohn des Feld-marschalls, entstand, bildet nach Quellen,Umfang und Inhalt den Höhepunkt der vor-amtlichen preußischen Kartographie. Ausdiesem Kartenmaterial wurde auch eineKartenserie im Maßstab l :100 000 für denMinister v. d. Schulenburg-Kehnert an-

gefertigt, der das Kartenwerk im Maßstabl : 50 000 als Instrument für die Staatsver-waltung angeregt und topographische Auf-nahmen dafür in Auftrag gegeben hatte.Obwohl den Kartenwerken noch eineastronomisch-geodätische Grundlage fehl-te, waren die Karten bereits als Gradabtei-lungsblätter konzipiert. Dieses für Bran-denburg und andere Provinzen Preußensflächendeckende Kartenwerk bot zum ers-ten Mal ein zutreffendes und detailliertesBild dieser Territorien. Der Berliner Kar-tograph Daniel Friedrich Sotzmann benutz-te dieses Kartenmaterial im Auftrag derAkademie der Wissenschaften zur Veröf-fentlichung von Übersichtskarten bran-denburgisch-preußischer Gebiete.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging inEuropa die Phase zu Ende, in der einzelnePersönlichkeiten methodische Gestaltungund logischen Aufbau des Kartenentwurfsin einer Hand vereinten und auch oft durchselbst ausgeführte Vermessungsarbeitenim Gelände die geodätische Grundlageschufen. Eine neue Zeit benötigte neue Or-ganisationsformen. Für die geodätisch-to-pographischen Landesaufnahmen musstebei fehlendem geeigneten zivilen Personalzum großen Teil auf militärische Kräfte, inPreußen auf Offiziere mit entsprechendenSpezialkenntnissen und zukünftige Gene-ralstabs-Offiziere, zurückgegriffen werden.

Trigonometrische Vermessungen1810 -1812

Die Reformen Preußens gehen mit ihrenWurzeln durchaus teilweise in die Zeit vor1816 zurück. Zu diesen Reformmaßnah-men gehörte auch die Einrichtung des „Kö-niglich Preußischen Statistischen Bu-reaus“, das im Mai 1805 mit dem Auftraggegründet wurde, nicht nur alle bis dahinverstreut geführten staatlichen Statistiken

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zusammenzuführen; es galt auch, zuverläs-sige Flächenwerte zu ermitteln, für derenGrundlagen „specielle Landesvermes-sungen“ vorgenommen werden sollten. DieUmsetzung dieser Ziele zog sich durch dieKriegsereignisse hin, und erst im April1810 erhielt der Artillerie-Hauptmann Tex-tor, der bereits 1796 - 1802 bei den Ver-messungen in Ost- und Westpreußen Er-fahrungen gesammelt hatte, den Auftrag, inBrandenburg und Pommern trigonome-trische Vermessungen durchzuführen.

Diese Vermessungen begannen mit derFestlegung einer Basis an der Oder beiKüstrin, von wo eine Dreieckskette nachWesten über Berlin und Rathenow nachMagdeburg gelegt wurde. Von Rathenowaus führte eine weitere Dreieckskette nachNordwesten in die Prignitz; hier wurde einezweite Kontrollbasis bestimmt. Astronomi-sches Zentrum der Triangulation war diealte Berliner Sternwarte. Aus dem BerichtTextors (Textor 1811), den dieser von sei-nen trigonometrischen Arbeiten 1810 gab,ist deutlich zu entnehmen, dass in Bran-denburg zu dieser Zeit in Bezug auf die Ver-messung - anders als in den süddeutschenLändern - jungfräulicher Boden betretenwurde.

Die Basismessungen erfolgten mittelsMaßstäben anstelle von bisher verwende-ten Messketten. Winkelmessinstrumentewaren Spiegel-Sextanten und ein Cary-scher Theodolit der Berliner Sternwarte,der sich als zuverlässiger erwies als die bis-her verwendeten Winkelmessinstrumente.Insgesamt sind bis 1812 über 100 Dreieckebeobachtet worden, wobei in den meistenFällen alle drei Winkel gemessen wurden.Textor gibt den Horizontalabschlussfehlerbei den Hauptdreiecken mit wenigen Se-kunden, gelegentlich mit 1/2' an, wobei frü-here Messungen ausschließlich mit Sextan-

ten noch einen mittleren Fehler von 2' auf-wiesen. Die mittleren Fehler bei den Ba-sismessungen betrugen nach Textors An-gaben etwa 0,01 Prozent der Streckenlän-ge und übertrafen damit die vorher in Süd-westdeutschland erzielten Genauigkeiten.Textors Angaben über die erzielten Genau-igkeiten hielten später vorgenommenenÜberprüfungen nicht Stand. Die Fehler be-ruhten teilweise auf Unzulänglichkeiten derMessinstrumente, teilweise auf zu großenFehlertoleranzen beim Messen, aber auchauf einem ungenauen Wert der Abplattungdes Erd-Ellipsoids.

Durch Napoleons Feldzug nach Russlandund die danach einsetzenden Befreiungs-kriege fanden die Vermessungen 1812 einvorläufiges Ende; die trigonometrischenArbeiten in Brandenburg blieben zunächstunvollendet.

Die kartographischen und damit auch dievermessungstechnischen Arbeiten warenzu dieser Zeit dem Statistischen Bureau, ei-ner Zivilbehörde, zugeteilt. Um die gestell-ten Aufgaben realisieren zu können, muss-te militärische Hilfe in Anspruch genom-men werden. Die Diskrepanz zwischen denAufgaben des Statistischen Bureaus undseiner Leistungsfähigkeit wurde offenbar.Ohne Unterstützung aus dem vermessungs-technisch erfahrenen, zunächst allerdingssehr kleinen Kreis des Offizierskorps warseinerzeit eine geodätisch abgesicherte Lan-desaufnahme nicht durchführbar. Aus die-ser Konstellation von Wollen und Könnenentwickelte sich nahezu zwangsläufig dieorganisatorische Form der preußischenKartographie in der nachfolgenden Zeit.

Die erste Phase der amtlichenpreußischenKartographie 1816 -1830

Im Zuge der Kriegsereignisse 1812 - 1815

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regte General v. Müffling an, im Sinne derVorarbeiten von Tranchot (Frankreich) dietopographischen Aufnahmen der linksrhei-nischen Gebiete fortzusetzen und die Le-coqsche Karte von Westfalen (1805 - 1814)bis an den Main zu erweitern. Hierzu ent-stand in Koblenz ein Topographisches Bu-reau. Ohne Absprache mit dem Statisti-schen Bureau in Berlin hatte die preußischeArmee in den Westgebieten Preußens dieLandesaufnahme übernommen. Als einzi-ge Institution von staatsweitem Umfangund Gewicht forderte das Militär genaueund zutreffende Informationen durch Kar-ten und war auch in der Lage, derartige In-formationen bereitzustellen.

Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wur-den nicht nur die neuen Grenzen der mit-teleuropäischen Staaten in der postnapo-leonischen Ära festgelegt, sondern auchbeschlossen, die Landesaufnahme der östli-chen Teile Preußens ab 1816 unter Leitungund ausschließlicher Beteiligung von mi-litärischem Personal durchzuführen. Demging eine durchgreifende Militärreformvoraus. 1814 gliederte sich das preußische

Kriegs-Ministerium in zwei Departements,wobei das erste, das „Allgemeine Kriegs-Departement“, für rein militärische Fragenzuständig war, während das zweite Depar-tement alle Angelegenheiten bearbeitete,die u.a. mit der Ausbildung der Soldaten,Anfertigung von Karten, Plänen u.ä. zu-sammengingen. Der Direktor dieser Ab-teilung (Generalstab) war General Grol-man, zuständig somit unter anderem für dieLandesaufnahme, die vom StatistischenBureau an den Generalstab überging. DieAufnahmeabteilung des Generalstabs (Lei-ter General v. Müffling) gliederte sich inein „Astronomisch-trigonometrisches Bu-reau“ (Leiter Carl Wilhelm v. Oesfeld) undein „Aufnahme- und Zeichenbureau“ (Lei-ter Carl v. Decker).

Decker veröffentlichte als Erfahrungsbe-richt über seine topographische Aufnah-men während der Befreiungskriege dasBuch „Das militairische Aufnehmen ...’’(Decker 1816), das zunächst als „offiziö-se“ methodische Hilfe für die 1816 begon-nenen topographischen Arbeiten diente.Als erste offizielle Vorschrift für die mili-

tärkartographischen Arbeitenerschienen 1818 „Erläuterun-gen zu den Musterblättern fürdie topographischen Arbeitendes Königlich PreußischenGeneralstabes“ (gleichfallsvon Decker; vgl. Abb. 1), de-nen Anfang 1821 die Müff-lingsche „Instruction für dietopographischen Arbeitendes Königlich PreußischenGeneralstabes“ folgte, in derin Ergänzung der Zeichen-vorschriften von 1818 alleVermessungsangelegenhei-ten behandelt wurden. Ab1822 sind alle Aufnahme-

Abb. 1: Carl v. Decker: Ites Musterblatt für die Topographi-schen Arbeiten des Königl. Preuss. Generalstabs.Gestochen von Jäck. Berlin 1818. Kolor. Kupferstich.Ausschnitt.

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Karten, die Ur-Messtischblätter, nach die-sen beiden Anweisungen einheitlich gestal-tet worden. Die Arbeiten im Osten der Mo-narchie dienten der Aufnahme eines Kar-tenwerks und gleichzeitig der dreijährigenAusbildung der beteiligten Offiziere (Feld-arbeiten im Sommer, theoretischer Unter-richt im Winter), die sich für den Dienst imGeneralstab qualifizieren sollten. DiesesVorgehen bei den topographischen Arbei-ten hatte zur Folge, dass zwar große Gebie-te (ca. 170 000 km2) aufgenommen wurden,aber durch ständig wechselndes Aufnah-mepersonal sowie fehlende Einheitlichkeitund Qualität weniger ein homogenes Kar-tenwerk als ein Landes-Kroki entstand. DieGrundzüge dieses Systems blieben bisnach 1850 für die preußische Militärkar-tographie gültig.

Die Blatteinteilung erfolgte nach der Ko-ordinatenberechnung für die trigonometri-schen Punkte. Parallelen im Abstand voneiner preußischen Meile (ca.7,53 km) zu den beiden Ach-sen des kartesischen Ko-ordinatensystems ergabendie Aufteilung in Aufnahme-sektionen, die „Quadratmei-lenblätter“ des DeckerschenKartenwerks (667 Blätter,Maßstab 1 : 25000; Abb. 2).Dieses Kartenwerk umfasstim weiteren Sinne auch dieaus den Quadratmeilenblät-tern abgeleiteten Großblätterim Maßstab 1 : 25000 sowiedie Verkleinerungen auf denMaßstab l : 50000 (Hand-zeichnungen und Drucke;vgl. Abb. 3) als Gradabtei-lungskarten.

Während für die trigono-metrischen Projekte von

Textor und Oesfeld relativ wenig Personalbenötigt wurde, lag für die topographischeAufnahme eine gänzlich andere Situationvor:

Es fehlten Grundlagen, auf die aufgebautwerden konnte, und es wurde bedeutendmehr geschultes Personal benötigt. Unge-achtet dessen entstand zwischen 1816 und1821 das „Deckersche Kartenwerk“, aller-dings z.T. nur „nach dem Augenmaße“ auf-genommen. Mit dieser Aktion hatte derPreußische Generalstab allerdings einenentscheidenden Schritt zu einer systemati-schen Landesaufnahme getan.

Mit den gleichen Winkelinstrumentenwie bei den Messungen 1810 - 1812 be-gann Oesfeld 1816 mit der Triangulationsüdwestlich von Berlin, wobei er bei Mag-deburg an das 1810 - 1812 beobachtete tri-gonometrische Netz anschloss. Um demtrigonometrischen Unternehmen im Ostender Monarchie eine sichere Grundlage zu

Abb. 2: Carl v. Decker: Quadratmeilenblätter, Maßstab1 : 25 000. Aufgenommen 1816 - 1821. Blatt 199 Pots-dam. Kolor. Handzeichnung. Ausschnitt.

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verschaffen und die weiterhin zweifelhaf-te Länge der Berliner Sternwarte als astro-nomisches Zentrum Preußens definitiv zubestimmen, plante 1816/17 Müffling, dieTranchot-Dreiecke am Niederrhein überGotha und Berlin nach Breslau fortzuset-zen. Dem stimmte der GeneralstabschefGrolman zu. 1817 wurden die Dreiecks-punkte in Brandenburg, Sachsen und Schle-sien ausgewählt. Ein Repetitionstheodolitverbesserte die zu erwartenden Messergeb-nisse.

Da die topographischen Aufnahmen inBrandenburg zu dieser Zeit bereits begon-nen hatten, wurde dort mit der Bestimmungvon Trigonometrischen Punkten II. Ordnungals Grundlage der topographischen Arbei-ten fortgefahren, auch unter Einschluss der1810 - 1812 gemessenen Dreiecke mit ih-rem seinerzeit fragwürdigen astronomi-schen Zentrum Berliner Sternwarte. Bis

Ende 1820 war Brandenburg - bis auf klei-ne Reste - trigonometrisch vermessen, wo-bei beachtet werden muss, dass bei den topo-graphischen Aufnahmen 1816 - 1821 dieKoordinatenkorrektur durch Verbesserungder Genauigkeit des astronomischen Zen-trums Berliner Sternwarte nicht eingegan-gen ist. Mithin kann von einer einheitlichenAufnahme nicht gesprochen werden.

Durch die Triangulationen wurden nurdie Horizontal-Koordinaten festgelegt.Eine durchgehende Ermittlung der Höhen-werte konnte noch nicht erfolgen; es lagenlediglich relativ unzuverlässige barometri-sche Höhenmessungen ausgewählter Punk-te vor. Erst wesentlich später erfolgten geo-metrische Nivellements. Die verwendeteAbplattung des Erd-Ellipsoids betrug wahr-scheinlich 1 : 334, ein Wert, der Anfang des19. Jahrhunderts als allgemein verbindlichgalt. 1821 führte Müffling anhand der Er-

Abb. 3: Carl v. Decker: Umgegend von Berlin... Maßstab 1 : 50 000. Berlin um 1820. BlattVII. Lithographie. Ausschnitt.

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gebnisse der Dreieckskette vom Rhein bisnach Breslau die Abplattung 1 : 310 ein.

Müffling gilt als der Begründer der sys-tematischen Preußischen Militärkartogra-phie. Sein Einfluss führte u. a. zur Einfüh-rung eines neuen Kartennetzentwurfs -leicht abgeändert als „Preußische Poly-eder-Projektion“ bekannt geworden - so-wie zu zuverlässigeren Vermessungsver-fahren und -richtlinien (vgl. die „Instruc-tion“ von 1821). Sein Ziel war, anstelle derin einzelnen Landesteilen bisher vorliegen-den unterschiedlichen geodätischen Unter-lagen und Verfahren einheitliche Arbeits-methoden durchzusetzen und gleichmäßi-ge Arbeitsergebnisse zu erhalten. Anstelleder beim Deckerschen Kartenwerk ange-wandten kartesischen Koordinaten bezeich-nete er alle Trigonometrischen Punkte I. bisIII. Ordnung nur noch durch die geographi-sche Länge und Breite, und diese Wertewurden den Aufnahmetrupps übergeben.Auf jedem Aufnahmeblatt sollten minde-stens drei Trigonometrische Punkte liegen.Er legte wesentlich verschärfte Genauig-keitstoleranzen für die Triangulation fest(Horizontalabschlussfehler Dreiecke I. Ord-nung ≤ 3", II. Ordnung ≤ 20").

Durch die Umstellung der kartesischenauf die geographischen Koordinaten wardie Deckersche Blatteinteilung hinfälliggeworden. Als kartographische Projekti-onseinheit wählte Müffling die Grad-Ab-teilung, bei der jeweils ein l°-Feld der Erd-oberfläche mittels Zentralprojektion ausdem Erdmittelpunkt auf die in der Mitte desl°-Felds tangierende Fläche abgebildetwird. Die projektionsbedingten Verzerrun-gen blieben bei der Preußischen Polyeder-projektion auf die einzelnen Grad-Abtei-lungen beschränkt; es gab keine Fehler-fortpflanzung, allerdings Klaffungen zwi-schen den Grad-Abteilungen (Abb. 4). Der

südliche Grenzparallel und der westlicheRandmeridian bezeichnen die Gradabtei-lung. Da im Maßstab l : 25000 für ein 1°-Feld eine einzelne Kartenfläche zu großgeworden wäre, wurde sie mittels zehn Zei-len („Bande I - X“) und sechs Spalten(„Blatt 1 - 6“) in 60 Aufnahme-Sektionen(Abb. 5) untergliedert. Die sich daraus er-gebende Größe des Aufnahmegebiets fürein Messtischblatt von 10' in der Länge und6' in der Breite ist bis heute in Deutschlandals Kartenformat im Maßstab 1 : 25 000beibehalten worden. Der wichtigste Folge-maßstab in den östlichen Landesteilen -also auch in Brandenburg - war 1:100000,in den westlichen Landesteilen l : 86 400,später 1:80000.

Das Relief der Quadratmeilenblätter undihrer Folgekarten wurde - je nach Vermö-gen des Aufnehmenden - mit Lehmann-Schraffen wiedergegeben, wobei die Bö-schungswinkel teilweise zusätzlich durchZahlenwerte gekennzeichnet wurden. Eineexakte Anweisung zur Reliefdarstellungdurch Höhenlinien gab es erst seit 1855.Die Schraffendarstellung blieb in der preu-ßischen Militärkartographie für die Auf-nahmeblätter im Maßstab 1:25000 bisnach 1860 in Gebrauch. Als Vorstufe zur

nach der Abwicklung in die Ebene

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Abb. 4: Preußische Polyederabbildung. Prin-zipskizze.

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Höhenlinie wurden Formlinien mit einge-tragenen Winkelwerten eingeführt, ehe1846 das erste Blatt mit äquidistanten Hö-henlinien entstand. Es dauerte jedoch noch20 Jahre bis zur generellen Umstellung aufHöhenlinien. Die anfänglich noch vorhan-denen Provisorien und Uneinheitlichkeitenim Vermessungs- und Kartenwesen wur-den durch die Maßnahmen Müfflings be-endet. Sein Wirken auf dem mathematisch-geodätischen Sektor der Landesaufnahmesollte bahnbrechend für die Zukunft sein.Zum ersten Mal in der Geschichte der preu-ßischen Kartographie lag eine Konzeptionvor, um eine geodätisch basierte Landes-aufnahme des gesamten Staatsgebiets durch-zuführen. Die systembedingten Schwächenerkannte man seinerzeit zwar, doch Spar-samkeit und Bürokratie verhinderten ihreBeseitigung. Gegenüber der vornapoleoni-

schen Zeit war in Brandenburg-Preußenjedoch der erzielte Fortschritt auf dem Ge-biet der Kartographie derart, dass dieseSchwächen im Verhältnis zum erzieltenFortschritt gering blieben.

Der Öffentlichkeit standen als Zeugnis-se der amtlichen kartographischen Aktivi-täten in Berlin-Brandenburg aus dieser Zeit18 lithographisch vervielfältigte Blättervon Berlin und Umgebung zur Verfügung.Das zentrale Blatt „Berlin“ dieser Serie er-lebte bis zum Anfang der 40er Jahre des 19.Jahrhunderts mehrere Auflagen. Die Ur-Messtischblätter wurden nicht gedruckt.

Die zweite Phase der amtlichenpreußischen Kartographie 1830 -1865

In diesem Zeitabschnitt wurden infolge derErkenntnis, dass die vorliegenden geodäti-schen Arbeiten wegen uneinheitlicher

Abb. 5: Bande-Blatt-Schema. Ur-Messtischblatt (Nr. 1974) 1835. Kolor. Handzeichnung. Aus-schnitt.

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Grundlagen den zeitgenössischen wissen-schaftlichen Ansprüchen nicht standzuhal-ten vermochten, die trigonometrischen Ar-beiten mit verbesserter Technik und verfei-nerten Verfahren durchgeführt bzw. wie-derholt. Hier sind besonders zu nennen:$ 1832 - 1836 Gradmessung in

Ostpreußen durch Fr. W. Bessel undJ. J. Baeyer,

$ 1835 1. HauptnivellementSwinemünde-Berlin,

$ 1842 -1845 Messung derDreieckskette Stettin-Berlin,

$ 1852 -1853 Messung derWeichselkette,

$ 1855 -1856 Messung derVerbindungskette nach Mecklenburg.

Aus den gleichen Gründen wurde dieAufnahme der preußischen Ur-Messtisch-blätter wiederholt, nun jedoch mit verbes-serter Technik (einheitliche Messtischauf-nahme) sowie mit entsprechend vorgebil-

deten Offizieren, die jedoch nach wie vornur für drei Jahre zum TopographischenBureau des Generalstabs abkommandiertwurden. In der Provinz Brandenburg er-folgte diese 2. Aufnahme der Ur-Mess-tischblätter im Wesentlichen 1832 - 1847.

Die preußischen Ur-Messtischblätter(Abb. 5/6) waren unmittelbare Nachfolgerdes Deckerschen Kartenwerks. Auch dieUr-Messtischblätter wurden überwiegendvon Armee-Offizieren bearbeitet. Insge-samt sind seit 1820 bei der Kartenaufnah-me über 650 Offiziere eingesetzt worden,die bis 1876 fast 2 900 Kartenblätter schu-fen. Seit etwa 1850 arbeiteten auch Unter-offiziere (Feuerwerker aus Artillerie-Regi-mentern) - etwa 100 an der Zahl - bei derMesstischblattaufnahme. Sie fertigten 330Kartenblätter. Nach dem Krieg von 1866wurden für die Feldarbeiten zusätzlich In-genieur-Geographen des Generalstabs ein-gesetzt. Sie schufen etwa 140 Kartenblät-

Abb. 6: Ur-Messtischblatt (Nr. 1974) 1848. Kolor. Handzeichnung.

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ter. Viele dieser Kartenbearbeiter rücktenspäter in das zivile Beamtenverhältnis ein.Damit bereitete die Arbeit an den Ur-Mess-tischblättern die Behördenorganisation derspäteren Preußischen Landesaufnahme vor.

In diese Phase fällt auch der erste umfas-sende Versuch, die Müfflingsche „Instruc-tion“ von 1821 zu reformieren. GeneralBaeyer legte 1856 seinen „Entwurf zur Fer-tigung einer guten Karte von den östlichenProvinzen des Preußischen Staates“ vor,dem folgende Hauptgedanken zugrunde la-gen:l. Schaffung einer Einheitskarte für zivi-

le und militärische Zwecke im Maßstabl : 5 000, die allen gegenwärtigen oderkünftigen Ansprüchen genügen undweitere Aufnahmen überflüssig ma-chen sollte;

2. Bildung einer Zentralbehörde für dieLandesvermessung;

3. verbesserte Ausbildung der geodäti-schen Fachkräfte und praktische Hin-weise für die Ausführung der Vermes-sungsarbeiten im weitesten Sinne;

4. generelle Einführung der Theodolitmes-sung bei der Landesaufnahme anstelleKippregel/Distanzlatte.

Der wichtigste Vorschlag von Baeyerwurde - vor allem aus Kostengründen - ab-gelehnt. Anstelle der von Baeyer geforder-ten Einheitskarte erhielt eine zweigleisigeLösung den Vorzug, die eine zivilen Be-dürfnissen entsprechende Katasterkarteund eine vorwiegend für militärische Zwe-cke gedachte topographische Karte vorsah.

Seit etwa 1820 waren amtliche Kartenvon Berlin und Umgebung im Maßstabl : 50 000 erschienen. Amtliche Umge-bungskarten von Berlin in gleichem Maß-stab sind seit dieser Zeit in mehreren Seri-en bis zur Gegenwart veröffentlicht wor-den. Hier sei vor allem auf das wenig be-

kannte Kartenwerk „Topographische Kartedes Landes zunächst um Berlin“ (60 Blät-ter, 1846 ff., 2. Ausgabe 1870 ff.) sowie die„Karte der Umgebung von Berlin in 12 Blät-tern“ (1901, 2. Ausgabe 1922, bis zumKriegsbeginn weitere Ausgaben) hingewie-sen. Dagegen sind die als „Generalstabs-karten“ bezeichneten Blätter der „Topogra-phischen Karte vom östlichen Theile derMonarchie“ im Maßstab l : l00 000 (249Sektionen; später „Topographische Kartevom Preussischen Staate mit Einschlussder Anhaltinischen und ThüringischenLänder“, 601 Sektionen) erst 1841 zur Ver-öffentlichung freigegeben worden (Abb. 7).

Seit etwa 1844/45 kam auch eine Serievon mindestens neun einfarbigen Mess-tischblättern von Berlin und Umgebung alsDruck in den Handel. Prinzipiell jedochwaren die Ur-Messtischblätter weiterhinals Handzeichnungen lediglich für militä-rische und amtliche Zwecke bestimmt.

Die dritte Phase der amtlichenpreußischen Kartographie 1865 -1871

1865 wurde aus der TrigonometrischenAbteilung des Generalstabs ein Büro derLandestriangulation gebildet, dessen Auf-gabe u.a. darin bestand, in den sechs östli-chen Provinzen das trigonometrische Netzso zu verdichten, dass anstelle von zwei bisdrei Punkten je Quadratmeile nun zehn ver-steinte Punkte festgelegt wurden. Als Pro-bearbeit erfolgte 1867 durch das Büro eineTriangulation der Umgebung von Berlin.

Ebenfalls 1865 wurde in Berlin das Zen-tralbüro der Mitteleuropäischen Gradmes-sung gegründet, das als wissenschaftlichesInstitut dem Kultusministerium unterstand.Präsident dieses Zentralbüros wurde Gene-ral Baeyer, der damit sein Ziel erreichte, diewissenschaftlichen Arbeiten der Geodäsievon der militärischen Landesaufnahme zu

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lösen. Auf Empfehlung die-ses Zentralbüros wandte dasBüro der Landestriangulati-on seit 1867 das geometri-sche Nivellement an, nachdem bisher im Bereich desGeneralstabs das trigono-metrische Nivellement üb-lich gewesen war. 1868 -1894 entstand ein ganz Preu-ßen umfassendes Nivelle-mentsnetz.

1870 wurde auf Veranlas-sung Moltkes das Zentral-Direktorium der Vermessun-gen im Preußischen Staateins Leben gerufen, und zwarmit der Aufgabe, alle ver-messungstechnischen Arbei-ten zu koordinieren und da-mit die wirtschaftlichen Be-

Abb. 7: Topographische Karte vom Preußischen Staate... Maßstab 1:100 000. Blatt 184 Pots-dam. Berlin 1843/1858. Kupferstich. Ausschnitt.

Abb. 8: Messtischblatt Nr. 1690 Linum. Berlin 1868/1876.Ausschnitt.

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lange der Fachministerien zu fördern.Durch die Straffung der Organisation undeine Verfeinerung der technischen Metho-den konnte der Anschluss an das Leis-tungsniveau anderer europäischer Staatenerreicht werden. Dieses Central-Direktori-um wurde erst 1921 durch die Schaffung des„Beirats für das Vermessungswesen beimReichsministerium des Innern“ ersetzt.

Erstmals begann 1864 das PreußischeMinisterium für Handel und Wirtschaft mitVorbereitungen zur Herausgabe von Mess-tischblättern wichtiger Landesteile. Mit mi-litärisch bedingten Einschränkungen wur-den ab 1868 einfarbige Blätter (Abb. 8)veröffentlicht, was zuvor wegen geodäti-scher Vorbehalte unterblieben war, nun aberfür zivile Bau- und Planungsmaßnahmennotwendig wurde.

Die preußische Karte im Maßstabl : 100000 wurde 1867 zur Karte von ganzNorddeutschland erweitert.

Deutsches Reich

Die Königlich Preußische Landesauf-nahme im Kaiserreich 1871-1919

Diese Phase der preußischen Kartographiewar geprägt vom fortschreitenden Über-gang zu modernen geodätischen Methodenund zugleich durch den Übergang von derpreußischen zur amtlichen Kartographiedes Deutschen Reichs. Die Reichsgrün-dung 1871 erteilte auch der Landesaufnah-me neue Impulse.

1872 erfolgte in Preußen die Einführungdes metrischen Messsystems, das seitdembei allen geodätisch-kartographischen Ar-beiten Anwendung fand.

Als Ergebnis eingehender Erörterungendes 1870 gegründeten Zentraldirektoriumswurde 1875 die Königlich Preußische Lan-desaufnahme mit der Forderung gegründet,

dass alle für die Landesaufnahme arbei-tenden technischen Zweige des General-stabs durch einen Chef der Landesaufnah-me geleitet werden sollten, welcher untermodernen technisch-wissenschaftlichenBedingungen die Ausführung sämtlicherVermessungs- und Kartenarbeiten des Ge-neralstabs überwachte. Die Landesaufnah-me gliederte sich in die1. Trigonometrische Abteilung,2. Topographische Abteilung,3. Kartographische Abteilung mit der

photographischen Anstalt,4. Photogrammetrische Abteilung (seit

1912).Insgesamt verfügte die Landesaufnahme

über etwa 260 Bedienstete und mehrerehundert gegen Vergütung beschäftigteHilfskräfte. Die Hauptaufgaben der Lan-desaufnahme waren$ die Triangulation des gesamten Staats-

gebiets,$ die geometrischen Nivellements,$ die topographische Aufnahme von

mehr als 11000 km2 jährlich im Maß-stab 1 : 25000,

$ die kartographische Bearbeitung in denMaßstäben l : 25000 und l : 100000sowie

$ Veröffentlichungen im Originalmaß-stab oder in kleineren Maßstäben.

Die Königlich Preußische Landesauf-nahme wurde 1921 als „Reichsamt für Lan-desaufnahme“ weitergeführt. Ihr bedeu-tendster Chef war von 1888 bis 1893 Ge-neral Oskar Schreiber, der umfangreicheErneuerungen, besonders auf dem Gebietder Beobachtungs- und Rechenmethoden,veranlasste.

Das 1877 gegründete Königlich Preußi-sche Geodätische Institut (zugleich Zentral-büro der Europäischen Gradmessung,1886 - 1919 auch Zentralbüro der Interna-

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Abb. 10: Messtischblatt Potsdam Nr. 1974. Berlin 1901/1903. Ausschnitt.

tionalen Erdmessung) pflegte die wissen-schaftliche Geodäsie und führte die für dieEuropäische Gradmessung innerhalb Preu-ßens erforderlichen Arbeiten aus.

1879 wurde der Normal-HöhenpunktSternwarte Berlin (37,000 m über dem Ams-terdamer Pegel als Normal Null) geschaf-fen. Das Geodätische Institut favorisiertejedoch den Swinemünder Pegel (mittleresOstseewasser). Seit 1912 besteht ein neu-er Normal-Höhenpunkt bei Hoppegarten.

Durch eine internationale Vereinbarungist 1883 der seit 1634 bestehende Null-meridian von Ferro (= Hierro, KanarischeInseln = 17° 40' westlich von Greenwich)nach Greenwich, Sternwarte (Großbritan-nien) verlegt worden. In einer Übergangs-phase wurden beide Längenangaben alsBlatteckenwerte auf topographischen Kar-ten verwendet (Abb. 9).

1917 forderte die Oberste Militärische Ver-waltung im Deutschen Reich die Einführungdes Gauß-Krüger-Koordinatensystems.

Von 1877 bis 1915 wurden in Preußen

Abb. 9: Messtischblatt-Nr. 1974 Potsdam.Berlin 1901/1919. Ausschnitt mit denbeiden Koordinatenwerten von Fer-ro und Greenwich. Landesvermes-sungsamt Brandenburg.

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3 307 Blätter im Maßstab l : 25 000 aufge-nommen, kartographisch bearbeitet undherausgegeben (Abb. 10). Die endgültigeFertigstellung der Messtischblätter erfolgtejedoch erst 1931. 1878 beschlossen dieStaaten Preußen, Sachsen, Bayern undWürttemberg die Schaffung eines Reichs-kartenwerks im Maßstab 1: 100 000 in An-lehnung an die preußischen amtlichen Kar-ten gleichen Maßstabs. Die Kartenprojek-tion war polyedrisch, die begrenzendenMeridian- und Parallelkreise bezogen sichauf die Berliner Sternwarte. Jeder der vierStaaten bearbeitete seine vollen Blätterselbstständig, die Grenzblätter der Staat mitdem größten Areal-Anteil. Die Kartenblät-ter wurden einheitlich durchnummeriert.Von den 675 Kartenblättern entfielen 545auf Preußen (Abb. 11). Neben den norma-len einfarbigen Blättern erschienen seit1899 auch dreifarbige Blätter (Abb. 12),seit 1914 auch Großblätter im Umfang vonvier Normalblättern.

Die preußische Vermessung und Karto-graphie hatte den Schwerpunkt ihrer Akti-vitäten aus finanziellen Gründen mehr alsein halbes Jahrhundert auf die Herstellungvon Basiskarten in großen Maßstäben le-gen müssen. Der Übergang zum Kaiser-reich und zur europäischen Großmacht er-zwang die Ausweitung der Kartenproduk-tion auf Übersichtskarten verschiedenerMaßstäbe. So erwarb der preußische Gene-ralstab zunächst 1874 die Reymannsche„Special-Karte von Central-Europa“ (Abb.13), ein vom Plankammerinspektor Rey-mann 1806 begründetes und von ihm bis1837 fortgeführtes Kartenwerk im Maßstab1 : 200 000. Danach übernahm Carl Wil-helm v. Oesfeld die Bearbeitung, ehe dieKarte 1846 an den Verlag Flemming inGlogau verkauft wurde. Das zunächst auf342 Rechteckblätter von 34 cm x 23 cmkonzipierte Kartenwerk mit Schraffendar-stellung erfasste schließlich auf 529 Blät-tern (geplant 796) über 1,1 Millionen km2

Abb. 11: Karte des Deutschen Reichs 1 :100 000. Blatt 293 Potsdam. Berlin 1867/1882. Ein-farbiger Kupferstich. Ausschnitt.

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Abb. 13: Topographische Spezialkarte von Mittel-Europa (Reymannsche Karte). Blatt 278Potsdam. Berlin 1908. Hrsg.: Abt. d. Kgl. Preuß. Landesaufnahme. Kupferstich. Aus-schnitt.

Abb. 12: Karte des Deutschen Reichs 1 :100 000. Blatt 293 Potsdam. Berlin 1901/1906. Drei-farbiger Kupferstich. Ausschnitt.

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von Mitteleuropa. Die Laufendhaltung desKartenwerks endete 1908.

Als Nachfolger der nicht mehr als zeit-gemäß angesehenen Reymannschen Kartewurden auf Vorschlag des Kriegsrats Kau-pert 1888 fast gleichzeitig die „Topogra-phische Übersichtskarte des DeutschenReichs l : 200 000“ (TÜDR 200, 1. Blatt1899) und die „Übersichtskarte von Mittel-europa 1 : 300 000“ (ME 300, ab 1893, Be-zeichnung 1905, l. Blatt 1906) als amtlicheKartenwerke vorbereitet, bearbeitet und her-ausgegeben. Dabei übernahm die TÜDR200 (Abb. 14) die Rolle einer eher zivilen

Reichskarte, während die ME 300 (Abb. 15)als militärische Operationskarte über dasReich hinaus und als eigentliche Fortset-zung der Reymannschen Karte konzipiertwar. Von den 196 geplanten dreifarbigenBlättern der TÜDR 200 lagen bei Kriegs-ende 180 Blätter fertig vor. Die ME 300erschien in ein- und sechsfarbigen Ausga-ben und umfasste 1914 101 Blätter. Im Kriegist dieses Kartenwerk um 143 behelfsmä-ßig bearbeitete Blätter weit nach Westen,Osten und Süden ausgedehnt worden.

Bereits in Vorbereitung auf den l . Welt-krieg 1913 begonnen, wegen der schnellen

Abb. 14: Topographische Übersichtskarte des Deutschen Reichs 1 :200000. Blatt 89 Pots-dam. Berlin 1907. Kolor. Dreifarbenkupferstich. Ausschnitt.

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Abb.15: Übersichtskarte von Mitteleuropa 1 : 300 000. Blatt N 53 Berlin. Berlin 1905/1933.Einfarbige Ausgabe. Ausschnitt.

Abb. 16: Übersichtskarte von Europa und Vorderasien 1 : 800 000. Blatt Berlin (L 13). Berlin1916/1920. Farblithographie. Ausschnitt.

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Herstellung jedoch nicht unbedingt kar-tographisch durchgearbeitet und im We-sentlichen erst ab 1915 ausgeliefert, wur-de die „Übersichtskarte von Europa undVorderasien l : 800 000“ (Abb.16) mit 80fünffarbigen Blättern (Stand 1920) von je-weils 4° Breite x 4° Länge Gebietsumfang.Diese Karte war der Vorläufer der Inter-nationalen Weltkarte l : l Million.

Geodäsie und Kartographie in derWeimarer Republik 1919 -1933

Nach dem l. Weltkrieg erfolgte in Deutsch-land eine grundlegende Änderung der Stel-lung des Militärs in der Gesellschaft. Dieshatte erhebliche Auswirkungen auf Lan-desaufnahme, Kartographie und Geodäsie,die bisher eng mit dem Militärwesen ver-bunden waren. 1919 schied die PreußischeLandesaufnahme aus dem Generalstab ausund wurde als ziviles „Reichsamt für Lan-desaufnahme“ dem Reichsministerium desInnern unterstellt; das militärische Karten-wesen verblieb beim Generalstab.

Ein aus Vertretern aller beteiligten deut-schen Staaten gebildeter „Beirat für Ver-messungswesen“ löste das seit 51 Jahrenbestehende „Central-Direktorium der Ver-messungen im Preußischen Staate“ ab. Dieswurde erforderlich, weil infolge des Ver-sailler Vertrags die bis dahin militärischorganisierte Landesaufnahme zivil weiter-geführt werden musste und die personellstark dezimierte Reichswehr die Aufgabender Landesaufnahme überhaupt nicht über-nehmen konnte. Der Beirat sorgte für dieEinführung des Gauß-Krüger-Koordina-tensystems und für die weitere Vereinheit-lichung der geodätischen Grundlagen derLandesvermessung. In Preußen wurde dasGauß-Krüger-Koordinatensystem 1927 of-fiziell eingeführt.

Zahlreiche kartographische Projekte

konnten infolge von Inflation und Welt-wirtschaftskrise nur teilweise oder über-haupt nicht in Angriff genommen odermussten eingestellt werden.

So schuf der Beirat zwar 1922 - 1925Musterblatt und Zeichenerklärung für dieGrundkarte l : 5 000, doch konnte die Her-stellung durch verschiedene Vermessungs-behörden erfolgen, und zwar lediglich aufKosten des jeweiligen Auftraggebers. VomReichsamt für Landesaufnahme sind zu-nächst 1926 nur zwei Probeblätter herge-stellt worden.

Die bereits kurz vor dem Kriegsausbruch1914 von den deutschen Ländern beschlos-sene Schaffung eines amtlichen Karten-werks im Maßstab l : 50 000 wurde wegendes Kriegs nicht realisiert, doch ist als Be-zeichnung für das Kartenwerk noch 1918„Deutsche Karte 1 : 50 000“ festgelegtworden. Der Beirat erklärte 1923 das Kar-tenwerk zur Ländersache und begann dieErarbeitung eines neuen Musterblatts, das1927 erschien. 1931 erfolgte auf Antragdes Kriegsministeriums die Umstellung desBlattformats: Anstelle von vier Blättern desMaßstabs 1 : 25000 umfasste ein Blatt derDeutschen Karte 1 : 50 000 nun 7 ½ Blät-ter (entsprechend dem Blattformat der Kar-te des Deutschen Reichs l : 100 000). Imgleichen Jahr lagen vom Reichsamt fürLandesaufnahme erst fünf Probeblätter vor.

Die dreifarbige Ausgabe der Karte desDeutschen Reichs im Maßstab l : 100 000wurde 1928 aus wirtschaftlichen Gründeneingestellt. Die Topographische Übersichts-karte des Deutschen Reichs 1 : 200 000 istseit 1927 nicht mehr laufend gehalten wor-den; auch die weitere Vorbereitung dernoch fehlenden Blätter unterblieb.

Aus der Übersichtskarte von Mitteleuro-pa im Maßstab 1 : 300 000 wurde unterMitwirkung des Deutschen Motorradfah-

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Abb. 17: D. M. Karte 1 :300000. Blatt N 53 Berlin, Berlin 1928. Ausschnitt.

rer-Verbands seit 1924 vom Reichsamt fürLandesaufnahme die „D. M. Karte“ (Deut-sche Motorradfahrer Karte, dann DeutscheMotorfahrer-Karte; Abb. 17) abgeleitet.Von dieser Karte mit rotem Aufdruck derStraßen und Entfernungen sowie straßen-verkehrsrelevanten Kartenrandangabensind bis 1931 51 Blätter erschienen. 1932wurde sie in „Reichs-Auto-Karte“ umbe-nannt. Von einigen Provinzen des Reichs,darunter auch Brandenburg, erschienen Zu-sammendrucke der Übersichtskarte vonMitteleuropa.

Einige Deutschland betreffende Blätterder Übersichtskarte von Europa und Vor-derasien im Maßstab 1 : 800000 sind 1923- 1927 noch nachgeführt worden; dannwurde die Bearbeitung zugunsten der „In-ternationalen Weltkarte“ eingestellt.

Die auf das Reichsgebiet entfallendenfünf Normalblätter der „Internationalen

Weltkarte 1 : l Million“ (IWK) sind 1927 -1931 veröffentlicht worden (Abb. 18). Die-ses für die gesamte Erde einheitlich konzi-pierte Kartenwerk war u.a. 1891 von demdeutschen Geographen Albrecht Penck an-geregt und in seinen Einzelheiten auf Kon-ferenzen in London (1909,1928) und Paris(1913) festgelegt worden.

Geodäsie und Kartographie imDritten Reich 1933 -1945

Die Machtübernahme durch die National-sozialisten leitete in Deutschland einen ri-gorosen Wandel des Vermessungswesensund der Kartographie ein. Durch das bereits1934 erlassene „Gesetz über die Neuord-nung des Vermessungswesens“ wurde dasVermessungswesen Reichsangelegenheitunter Leitung des Ministeriums des Innern.Eine Reichsmessungsordnung sollte einzentral geleitetes, einheitliches und leis-

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tungsfähiges Vermessungswesen ermög-lichen und die bisherigen Sonderentwick-lungen in den Ländern beenden. Karten hat-ten eindeutig Vorrang vor dem Vermes-sungszahlenwerk. Auf allen Leitungsebe-nen wurde strikt das „Führerprinzip“ durch-gesetzt, d.h. Beratungen, Diskussionen,Konsensbildung, Kompromisse und demo-kratische Mehrheitsentscheidungen entfie-len weitgehend. Damit hatte sich der ansich sinnvolle Ansatz einer einheitlichenVermessung und Kartographie selbst adabsurdum gestellt. 1935 wurde der 1933aufgelöste „Deutsche Verein für Ver-messungswesen“ (DVW) mit neuer Sat-zung als „Deutscher Verein für Vermes-

sungswesen im (1934 gegründeten) Natio-nalsozialistischen Bund deutscher Tech-nik“ wieder zugelassen. Neumitglieder desDVW mussten den Arier-Nachweis erbrin-gen. Im gleichen Jahr erfolgte die Auflö-sung des „Beirats für Vermessungswesen“.

1937 wurde als Winkelmaß im Ver-messungsdienst die 400gon Neugradteilungverbindlich eingeführt.

Das Reichsministerium des Innern ver-fügte 1938 durch die Bildung von 14Hauptvermessungsabteilungen (HVA) imDeutschen Reich (Berlin-BrandenburgHVA IV) eine völlige Neuordnung der Ver-messungsverwaltung. Aus diesen Haupt-vermessungsabteilungen gingen nach dem

Abb. 18: Internationale Weltkarte 1 :1 Million. Blatt NN 33 Berlin. Berlin 1930. Ausschnitt.

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2. Weltkrieg die Landesvermessungsämterhervor. Im gleichen Jahr trat Deutschlanderneut der „Internationalen Vereinigungfür Geodäsie“ bei, aus der das Reich seit1918 ausgeschlossen worden war. 1939 er-folgte die Bildung eines „Forschungsbei-rats für Vermessungstechnik und Kartogra-phie“ zur Koordinierung und Förderungaller zukunftsgerichteten geodätischen undkartographischen Aktivitäten. Zwar wurde1940 noch ein Runderlass zum Reichs-punktfeld mit dem Ziel veröffentlicht, eineinheitlich hierarchisch aufgebautesgeodätisches Festpunktfeld mit anspruchs-vollen Genauigkeitskriterien zu errichten;doch die Kriegshandlungen ließen eineRealisierung des angestrebten Ziels eben-sowenig zu, wie auch andere geodätischeund kartographische Vorhaben Deutsch-lands eingestellt werden mussten. Nur nochkriegswichtige geodätische und kartogra-

phische Arbeiten, vor allem die Schaffungder verschiedenen regionalen Ausgabender Deutschen Heereskarte für den Trup-peneinsatz wurden unter hohem Personal-und Materialeinsatz durchgeführt.

1935 wurde erneut ein Vorstoß unter-nommen, die topographische Grundkarte1 : 5 000 (und die Katasterplankarte) alsEinheits- oder Universalkarte - eine Forde-rung von General Baeyer von 1856 - zu ini-tiieren (2. Version des Musterblatts). 1936regelte der „Landesgrundkartenerlaß“ Her-stellung, Laufendhaltung, Vervielfältigungund Vertrieb der „Deutschen Grundkarte1 : 5 000“ auch unter Verwendung vonLuftbildern, und ein Jahr später ist dann dieDeutsche Grundkarte zum Reichskarten-werk erklärt worden. Der Kriegsausbruchverhinderte, dass sich diese Karte allge-mein durchsetzte.

Auch die „Deutsche Karte l : 50 000“

Abb.19: Deutsche Karte 1 : 50 000. Blatt 547 Reppen. Berlin 1927. Ausschnitt. FU Berlin FRKartographie.

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(Abb. 19) ist 1935 zum Reichskartenwerkerklärt worden. Bei Kriegsende lagen je-doch lediglich 29 Blätter im alten und 47Blätter im neuen Blattschnitt vor. Im Ge-gensatz zur Deutschen Grundkarte 1 :5000hat die Deutsche Karte l : 50000 in dieserForm nach 1945 keine Fortsetzung gefun-den.

Nach zehn Jahren wurde zwar 1937 dieBearbeitung der Topographischen Über-sichtskarte des Deutschen Reichs 1 :200000wieder aufgenommen, bei Kriegsende wa-ren aber immer noch elf Blätter nicht fer-tiggestellt. Ungeachtet dessen hat die To-pographie dieser Übersichtskarte einigenwichtigen thematischen Kartenwerken zu-grunde gelegen, so bereits 1913 der „Flie-gerkarte“, später dann der „Karte der Ge-meindegrenzen“, der „Geologischen Über-sichtskarte von Deutschland“ sowie der„Karte der nutzbaren LagerstättenDeutschlands“ - jeweils im Maßstab1 : 200000.

Entwicklung der deutschenKoordinatensysteme

Die Koordinatensysteme der Landesver-messungen sind von grundlegender Bedeu-tung für die Landesaufnahme mit dem Er-gebnis ihrer kartographischen Darstellung.Die Überlegenheit der süddeutschen Lan-desvermessungen über die norddeutschenin der ersten Hälfte des 19. Jahrhundertsberuhte zum größten Teil auf der planmä-ßigen Anlage rechtwinkliger Koordinaten-systeme. In Brandenburg wurde seinerzeitfür die Feldaufnahme kein einheitlichesKoordinatensystem benutzt; es gab ledig-lich „Insellösungen“, die aneinander ge-rückt wurden. Die bereits angewandtengeographischen Koordinaten (Länge, Brei-te) lagen dem praktischen Landmesser zufern. Er benötigte unbedingt rechtwinklige

Koordinaten, und zwar solche, die denÜbergang zwischen der Kleinvermessungund den höheren geodätischen Rechnungenmit geographischen Koordinaten vermittel-ten. Diese Funktion erfüllten die ab 1810in den süddeutschen Staaten eingeführtenSoldner-Systeme. Die rechtwinkligen geo-dätischen Koordinaten auf der gekrümm-ten Erdoberfläche waren französischen Ur-sprungs. Bereits 1734 schuf Cassini dieGrundlagen. In Süddeutschland formtenum 1800 Bohnenberger und etwas späterSoldner rechtwinklige und geographischeKoordinaten ineinander um. Beim Soldner-System nahm man in jedem Land einenPunkt als Nullpunkt und den Meridian die-ses Punkts als Hauptachse. Während dieMeridianachse (Abszisse) beliebig ausge-dehnt werden konnte, durften die daraufrechtwinklig stehenden Ordinaten eine ge-wisse, durch die Verzerrung begrenzteGröße nicht überschreiten. In Preußenwurden gemäß Anweisung der KöniglichPreußischen Landesaufnahme von 1881vierzig Koordinatensysteme nach Soldnerveröffentlicht. Hierbei ist zu bedenken,dass die Trigonometrische Abteilung derLandesaufnahme zwar ein konformes recht-winkliges System über ganz Preußen fürden Zusammenhalt der Triangulierungen I.und II. Ordnung besaß, dass die preußischeKatasterverwaltung jedoch davon unab-hängig die schwerfälligen SoldnerschenKoordinatensysteme verwendete.

Die seit 1820 durch Carl Friedrich Gaußin der Hannoverschen Landesvermessungeingeführten konformen Koordinaten er-fuhren nach allen Richtungen insgesamtgrößere - aber gleiche - Verzerrungen beider Darstellung der gekrümmten Erdober-fläche auf ebenem Kartenbild gegenüberden „natürlichen“ Soldnerschen Koordina-ten, die nach verschiedenen Richtungen ver-

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schiedene große Verzerrungen erfuhren.Erstere wahrten also das Prinzip der Nach-barschaft besser bei der Kartenabbildung.Trotz evidenter Vorteile konnten sich dieGaußschen konformen Koordinaten erstAnfang des 20. Jahrhunderts in der deut-schen Kartographie allgemein durchsetzen.

Die 1881 veröffentlichte Abhandlungüber die konforme Doppelprojektion derPreußischen Landesaufnahme ist mit demNamen des damaligen Chefs der Trigono-metrischen Abteilung der Königlich Preu-ßischen Landesaufnahme, Schreiber, ver-bunden. Bei dieser Kartenprojektion wur-

de ganz Preußen zunächst vom Erd-Ellipsoid auf eine Kugel mit dersphärischen Normalbreite (42° 40')abgebildet und dann zum zweitenMal von der Kugel auf die Ebenenach dem Mercator-Entwurf (An-schlussmeridian 31° Ferro = 13°20' östlich von Greenwich) kon-form übertragen. Hierbei bildeteder Meridian 13° 20' östlich vonGreenwich die x-Achse des preu-ßischen Systems mit einer Ordina-tenausdehnung westlich von ca.540 km, östlich von ca. 620 km.Der Nullpunkt des ebenen Systemsliegt auf dem Anschlussmeridianin der Breite 52° 42' 2,53251"nördliche Breite.

Das in Deutschlands amtlicherKartographie 1927 eingeführteGauß-Krüger-Koordinatensystemmit Streifen von je 3 Längengradenberuht auf einer winkeltreuen quer-achsigen Zylinderabbildung (Abb.20). Bei polständiger Lage des Zy-linders ist diese Abbildung als Mer-cator-Entwurf bekannt. Da die Ver-zerrungen der Abbildung seitwärtsvom Berührungsgroßkreis sehrrasch zunehmen, hat man sie aufdrei Längengrade beschränkt; alledrei Längengrade ist ein neuerquerachsiger Zylindermantel umdas Ellipsoid gelegt zu denken. Innordsüdlicher Richtung findet kei-ne Verzerrung statt.

Abb. 20: Von der Kugel zur Ebene. Gauß-Krüger-Ko-ordinaten. Prinzipskizze

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Die Überführung der in Preußen ur-sprünglich in anderen Projektionen, z. B.Polyederprojektion oder konforme Dop-pelprojektion, neu entworfenen Karten-werke in die Gauß-Krüger-Projektion istmathematisch unbedenklich, weil infolgeder relativ kleinen Ausdehnung der Kar-tenblätter und wegen der verhältnismäßiggeringen seitlichen Ausdehnung der Gauß-Krüger-Projektion die Projektionsunter-schiede im Kartenmaßstab unwirksam sind.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel ist der folgenden Publikati-

on entnommen:Wolfgang Scharfe, Holger Scheer-

schmidt: Berlin-Brandenburg im Karten-bild, Staatsbibliothek zu Berlin, Berlin2000, 248 Seiten, ca. 190 Abbildungen.

Buchhandelsbetrieb: Dr. Ludwig Rei-chert Verlag, Wiesbaden, ISBN 3-89500-200-3; 58,00 DM.

(Siehe auch unter Buchbesprechungen inVermessung Brandenburg, Heft 1/2001).