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Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE SS 09 Univ.-Prof. Dr. Christoph Jäger Univ.-Prof. Dr. Josef Quitterer

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nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito

GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE

SS 09

Univ.-Prof. Dr. Christoph Jäger

Univ.-Prof. Dr. Josef Quitterer

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Inhaltsverzeichnis

0 ORGANISATORISCHE VORBEMERKUNGEN .................................................................................... 1

0.1 ZEITPLAN SS 09 ..................................................................................................................................... 1 0.1.1 Überblick ........................................................................................................................................... 1

0.2 WARUM PHILOSOPHIE ............................................................................................................................. 1

1 DIE VORSOKRATIKER: VOM MYTHOS ZUM ........................................................................ 2

1.1 IONISCHE NATURPHILOSOPHEN .............................................................................................................. 2 1.1.1 Thales ................................................................................................................................................ 2 1.1.2 Anaximander ..................................................................................................................................... 3

1.2 HERAKLIT UND PARMENIDES ................................................................................................................. 3 1.2.1 Heraklit ............................................................................................................................................. 3 1.2.2 Parmenides ........................................................................................................................................ 4

1.3 SOKRATES .............................................................................................................................................. 5

2 PLATON ....................................................................................................................................................... 5

2.1 QUELLENLAGE ....................................................................................................................................... 5 2.1.1 Literaturempfehlung .......................................................................................................................... 5

2.2 IDEENLEHRE ........................................................................................................................................... 5 2.2.1 Kern der Ideenlehre .......................................................................................................................... 5 2.2.2 für die Ideenlehre relevante Dialoge ................................................................................................. 7 2.2.3 wichtige Merkmale der Ideenlehre .................................................................................................... 7 2.2.4 zwei Hauptargumente für die Ideenlehre .......................................................................................... 8

2.3 SEELENLEHRE ........................................................................................................................................ 8 2.3.1 wie kommt man zu dieser These ........................................................................................................ 8 2.3.2 wie es dazu kommt, dass wir uns in Körpern befinden ...................................................................... 9 2.3.3 Dialog „Phaidon“ ............................................................................................................................. 9

2.4 WICHTIG BEI PLATON: .......................................................................................................................... 12

3 ARISTOTELES .......................................................................................................................................... 13

3.1 LEBEN .................................................................................................................................................. 13 3.2 PHILOSOPHIE ........................................................................................................................................ 13 3.3 DAS SEIENDE ........................................................................................................................................ 13 3.4 SEELENLEHRE DES ARISTOTELES ......................................................................................................... 16

4 HELLENISTISCHE PHILOSOPHIE (CA. 323-31 V. CH.) .................................................................. 17

4.1 STOA .................................................................................................................................................... 17 4.1.1 Grundzüge der Erkenntnistheorie ................................................................................................... 17 4.1.2 Grundzüge der stoischen Ethik........................................................................................................ 18

4.2 SKEPTIZISMUS: DIE PYRRHONISCHE SKEPSIS ........................................................................................ 18 4.2.1 geistesgeschichtliche Bedeutung ..................................................................................................... 18 4.2.2 10 Tropen (Figuren) der Zurückhaltung des Aenesidemus ............................................................. 18 4.2.3 die fünf Tropen der Zurückhaltung des Agrippa ............................................................................. 19

5 HL. AUGUSTINUS (354-430) ................................................................................................................... 19

5.1 WILLENFREIHEIT UND DAS THEODIZEEPROBLEM ................................................................................. 19 5.1.1 Willensfreiheitstheodizee ................................................................................................................. 20 5.1.2 Verantwortlichkeit Gottes für das malum iSv Leid .......................................................................... 20 5.1.3 Theodizeeproblem ........................................................................................................................... 20 5.1.4 drei Leitfragen in de libero arbitrio ................................................................................................ 20

6 PHILOSOPHIE UM DIE JAHRTAUSENDWENDE ............................................................................ 22

6.1 AVERROES ( 1198) ............................................................................................................................. 22 6.1.1 Verstehen der Schöpfung ohne zeitlichen Beginn............................................................................ 22

6.2 MOSES MAIMONIDES (1135-1204) ....................................................................................................... 23 6.3 ARISTOTELES IM CHRISTENTUM ........................................................................................................... 23

7 HL. THOMAS VON AQUIN (1225-1272) ............................................................................................... 23

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7.1 WIE THOMAS ZU DEN ARISTOTELISCHEN SCHRIFTEN KOMMT ............................................................... 23 7.2 WICHTIGSTE SCHRIFTEN DES HL. THOMAS ........................................................................................... 23 7.3 ALLGEMEINES ZUM ANSATZ DES HL. THOMAS .................................................................................... 24 7.4 BEGRIFFLICHKEITEN ............................................................................................................................ 24

7.4.1 Gegensatz von forma und materia ................................................................................................... 24 7.5 ZENTRALE INHALTE BEIM HL. THOMAS ................................................................................................ 28

7.5.1 Frage der Gottesbeweise ................................................................................................................. 28 7.5.2 Seelenlehre des Thomas von Aquin – Anthropologie ...................................................................... 29

8 LUIS DE MOLINA SJ (1535-1600) .......................................................................................................... 32

8.1 TERMINOLOGIE .................................................................................................................................... 32 8.2 WILLENSFREIHEITSTHEORIE ................................................................................................................. 32

8.2.1 eine introspektive Gewissheit .......................................................................................................... 32 8.2.2 kausal-physikalischer Determinismus ............................................................................................. 33 8.2.3 theologischer Determinismus .......................................................................................................... 33

9 DESCARTES (1596-1650) ......................................................................................................................... 34

9.1 ERSTE MEDITATION – RADIKALER SKEPTISCHER ZWEIFEL ................................................................... 34 9.2 ZWEITE MEDITATION ............................................................................................................................ 35 9.3 ERKENNTNISTHEORETISCHER FUNDAMENT(AL)ISMUS ......................................................................... 35

9.3.1 im Groben ....................................................................................................................................... 35 9.3.2 infiniter Regress .............................................................................................................................. 36 9.3.3 zirkuläre Rechtfertigung .................................................................................................................. 36 9.3.4 Ende in ungerechtfertigten Überzeugungen? .................................................................................. 36 9.3.5 Basisüberzeugungen und doxastische Superstruktur ...................................................................... 36

9.4 DESCARTES METAPHYSISCHER BEWEIS FÜR DEN LEIB-SEELE-DUALISMUS.......................................... 38 9.4.1 das Argument der zweiten Meditation ............................................................................................. 38 9.4.2 das Argument der sechsten Meditation ........................................................................................... 38 9.4.3 ein weiteres Argument ..................................................................................................................... 38

9.5 PROBLEME EINES DUALISMUS .............................................................................................................. 39 9.5.1 wie der Geist auf den Körper wirkt ................................................................................................. 39

10 BARUCH DE SPINOZA (1632-1677) .................................................................................................. 39

10.1 GOTT ALS ZUREICHENDE URSACHE ALLES SEIENDEN .......................................................................... 40

11 LEIBNITZ .............................................................................................................................................. 41

11.1 WARUM DIE WELT SO IST WIE SIE IST – AUCH DAS THEODIZEEPROBLEM .............................................. 41

12 BRITISCHER EMPIRISMUS: DAVID HUME (1711-1776) ............................................................ 41

12.1 HUMES THEORIE DER PERZEPTIONEN ................................................................................................... 42 12.1.1 Kernthesen ua (Kuhlenkampff, S 27f) ......................................................................................... 42 12.1.2 ad 1: Perzeptionen ...................................................................................................................... 42 12.1.3 ad 2: Eindrücke und Ideen .......................................................................................................... 42

12.2 KAUSALITÄTSTHEORIE ......................................................................................................................... 44 12.2.1 Humes Definition von Ursachen und Wirkungen ........................................................................ 44 12.2.2 Ursache-Wirkungs-Verhältnisse ................................................................................................. 45 12.2.3 Epistemisierung der Ursache-Wirkungs-Beziehung ................................................................... 46

12.3 HUMES RELIGIONSPHILOSOPHIE ........................................................................................................... 46 12.3.1 Wunderkritik ............................................................................................................................... 46 12.3.2 Naturgeschichte der Religion ..................................................................................................... 48

13 ENGLISCHER EMPIRISMUS ............................................................................................................ 48

13.1 ZUR PHILOSOPHIE DER NEUZEIT GENERELL .......................................................................................... 48 13.2 HOBBES (1588-1672) ........................................................................................................................... 49 13.3 JOHN LOCKE ......................................................................................................................................... 50

13.3.1 Konsequenzen des Denkens von Locke ....................................................................................... 51

14 IMMANUEL KANT (1724-1804) ......................................................................................................... 52

14.1 SEIN LEBEN .......................................................................................................................................... 52 14.2 KRITIK DER REINEN VERNUNFT ............................................................................................................ 54

14.2.1 Vorrede zur zweiten Auflage – Kritik der reinen Vernunft ......................................................... 54

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15 HEGEL, PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES ............................................................................... 61

15.1 PHÄNOMEN DES BEWUSSTSEINS ........................................................................................................... 61

16 ARTHUR SCHOPENHAUER (1788-1860) ......................................................................................... 61

17 KIERKEGAARD (1813-1855) .............................................................................................................. 62

18 NIETZSCHE (1844-1900) ..................................................................................................................... 63

19 HEIDEGGER (1889-1976) .................................................................................................................... 63

20 PHILOSOPHIE DER GEGENWART ................................................................................................ 65

20.1 BEISPIEL: DIE PHÄNOMENOLOGIE EDMUND HUSSERLS (1859-1938) ................................................... 65 20.2 LOGISCHE UNTERSUCHUNGEN .............................................................................................................. 65

20.2.1 Die Psychologismuskritik............................................................................................................ 65 20.2.2 Phänomenologie und Intentionalität ........................................................................................... 66

20.3 ANALYTISCHE PHILOSOPHIE IM 20. JAHRHUNDERT .............................................................................. 67 20.4 GOTTLOB FREGE .................................................................................................................................. 67

20.4.1 von Sinn und Bedeutung.............................................................................................................. 68 20.5 WIENER KREIS ..................................................................................................................................... 70

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0 organisatorische Vorbemerkungen Klausur empfohlen, mündliche Prüfung möglich

sowohl als auch: es wird gemeinsam gemacht

es gibt kein Skriptum – regelmäßiges Erscheinen eher notwendig

Literaturempfehlung:

Kohlhammer, Grundkurs Philosophie, Bd 6-10 geschichtlich orientiert

Geschichte der Antike, Mittealter, …

UTB, Grundprobleme der großen Philosophen, Josef Speck (Hrsg.), 9 Bde

0.1 Zeitplan SS 09

0.1.1 Überblick

Antike, bis 2603

0403-1803: die Vorsokratiker, Platon

1993-2603: Aristoteles

0104: Stoa, Epikur, Skeptizismus

Mittelalter, bis 2904

0204-2204: Augustinus, Boethius

2304-2904: Thomas von Aquin

Neuzeit, bis 0406

3004-1305: Luis de Molina, Descartes

1405: Leibniz

2005-2705: Hume

2805-0406: Locke, Kant

Gegenwart, bis 2506

1006-1706: Husserl

1806: Wittgenstein

2406: logischer Empirismus/Wiener Kreis

2506: ?

0107: Klausur

0.2 warum Philosophie

systematische Philosophie: das Fragen systematischer, inhaltlicher Fragen, zB „Was ist

Wissen?“, „Was ist der menschliche Geist?“, „Was ist Selbstbewusstsein?“, „Was sind die

Grundprinzipien der Existenz der Dinge?“, „Gibt es einen freien Willen?“

praktische Philosophie: „Was ist das gute Leben?“, „Was ist das richtige Handeln?“

Prinzipien des Wissenserwerb: Philosophie kann man als eine Geisteswissenschaft fassen, die sich

mit den Prinzipien der Wissensgewinnung beschäftigt

Philosophie geht apriorisch vor, dh sie arbeitet nicht selbst empirisch um zu ihren Ergebnissen zu

kommen

jedoch sollte die Philosophie schon empirisch informiert sein

Frage nach dem Wahr oder Falsch einer historischen Aussage

man eignet sich Aussagen immer aus dem Blick seiner eigenen Zeit aus

methodische Schuldung des Denkens: man braucht zwar Wissen, aber es ist auch Denktraining

Basismeinungen

alle

Über-

zeugungen

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1 die Vorsokratiker: vom Mythos zum Reklam:

die Vorsokratiker 1+2, alle Fragmente

1.1 Ionische Naturphilosophen

Aristoteles: am Anfang aller Philosophie steht das Staunen

1.1.1 Thales

ein Schritt zu rational diskursivem Denken, zur rationalen Erforschung der Welt

laut Aristoteles der Urheber der Naturphilosophie

Theorien und Mythen, Götterwelten (vgl. Homer), da werden natürliche Vorgänge in der Welt

durch das spontane Eingreifen von anthropomorphen Göttern erklärt Mythen

naturwissenschaftliche Erforschung und philosophische Grundfragen waren zu dieser Zeit nicht

getrennt

hat eine Sonnenfinsternis vorhergesagt (berechnet!), jene von 585 v. Ch.: daraufhin Berühmtheit

in der mythologischen Kosmogonie (zB bei Hesiod) wurde eine Sonnenfinsternis als

göttlicher Zornesausbruch gedeutet

1.1.1.1 Hauptthesen (Bericht des Hippolytos)

hat sich als erster mit Naturphilosophie beschäftigt

behauptet Ursprung und Endziel des Alls sei das Wasser

alles kommt aus Wasser zustande (verfestigt sich) und wird wieder zu Wasser (verflüssigt

sich)

die Gesamtheit der Dinge wird auf der Oberfläche des Wassers mitgeschwemmt, wodurch auch

Erdbeben, Zusammenballung von Winden und Bewegung der Sterne verursacht wird

alle Dinge bewegen sich und sind im Fluss, weil sie mit der Natur des ersten Urhebers ihres

Werdens übereinstimmt

was weder Ursprung noch Ende hat ist Gott

1.1.1.2 Bedeutung der Thesen des Thales

Naturwissenschaft statt mythologisch-religiöser Erklärung

anders als in Mythologie ist Erde nicht Göttin

Ruhe verdankt sie dem Treiben im Wasser

1.1.1.3 philosophische Gedanken

Quellenlage eher schlecht, man hat doxographische Berichte

Wasser sei das Prinzip, das Grundprinzip des Daseins

wahrscheinlich aus der Beobachtung, dass alle Nahrung feucht ist; die Erde schwimmt auf

dem Wasser

Schritt vom Mythos zum Logos?

Wasser spielte schon immer eine große Bedeutung

Unterschied zu zB Homer: Thales geht einen Schritt in das rational-wissenschaftliche Denken

Erdbeben zB wurden ursprünglich in der Mythologie durch Zürnen des Posseidon erklärt

Thales konstruiert Hypothese: dass die Erde auf dem Wasser schwimmt ist die beste

Erklärung für Erdbeben, denn wenn das Wasser schwankt finden Erdbeben statt

das mag zwar rein sachlich aus heutiger Sicht naiv erscheinen, ist aber wesentlicher

Schritt zu antimythologischem naturwissenschaftlichem Denken

er hat für die mythisch erklärten Vorgänge Gründe gefunden

Thales ist in dem Sinne als Naturwissenschaftler zu sehen indem er einen wesentlichen Schritt in

die Entmythologisierung gegangen ist

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1.1.1.4 entscheidend

Versuch der Rationalisierung von Naturerklärungen

Thales glaubte auch, dass die Seele die Bewegungsursache ist

da er sah, dass ein Magnetstein Eisen bewegen kann, nahm er an, auch der Magnet habe eine

Seele, somit schrieb er auch unbeseelten Sachen Seelen zu (zB Magnetstein)

Ursprung und Endziel der ganzen Existenz ist das Wasser

Gesamtheit der Dinge werden auf dem Wasser mitgeschwemmt, wovon alles betroffen ist

nichtmythologische Erklärung von Naturphänomenen

1.1.2 Anaximander

Schüler des Thales

Ursprung alles Seienden ist das Apeiron – nicht ein konkreter Gegenstand, sondern es ist das

Unbegrenzte, ein Prinzip, aus dem alle Dinge hervorgegangen sind und zu dem alles

zurückkehren wird

Ursprung oder auch Anfang und Element seien das Unbestimmte

die Teile verwandeln sich, das All jedoch sei unwandelbar

das Grundprinzip war der Kampf der Gegensätze: Feuer-Wasser, Luft-Erde, …

das Apeiron ist das Unbeschränkte, daraus ist alles entstanden; das Unbeschränkte ist somit für

ihn Ursprung als auch Element

Idee, dass es nichts mehr neben diesem ersten Anfang gibt, das Apeiron steuert alles

dieses sei das Wirkliche, weil unsterblich und unvergänglich

hatte rudimentäre Evolutionstheorie:

der Mensch stammt vom Fisch ab, entwickelt sich zuerst in den Fischen

der Mensch ist ja in den ersten Jahren unfähig sich selbst zu erhalten

1.1.2.1 Hauptthesen (Bericht von Aristoteles)

das Unbeschränkte wird in dieser Weise (als neben den Elementen) und nicht als Luft oder

Wasser bestimmt

Elemente haben untereinander Beziehung der Gegnerschaft, zB Luft ist Kalt, Wasser ist feucht,

Feuer ist heiß

wenn einer von ihnen also unbeschränkt wäre, wären die Übrigen schon lange zugrunde

gegangen

also sagen sie, das Unbeschränkte sei etwas anderes (als die Elemente), woraus diese

entstehen

1.2 Heraklit und Parmenides

1.2.1 Heraklit

1.2.1.1 Ontologie

„Alles ist austauschbar gegen Feuer und Feuer gegen alles, wie Waren gegen Gold und Gold gegen

Waren.“ (DK 22 B 90)

„Die gegebene schöne Ordnung [Kosmos] aller Dinge, dieselbe in allem, ist weder von einem der

Götter noch von einem der Menschen geschaffen worden, sondern sie war immer, ist und wird sein:

Feuer, ewig lebendig, nach Maßen entflammend und nach Maßen erlöschend.“ (DK 22 B 30)

ontologische Grundkategorie: Feuer

Grundbestimmung der Wirklichkeit als ereignishaft

„Man kann nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen.“ (DK 22 B 91)

„In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht.“ (DK 22 B 49a)

es ist eben ein anderes Wasser; einerseits steigen wir zwar schon in denselben Fluss,

andererseits aber nicht, weil dieser Fluss sich ständig verändert, weil das Wasser das er

führt niemals dasselbe Wasser ist

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es gelingt ihm gar nicht es so auszudrücken, dass er nicht auf etwas Bezug nimmt, das

identisch ist, das auch durch die Zeit identisch bleibt, und zwar der Fluss in gewisser

Weise

wir steigen also berechtigterweise schon in denselben Fluss, aber gleichzeitig auch nicht

Frage nach der Identität: wie können wir sagen, dass Dinge dieselben seien?

Tausche ich zB meine Motorhaube aus, ist das noch dasselbe Auto?

Fragen wichtig bei Fragen nach der personalen Identität, zB was eine Person

ausmacht; Fragen werden ethisch und moralisch relevant beim Thema

Personalidentität; was sind die Bedingungen der Personalidentität (vgl. split brain

cases)

metaphysische Grundthese: Alles ist in Bewegung, alles vergeht

1.2.1.2 Wissen und Weisheit

„Nach Weisheit strebende Menschen [philosophous] müssen sehr viele Dinge erforschen.“ (DK 22

B 35)

aber:

„Pythagoras … hat am meisten von allen Menschen Forschung getrieben. Indem er eine

Auswahl seiner Notizen vornahm, machte er sich daraus eine eigene Weisheit, Vielwisserei,

schlimme Machenschaften.“ (DK 22 B 129)

„Gelehrsamkeit lehrt nicht, sich einen Begriff zu machen.“ (DK 22 B 40)

„Natur pflegt sich versteckt zu halten.“ (DK 22 B 123)

„Schlechte Zeugen sind den Menschen Augen und Ohren, wenn sie unverständige Seelen haben.“

(DK 22 B 107)

Erkenntnis ist nicht Wahrnehmung

kommt später auch bei Platon, Erkenntnis ist nicht etwas, das wir mit den Sinnen

wahrnehmen können, letztlich nur mit dem Verstand, mit der Schau der Ideen

bei Platon später die Idee, dass es Wissen nur vom Seienden geben kann, nur von dem

was ist und nicht von dem was entsteht (zB der Fluss ist nicht seiend, er verändert sich

ständig)

„Wir wollen nichts aufs Geratewohl über die wichtigsten Dinge urteilen.“ (DK 22 B 47)

Erkenntnis braucht Begründung/Rechtfertigung

„Verständigsein ist die wichtigste Tugend. Und die Weisheit [sophia] besteht darin, das Wahre zu

sagen und zu tun in Übereinstimmung mit der Natur, im Hinhorchen.“ (DK 22 B 112)

1.2.2 Parmenides

metaphysische Grundthese: nichts vergeht. Es gibt in Wahrheit weder Werden noch Vergehen.

Denn wie soll etwas, das noch nicht ist, werden, und etwas, das ist, vergehen? Wir täuschen uns in

der Annahme, es gäbe Bewegung. Wir erleben nur Ausschnitte aus der Wirklichkeit und teilen sie

deshalb ein in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

nur durch richtiges Denken kann man zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen

diese Wahrheit lautet für ihn, dass es weder Zeit noch Veränderung gibt

die Sinneswahrnehmung verleitet uns dazu, die Veränderung als grundlegend zu erfassen

Sinneswahrnehmung erzeugt bloße Meinung; diese Meinungen können (zufällig) die

Wahrheit treffen, sind aber gefährdet falsch zu sein, wenn sie nicht mit Begründung und

Rechtfertigung ausgestattet sind

spätere Substanztheorie: diese Theorie wurde eigentlich von diesen gegensätzlichen

Auffassungen (Heraklit und Parmenides) inspiriert

1.2.2.1 moderne Theorien von Wissen und Erkenntnis

möglicher Einfluss auf Platons Theorie des Wissens:

Wissen gibt es nur von dem, was ist. Wissen erlangt man nicht durch Wahrnehmung,

sondern nur durch denkende Erkenntnis

die Ideen sind, sie werden nicht

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der abstrakte Gegenstand des Wissens (wovon wir Wissen erlangen) sind Sachverhalte,

dh wir wissen, dass etwas der Fall ist, was etwas anderes ist als Ideen zu wissen

der Sachverhalt des Kreisens der Erde um die Sonne ist ein Ereignis, die Tatsache

aber dass es der Fall ist, ist ein abstrakter Gegenstand

Wissen und Überzeugungen bestehen von Sachverhalten, und die sind eben keine Ereignisse wie

zB Heraklit's Fluss

die Tatsache, dass der Fluss fließt ist ein abstrakter Gegenstand

1.3 Sokrates

berühmter Satz: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

eigentlich: „Ich bin mir weder im Großen noch im Kleinen einer besonderen Weisheit

bewusst.“

Sokrates stellt gerne die Was-ist-Fragen

es geht ihm dabei immer um das Wesen der Frage, nicht um Beispiele

Was ist Wissen?

Wissen ist wahre gerechtfertigte Meinung

es geht darum, dass man Meinungen über etwas hat, aber dieser Glaube darf nicht zufällig

sein

es muss auch wahr sein

muss gerechtfertigt sein (also nicht bloß glauben)

2 Platon

im Mittelpunkt seiner Philosophie steht die Ideenlehre

in ihren Grundzügen durchaus verständlich

birgt aber auch große Komplexitäten bzw. Schwierigkeiten

2.1 Quellenlage

28 Dialoge überliefert

13 Briefe die über sein Leben Aufschluss geben

seine Dialoge werden in verschiedene Phasen eingeteilt

2.1.1 Literaturempfehlung

Platon: Werke, griechisch/deutsch, Gunther Eigler (Hg.), Darmstadt 1977

Walter Bröcker, Platons Gespräche, Frankfurt am Main / Klostermann, 1966

Friedo Ricken: Philosophie der Antike, Stuttgart 42007

Franz von Kutschera, Platons Philosophie, 3 Bde., Paderborn 2002

Sir David Ross: Plato's Theory of Ideas, Oxford 1953

2.2 Ideenlehre

2.2.1 Kern der Ideenlehre

Frage der Dialogform

Platon schreibt in Dialogen, die von vielen (antiken) Autoren als künstlerisch sehr gelungen

gelten

sind nicht besonders gut zugänglich

Platon hatte wenig Vertrauen auf das geschriebene Wort – das gesprochene Wort und der

philosophische Dialog führt zur Erkenntnis

nur im Dialog kann ich überprüfen, ob der Partner alles richtig verstanden hat

man kann so lange den Dialog führen, bis alles klar ist; Lösungen, …

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geschriebenes Wort kommuniziert nicht mit dem Leser, man kann keine Rückfragen stellen,

Missverständnisse sind vorprogrammiert

„Was ist x?“ = Kern der Sokratischen Frage

Sokrates glaubt, dass wir in den praktischen, moralphilosophischen Fragen nur durch die

Beantwortung von Definitionsfragen das richtige Handeln erkennen können

Platon übernimmt von Sokrates, dass das Philosophieren an sich im lebendigen Diskurs die

einzige Chance ist, die „was-ist-Fragen“ adäquat zu beantworten

deshalb der Dialog

deshalb auch zT die Offenheit der Dialoge

es gibt oft keine endgültigen Antworten

es geht auch darum, Fragen aufzuwerfen, Fragen richtig zu stellen

Philosophie besteht auch darin, Denken zu lernen und die richtigen Fragen zu stellen

allgemeine Thesen zur Ideenlehre:

wer die Ideen bestreitet hat nichts, worauf er seinen Verstand richten kann

Beispiel aus Eutyphon

Priester Eutyphon behauptet zu wissen, welche Handlungen fromm sind und welche nicht

er will einen Vater verklagen, glaubend dies sei eine fromme Handlung

Platon redet mit ihm um herauszubekommen, ob der wirklich weiß, was das Fromme sei

es folgt Unterscheidung zwischen „dem Frommen“ und „den frommen Handlungen“

(fromme Handlungen sind das, was der Fromme vollzieht)

Platon führt die Idee der Idee ein

fromme Handlungen sind solche, die an der Idee des Frommen Anteil haben, wo das

Fromme anwesend ist

Eutyprhon-Dilemma: Ist das Fromme fromm weil es die Götter lieben oder wird es

von den Göttern geliebt weil es fromm ist?

fromme Handlungen sind dadurch fromm, weil sie alle dieselbe Form haben (dasselbe

), sie haben alle die Form des Frommen

es gibt hier eine semantische, eine ontologische und eine erkenntnistheoretische Dimension

semantische Dimension

„x ist fromm“

wir müssen aus der Vielheit aller Handlungen beurteilen können, auf welche die

vorhergehende Aussage zutrifft

hat die Form einer Prädikation; von einem Ereignis (einer Handlung) wird etwas

ausgesagt, ihr wird eine gewisse Eigenschaft zugesprochen

semantische Grundidee: Aussagen der Form „x hat die Eigenschaft f“ ist eine wahre

Prädikation, wenn der Gegenstand einer Handlung tatsächlich diese Eigenschaft hat

F(a) singulärer Terminus

alle frommen Handlungen nun sind deshalb fromm, wenn sie die Eigenschaft haben

fromm zu sein

bei Platon heißt das: sie haben Teil an der Idee des Frommen

Argument für Ideenlehre: Argument der Einheit in der Vielheit

die Gegenstände sind aber in der Zeit, sie gehören in die Welt des Wahrnehmbaren, sie

unterliegen der Zeit (ein roter Gegenstand zB ist vielleicht morgen nicht mehr rot oder

existiert nicht mehr)

die Form aber, die diesen Dingen eigen und Gemeinschaft ist, das muss etwas sein,

das nicht vergänglich ist, denn das ist die Idee, die durch das Anwesendsein auch

nicht weniger wird

Ideen sind somit nach Platon auch die einzigen Dinge, die wirklich sind

das Fromme selbst ist also immer gleich, auch wenn sich die Handlungen

unterscheiden, de facto gibt es sogar keine fromme Handlung, die im strikten

Sinne dieselbe ist wie eine andere

wenn es Handlungen sind, sind sie einzigartig

es gibt sicherlich Handlungstypen, somit typidentisch, aber im strikten

Sinne ist keine Handlung mit einer anderen identisch, wenn es sich um ein

Ereignis in der empirischen Welt handelt

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die Idee hingegen hat die Eigenschaft der strikten Unveränderlichkeit, sie

ist kein Gegenstand in Raum und Zeit

wir müssen aber erkennen, was das Fromme ist, um fromm handeln zu können, und

das ist das Schauen der Ideen (Metexis, Teilhabe der Einzeldinge an den Ideen)

im Sokratischen Dialog ist dies möglich – die Tätigkeit des Philosophierens

befähigt uns eben dazu, die Ideen zu schauen

somit tut Platon dies perfomatorisch, was er in seiner Lehre behauptet –

Zusammenhang von Form und Inhalt

es gibt keine Technik (kontemplativ, introspektiv, ...)

Zwei-Welten-Theorie

Welt der unveränderbaren Ideen

Welt der wahrnehmbaren Dinge

Argument der Einheit in der Vielheit

2.2.2 für die Ideenlehre relevante Dialoge

2.2.2.1 frühe Dialoge

Charmides, Laches, Eutyphron, Hippias I

2.2.2.2 mittlere Dialoge

Menon, Kratylos, Symposion, Phaidon, Der Staat, Phaidros

2.2.2.3 späte Dialoge

Parmenides, Theaitetos, Sophist, Politikos, Timaios, Kritias, Philebos, Gesetze

2.2.3 wichtige Merkmale der Ideenlehre

1. praktische

2. semantische

3. ontologische (Ontologie = Lehre des Seienden)

4. erkenntnistheoretisch

2.2.3.1 praktische Dimension

Sokrates: Man kann nur dann fromm, gerecht, tapfer, usw. handeln, wenn man weiß, was das

Fromme, Gerechte, Tapfere usw. ist. Daher verfolgt der Sokratische Dialog Definitions- oder

„Was-ist-Fragen“.

über den Dialog gelangt man zu Antworten, das ist verbunden mit Platons Betonung der

Wichtigkeit des diskursiven Gesprächs (des Philosophierens an sich), im Gegensatz zur

Möglichkeit bestimmte Lehren schriftlich zu fixieren, die dann von den Schülern gelernt

werden

2.2.3.2 semantische Dimension

Wann ist etwa die Aussage: „Diese Handlung ist fromm.“ (Eutyphron) wahr?

Platons Antwort: Diese Aussage ist wahr, wenn die Handlung an der Form oder Idee (,

idea) des Frommen teilhat.

Rückführung der Frage nach der Wahrheit einer Prädikation auf die Anwesenheit der

Idee in der Sache, von der etwas prädiziert wird

dies ist bedeutungstheoretische Dimension der Ideenlehre, weil man hier von der Frage

ausgeht, was eine Aussage über ein Einzelding wahrmacht

F(a) ↔ I(a)

„Sokrates ist schön“ ist wahr gerade weil Sokrates am Schönen selbst teilhat. Die logische Form

des Satzes wird nicht als F(a), sondern als F(a,b) analysiert

ein einstelliger Prädikatausdruck ist zB „Ich bin groß“ G(i), zweistellig wäre „Ich bin größer

als du“ G(i,d)

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zB „Sokrates ist weise“ W(S) lt. Platon „Sokrates hat Teil an der Weisheit“ T(S,W) (=

Tiefengrammatik des Ausdruckes W(S))

2.2.3.3 ontologische Dimension

Was ist das Gemeinsame etwa an allen Tischen oder Stühlen?

Ein gegebener Stuhl ist deshalb ein Stuhl, weil er der Idee des Stuhles ähnlich ist. Der

Schreiner, der einen Stuhl oder ein Weberschiffchen baut, schaut auf die Idee dieser

Gegenstände, wenn er konkrete Exemplare herstellt.

Nur die Idee von etwas aber ist im eigentlichen Sinne. Sie ist unbewegt und unveränderlich.

Die sichtbaren Dinge stehen in der Relation der Teilhabe (methexis) zu den ihnen zugehörigen

Ideen.

Platon gesteht zu, dass alles im Fließen ist, jedoch nur jene Dinge der wahrnehmbaren Welt –

die Ideen hingegen fließen nicht – sie unterliegen weder Zeit noch Veränderung – sie sind

unvergänglich Ideen sind unendlich (man denke alleine an Zahlen), sie können sowohl gut als auch böse,

nützlich oder unnütz („Idee des Schmutzes“), sie existieren in einer anderen Dimension,

außerhalb des Raum-Zeit-Kontinuums, somit hat es die Ideen nicht „zu einer Zeit“ gegeben

oder nicht

Ideen werden nicht geschaffen, sie existieren

es droht ein infiniter Regress – Trigos-Anthropos-Argument (Argument des 3. Menschen): wir

als konkrete Gegenstände haben Teil an der Idee des Menschseins, aber was macht das

Menschsein zum Menschsein? Muss es nicht selber an einer Idee teilhaben … es droht eine

unendliche Spirale

2.2.3.4 erkenntnistheoretische Dimension

Erkenntnis der Idee ist Erkenntnis des Wesens (usia) einer Sache. Dies aber entsteht und vergeht

nicht.

Erkenntnis/Wissen ist nur möglich von dem, was sich nicht verwandelt (vgl. Heraklits

Ontologie), Zitat: Kratylos, 439 a ff

„Zweiweltentheorie“: Erkenntnis erhalten wir nicht durch die Sinne von empirischen

Gegenständen, sondern nur durch Schau der unveränderlichen Ideen

2.2.4 zwei Hauptargumente für die Ideenlehre

1. Argument des Einen in/über dem Vielen

2. Argument des Wissens/Erkennens: Erkenntnis gibt es nur vom unveränderlichen

Seienden

2.3 Seelenlehre

- Seelenlehre (Phaidon): Nur die Seele kann die Ideen erkennen. Sie ist den Ideen ähnlich und

hat ebenfalls Teil am wahren, unveränderlichen Sein.

- die Seele kann sich über die Wiedererinnerung an die Ideen erinnern

- Platon ist der Meinung, dass wir letztlich unsere Seele sind, dass wir den Körper bloß haben,

ebenso Wiedergeburt

2.3.1 wie kommt man zu dieser These

- nimmt Bezug zu Alltagssituation:

o Existenz ist zum großen Teil eine körperliche, aber wie empfindet man seinen

Körper, wie ist er für mich da?

der Körper ist nur insofern da, als man ihn spürt

man hat ein recht gutes Bewusstsein seines Körpers, man weiß wo er beginnt,

wo er aufhört (aufgrund zB Hirnschäden kann man Teile des Körpers nicht

mehr spüren)

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unsere Existenz ist körperliche Existenz, es ist wesentlich das, was wir geistig

von uns erleben

unser Leben beginnt streng genommen dort, woran wir uns erinnern können

Konsequenz des Dualismus ist, dass wir wesentlich geistige Wesen sind

o weiterer Anhaltspunkt:

wir sitzen zwar hier, können aber geistig ganz woanders sein

unser Körper ist an Raum und Zeit gebunden, der Geist aber kann sich davon

distanzieren, man kann sich sehr mobil bewegen

unser Geist kann eigentlich mehr, als es die Grenzen unseres Körpers zulassen

- Pythagoras und Platon sind sehr davon geprägt, dass unser Geist unser eigentliches Sein ist,

der von Haus aus mehr vermag als in seinem Dasein im Körper

- in einer solchen Argumentation wird der Körper nicht mehr so sehr als Grundlage der

Existenz gesehen, sondern vielmehr als Gefängnis, als Grab der Seele

o unser Körper engt uns ein, ohne ihn könnten wir viel mehr

2.3.2 wie es dazu kommt, dass wir uns in Körpern befinden

- unser eigentlicher Ort ist nicht der Ort im Körper

- wir kommen von woanders, existierten bereits bevor wir in einen Körper kamen und

existieren werden wenn unser Körper zerfällt

- Platon stützt sich stark auf Pythagoras (ca. 530 v. Ch.; Lehre der Präexistenz und

Unsterblichkeit der Seele)

o gründete Schule der Pythagoräer, Schule der Philosophie, Mathematik, Musik

o er vertritt die These, dass wir letztlich unsere Geistseele sind und diese irgendwann in

einen Körper gelangt ist

o irgendetwas muss schief gelaufen sein (krasser Unterschied zur Lehre des TvA, es

kann nichts schief laufen wenn Gott die Welt schuf)

unsere Geistseelen haben früher (vor unserem jetzigen Leben) im Göttlichen

gewohnt (daimones; kleine Götter)

wir haben etwas falsch gemacht; unsere Seelen haben Gefallen gefunden am

Körperlichen und Fleischlichen Folge ist Inkarnation in einen Körper

o Ziel ist nun natürlich sich vom Körper zu befreien

wichtiges Instrument hierfür ist Philosophie, zunächst aber die Askese

(Disziplin des Körpers durch den Geist)

weitere Technik dafür ist der Umgang mit geistigen Dingen, die Pflege des

Geistigen (zB Musik als Disziplin in der man sich mit Harmonie beschäftigt;

Mathematik als Beschäftigung mit geistigen Gegenständen – im Gegensatz

zu heute –, und va die Philosophie die auch praktische Konsequenzen hat, sie

geht einher mit einer bestimmten Lebensführung)

- diese pythagoreischen Grundunterscheidungen finden sich in der Philosophie des Platons

2.3.3 Dialog „Phaidon“

- Rahmenhandlung ist die Situation des Sokrates im Gefängnis kurz vor seinem Tod. Seine

Schüler besuchen ihn; warum flieht Sokrates nicht; Schüler berichten, wie sie versuchten

ihn davon zu überzeugen zu fliehen

- Argumente der Schüler für das Fliehen:

o Tod ist Trennung von Körper und Seele – warum soll er sich das verwehren

o sie versuchen nun den Sokrates zu verunsichern (mit dem Hintergedanken ihn so zum

Fliehen zu bewegen)

- es entsteht ein Dialog über das Pro und Contra der Unsterblichkeit der Seele

- Frage nach der Präexistenz der Seele

o er geht nicht auf religiöse Annahmen ein, er antwortet mit philosophischen

Argumenten, mit seiner Leere der Anamnesis (Phaidon 74ff)

o es geht um unsere Fähigkeit, bestimmte Begriffe zu verwenden

o um diese Begriffe verwenden zu können brauchen wir ein bestimmtes Wissen

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es geht um Begriffe wie „Gleichheit“, „das Gute“, „Wahrheit“, …

was erfahren wir an Gleichem, woher nehmen wir den Begriff?

wir nehmen Gleiches wahr

schauen wir aber genauer nach, sind sie nicht genau gleich

trotzdem wissen wir was „gleich“ bedeutet, obwohl wir es nicht

erfahren

Erkenntnis des Gleichen erhält man nicht aus der Erkenntnis der

gleichen Dinge also brauchen wir ein Wissen das vor unserer

Erkenntnis der gleichen Dinge liegt

wir brauchen die Erkenntnis des Gleichen um das zu erkennen, was

(mehr oder weniger) gleich ist

o um bestimmte Prädikate zuschreiben zu können brauchen wir ein Wissen, das nicht

aus der Erfahrung kommt o in der Schau der Ideen – vor unserer Geburt – haben wir gelernt, was es bedeutet

etwas zu sein

die Einsicht in die Ideen, die haben wir aus einem Leben vor unserem Leben

gewonnen

so meint Sokrates ein Argument für die Präexistenz gefunden zu haben

Anamnesis: wir erinnern uns an das Leben vor unserem Leben immer dann,

wenn wir es sehen (das Schöne, …)

eigentlich wissen wir ja was es ist

somit scheint für Platon die Existenz vor unserer Geburt gesichert zu sein

- werden wir aber auch unseren Tod überleben?

o es scheint so zu sein, wenn die Präexistenz der Geistseele gesichert ist, daraus auch

die Unsterblichkeit folgt

o Schüler aber verunsichern ihn: es kann sein, dass die Seele existiert, in einen Körper

kommt, sich aber so mit ihm verbindet, dass sie sich auflöst wenn der Körper stirbt

naturphilosophische Positionen

in der Vorsokratischen Zeit viele harte Standpunkte für Leib-Seele-

Verhältnis

Demokrit: Seele ist eine Fiktion, letztlich ist die Seele nichts anderes

als eine bestimmte Zusammensetzung materieller Bestandteile

o Sokrates setzt sich mit zwei Standpunkten auseinander: Harmonielehre und

Physikalismus

gegen Materialismus:

er karikiert physikalistische Erklärungen des menschlichen

Verhaltens: Physikalismus ist inadäquat in der Erklärung dessen was

wir tun (zB ich sitze nicht im Gefängnis weil meine Knie gebeugt

sind, sondern weil ich was verbrochen habe)

- die Seele hat andere Identitätsbedingungen als der Körper

- für Platon ist die Seele der Mensch; man ist nicht im Letzten eine Zusammensetzung von

Körper und Seele, sondern man ist seine Seele

2.3.3.1 Beweise für die Unsterblichkeit der Seele

- wir beobachten im Alltag einen Wechsel von Gegensätzen (hell-dunkel, lebendig-tot, …),

warum sollten wir also nicht hoffen, dass nach unserem Tod noch ein Leben kommt

o dieses Argument überzeugt nicht, weil:

Tod Leben Tod …

für die Seele kann das nicht zutreffen, denn sie ist durch die Präexistenzlehre

immer schon lebendig; wir haben eine immerwährende Existenz schon bevor

wir gelebt haben, und dieser Kreislauf widerspricht dem

- anderes Argument: Seele ist Lebensprinzip:

o die Seele ist das, was den Körper belebt

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o in dem Augenblick da ein Körper aufhört zu leben verschwindet die Seele, dh es

verschwindet, was den Körper am Leben erhält Lebensprinzip das macht, dass ich

lebendig bin

o darauf greift Platon zu; alle sagen, die Seele sei das Lebensprinzip

o geht man hiervon aus, können der Seele bestimmte Eigenschaften nicht zukommen:

gegensätzliche Eigenschaften zur Lebendigkeit (aus logischen Gründen)

Argument der wesentlichen Eigenschaften

Eigenschaften, die Dingen zukommen, haben verschiedene

Notwendigkeitsgrade darin, wie sie den Dingen zukommen (wesentliche und

unwesentliche Eigenschaften)

zB Zahl 3:

o wesentliche Eigenschaft: ungerade sein

zB Schnee und kalt

o kalt zu sein ist eine wesentliche Eigenschaft von Schnee

Seele als Lebensprinzip

o wesentliche Eigenschaft ist es lebendig zu sein, dh das

Gegenteil dessen was ist kann ihr nicht zukommen

o es ist notwendig, dass die Seele immer mit Leben einhergeht

o die gegensätzliche Eigenschaft widerspräche dem Prinzip der

Seele

o Platon folgert daraus, dass die Seele immer lebendig, dh

unsterblich ist

wenn sich das Gegenteil annähert, geht die Seele aus dem Körper, dh wenn

der Mensch dem Tod nähert verschwindet die Seele, denn sie kann den Tod

nicht annehmen das Argument setzt voraus, dass die Seele unsterblich ist

man kann nicht daraus, dass die Seele notwendig lebendig ist folgern, dass die

Seele immer existiert

o Gegenargument: wo kommen die ganzen Seelen denn her (Bevölkerung damals und

heute)?

Platon würde sagen: die Seele waren immer schon, es inkarnieren halt immer

mehr

Seelen können sich in alles mögliche inkarnieren, zB Katzen

o krasse Gegensätze: Leugnung der Seele ( Naturphilosophen; „Es gibt nur

Physikalisches“)

o Seelen haben das Göttliche (= die Ewigkeit) geschaut, sie kommen von da her, und

sie sind immer da; das Leben einer Seele ist dadurch gekennzeichnet, dass sie immer

leben, und sich manchmal halt inkarnieren

- genauerer Bestimmung dessen, was die Seele ist (Seelenvermögen):

o in der Politeia macht sich Platon über die Struktur der Seele Gedanken

o für Platon dadurch motiviert, dass wir im Alltag feststellen, dass es mit der Einheit

unserer Seele nicht so weit her ist, wie wir in der Philosophie voraussetzen

o Ausgangspunkt ist der, dass die Seele eine und unteilbar ist

o wenn aber die Seele eine ist und unteilbar, wie ist es dann zu erklären, dass wir im

Alltag feststellen, dass wir oft psychisch zerrissen sind (verschiedene Bestrebungen

in unserer Seele: körperliche Betätigung, liegen bleiben, Bier trinken, philosophieren,

…)

o aus diesem Grund müssen wir verschiedene Seelenvermögen annehmen, um die

Einheit der Seele nicht zu gefährde (verschiedene Schichten)

o diese Vermögen haben verschiedenen Objekte die sie anstreben

o Platon unterscheidet folgende Seelenvermögen in einer hierarchisch aufsteigenden

Struktur:

Epithymetikon: Vermögen, das die körperlichen Begierden betrifft, das den

Körper am Leben erhält, das nur das Interesse des Wohlergehens des Körpers

hat (Essen, Fortpflanzung, Sport, …)

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Tymoeides (Mut): Vermögen, das die gesellschaftlichen Bedürfnisse betrifft;

treibt uns dazu an, uns aufzuregen, ehrgeizig zu sein, Aggressionen zu haben,

Neid zu spüren, Stolz zu empfinden

Logistikon: höchstes Seelenvermögen; Fähigkeit rational zu überlegen und

sein Handeln danach auszurichten; das Gute, das Wahre

o Seelenvermögen stehen von Natur aus in einer gewissen Spannung:

die Objekte sind so, das sich die Ausübung der Vermögen widersprechen

körperliche Bedürfnisse können zB der Karriere im Weg stehen; wenn ich

vernünftig bin darf ich nicht zB aggressiv sein, …

die Ausübung von allen dreien gleichermaßen führte zu widersprechenden

Tendenzen

o Folge bzw. Lösung des Problems:

ein Seelenvermögen muss das Ruder übernehmen

beim Philosophen übernimmt das Logistikon das Ruder dies zeichnet den

Philosophen aus, dass er die anderen beiden diesem unterordnet

o Platon entwickelt in seiner Politeia ein Gesellschaftsmodell, in der sich analog zu den

Seelenvermögen die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen befinden

Epithymetikon (leibliche Bedürfnisse): Bauern

Tymoeides (gesellschaftliche Bedürfnisse): Politiker, Anwälte

Logistikon: Philosophen leiten den Staat

warum gerade die Philosophen:

sie haben das Wissen um das Gute und Wahre, sie haben die

Einsichten in die eigentlichen Dinge des Lebens und sie sollten auch

die anderen Gruppen leiten

die Legitimation der Philosophen in diesem Gesellschaftsmodell

speist sich aus der Höherwertigkeit des Vernunftvermögens, des

Logistikon

o wir habe nach Platon die Möglichkeit, den verschiedenen Seelenvermögen das Ruder

zu überlassen

o je nach dem, welchen Weg wir wählen, wird auch das Schicksal der Seele nach

unserem Tod beeinflusst:

Hingabe an den Körper: sie wird zum Leib, der an den Gräbern

herumschleicht, bis er wieder an einen Körper gebunden wird wird der

Leib eines Esels oder Schweines sein

Hingabe an die Gesellschaft: sie sind ungerecht, habgierig und ehrgeizig

werden dann reinkarniert in Geiern, Habichten, …

scheinbare Ausrichtung an Logistikon, aber nicht aus Vernunftgründen

sondern aus Vorsicht: sie verhalten sich gut, aber nicht weil sie einsehen, dass

es richtig ist, sondern weil sie Angst vor Strafe haben reinkarnieren in

Individuen einer harmlosen und fleißigen Gattung wie Bienen oder Ameisen

aus dem Leben eines Philosophen: Seele tritt nach dem Tod in den Bereich

des Göttlichen ein reinkarniert nicht

2.4 wichtig bei Platon: - Präexistenz der Seele

- Ideenlehre - Argumente für die Unsterblichkeit der Seele

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3 Aristoteles - anderes Verständnis von Seele

- andere Seelenlehre (von Haus aus sterblich)

- gerade in der christlichen Tradition (auch islamische und jüdische) ist es Aristoteles und nicht

so sehr Platon, die für Leib-Seele-Verhältnis in Anschlag gebracht werden

3.1 Leben - war Schüler Platons

- 284-322

- musste aus politischen Gründen ins Exil gehen (war Anhänger der makedonischen Partei, die

dann die Macht übernahm)

- wird 342 eingeladen, die Erziehung des späteren Alexander des Großen zu übernehmen

o nach dessen Tod erneute Emigration

3.2 Philosophie - platonische Erkenntnistheorie hat ihren Anker bei den Ideen

- empiristische Erkenntnistheorie prägt Aristoteles

- zweites Merkmal ist eine intensive Auseinandersetzung mit Fragen der Natur- und

Biowissenschaften

o in breiten Teilen seiner Philosophie setzt er sich mit der Frage nach der Bewegung,

Veränderung auseinander leider alles falsch

- Bereich der Metaphysik auch heute noch aktuell

o Aristoteles expliziert in einer systematisierten Form, was wir Alltag voraussetzen

o entwirft eine Ontologie die geeignet ist, unsere alltäglichen Annahmen zu beweisen

o beschäftigt sich mit der Erklärung von Bewegung von Objekten wie wir sie im Alltag

wahrnehmen

o er sieht das Seiende insofern es Seiend ist, nicht wie in der Physik, die das Seiende

unter bestimmten Rücksichten untersucht

o alles ist das Seiende

o was ist das Seiende insofern es Seiend ist?

o setzt voraus, dass sich alles Seiende einteilen bzw. kategorisieren lässt

3.3 das Seiende - was kann man allgemein über das Seiende aussagen (Kategorienschrift: Einteilung alles

Seienden)

- alles Seiende kann man einteilen in vier Grundtypen:

o wird von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, ist aber in keinem

Zugrundeliegenden

Substanz im zweiten Sinn, das Wesen eines Dings

zB dieses Ding ist ein Stuhl: man macht eine Wesensaussage (man sagt, was

dieses Ding ist, man macht eine wesentliche Beschreibung)

was ich aussage von diesem Ding, das ist nicht in diesem Ding

dh der Allgemeinbegriff, die Wesensaussage, drückt etwas aus, was

nicht in den Dingen selbst ist (zB „Das ist eine Katze“: Ich sage aus,

was das Ding ist. Was ich nun aber aussage, befindet sich nicht in

dem Ding Katze selber)

das Katzesein wird ausgesagt von diesem Objekt, es liegt aber nicht

in der Katze selbst

o in der Gegend läuft aber eine konkrete Katze herum, wir

bezeichnen sie aber mit einem allgemeinen Ausdruck, somit

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kann das Allgemeine nicht im Konkreten liegen (das

Allgemeine ist lt. Platon in den Ideen, lt. Aristoteles in uns

selber)

Allgemeinbegriffe oder Ideen können nicht in den einzelnen Dingen

sein (selbes Problem bei Platon: wie können wir Dinge, die numerisch

verschieden sind, als dasselbe bezeichnen?)

o das Andere ist an einem Zugrundeliegenden, wird aber von keinem

Zugrundeliegenden ausgesagt

es geht um etwas, das an etwas ist (= Eigenschaften)

Eigenschaften sind an etwas bzw. etwas hat bestimmte Eigenschaften, zB die

Katze hat mehr oder weniger Haare, sie ist intelligent oder blöd

es gibt Eigenschaften die an einem Ding sind, aber nicht von dem Ding

ausgesagt werden (= konkrete Eigenschaften)

was konkret ist, kann ich nicht aussagen

was ich aussagen kann ist nicht konkret sondern allgemein

was im Einzelding konkret vorliegt kann ich nicht aussagen (ich kann

weder die Katze aussagen, noch kann ich das Konkrete „einen kurzen

Schwanz haben“ aussagen ich kann darüber etwas sagen, aber

nicht die Eigenschaft selbst)

o wird von einem Zugrundeliegenden ausgesagt und ist im Zugrundeliegenden

das sind die allgemeinen Eigenschaften

ich kann über das einen kurzen Schwanz haben der Katze etwas aussagen

(„Diese Katze hat einen kurzen Schwanz“)

ich mache somit eine Aussage über die konkrete Eigenschaft, sage

aber auch etwas allgemeines (diese Katze hat die Eigenschaft der

Kurzschwanzigkeit)

o ist weder in einem Zugrundeliegenden noch wird es von einem

Zugrundeliegenden ausgesagt

es ist das, worüber wir alle reden

es ist weder im Zugrundeliegenden noch wird es davon ausgesagt

es ist das Einzelding selber, der einzelne Gegenstand, worüber alle Aussagen

gemacht werden

es ist die Substanz im ersten Sinn ( wir beziehen uns auf ein konkretes Einzelding, das ist aber in keinem

Zugrundeliegenden, denn es ist selber das Zugrundeliegenden

ich kann das Einzelding nicht zum Ausdruck bringen

ich beziehe mich sprachlich auf diese Einzeldinge, ich kann sie aber als solche

nicht ausdrücken

ich kann die Substanz im zweiten Sinn oder eine Eigenschaft in der

dritten Kategorie ausdrücken

- alles Seiende fällt nach Aristoteles unter eine der vier Kategorien

- im Bezug auf seine Untersuchungen stellt Aristoteles die Frage, unter welche der vier

Kategorien das fällt

- ist das was Grundlegend ist; worauf ich mich beziehe ist letztlich eine im

eigentlichen Sinn, dreifache Unterteilung:

o sie ist der Zeit nach primär (sie ist primär in der Erklärung von Veränderung und

Bewegung; Veränderung ist letztlich die Änderung von Eigenschaften an Dingen); zB

die Veränderung der Katze können wir nur benennen wenn wir ein Ding

voraussetzten, das dasselbe bleibt: die Katze sie ist dieselbe Katze von Geburt an

das Ding in seiner Eigenart verändert sich nicht

das ist dasjenige, wie wir Veränderungen im Alltag erklären: wir setzten

Dinge voraus, die sich verändern

aristotelische Substanzontologie

in der modernen Philosophie gibt es alternative Konzepte (im Alltag

setzen wir zwar sich nicht verändernde Objekte voraus um

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Veränderung zu erklären, aber es ist ein inadäquates ontologisches

Gerüst; zB Begriff „Ereignis, Prozess“ steht im Mittelpunkt, nicht die

Substanz)

auch erkenntnismäßig ein primärer Begriff: wenn wir etwas wissen wollen,

müssen wir auf den Begriff der Substanz abzielen (will ich wissen, was hier

durch die Gegend läuft ist es nicht hilfreich zu sagen: „Was durch die Gegend

läuft ist etwas mit Pelz, kurzen Schwanz und Mäuse fängt“ das sind zwar

Antworten, die eigentliche Antwort muss aber auf die abzielen: „Das

ist eine Katze“)

- Problem der Veränderung

o Aristoteles will erklären, warum und wie sich Objekte bewegen

o was sind die Ursachen von Veränderung

o Bewegung umfasst alle Formen des Wechsels von Eigenschaften

o Veränderungen sind für Aristoteles primär der Wechsel von Eigenschaften an

Dingen (ist auch die Art und Weise, wie wir im Alltag Veränderung erklären, wir

setzten Dinge voraus die sich verändern und nehmen es wahr im Wechsel von

Eigenschaften Wechsel von Akzidenzien einer Substanz)

akzidentielle Veränderung: Katze frisst Maus und nimmt zu

substanzielle Veränderung: Katze läuft über die Straße und wird überfahren

o Ursachen/Erklärung von Veränderungen

in der modernen Philosophie: Naturwissenschaften (Wirkursächlichkeit)

Aristoteles kennt vier verschiedene Ursachentypen an, um zu erklären,

warum sich etwas so und nicht anders verändert:

Materialursachen: der Stoff woraus etwas ist, ist auch eine

Ursache die herangezogen werden kann um zu erklären warum das

Ding so ist und sich so verhält und nicht anders

Formursache: wenn wir wissen wollen, warum ein Ding sich so

verhält, genügt es nicht zu wissen woraus es besteht, sondern wir

müssen wissen, was das für ein Ding ist (bei der Katze das

Katzesein, und das erklärt sehr viel; wissen wir, dass das Ding das

rumläuft eine Katze ist, wissen wir sehr viel [jagt Mäuse, …])

Zielursache: um zu erklären, warum sich ein Ding so verhält/bewegt

genügt es nicht zu wissen was es ist und woraus es besteht, sondern

ich muss auch wissen, was das natürliche Ziel dieses Dings ist

(natürliche Ziele haben bereits unbelebte Objekte [zB Steine], der

Naturzustand [natürliches Ziel] eines unbelebten Objekts ist der

Ruhezustand; wenn dieses Objekt sich nun bewegt, strebt es wieder

zu seinem Naturzustand zurück [zB der Stein strebt danach, wieder

zur Ruhe zu kommen]; bei belebten Organismen ist das schwieriger

[Pflanzen: natürliche Ziele, eingebaute, teleologische Mechanismen,

streben zu Licht, sich Nährstoffe einzuverleiben; Tiere haben

Strebevermögen die sie erfüllen wollen und Menschen (natürliches

Ziel: Glücklich sein) haben natürliche Ziele]; Menschen können

dieses Ziel nach Aristoteles auch im Diesseits erreichen [im

Gegensatz zu Thomas von Aquin])

Wirkursache: will ich von zB einem Stein wissen, warum er fliegt,

ist natürliches Ziel, Form und Stoff des Steines zu wenig, man muss

auch die Wirkursache des Steins, das außerhalb von ihm liegt, etwa

ein Junge; bei lebendigen Organismen liegt Wirkursache innerhalb

des Organismus

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3.4 Seelenlehre des Aristoteles - er geht in seiner Konzeption von dem gleichen Vorverständnis wie Platon aus: Seele ist das

Lebensprinzip (wir stellen fest, dass alle Philosophen (aus Aristoteles’ Perspektive) die Seele

als Lebensprinzip ansehen)

- wenn die Seele Lebensprinzip ist, fällt sie unter die Kategorie Substanz (sie kann nicht etwas

sein, was dem lebendigen Ding manchmal zukommt und manchmal nicht, man kann nicht

„manchmal“ leben) sie muss sein

o Substanz im ersten Sinn (das konkrete Einzelding): kann die Seele nicht sein, sonst

wäre die Seele der Mensch; ergibt sich aus der Bestimmung als Lebensprinzip: ist die

Seele Prinzip von etwas sein, kann sie nicht das Ding selber sein welches sie belebt

die Seele ist nicht der Mensch, sie kann nicht damit identisch sein

o Substanz im zweiten Sinn (das „was“ etwas ist): nein, denn die Seele ist für

Aristoteles nichts Allgemeines (Menschsein ist ja etwas Universales); wenn die Seele

Lebensprinzip ist kann sie nicht allgemein sein, denn sie belebt ja diesen konkreten

Mensch

o das wesentliche so-Sein eines Dings (forma substantialis): so sein nicht auf der

allgemeinen Art, sondern mein konkretes so-und-nicht-anders-Sein; es gibt eine

Bestimmung des zB Katze-im-Jesuiten-Garten-sein – formale Bestimmung die nur ihr

zukommt –, diese substanzielle Form muss diesem Ding immer zukommen; dh die

Seele ist Substanz im Sinne eines formalen Prinzips, einer wesentlichen Bestimmung

meines so-Seins (die Seele ist verantwortlich dafür, dass ich so bin wie ich bin)

- De Anima, Buch über die Seele, am Übergang von den physikalischen Schriften, den

biologischen Schriften zu den metaphysischen Schriften

o diese Stellung macht deutlich, worum es eigentlich geht: man findet sowohl

philosophische Gehalte als auch krasse biologische Ausführungen

o Aristoteles bestimmt die Seele als formgebendes Prinzip

- wozu man dieses Prinzip braucht:

o wir nehmen es an, um zu erklären, warum die Dinge leben

- was Leben ist

o Leben wird zurückgeführt auf etwas, das uns zugänglicher ist

o Leben sind bestimmte Formen der Bewegung von Lebewesen; Grundunterscheidung

von zwei grundsätzlichen Arten:

weil sie bewegt werden, zB ein Stein

bewegen sich von sich aus; warum aber bewegen sich zB Katzen von A nach

B: sie bewegen sich von sich aus, und das erfordert die Annahme eines

anderen Bewegungsprinzips; es muss ein Prinzip von Bewegung

angenommen werden, das im Lebewesen sitzt, und das ist die Seele (Seele als

universales Bewegungsprinzip von Pflanzen, Tieren und Menschen), und das

geht von den typischen Arten von Bewegung von Dingen aus:

Arten der Bewegung:

Bewegung nach entgegen gesetzten Richtungen, zB Pflanzen; es muss

also ein eigenes Seelenvermögen vorliegen, um dieses zu erklären

vegetatives Vermögen (erklärt Wachstum, Nährstoffaufnahme,

Eingehen) – auch Tiere und Menschen haben das

Wahrnehmung: bei Tieren lassen sich verschiedene Formen von

Wahrnehmung beobachten (sie reagieren auf Umweltreize und

streben sie an) Wahrnehmungsvermögen; wer das

Wahrnehmungsvermögen hat kann auch etwas anstreben

Ortsbewegung: zusätzliches Vermögen bei bestimmten Tieren, die

sich von sich aus von A nach B bewegen (Muschel zB nicht)

Bewegung des Denkens und Erkennens: wird zunächst unter die

Formen der Bewegung subsumiert, denn beim Erkennen passiert

etwas: Prozess, nachdem wir andere sind als davor; das kommt nur

Menschen zu (animal rational) Präexistenz der Seele ist somit

Denken / Erkennen

(Mensch)

vegetatives Vermögen

(Pflanze)

Wahrnehmung

(Tiere)

Ortsbewegung

(manche Tiere)

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Geschichte der Philosophie

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ausgeschlossen, denn ist Seele Prinzip der Bewegung hat es nach dem

Tod keinen Sinn mehr dies anzunehmen

- menschliche Seele hat ein Seelenvermögen, das nicht ganz an den Körper gebunden ist, sie

hat eine gewisse Unabhängigkeit und partizipiert am Göttlichen

o der Intellekt kann seinem Wesen nach alle Körper erkennen, dh der Intellekt hat als

Gegenstand körperliche Dinge und er kann erkennen, was diese sind (das sind zB

Katzen)

o Voraussetzung dafür ist, dass der Intellekt keine körperliche Natur hat, denn hätte er

eine solche, könnte er nicht mehr alle Körper erkennen und wäre nicht mehr offen (zB

Auge: ein Auge kann alle Farben erkennen, weil die Linse selbst keine Farbe hat;

hätte die Linse eine Farbe, könnten wir dies nicht – der Intellekt erkennt aber alle

Körper, eben weil er keine körperliche Natur hat)

o Partizipation am Göttlichen kommt nicht der ganzen Seele zu, sondern nur dem

Intellekt (in dem Augenblick in dem der Intellekt etwas erkennt ist der Intellekt

göttlich, unsterblich, unvergänglich)

4 Hellenistische Philosophie (ca. 323-31 v. Ch.) - Hauptschulen:

o Stoa

o Epikur

o Skeptizismus

4.1 Stoa - Einteilung in alte, mittlere und späte Stoa

- systematische Gebiete:

o Logik (Rhetorik, Erkenntnistheorie, Dialektik)

o Physik (zB stoische Seelenlehre)

o Ethik - Stoiker entwickelten eigene Syllogistik (Lehre) von den logischen Schlussformen, von denen

sie nur fünf für grundlegend hielten, und diese kämen eben in jedem guten Argument vor

o p q, aber P also Q (modus conens)

o p q,, nicht Q also (modus tollens)

o nicht sowohl p als auch q, p ist aber der Fall also nicht q

o entweder p oder q, p ist der Fall also q

o p oder q, nun aber nicht q, also nicht p

4.1.1 Grundzüge der Erkenntnistheorie

- bestimmte Eindrücke zeigen durch sich selbst, dass sie von etwas Existierendem verursacht

wind

o wir geben ihnen freiwillig unsere Zustimmung

o daher heißen solche Eindrücke „(wirklichkeits-)erfassend) ( kataleptisch)

o

- Wissen entsteht jedoch erst dann, wenn Wahrnehmungsurteile durch keine Argumentationen

angefochten werden können und in umfassende Begründungszusammenhänge

eingeordnet werden

o Frage, inwieweit bestimmte individuelle Urteile in umfassende

Begründungszusammenhänge eingebettet werden

o inwieweit muss ein Wahrnehmungsurteil in ein kohärentes Meinungssystem

eingebettet sein, damit man diesem Urteil trauen kann

o wenn ich gute Gründe habe anzunehmen meiner Wahrnehmung nicht zu vertrauen,

darf ich mich nicht darauf festlegen

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Geschichte der Philosophie

- 18 -

zB wenn ich einen Gegenstand als rot wahrnehme, bin ich zunächst berechtigt

zu glauben, dass hier etwas Rotes ist, aber erfahre ich im Nachhinein dass der

Raum in rotem Licht erleuchtet ist und ich gute Gründe habe dem zu glauben

habe ich auch gute Gründe mein Urteil in Zweifel zu ziehen

4.1.2 Grundzüge der stoischen Ethik

- Oikeiosis-Lehre: jedes Lebewesen liebt sein Sein und fürchtet den Untergang; es erstrebt das

ihm Zuträgliche und weist das Schädliche ab

- der Mensch kann als Vernunftwesen seine Selbsterhaltung überlegt erstreben und seine

Triebe steuern

4.2 Skeptizismus: die pyrrhonische Skepsis - Schuldgründer: Pyrrhon von Elis (ca. 360-270 v. Ch.)

- wichtigste Quelle: Sextus Empiricus (um 200 n. Ch.), „Grundriss der pyrrhonischen Skepsis“

- grundlegendes Ziel: innere Ruhe und Unabhängigkeit (ataraxia)

o dezidiert antidogmatische Haltung ( ist das nicht seinerseits eine Form von

Dogmatismus?)

o Urteilsenthaltung ist die angemessene philosophische Handlung

- Literatur:

o Sextus Empiricus: Grundriss der pyrrhonischen Skepsis, übersetzt und eingeleitet von

Malte Hossenfelder, Frankfurt 1985

o Ricken, Kap. E, III

4.2.1 geistesgeschichtliche Bedeutung

- Skeptizismus trug wesentlich dazu bei, dass der spätantike Anspruch der Philosophie, durch

Erkenntnis der wahren Struktur des Seienden den Weg zur Glückseligkeit aufzuzeigen,

aufgegeben werden musste

- dies war ein entscheidender Schritt für die Durchsetzung der christlichen Glaubenslehre

o hätte es die skeptizistischen Angriffe gegen die dogmatische Philosophie nicht

gegeben, hätte sich das Christentum sich in dieser Form wohl nicht durchsetzten

können

- dieser Weg besetzte als Antwort auf die Glückseligkeits- und Heilsfrage die Stelle der

spätantiken Philosophie

- Anekdote des Pelles (nach Sextus Empiricus): Appelles wollte den Schaum vor dem Mund

eines Pferdes malen. Als ihm das nicht gelang, warf er wütend den Schwamm, mit dem er den

Pinsel abwischte, gegen das Bild. Damit gelang die Darstellung.

o klassische Philosophie versucht durch ihre dogmatisch-dialektischen

Überlegungen die Frage nach der Glückseligkeit zu lösen, es ihr aber nicht gelang

o dem Skeptiker gelingt es dadurch, dass er die dogmatischen Ansprüche hinter sich

lässt und siehe da, der Skeptiker gelangt dadurch zu der richtigen Einsicht, was das

glückselige Leben ausmacht Urteilsenthaltung

4.2.2 10 Tropen (Figuren) der Zurückhaltung des Aenesidemus

- Lehre des Sextus: „[Skepsis] ist die Kunst, auf alle mögliche Weise erscheinende und

gedachte Dinge einander entgegenzusetzen, von der aus wir wegen der Gleichwertigkeit

[isosthenie] der entgegen gesetzten Sachen und Argumente zuerst zur Zurückhaltung

[epoché], danach zur Seelenruhe [ataraxia] gelangen.“

1) Dieselben Dinge erscheinen unterschiedlichen Lebewesen verschieden.

a. Bienen nehmen die Welt anders wahr als der Mensch

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- 19 -

2) Auch verschiedene Menschen haben von denselben Dingen verschiedene Vorstellungen.

3) Dieselben Dinge erscheinen unterschiedlichen Sinnen (auch desselben Subjekts) verschieden.

4) Dieselben Dinge erscheinen je nach Zustand des Wahrnehmenden verschieden.

a. unter verschiedenen Umständen (in verschiedenen Zuständen) erscheinen uns die

Dinge anders

5) Dieselben Dinge erscheinen je nach dem Ort, von wo aus sie wahrgenommen werden,

verschieden.

a. Stellungen, Entfernungen und Orte

6) Dieselben Dinge erscheinen je nach ihrer physischen Umgebung verschieden.

7) Dieselben Dinge erscheinen je nach ihrer Zusammensetzung und räumlichen Anordnung

verschieden.

a. Quantität und Zurichtung der Dinge

8) Alles ist relativ, sowohl in Bezug auf den Urteilenden als auch in Bezug auf das Angeschaute

selbst.

9) Die Häufigkeit des Auftretens eines Phänomens verleitet uns zu falschen (Wert-)Urteilen.

10) Was wir für richtig halten, ist durch Lebensformen, Sitten und Gesetzte bestimmt, die jedoch

kulturell variieren.

4.2.3 die fünf Tropen der Zurückhaltung des Agrippa

1) Widerstreit (unentscheidbarer Zwiespalt)

2) unendlicher Regress

3) Relativität (bezügl. Subjekt und „Kontext“)

4) Voraussetzung (dogmatischer Begründungsabbruch)

5) Diallele (Zirkel)

5 Hl. Augustinus (354-430) Literatur

- Augustinus, Opera/Werke, lat./deutsch, Hrsg. Johannes Brachtendorf und Volker, Henning

Drecoll, 82 Bde.

- Grundprobleme der großen Philosophen: Philosophie des Altertums und des Mittelalters, Kap.

„Augustinus“

- Peter Browhn: Augustinus von Hippo, deutsch, Leipzig 1972

grundsätzliche Einstellung

- Augustinus verknüpfte neuplatonische Ideen mit den Ideen des frühen Christentums

o Gott als das wahre Seiende, Gott als das Unveränderliche, …

- hat Grundsätze einer Emotionstheorie, wie man seine Emotionen regulieren kann ( es gibt

höherstufige Emotionen)

5.1 Willenfreiheit und das Theodizeeproblem - Paulus fragt sich schon in Röm, wie Jhwh schon vor der Geburt der Zwillinge Jakob und Esau

der Mutter Rebecca prophezeit, dass nicht der Erstgeborene der Auserwählte ist, sondern eben

der zweite Sohn, und, dass der Ältere dem Jüngeren dienen wird (somit der Erstgeborene nicht

die Erstgeburtsrechte hat), wo doch beide vor ihrer Geburt weder Gutes noch Böses getan

haben Ist Gott somit nicht ungerecht?

o Paulus sagt dann, wer wird schon mit Gott rechten? Das Werk hat nicht mit seinem

Schöpfer ins Gericht zu gehen

- Augustinus bereitet dies im Gegensatz zu Paulus systematisch erstmals auf

- Grundfrage: Ist Gott Urheber des malum?

- unterscheide:

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- 20 -

o malum iSv moralisch Bösem (das Böse wird durch das Fehlverhalten der Menschen

in die Welt gebracht, dh Böses ist kein natürliches Übel)

o malum iSv Leid

- Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des malum in der Welt

5.1.1 Willensfreiheitstheodizee

- gehört zur Gruppe der greater-good-defense (Verteidigung größerer Güter)

o dieses höhere Gut ist eben die Existenz der Willensfreiheit

o die Existenz dieses höheren Gutes rechtfertigt unabdingbar einhergehende Übel

o es muss ja nicht sein, dass moralisches Übel besteht, es besteht ja lediglich das Risiko

- das moralische Böse kommt dadurch in die Welt, dass Menschen gottgegebene

Willensfreiheit haben und diese Kreaturen diese Willensfreiheit häufig missbrauchen

- wenn das ein Missbrauch der Willensfreiheit ist, die dem Menschen anzulasten ist, ist Gott

sozusagen „entlastet“

- Grundidee ist, dass Willensfreiheit ein hohes Gut ist, ein großes moralisches Gut, eines, das

so hoch zu bewerten ist, dass es das Risiko allen moralischen Übels aufwiegt

Willensfreiheit in der Welt rechtfertigt das Risiko, dass sie missbraucht wird

o Begrenzung wäre nur möglich gewesen, wenn Gott die Willensfreiheit aufgehoben

hätte

- moralisch gute Handlungen entstehen überhaupt erst dadurch, dass es sich um freie

Handlungen handelt

- Ist Willensfreiheit wirklich etwas so gutes, dass es alles mögliche moralische Übel

rechtfertigt? wird von Augustinus vorausgesetzt, da das moralisch gute so definiert ist, dass

es aus freien Entschlüssen der handelnden Subjekte entsteht

5.1.2 Verantwortlichkeit Gottes für das malum iSv Leid

- natürlich kann auch Leid durch Missbrauch von Willensfreiheit zugefügt werden, es gibt

aber auch natürliches Übel

- Muss dieses natürliche Übel nun dem Schöpfer angelastet werden? Bis heute diskutiert

- Augustinus war ca. neuen Jahre lang Mitglied einer Sekte (Manichäer), welche ein

dualistisches Weltbild hatten und somit auch an ein umfassendes negatives Prinzip glaubten,

das für das Übel verantwortlich war

5.1.3 Theodizeeproblem

- Wenn Gott die sündigen Seelen geschaffen hat, sind deren Übeltaten (das Böse in der Welt)

dann nicht letztlich doch Gott anzulasten?

- Auch das nichtmoralische Übel, das Leid, muss offenbar auf den willen Gottes zurückgeführt

werden. Leidet also der Mensch zu Recht?

- Augustinus reflektiert auf die Erbsünde, da der Mensch Böses tat und das sich nun fortpflanzt

von Generation zu Generation

- Antwort der Manichäer: Ursache des malum ist ein zweites, negativ göttliches Prinzip

- Augustinus: das malum ist vom Menschen selbst zu verantworten

5.1.4 drei Leitfragen in de libero arbitrio

- Was heißt es, Böses zu tun?

o Begierde (libido/cupiditas) ist nicht per se böse. Böse/schlecht ist nur die schuldhafte

Begierde, die zu Dingen erwächst, die man (ungewollt) verlieren kann

o zB: äußere, materielle Güter, Besitz, Gesundheit, äußere Freiheit, auch Menschen

o das wahre Seiende ist nicht im Körperlichen zu finden

o aber wieso fassen wir so eine Begierde als schuldhaft auf (Bedingungen für

Schuldzuweisung)?

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Geschichte der Philosophie

- 21 -

die Tatsache welchen Willen jemand hat (was zur Tat führt), unterliegt auch

dem freien Willen bin ich Urheber meines Willens?

durch meine eigenen Wünsche und Willensgebungen kann ich meinen

eigenen Willen bestimmen, dh mein Wille geschieht mir nicht einfach, es gibt

so etwas wie einen höherstufigen Willen

Wille Hdlg wenn nun mein Wille für meine Handlung ausschlaggebend ist,

kommt man zu der Frage, wer denn für meinen Willen verantwortlich ist, und

da gibt es zwei Möglichkeiten:

irgend etwas/jemand anderes

Gott hat mir diesen Willen gegeben (womit er verantwortlich wäre)

durch höherstufige Willensakte kann ich mich mit Willensentschlüssen

identifizieren, gut oder nicht gut heißen und somit meinen Willen aktiv

beeinflussen ( wer ist aber dann für diesen höheren Willen verantwortlich)

V1 V2 V3 V4 W1 W2 W3 W4 H1 H2 H3 H4

Subjekt hat eine Reihe widerstrebender Wünsche (zB ich will

zugleich W1-W4 realisieren, weiß aber, dass das nicht gemeinsam

geht)

ich muss mich reflexiv zu meinen Wünschen verhalten und eine

Hierarchie bilden, dh ich b rauche Wünsche zweiter Ordnung

(Vollutionen), die sich auf die Wünsche beziehen

ich kann mir vieles wünschen, auch inkompatibles, aber den Willen

haben gleichzeitig das Eine und das Andere zu tun geht nicht

Wille ist somit ein Wunsch der handlungswirksam wird

Vollutionen höherer Ordnung richten sich auf Wünsche erster

Ordnung, und bestimmte dieser Wünsche erster Ordnung zu Willen

machen

man ist also frei seinen Willen zu wählen, man hat aber

gleichzeitig die Macht durch Vollutionen zweiter Stufe bestimmte

schlechte Wünsche abzuwählen und andere Wünsche zu Willen zu

machen

bestimmte Handlungen können mir also als schuldhaft angelastet

werden, weil ich genau diese Fähigkeit habe

ansonsten wäre man nicht Urheber seiner eigenen

Willensentscheidungen

diese Fähigkeit besteht genau dadurch, dass es Vollutionen zweiter

Stufen gibt, die die Fähigkeit gibt, bestimmte Wünsche zu Willen zu

machen

somit kann ein moralisch fraglicher Wunsch zu einem schuldhaften

Willen werden

- Wie kommt es, dass wir Böses tun?

o moralisches Übel entsteht durch Missbrauch des freien Willens; dies geschieht, wenn

die Vernunft die Herrschaft über den freien Willen verliert oder nicht erlangt

o für das malum ist kein Gott der Finsternis verantwortlich

o das wahre eine Gute nämlich ist Gott

- Warum sind die Sünden nicht auf Gott zurückzuführen?

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Geschichte der Philosophie

- 22 -

6 Philosophie um die Jahrtausendwende - ursprünglich eher negative Haltung der Kirche gegenüber der Philosophie

o Philosophie erzieht zu Denken unabhängig von irgendwelchen Autoritäten,

Offenbarungen, …

o Philosophie war in der heidnischen Tradition verwurzelt

- sehr bald aber haben christliche Denker entdeckt, dass va in der platonischen Philosophie sehr

wertvolle Inhalte zu finden sind

- Augustinus ist sicher derjenige der versucht, christliche Theologie vor dem Hintergrund des

platonischen Denkens zu betreiben

- frühe christliche Philosophie ist va eine Philosophie, die von Platons Denken ausgeht

o platonisches Denken ist sehr attraktiv für Theologen

o Bereich des Göttlichen (Ideen) ist der eigentlich wichtige Bereich, und die Schau

dieser Ideen wird ins Jenseits gelegt

o auch die Seelenlehre des Platons ist eine die von der Unsterblichkeit der Seele ausgeht

o aristotelische Schriften waren im christlichen Bereich nicht mehr bekannt

sie gerieten im 3., 4. Jh. in Vergessenheit

bekannt war die Logik, aber die ganzen Metaphysikwerke nicht

änderte sich um die Jahrtausendwende

- um das Jahr 1000 passierte Austausch mit der arabisch-jüdischen Tradition

o seit dem 7. Jh. übernahm der Islam sukzessive christliche Gebiete

o setzte sich fort bis Spanien

o Araber haben Spanien vollständig besetzt

o va in Spanien und Süditalien kam es zu einem regen Austausch zwischen arabischen,

jüdischen und christlichen Philosophen

- Vorteil dieses Kontakts war, dass in der arabischen Tradition Aristoteles tradiert worden ist,

womit Aristoteles wieder in die Kirche eindrang

- arabische und jüdische Philosophen haben Aristoteles immer schon rezipiert und stießen dabei

auf zwei wesentliche Probleme:

o Seelenlehre des Aristoteles (naturalistische Seelenkonzeption)

sterbliche Seele; aber wie kann man in einer Religion Aristoteles verwenden

o Schöpfung der Welt durch Gott

Aristoteles hat das überhaupt nicht, denn nach ihm ist der Kosmos (auch

zeitlich) unendlich, dh ohne Anfang

6.1 Averroes ( 1198) - setzte sich als erste arabischer Philosoph gegen platonische Deutung ein, der die Welt als

Emanation Gottes sieht (Gott der übersprudelt vor Energie und die Welt der Ausfluss des

göttlichen Seins sei)

o dieser Gedanke passt nicht zur Theologie, denn wäre die Welt ein Produkt göttlicher

Emanation, wäre die Welt notwendig geschaffen

o nach der Theologie schafft ja Gott die Welt aus freien Stücken

- er tut sich aber schwer die Schöpfung als zeitlichen Beginn zu sehen (Prägung durch

Aristoteles)

6.1.1 Verstehen der Schöpfung ohne zeitlichen Beginn

- Schöpfung Gottes ist nicht als zeitlicher Beginn anzusehen

- Schöpfung eher als permanentes Geschehen

- Gott hält die Welt am Sein

- Gott ist die tragende Ursache allen Geschehens

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Geschichte der Philosophie

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6.2 Moses Maimonides (1135-1204) - war Arzt, der auch in Cordoba gelebt hat

- einer der einflussreichsten Denker des Judentums

- prägte aber auch das christliche Denken sehr stark

- er strebt eine Harmonie zwischen jüdischem Glauben und aristotelischer Philosophie an,

va aristotelische Seelenlehre

6.3 Aristoteles im Christentum - im Christentum brachte die Auseinandersetzung mit Aristoteles sehr viel Skepsis

- Christentum verbat Lektüre aristotelischer Schriften im 13. Jh. (Leseverbote 1210, 1215,

1231)

7 Hl. Thomas von Aquin (1225-1272) - ist sicher derjenige, der Aristoteles fruchtbar für die christliche Theologie machte

7.1 wie Thomas zu den aristotelischen Schriften kommt - er studierte die artes liberales an der ersten staatlichen Universität in Neapel

- heutige Universitäten sind ein Produkt des Mittelalters

- erste Universitäten um 1200 gegründet (Paris, Bologna, Prag, Cordoba, Oxford)

- Paris und Oxford wahren wesentlich geprägt von den beiden neuen Orden Dominikaner

(Paris) und Franziskaner (Oxford)

- es gab eben auch staatliche Universitäten, zB eben in Neapel (Friedrich II.)

o hatte sehr viele arabische Gelehrte

o die kannten natürlich die aristotelischen Schriften und übersetzten diese auch ins

Lateinische

o so kam TvA zur Lektüre auch der arabischen Kommentare der aristotelischen

Schriften

- seine Lehren wurden zunächst als Häresie verurteilt

7.2 wichtigste Schriften des Hl. Thomas - Summa Theologiae

o behandelt die Gesamtheit des theologischen Wissens unter philosophischer Rücksicht

o er versucht ein System aufzubauen, in dem sämtliche Elemente der Theologie von

einem philosophischen Standpunkt her behandelt werden

- Summa Contra Gentiles

o Schrift für eine Auseinandersetzung mit den Heiden (gentiles = Nichtchristen)

o war der Meinung man sollte nicht mit Gewalt vorgehen sondern es bedarf der

argumentativen Auseinandersetzung mit anderen Positionen

Artikel sind iSe disputatio geschrieben (ein fiktiver Dialogpartner),

Argumente des Gegners sind oft nicht schlecht

- umfassendere Schriften des Hl. Thomas sind Kommentare

o hat er sicher nicht alle selber geschrieben

o braucht man eine Hilfestellung um Aristoteles zu lesen ist es sicherlich hilfreich,

einen Kommentar von TvA zu lesen

- auch kleinere Werke zu ganz besonderen Fragestellungen, zB Seele, Freiheit, …

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7.3 Allgemeines zum Ansatz des Hl. Thomas - Thomas versteht sich zunächst als Theologe

- er kommt aber zur Philosophie aufgrund einer bestimmten Sichtweise der Theologie

- Ausgangspunkt seiner Lehre ist die Auffassung, dass die Welt Schöpfung Gottes und somit

positiv bestimmt ist

o Gott ist vollkommen und die Schöpfung ist vollkommen und gut so wie sie ist

- die Welt ist Schöpfung Gottes und die Würde der Welt als Schöpfung besteht vor allem darin

dass sie selbstständig ist verstärkte Absetzung der Emanationslehre

o die Welt ist somit vollkommen von Gott geschaffen, und diese Vollkommenheit

besteht in der selbstständigen Eigenwirksamkeit, die kein Eingreifen Gottes nötig hat

o das macht es notwendig, dass die Welt aus sich heraus verstanden werden muss (dh

die Welt ist nicht aus Gott heraus zu verstehen)

o die Kenntnis der causa prima (= Gott) ermöglicht also noch kein Verständnis der Welt

o die causae secundae müssen verstanden werden, um die Schöpfung Gottes zu

verstehen, wozu es zunächst Naturwissenschaft und Philosophie braucht

o die Welt braucht nicht die Intervention Gottes um funktionieren zu kommen

- diese positive Bewertung der von Gott geschaffenen Wirklichkeit findet man verstärkt in der

Krone der Schöpfung, dem Mensch, auch die Körperlichkeit ist positiv zu bewerten

o der Mensch ist das einzige Wesen, das von Gott um seiner Selbst willen geschaffen

wurde (als Ebenbild Gottes, als Vernunftwesen)

o das bedeutet zunächst, dass der Mensch so wie er ist von Gott gewollt ist, es also am

Menschen nichts Negatives gibt, und das höchste am Menschen ist die

Vernunftbegabtheit (kognitive Fähigkeiten)

o wenn Gott den Menschen so geschaffen hat, dann ist auch die Betätigung der

Vernunft von Gott gewollt, dh wir sollten die Vernunft gebrauchen, und zwar die

autonome Vernunft (also nicht gleich „zu Theologen gehen“ nicht leicht, denn

Mittelalter war autoritätsorientiert)

o TvA benutzt auch immer wieder Autoritäten, er lässt sie aber nicht stehen (dh nur weil

Augustinus etwas gesagt hat oder Paulus, das muss noch lange nicht stimmen oder ist

noch erklärungsbedürftig)

- Gebrauch der Vernunft (auch für wissenschaftliche Erkenntnisse) ist von Gott gewollt und

gut - die Philosophie unterscheidet sich deshalb methodisch von der Theologie

o sie geht den umgekehrten Ausgangspunkt und versucht die Welt zu verstehen

o sie kommt dann gegebenenfalls vielleicht zu Gott

- Philosophie ist allein der Kenntnis der Wahrheit verpflichtet

- eine von der Theologie abhängige Philosophie wäre für TvA wertlos

- Einfluss der Theologie beschränkt sich darauf, die Philosophie auf bestimmte Probleme zu

lenken

7.4 Begrifflichkeiten - wichtig ist die Kenntnis, wie TvA aristotelische Begriffe gebrauchte

- eine entscheidende Arbeit wurde schon geleistet; zahlreiche lateinische Begriffe bereits von

Poetius geliefert

- TvA versucht nun die aristotelische Begrifflichkeit systematisch auszufalten

7.4.1 Gegensatz von forma und materia

- natürliche Dinge sind aus Form und Materie zusammengesetzt

- dieser Gedanke kam schon bei Aristoteles

- auch er versuchte, diesen Gegensatz einzuführen, um Dinge zu erklären

- zum einen reden wir bei Dingen davon, dass es etwas ist, das ein bestimmtes solches Ding ist

- das ist der Grund für die Unterscheidung

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- das Zugrundeliegende, dasjenige das die Bestimmungen aufnimmt ist die Materie, dh aber

nicht, dass es diese Materie so gibt

- reden wir zB übe reine Katze reden wir erst über den formalen Aspekt (Katze und nicht

Hund), es braucht aber auch einen Träger für diese Bestimmungen

o diese Bestimmungen werden unter forma zusammengefasst

o der Träger wird unter materia zusammengefasst

- materia ist auch zunächst nicht als physikalische Materie zu verstehen, es handelt sich um

etwas Unbestimmtes (die heute verstandene physikalische Materie wäre für Thomas schon

eine Kombination aus Materie und Form)

- Thomas weicht in einer Sache von Aristoteles ab:

o Aristoteles kennt den Gegensatz von Form und Materie nur im Zusammenhang mit

Dingen o TvA führt neue Entitäten ein, die reine Form sind („übernatürliche Dinge“)

Dinge, die nicht greifbar sind, zB Engel

übernatürliche Dinge forma

natürliche Dinge forma materia

o Artefakte

- in diesen Begriffen geht es darum, Seiendes zu bestimmen, Seiendes als grundsätzlichste

Kategorie (lat. ens)

o die Begriffe hier dienen dazu, metaphysisch über das Seiende zu reden

o das Seiende (entia, die Seienden) teilt sich in natürliches und nicht natürliches

Seiendes

ens

natürlich nicht natürlich

- die Katze zB ist so etwas indem sie eine Katze ist

o dieser Bestimmung eine Katze zu sein muss irgendetwas zukommen, es braucht einen

Träger, und das ist zunächst die Materie, welche dann in materia prima, materia

secunda und andere unterschieden werden

materia prima hat nichts mit unserer physikalischen Materie zu tun, es ist die

reine Bestimmungslosigkeit, reine Potentialität, also das Ding ohne alle

Bestimmungen

materia secunda geht schon in Richtung einer einfach bestimmten

physikalischen Materie (heutiges Verständnis [Atome, Moleküle, …] wäre

nach TvA schon etwas aus Form und Materie, weil es eine Bestimmung hat)

o damit hängen actus und potentia zusammen

actus heißt Verwirklichung oder Wirklichkeit, Vollkommenheit iSv

Verwirklichung von Etwas, zB Haare haben, groß sein, keine Haare haben, …

potentia ist die Möglichkeit zu verwirklichen; es ist etwas was realisiert

werden kann, zB materia prima kann eine Bestimmung aufnehmen

Akt und Potenz spielen vor allem eine Rolle bei der Erklärung von

Veränderung, zB ein Stein kann sich bewegen, indem er bewegt wird; er liegt

zunächst hier (ist seine aktuelle Wirklichkeit), aber er kann sich auch (wenn er

bewegt wird) bewegen; diese Wirklichkeit nun in Bewegung sein zu können

ist eine Möglichkeit also der Wechsel von Akt und Möglichkeit

zB die Seele des Menschen ist eine gewisse Potentialität zur

Verwirklichung gewisser Dinge

wichtiges Prinzip um zu erklären, dass etwas etwas anderes werden

kann

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es wird durch die Form festgelegt, was ein Ding werden kann und

was nicht (es ist nicht am Menschen zu fliegen [liegt in seiner Form],

aber radfahren zB schon)

Veränderung ist die Umwandlung von Potentialität zu Aktualität (ein

Stein der von A nach B rollt ist zum Zeitpunkt T0 in A und potentiell

in B, zum Zeitpunkt T1 ist er aktuell in B)

potentia bedeutet also nicht nur Möglichkeit, sondern es gibt

Abstufungen, man redet von abgestuften Möglichkeiten (zB dient es

der Unterscheidung von dem was nur möglich ist, und dem was

passiert aufgrund bestimmter Vermögen die ein Ding hat, zB es ist

möglich, dass ich Chinesisch lernen kann, aber ich werde es nicht

schaffen weil warum auch immer; es ist mehr als eine reine

Möglichkeit, dass ich Ski fahren kann, was nun eine stärkere

Möglichkeit ist); Unterscheidung Möglichkeit iSv reiner

Möglichkeit und Möglichkeit iSv Vermögen

7.4.1.1 substantia und accidentia

- was eine Substanz ist:

o Aristoteles redet nur von

o zB irgend ein natürliches Ding (Grundkategorie des Seienden

forma, materia

materia prima

materia secunda

actus potentia

substantia, accidentia

Substanz im 1. Sinn

Substanz im 2. Sinn

ens

forma substantialis substantia accidentia

natürlich übernatürlich

lebendig nicht lebendig

- die Eigenschaften die ein Ding haben kann sind Akzidenzien (zB Farbe eines Dinges), also

Bestimmungen die dem Ding nicht unbedingt zukommen müssen damit es so ist

- Erklärung von Veränderungen

o normalerweise ändern sich Dinge indem sie ihre Eigenschaften ändern

der Stein zB ist eine natürliche Substanz, der bestimmte Eigenschaften hat,

worunter auch räumliche Eigenschaften gehören; die Veränderung des Steines

von A nach B kann man als Änderung der Eigenschaften von A nach B

bezeichnen er ändert seine Akzidenzien, bleibt aber derselbe Stein

dh Veränderung in dem Sinne ist nur erklärbar, wenn ich etwas annehme, das

sich verändert, aber in der Veränderung dasselbe bleibt

wenn ich annehme, dass sich alles verändert, dann gibt es ein Ereignis A und

ein Ereignis B, aber es gibt nichts, das sich verändert

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Geschichte der Philosophie

- 27 -

der Mensch bleibt dieselbe Substanz, aber er verändert sich (wird älter,

gescheiter, …)

- zweite Form der Veränderung: substantielle Veränderung

o Dinge verändern sich nicht nur dadurch, dass sie Akzidenzien bekommen und

verlieren, sondern dadurch, dass sie ihre Existenz beenden, wenn eine Katze zB eine

Maus frisst ist es eine akzidentielle Veränderung der Katze, läuft sie über die Straße

und wird überfahren, ist das eine substantielle Veränderung

o um substantielle Veränderung thematisieren zu können, braucht es noch ein

weiteres Element, nämlich eine Möglichkeit, darüber zu reden, wann ein Ding aufhört

zu existieren

- es gibt also nicht nur eine akzidentielle Form, sondern auch eine substantielle Form (forma

substantialis): das ist die wesentliche Bestimmung eines Dinges, das so-Sein eines Dinges

das dem Ding nicht fehlen darf damit es nicht aufhört ein solches Ding zu sein, zB forma

substantialis der Katze ist es lebendig zu sein (eine tote Katze ist keine Katze obwohl sie so

aussieht, eine tote ähnelt einer lebendigen so wie ein Bild der Wirklichkeit)

- bei forma substantialis spielen typische Eigenschaften eines Dinges eine Rolle, beim

Mensch ist dies, dass er vernunftbegabt ist, er braucht bestimmte kognitive Fähigkeiten;

verliert er diese, ist er kein Mensch mehr

o Substanz im ersten Sinn, konkrete Einzeldinge

o Substanz im zweiten Sinn ist zB das Katze-sein, das Mensch-sein; das Katze-sein

heißt Substanz, weil dort das Wesentliche der Katze enthalten ist, etwas substantielles;

das allgemeine Katze-sein gibt es in dieser Philosophie nur im Kopf, real gibt es nur

Substanzen im ersten Sinn,

- warum Tische keine Substanzen im ersten Sinn sind

o Tische fallen unter die Kategorie der Artefakte, sie sind künstlich hergestellte Dinge,

sie sind keine Substanzen, weil sie schon aus Substanzen bestehen, der Tisch eben zB

aus Holz; Computer sind Artefakte, sie bestehen aus Dingen und sind nicht selber eine

Substanz

o ein Teil einer Substanz kann nicht wieder eine Substanz sein

o eine Substanz ist ein vollständiges Seiendes, das für sich komplett bestehen kann

(der Mensch)

7.4.1.2 Problem der Individuation und Identität von Dingen

- in der modernen Metaphysik ein Problem: wann sind Dinge mit sich identisch (selten ein

Alltagsproblem)

- sollen zwei Dinge identisch sein, dann muss es sich um dasselbe Ding handeln, es muss in

seinen Eigenschaften gleich sein

- zwei Dinge sind nur dann identisch, wenn sie dieselben Eigenschaften haben (= leibnitzsches

Prinzip der Identität: für jedes x und y gilt, dass x und y nur dann identisch sind, wenn sie

dieselben Eigenschaften haben)

7.4.1.3 Problem: Identität von Dingen durch die Zeit

- wir gehen im Alltag davon aus, dass wir identisch bleiben obwohl wir uns verändern

- obwohl wir uns in fast allen Eigenschaften ändern behaupten wir, dieselben zu sein

- in der modernen Philosophie stellt man diese diachrone Identität in Frage

- TvA erkennt dies, es ist klar, dass wir unsere Eigenschaften verändern, für die Identität durch

die Zeit ist es aber hinreichend, dass eine Eigenschaft gleich bleibt, und zwar die forma

substantialis, es muss also unser Lebensprinzip (was unser Sein ausmacht) erhalten bleiben

(man könnte das leibnitzsche Prinzip iSv Thomas umformulieren: für alle x und y gilt, dass x

und y dann und nur identisch ist, wenn die substantielle Form von x und y identisch sind)

- nach TvA ist die forma substantialis meine wesentliche Bestimmung, das mein so-Sein

ausmacht

- das Menschsein allerdings ist etwas Allgemeines, aber kann etwas Allgemeines die Identität

garantieren?

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Geschichte der Philosophie

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- nach TvA ist die forma substantialis eine Bestimmung, die nicht allgemein ist und nur dem

Individuum zukommt, sozusagen eine Bestimmung des Max-Mustermann-seins, und diese

forma substantialis ist nicht gleichzusetzen mit dem Menschsein an sich

o sie garantiert bis zu einem gewissen Ausmaß auch die Individualität des Menschen,

dass ich mich von anderen unterscheide

o aber auch die materia prima garantiert das auch, denn wodurch unterscheidet sich

der Mensch eigentlich von einem anderen? – eigentlich lässt sich nichts finden, das

eine Eigenschaft wäre, die ausschließlich mir zukäme

o Materie gewährleistet es, dass Substanzen mit derselben Form voneinander

verschieden sein könne, dass einerseits die Individuation durch die forma substantialis

passiert und andererseits durch die materia

o bei Engel zB gibt es weniger Schwierigkeiten, sie unterscheiden sich nur durch die

Form; ein Engel unterscheidet sich vom anderen durch seine Form, dh die Engel

unterscheiden sich untereinander so wie wir von Katzen

7.5 zentrale Inhalte beim Hl. Thomas

7.5.1 Frage der Gottesbeweise

- Problem der Seelenlehre spielt hier herein

- Gottesbeweise als „Gottesbeweise“ zu bezeichnen ist ein Missverständnis, denn TvA nennt

sie „viae“ zur Erkenntnis Gottes, TvA lehnt strenge Gottesbeweise ab (wie zB jene von

Anselm von Canterbury mit seinem ontologischen Gottesbeweis)

o Gott ist das höchste, das vollkommenste

o Gott ist das, worüber hinaus nichts größeres gedacht werden kann

Einwand: der Thor sagt, Gott existiere nicht

ist widersprüchlich, weil: ein nicht existierender Gott wäre nicht

vollkommen, denn nähme ich an es gäbe diesen nicht vollkommenen Gott

nicht könnte ich immer noch annehmen, es gäbe einen vollkommeneren Gott

(Nichtexistenz Gottes ist ein Zeichen der Unvollkommenheit Gottes)

o Einwände gegen dieses Argument:

Existenz ist kein Prädikat wie alles andere, Existenz kommt Dingen nicht so

zu wie zB das Groß oder Klein sein

Existenz wird idR als Verbindung von Prädikat und Subjekt gebraucht

TvA: wenn Gott die Welt geschaffen hat und er uns geschaffen hat so dass

wir denken können, sollten wir die Existenz Gottes aus der Welt heraus

erschließen können

es ist nicht ein Weg der vom Wesen Gottes ausgeht und dann die

Existenz erschließt

die fünf Beweise gehen von natürlichen Erfahrungen

7.5.1.1 erster Weg: die Bewegung (summa theologiae, 1. Teil, 2. Quaestio, Art. 3 „utrum deus sit“)

- etwas bewegt sich und das ist die Möglichkeit zu dem wohin es sich bewegt, es ist noch

nicht dort

- es kann nicht gleichzeitig in Möglichkeit und in Wirklichkeit sein

o wäre es zugleich Wirklichkeit und Möglichkeit gäbe es keine Bewegung

o daraus folgt, dass die Selbstbewegung ausgeschlossen ist

- wir nehmen war, dass sich etwas bewegt

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Geschichte der Philosophie

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o 1. etwas bewegt sich

o 2. was sich bewegt muss in Möglichkeit sein zu dem wohin es sich bewegt (zB der

Stein bewegt sich von A nach B, und von Bewegung kann ich nur reden wenn der

Stein nicht schon in B ist)

o 3. etwas kann nicht unter der selben Rücksicht in Wirklichkeit und in

Möglichkeit sein(etwas kann sich nicht selbst bewegen, der Stein zB ist entweder in

A oder in B und damit jeweils in Möglichkeit am anderen Ort), die Bewegung muss

von etwas anderem her kommen, alles was bewegt wird, muss von einem anderen her

bewegt werden, und das ergibt einen unendlichen Regress (man käme immer zu

Dingen, die von etwas bewegt werde, und man könnte Bewegung nicht erklären)

- es muss also etwas geben, das sich selbst bewegen kann, das der Grund für alles ist, und

dieses etwas muss Wirklichkeit sein, und das nennen wir Gott als erster Beweger

o steht zunächst außerhalb der Zeit, es ist ein erster Beweger, der nicht Glied einer Kette

von Bewegungen ist, sondern der auf einer anderen Ebene steht

o es braucht also einen Erstbeweger um Bewegung zu erklären

- zur zureichenden Erklärung von Bewegung müssen wir etwas annehmen das sich selbst

bewegen kann, und das müsste Gott sein

- entgegen Aristoteles nimmt TvA nicht eine ständige Bewegung der Himmelskörper an, denn

das widerspräche der christlichen Lehre, bei Thomas ist der Erstbeweger dafür zuständig, dass

sich überhaupt etwas bewegt, bei Aristoteles ist der Erstbeweger dafür zuständig, die

immerwährende Bewegung der Himmelskörper zu sichern

7.5.1.2 zweiter Weg: Ursachen und Wirkungen

- jedes Ding ist als Wirkung einer Ursache zu verstehen, aber diese Ursache ist wieder

Wirkung einer weiteren Ursache etc., etc. man braucht einen zureichenden Grund, und

das ist wieder Gott

7.5.1.3 dritter Weg: die Dinge die wir kennen können auch nicht sein

- um diese Existenz dieser Kontingenz zu erklären, muss man ein notwendiges Wesen

annehmen das nicht Kontingent ist

7.5.1.4 vierter Weg: Abstufungen der Seinsvollkommenheiten

- wir stellen fest, dass es Dinge verschiedener Vollkommenheit (verschieden großer

Komplexität) gibt (zB Steine Topfpflanzen Katzen Menschen Engel Gott [das

Vollkommenste], also eine Hierarchie von Vollkommenheitsstufen)

7.5.1.5 fünfter Weg: alles ist auf ein Ziel hingerichtet

- um zu erklären, warum alles zielgerichtet ist, muss man eine Kraft annehmen, die für diese

Zielgerichtetheit der Prozesse verantwortlich ist

- Gott als Garant der Sinnhaftigkeit der Welt

- letztlich bleibt die Annahme Gottes eine Sache des Glaubens

7.5.2 Seelenlehre des Thomas von Aquin – Anthropologie

- der Mensch als Ganzer ist von Gott so gewollt

- Körperlichkeit ist nicht negativ besetzt (wie in der platonischen Philosophie)

- Thomas wendet sich ausdrücklich gegen eine dualistische Bestimmung des Leib-Seele-

Verhältnisses

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7.5.2.1 vierter Artikel der Quaestio 75: „Ist die Seele der ganze Mensch?“

- ist gleichsam eine Schilderung seiner anthropologischen Einstellung

- Thomas beginnt mit einer Frage, die diskutiert werden soll

- Aufbau einer quaestio:

o These (Frage)

o Gegenthesen (jene, die er widerlegen will)

o Sed contra (Beginn der Argumentation gegen die Einwände)

o Respondeo dicendum (Beantwortung der Einwände, auch corpus eines Arguments)

ad primum

ad secundum

… - Gegenthesen (zuerst Auseinandersetzung mit Positionen, die dafür sprechen):

o Autoritätsargumente:

Paulus (in 2 Kor 4,16)

eigene Argumentation des Thomas: menschliche Seele ist eine Substanz, aber

keine allgemeine Substanz, also ist sie Einzelsubstanz, also

Vollselbstständiges oder Person; jedoch keine andere als eine menschliche,

folglich ist die Seele der Mensch denn eine menschliche Person ist Mensch

Augustinus als Gegenargument: Augustinus lobt Varro, der der Auffassung

war, dass Mensch nicht Seele allein, noch auch ausschließlich Leib, sondern

Seele und Leib zugleich ist

- Sed contra

o Thomas unterscheidet: der Satz „Die Seele ist der Mensch“ kann zweifach

verstanden werden:

der Mensch ist die Seele, aber dieser Mensch nicht die Seele ist (er

unterscheidet zwischen der Wesensbestimmung des Menschen, „Der Mensch“

steht für das Mensch-sein, „Der Mensch“ [Substanz im 2. Sinn] ist vom

Allgemeinen, von „diesem Menschen“ zu unterscheiden; was den Menschen

wesentlich ausmacht ist die Seele)

dieses erste Verständnis kann nicht wahr sein, denn zur Natur der Art

gehört, was durch die Wesensbestimmung ausgedrückt ist; diese

drückt aber nicht nur die Form aus, sondern Form und Materie; daher

ist der Stoff in den Naturdingen ein Teil der Art

das allgemeine Menschsein ist auch nicht die Seele, weil zur

Definition des Menschen (zur allgemeinen Bestimmung) nicht nur die

Form gehört, sondern auch die Materie (nicht nur die Seele, sondern

auch der Leib), somit wäre es eine unvollständige Definition des

Menschen

Definition des allgemeinen Menschseins: homo est animal rationale

(man definiert das Menschsein zunächst über die Gattung [genus] in

der sich die Menschen befinden, und dann die diferentia specifica, die

den Mensch von allen anderen Lebewesen unterscheidende

Eigenschaft [typische kognitive Fähigkeiten])

diese Seele ist dieser Mensch (also, dass wir als konkrete Menschen unsere

Seele sind)

das könnte man behaupten, wenn man annähme, dass die Tätigkeit

der Sinnenseele, der letzteren eigentümlich wäre unter Ausschluss des

Körpers, weil dann alle Tätigkeiten, die dem Menschen zugesprochen

werden, der Seele allein zukämen. Jedes Ding ist aber das, wodurch

die Tätigkeiten dieses Dinges ausgeübt werden. Deshalb ist der

Mensch das, wodurch die Tätigkeiten des Menschen vollzogen

werden.

Nun ist aber gezeigt worden, dass das sinnliche Wahrnehmen nicht

ausschließlich eine Tätigkeit der Seele ist. Da also das sinnliche

Wahrnehmen eine Tätigkeit des Menschen ist, wenn auch nicht ein

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nur ihm eigene, so liegt auf der Hand, dass der Mensch nicht nur

Seele ist, sondern etwas aus Seele und Leib Zusammengesetztes.

wären wir also nur unsere Seele und der Körper nicht wirklich zu uns

gehörte, weil zB das Schnitzelessen nicht unsere Tätigkeit, das

Schnitzelessen könnte uns nicht zugeschrieben werden, oder man

müsste sagen, der Körper habe das Schnitzel gegessen und nicht du

- Respondeo discendum

o zu 1: Nach den Philosophen scheint jedwedes Ding vor allem das zu sein, was das

Vorherrschende in ihm ist; wie man von dem, was der Lenker des Staates tu, sagt, es

werde vom Staat getan. In diesem Sinn wird bisweilen das, was das Vorherrschende

im Menschen ist, Mensch genannt; und zwar bald der verstandbegabte Teil – der

Wahrheit gemäß –, der der „innere Mensche“ heißt; bald der sinnliche Teil mit dem

leib – und das nach der Ansicht einiger, die sich ausschließlich vom Sinnlichen

fesseln lassen –. Und dieses nennt man den „äußeren Menschen“.

was den Menschen auszeichnet ist der verstandbegabte Teil

o zu 2: Nicht jede beliebige Einzelsubstanz ist Vollständiges oder Person, sondern jene,

die eine vollständige Artnatur besitzt. Hand oder Fuß kann man daher nicht

Vollselbstständigkeit oder Person nennen. Ebenso wenig die Seele, da sie nur einen

Teil der menschlichen Art ausmacht.

die Seele ist nicht komplett, sie bildet kein Seiendes einer bestimmten Art,

sie ist eine Substanz wie ein abgehackter Fuß eine Substanz für sich darstellt

Thomas beraubt sich so der Möglichkeit, die Unsterblichkeit des Menschen

im platonischen Sinn zu deuten

er würde auch die These des Platon ablehnen, wir lebten weiter weil unsere

Seele weiterlebt

Thomas versucht dann allerdings zu rechtfertigen, dass die Seele – obwohl sie

nicht der Mensch ist – für eine gewisse Zeit unabhängig vom Körper

bestehen kann (könnte man die Vernunftsätigkeit für sich betrachten ist sie

eine nichtkörperliche Tätigkeit; daraus leitet Thomas ab, dass die

menschliche Seele zumindest prinzipiell für sich bestehen könnte; dies ist

aber keine befriedigende Situation, denn es fehlt ja etwas ganz wesentliches:

der Körper; somit Vergleich mit einer abgehackten Hand)

in seinen Ausführungen zur Unsterblichkeit des Menschen sagt Thomas,

die Existenz der Seele, die wir nach dem Tod annehmen, ist zwar irgendwie

zu rechtfertigen, aber auch unbefriedigend; auch in dieser Zeit muss Gott

dann die fehlenden körperlichen Funktionen ersetzen, damit die Seele sich

läutern kann, aber auch diese Situation muss ein Ende finden

die Vernunft liefert einen Beweis für die Auferstehung des Leibes,

denn man hat gezeigt, dass die Seele nach ihrer Trennung vom

Körper auf eine gewisse Weise weiterlebt, aber es ist auch klar, dass

die Seele naturhaft mit dem Leib vereint ist, dem Wesen nach ist sie

Form des Leibes, und somit ist es wider die Natur der Seele ohne den

Leib zu sein, es kann aber nichts widernatürliches auf ewig bestehen,

da sie aber auf ewig weiterbesteht muss sich der Leib irgendwann

wieder erheben, also erfordert die Unsterblichkeit der Seele die

Auferstehung des Leibes

möchte man die aristotelische Ansicht vom Weiterleben der Seele

rechtfertigen, muss man die Auferstehung des Leibes annehmen

somit glauben wir im aristotelischen Sinn rational

Glaube an Auferstehung ist ein Glaubensinhalt, er kann nicht

vernunftmäßig bewiesen werden und setzt auch das Heilsgeschehen

Gottes voraus

es scheint für Thomas die einzige rational kohärente Weise sein, wie

das ewige Bestehen der Seele gedacht werden kann

jedes Streben hat ein Ziel, es gibt natürliche Ziele für Pflanzen, Lebewesen,

… und das natürliche Ziel des Menschen ist es glücklich zu sein

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Thomas sagt, der Mensch erreiche dieses Ziel der Glückseligkeit in

seinem Leben nicht

unser Streben geht über das, was wir im Diesseits erreichen können,

hinaus

Blick auf die Natur zeigt uns aber, dass alles Erstreben irgendwie

seine Erfüllung findet, somit gebietet die Natur es eigentlich, dass das

menschliche Streben nach Glückseligkeit auch seine Erfüllung findet,

und so ist das Sein bei Gott ein Gebot der Natur

diese Glückseligkeit ist ohne Körper für den Menschen nicht zu

erreichen; die Schau Gottes kann für den Menschen nur dann die

volle Erfüllung darstellen, wenn sie in irgend einer Weise

körperliche Aspekte mit enthält

das Streben des Menschen nach Glück erfordert irgend eine

körperliche Dimension

8 Luis de Molina SJ (1535-1600) Hauptwerk

- Libri Arbitrii cum Gratiae Donis, Divina Praescientia, Providentia, Praedestinatione et

Reprobatione Concordia

- (Die Übereinstimmung der Freiheit der Entscheidung mit den Geschenken der Gnade,

göttlichem Vorherwissen, göttlicher Vorsehung, Prädestination und Missbilligung)

Sekundärliteratur - Friedrich Stegmüller. Geschichte des Molinismus, Bd. 1, Neue Molinaschriften, Reihe:

Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Bd. XXXII, dort

insbesondere auch: Stegmüller, Molinas Leben und Werk (S 1-80)

- Luis de Molina: On Divine Foreknowledge (Part IV of the Condordia), eingeleitet und ins

Englische übersetzt von Alfred J. Freddoso, Ithaca & London: Cornell University Press, 1988

8.1 Terminologie -

- Kontingenz (muss nicht sein, zB der Mensch) und Notwendigkeit (unabhängig von allem

anderen, zB mathematische Wahrheiten)

8.2 Willensfreiheitstheorie - wie können Gottes Vorherwissen und seine Voraussicht mit menschlicher Willensfreiheit und

Verantwortlichkeit vereinbar sein

- wie kann es denn sein, dass Gott auch unter diesen Voraussetzungen nicht für das Übel in der

Welt verantwortlich ist, wenn er doch Vorkehrungen trifft, und wie kann eine menschliche

Handlung überhaupt eine freie Handlung sein, wenn sie durch Gott vorausgewusst wurde

8.2.1 eine introspektive Gewissheit

- wir haben meistens einen Spielraum alternativer Möglichkeiten und sind Urherber der

eigenen Taten

- die Brisanz dabei: es gibt eine entscheidende moralische Relevanz, denn wenn jemand nicht

selbst Urheber seiner Taten ist, kann er gerade nicht verantwortlich für seine Taten sein

- eigentliches Interesse: Freiheit der Entscheidung/Handlung und der Verantwortlichkeit

dafür

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8.2.2 kausal-physikalischer Determinismus

- zu jedem Zeitpunkt der Geschichte des Universums gibt es nur genau eine physisch mögliche

Zukunft

- dies steht durch die Naturgesetze und vergangene Weltverläufe stets physisch fest

o wir haben zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, diesen Verlauf zu beeinflussen

o Determinismus sagt, dass es an jedem dieser Punkte, obwohl wir glauben alternative

Möglichkeiten zu haben, nur genau einen möglichen Verlauf gibt

das würde bedeutet, dass was wir intuitiv als alternative Weltverläufe

auffassen, diese in Wahrheit gar nicht gibt

o physisch möglich, weil logisch möglich bleiben auch in einer kausal determinierten

Welt andere Möglichkeiten

8.2.3 theologischer Determinismus

- Problem des theologischen Determinismus/Fatalismus (intuitive Formulierung):

o wenn Gott allwissend ist, dann kennt er zu jedem Zeitpunkt der Geschichte alle (von

dort aus gesehen) zukünftigen Ereignisse, einschließlich aller menschlichen

Handlungen und Entscheidungen; wie können menschliche Handlungen und

Entscheidungen dann noch frei sein?

- wenn wir nun keine Alternative haben, wenn der Weltverlauf feststeht, scheint das unsere

Freiheit zu bedrohen

8.2.3.1 theologischer Fatalismus: genauere Formulierung

Angenommen, S tut X zum Zeitpunkt t2

1. Gott ist ewig und allwissend.

2. Also ist es zu jedem Zeitpunkt t1 < t2 notwendig, dass Gott zu jedem Zeitpunkt vor t1

wusste, dass S zu t2 X tun würde

3. Notwendigerweise gilt: Wenn Gott dies zu jedem Zeitpunkt vor t1 wusste, dann geschieht

es auch so zu t2.

4. Also ist es zu jedem Zeitpunkt t1 < t2 notwendig, dass S zu t2 X tut.

□(W(S,p)→p) (wenn Subjekt weiß, dass p dann p)

Diesem Argument liegt ein gewisses Schlussprinzip zu Grunde:

- ist es temporal notwenig dass p, aber logisch notwendig, dass wenn p dann q

- Ntp, □ (p→q) ├ Ntq

8.2.3.2 klassische Lösungen

- Was soll es heißen, dass Gott zu jedem Zeitpunkt wusste, was zu t2 passieren wird?

- wir tun hier so, als ob Gott gewisses Wissen zu gewissen Zeitpunkten hat

o entspricht das überhaupt dem Gottesbild

- Boethius und Thomas von Aquin: Gott ist im zeitlosen Sinne ewig

o unterscheide: Omnitemporalität vs. Extratemporalität

- Ockham: Wenn S zu t nicht F tut, hat Gott vorher nicht gewusst, dass S zu t F tut. Gottes

Vorherwissen ist eine „weiche Tatsache“ über die Vergangenheit.

o somit macht das Dilemma keinen Sinn mehr

8.2.3.2.1 Luis de Molina

- Gott besitzt „mittleres Wissen“ (scientia media)

- das Prinzip:

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o notwendig p; notwendig (p→q); also notwendig q ist falsch!

- scientia media = Wissen darüber, was jedes mögliche freie Wesen in jeder möglichen

Situation aus freien Stücken tun würde

o bevor Gott alles verwirklichte, hatte er alle möglichen Welten vor sich

o er sieht, was jedes mögliche freie Wesen in jeder möglichen Situation zu jedem

Zeitpunkt tun wird

o Gott hätte auch andere Wesen in anderen Realitäten erschaffen können

o wir können aber sagen, dass dies Gottes Allwissen ist, eben was jedes freie Wesen in

jeder möglichen Welt aus freien Stücken tun würde

o er gewährt uns Willensfreiheit insofern, als dass er nicht kausal eingreift in unser

Fassen von Absichten und deren Umsetzung; er überlässt die Realisierung konkreter

Handlungen den freien personalen Wesen und greift nicht kausal in den Ablauf der

Entscheidungen und Handlungen ein

o insofern sind diese geschaffenen Wesen frei

o gleichwohl hängt alles von Gottes Willen ab, weil er ja auch eine andere Welt

erschaffen hätte können

o also menschliche Freiheit iSv kausaler Indetermination

o liegt zwischen echtem Vorauswissen kontingenter Dinge in der kausalen Welt und

seinem Wissen rein logischer Möglichkeiten

- Pointe: alles aktuale Geschehen unterliegt Gottes Vorsehung. Dennoch gibt es menschliche

Freiheit im Sinne kausaler Indetermination.

9 Descartes (1596-1650) - Verdienste in der Erkenntnistheorie

- Verdienste in der Philosophie des Geistes

- entwickelte eine dualistische Theorie von Körper und Geist

- gilt als Begründer der Philosophie der Moderne und Vater der modernen

Erkenntnistheorie o ist verschränkt mit Bewusstseinsphilosophie und Philosophie des Geistes

9.1 erste Meditation – radikaler skeptischer Zweifel - er will festen Halt bekommen, etwas Unerschütterliches und Bleibendes

- meint va sein individuelles privates Wissenssystem

- erstes Argument: Unverlässlichkeit der Sinne, also ist alles was auf sinnlichen Erkenntnissen

gründet kein sicheres Argument

o er unterscheidet er aber Situationen, in denen sinnliche Erkenntnis verlässlich ist von

solchen in denen sie unverlässlich sind

- der Genius Malignus vermag es, mich über die Existenz meines Körpers zu täuschen

- methodischer Zweifel, weil Descartes hier ein erkenntnistheoretisches

Gedankenexperiment vornimmt

o es geht hier um eine methodische Operation die dazu dient, ein Kriterium für eine

gute Theorie des Wissens darzustellen

- drei Schritte

o Argument der Sinnestäuschung

o Traumargument

o Fiktion des bösen Täuschers

Descartes entwickelt hieraus sein cogito-Argument

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9.2 zweite Meditation - gibt es etwas, das diesem radikalen Zweifel widersteht?

- ja, das cogito, und deshalb muss es zumindest das Zweifeln geben und den der zweifelt, also

solange jemand zweifelt gibt es etwas

- dass der Denker einen Körper hat, darüber kann der Genius Malignus den Denker täuschen,

aber nicht täuschen kann er darüber, dass da jemand ist der denkt, somit ist das Zweifeln

eine Form des Denkens

- er setzt voraus, dass alles was er sieht falsch ist, er hat keine Sinne, Gestalt, Ausdehnung, …

was also bleibt übrig? – vielleicht nur, dass nichts gewiss ist

- gibt es einen Gott oder ist das nur eine Idee des Denkers?

- also wäre doch zumindest der Denker irgendetwas? – er leugnete aber, dass er einen Sinn,

einen Körper hat

- niemals wird der böse Betrüger es fertigbringen dass der Denker nicht ist solange er denkt,

dass er etwas ist

- Feststellung: ich bin, ich existiere (ego sum, ego existo) ist notwendig wahr

- was übrigbleibt ist rein eine res cogitans

- er fragt sich, was an Überlegungen diesem radikalen Skeptizismus widerstehen kann (wie

kann ich zu fundamentalen Gewissheiten, zu sicherem Wissen gelangen?)

o Methode: verschiedene skeptische Szenarien, die sich in ihrer Drastizität steigern

er entwickelt die schlimmsten skeptischen Einwände die sich machen lassen

dann fragt er, ob es nicht etwas gibt, das sogar dem radikalsten skeptischen

Einwand bestehen kann

das sei das cogito

selbst wenn ich an allem zweifle, so muss es doch mich geben der da

zweifelt

der Genius Malignus kann mich nicht täuschen dass ich zweifle

während ich zweifle

das cogito – ich denke – wird zum „Ich denke, ich existiere, ist

notwendig wahr, solange ich es sage/ausspreche oder mir im

Geiste vorstelle“

9.3 erkenntnistheoretischer Fundament(al)ismus

9.3.1 im Groben

- wer ist dieses „Ich“ das da denkt und dem Zweifel widersteht

- ich kann sinnvollerweise an allem Körperlichem zweifeln, also auch an meinem Körper

- somit kann sich das cogito nicht auf eine Entität beziehen, das denkt und auch körperliche

Eigenschaften hat

o „ich“ bezieht sich normalerweise auf einen Menschen (mentale und körperliche

Eigenschaften)

o was übrigbleibt ist ein reines denkendes Wesen (res cogitans)

damit haben wir den typischen Rationalismus; er heißt so, weil er als

wesentlichen Angelpunkt der Metaphysik das Denken/den Geist/die Seele

ansieht

- als karthesische Denker haben wir die Aufgabe, alles von Grund auf einmal umzustoßen um

zu schauen, ob wir auf ein sicheres Fundament treffen können, mit dem sich alle unsere

Überzeugungen in sicherer Weise begründen lassen

- Problem: schon die antiken Skeptiker rangen mit dem Problem, wie denn jemals eine

Überzeugung gut begründet werden kann (va besser als die gegenteilige Überzeugung)

o irgendwann stoßen wir vielleicht auf Gründe, die wir mehr oder weniger teilen, wo

wir annehmen, dass wir sie gelten lassen

o de facto kann man aber auch jeden Grund weiter in Frage stellen

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9.3.2 infiniter Regress

- wenn wir eine Überzeugung A haben (die wir für Wissen halten) begründen wir die mit B,

was wiederum selbst in Frage gestellt werden kann

→E→D→C→B→A

9.3.3 zirkuläre Rechtfertigung

- auch als Kreis darstellbar

- scheint keine gute Möglichkeit sein, Begründungsprobleme zu lösen

→E→D→C→B→A

A→E→D→C→B→A

9.3.4 Ende in ungerechtfertigten Überzeugungen?

- A ist gerechtfertigt durch eine andere gerechtfertigte Meinung, basiert aber schlussendlich

auf einer ungerechtfertigten Überzeugung

o wir können die letzte nicht weiter rechtfertigen

o wir hätten keinen Regress und keine zirkuläre Rechtfertigung, aber immer noch

keine begründete Rechtfertigungsbeziehung, weil aus einer ungerechtfertigten

Überzeugung eine gerechtfertigte entsteht

Eug→Dg→Cg→Bg→Ag

9.3.5 Basisüberzeugungen und doxastische Superstruktur

- letztlich muss alles auf irgendwelchen Überzeugungen beruhen die zwar gerechtfertigt sind

und die nicht durch die oberen Überzeugungen gerechtfertigt wären (= zirkuläre Begründung)

- der carthesischer Denker macht sich auf die Suche nach einer archimedischen Basis, die

einen guten epistemischen Charakter haben

- es soll unumstößliche Gewissheit sein

o das können nur solche sein, die dem Zweifel widerstehen

o da gibt es bestimmte Eigenschaften: Evidenz, introspektive Gewissheit,

Unfehlbarkeit, Unkorrigierbarkeit

- die systematische Position hat sich diese Art von Fundamentalismus (was Fundament

bedeutet) erst in den letzten 20 Jahren entwickelt

- Descartes meint, es gibt so etwas wie ein Fundament allen Wissens

- man kommt durch die zuvor genannten Probleme (Regress und Zirkulation) schnell auf dieses

Modell

doxastische Superstruktur

Basisüberzeugungen

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9.3.5.1 Grundfragen an den Fundamentismus

- was sind „Basisüberzeugungen“ oder „basale Überzeugungen“

o sind nach Descartes introspektive Gewissheiten über Zustände und Tätigkeiten des

eigenen Geistes

o Basisüberzeugungen sind laut Fundamentismus

unfehlbar, unbezweifelbar, unkorrigierbar (Descartes)

in sich selbst gerechtfertigt

gerechtfertigt durch „direct awareness“ (Th. Reid)

- wie lässt sich der „epistemische Aufstieg“ von den Basisüberzeugungen zum „epistemischen

Überbau“ verstehen

o die Basisüberzeugungen müssen mich am Ende darüber rechtfertigen, dass es zB eine

Außenwelt gibt

o das ist das gesamte Projekt der Meditationen von Descartes

- das sind diejenigen Überzeugungen, die der Denker durch Introspektion über die

Aktivitäten und Zustände seines eigenen Geistes hat, dafür steht das Wort cogitare

o wenn ich zweifle, dann bin doch ich etwas das da zweifelt

o conclusio: cogito existo (ich denke, ich existiere)

o cogito steht für etwas, das auch zweifelt

o was aber bin ich demnach (2. Meditation), ein denkendes Wesen, was heißt das? Ein

Wesen das zweifelt, einsieht, bejaht, will, nicht will, … all das, was wir unter

psychischen Zuständen eines Subjekts verstehen würden ist bei Descartes mit dem

Prädikat „cogitare“ zusammengefasst

o die Gewissheiten auf die Descartes stößt sind nicht nur solche die sich auf das

Zweifeln bezeihen, sondern auf alle Tätigkeiten des Geistes bezieht

- introspektiver privilegierter Zugang zu den Zuständen des eignen Geistes

o die Gewissheiten die dem Zweifel widerstehen sind diejenigen, die ein Denker über

seine eigenen geistigen Fähigkeiten hat, über sonst nichts

o wenn ich gerade eine bestimmte Empfindung habe (zB Schmerz), dann ist mir diese

Empfindung introspektiv gewiss (wenn ich sie habe weiß ich, dass ich sie habe, das

ist unfehlbar; niemand kann das bezweifeln)

o wir erkennen an, dass ein Subjekt zu bestimmten Inhalten seines Bewusstseins die

letzte Autorität hat

o in der dritten-Person-Perspektive muss ich es aus dem Verhalten erschließen, man

kann nicht in den Geist eines anderen hineinschauen

das ist eine Asymmetrie wie ein Subjekt etwas über seinen mentalen Zustand

weiß und dadurch was es über ein anderes Subjekt weiß

o der Punkt mit der Gewissheit ist der, dass dadurch, dass ich bei anderen Personen

etwas über ihren Zustand erschließen muss, diese Dinge nie so gewiss sind, wie das,

was ich über meine eigenen momentanen Zustände geht

o dadurch sind eine Reihe von Fehlerquellen ausgeschlossen

die introspektiven Gewissheiten haben eine besondere erkenntnistheoretische

Autorität, weil Fehler bei der Interpretation von Verhalten und dem Schließen

nicht gegeben sind

o der Denker hat zu seinen äußeren Eigenschaften dasselbe Verhältnis wie zu den

anderen der Welt: der Genius Malignus kann ihn darüber täuschen (auch, dass er

einen Körper hat)

er kann ihn aber nicht darüber täuschen, dass er – wenn er gerade denkt –

denkt

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9.4 Descartes metaphysischer Beweis für den Leib-Seele-Dualismus

9.4.1 das Argument der zweiten Meditation

1) ich kann nicht zweifeln (bin mir gewiss), dass ich existiere

o eine Reflexion, die er angesichts des skeptischen Zweifels retten konnte

2) ich kann daran zweifeln, dass ich überhaupt einen Körper habe

o dass ich einen Körper habe, weiß ich nicht auf introspektive Weise

o der Zugang zu meinem eigenen Körper ist kein epistemisch privilegierter Zugang ´

o der Körper hat somit keine epistemisch privilegierte Rolle

3) also bin ich kein Körper, sondern ein reiner Geist (res cogitans)

9.4.2 das Argument der sechsten Meditation

1) alles, was ich klar und deutlich begreife, kann von Gott so gemacht werden, wie ich es

begreife

2) also ist alles, was ich klar und deutlich begreife, möglich

3) ich begreife klar und deutlich, dass ich allein als denkendes Wesen und ohne körperliche

Eigenschaften existieren kann

4) ich begreife klar und deutlich, dass alle Körper allein mit der Eigenschaft des

Ausgedehntseins existieren können

5) ich kann allein mit der Eigenschaft des Denkens existieren (aus 2 und 3); und:

6) jeder Körper kann allein mit der Eigenschaft des Ausgedehntseins existieren (aus 2 und

4)

7) also bin ich von meinem Körper verschieden, dh ich kann auch ohne ihn existieren

M [D(a) & ¬A(a)]

M [A(b) & ¬D(b)]

a ≠ b

a = b, dann teilen

a u. b., alle ihre Eigenschaften

a kann Eigenschaften haben, die der Gegenstand b nicht hat (ich kann Eigenschaften haben, die mein

Körper nicht hat, nämlich ich kann alleine mit der Eigenschaft des Denkens existieren; mein Körper

hat die Eigenschaft des Ausgedehntseins. Wenn die zwei Gegenstände verschiedene Eigenschaften

haben, dann können es nicht dieselben Gegenstände sein. Denn wenn sie identisch wären, dann

müssten sie alle ihre Eigenschaften teilen können)

- ist das beste Argument für den Leib-Seele-Dualismus

o alles was ich klar begreife kann von Gott auch so gemacht werden, dass ich es

begreife, und so ist alles was ich klar begreife möglich

o alles was Gott machen kann, ist natürlich auch möglich (= modallogischer Schluss

bzw. Konklusion 2)

9.4.3 ein weiteres Argument

1) Wenn a = b, dann teilen a und b alle ihre Eigenschaften

2) Die Seele/der Geist ist unteilbar

3) Körper sind teilbar

4) also ist die Seele/der Geist etwas vom Körper Verschiedenes

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9.5 Probleme eines Dualismus

9.5.1 wie der Geist auf den Körper wirkt

- wenn ich letztlich meine Seele bin und ich möchte Schi fahren gehen, dann setzt meine Seele

den Geist in Bewegung

- der körperliche Bereich des Menschen ist in sich vollständig geschlossen und funktioniert

(Vergleich mit einer Maschine), und wo greift nun der Geist ein; braucht es überhaupt einen

Geist um das Ganze noch weiterzubewegen

- es muss also einen Ort geben, da die Interaktion zwischen Geist und Körper stattfindet, es

muss eine Notwendigkeit, dass der Geist eine weitere Ursache darstellt

- Descartes stellte sich diese Wechselwirkung irgendwo im Gehirn vor, in der Zirbeldrüse

9.5.1.1 Problem einer lokalisierbaren Wechselwirkung zwischen Geist und Körper:

- körperliche Prozesse scheinen kausal geschlossen

- Geist ist so konzipiert, dass man ihn räumlich und zeitlich nicht lokalisieren kann (res

cogitans und nicht res extensa)

9.5.1.2 neue Lösung nach Descartes von Malebranche (1638-1715)

- Problem der Wechselwirkung wird aufgelöst: eigentlich kann es keine wirkliche

Wechselwirkung zwischen solch unterschiedlichen Bereichen geben

- wie soll eine nichtphysische Substanz einwirken auf etwas physisches, das verletzt alle

Gesetze der Naturwissenschaften

- Lösung: Gott als derjenige, der letztlich alles zusammenhält; das Zusammenwirken von Leib

und Seele dadurch gewährleistet, dass Gott anlässlich eines Bewusstseinsaktes eine bestimmte

Körperbewegung veranlasst o Gott gewährleistet nun, dass mein Körper tut was mein Geist will (

Okkasionalismus)

- Lösung ist letztlich eine Leugnung der Interaktion

9.5.1.3 weiteres Problem des Dualismus („other-mind-Problem“):

- nach dualistischer Auffassung können wir nicht sicher sein, ob andere Menschen

Bewusstsein haben oder nicht, und das widerspricht unserer alltäglichen Annahme

- vor dem carthesischen Hintergrund stellt sich dieses Problem, denn zu geistigen Zuständen

habe nur ich in einem einzigen Fall einen unmittelbaren Zugang, und zwar in meinem Fall;

nur ich weiß ob ich denke

o ich kann andere Verhaltensweisen erkennen, aber das sind nur physische

Verhaltensweisen

o diese physischen Verhaltensweisen sind interpretierbar, aber Zugang habe ich zu den

Gedanken nicht

10 Baruch de Spinoza (1632-1677) - ist einer der Hauptvertreter des Rationalismus

- rationalistische Grundidee ist von Descartes grundgelegt worden:

o ich soll in der Wissenschaft von dem ausgehen, was mir evident ist, und daraus alles

ableiten

- gewisser Realismus kennzeichnend: Glaube daran, dass es für die Struktur eines zureichenden

Grundes und der sich daraus ableitenden Wirkungen, was zunächst mein Denken betrifft, eine

Struktur der Wirklichkeit gibt (strukturiert von Grund und Folgen)

o zur Struktur meines Denkens gibt es eine Entsprechung in der Wirklichkeit

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o die Ursache von alledem ist Gott (er ist die parallele Struktur zu meinem Denken)

o die Wirklichkeit ausgehend von Gott ist rational strukturiert; dh die Welt muss

sich ausgehend von Gott zureichend erklären lassen

o hat massive Konsequenzen für das Gottesbild: wenn Gott der zureichende Grund für

die Wirklichkeit ist, dann hat der Begriff Gottes eine bestimmte Gestalt

10.1 Gott als zureichende Ursache alles Seienden - die Idee Gottes ist das höchste Prinzip, auch im Sinne einer besten Erklärung von allem

- aus diesem höchsten Prinzip müssen sich alle anderen Prinzipien ableiten lassen

- nur unter der Voraussetzung der Idee Gottes können die Ideen so geordnet werden, dass Natur

mit unserem Denken übereinstimmen

- dieses höchste Prinzip nennt Spinoza „Substanz“, was der hinreichende Grund ist

- Definition von Substanz:

o das, was in sich ist und aus sich begriffen wird, dh dessen Begriff nicht des Begriffes

eines anderen Dinges bedarf um daraus gebildet werden zu müssen

o wenn Gott der letzte Grund ist muss er Substanz sein, etwas, das aus sich heraus

begriffen werden kann und letztbegründend ist

o daraus ergibt sich nach Spinoza weiteres:

eine Substanz kann nicht von einer anderen Substanz hervorgebracht werden,

das widerspräche der Definition der Substanz, denn sonst würde die

Definition von Substanz von deren Ursache abhängen

die weitere Substanz bräuchte die erste Substanz um erklärt werden

zu können

die Existenz der Substanz folgt allein aus ihrer Natur

es gibt nur eine Substanz vom selben; gäbe es weitere, widersprächen diese

Weiteren wieder der Definition von Substanz

außer Gott kann es keine Substanz geben und lässt sich auch keine Substanz

begreifen, denn wenn es eine Substanz außer Gott gäbe, müsste diese wieder

durch Gott erklärt werden und dies wiederum widerspricht der Definition von

Substanz

die Substanz hat unendlich viele Attribute (Eigenschaften) und Modi,

zwei Attribute (res extensa und res cogitans) sind wesentlich, da es

die einzigen Attribute sind, die dem Menschen zugänglich sind

Modi sind Erscheinungsformen (Aspekte) der Substanz

o wir sind selbst ein bestimmter Modus dieser Substanz

o wir bestehen aus Körper und Seele, der Körper ist ein

Modus der Substanz unter dem Attribut der Ausdehnung

o der Geist ist ein Modus der Substanz unter dem Attribut des

Denkens

o wäre pantheistisch, denn es gibt eigentlich nur Gott und

wir sind ein Modus Gottes

o damit hat Spinoza einige Probleme gleichzeitig gelöst

Problem der Wechselwirkung stellt sich nicht mehr, da Geistiges und

Körperliches ein Attribut der Substanz sind und somit parallel existieren

res cogitans und extensa sind nicht mehr zwei Substanzen (wie bei

Descartes), sondern Eigenschaften einer Wirklichkeit, und somit

aufeinander bezogen ohne aufeinander einzuwirken

das aufeinander bezogen sein funktioniert so, dass jedem

Bewusstseinszustand ein körperlicher Vorgang entspricht (jedem

Zustand der res cogitans entspricht ein oder mehrere Zustände in der

res extensa), somit ist die res cogitans auf die res extensa hingeordnet

Bewusstseinszustände sind Bewusstsein von körperlichen Prozessen

mein Wollen kann im Bereich des Physischen nichts verändern

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wir haben eine Welt des Geistigen, die einen Aspekt der Wirklichkeit

darstellt, der sich auch physikalisch beschreiben lässt

die beiden Bereiche sind zwar aufeinander bezogen, aber nicht so,

dass einer in den anderen eingreifen kann

der Wille kann also das körperliche Geschehen nur erkennen und

begleiten

o ich kann das was sowieso abläuft ablehnen (darunter leiden,

es erdulden)

o ich kann es aktiv, positiv bejahen

o Leiden entsteht dadurch, dass wir nicht erkennen warum

passiert was passiert

er entwickelt eine deskriptive Moral, die darin besteht, dass das gute

Leben ein solches ist, das auf Einsichten beruht

das schlechte Leben leidet unter den körperlichen Abläufen

11 Leibnitz - ist eigentlich der Hauptvertreter der rationalistischen Konzeption

- er versucht auch, ausgehend von einer letzten Ursache, alles weitere zu erklären

- auch für ihn ist Gott die letzte Ursache aus der sich alles weitere fast logisch deduktiv ableiten

lässt

- er nimmt aber nicht eine Substanz an, sondern unendlich viele Substanzen

o diese sind Kraftzentren, von denen ausgehend sich die ganze Wirklichkeit erklären

lässt

o sie sind die zureichenden Gründe (von Gott geschaffen)

- er versucht das zureichende Grundsein Gottes genauer zu definieren:

11.1 warum die Welt so ist wie sie ist – auch das Theodizeeproblem - wie ist es kompatibel, wenn Gott doch die letzte Ursache ist

- somit müsste sich auch das Leiden aus der Existenz Gottes ableiten lassen

- Konzept von unendlich vielen Welten

o Gott hatte die Möglichkeit unendlich viele Welten zu schaffen

o die in der wir leben ist die beste aller Möglichkeiten

o das Leiden ist somit von Gott nicht gewollt, sondern es ist eine Konsequenz aus der

Erschaffung einer Welt mit der größtmöglichen Einheit (Nebenprodukt einer

besten von allen Welten)

12 britischer Empirismus: David Hume (1711-1776) Themenauswahl:

- Erkenntnistheorie: Humes Theorie der Perzeption

- Kausalität - Humes Religionsphilosophie

Sekundärliteratur:

- Jens Kulenkampff: David Hume, München 1989 (Becksche Reihe)

- Gerhard Streminger: David Hume: Sein Leben und Werk, Schöningh 1995 (TTB)

- Gerhard Streminger: David Hume: „Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand“,

Schöningh 1995 (UTB)

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12.1 Humes Theorie der Perzeptionen - Grundbegriffe:

o perception (im folgenden: Perzeption)

o impression (Eindruck)

o idea (Idee)

- Hauptthesen sind Erkenntnistheorie, Kausalitätstheorie und Religionsphilosophie

12.1.1 Kernthesen ua (Kuhlenkampff, S 27f)

- kein geistiger Vorgang ohne Perzeption

o Perzeption – ähnlich wie Descartes cogitare – ist Überbegriff für alle geistigen

Tätigkeiten überhaupt

- jede Perzeption ist entweder Eindruck oder Idee

o Perzeptionen verfallen in Untergruppen

- jede Perzeption ist entweder einfach oder komplex

- jede komplexe Perzeption besteht ausschließlich aus einfachen Perzeptionen

- jede einfache Idee entspricht ein einfacher Eindruck, dem sie gleicht

- bei ihrem ersten Auftreten ist jede einfache Idee die kausale Folge des ihr

korrespondierenden einfachen Eindrucks

12.1.2 ad 1: Perzeptionen

- „to perceive“ zB:

o wahrnehmen, empfinden, bemerken, spüren, verstehen, erfassen, einsehen, begreifen,

erkennen

o auch: lieben, hassen, denken, fühlen, sehen, usw.

o im wesentlichen mentale/psychische/geistige Tätigkeiten unterschiedlichster Art

bei Descartes war dafür der Oberbegriff „cogitare“, was auch das alles

meint

- unterscheide: Perzeption iSe Vorgangs vs. Perzeption iSd Resultats eines Vorgangs

o „Perzeption“ kann den Akt des Wahrnehmens bezeichnen, aber auch das Produkt des

geistigen Prozesses

12.1.3 ad 2: Eindrücke und Ideen

- Eindrücke und Ideen sind die Gegenstände des Perzipierens; was wir erfassen, wenn wir auf

die eine oder andere Weise geistig tätig sind

- immer wenn wir uns in einem geistigen Akt betätigen, erfassen wir entweder Eindrücke oder

Ideen

- Musterbeispiel: aktuelle sinnliche Wahrnehmung und Erinnerung

o vgl. das Geschmackserlebnis ( Eindruck) beim Kosten einer Zitrone und die

Erinnerung ( Idee) an dieses Erlebnis

o Unterschied ist die Intensität der Erlebnisse

o die Erinnerung ist dem Erlebnis ähnlich (blasser)

- das was wir Geist nennen, ist nichts als ein Haufen oder eine Sammlung von Perzeptionen

miteinander verbunden sind. Fälschlicherweise gibt es die Auffassung, der Geist sei einfach

und unteilbar. Der Geist des Menschen ist keine Substanz, kein Einzelding. Der Geist ist

nichts anderes als eine Menge von Perzeptionen, und dadurch verändert sich der Geist

unablässig, weil sich eben ständig neue Eindrücke ergeben, und zwar in dem Maß, in dem sich

die Perzeptionen ändern. Damit bestreitet Hume dem Geist eine Eigenschaft, die

traditionellerweise der Seele zugeschrieben wurde, und aus der die Unsterblichkeit der Seele

geschlossen wurde.

- Schaut man in seinen Geist, findet man nur Eindrücke und Ideen. Warum sollte der Geist dann

etwas anderes sein als diese Menge an Impressionen und Ideen. Die synchrone Identität

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ergäbe sich aus der Menge der Perzeptionen, die diachrone Identität wäre die Menge der

Perzeptionen die sich von einem Zeitpunkt t1 bis zu einem Zeitpunkt t2 abspielen. Ist der

Geist nichts mehr als eine Anhäufung von Perzeptionen, kann er nicht zugleich das Subjekt

der Perzeptionen sein, aber was ist er dann?

- Wenn meine Perzeptionen mit dem Tod aufhören, so würde ich vollkommen vernichtet sein.

Kohlkampff: Demnach sind es doch wir als körperliche Individuen, die die Subjekte des

Perzipierens sind. Wo vom Geist gesprochen wird muss man so deuten, dass es sich um etwas

handelt, das von geistigen Vollzügen spricht, die aber einem Mensch zukommen.

- Fragen dahingehend, was denn hier das Subjekt dieser geistigen Tätigkeiten ist:

o das Subjekt ist der Geist (mind), aber was ist „the mind“?

o Opposition zu klassischen rationalistischen Theorien

o der Geist ist nichts anderes als eine Anhäufung von Perzeptionen

o es gibt nicht den Geist oder die Seele als Substanz, sondern letztlich müssen wir den

Geist als ein Konglomerat aus Perzeptionen, also aus all den Eindrücken und

Ideen, die momentan bei dem betreffenden Subjekt vorliegen, und das ist das

Subjekt, das diese Perzeption hat

o nimmt man das so auf, sieht man ein Kohärenzproblem:

sprechen wir von Perzeptionen, brauchen wir ein Subjekt derer

ist der Geist nichts anderes als eine Anhäufung von Perzeptionen, kann man

das Subjekt eigentlich nicht als solches verstehen

das würde bedeutet, dass die Perzeptionen, das Subjekt ihrer selbst wären

o Frage, wie man sich die Ideen vorstellen kann:

Tätigkeiten, deren Gegenstände Sachverhalte sind, also die Inhalte haben, die

wir mit „dass-Sätzen“ spezifizieren (zB Hungergefühl hat keinen Inhalt, die

wir durch einen „dass-Satz“ aussagen können)

das hat einige Interpreten dazu gebracht zu sagen, dass wir die Ideen als

Propositionen von mentalen Gegenständen interpretieren sollen

dh die Idee, die der Gegenstand eines perzpetiven Vorganges des Denken ist,

ist im Grunde eine Proposition, die wir mit der Angabe eines „dass-Satzes“

spezifizieren kann

das Problem dabei scheint, dass das nicht sehr gut zur Abstraktionstheorie

passt, es ist schwierig sich klarzumachen, wie aus Wahrnehmungen durch

Abstraktionsprozesse am Ende begriffliche Gebilde stehen können, die dann

Inhalte mentaler Akte sind

das zweite Problem ist, dass Hume davon ausgeht, dass es

Ähnlichkeitsrelationen zwischen Ideen und den ursprünglichen Eindrücken

gibt, auf denen alle Ideen letztlich beruhen

die Eindrücke liefern allen Stoff, aus dem was sich im Geiste abspielt

am Ende gemacht ist

wenn man sagt, dass die Gegenstände von mentalen Tätigkeiten

propositionale Gegenstände sind, die wir durch Aussagen definieren können,

wie ist dann die Ähnlichkeitsrelation zwischen den Ideen und den

Sinneseindrücken vorstellbar?

die Proposition „die Welt ist rund“ oder „IBK liegt in Tirol“, welchen

Typen von Sinneseindrücken ist diese Proposition ähnlich

wie die Idee als Gegenstand von propositionalen Akten heißen soll

wir denken/glauben, dass etwas der Fall ist, und in der empiristischen

Theorie ist es sehr unklar was es heißen soll, dass der Gegenstand

solcher geistiger Tätigkeiten eine Idee/eine Vorstellung ist

o man hat gewisse Eindrücke die verblassen, und in Akten wie

Erinnerungen wieder hervorgerufen werden können

ja, das sind aber andere Tätigkeiten als sich daran zu

erinnern, dass etwas der Fall ist oder sich zu

wünschen dass etwas passiert

- Perzeption die eine Idee ist, ist nicht der Vorgang

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12.2 Kausalitätstheorie - Frage danach, was Kausalität sei

- Ursache-Wirkung in unserem Alltagsverständnis

o Verständnis dafür wie Menschen agieren, eine Grundkategorie unseres Denkens

- Hume war einer der ersten modernen Philosophen, die sich ausführlich mit diesem Thema

beschäftigt haben und tiefe Einblicke gewann, was Kausalrelationen sind

- seine Ergebnisse waren skeptischer Natur

12.2.1 Humes Definition von Ursachen und Wirkungen

- Ursache ist ein Gegenstand, dem ein anderer folgt, wobei allen Gegenständen, die dem

ersten Gegenstand gleichartig sind, Gegenstände folgen, die dem zweiten gleichartig

sind1 o im modernen Verständnis: Kausalität ist eine Relation von Ereignissen; das

Ereignis, in welchem zB das Buch herunterfällt, ist die Ursache für das Ereignis, dass

wir ein bestimmtes Geräusch wahrnehmen

o bei Hume ist das noch nicht so klar, man kann seine Rede von Gegenständen durchaus

iSv Ereignissen interpretieren

o es gibt auch das Kräfte-Neigungs-Modell (va im MA verbreitet), nachdem allen

Gegenständen bestimmte Kräfte oder Neigungen (kausale Tendenzen) innewohnen,

die dann aktualisiert werden können, wenn die Gegenstände mit anderen

Gegenständen in Verbindung treten (relata kausaler Beziehungen)

o wichtig ist die Unterscheidung zwischen Einzelereignissen und

Einzelereignisse: Hume erläutert sie im Rückgriff auf Gleichartigkeit und

Gleichartigkeiten von Gegenständen; es geht darum, man hat Einzelereignisse

die man erklären will (zB das jetzige Herunterfallen des Buches); Ereignisse,

die als Einzeldinge im Raum-Zeit-Kontinuum vorkommen, sind nicht

wiederholbar, dh das Ereignis ist nur ein einziges Mal erfolgt (wirft man das

Buch noch mal hinunter findet nicht dasselbe Ereignis statt, sondern

höchstens der Typ wird wiederholt)

Unterscheidung von Typ und Vorkommnis eines Ereignisses: als

Ereignistyp kann sich etwas wieder ereignen, einzelne Vorkommnisse

von Ereignissen können sich ereignen, die zum selben Typ gehören

wie ein vergangenes Ereignis

man nimmt Bezug auf die Gleichartigkeit eines Typs, wo es dieselbe

Wirkung gibt (eben zB das Herunterwerfen eines Buches)

eine singuläre Kausalbeziehung, erklärt im Rückgriff auf gleichartige

Gegenstände die in der Ursachenrolle vorkommen und gleichartigen

Gegenständen, die dem zweigen Gegenstand folgen und eben diesem

gleichartig sind

o dh wir erklären singuläre Kausalbeziehungen zwischen Gegenständen und

Ereignissen, in dem wir auf allgemeine Zusammenhänge von Ereignissen

zurückgreifen

der Begriff des Gesetzes kommt ins Spiel: Das Gesetz ist eine Sukzession

nach einer Regel (regelmäßige Abfolge)

- Regularitätsauffassung von Kausalität

o diese ist schwächer als eine strikte Gesetzesauffassung von Kausalität

o Regularitätsauffassung (immer wenn X der Fall ist, ist auch Y der Fall) vs.

Gesetzesauffassung von Kausalität (wenn X der Fall ist, ist notwendigerweise auch Y

der Fall)

zB Billardkugel: wenn eine Kugel auf einer andere prallt, wird immer diese

zweite Kugel sich entsprechend dem Bewegungsimpuls in die entgegen

gesetzte Richtung bewegen

1 Enquiry, S 76

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dass das immer der Fall ist, ist etwas anderes als die Aussage, dass es

notwendigerweise so sein muss

o die Idee eines kausalen Gesetzes ist viel strikter: sie würde sagen, dass die

Billardkugel gar nicht anders kann als sich in diese Richtung fortzubewegen, aber

streng genommen können wir das aus empirischen Beobachtungen nicht ableiten

wenn wir Kausalbeziehungen in diesem anspruchsvollen Sinne verstehen,

haben wir kein Wissen über gesetzesmäßige Wirkungen

aus der Erfahrung können wir eine Regularitätsauffassung bekommen, wir

können Regularitäten beobachten

- aber: gehört nicht zu kausalen Relationen das Moment der Notwendigkeit (im Gegensatz zu

zufälliger Koinzidenz)?

o „Ich setzte (die Notwendigkeit) in die konstante Vereinigung, in den konstanten

Zusammenhang“

o Hume: Kausale Zusammenhänge sind nur im Sinne „konstanter Konjunktionen“

(constant conjunctions), jedoch nicht als „notwendige Verbindungen“ (necessary

connexions) zwischen Objekten oder Ereignissen zu verstehen

12.2.2 Ursache-Wirkungs-Verhältnisse

- räumlich-zeitliche Nachbarschaft (Kontiguität)

- zeitliche Folge (Sukzession)

- Mehrzahl gleicher Vorkommnisse (Regularität)

- dh, wenn ich frage, warum dieses Buch indem es herunter fiel jenes Geräusch verursacht hat,

dann muss ich – wenn die Warumfrage durch Kausalität erklärt werden soll – muss ich

rekursieren auf gleichartige Ereignisse: das Herunterfallen des Buches war die Ursache von

diesem Geräusch ( singuläre Kausalerklärung), jedoch muss ich nun eine gesetzesartige

Hypothese angeben: weil immer dann, wenn Ereignisse dieses Typs geschehen, unter diesen

oder jenen Hintergrundbedingungen, auch Ereignisse des zweiten Typs geschehen (=

vollständige Erklärung unter Anführung einer gesetzesartigen Hypothese) ist bei Hume nur

eine Regularitätsbeziehung

- Induktionsproblem: aus einer Vielzahl gleichartiger Fälle kann man nur beobachten und

daraus induktiv schließen, dass auch morgen noch eine Billardkugel sich in dieser oder jener

Weise bewegen wird, oder dass auch morgen die Sonne im Osten aufgeht.

o streng genommen sind das nur Regularitäten, die niemals mit absoluter Gewissheit

sagen können, dass es immer so sein wird

12.2.2.1 räumlich-zeitliche Nachbarschaft

- ein Ereignis das in grauer Vorzeit stattfand wird wohl kaum die Ursache dafür sein, dass das

Buch jetzt auf den Tisch fällt

- es muss räumlich und zeitlich nah an dem Wirkungsereignis dran liegen

12.2.2.2 zeitliche Folge

- man muss die Ereignisse ordnen können

- die zeitliche Ordnung von Ursache und Wirkung ist: zuerst Ursache, dann Wirkung

- es handelt sich um zeitliche Beziehungen

- es gibt aber Spekulationen über Rückwärtsverursachung, was metaphysisch komplizierte

Theorien sind

- nicht ganz so abwegig: Ursache kann gleichzeitig mit der Wirkung vorkommen

o Kausalbeziehungen sind Beziehungen zwischen Ereignissen, bei denen die Ursache

zumindest nicht später als die Wirkung stattfindet

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12.2.2.3 Mehrzahl gleicher Vorkommnisse

- damit wir von einer echten Kausalerklärung in einem Einzelfall sprechen können

12.2.3 Epistemisierung der Ursache-Wirkungs-Beziehung

- Frage: wie kommt es, dass wir in unserem Denken echte Gesetzesbeziehungen annehmen?

- Unterscheidung von: Idee der Kausalität und unser Begriff einer kausalen Beziehung

- die wiederholte Beobachtung einer gleichen Ereignisfolge erzeugt in unserem Geist die

Neigung, beim Auftreten des Ereignisses der einen Art auch das Auftreten des Ereignisses der

zweiten Art anzunehmen

o psychologischer Zwangsmechanismus

o durch Introspektion können wir das wahrnehmen

- wir machen einen wichtigen (aber falschen) Schritt, indem wir das subjektive Gefühl einer

Nötigung im Ablauf unserer Gedanken auf die Objekte unseres Denkens übertragen und

glauben, dass die Ursache draußen in der Welt die Wirkung zu ihrer Existenz nötigen würde

- eine Verknüpfung im Denken halten wir für eine Verknüpfung in der Welt, und die

Verwirrung kommt dadurch, dass wir den Hergang der Sache nicht durchschauen, und darum

in den Objekten selbst die Ursache-Wirkung-Verbindungen suchen, diese dort aber gar

nicht zu finden ist (es gibt keine Kraft die dafür verantwortlich ist, dass es unter gewissen

Bedingungen immer dieselbe Wirkung gibt)

- wir müssen Ursache als etwas definieren, das nicht einem Ereignis vorausgeht, sondern es so

tun, dass das Ereignis in unserem Denken mit einem anderen Ereignis verbunden ist, dass die

Idee des einen Ereignisses den Geist so nötigt, dass er die Idee auch des anderen Bildes

hervorbringt

- das heißt nichts anderes als zu glauben, dass das zweite Ereignis auch eintreten wird, und zwar

dann, wenn das erste eintritt

Kausalbeziehung iSv gesetzesmäßigen Verknüpfungen existiert letztlich nur in unserem

Geist; es gibt sie in der Realität nicht; wir wissen nicht, ob das was Kausalbeziehung für unseren

Geist ist, auch in der Natur so ist

12.3 Humes Religionsphilosophie Hauptschriften:

- Kapitel über Wunder in der Untersuchung über den menschlichen Verstand

- Naturgeschichte der Religionen

- Dialoge über die Natürliche Religion

12.3.1 Wunderkritik

- er entzog den gefährlichen Freunden oder versteckten Feinden der Christen den Boden unter

den Füßen

- unsere allerheiligste Religion gründet sich auf den Glauben, nicht die Vernunft

- die christliche Religion wurde nicht nur am Anfang von Wundern begleitet, sie kann auch

heute von keinem ohne Wunder begriffen werden

- die reine Vernunft reicht nicht

- Interpretationsmöglichkeiten:

o Kritik an der Vernünftigkeit religiösen Glaubens

o aber auch als Verteidiger der geoffenbarten Religion

religiöser Glaube lässt sich nicht auf das Fürwahrhalten von Sätzen reduzieren

Glauben ist nicht nur das verstandesmäßige Verstehen

teilweise als Verteidigung des Vertrauens auf die Offenbarung zu lesen

- Unterscheidung von Vernünftigkeit iwS und Rationalität ieS

o Vernünftigkeit religiösen Glaubens ist möglicherweise mehr als der rein theoretischen

Rationalität, mit der wir quasiwissenschaftliche Theorien bilden

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- seine Überlegungen haben zwei Teile:

o erster Teil: formales Argument gegen die Glaubwürdigkeit von Wundern im

allgemeinen

er nimmt an, dass es Wunderberichte geben kann, deren Beleggewicht so groß

ist wie das der besten empirischen Belege

o zweiter Teil: empirisch-historisches Zeigen, dass Wunderberichte de facto

keineswegs über alle Zweifel erhaben sind, also nicht so glaubwürdig sind wie sie

angenommen wurden

das förmliche Argument, dass Wunder im allgemeinen nicht unbedingt

glaubwürdig sind, will er hiermit nachweisen

- Argument gegen Glaubwürdigkeit:

o unter einem Wunder versteht Hume ein Ereignis, dessen Vorkommen eine

Verletzung oder Überschreitung der Naturgesetze erfordert, und zwar genauer

genommen eine Verletzung, die durch eine Intervention göttlichen Willens oder eines

unsichtbaren Akteurs erfolgt

o dieser Wunderbegriff darf nicht mit etwas Seltenem oder Ungewöhnlichem

verwechselt werden, das vielleicht verwunderlich ist

verwunderliche Ereignisse können stattfinden, müssen aber nicht die

Naturgesetze überschreiten

o es kann umgekehrt aber auch ein ganz alltägliches Ereignis ein Wunder sein, wenn

es unter Umständen stattfindet, die eine Verletzung der Naturgesetze darstellt (zB

eine Feder fliegt nach oben, wenn die Radbedingungen das nicht erklären können, sie

sich also ohne Thermik in die Lüfte erhöbe)

o Wunder also als Durchbrechung von Naturgesetzen durch die Intervention eines

göttlichen Akteurs

o Wunder sind nicht unglaubwürdig weil sie unmöglich sind oder eine Verletzung der

Naturgesetzen wäre, sondern wenn es Wunder gäbe, können solche nie als solche

anerkannt werden (rationalerweise)

o kämen Wunder vor, wären sie tatsächlich vorkommende Ereignisse, aber das hängt

mit der Erfahrung zusammen die wir gemacht haben

was sich vor unseren Sinnen abspielt scheint uns in dem Maße glaubwürdig,

indem es zum Muster unserer üblichen Erfahrungen passt

o demgemäß ergeben sich verschiedene Grade an Glaubwürdigkeit und

Überzeugtsein einer Sache (man soll den Grad seiner Überzeugung anpassen an die

Gründe [Evidenzen] die man für die Wahrheit der entsprechenden Sache hat)

die Frage ist nun, wie weise es wäre, Wunderberichten zu glauben, die unserer

Alltagserfahrung widersprechen

der weise Mann wird sich auch auf das Zeugnis anderer verlassen

bei Wunder ist das wichtig, da wir zB biblische Berichte nur aus den

Zeugnissen anderer erkennen, die noch nicht einmal in einer direkten

Verbindung zu uns stehen

in diesem Falle hätte ein Wunderbericht die Kraft eines echten Beweises

die Überzeugungskraft eines solchen Zeugnisses kann beeinträchtigt werden:

die Überzeugungskraft ist umso schwächer, desto

erstaunlicher/ungewöhnlicher das ist, was das Zeugnis uns berichtet (

proportional zum Berichteten)

o unsere Überzeugung von Naturgesetzen schließt ein, was wir für möglich halten und

was nicht

o ein Wunder ist somit nicht ein Ereignis, das wir für unmöglich halten, aber nicht das

macht den aufrichtigen Wunderbericht unglaubwürdig

o was Wunderberichte um ihre Glaubwürdigkeit bringt ist deren Einmaligkeit

Wunder sind Singulärereignisse

im Lichte unserer gewöhnlichen Erfahrungen haben wir keinen Grund, an das

Einmalige zu glauben

würde das Wunder hingegen seine Einmaligkeit verlieren und wiederholt

vorkommen, gewönne es an Glaubwürdigkeit, wäre jedoch kein Wunder mehr

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o daraus schließt Hume, dass kein Zeugnis hinreicht, ein Wunder als ein solches zu

deklarieren, außer wenn die Falschheit des Wunderberichtes ein größeres Wunder

sei, als der Wunderbericht zu berichten versucht

- es scheint, als versuche Hume überhöhte oder falsche Vernunftsansprüche aus dem Raum

herauszutreiben

- er will hier argumentieren, dass Wunderberichte vielleicht in anderer Weise gedeutet werden

sollen als reiner erkenntnistheoretischer klarer Gründe dafür, den christlichen Glauben iSv

theoretischer Rationalität auf derartige „Beweise“ zu gründen

- er versuchte falsche Arten von Beweisansprüchen zu zerstören, um Platz dafür zu bekommen,

den Glauben iSv „faith“ zu begründen, und eben nicht auf die reine theoretische Vernunft zu

gründen

12.3.2 Naturgeschichte der Religion

- Tradition der Projektionstheorie der Religion

- Hume versucht zu zeigen, wie religiöse Theorien aus dem Psychischen des Menschen

entstehen

- zB Befürchtungen, Hoffnungen, Schrecken der Natur, Unsicherheiten, Neigung der Menschen

zur Übersteigerung solcher Ängste, Neigung zur Personifikation von solchen Unsicherheiten

- ein entscheidendes Argument womit sich die Projektionstheorien auseinandersetzen müssen:

o stimmt das alles so, wie diese das schreiben? reine Hypothesen!

o Kritik an solchen Theorien ist jene, dass eigentlich ein genetischer Fehlschluss besteht

selbst wenn diese Spekulationen über die naturgeschichtliche Genese

religionsgeschichtlicher Vorstellungen wahr wären, würde nichts über den

Wahrheitsgehalt dieser Thesen folgen (genetischer Fehlschluss über die

Gültigkeit)

Genesis vs. Geltung (Genesis einer Theorie ist zu unterscheiden von ihrer

Geltung)

13 englischer Empirismus

13.1 zur Philosophie der Neuzeit generell

clare et distincte

Descartes

kontinentaler Rationalismus

Erkenntnis von letzten

Prinzipien

englischer Empirismus

Evidenz der sinnlichen

Erkenntnis

Spinoza Hobbs (1588-1672)

Leibnitz Locke (1632-1709)

Beckley (1685-1753)

Hume (1711-1776)

- große Wende in der Philosophie der Neuzeit mit Descartes These, dass man als

Ausgangspunkt jeder (philosophischen) Überlegung das nehmen soll, was einem klar

einsichtig ist (clare et distincte)

o das wird in verschiedener Weise beherzigt

o bei Descartes ist es das Denkende ich, das sich seiner Selbst bewusst ist

o im Rationalismus (Spinoza und Leibnitz)

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beide verstehen dieses clare et distincte iSe rationalistischen Konzepts, dh so,

dass man von einem zureichenden Grund (Prinzipien) ausgehen soll, der

einem unmittelbar zugänglich ist, so wie man in der Logik von zureichenden

Gründen ausgeht um zu Schlussfolgerungen zu kommen

analog dazu wird davon ausgegangen, dass die Welt auch so strukturiert ist:

Gott als zureichender Grund für die Wirklichkeit

o dieser Weg findet mit Kant einen Abschluss (Vernichter der rationalistischen Idee;

der Idee, dass es eine Korrespondenz zwischen unserem schlussfolgerndem Denken

und der Wirklichkeit gibt)

- ausgehend von Descartes gibt es eine zweite Tradition, den englischen Empirismus (zB

Hume)

o er geht ebenso von der Idee des clare et disctincte aus, von dem, was uns klar und

unmittelbar evident ist

o für die englischen ist es nicht so sehr ein hinreichender Grund, für sie ist der

Ausgangspunkt die Erfahrung, was mir sinnlich gegeben ist

o sie gehen davon aus, was uns sinnlich gegeben ist, ist der Ausgangspunkt für alles

weitere

o die Tradition des englischen Empirismus ist wesentlich für Kant und für die

kontinentale Philosophie o im anglikanischen Raum ist dies bis heute die gültige Position und ist sicher eine

der „Mainstream-Richtungen“, va weil sie für die Naturwissenschaften ein attraktives

Modell ist (man soll ausgehen von dem, was uns zunächst empirisch gegeben ist)

13.2 Hobbes (1588-1672) - die Sinneseindrücke sind nicht nur grundlegend für Erkenntnis, sondern auch für soziale und

ethische Überlegungen - die Grundprinzipien der sozialen Überlegungen sind die beiden Komponenten Lust und

Unlust o der Mensch will natürlich möglichst viel angenehme Empfindungen; das natürliche

Streben des Menschen ist eine endlose Gier nach angenehmen Zuständen

o er wird charakterisiert als ziemlich egoistisch (der Mensch will nur für sich das

Optimale herausholen, er ist versessen auf den maximalen Lustgewinn – auch im

Bezug auf materielle Güter)

- die zweite wesentliche Eigenschaft des Menschen ist Rationalität (der Mensch ist also nicht

nur getrieben durch Gier und Macht, sondern der Mensch ist – im Unterschied zu den Tieren

– zusätzlich noch rational)

- diese beiden Komponenten, Streben und Rationalität, sind für Hobbes Grundlagen für

komplexe gesellschaftliche Strukturen

- die Rationalität führt dazu, dass der Mensch die Folgen seines Handelns und auch sein

Schicksal voraus denken kann und sich vorstellen kann, wie es wäre wenn

o aufgrund seiner Fähigkeit zur Rationalität kommt der Mensch zur Einsicht, dass sein

Streben nach maximalem Gewinn bedroht ist, und zwar von den anderen Menschen,

denn der Andere ist jemand, der dasselbe Streben hat wie er selbst, somit ist der

Andere die maximale Gefahr (im Naturzustand würde jeder den anderen beseitigen)

o wir tun das nicht, weil wir vernünftig sind

o wir sehen ein, dass dieser Naturzustand für uns selbst nicht optimal ist, wenn wir

unsere eigenen Ziele (maximaler Gewinn) erreichen wollen, denn in diesem Zustand

ist unser Streben permanent vom Streben des Anderen bedroht

o daraus resultiert die Angst vor dem Anderen, das Unsicherheitsgefühl, man könnte

jederzeit Opfer werden

- aufgrund dieses Zustandes beschließen die Menschen, einen Vertrag miteinander zu

schließen, einen sogenannten Gesellschaftsvertrag (Menschen sind von Haus aus egoistisch,

die sich aus pragmatischen Gründen zusammenschließen)

o die Menschen schließen sich zusammen und delegieren diese Macht, die sie hätten, an

ein Souverän ( der Staat)

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Geschichte der Philosophie

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o Hobbes nennt dieses Gebilde Leviathan (das ist das „Monster“ des souveränen

Staates, der von den Individuen aus pragmatischen Gründen gewollt wird), und an der

Spitze dieses Staates steht der Souverän (= der absolutistische Herrscher)

o Hobbes fordert auch einen bedingungslosen Gehorsam dem Souverän gegenüber,

der Souverän hat aber auf das Wohl der Menschen zu achten

o sämtliche komplexeren Errungenschaften einer Gesellschaft (wie zB Religion, Ethik,

…) dienen zu nichts anderem, als zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen

Ordnung ( somit Befürwortung der Staatsreligion, denn religiöser Pluralismus

würde den Souverän ins Wanken bringen und zu einer Bedrohungssituation führen

[Hintergrund wohl auch die englischen Religionskriege])

o das Hobbs’sche Gesellschaftsmodell ist, in abgewandelter Form, das heute

gängigste Modell zur Begründung einer Gesellschaft

heute in der Gesellschaftstheorie von John Rawls: die Menschen verfolgen

ihre Eigeninteressen und entschließen sich einen Vertrag zu schließen

hier mündet der Vertrag allerdings in den demokratischen Staat und

nicht in die absolutistische Herrschaft

13.3 John Locke - ebenso wie Hobbes und Descartes stellt sich Locke die Frage, wie Erkenntnis zustande

kommt und was der Grund für sichere Erkenntnis ist

- in der Tradition des englischen Empirismus ist es klar, dass der Ausgangspunkt sicherer

Erkenntnis für Locke die Sinneserkenntnis ist

o es sind die Sinneseindrücke, die uns clare et distincte zugänglich sind

o während bei Hume als „impressions“ bezeichnet, nennt Locke sie als „ideas“ (in der

Tradition von Descartes)

o „idea“ meint bei Locke aber nicht „Idee“, sondern zunächst nichts anderes als

Bewusstseinsinhalt o diese einfachsten Sinneseindrücke sind „ideas“ (zB unser Gefühl der Wärme, unsere

Farbeindrücke, unser Tastempfinden, …)

o wir müssen ausgehen von den einfachen Ideen

simple ideas: jene Ideen, die uns unmittelbar gegeben sind, die eben auf

empirischer Evidenz beruhen

- Unterscheidung (Zweiteilung) von primären und sekundären Sinneseindrücke bei den

simple ideas

o primär Qualitäten: Eigenschaften, die uns als simple ideas von den Gegenständen

gegeben sind, zB Ausdehnung, Gestalt, Undurchdringlichkeit, Bewegung, Ruhe und

Zahl; das lässt uns diese realen Eigenschaften der Dinge erkennen

o sekundäre Qualitäten: beruhen auf weitergehenden (Verarbeitungs-) Prozessen der

ersten Eindrücke, also die subjektiven Empfindungen, die die primären Qualitäten in

uns erzeugen, zB Farbe, Ton, Geschmack, Geruch und Wärme

o diese Unterscheidung ist etwas willkürlich: die primären (objektiven) Qualitäten

sind jene, die man wissenschaftlich erfassen kann, die man quantifizieren kann, die

sekundären (subjektiven) Qualitäten fallen eher in den Bereich unseres

Empfindens, worüber man streiten kann

o diese Unterscheidung findet man bis in die moderne Wissenschaftstheorie

o auch Kant übernimmt diese Zweiteilung, auch für ihn scheint es intuitiv plausibel zu

sein, dass man sich für objektive Erkenntnisse nur auf die primären Erkenntnisse

stützten kann

Goethe wendet sich zB in seiner Farbenlehre gegen diese Entscheidung

(warum soll man nicht, genauso wie man einen Ausdehnungsraum konzipiert,

einen Farbraum konzipieren)

- der Ausgangspunkt der Erkenntnis sind eben diese simple ideas, und alles weitere, was wir

für die Erkennung der Wirklichkeit verwenden, muss auf diesen simple ideas aufbauen

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o wir dürfen in den Wissenschaften, der Philosophie, der Metaphysik keine Begriffe

verwenden, deren Bedeutung sich nicht in irgend einer Form auf diese simple ideas

zurückführbar sind

13.3.1 Konsequenzen des Denkens von Locke

13.3.1.1 Neubestimmung des Begriffes der Person

- Locke auch maßgebend im Bereich der Anthropologie durch Neubestimmung des

Personenbegriffs

- in der traditionellen Philosophie schien es unproblematisch sein, menschliche Personen als

Substanzen zu konzipieren (zB Definition des Poetius: persona est rationalis naturae

individua substantia)

o dh, die Person ist eine individuelle Substanz die vernunftbegabt ist

o bei Locke bleibt nur das „rationalis naturae“ übrig

- Locke problematisiert den Zusammenhang von Substanz und Person

o für ihn ist es nicht selbstverständlich oder einsichtig, dass eine Person eine

Substanz sein soll

o liegt daran, dass die Idee der Substanz (wie alle anderen Ideen) keine simple idea

ist, sondern eine complex idea (wir treffen in dem unmittelbar Gegebenen keine

Substanzen an)

o den Begriff der Substanz bilden wir daraus, dass gewisse Eigenschaften in

beharrlicher Verbindung auftauchen (die Eigenschaft einer gewissen Größe mit der

Eigenschaft einer gewissen Gestalt mit der Eigenschaft einer bestimmten Zahl)

wenn diese Eigenschaften immer in beharrlicher Verbindung auftreten bilden

wir den Begriff Substanz (zB dieser Tisch hat immer dieselbe Gestalt,

dieselbe Ausdehnung, diese Eigenschaften treten immer in derselben

Verbindung auf also ist es eine Substanz)

o wo dies nicht der Fall ist, können wir „Substanz“ nicht verwenden

in Bezug auf den Menschen ist es nach Locke absurd, den Begriff „Substanz

zu verwenden“

ein Molekül ist eine Substanz, solange es in derselben Struktur, Ausdehnung

und Konfiguration bestehen bleibt

vor diesem Hintergrund ist es sinnlos, vom Menschen als Substanz zu reden

was Locke anpeilt, ist die Redeweise von der Identität von Substanzen und die

Identität von Menschen zu trennen

- Identität von Substanzen macht aus, dass bestimmte Eigenschaften in beharrlicher

Verbindung immer wieder beharrlich auftreten

- die Identität des Menschen macht aus:

o den Menschen sieht Lock als Organismus, und die Identität des menschlichen

Organismus ist bestimmt durch das Lebensprinzip

o es ist dasselbe Leben, das diesem Organismus zukommt, das seine Identität ausmacht

o die Identität von menschlichen Organismen (wie auch die von allen anderen

biologischen Organismen) ist nicht mehr durch die Identität er Substanz gewährleistet,

sondern dadurch, dass es ein Lebensprinzip gibt, das dasselbe bleibt aber dafür sorgt,

dass sich die Partikel permanent austauschen (Veränderungen des Stoffwechsels)

o wir können nach Locke ohne weiteres die Identität des Menschen von der Zeugung

(Befruchtung) bis zum Tod behaupten, weil er „the same continued life“ hat

- der Begriff der Person ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff des Menschen

o der Begriff der Person ist auch eine „complex idea“, die wesentlich zu tun hat mit

bestimmten Verstandesoperationen, mit bestimmten kognitiven Fähigkeiten

o wir leiten den Begriff Person ab von etwas das uns unmittelbar gegeben ist, von

unserem Selbstbewusstsein unseres Denkens; so kommen wir von den einfachen

Ideen des Denkens, Wollens, Verstehens, Wissen zum gebündelten Begriff „Person“

o wenn das so ist, wenn der Personbegriff auf diese simple ideas zurückzuführen ist,

dann ergeben sich andere Identitätsbestimmungen:

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die Person beginnt also erst, wenn der Mensch beginnt zu denken, und sie

endet dann, wenn der Mensch aufhört zu denken

für Locke ist die Fähigkeit des reflexiven Selbstzuganges wesentlich

Kinder „wissen“ nicht, dass sie wollen, sie wollen nur

das ist der Punkt: es fehlt das reflexive Bewusstsein, wofür die

Erinnerungsfähigkeit wesentlich ist

unser Personsein beginnt an dem Zeitpunkt, an den wir uns zurückerinnern

- insofern wichtig, als er den neuzeitlichen Begriff begründet

- er löst den Personbegriff vom Substanzbegriff

o die komplexe Idee der Substanz ergibt sich aus der beharrlichen Verbindung

derselben Eigenschaften

- Organismen bestimmen sich in ihrer Identität durch denselben Stoffwechsel (= durch

dasselbe Leben)

- der Begriff der Person ist für Locke so bestimmt: intelligentes Wesen, das Vernunft und

Reflexion besitzt und sich selbst als sich selbst begreifen kann ( Selbstbewusstsein als

notwendige Bedingung von Personsein)

o insofern Deckung mit dem klassischen Begriff, da Person als vernunftbegabt

definiert wurde

o Begriff „Substanz“ fällt weg

o eine Person hat ein Selbst, das sein Personsein konstituiert

o die Identität von Person fällt nicht zusammen mit der Identität der Organismen,

die Personsein konstituieren

o meine personale Identität wird durch Selbstbewusstsein konstituiert, ich bin soweit

mit mir identisch, als ich zu mir einen selbstbewussten Bezug herstellen kann

das geht im Augenblick, aber auch rückwirkend für die Vergangenheit (soweit

ich mich erinnern kann)

im Schlaf zB sind wir zwar Menschen, aber nicht Personen, da wir uns

unserer selbst nicht bewusst sind

Personen unterbrechen dies, da sie sich an das zurückerinnern können, was

vor der Bewusstseinsunterbrechung war

14 Immanuel Kant (1724-1804) - die Philosophie Kant’s schließt sich in gewisser Weise an Hume an, bzw. Kant möchte

Probleme lösen, die sich von Hume her ergeben

- Kant versteht sich als jemand, der die beiden Fäden wieder zusammenbringt

- Kant kommt aus der Schule des Rationalismus (Schulrationalismus von Wolf) und fühlt sich

zunächst auch dieser Schule verpflichtet (jene Schule die davon ausgeht, dass die Wirklichkeit

eine analoge/isomorphe Struktur hat zu den Verhältnissen von Grund und Folge die wir durch

Überlegungen in uns sehen)

14.1 sein Leben - geboren in Königsberg, bodenständige Familie, war sehr begabt, wurde früh in das

Friederizianum geschickt (entspricht humanistischen Gymnasium), geprägt durch die

vorherrschende religiöse Tradition des Pietismus (konservative protestantische

Frömmigkeitsausrichtung)

- er entwickelte strenge Abneigung gegen strenge Religiosität

- er lehnt religiöse Themen ab, auch die überkommene Metaphysik, die klassische Philosophie

- er wendet sich eher dem Studium der exakten Wissenschaften zu (Mathematik, Physik,

Philosophie)

- Newton beeindruckt ihn sehr

- erste Veröffentlichungen Kants sind vorwiegend naturwissenschaftliche

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o 1747 „Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“ (Theorie zur

Erklärung von Erdbeben, schließt aber jede religiöse Erklärung aus; Theorie, in denen

er Erdbeben mit unterirdischen Kräften [mechanischen Gesetzen] erklärt)

- wird 1755-1770 Privatdozent im Raum Königsberg und Umgebung

o unterrichtet Philosophie (Rationalismus) auch Physik und Geologie

- er ist der Meinung, Erfahrung durch Reisen kann einem nicht neue Erfahrung vermitteln

- die Frage die ihn beschäftigt: wie kommt es, dass die Naturwissenschaften so erfolgreich

arbeiten und sichere Erkenntnisse gewissen, und dass Metaphysik und Philosophie das nicht

erreicht

o er will es durch eine wissenschaftliche Metaphysik ersetzten

o Vorbild ist die positive Wissenschaft (va Mathematik und Physik)

- wichtige Daten:

o 1770: Kant wird o. Prof. für Logik und Metaphysik an der Universität Königsberg

o in seiner Antrittsvorlesung gibt es einen Schritt von der rationalistischen These zu

einer kritischen Überlegung derer

o durch Hume wird er aus seinem „dogmatischen Schlummer“ geweckt

o Hume zeigt ihm, dass uns die sinnliche Erkenntnis nicht ein Bild der Wirklichkeit

liefert so wie sie an sich ist

o die Sinneserkenntnis liefert uns eine Erscheinung der Wirklichkeit

o gleichzeitig: die Wirklichkeit könnte doch eine rationale Struktur haben

o was ihn bei Hume beunruhigt ist das Hume’sche Konzept von Kausalität

zentral ist das zeitliche Aufeinanderfolgen derselben Ereignistypen

über den psychologischen Effekt der Gewöhnung bilden wir uns ein, dass

dieses Ereignis dann die Ursache ist

e1→e2; wenn das immer so ist, glauben wir e1 sei die Ursache für e2

durch dies entsteht Korrelationen

es kommt eine starke Gesetzmäßigkeit abhanden, weil Hume keinen Begriff

der Ursache mehr hat

ich kann nicht aus e1 e2 herleiten, in dem Sinne, das e1 die causa

deficiens wäre die auf e2 wirkt

man kann nicht zwischen Kausalität und Korrelation unterscheiden

wenn das so ist, wenn ein Grundprinzip der Wissenschaft (die Kausalität) so

unterspült wird, dann fällt damit auch die ganze Gewissheit der positiven

Wissenschaften (ist eine Bedrohung für die Physik)

- einerseits Faszination für den englischen Empirismus, andererseits Unbehagen

o diese Problematik, die zusammen mit der Problematik der Metaphysik einhergeht,

bringt ihn zu einem völlig neuen Konzept einer Metaphysik, die beides schafft

zum einen eine solide Begründung naturwissenschaftlicher Erkenntnis, die die

Schwierigkeit von Hume vermeidet (Art gute Wissenschaftstheorie)

gleichzeitig eine Neubegründung der Metaphysik als einer wissenschaftlichen

Philosophie

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- 54 -

14.2 Kritik der reinen Vernunft - 1781 mit A gekennzeichnet, 1787 mit B gekennzeichnet

- das Deutsch Kant’s ist sehr komplex, was daran liegt, dass er sicher intern vieles aus dem

Lateinischen ins Deutsche übersetzt hat

Vorrede

Einleitung

transzendentale Elementarlehre transzendentale

Methodenlehre

transzendente

Ästhetik

transzendente

Logik

transzendente

Analytik

transzendente

Dialektik

- Kategorien

- Schemata

- Grundsätze

- Paralogismen

- Antinomien

- regulative Ideen

- Disziplin

- Architektonik

- Geschichte

14.2.1 Vorrede zur zweiten Auflage – Kritik der reinen Vernunft

- man sieht seine Motivation

- er reagiert auch auf Rückmeldungen der Leserschaft

- in den Prolegomena schreibt Kant, dass er versteht, dass viele die Kritik der reinen Vernunft

nicht verstehen

- aus diesem Grund hat er die Prolegomena geschrieben

- wenn jetzt jemand die Prolegomena wieder nicht versteht, dann ist es so, dass es auch viele

andere schöne Berufe gibt, die man ergreifen kann

(B VII) „Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören, den sicheren

Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das lässt sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie

nach viel gemachten Anstalten und Zurüsten, sobald es zum Zweck kommt, in Stecken gerät, oder, um

diesen zu erreichen, öfters wieder zurückgehen und einen andern Weg einschlagen muss; imgleichen

wenn es nicht möglich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht

erfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer überzeugt sein, dass ein solches Studium

bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein bloßes

Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg womöglich ausfindig zu

machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden müssen, was in dem ohne Überlegung

vorher genommenen Zwecke enthalten war.“

- betätigt man sich mit der Vernunft wissenschaftlich?

o das hängt vom Resultat ab, das sieht man, es lässt sich nach dem Erfolg beurteilen

- wenn die Fachleute zum stocken kommen und einen anderen Weg einschlagen und immer

wieder von vorn beginnen, dann kann es keine richtige Wissenschaft sein

- Wissenschaft bedeutet ein stetiger Erkenntnisgewinn

- immer wieder Neuanfang ist kein Zeichen für eine wissenschaftliche Erkenntnis

- was Kant hier schreibt trifft zu seiner Zeit auch auf die zB Biologie zu, die damals noch nicht

entwickelt war

- also der Fortschritt muss gegeben sein

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Geschichte der Philosophie

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- ein weiterer Grund: es geht um den Konsens der Fachleute in einem Gebiet (als Zeichen für

Wissenschaft; gibt es Schulstreitigkeiten, kann man nicht von einer sicheren Wissenschaft

ausgehen)

14.2.1.1 Logik

(B VIII) „Dass die Logik diesen sicheren Gang schon von den ältesten Zeiten her gegangen sei, lässt

sich daraus ersehen, dass sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, […]“

- die Logik befindet sich in diesem Zustand einer sicheren Wissenschaft, denn wir arbeiten

bis heute mit der Logik des Aristoteles (zB Syllogismus, Prädikatenlogik [neuer, aber auch

aristotelische Formalisierungen], …)

- dh, sie ist Vernunfterkenntnis iSe sicheren Wissenschaft, sie liefert sichere Erkenntnisse im

Bereich der Vernunft

o Vernunft hat für Kant etwas mit apriorischer Gewissheit zu tun

o Vernunft hat auch wesentlich etwas mit Schlussfolgern zu tun

o und die Logik liefert solche apriorische Erkenntnisse

(B IX) „[…] Dass es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie bloß ihrer Eingeschränktheit

zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem

Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sie selbst und

seiner Form, zu tun hat. Weit schwerer musste es natürlicherweise für die Vernunft sein, den sicheren

Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht bloß mit sich selbst, sondern auch mit Objekten

zu schaffen hat; […]“

- Logik liefert Begriffswahrheiten, erzeugt analytische Erkenntnisse

- analytische Wahrheit:

o das sind Sätze, deren Wahrheit sich aus den Begriffen ergibt, aus dem, was bereits in

den Begriffen enthalten sind

o zB Sätze wie „Der Kreis ist rund.“ das Rundsein des Kreises ist in den Begriffen

des Kreises bereits enthalten; das Rundsein fügt dem Begriff also nichts Wesentliches

hinzu

- logisch wahre Sätze sind Wahrheiten, die immer wahr sind, unabhängig davon, was man

auch immer einsetzt, zB p v ¬p (Es regnet, oder es regnet nicht)

„[…] Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so muss darin etwas a priori erkannt werden. […]“

14.2.1.2 Mathematik

- Mathematik und Physik sind Vernunfterkenntnisse, die ihre Objekte a priori bestimmen

sollen

- apriorische Gewissheit ist etwas Unabhängiges von der empirischen Gewissheit, ich weiß

etwas, bevor ich zur empirischen Gewissheit komme

- die Mathematik ist ganz reine Erkenntnis:

o muss sich nicht mit empirisch Gegebenem befassen

o die Mathematik liefert Erkenntnisse über zB Objekte unabhängig davon, ob mir

diese Objekte empirisch gegeben sind

o Mathematik ist immer schon den sicheren Weg einer Wissenschaft gegangen

- die Physik ist nicht ganz rein:

o weil sie sich mit empirischen Fakten beschäftigen muss

o sie braucht andere Erkenntnisquellen als die Vernunft: sie braucht die Sinne

(B XI) „[…] vielmehr glaube ich, dass es lange mit ihr (vornehmlich noch unter den Ägyptern) beim

Herumtappen geblieben ist, und diese Umänderung einer Revolution zuzuschreiben sei, die der

glückliche Einfall eines einzigen Mannes in einem Versuche zustande brachte, von welchem an die

Bahn, die man nehmen musste, nicht mehr zu verfehlen war, und der sichere Gang einer Wissenschaft

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für alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagen und vorgezeichnet war. […] Dem ersten, der

den gleichseitigen Triangel demonstrierte (er mag nun Thales oder wie man will geheißen haben),

dem ging ein Licht auf; denn er fand, dass (B XII) er nicht dem, was er in der Figur sah, oder auch

dem bloßen Begriffe derselben nachspüren und gleichsam davon ihre Eigenschaften ablernen, sondern

durch das, was er nach Begriffen selbst a priori hineindachte und darstellte (durch Konstruktion),

hervorbringen müsse, und dass er, um sicher etwas a priori zu wissen, er der Sache nichts beilegen

müsse, als was aus dem notwenig folgte, was er seinem Begriffe gemäß selbst in sie gelegt hat.“

- man kann die Erkenntnis nicht den Gegenständen nach ausrichtet, sondern man richtet die

Gegenstände der Erkenntnis nach aus

o man geht nicht empirisch vor, sondern man konstruiert a priori

o die Wissenschaft der Geometrie besteht darin, dass sie a priori zu sicherer Erkenntnis

kommen kann; ich kann ein Dreieck konstruieren ohne auf reale Figuren

zurückzugreifen

- ich kann also etwas a priori wissen ohne das Objekt zu haben, also eine apriorische

Erkenntnis über mögliche Objekte

o die Winkelsumme ergibt sich nicht aus dem Begriff des Dreiecks

o trotzdem brauche ich eigentlich auch das Dreieck nicht (empirisch) dazu, sondern ich

kann es a priori konstruieren

o das ist der Beginn von so etwas wie synthetischen Wahreiten/synthetisch wahren

Sätzen a priori

o synthetische Sätze sind Erweiterungsurteile, ich gehe über das hinaus, was im

Begriff enthalten ist, zB „Es regnet jetzt“, was sich nicht aus dem Begriff des Regens

heraus ergibt

sind idR empirische Erkenntnisse

- im Kern dieser Wissenschaft sind synthetische Sätze a priori, dh es sind Wahrheiten, die

über das was im Begriff enthalten ist hinausgehen, die aber wahr sind, unabhängig von

dem, was empirisch gegeben ist

o zB eben „Die Winkelsumme ist 180°.“, „2 und 2 ist 4.“

- Kants Grundfrage: Wie sind synthetische Sätze a priori möglich?

o wenn die Metaphysik eine sichere Wissenschaft werden soll, muss sie synthetische

Sätze a priori verwenden, also was sind die Bedingungen von synthetischen Sätzen a

priori?

14.2.1.3 Naturwissenschaft (Physik)

„Mit der Naturwissenschaft ging es weit langsamer zu, bis sie den Heeresweg der Wissenschaft traf,

[…]. Als Galilei seine Kugeln die schiefe Fläche mit einer von ihm selbst gewählten Schwere

herabrollen, oder Torricelli die Luft ein Gewicht, was er sich zum voraus dem einer ihm bekannten

Wassersäule gleich gedacht hatte, tragen ließ, oder in noch späterer zeit Stahl Metalle in Kalk und

diesen wiederum (B XIII) in Metall verwandelte, indem ihnen etwas entzog und wiedergab; so ging

allen Naturforschern ein Licht auf. Sie begriffen, dass die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst

nach ihrem Entwurfe hervorbringt, dass sie mit Prinzipien ihrer Urteile nach beständigen Gesetzen

vorangehen und die Natur nötigen müsse auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein

gleichsam am Leitbande gängeln lassen müsse; denn sonst hängen zufällige, nach keinem vorher

entworfenen Plane gemachte Beobachtungen gar nicht in einem notwenigen Gesetze zusammen,

welches doch die Vernunft sucht und bedarf.“

- mit ihr hat es länger gedauert, bis sie den hehren Weg einer Wissenschaft traf

- dieses Licht, das den Naturforschen aufgegangen ist besteht darin, dass man nicht als

Beobachter an die Natur herangeht und etwas feststellt, sondern darin, dass man an die Natur

als Schüler heran

- man hat genaue Vorstellungen von dem, was man herausfinden will, und das Licht das den

Wissenschaftlern aufgeht ist das Experiment

- ein Experiment besteht daraus, dass man a priori Bedingungen benennt, die in der Natur so

nicht gegeben sind es werden künstliche Bedingungen hergestellt

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- dh es sind apriorische Erkenntnisse möglich, weil nichts der Natur überlassen wird

- die Vernunft kann nur erkennen, was sie selbst hervorbringt

- die Sicherheit von Experimenten besteht darin, dass die Vernunft nach ihren eigenen

Gesetzen arbeitet

- man muss die Natur nötigen auf ganz klar gestellte Fragen zu antworten und nicht zu

warten was passiert

14.2.1.4 Metaphysik

„Der Metaphysik, einer ganz isolierten spekulativen Vernunfterkenntnis, die sich gänzlich über

Erfahrungsbelehrung erhebt, […] ist das Schicksal bisher noch so günstig nicht gewesen, dass sie den

sicheren Gang einer Wissenschaft einzuschlagen vermocht hätte; […] In ihr muss man unzählige Mal

den Weg zurück tun, weil man findet, dass er dahin nicht führt, wo man hin will, und was die

Einhelligkeit ihrer Anhänger in Behauptungen (B XV) betrifft, so ist sie noch so weit davon entfernt,

dass sie vielmehr ein Kampfplatz ist, der ganz eigentlich dazu bestimmt zu sein scheint, seine Kräfte

im Spielgefechte zu üben, auf dem noch niemals irgend ein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat

erkämpfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitz gründen können. Es ist also kein Zweifel, dass

ihr Verfahren bisher ein bloßes Herumtappen, und, was das Schlimmste ist, unter bloßen Begriffen,

gewesen sei. Woran liegt es nun, dass hier noch kein sicherer Weg der Wissenschaft hat gefunden

werden können? […]“

- beschäftigt sich eigentlich nur mit sich selbst und nicht mit Objekten

- hier ist etwas schief gegangen:

- Metaphysik hat Anspruch etwas sicheres zu sagen, kann diesen Anspruch aber nicht einlösen,

weil:

o sie möchte synthetische Erkenntnisse a priori liefern

o die Frage ist, wie synthetische Sätze a priori möglich sind

- es gibt keine Fortschritte in der Metaphysik

- auch bei der Einhelligkeit ist nichts da

14.2.1.5 die „kopernikanische Wende“

„Ich sollte meinen, die Beispiele der Mathematik und Naturwissenschaft, die durch eine auf einmal (B

XVI) zustande brachte Revolution das geworden sind, was sie jett sind, wäre merkwürdig genug, um

dem wesentlichen Stücke der Umänderung der Denkart, die ihnen so vorteilhaft geworden ist,

nachzusinnen, und ihnen, soviel ihre Analogie, als Vernunfterkenntnisse, mit der Metaphysik

verstattet, hierin wenigstens zum Versuche nachzuahmen. Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis

müsse sich nach den Gegenständen richten, aber alle Versuche über sie a priori etwas durch Begriffe

auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis ereitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte.

Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser

fortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis richte,

welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori

zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie und gegeben werden, etwas festsetzen soll.“

- ein Versuche nach Kopernikus sollte gemacht werden

- neue Hypothese: man versucht, das wesentliche Stück der Umänderung der Denkart von

Mathematik und Physik nachzuahmen

- bisher nahm man an, alle Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten, aber alle

Versuche über sie etwas a priori über Begriffe auszumachen gingen zunichte

- wir sollen uns nicht nach den Gegenständen richten, sondern die Gegenstände sollen sich

nach unserer Erkenntnis richten

„Es ist hiermit ebenso, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der

Erklärung der Himmelsbewegung nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe

sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich

drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann (B XVII) man nun, was die

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Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich

nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müsste, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von

ihr etwas wissen könne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der

Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl

vorstellen.“

- apriorische Erkenntnis ist unmöglich wenn man erwartet, Erkenntnis aus den Gegenständen

zu finden

- es geht darum zu erkennen, dass Objekte Konstrukte unseres Anschauungsvermögens sind,

also dass wir die Objekte nicht erkennen, sondern, dass sie sich nach uns richten

(Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens)

- transzendentale Ästhetik

o bevor wir etwas sinnlich wahrnehmen, haben wir bereits ein Raster, in dem wir alle

Wahrnehmungen vorgruppieren

o dieses Raster besteht in diesen Anschauungsvermögen

es gibt ein äußeres (der Raum) und ein inneres (die Zeit)

Anschauungsvermögen

Gegenstände richten sich nach unserem Anschauungsvermögen

wir bringen zwei Raster mit bevor wir uns der Wirklichkeit nähern, und zwar

Raum und Zeit

„Weil ich aber bei diesen Anschauungen, wenn sie Erkenntnisse werden sollen, nicht stehen bleiben

kann, sondern sie als Vorstellung auf irgend etwas als Gegenstand beziehen und diesen durch jene

bestimmen muss, so kann ich entweder annehmen, die Begriffe, wodurch ich diese Bestimmung

zustande bringe, richten sich auch nach dem Gegenstande, und dann bin ich wiederum in derselben

Verlegenheit, wegen der Art, wie ich a priori hiervon etwas wissen könne; oder ich nehme an, die

Gegenstände oder, welches einerlei ist, die Erfahrung, in welcher sie allein (als gegebene

Gegenstände) erkannt werden, richte sich nach diesen Begriffen, so sehe ich sofort eine leichtere

Auskunft, wie Erfahrung selbst eine Erkenntnisart ist, die Verstand erfordert, dessen Regel ich in mir,

noch ehe mir Gegenstände gegeben werden, mithin a priori voraussetzen muss, welche in Begriffen a

priori ausgedrückt wird, nach denen sich also alle Gegenstände der Erfahrung (BXV III) notwendig

richten und mit ihnen übereinstimmen müssen. Was Gegenstände betrifft, sofern sie bloß durch

Vernunft und zwar notwendig gedacht, die aber (so wenigstens, wie die Vernunft sie denkt) gar nicht

in der Erfahrung gegeben werden können, so werden die Versuche sie zu denken (denn denken müssen

sie sich doch lassen), hernach einen herrlichen Probierstein desjenigen abgeben, was wir als die

veränderte Methode der Denkungsart annehmen, dass wir nämlich von den Dingen nur das a priori

erkennen, was wir selbst in sie legen.“

- ich muss weitere Bestimmungen vornehmen, damit es wissenschaftliche Objekte werden

- ich muss Objekte bilden, und ich brauche dazu Begriffe zur Verknüpfung von Vorstellung,

und Raum und Zeit ist zu wenig

- woher kommen die Einheitsfunktionen?

o sie kommen aus mir

- transzendentale Analytik:

o wie werden die Vorstellungen, die in Raum und Zeit gegeben sind, zu Objekten

verknüpft o das geschieht durch Funktionen des Verstandes

o zB Kausalität: Begriff, der sich aus einer Urteilsfunktion des Verstandes ergibt.

Somit meint Kant, dass er Hume’s Problem lösen kann (Kausalität ist nur eine

gewohnheitsmäßige Ordnung von zeitlich aufeinanderfolgenden Ausdrücken)

diese kausale Struktur ist eine apriorische Struktur in uns, und insofern ist sie

objektiv, weil wir so gebaut sind, dass wir Vorstellungen kausal verbinden

objektive Gewissheit durch Aprioriziät von Erfahrung überhaupt

wissenschaftliche Erkenntnis ist objektiv nicht weil wir uns alle auf die

gleiche Wirklichkeit beziehen, sondern weil wir alle die Vorstellungen, die

wir von der Wirklichkeit erhalten, nach den gleichen Mustern ordnen

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Geschichte der Philosophie

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o die Regeln von Verknüpfung kann ich schon a priori ausdrücken

„Dieser Versuch gelingt nach Wunsch, und verspricht der Metaphysik in ihrem ersten Teile, da sie

sich nämlich mit Begriffen a priori beschäftigt, davon die korrespondierenden Gegenständen in der

Erfahrung jenen angemessen gegeben werden können, den sicheren Gang einer Wissenschaft. […]“

- es gelingt ihm, das zu bewerkstelligen

- allerdings hat dieser Ansatz einen groben Nachteil

o alles das, was bisher in der Metaphysik behandelt wurde, landet auf dem Schrottplatz

der Dialektik

- den zweiten Teil der Kritik nennt Kant „Transzendentale Dialektik“

o hier beschäftigt er sich mit den bisherigen Erkenntnissen der Metaphysik

o traditionelle Metaphysik wendet Vernunft an wo man sie nicht wissenschaftlich

anwenden kann, nämlich jenseits des Bereiches der Erfahrung

(B XIX) „[…] Aber es ergibt sich aus dieser Deduktion unseres Vermögens a priori zu erkennen, im

ersten Teile der Metaphysik ein befremdliches und dem ganzen Zwecke derselben, der den zweiten Teil

beschäftigt, dem Anscheine nach sehr nachteiliges Resultat, nämlich, dass wir mit ihm nie über die

Grenze mögliche Erfahrung hinauskommen können, welches doch gerade die wesentlichste

Angelegenheit dieser Wissenschaft ist. Aber hierin (B XX) liegt eben das Experiment einer

Gegenprobe der Wahrheit des Resultats jener ersten Würdigung unserer Vernunfterkenntnis a priori,

dass sie nämlich nur auf Erscheinungen gehe, die Sache an sich selbst dagegen zwar als für sich

wirklich, aber von uns unerkannt, liegen lasse.“

- er sieht etwas Positives:

o es zeigt uns, dass sich unsere Erkenntnis in den Bereich der möglichen Erfahrung

bewegt, dass aber im Bereich der sicheren Erkenntnis, wir es immer mit

Erscheinungen zu tun haben, wie ein Ding für uns ist (phänomenale Welt)

o die Wissenschaften beschäftigen sich nach Kant nur mit Erscheinungen, die objektive

Wirklichkeit ist also nur eine Erscheinung

o diese Konzeption ermöglicht es, eine zweite Welt zu konzipieren, eine Wirklichkeit

jenseits der Wirklichkeit, die von den Naturwissenschaften als objektiv erkannt

werden

o über die kann man zwar wissenschaftlich nichts sagen, sie ist aber der Grund, die

praktische Philosophie zu aktivieren

(B XXI) „Nun bleibt uns immer noch übrig, nachdem der spekulativen Vernunft alles Fortkommen in

diesem Felde des Übersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen, ob sich nicht in ihrer

praktischen Erkenntnis Data finden, jenen transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten zu

bestimmen, und auf solche Weise, dem Wunsche der Metaphysik gemäß, über die Grenze aller

möglichen Erfahrung hinaus mit unserem, aber nur in praktischer Absicht möglichen Erkenntnisse a

priori zu gelangen. Und bei einem solchen Verfahren …“

(B XXXV) „[…] Dass Raum und Zeit nur Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen

der Existenz der Dinge als Erschienungen sind, dass wir ferner keine Verstandesbegriffe, mithin auch

gar keine Elemente zur Erkenntnis der Dinge haben, als sofern (B XXVI) diesen Begriffen

korrespondierende Anschauung gegeben werden kann, folglich wir von keinem Gegenstande als Dinge

an sich selbst, nur sofern es Objekt der sinnlichen Anschauung ist, d.i. als Erscheinung, Erkenntnis

haben können, wird im analytischen Teile der Kritik bewiesen; woraus denn freilich die

Einschränkung aller nur möglichen spekulativen Erkenntnis der Vernunft auf bloße Gegenstände der

Erfahrung folgt.“

- somit wird die Grundlage der praktischen Vernunft denkmöglich

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(B XXVII) […] Nun wollen wir annehmen, die durch unsere Kritik notwenig gemachte

Unterscheidung der Dinge als Gegenstände der Erfahrung, von eben denselben, als Dingen an sich

selbst, wäre gar nicht gemacht, so musste der Grundsatz der Kausalität und mithin der

Naturmechanismus in Bestimmung derselben durchaus von allen Dingen überhaupt als wirkenden

Ursachen gelten. Von eben demselben Wesen also, zB der menschlichen Seele, würde ich nicht sagen

können, ihr Wille sei frei, und er sei doch zugleich der Naturnotwendigkeit unterworden, der nicht

frei, […]

- wir wissen, dass es in der physikalischen Welt kein Ereignis gibt, das nicht durch

physikalische Ursachen bedingt ist

- gilt das universell, gäbe es keinen Raum für Freiheit, wenn die die Wirklichkeit durchgängig

kausal bestimmt ist

- versteht man die Welt aber iSv Kant als Welt der Erscheinung, gelten diese mechanistischen

Prinzipien der physikalischen Wirklichkeit auch nur für den Bereich der Erscheinungen, und

nicht für den der eigentlichen Wirklichkeit

o somit haben wir Raum geschaffen für die Freiheit

o man kann weiterhin von Freiheit reden, weil wir wissen, dass Freiheit nicht im Raum

der Erscheinungen zu suchen ist

o wir haben zwar die wissenschaftliche Erkenntnis eingeschränkt, haben aber Raum

gewonnen für die praktische Philosophie

Quintessenz:

„Ich kann also (B XXX) Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zum Behuf des notwenigen praktischen

Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn ich nicht der spekulativen Vernunft

zugleich ihrer Annahmen überschwänglicher Einsichten benehme, weil sie sich, um zu diesen zu

gelangen, solcher Grundsätze bedienen muss, die, indem sie in der Tat bloß auf Gegenstände

möglicher Erfahrung reichen ,wenn sie gleichwohl auf das angewandt werden, was nicht ein

Gegenstand der Erfahrung sein kann, wirklich dieses jederzeit in Erscheinung verwandeln, und so alle

praktische Erweiterung der reinen Vernunft für unmöglich erklären. Ich musste also das Wissen

aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen, und der Dogmatismus der Metaphysik, das ist das

Vorurteil in ihr ohne Kritik der reinen Vernunft vorzukommen, ist die wahre Quelle alles der Moralität

widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist.“

- Wissen muss aufgehoben werden, um zum Glauben zu kommen

- man kann zwar keine wissenschaftliche Theologie mehr betreiben, man kann aber weiterhin

ein gläubiger Mensch sein, denn im Glauben bewegen wir uns jenseits des wissenschaftlich

erkennbaren

Kant

Einheitsfunktion (Vorstellung)

Dinge an sich

(Wille)

Fichte Schopenhauer

Hegel Kierkegaard

Nietzsche

Heidegger

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15 Hegel, Phänomenologie des Geistes - es ist wichtig die Strukturen zu sehen, die Hegel aufstellt um auch zu sehen, was das Ganze

soll

- es geht um die Denkbewegung des zu sich kommenden Geistes

- das geschieht in verschiedenen Phänomenen

These 1) sinnliche Gewissheit

Antithese 2) dingliche Wahrnehmung und Täuschung

Synthese 3) Kraft des Verstandes

15.1 Phänomen des Bewusstseins - Ausgangspunkt des Bewusstseins ist die sinnliche Gewissheit

- es muss allerdings im nächsten Schritt ( These) diese sinnliche Gewissheit

übersteigen/negieren, um zu wahrer Erkenntnis zu kommen

- diese Negation der sinnlichen Gewissheit erfolgt in der Erkenntnis von Dingen (was uns die

Sinne vermitteln ist oft eine Täuschung) Antithese

- Tätigkeit des Verstandes noch nötig ( Synthese)

o er muss zu einem Urteil über die Dinge kommen

- er wendet diese Denkbewegung auch auf das Phänomen der Religion an

o eine solche Dialektik des Geistes lässt sich beobachten

o These: es beginnt mit der Naturreligion als erstes Phänomen (als These)

o Antithese: Überwindung der Naturreligion in der Kunstreligion in der

griechischen Antike durch Götter ( Negation; Antithese)

o Synthese: Offenbarungsreligion wie das Christentum; es vereinigt beide Bereiche

der Natur- und der Kunstreligion, indem es das Lebendige mit dem Abstrakten

verknüpft; Christus als eine Verbindung von Gott zum Natürlichen; bleibt aber nicht

stehen sondern es überwindet auch die beiden Vorgängerformen von Religion (

Aufhebung)

Überwindung des Vorgängigen

Aufnahme des Vorgängigen und eine Überführung in eine neue Dimension

- auch auf Gott selber anwendbar:

o These: Gott ist das Sein schlechthin; wir gehen von der Erkenntnis des Seienden aus

und stellen fest, dass Gott wesentlich mehr sein muss als diese einzelnen Seienden; er

ist nicht der Kontingenz der Dinge unterworfen

o Antithese: Gott ist doch anders, er kann nicht sein wie diese Dinge; Gott ist das Nichts

in dem Sinne, dass er nichts ist von dem was wir als Seiend erkennen

o Synthese: Gott ist Dynamik, Gott ist Prozess,

- Phänomenologie ist schwierig zu lesen

- Problem der Philosophie Hegels:

o geschichtliche Epochen, Individuen, … sind eigentlich nur Mittel des Geistes, der

irgendwann zu sich selbst kommt

o Popper beschreibt das in „Das Elend des Historizismus“, in dem der Einzelne einfach

einem System unterworfen wird und gewisse Phänomene sich relativieren lassen

16 Arthur Schopenhauer (1788-1860) - kann als Gegenstück zu Hegel verstanden werden

- „Die Welt als Wille und Vorstellung“

- er geht von der kantischen Unterscheidung einer Welt der Erscheinungen und einer Welt

des an sich Seienden aus

- was ihn interessiert ist die Welt des Willens, also er verknüpft die an sich seiende

Wirklichkeit mit dem Willen

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- wenn man diese Gleichsetzung vornimmt (was Kant nicht tat), muss es

Willensmanifestationen in der an sich seienden Wirklichkeit geben, diese Manifestationen

sind dann nicht mehr auf unseren freien Willen beschränkt

- er sieht solche überall in der belebten und unbelebten Wirklichkeit, zB physikalische Kräfte

(Magnetismus, Elektrizität, Gravitation, Wachstum, Überlebenstrieb, Ehrgeiz,

Charakterstärke, …) das sind Willensenergien

- die an sich seiende Welt ist geprägt von einer Spannung zwischen diesen verschiedenen

Willensmanifestationen o lässt sich in der Physik wie in der belebten Natur beobachten (zB Kampf ums Dasein)

- für ihn stellt sich die Frage, wie er reagieren soll, da der Mensch in einen Zusammenhang

verschiedener Manifestationen des Willens eingebunden ist

o die Ausübung des Willens führt nach Schopenhauer zu Leiden (wenn ich etwas

erreichen will ist das Scheitern schon programmiert, weil der Ehrgeiz anderer

dazwischenkommt, Aggression führt zu Gegenaggression)

o der Mensch hat eben die zusätzliche Fähigkeit dies zu erkennen und er kann sich

enthalten, was die Lösung ist

o eine Zurückhaltung, ein sich Enthalten in der Betätigung des Willens (ästhetische

Kontemplation, Askese) wäre ein Leben, das am wenigsten Leiden verursacht und

die einzige gangbare Konsequenz aus dieser Einsicht darstellt

- Schopenhauer lehnt dann den überdachten Selbstmord ab, weil es der Grundhaltung des sich

Enthaltens widerspricht

- sein Leben ist ein sehr bizarres

- er beschäftigt sich auch mit dem damals aufkommenden Gehirnwissenschaften

17 Kierkegaard (1813-1855) - geht in eine ähnliche Richtung wie Schopenhauer

- der Ausgangspunkt ist ähnlich

- er bezieht sich auf die Welt des an sich Seienden

- er negiert die Welt der Vorstellung (wie Schopenhauer) als Welt der Oberflächlichkeit, als

Welt der Phänomene - allerdings zieht er andere Konsequenzen als Schopenhauer

- auch er leidet sehr unter dieser Einsicht, dass wir dieser Welt des Willens irgendwie

unterworfen sind und diverse Möglichkeiten haben; entweder wir passen uns an indem wir

unseren Willen durchsetzen, worauf wir leiden

- er nimmt den Vorschlag Schopenhauers auf, sich der Betätigung des Willens zu enthalten

(ästhetische Lebensform, reine Kontemplation dessen was geschieht)

- er lehnt es aber ab, da stehen zu bleiben

- er sagt, wir müssen diese Lebensweise überwinden, und wir müssen durchstoßen zu einer

ethischen Lebensform, zu einem richtigen Umgang mit menschlichem und

nichtmenschlichem Leben

- aber auch die ethische Anwendung des Willens, die verzichtet auf die bloße Manifestation

der eigenen Ziele, die Rücksicht auf die Ziele anderer nimmt, auch die ist nur eine vorläufige

Lösung

- die eigentliche Lösung ist für ihn eine Art von Selbstaufopferung im Glauben

o der Sprung in den Glauben ist die Überwindung rationaler Ethik

o das Beispiel ist jenes des Abrahams: er befindet sich zunächst in dieser ethischen

Lebensform, er kümmert sich um Isaak, versucht gut zu leben; dann fordert Gott von

ihm etwas Absurdes, das Opfer seines Sohnes; hier wird der Unterschied zwischen der

christlichen und der ethischen Lebensform deutlich: man muss die ethische

Lebensform überwinden und zum Willen Gottes gelangen

- die Unterwerfung unter den Glauben, die nicht mehr durch rationale Standards

gerechtfertigt werden kann ist für Kierkegaard die Lösung

- also derselbe Ansatz wie Schopenhauer, aber eine andere Lösungsvariante

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18 Nietzsche (1844-1900)

„Gott ist tot.“ (Nietzsche)

„Nietzsche ist tot.“ (Gott)

- er kommt zur Einsicht, dass das Einzige was wir tun können, wir können uns in der Welt

betätigen - wir sollen uns nicht enthalten

- wir sind an sich in der Welt des Willens und müssen uns demgemäß verhalten

- daraus ergibt sich für ihn die Pflicht, dem Willen zum Durchbruch zu verhelfen

- die Durchsetzung der eigenen Interessen ist für Nietzsche nicht nur eine Möglichkeit,

sondern die Pflicht, die jeder Mensch hat

- der ideale Mensch ist für Nietzsche der Übermensch („Also sprach Zarathustra“), der

Mensch, der die Werte umgewertet hat, der darauf verzichtet, ethisch im klassischen Sinn

zu sein, dem es nur um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht

- daraus ergibt sich eine negative Haltung gegenüber der traditionellen Moral und va

gegenüber der christlichen Moral

- er ist einer der schärfsten Kritiker der christlichen Überzeugungen

- die christliche Moral ist für ihn kategorisch abzulehnen, va die christliche Pflicht der

Nächstenliebe ist für ihn nichts anderes als ein Versuch der Schwachen, derjenigen, die

eigentlich sonst keine Chancen haben, den Starken ihren Willen aufzuzwingen

- die Sklavenmoral kann nur durch die Ermordung des christlichen Gottes überwunden

werden, denn dieser Gott stellt Prinzipien auf der die Schwachen bevorzugt

o dieser Gott ist für ihn eine Erfindung der Schwachen ihre Interessen durchzusetzen

- auch seine Konzeption steht im Anschluss an die Koppelung von an sich seiender

Wirklichkeit und Welt des Willens

19 Heidegger (1889-1976) - der Ausgangspunkt der Philosophie Heideggers ist eine Analyse des Seins

- es geht ihm nicht um das Sein als solches, sondern der Ausgangspunkt ist für ihn das Dasein

- das Dasein ist ein anderes Wort für den Menschen

- Heidegger hat in seiner Ontologie den Grundgedanken, dass der Grundfehler der

traditionellen Metaphysik darin bestand, dass man allgemeine Überlegungen zum Seienden

anstellt anstatt dort anzufangen wo man anfangen sollte, beim konkreten Sein, und zwar

beim Mensch - wir sollten in der Analyse des Seins bei uns selbst beginnen, da wir unser eigenes Sein am

besten kennen

- das bringt er in seinem Vorwurf der „Seinsvergessenheit“ zum Ausdruck

o dh nicht, dass die früheren Philosophen nicht über das Sein geredet hätten, aber sie

haben allgemein darüber geredet anstatt beim Menschen zu beginnen

- Heidegger möchte eine Fundamentalontologie erzeugen

- das Dasein ist der Ausgangspunkt für die Seinsanalyse, weil der Mensch das einzige

Seiende ist, das sein Sein zum Gegenstand machen kann (der Mensch das Seiende, dem es in

seinem Sein um sein eigenes Sein geht)

o der Mensch ist das Wesen, das zu sich selbst einen Bezug herstellen kann, das

Selbstbewusstsein hat

o diese Selbstbezüglichkeit des Daseins kommt in der Sorge zum Ausdruck, dh die

Sorge ist Ausdruck dieser Fähigkeit des Menschen zu sich einen Bezug herzustellen

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- in der Analyse dieses menschlichen konkreten Daseins kommt Heidegger zu folgenden

Schlussfolgerungen:

o ein Existenzial des Menschen ist es, Möglichkeiten zu realisieren, dh er kann das

oder das tun, er kann sich entscheiden

was wir unsere Vergangenheit als Menschen sehen läuft bei Heidegger unter

„So-Sein“ und sind jetzt so wie wir sind aufgrund unserer vorhergehenden

nicht mehr veränderlichen Entscheidungen

o ein Existenzial des Menschen ist weiter (Sartre wird es verschärfen) sich entscheiden

zu können

der Mensch, weil er eben das Wesen ist das sich seiner Selbst bewusst ist

erkennt nicht nur, dass er verschiedene Möglichkeiten hat, sondern auch, dass

er sterben wird

o Angst vor dem Tod

ist eine weitere prägende Eigenschaft, weil der Tod für uns – nach Heidegger

– nicht besorgniserregend weil wir dann aufhören zu leben, sondern deshalb,

weil er das Ende aller Möglichkeiten unseres Handelns bedeutet

mit dem Tod sind wir nur noch „so-Sein“, alles was wir sind ist geschehen,

wir können nicht mehr irgendetwas verändern

der Tod ist „die Möglichkeit der absoluten Unmöglichkeit“

aus diesem Grund haben wir Angst vor dem Tod, weil er uns eben fixiert und

festlegt

- verschiedene Möglichkeiten auf diese Bedrohung zu reagieren:

o es gibt Seinsweisen, die man unter „Uneigentlichkeit“ subsumieren kann: das

Aufgehen in den innerweltlichen Bezügen, das Umgehen mit den Dingen

dieses Sein des Menschen in der Welt ist ein Grundexistenzial, allerdings

nicht das, was den Menschen eigentlich ausmacht

gefordert ist nicht das Aufgehen in der Welt, sondern ein authentisches Sein

die Möglichkeit des Todes, mit der wir in jedem Zeitpunkt konfrontiert sind,

sollten wir nicht vergessen, um dann ein authentisches und entschlossenes

Leben zu leben

jeder Augenblick ist Augenblick der Entscheidung

für Sartre ist das ganze Leben nichts anderes als eine Negation in das

Eingebundensein in Bezüge

der Mensch ist nach Sartre der Mensch der versucht, objektive Strukturen, in

denen er sich befindet, zu negieren

unter dieser Rücksicht wird auch der Andere von Sartre gesehen (bei

Heidegger kaum):

das andere Subjekt als ein Subjekt, das mich in objektive Strukturen

einordnet, was ich ja nicht will, ich will sie negieren

ich will mich nicht in der Welt des so-Seins befinden

der Andere grenzt mich ein, und das muss ich nach Sartre überwinden

Gott ist dann sowieso zu negieren, da er „der“ andere ist der mich

einengt

die Liebe ist bei Sartre wichtig, denn es ist für ihn die subtilste

Strategie sich des Anderen zu bemächtigen; sie ist der gelungene Akt,

dass mich der andere so sieht wie ich mich sehen will

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20 Philosophie der Gegenwart

20.1 Beispiel: Die Phänomenologie Edmund Husserls (1859-1938) - Begründer der Phänomenologie

- hinterließ ca. 40.000 Seiten Stenographie, dachte schreibend

- Literatur:

o Husserliana: Edmund Husserl, Gesammelte Werke, Den Haag 1950 ff.

o Edmund Husserl: Gesammelte Schriften, hrsg. V. Elisabeth Ströker, Hamburg:

Meiner

o Paul Janssen: Edmund Husserl, Freiburg/München 1976: Alber

o Wolfgang Künne: Edmund Husserl: Intentionalität, in Grundproblemen der großen

Philosophen: Philosophie…

- Einflüsse: Wilhelm Wundt (Psychologe in Leipzig); Carl Weierstraß (Mathematiker in

Berlin); Franz Brentano (Philosoph/Psychologe in Wien)

- Brentano war sehr bewandert in der Mittelalterlichen Philosophie

- 5.Logische Untersuchung ist die wichtigste

- „Zuerst aus seinen (Brentanos) Vorlesungen schöpfte ich die Überzeugung, die mir den Mut

gab, die Philosophie als Lebensberuf zu wählen, nämlich, dass auch Philosophie ein Feld

ernster Arbeit sein, dass…

20.2 logische Untersuchungen 1. Band: Prolegomena zur reinen Logik

2. Band. 1. Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis;

3. 2. Teil Elemente einer phänomenologischen Aufklärung der Erkenntnis

- Brentanos Unterscheidung zwischen „deskriptiver“ und „genetischer“ Psychologie:

- Erstere versucht, „die Elemente des menschlichen Bewusstseins und ihre Verbindungsweisen

(nach Möglichkeit) erschöpfend zu bestimmen“, während letztere sich darum bemüht, „die

Bedingungen anzugeben, mit welchen die einzelnen Erscheinungen ursächlich verknüpft sind“

(Brentano, Deskriptive Psychologie)

- Deskriptiv – beschreibend; Abgegrenzt werden soll die Beschreibung der Phänomene, die

Kategorisierung deskriptive Analyse der Denkprozesse

- genetisch – woher kommt’s; Stichwort ist Kausalität, Erforschung der Ursachen, unter denen

bestimmte psychologische Phänomene auftreten.

- Diese Unterscheidung war für Husserl wegweisend, er hat seine Phänomenologie unter die

deskriptive eingeordnet

20.2.1 Die Psychologismuskritik

- Ziel der Prolegomena ist es, „zu zeigen, dass die ausschließlich psychologische Fundierung

der Logik, welcher unsere Zeit so großen Wert beimisst, auf einer Vermengung wesentlich

verschiedener Problemschichten, auf prinzipiell irrigen Voraussetzungen über den Charakter

und die Ziele…der empirischen Psychologie und der reinen Logik beruhe…Gegen den

herrschenden Psychologismus gewendet, suchen die „Prolegomena“…die Idee einer reinen

Logik neu zu beleben, aber auch neu zu gestalten. Sie führen zur Abgrenzung einer

theoretischen, von aller Psychologie und Tataschenwissenschaft unabhängigen Wissenschaft,

welche in ihren natürlichen Grenzen die gesamte reine Arithmetik und Mannigfaltigkeitslehre

mit umfasst.“ (Hu XVIII, 261f.)

- klares Trennen von empirischen Psychologie und reinen Logik

- Unterscheide:

- Logische Wahrheiten von den psychologischen…

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20.2.2 Phänomenologie und Intentionalität

- 1. Auflage der LU: Phänomenologie ist deskriptive Psychologie im Sinne Brentanos: Die

Phänomene (phainomena), die sie beschreibt, jedoch nicht kausal erklärt, sind mentale

Erlebnisse.

- Manche Erlebnisse „haben ein Thema“, „handeln von etwas“, „repräsentieren etwas“; sie sind

(mit einem Begriff Brentanos gesprochen) intentional

- „Der Problemtitel, der die ganze Phänomenologie umspannt, heißt Intentionalität“ (Husserl,

Ideen I, § 146)

20.2.2.1 Husserls These

- Ein „seelisches Ich“ (im Unterschied zu einem empirischen Ich = Mensch) ist ein Bündel von

Erlebnissen, ein „Erlebnisstrom“

- Erlebnisse sind von ihrem Subjekt „adäquat wahrnehmbar“ (privilegierter Zugang)

20.2.2.2 Epoche und eidetische Reduktion

- Epoche

o Die Phänomenologie „vollzieht keinerlei Erfahrungssetzung und Urteilssetzung, die

sich auf bewusstseinstranszendente Gegenstände beziehen; sie stellt also keinerlei

Wahrheiten über physische oder psychische Naturwirklichkeiten … fest und nimmt

keine als Prämissen, als Lehnsätze. Vielmehr nimmt sie alle…über den reinen

Erlebnisstrom hinausmeinenden Apperzeptionen und Urteilssetzungen rein als die

Erlebnisse, die sie in sich selbst sind…“ (LU)

- Eidetische Reduktion:

o Die Phänomenologie „spricht von Wahrnehmungen, Urteilen, Gefühlen usw. als

solchen, von dem, was ihnen a priori, in unbedingter Allgemeinheit,…zukommt, von

dem, was ausschließlich auf Grund der rein intuitiven Erfassung der „Wesen“

(Wesensgestaltungen, -artungen) einzusehen ist…Wesenseinsichten über

Wahrnehmungen, Wollungen und jederlei Erlebnisgestaltung sonst gelten natürlich

auch für die entsprechenden empirischen Zustände animalischer Wesen…“ (LU)

20.2.2.3 Intentionalität

- kein Kriterium des Psychischen

- Unterscheide: Akt vs. Materie intentionaler Erlebnisse

- Intentionale Erlebnisse könne auf Reales und Nichtreales gerichtet sein

(aus Wikipedia) er hat zitiert:

- „Jedes psychische Phänomen ist durch das charakterisiert, was die Scholastiker des

Mittelalters die intentionale (auch wohl mentale) Inexistenz eines Gegenstandes genannt

haben, und was wir, obwohl mit nicht ganz unzweideutigen Ausdrücken, die Beziehung auf

einen Inhalt, die Richtung auf ein Objekt (worunter / hier nicht eine Realität zu verstehen ist),

oder die immanente Gegenständlichkeit nennen würden. Jedes enthält etwas als Objekt in sich,

obwohl nicht jedes in gleicher Weise. In der Vorstellung ist etwas vorgestellt, in dem Urteile

ist etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehasst, in dem

Begehren begehrt usw. Diese intentionale Inexistenz ist den psychischen Phänomenen

ausschließlich eigentümlich. Kein physisches Phänomen zeigt etwas Ähnliches.“ (Brentano)

- Bei Wunsch oder Hoffen – Gegenstand = ist nicht direkt, nicht konkret, Gegenstand ist

abstrakt, Sachverhalte

- Hass, Liebe,… - Gegenstand = real, direkt,…

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20.3 analytische Philosophie im 20. Jahrhundert - va Frege, Wittgenstein, Russel, Wiener Kreis

- es handelt sich nicht um eine philosophische Schule iSe eigenen Lehre, sondern man würde

die analytische Philosophie kennzeichnen als eine bestimmte methodische Vorstellung, die

man wie folgt charakterisieren kann: analytische Philosophen legen großen Wert auf

Argumentativität (auch philosophische Probleme können rational und wissenschaftlich

diskutiert werden)

o es geht darum, so klar wie möglich zu reden und zu philosophieren; so präzise wie

möglich

o Theorien sind argumentativ falsifizierbar

o es bedeutet nicht unbedingt, dass man zu endgültigen Antworten gelangt, aber so viel,

dass die Fragen der Philosophie sich im Laufe der Geschichte präziser formulieren

lassen

o ein Geschäft der Philosophie besteht auch darin, die Konsequenzen zu denken und

genau auszubuchstabieren; es kann somit sein, dass man eine Theorie danach

auswählt, je nach dem von welcher Fragestellung man ausgeht

o Betonung auf Klarheit, nachvollziehbare Argumentation

- die analytische Philosophie wurde früher oft als sprachanalytische Philosophie bezeichnet

o einer der Philosophen der hier Großes geleistet hat, war Gottlob Frege

- ordinary language philosophy (Wittgenstein): Philosophie, die versucht sich an der

normalen Sprache zu orientieren

o sie schaut sich an, wie wir denn mit den Begriffen umgehen, in denen die Probleme

vorkommen

o der zentrale Begriff der Erkenntnistheorie ist das „Wissen“

o indem Wittgenstein über Gewissheit spricht gibt er keine bestimmte Definition von

Wissen, sondern er fragt, in welchen Arten von Satzverbindungen/Diskursen der

Begriff des „Wissens“ vorkommt (dazu gehört zB eine Auseinandersetzung mit dem

skeptischen Problem, ob es eine Außenwelt gäbe)

das ist für ihn eine Erfindung der Philosophen, und er glaubt, dass bestimmte

philosophische Scheinprobleme dadurch entstanden, dass man sich nicht

ansah, wie zB „Wissen“ im Alltag funktioniert

o er geht also in die Sprachspiele hinein, wie sie nach der Intuition in bestimmten

Sprecherpopulationen gespielt werden und versucht so etwas über die verwendeten

Begriffe herauszukriegen

o Wittgenstein setzt sich hiermit von dem in seiner Frühzeit gemachten ab

damals war Logik und Mathematik Vorbild für das, was exakte Wissenschaft

war

man versuchte künstliche Sprachen zu bilden und zu analysieren, von denen

glaubt der formal orientierte Sprachphilosoph, dass sie etwas über natürliche

Sprachen aussagen

20.4 Gottlob Frege - Philosoph und Mathematiker, der posthum als „der“ Vater der analytischen Philosophie

entdeckt wurde

- er hat relativ komplizierte logische Systeme entwickelt, hat versucht die Mathematik auf

Logik zurückzuführen

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20.4.1 von Sinn und Bedeutung

- in seinem Aufsatz „von Sinn und Bedeutung“ ist die zentrale Frage nach dem Sinn eines

Ausdrucks und der Bedeutung dieses Ausdrucks/Zeichens

- er fragt sich: Die Gleichheit fordert zum Nachdenken heraus; wie kann ein Satz, der Form a =

b zu verstehen sei, was drückt er aus (Identität zwischen a und b, aber warum dann nicht a = a)

- Beispiel „Der Morgenstern ist der Abendstern“

o diese Aussage hat einen Erkenntniswert

es ist eine Feststellung, die eine empirische Entdeckung war

o andererseits bezeichnen die beiden Ausdrücke denselben Gegenstand, die Venus

o Frege versucht das zu lösen, indem er Sinn von Bedeutung unterscheidet

o die Bedeutung soll sein, was der bezeichnete Gegenstand selbst ist; ein Ausdruck

bedeutet das, worauf er sich bezieht

dh der Morgenstern ist jener Himmelskörper, den er bezeichnet und somit

dasselbe wie der Abendstern oder die Bezeichnung Venus die Bedeutung

ist von allen drei Ausdrücken dieselbe

BedeutungFrege = Bezugsobjekt, Referenz(gegenstand)

o der Sinn ist die Art des Gegebenseins eines Gegenstandes

SinnFrege = Art des Gegebenseins

„Morgenstern“ ist eine andere Art des Gegebenseins den wir auch mit

„Abendstern“ bezeichnen, und der Ausdruck „Abendstern“ codiert eben eine

andere Art des Gegebenseins wie „Morgenstern“

o das kompliziert sich dadurch, dass unsere Sprache nicht nur Namen und

Bezeichnungen enthält, sondern auch ganze Sätze (Aussagen) und Begriffe

die einfachste Form einer Aussage ist, dass man einen Gegenstand mit einer

Eigenschaft (Prädikat) bezeichnet

auf der Objektebene spricht man von Gegenständen die gewisse

Eigenschaften haben (der Tisch ist braun)

auf der sprachlichen Ebene drücken wir das aus indem wir den Gegenstand

mit einem Individuenausdruck benennen/herausgreifen

ein Individuenausdruck ist ein Name

die elementare Form ist F(a); a hat die Eigenschaft F; das F ist eine

Prädikatkonstante, indem wir einen Individuenausdruck verwenden und ein

Prädikat, das hier als Funktionsausdruck hier verwendet wird, schreiben wir

dem Gegenstand a diejenige Eigenschaft zu, die wir mit dem Prädikat F

bezeichnen, also zB Hund Fido ist schwarz hätte diese logische Form

„ist schwarz“ ist ein Prädikat das wir mit dem Individuenausdruck

(hier: Name) so verbinden können, dass sich diese Form ergibt

o die Frage ist, was der Unterschied von zwei Aussagen wie „der Morgenstern ist ein

Himmelskörper“ und „der Abendstern ist ein Himmelskörper“ ist; F(a), F(b)

im gewissen Sinne sagen wir mit beiden Sätzen dasselbe, weil wir eben

demselben Gegenstand dieselbe Eigenschaft zuschreiben

mit F(c) („die Venus ist ein Himmelskörper) sagen wir wieder dasselbe aus

warum haben wir also unterschiedliche Ausdrücke hierfür?

Frege: es gibt eben unterschiedliche Arten, in denen uns ein Gegenstand

gegeben ist, unterschiedliche Repräsentationsweisen eines Gegenstandes

wenn wir die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung machen haben

wir eine Antwort darauf, warum a = b eine informative Aussage ist:

die Bedeutung von diesen drei Ausdrücken ist dieselbe

es gibt Erkenntniswert, weil die Ausdrücke, die denselben

Gegenstand bezeichnen zwar denselben Gegenstand bezeichnen, das

aber auf unterschiedliche Weisen, indem sie unterschiedliche Arten

des Gegebenseins dieses Gegenstandes repräsentieren, dh sie haben

einen unterschiedlichen Sinn

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Geschichte der Philosophie

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o Psychologismuskritik nach vernichtender Rezession Wittgensteins über Husserl:

„Vorstellung“: Frege sagt, man verwechsle nicht Bedeutung und Sinn eines

Ausdruckes mit der Vorstellung bzw. Anschauung, die einen Sprecher bei der

Verwendung dieser Ausdrücke begleiten mögen

man mag bestimmte Vorstellungen vor dem inneren Auge haben, aber das ist

der Punkt, dass dies für die Logik keine Rolle spielt

was sich psychologisch beim Sprecher abspielt hat keine Bedeutung

man verwechsle nicht die Phantasievorstellung mit Sinn oder Art des

Gegebenseins eines Ausdrucks

die Umschreibung „Art des Gegebenseins“ weckt natürlich psychologische

Konnotationen, deshalb war es wichtig dies festzuhalten

Frege versucht, hier sich vor einer psychologischen Deutung seines

Sinnbegriffes zu verwahren

- das ist der Kern des Fregeaufsatzes

- was die Sache kompliziert ist, dass es nicht nur singuläre Termini gibt

- Frege muss Sinn und Bedeutung auch auf Prädikate und auf Aussagesätze als Ganze zu

beziehen

- somit Frage, was Sinn und Bedeutung von „der Morgenstern ist ein Himmelskörper“ sind

- man kann sich auch mit einem indexikalischen Ausdruck auf etwas beziehen

o zB eine Person wird sich immer mit „ich“ bezeichnen

„ich“ greift eindeutig einen Gegenstand hinaus

indexikalische Ausdrücke haben die Eigenschaft, je nach dem in welchem

Kontext sie verwendet werden, genau zu bezeichnen

o selbiges mit Orts- und Zeitangaben (zB „Jetzt und hier“), man könnte auch sagen „am

23. um 11:13 Uhr“

- Frege steht vor der Aufgabe, die Unterscheidung von Sinn und Bedeutung auch auf die

Prädikate auszudehnen (Individuenausdruck – Prädikat – ganze Aussage)

o für Frege ist der Sinn eines Aussagesatzes der mit diesem Satz ausgedrückte

Gedanke o zB „der Morgenstern ist ein Himmelskörper“ drückt einen anderen Gedanken aus,

als „der Abendstern ist ein Himmelskörper“

die Gedanken sind verschieden, aber der Wahrheitswert beider Sätze ist

derselbe, entweder sind sie wahr oder falsch, in diesem Fall jedoch wahr

o damit wird klar, dass der Wahrheitswert derselbe ist

weil das Prädikat dasselbe ist

weil ich von demselben Gegenstand dasselbe ausdrücke

zwar haben die Individuenausdrücke einen unterschiedlichen Sinn, aber ihre

Bedeutung ist ein anderer

man spricht in beiden Sätzen von der Venus, also müssen beide Sätze

denselben Wahrheitswert haben

o die mit dem Prädikat bezeichnete Eigenschaft „Junggeselle“ und „unverheiratet“ zu

sein sind dieselben, es sind aber andere Begriffe

Individuensatz Prädikat Aussagesatz

SinnFrege Art des Gegebenseins

eines Einzeldings Begriff Gedanke

BedeutungFrege bezeichneter Gegenstand,

Referenzobjekt Eigenschaft

Wahrheitswert des

Satzes

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20.5 Wiener Kreis - Metaphysikkritik:

o eine Grundidee war zu versuchen, die Philosophie auf wissenschaftliche Füße zu

stellen

o das Ideal war allerdings die Naturwissenschaft

o die Metaphysikkritik war eng verschränkt mit dem Versuch, sog. Sinnkriterien

auszuarbeiten, wann eine Aussage sinnvoll ist (Sinn nicht iSv Frege) eine

Aussage ist nur dann verständlich, wenn man weiß, was mit einem Satz

ausgedrückt wird

o eine der ältesten Ideen ist die, dass der Sinn eines Satzes die Methode seiner

Verifikation ist, also die Methode der Feststellung, ob dieser Satz wahr ist oder nicht

(was es bedeutet, dass ein Satz nur dann sinnvoll ist, wenn er sich verifizieren lässt)

diese Idee hat Konsequenzen für viele traditionelle Gebiete von Philosophie

und Theologie: Moralphilosophie, Gott, Tod, Ethik, …

o generell Einwand, dass sich dieser Einwand selbst widerlegt, da das Ideal die

empirischen Wissenschaften sind, es aber klar ist, dass auch die empirischen

Wissenschaften Aussagen über Dinge machen, die sich ebenfalls nicht verifizieren

lassen (es geht genauso um modellartige Theoriebildung)

o weiterer Einwand: aus logischen Gründen ist es ausgeschlossen, dass sich All-Sätze

verifizieren lassen; ich kann aber nicht wissen wie lange etwas so sein wird, ob es

nicht zB ganz woanders zB weiße Raben gibt

man kann natürlich All-Sätze falsifizieren, wenn man nur ein Gegenbeispiel

findet

das hat dazu geführt, dass man sagt: sinnvoll ist ein Satz nur dann, wenn er

falsifiziert werden kann

o das Problem ist, dass es Sätze gibt, auf die man in den empirischen Wissenschaften

nicht verzichten will, die theoretisch abstrakte Entitäten sind die wir zur

Modellbildung brauchen, aber falsifizieren lassen sich solche Sätze eben auch nicht

zB „Es gibt weiße Raben“ (Existenzsatz) lässt sich auch nicht falsifizieren,

weil die Falsifikation beweisen müsste, dass es keine weißen Raben gibt

man will eben nicht auf solche Existenzsätze verzichten

- die harsche Form der Sinnkritierien wurde bereits in den 60ern und 70ern des 20. Jh.

aufgegeben, denn so funktioniert es einfach nicht

- andererseits kann man die Idee so umformulieren: was es geben könnte ist ein Kriterium für

empirisch sinnvolle Sätze: Ein Satz ist nur dann empirisch sinnvoll, wenn er sich in irgend

einer Weise empirisch bestätigen oder eben nicht bestätigen lässt