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1 Geschichte der christlich-sozialen Bewegung (KAB) von den Anfängen bis zur Gegenwart

Geschichte - Katholikenrat im Rhein-Kreis Neuss · zu schwach, um auf die Dauer erfolgreich im Wahlgang zu sein. Deshalb wurde auf Initiative von ... Zeitung Nikolaus Groß, mussten

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Geschichte

der christlich-sozialen Bewegung (KAB)

von den Anfängen bis zur Gegenwart

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In unserer heutigen schnelllebigen Zeit haben bei uns viele die Leistungen der katholischen Sozial-

bewegung vergessen. Die Unkenntnis der Geschichte wird von gewissen Ideologen stark gefördert,

weil sie dadurch umso leichter Desinformation und ihre Demagogie verbreiten können.

Im Folgenden sollen die Ziele der ersten katholischen Arbeitervereine kurz dargestellt werden und die

Verdienste einiger führender Repräsentanten der katholischen Sozialbewegung hervorgehoben

werden. Man kann dann feststellen, dass sich die Argumentation von Politikern und „Wirtschaftsex-

perten“ in Bezug auf Sozialgesetze in über 160 Jahren nicht geändert hat.

Leider glauben auch viele Menschen, dass von Seiten der Kirche nichts für die Arbeiter getan wurde,

und die Sozialisten nähren diesen Irrglauben. Bereits in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts

entstanden die ersten katholischen Arbeitervereine, die sich mit ihren Zielen ausdrücklich auf die Ideen

und Anregungen des Bischofs von Mainz, Wilhelm Emanuel von Ketteler, beriefen. Nicht selten

nahmen diese Vereine auch evangelische Mitglieder auf. Die Idee der christlich-sozialen Bewegung

war so groß, dass 200.000 Mitglieder von den Delegierten, auf dem Verbandstag 1872 vertreten

wurden.

Die Katholischen Arbeitervereine verstanden sich auch als Selbsthilfegruppen. Lange vor der staat-

lichen Sozialgesetzgebung, gründeten sie Unterstützungskassen aus denen kranke Mitglieder

unterstützt wurden. Die Vereine forderten zum Beispiel einen gerechten Lohn, geregelte Arbeits-

zeiten, so unter anderem ein Verbot der Sonntagsarbeit und ein Verbot der Kinderarbeit. Es wurde das

freie und geheime Wahlrecht für den preußischen Landtag und für die Gemeinderäte gefordert, sowie

Koalitionsfreiheit. Eine Mitwirkung der Arbeiter an der Fabrikordung und den Gewerbege-

richten als Beisitzer waren ebenfalls Forderungen der katholischen Arbeiter.

Wie die Arbeitervereine bei ihren Gegnern gefürchtete waren, kann man am besten aus einem Brief

von Karl Marx, vom 25.09.1869, an seinen Freund Friedrich Engels ersehen. Er schrieb folgendes:

„Bei dieser Tour durch Belgien, Aufenthalt in Aachen und er Fahrt den Rhein herauf, habe ich mich

überzeugt, dass energisch, speziell in den katholischen Gegenden, gegen die Pfaffen losgegangen

werden muss. Ich werde in diesem Sinne durch die Internationale wirken. Die Hunde kokettieren (z.B.

Bischof Ketteler von Mainz, die Pfaffen auf dem Düsseldorfer Kongress usw.) wo es passend erscheint

mit der Arbeiterfrage.“

Ein Delegierter aus Essen zitierte auf der Generalversammlung des sozialistischen allgemeinen

Arbeitervereins 1874 folgendes: „Die Pfaffen sind die gefährlichsten Feinde unserer Sache, sie treten

im entscheidenden Moment selbst mit unserem Programm und sagen: Wir wollen dasselbe, nur die

Religion muss bewahrt bleiben.“

Allein diese Ausführungen dürften die Behauptung der Sozialisten widerlegen, dass von Seiten der

Kirche überhaupt nichts für die Sache der Arbeiter getan wurde.

Hierbei muss an eine Institution gedacht werden, ohne die die christliche Sozialbewegung nicht so

erfolgreich gewesen wäre. Dem „katholischen Volksverein“ von Mönchengladbach.

Vorher gab es bereits die Institution „Arbeiterwohl“, sie war zwar erfolgreich, aber ihre Kräfte waren

zu schwach, um auf die Dauer erfolgreich im Wahlgang zu sein. Deshalb wurde auf Initiative von

Franz Hitze und Franz Brandts, einem sozial eingestellten Fabrikanten der katholische Volksverein

gegründet.

Der Volksverein hat einen Großteil der Führer der katholischen Sozialbewegung ausgezeichnet und

hervorragend geschult. Ohne diese Ausbildung hätten sie so hervorragendes nicht leisten können.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss auch einmal daran erinnert werden, dass die Sozialisten bis

zu Jahre 1918 sich strikt geweigert haben, an der Sozialgesetzgebung mitzuarbeiten.

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In seinen Lebenserinnerungen beklagt Franz Hitze am mehreren Stellen die destruktive und prinzi-

piell ablehnende Haltung der Sozialisten im Sozialpolitischen Ausschuss des deutschen Reichstags.

Das mag überraschend klingen, herrscht doch allgemein die Auffassung, der Sozialismus sei der

Vorkämpfer und Bahnbrecher für die deutsche Sozialgesetzgebung gewesen. Von diesem Ruf zehren

sie bis zum heutigen Tag. Die politische Wirklichkeit hat aber ganz anders ausgesehen, als die

Sozialisten sie darstellen.

Auf dem Gothaer Einigungsparteitag von 1873 setzte sich die orthodox-marxistische Richtung von

August Bebel gegen die reformsozialistischen Kräfte von Ferdinand Lassalle durch, mit der Wirkung,

dass die allmählich immer stärker werdende Sozialistische Arbeiterpartei in ein revolutionäres

Fahrwasser geriet, und Revolutionäre können keine Reformen gebrauchen, weil sie dann nicht ihre

systemverändernden Ziele erreichen können.

Der Sozialismus hat es meisterhaft verstanden, seine prinzipielle Ablehnung der Sozialreformen durch

ein betontes Pathos der Gerechtigkeit zu kaschieren. Nicht zuletzt dieses Gerechtigkeitspathos hat ihm

den Nimbus eines Pioniers der Sozialgesetzgebung verschafft, ein Nimbus der bis heute anhält, der

von Medien und Schulbüchern –nicht selten auch aus Unkenntnis- noch geflissentlich verstärkt wird.

Leider haben es die katholische Sozialbewegung und ihre Repräsentanten nicht verstanden, ihrer

geduldigen, systematischen und zielstrebigen Reformarbeit eine Öffentlichkeitswirkung zu sichern, die

sich langfristig und nachhaltig werbend und stärkend auf Ansehen und Prestige, Entfaltung und

Ausbau der christlich-sozialen Bewegung hätte auswirken können. Dieses Versäumnis heute nach-

zuholen, ist mehr als schwierig. Aus diesen Ereignissen kann man ablesen, warum der soziale

Katholizismus sich solange gegen die Sozialdemokratie gestellt hat.

Selbst die aktive sozialpolitische Rolle des Sozialismus im Dez. 1918 muss als Episode bezeichnet

werden. Im Rahmen der „Demobilisierungsverordnungen“ hat damals die „provisorische

Übergangsgangsregierung“, der Rat der Volksbeauftragten aus Mehrheits- und Minderheitssozial-

listen, unter dem Vorsitz des späteren Reichpräsidenten Friedrich Ebert, drei Gesetze erlassen, die man

allerdings als sehr wichtig und weitreichend bezeichnen muss:

- Einführung der 48-Stunden Woche

- Gewährung eines Rechtsanspruches auf Jahresurlaub

- Tarifvertragsgesetz mit Einräumung der Tarifautonomie für die Arbeitsmarktparteien.

Die katholisch-soziale Bewegung bekannte sich politisch rückhaltlos zum demokratischen, sozialen

Volksstaat von Weimar. Führende Repräsentanten wurden in sie Nationalversammlung gewählt und

arbeiteten an der Verfassung mit. Genannt seien hier die Namen von Franz Hitze, Johannes Giesberts,

Dr. Heinrich Brauns, Joseph Joos, Adam Stegerwald und noch einige.

An die bitterste Zeit der katholischen Arbeitervereine muss auch gedacht werden. Es ist die Zeit von

1933 bis 1945. Schon sehr früh in der Weimarer Republik hat die Verbandsführung die Gefährlich-

keit des Nationalsozialismus erkannt und immer darauf hingewiesen.

Obwohl die Arbeitervereine gemäß des Reichskonkordats unter dem Schutz der Kirche standen, waren

sie schlimmen Verfolgungen, insbesondere von Seiten der Arbeitfront ausgesetzt.

Verbandspräses Otto Müller, Verbandssekretär Bernhard Letterhaus und der Redakteur der KAB-

Zeitung Nikolaus Groß, mussten ihre Treue zum Verband mit dem Leben bezahlen.

Ihr Andenken darf nicht vergessen werden.

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Was den Widerstand der katholischen Arbeitervereine gegen die Nationalsozialisten betrifft, muss an

dieser Stelle der Arbeiterverein der „Pfarre St. Marien“ in Neuss, unter Präses Kaplan Doppelfeld

genannt werden. Er war der erste Verein, der von den Nationalsozialisten verboten wurde, und zwar

am 12. Februar 1935. Weitere Schritte der Machthaber sind noch gefolgt.

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Persönlichkeiten der Vergangenheit

Wegbereiter der Zukunft

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Franz von Baader * 27.03.1765 + 23.05.1841

Franz von Baader kann man als einen Propheten der Sozialbewegung bezeichnen. Er hatte einen

interessanten Lebensweg, der sich in der Vielfalt seiner Begabungen, Betätigungen und Interessen

widerspiegelt. Zunächst war er Arzt, wandte sich dann dem Bergbau zu und wurde 1797 Bergrat in

München, ab 1808 sogar Oberbergrat. Seit 1820 widmete er sich ganz der Philosophie, erhielt 1826

eine Philosophische Professur in München und wurde der bedeutendste Philosoph der Deutschen

Romantik.

Während seiner Tätigkeit in England von 1790 bis 1793 als Leiter eines Eisenhüttenwerkes lernte er

aus eigener Anschauung die Verelendung des neuen Arbeiterstandes kennen. Dieses Problem ließ ihn

seitdem nicht mehr los. Deshalb veröffentlichte er im Jahre 1835 eine Denkschrift mit dem Titel

„Es walte Gerechtigkeit,

auf dass die Gesellschaft

und der Friede erhalten bleibe“

Eine Denkschrift über die Lebenssituation der Arbeiterschaft. Von Baader schilderte die Verelend-

ung der Industriearbeiter so drastisch, dass sie Karl Marx später in seiner Verelendungstheorie

übernahm. Von Baaders sozialreformerische Absichten und Zielsetzungen gipfelten in der Forderung

nach Einbürgerung der Arbeiter in die Gesellschaft und eine Repräsentanz der Arbeiter-

schaft auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Zum Zwecke der Einbürgerung des vierten Standes, also

der Arbeiterschaft forderte von Baader eine angemessene Vertretung der Arbeiter in den Parlamen-

ten, mit dem Recht der öffentlichen Darlegung sowie Beschwerde und Klage. Gleichzeitig forderte er

für die Arbeiter das Koalitionsrecht.

Franz Ritter von Buss * 23.03.1803 + 31.01.1878

Wer weiß es heute noch, dass der erste Antrag zum Aufbau des gesetzlichen Arbeiterschutzes in einem

Deutschen Parlament nicht von Sozialisten gestellt wurde, sondern von dem katholischen

Abgeordneten Franz Josef Buss und zwar am 25. April 1837 in der badischen Abgeordnetenkammer.

Buss schilderte in seiner Fabrikrede, es war auch seine Jungfernrede, die Verelendung der Fabrik-

arbeiter, welche die Leibeigenen ihres Herrn seien. Sie müssen ständig um ihre Gesundheit und um

drohende Arbeitslosigkeit fürchten. Buss schlug folgende Reformen und Verbesserungen für die

Arbeiter vor:

Für die Ausbildung von tüchtigen Arbeitern die Errichtung von Gewerbeschulen sowie die Gewähr-

ung von Kapitaldarlehen zur Erreichung der Selbstständigkeit, Hilfskassen für Kranke und

Unfallgeschädigte mit Beiträgen der Arbeiter und Fabrikherren, die je zur Hälfte von beiden Seiten

einzuzahlen sind. Er forderte ein scharfes Truckverbot (Verbot der Entlohnung durch Naturalien) und

eine Vierteljährige Kündigungsfrist, Verbot der Kinderarbeit und eine Beschränkung der Arbeitszeit

für Erwachsene.

Die badische Abgeordnetenkammer ging über die Vorschläge von Buss zur Tagesordnung über mit

der Bemerkung, für die geforderten Gesetze bestehe überhaupt kein bedarf.

Buss wusste worüber er redete, denn er war das siebente Kind eines armen Schneidergesellen und

kannte die Armut aus eigener Erfahrung. Ohne materielle Mittel, aber glänzend begabt bahnte er sich

den Weg zur Wissenschaft und Politik.

Bereits mit 19 Jahren erwarb er den Doktorgrad der philosophischen Fakultät der Universität

Freiburg. Und wurde im Alter von 34 Jahren Privatdozent. Er wurde später als Politiker in den

Adelsstand erhoben.

Die bemerkenswerteste Würdigung seiner Initiative hat Buss im Jahre 1904 durch den Sozialisten-

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führer August Bebel erfahren, der folgendes ausführte:

Hatte Buss auch nicht erreicht, was er wollte, ein Schicksal das er mit allen Neuerern teilt, so bleibt

ihm doch der Ruhm, der erste parlamentarische Vertreter des Arbeiterschutzes gewesen zu sein.

Kann es für Ritter von Buss eine bessere Würdigung geben?

Bischof Wilhelm Emanuel von Ketteler * 25.12.1811 + 13.07.1877

Er wollte zuerst eine juristische Laufbahn einschlagen. Wandte sich dann allerdings wegen der

Haltung des preußischen Staates gegenüber der katholischen Kirche der Theologie und wurde Priester.

Zuerst war er einfacher Landseelsorger und als solcher ein Helfer der Armen. Die Wirren der

Märzrevolution von 1848 trieben ihn gegen seinen Willen in die Politik. Er wurde für den Wahl-

kreis Tecklenburg-Warendorf in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt.

Als Abgeordneter der Paulskirche hielt Ketteler in der Adventszeit im Jahre 1848 im Mainzer Dom

seine aufregenden Predigten über die großen sozialen Fragen der Gegenwart und lenkte damit den

Blick des katholischen Volkes auf sich. Von Frankfurt kehrte von Ketteler nur noch für kurze Zeit in

seine westfälische Heimat zurück. Im Jahre 1949 wurde er in die wichtigste Pfarrstelle Preußens

berufen und zwar als Probst des St. Hedwig-Domes in Berlin. Aber schon 1850 wurde er bereits zum

Bischof von Mainz gewählt. Von Ketteler wurde als Bischof von Mainz der Wegbereiter der

katholischen Sozialbewegung.

Auf der Liebfrauenheide bei Offenbach verkündete er im Jahre 1869 vorüber 10.000 Arbeitern sein

soziales Programm. Er forderte für die Arbeiterschaft folgendes:

- Koalitionsfreiheit zur Gründung von Arbeitervereinen, Gewerkschaften und Genossenschaften

- Reorganisation. der Gesellschaft durch systematische staatliche Sozialgesetzgebung, Sozial-

politik und Sozialreformen.

- Errichtung von Produktionsgenossenschaften zur Überwindung des widernatürlichen Gegen-

- satzes zwischen Arbeit und Kapital.

- Miteigentum und Mitbestimmung.

- Schutz vor den Wechselfällen des Lebens durch Hilfskassen.(also Sozialgesetze).

- Ausbau des gesetzlichen Arbeiterschutzes mit folgenden Schwerpunkten:

- Verbot der Kinderarbeit

- Einschränkung der Frauenarbeit

- Gewerbeaufsicht

- Sonntagsruhe

- Anspruch auf Erholungszeiten

- Verbot der Arbeit von Mädchen in Fabriken

- Verbot der Nachtarbeit von Frauen

- Gewährleistung der allgemeinen Volksschulpflicht

Aus diesen Forderungen geht klar hervor, dass von Ketteler früh erkannt hat, dass die soziale Frage in

Deutschland nicht mit der Caritas zu bewältigen sei, sondern durch die Politik.

Ferdinand Graf von Galen * 31.08.1831 + 05.01.1906

Inspiriert durch die sozialpolitischen Forderungen seines Onkels, Bischof von Ketteler, stellte der

Zentrumsabgeordnete Ferdinand Graf von Galen 1877 im Deutschen Reichtag eine Antrag zum

gesetzlichen Schutz von Arbeitern, der folgendes beinhaltete:

- Gewährung der Sonntagsruhe

- Einschränkung der Gewerbefreiheit zu Schutze des Handwerks

- Erweiterung der Schutzbestimmungen für Fabrikarbeiter

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- Normativbestimmungen für Fabrikordnungen

- Verbot jugendlicher Arbeiter unter 14 Jahren in Fabriken

- Einführung gewerblicher Schiedsgerichte unter Mitwirkung freigewählter Vertreter

Der Arbeiter

- Regelung von Schadensersatzansprüchen bei Unglücksfällen in Bergwerken und

- gewerblichen Anlagen

Außer bei der Zentrumspartei stieß dieser Antrag im Reichstag auf Ablehnung. Wortführer der Gegner

war kein geringerer als Reichkanzler Fürst Bismarck. Er sah darin das Ende der Konkurrenz-

fähigkeit der Deutschen Industrie. Die Liberalen sprachen von „Narrheiten“ und der Führer

Sozialisten, August Bebel, spottete über diese christliche Weltordnung. Das war übrigens jene

tragische grundsätzliche Ablehnung jeglicher Sozialgesetzgebung durch die damalige Sozialdemo-

kratie, die praktisch bis zum Jahre 1918 andauerte. Vermutlich befürchteten die damaligen Sozial-

demokraten, dass eine systematische Sozialpolitik den Weg der von ihr langfristig angestrebten

Revolution den Weg verbauen würde. Zwar war der erste Versuch im Reichstag gescheitert, jedoch

erlebte Graf von Galen, der von 1874 bis 1903 Mitglied des deutschen Reichstags war, dass am

06. Mai 1891 durch die Verabschiedung der Sozialversicherungsgesetze der erste große Durchbruch

gelang.

Franz Hitze * 16.03.1851 + 20.07.1921

Die am 06. Mai 1891 verabschiedeten Sozialgesetze trugen Maßgeblich die Handschrift von Franz

Hitze. Franz Hitze war katholischer Priester aus Überzeugung. Als solcher war er der bedeutendste

geistige und programmatische Anreger und Förderer der christlich-sozialen Bewegung in Deutschland,

ganz besonders der katholischen Arbeitervereine. Er verfügte über eine erstaunliche Fülle von

Fähigkeiten, denn er war gleichermaßen Arbeiterführer, Organisator, Volksbildner, Parla-

mentarier, Sozialreformer, Hochschullehrer, Wissenschaftler und vor allen sozialer Priester.

Franz Hitze wurde 1880 Generalsekretär des neugegründeten Vereins „Arbeiterwohl“ in Mönchen-

gladbach. 1890 war maßgebend an der Gründung des Volksvereins für das katholische Deutschland in

Mönchengladbach beteiligt, aus dessen hervorragender Schule viele bedeutende Persönlichkeiten der

katholischen Sozialbewegung hervorgegangen sind.

Für Franz Hitze war es eine große Anerkennung seiner sozialpolitischen Leistungen, dass Kaiser

Wilhelm II ihn in den Vorstand der Vorbereitungskommission für die geplante Arbeiterschutzkonfe-

renz berief. Die Konferenz fand vom 15. bis 18. März 1890 in Berlin statt und kann auf Anregung von

Papst Leo XIII zustande. Ab 1884 war Franz Hitze Mitglied des Deutschen Reichtags und nahm als

solcher großen Einfluss auf die Sozialpolitik. Er war bei der geplanten sozialen Gesetzgebung der

große Gegenspieler Bismarcks, der eine staatliche Einheitsversicherung mit hohem Reichszuschuss,

allerdings ohne Rechtsanspruch, wollte. Franz Hitze setzte das Versicherungsprinzip mit Selbstver-

waltung und Rechtsanspruch durch. Weiterhin trug die Reichsgewerbeordung von 1891, das wichtigste

Sozialgesetz, seine Handschrift. Sie regelte in großer Fortschrittlichkeit Sonntagsruhe, Kinder- und

Frauenarbeit, Gewerbeaufsicht, Normalarbeitstag, Verbot des Naturlohnes und viele andere neue

soziale Errungenschaften.

Dies alles musste gegen den Widerstand des Reichkanzlers Fürst Bismarck durchgesetzt werden, der

davon sprach, dass der soziale Topf überlaufe.

Wegen der überragenden Verdienste in Wissenschaft und Sozialgesetzgebung wurde für Franz Hitze

1893 an der Universität Münster der allererste Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre errichtet.

Dem Wirken von Franz Hitze ist es zu verdanken, dass die Christliche Sozialbewegung seit Ende des

neunzehnten Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik die aktivste, fruchtbarste und ideen-

reichste Kraft für die Deutsche Sozialgesetzgebung wurde.

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Es gilt dafür zu sorgen, dass diese Persönlichkeit, welche wie keine andere die Deutsche Sozialpolitik

geprägt hat, nicht vergessen wird.

Dr. August Pieper *14.03.1866 + 25.09.1942

August Pieper studierte in Rom Theologie und Philosophie und erwarb zwei Doktortitel.

Nach seiner Priesterweihe im Jahre 1889 wurde er Kaplan in Bochum, wo er die sozialen Probleme der

Industriearbeiter auch in unmittelbarer Nähe kennen lernte. Durch Franz Hitze kam er im Jahre 1892

zum Volksverein nach Mönchengladbach und wurde sein Generalsekretär. Gemeinsam mit Franz

Hitze und Franz Brandts baute August Pieper die gewaltige Katholischsoziale Zentralorganisa-

tion auf. Im Jahre 1899 wurde er Diözesanpräses der KAB für die Erzdiözese Köln und ab 1904

Verbandspräses der KAB. Von 1904 bis 1918 war er Mitglied des Preußischen Landtags und von 1907

bis 1918 Mitglied des Deutschen Reichtags. In diesen Institutionen vertrat er stets die Interes-

sen der Arbeiterschaft. Nach dem ersten Weltkrieg trat August Pieper von seinen Ämtern zurück und

widmete sich ausschließlich der volksbildnerischen Arbeit. August Pieper hat wichtige Akzente in der

Erwachsenenbildung gesetzt. Die Nationalsozialisten machten ihn 1933 mundtot und setzten seiner

Arbeit ein abruptes Ende. Bis 1939 lebte er einsam in der Stadt seines großen Wirkens, dann holten ihn

seine Schüler und früheren Mitarbeiter in seine westfälische Heimat zurück, wo er am

25. September 1942 verstarb.

Gerhard Stötzel * 04.12.1835 + 01.06.1905

Wer weiß es heute noch, dass es in der Person von Gerhard Stötzel bereits im Jahre 1877 einen

Arbeiter als Reichtagsabgeordneten in der Zentrumsfraktion gab? Er war Metalldreher bei Krupp und

schloss sich dem christlich-sozialen Verein Essen Zentral an, der damals über 4000 Mitglieder zählte.

Dieser Verein gab die erste christliche Arbeiterzeitung heraus, zu deren Redakteur Gerhard Stötzel

aufstieg. Für die Reichstagswahl 1877 schlugen die Katholischsoziale Bewegung und der Volksverein

der Essener Zentrumspartei Gerhard Stötzel als Kandidat vor. Der bisherige Kandidat

Reichsgerichtsrat von Forcade de Biaix wurde jedoch von dem Zentrumsführer Ludwig Windthorst

unterstützt und auch aufgestellt. Stötzel trat als Gegenkandidat auf und erhielt 6690 Stimmen, Forcade

bekam 7828 Stimmen. Die Sozialdemokratische Partei gab bei der Stichwahl die Parole aus:

„Stötzel muss durch“! Er siegte mit 11.636 Stimmen vor Forcade, der nur 7660 Stimmen bekam.

Stötzel schoss sich der Zentrumsfraktion an und blieb bis 1905 ihr Mitglied. Er war im Reichstag

Mitunterzeichner des Gesetzentwurfes über die Sonntagsruhe, zusammen mit Franz Hitze und Frei-

herr von Hertling war er maßgebend an der Bergarbeiter-Schutznovelle beteiligt. Im Jahre 1878 schlug

Stötzel, nunmehr Kandidat wieder geeinten Zentrums, seinen ehemaligen Arbeitgeber Krupp mit 600

Stimmen Mehrheit. Er vertrat den Wahlkreis Essen bis zu seinem Tode im Jahre 1905. Sein

Nachfolger wurde der katholische Arbeiterführer und christliche Gewerkschafter Johannes Giesberts.

Johannes Giesberts * 03.02.1865 + 07.08.1938

Johannes Giesberts musste schon kurz nach seiner Schulentlassung schwer arbeiten, um das

Familieneinkommen aufzubessern. Ob in der Landwirtschaft, in einer Ziegelei oder in einer Ölmühle

Nach seiner Militärzeit arbeitete er in den Eisenbahnwerkstätten in Köln und ging von dort als

Kesselheizer zur Druckerei Bachem. Aus diesen Tätigkeiten ist zu ersehen, welch einen schweren

Lebensweg Johannes Giesberts, der Mitglied im katholischen Arbeiterverein von Köln-Merheim

wurde, zu durchstehen hatte.

Die katholischen Arbeitervereine von Köln entsandten Johannes Giesberts im Jahre 1897 als

Delegierten zum internationalen Arbeiterschutzkongress nach Zürich. In Zürich ging ihm die ganze

geschichtliche Bedeutung der Arbeiterbewegung auf.

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Auf dem Delegiertentag der katholischen Arbeitervereine der Erzdiözese Köln, hielt Johannes

Giesberts ein Grundsatzreferat, das Die Zustimmung von Prof. Franz Hitze und Dr. August Pieper

fand. Sie beriefen ihn in die Schriftleitung der neugegründeten „Westdeutschen Arbeiterzeitung“.

Denn beide legten keinen großen Wert auf intellektuelle Ausdrucksweise, sondern auf eine Sprache,

welche auch die Arbeiter verstanden.

Im Jahre 1905 kandidierte Johannes Giesberts als Nachfolger von Gerhard Stötzel, als Abgeordneter

der Zentrumspartei in Essen, für den Deutschen Reichstag und rückte bis in den Fraktionsvorstand auf.

1914 wurde er zum Vorsitzenden des internationalen Bundes christlicher Gewerkschaften gewählt.

Im ersten Weltkrieg wurde Johannes Giesberts Staatssekretär im Arbeitsministerium. Eine bittere Pille

war es für ihn, dass er Mitglied der Deutschen Delegation wurde, welche das Versailler Friedendiktat

mit unterzeichnen musste. Bei der Konstituierung des ersten ordentlichen Reichskabi-

netts, übernahm er das Reichspostministerium.

Das Leben von Johannes Giesberts war von den Bemühungen erfüllt, in Deutschland einen sozialen

Rechtsstaat zu schaffen. Er starb am 07. August 1938. seine Beerdigung in Mönchengladbach wurde

zur letzten großen Demonstration seiner Freunde aus der christlich-sozialen Bewegung.

Dr. Carl Sonnenschein * 15.07.1876 + 20.02.1929

Carl Sonnenschein erwarb seinen Dr. Theologie bei seinem Studium in Rom. Zuerst war er Kaplan in

Köln, Wuppertal-Elberfeld und Aachen. Bei diesen Tätigkeiten wurde August Pieper auf ihn auf-

merksam und holte ihn zum Volksverein nach Mönchengladbach. Carl Sonnenschein baute dort eine

ganz neue Abteilung für katholische Akademiker auf. Der Feuerkopf Carl Sonnenschein ließ sich nur

schwer in den geordneten Betrieb einer Pfarrseelsorge einordnen. Nach dem, verlorenen ersten Welt-

krieg taucht er plötzlich in Berlin auf und beginnt in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße eine

hervorragende sozial-caritative Tätigkeit. Er wurde zum Weltapostel der Stadt Berlin.

Für jedem, egal welcher Konfession, hatte er ein offenes Ohr und eine offene Hand. Keiner verließ ihn

ohne Zuspruch. Die Mietskasernen im Berliner Wedding waren ihm ebenso vertraut wie das vornehme

Berliner Parkett. Manchem reichen hat er für seine Tätigkeit Geld aus der Tasche geholt. Carl

Sonneschein starb schon im Alter von 52 Jahren. Seinen Leichenzug begleiteten etwa 12.000

Menschen. Ob Minister, Arbeiter oder Studenten,. Alle gaben ihm das letzte Geleit.

Dr. Heinrich Brauns * 03.01.1868 + 19.10.1939

Dr. Heinrich Brauns war der markanteste Sozialpolitiker der Weimarer Republik. Als junger Kaplan

wirkte er in Krefeld und Essen in der Arbeiterseelsorge. Stieß zum Volksverein Mönchengladbach und

wurde dort einer der aktiven Motoren. Im Jahre 1919 sah man ihn als Abgeordneten der

Zentrumspartei in der Weimarer Nationalversammlung.

Die sozialpolitische Kompetenz des christlich-sozialen Politikers kann man am besten daran erken-

nen, dass obwohl die Sozialdemokratie die stärkste politische Kraft in der Weimarer Zeit war –sich

ausgerechnet das Arbeitsministerium von 1920 bis 1928 in der Hand von Dr. Heinrich Brauns befand.

Unter seiner Federführung kamen folgende Gesetze zustande:

- Die Arbeitszeitordnung (AZV) vom 21.12.1923

- Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926

- Das Arbeitslosenversicherungsgesetz von 1927

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Als damaliger Vorsitzender des volkswirtschaftlichen Ausschusses der Nationalversammlung, hatte er

das Betriebsrätegesetz maßgeblich geprägt. Zu bemerken gilt es. Dass der katholische Priester

Heinrich Brauns insgesamt zwölf Kabinettsumbildungen in der Weimarer Republik als Sozialpoliti-

ker angehörte. Man konnte einfach keinen besseren und kompetenteren finden. Selbst die Sozial-

demokraten zollten Heinrich Brauns große Anerkennung. Rudolf Wissel (SPD) nannte seinen

Vorgänger, „unseren allverehrten Dr. Brauns und zollte seiner Leistung uneingeschränkten Respekt.

Heinrich Brauns blieb der Sache der Sozialpolitik treu und arbeitete wider im sozialpolitischen

Ausschuss des Reichtages mit. Von 1930 bis März 1933 war er Vorsitzender dieses Gremiums. In den

Jahren 1929, 1930 und 1931 leitete er die Deutsche Delegation bei der internationalen Arbeits-

konferenz in Genf. Zum Vorsitzenden dieses Gremiums wurde er im Jahre 1929 gewählt.

Von den Nationalsozialisten schikaniert lebte er von 1933 bis 1939 in Lindenberg im Allgäu. Er starb

am 23. Oktober und wurde in der Priestergruft des Lindenberger Friedhofs beigesetzt.

Joseph Joos * 13.11.1878 + 11.05.1965

Der gebürtige Elsässer und gelernte Modelltischler war zu seiner Zeit eine große Persönlichkeit der

Katholischen Arbeiter-Bewegung. In Kursen der katholischen Werkjugend entdeckte man sehr schnell

seine Begabungen und Fähigkeiten. Im Jahre 1903 kam, der passionierte Lokalredakteur einer kleinen

Elsässischen Zeitung zu einem Kursus des Volksvereins für das katholische Deutschland nach

Mönchengladbach.

Der damalige Leiter des Hauses, Dr. Heinrich Brauns entdeckte die journalistische Fähigkeit des

jungen Mannes und engagierte ihn als Hilfsredakteur der Westdeutschen Arbeiter-Zeitung.

Nachdem Johannesa Giesberts in den Reichstag gewählt wurde, rückte Joseph Joos zu seinem Nach-

folger als Chefredakteur auf. In dieser Funktion hat er einen unschätzbaren und entscheidenden Beitrag

zur politischen, sozialen und kulturellen Bewusstseinsbildung für die christlichen Arbeiter geleistet.

Während der letzten Kriegsjahre des ersten Weltkriegs, engagierte sich Joseph Joos polisch sehr stark

im Arbeitnehmerflügel der Zentrumspartei.

Er wurde nach dem Zusammenbruch in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und war bis 1933

Reichstagsabgeordneter der Zentrumspartei. Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei

war Joos einer der einflussreichsten Sozialpolitiker des Reichtags. In seiner Partei war er Ver-

mittler der verschiedenen Flügel und Richtungen der Partei.

Als Verbandsvorsitzender der KAB gelang 1927 der Zusammenschluss der Regionalverbände zu

einem Reichsverband der Katholischen Arbeitervereine, mit Sitz in Berlin. An der Gründung der

FIMOC, des internationalen Verbandes der Katholischen Arbeiter-Bewegungen, war er maßgeblich

beteiligt.

Mit seinen Freunden aus dem Ketteler-Haus in Köln, Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß, Otto Müller

und Hermann Joseph Schmitt, geriet er in die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und musste

fünf Jahre im Konzentrationslager Dachau verbringen.

Im Jahre 1949 wurde er von Bischof Johannes Dietz, Fulda, wegen seiner großen Erfahrung in die

Hauptstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit nach Fulda berufen.

1960 zog er sich aus Altersgründen aus der aktiven Arbeit zurück. Er starb 86-jährig am 11. Mai 1965

in St. Gallen in der Schweiz.

Prälat Dr. Hermann Joseph Schmitt * 01.07.1896 + 23.04. 1964

Hermann Joseph Schmitt war nach Dr. August Pieper und Dr. Otto Müller der dritte Verbandspräses

der KAB Westdeutschlands. Er hat zeitlebens den gesellschaftlichen Aufstieg der Arbeiter angestrebt

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Hermann Joseph Schmitt musste nach dem frühen Tod seines Vaters den Besuch des Gymnasiums

abbrechen und erlernte das Schlosserhandwerk.

Nach seiner Militärzeit im ersten Weltkrieg machte er durch Privatstudien sein Abitur und studierte

Theologie und Volkswirtschaft. Während des Studiums befasste er sich intensiv mit der christlichen

Gesellschaftslehre. Im Jahre 1922 empfing er in Köln die Priesterweihe. An allen Seelsorgestellen wo

er tätig war, stand er stets auf der Seite der Arbeiter.

Nach Gründung des Reichverbandes der KAB wurde er deren Generalsekretär. Schmitt nahm früh

Kontakt zu führenden Persönlichkeiten der Politik auf. Am 5. März 1933 wurde er als Abgeordneter

der Zentrumspartei in den Reichstag gewählt. Mutig trat er gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers auf.

Als durch den brutalen Terror der Nationalsozialisten die Arbeit der KAB in Berlin zum Erliegen kam,

wurde er zum, Studentenseelsorger ernannt. Am 18. Juli 1944 wurde Hermann Joseph Schmitt

denunziert und kam in das KZ Dachau, wo bereits Joseph Joos einsaß. Nach dem Zusammenbruch der

NS-Herrschaft ernannte Kardinal Frings Hermann Joseph Schmitt zum Diözesanpräses der KAB in der

Erzdiözese Köln und zum Verbandspräses der KAB Westdeutsch-

lands. Unter schwierigen Verhältnissen baute er das Ketteler-Haus wieder auf und begann zielstrebig

den Wiederaufbau einer modernen und zeitgemäßen Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung.

Hermann Joseph Schmitt war Mitbegründer des Katholisch-Sozialen-Instituts in Bad Honnef und war

bis zu seinem Tode am 23. April 1964 aktiv für die KAB tätig.

Prälat Dr. Otto Müller * 09.12.1870 + 22.10.1944

Otto Müller war einer von jenen Priestern, die man als typische Repräsentanten der Arbeiterseel-

sorge bezeichnen kann. Er stand mit ganzem Herzen auf Seiten der Arbeiter.

Als junger Kaplan in Mönchengladbach wurde er von Franz Hitze für den Volksverein gewonnen und

war bald einer der Motoren dieser Institution. Otto Müller trat für eine intensive Bildungsarbeit ein. Er

sorgte unter anderem für den Ausbau eines eigenen Pressewesens. Im Jahre 1899 wurde die

Westdeutsche Arbeiterzeitung gegründet, und überall entstanden neue Arbeitervereine.

Otto Müller wurde 1900 Generalsekretär der Katholischen Arbeitervereine im Erzbistum Köln. Von

1902 bis 1904 studierte er an der Universität in Freiburg Sozialwissenschaft und beschloss dieses

Studium mit dem Titel eines Doktors der Nationalökonomie. Im Jahre 1906 wurde er Diözesanpräses

der KAB im Erzbistum Köln und 1917 Verbandspräses der der Westdeutschen KAB. Sein fundiertes

Wissen gab der KAB stets neue Impulse. Unerschrocken stand er seit der Machtübernahme durch die

Nationalsozialisten im Jahre 1933 auf Seiten der Widerstandskämpfer. Nach dem gescheiterten

Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er neben Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß verhaftet.

Obwohl er schwer krank und fast erblindet war. Er starb im Gefängnis und hatte damit dem Henker

seine schändliche Arbeit erspart.

Die Arbeiterbewegung schuldet dieser hervorragenden Persönlichkeit den größten Dank.

Bernhard Letterhaus * 12.07.1894 + 14.11.1944

Seine Persönlichkeit wurde im tiefreligiösen Elternhaus in Wuppertal-Barmen geprägt. Er arbeitete in

jungen Jahren als Bandwirker in der heimischen Textilindustrie. In Bildungskursen der Christlichen

Gewerkschaften und beim katholischen Volksverein erwarb er sein umfangreiches Wissen. Otto

Müller holte ihn im Jahre 1927 in das Ketteler-Haus nach Köln. und Bernhard Letterhaus übernahm

das Amt des Verbandssekretärs der KAB Westdeutschlands. Schon sehr früh erkannte er den Ungeist

der Nationalsozialisten. Als Vizepräsident des Katholikentages in Münster im Jahre 1931 wies er

13

eindringlich auf die drohende Gefahr hin. Dasselbe tat er auch im preußischen Landtag, dem er von

1928 bis 1933 angehörte. Letterhaus war ein geschätzter Ratgeber des Reichs-

kanzlers Heinrich Brüning. In der KAB sah er ein Bollwerk gegen die antireligiöse und antikirch-

liche Flut des Nationalsozialismus. Immer wieder hatte er versucht die KAB-Vereine zu motivieren,

ihre Arbeit trotz Verfolgung weiter zu leisten.

Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges im Jahre 1939, wurde er, Teilnehmer am ersten Weltkrieg,

zur Wehrmacht einberufen. Seinen Freunden gelang es, dass er 1942 als Hauptmann in die Nachrich-

tenabteilung beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW) versetzt wurde. Hier hatte er die

Möglichkeit, durch Meldungen mit der ganzen Welt in Verbindung zu bleiben. So konnte er von auch

seine Verbindungen zum Widerstandskreis ausbauen und Informationen weiterleiten. Er war als

Minister für den Wiederaufbau vorgesehen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli

1944 wurde er von einem Spitzel der Gestapo übergeben. Am 13. November 1944 wurde er zum Tode

verurteilt und am 14. November hingerichtet.

Nikolaus Groß * 30.09.1898 + 23.01.1945

Nikolaus Groß war neben Otto Müller und Bernhard Letterhaus eine der herausragenden Persönlich-

keiten der KAB in den 20-er Jahren, aber besonders in der NS-Zeit. Er war Chefredakteur der KAB-

Zeitung und koordinierte bis zu seiner Verhaftung die Arbeit der Vereine. Furchtlos stellte er sich den

Nationalsozialisten entgegen. Nikolaus Groß wurde nach dem Attentat auf Hitler verhaftet. Im

Gefängnis musste er schlimme Folterungen durch die Gestapo erdulden. Der sogenannte Volks-

gerichtshof unter dem berüchtigten Präsidenten Roland Freisler verurteilte ihn zum Tode. Er wurde

am 23. Januar 1945 hingerichtet. Sein Abschiedsbrief aus der Todeszelle bezeugt ihn als tiefgläubigen

Menschen.

NS.

Nikolaus Groß wurde am 07. Oktober 2001 von Papst Johannes-Paul II. in St. Peter, in Rom selig

gesprochen.

14

Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg im Jahre 1945

Den Nationalsozialisten gelang es weder durch Verfolgungen noch durch Morde die

KAB zu vernichten. Stellvertretend für diejenigen, die sich besonders für die

Erneuerung der KAB eingesetzt haben, seien hier nur folgende Namen genannt:

Oswald von Nell-Breuning SJ, Jakob Kaiser und Karl Arnold.

1945

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Hermann Joseph Schmitt der frühere Generalsekretär des Reichsverbandes der KAB kehrt aus dem KZ

Dachau zurück und wird von Kardinal Frings mit dem Wiederaufbau der KAB Westdeutschlands

beauftragt. Schmidt wird Verbandspräses der KAB. Unermüdlich bemüht er sich, das Verbandsleben

neu zu gestalten.

In Süddeutschland fördert Kardinal Faulhaber den Wiederaufbau der Katholischen Arbeitervereine.

1946

Gründung der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen-Arbeitnehmerschaft (CDA) im

Kolpinghaus in Herne. Vorsitzender wird Jakob Kaiser.

In München gründet Pater Franz Prinz SJ die ersten christlichen Betriebsgruppen und hält die ersten

sozialen Seminare.

1947

Gründung des Katholischen Werkvolks in Süddeutschlands, mit der Verbandszentrale in München.

Das Werksvolk setzt die Tradition der Süddeutschen Katholischen Arbeitervereine fort.

Der Düsseldorfer Gewerkschaftsführer Karl Arnold wird der erste gewählte Ministerpräsident von

Nordrhein-Westfalen.

In Oberhausen findet der erste Verbandstag der Westdeutschen KAB statt, auf der Kardinal Frings die

Notwendigkeit und Unentbehrlichkeit der KAB betont. Josef Gockeln wird der erste Verbands-

vorsitzende.

Am 18. Oktober wird das Katholisch-Soziale-Institut durch Kardinal Frings und Verbandspräses Dr.

Hermann Joseph Schmitt gegründet. Seit 1952 ist der Sitz des Instituts in Bad Honnef.

Die Verbandszeitung der KAB „Ketteler-Wacht“, erhält am 22. Oktober von der britischen

Besatzungsmacht eine Lizenz. Redakteur der Zeitung wird Johannes Even. Nach einiger Zeit wird sie

vorübergehend verboten.

.

1948

Gründung des Arbeiterbildungsheimes „Gottfried Könzgen“ (NS-Opfer) in Haltern, durch den

Diözesanverband Münster.

In St. Gallen in der Schweiz findet die erste internationale Konferenz der KAB unter Deutscher

Beteiligung statt

1949

Auf dem 73. deutschen Katholikentag in Bochum erregt die Abschlussresolution großes Aufsehen mit

der Formulierung:

„das Mitbestimmungsrecht gehört zu dem natürlichen Recht in gottgewollter Ordnung und ist

zu bejahen wie das Eigentum“.

1950

Beginn dreimonatiger Kurse im Katholischen-Sozial-Institut des Süddeutschen Werkvolks in Kochel

Bischof Michael Keller von Münster fördert die ersten sozialen Seminare. Später werden diese auf die

Diözesen Aachen, Essen, Hildesheim, Osnabrück, Paderborn und Trier ausgedehnt.

1951

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Gründung des Alten- und Invalidenwerkes der KAB in Herne, heute Alten- und Rentnergemeinschaft

der KAB.

Einweihung des Arbeiterbildungsheimes „Gottfried Könzgen“ im Haltern.

Verabschiedung des Gesetzes zur Montanmitbestimmung unter maßgeblicher Beteiligung von christ-

lich sozialen Politikern. Federführend war der christlich-soziale Arbeitsminister Anton Storch.

1952

Wiederbegründung der internationalen KAB (FIMOC) in München. Erster Präsident wird Josef

Gockeln.

Verabschiedung des ersten Betriebsverfassungsgesetzes durch den deutschen Bundestag, unter maß-

geblicher Beteiligung christlich-sozialer Politiker. Arbeitsminister war Anton Storch.

1953

Die Deutschen Bischöfe bejahen die Notwendigkeit der Katholischen Sozialverbände.

Verabschiedung des Gesetzes zur Wiederherstellung der Selbstverwaltungen der Sozialversicher-

ungen. Errichtung von Arbeits- und Sozialgerichten. Beides unter maßgeblicher Beteiligung christ-

lich-sozialer Politiker.

Federführend war wieder Arbeitsminister Anton Storch

Die KAB wird vorschlagsberechtigt für diese für diese Gremien und darf ihre Mitglieder bei Arbeits-

und Sozialgerichten vertreten.

1954

Einführung des Kindergeldes auf Grund eines Gesetzes das von den Bundestagsabgeordneten

Bernhard Winkelheide, Johannes Even, Martin Heix und Johannes Caspers, alle Vier waren KAB-

Mitglieder, eingebracht wurde.

1955

Im nordrhein-westfälischen Landtag findet erstmalig in der Nachkriegszeit ein Kongress der inter-

nationalen KAB statt.

Neugründung der Christlichen Gewerkschaftsbewegung (CGB) in Deutschland..

1956

Die KAB erhält von Papst Pius XII. eine Botschaft, in der mit besonderem Nachdruck die Notwen-

digkeit der Katholischen-Arbeitervereine betont wird.

In Zusammenarbeit mit der KAB errichtet die Italienische Katholische-Arbeitnehmer-Bewegung

(AGLI) Beratungs- und Betreuungsstellen für italienische Arbeitnehmer in Deutschland ein.

1957

Reform der Rentenversicherung unter Bundesarbeitsminister Anton Storch. Verabschiedung der

bruttolohnbezogenen dynamischen Rentenformel unter maßgeblicher Mitwirkung christlich-sozialer

Politiker.

1958

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Der Diözesanverband der KAB im Erzbistum Paderborn gründet das Weltnotwerk der KAB.

1959

Der Verbandstag der KAB in Essen verabschiedet Thesen zur Vermögensbildung, Verbesserung der

Betriebsverfassung und zur überbetrieblichen Mitbestimmung.

1960

Nach 43 Jahren findet in Köln wieder ein christlich-sozialer Arbeitnehmerkongress statt. Sieben

christlich-soziale Organisationen mit insgesamt 1.1 Millionen Mitgliedern beteiligen sich daran.

Hauptforderungen sind:

- Lohnfortzahlung für kranke Arbeiter im Krankheitsfall

- Soziales Bodenrecht

- Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Arbeits- und Sozialrecht

- Schutz der Sonntagsheiligung

Am 7. November verabschiedet die Deutsche Bischofskonferenz eine richtungweisende Verlaut-

barung über die Arbeiterseesorge mit ausdrücklicher Anerkennung und Befürwortung der

katholischen Sozialverbände.

1961 – 1963

Verkündigung der Sozialenzyklika „Mater et Magistra“ durch Papst Johannes XXIII, über die

jüngsten Entwicklungen des gesellschaftlichen Lebens. Diese Enzyklika betont nachdrücklich die

vorrangige Bedeutung der Arbeit in der Gesellschaftsordnung.

Verabschiedung des Bundessozialhilfegesetzes, Verbesserung der Unfallrenten und der Hinterblie-

benenversorgung unter maßgeblicher Beteiligung christlich-sozialer Politiker.

1964

Der Wissenschaftliche Beirat der KAB Westdeutschland erarbeit das Weisbuch über die Sonntags-

arbeit in der Stahlindustrie.

1965

Das KAB Mitglied Hans Katzer wird Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bis 1969.

1966

Neuregelung des Kriegsopferrechtes unter maßgeblicher Beteiligung christlich-sozialer Politiker.

1967

Papst Paul VI. verkündet die Enzyklika „Popolorum Progressio“ –über den Fortschritt der Völker.

1968

18

Verabschiedung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel (Maschinenschutzgesetz) unter

maßgeblicher Beteiligung christlich-sozialer Politiker.

Die Katholische Arbeiter-Bewegung wird in Katholische Arbeitnehmer-Bewegung umbenannt.

1969

Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes unter maßgeblicher Beteiligung christlich-sozialer

Politiker. (Letztes Gesetz unter der Federführung von Hans Katzer)

1970

Der Verbandsvorstand der KAB Westdeutschland gründet am 14. Dezember die Berufsbildungs-

stätte Ravengiersburg im Hunsrück. Bis zum heutigen Tag erhalten dort schwervermittelbare

Jugendliche eine hervorragende Berufsausbildung.

1971

Papst Paul VI. verkündet am 15. Mai aus Anlass des 80. Jahrestages der Sozialenzyklika „Rerum

Novarum“ das Apostolische Sendschrieben „Octogesima adveniens“. Er betont darin die besondere

Verantwortung der Laien für die Politik und fordert starke christliche Gemeinschaften für das soziale

Engagement.

Am 25. Mai wird in Würzburg der Bundesverband der KAB gegründet. Alfons Müller wird Bundes-

vorsitzender. Bundespräses wird Alfons Burger aus Stuttgart.

Das Süddeutsche Werkvolk ändert seinen Namen in KAB Süddeutschland.

1972

Die KAB lehnt jede Unterstützung solcher Parteien und Kandidaten ab, die eine Liberalisierung der

Strafbestimmungen gegen die Tötung des ungeborenen Lebens befürworten.

Die KAB lehnt eine Einheitsrente ab und verlangt die Beibehaltung der beitrags- und lohnbezogenen

Rente.

1973

In seiner Sitzung am 06.Mai verurteilt der Bundesausschuss der KAB das Fristenmodell, sowie weit-

gefasste Indikationsregelungen bei der Änderung des Paragrafen 218.

Am 04. Juni verabschiedet der Bundeskongress der Alten- und Rentnergemeinschaft /ARG) in Mainz

das Aktionsprogramm „Zukunft im Alter“.

1974

Am 01. Mai feiert der Katholische Arbeiterverein in Regensburg sein 125-jähriges Bestehen.

Am 04. Dezember veröffentlichen de5r Bundesverband der KAB und der Bund Katholischer Unter-

nehmer (BKU) eine gemeinsame Erklärung zur Humanisierung der Arbeitswelt.

1975

Der Bundesverband der KAB fordert, dass Theologen und Pastoralassistenten in ihrer Ausbildung

Zum Studium der katholischen Soziallehre verpflichtet werden sollen.

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Die KAB Westdeutschland veranstaltet am 09. Mai in Duisburg ihren Verbandstag und verabschiedet

eine Erklärung die folgende Hauptpunkte enthält:

- eigenständige soziale Sicherung der Hausfrau

- Erziehungsgeld

- Reform der beruflichen Bildung

- gesetzlicher Bildungsurlaub

- gleichberechtigte Förderung der Erwachsenenbildung in freier Trägerschaft

- Humanisierung der Arbeitwelt

1976

Der Bundesverband der KAB fordert von den Fraktionen des Deutschen Bundestages, endlich die

gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, welche den Arbeitnehmern die Teilnahme am Produktions-

kapital ermöglicht.

1977

14. Juni Ketteler-Woche und Bundeskonferenz der KAB aus Anlass des 100. Todestages von Bischof

Ketteler in Burghausen. Großkundgebung mit 12.000 Teilnehmern. Der Bundesverband der KAB

fordert eine sofortige Reform der Lohnsteuer, weil die Abgaben für die Arbeitnehmer unerträg-

lich geworden sind.

KAB fordert Neuordnung des kirchlichen Dienstrechtes für die Mitarbeiter. Die Mitarbeiter sollen in

ihren grundrechten als auch in ihrer dienst- und arbeitsrechtlichen Stellung gegenüber Arbeitnehmern

in anderen Bereichen nicht benachteiligt werden.

1978

Der Bundesverband der KAB fordert eine Kurskorrektur in der staatlichen Familienpolitik.

Die finanzielle Hilfe für Familien muss so bemessen werden, dass eine Familie nicht automatisch mit

jedem weitern Kind näher an die Armutsgrenze heranrückt. Der Bundesverband der KAB warnt vor

einer Preisgabe der Leitideen der Rentenreform von 1957. Es müsse als „Willkür und soziale

Demontage“ gewertet werden, wenn die Leistungen der Rentenversicherung von der Kassenlage des

Bundes abhängig gemacht werden. Es besteht der verdacht, dass die Finanzlage der Rentenversicher-

ung „zum Vorwand genommen wird, um eine Einheitsversicherung auf kaltem Wege einzuführen“.

Im Jahre 2000 ist diese Frage besonders akut. Es ist den Regierenden gelungen, die Rentener-

höhungen mit der Kassenlage des Bundes zu koppeln. Dieses kann man als Betrug an den

Rentnern bezeichnen.

1979

Der Verbandstag der Süddeutschen KAB am 14.Juni stellt folgende programmatische Forderungen:

- dynamisches Erziehungsgeld

- dynamisches kostengerechtes Kindergeld

20

- Rente für Erziehungszeiten

- mehr Halbtagsplätze

1980

Der Nestor der Katholischen Soziallehre, Oswald von Nell-Breuning SJ., erklärt, dass sich Aussperr-

ung und Streik wohl nur zur gleichen Zeit abschaffen lassen. Ein Übermaß an Aussperrungen darf es

allerdings nicht geben.

Aktion „Renten für Mütter“: Die KAB sammelt bundesweit über eine Millionen Unterschriften.

1981

Im Mai findet eine Romwallfahrt des Bundesverbandes der KAB aus Anlass des 90. Jahrestags der

Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ statt. Die KAB Mitglieder werden Zeugen des verwerflichen

Attentats auf Papst Johannes-Paul II.

In Rom treffen sich Katholische Arbeitnehmer-Bewegungen aus zehn Ländern. Bei der Kundgebung

auf dem Petersplatz wird eine Botschaft von Papst Johannes-Paul II. verlesen.

1982

Eine instruktive Ausstellung „KAB im Widerstand“ während der NS-Zeit, wird vom Bezirksver-

band der KAB Bocholt eröffnet.

Der Bundesverband der KAB fordert eine neue Tarifpolitik mit einer langfristigen investiven, pro-

duktiven Beteiligung der Arbeitnehmer am volkswirtschaftlichen Produktionsvermögen.

Zur neuen Bundesregierung gehören die KAB-Mitglieder Norbert Blüm als Minister für Arbeit und

Soziales und Heiner Geißler als Minister für Familie und Jugend. Irmgard Karwatzki, Heinrich Franke

und Wolfgang Vogt gehören der Regierung als parlamentarische Staatssekretäre an.

1983

Der Verbandstag der Westdeutschen KAB stellt in Leverkusen bei seiner Tagung vom 12. – 14. Mai

folgende Hauptforderungen:

- verantwortungsvoller Umgang mit den neuen Techniken

- Vereinbarungen zur Schaffung von Produktivvermögen in Arbeitnehmerhand

- qualitatives Wachstum und Arbeitszeitverkürzung als Mittle zum Kampf gegen

Arbeitslosigkeit

- Einbindung der Hausfrauenarbeit in das Gesamt des gesellschaftlichen Wirtschaftens.

- leistungsbezogene soziale Sicherung aller auch derer die nicht über Einkommen aus

Erwerbsarbeit verfügen.

1984

Das KAB-Mitglied Norbert Blüm bringt ein Gesetz in den Deutschen Bundestag ein, welches

21

Vorsieht, die Kindererziehungszeiten, insbesondere der Mütter, auf die Renten anzurechnen. Eine

Forderung der KAB ist damit teilweise erfüllt.

Heiner Geißler bringt ein Gesetz über Erziehungsgeld für neugeborene Kinder bis zum dritten

Lebensjahr, in den Deutschen Bundestag ein. Hiermit wurde ebenfalls eine alte Forderung der KAB

erfüllt.

1985 – 1997

Die KAB wehrt sich in diesen Jahren gegen geplanten Sozialabbau. Immer mehr wird versucht,

Arbeitnehmerrechte zu schmälern. Die Devise der KAB lautet: „Umbau ja, Abschaffung nein“.

1998

Ein Gesetz, welches dazu verhelfen soll, Arbeitnehmer am Betriebsvermögen zu beteiligen, wird

verabschiedet. Leider ist es den Tarifparteien bisher nicht gelungen, dieses Gesetz mit Leben zu

erfüllen.

Nachtrag nach Fertigstellung der Schrift

Im Jahre 1991 eröffnete die KAB in Mentheroda in Thüringen eine Ausbildungsstätte für schwer-

vermittelbare Jugendliche, mit ähnlichem Konzept wie in Ravengiersburg. Auch hier erhalten

Jugendliche eine Berufsausbildung. (Nachtrag: leider wurde die Ausbildungsstätte Ravengiersburg

aufgegeben.)

Im Jahre 2001 hat die KAB ein Rentenmodell ausarbeiten lassen. Es basiert auf drei Säulen:

-Grundversorgung, hierfür müssen alle steuerpflichtigen einzahlen. Sie soll gewährleisten, dass

keiner mehr auf die Sozialhilfe angewiesen ist. Die Grundversorgung ist höher als die Sozialhilfe.

- Rentenversicherung. Alle versicherungspflichtigen Arbeitnehmer müssen einzahlen. Der Beitrag

wird um den Betrag der Grundversorgung gesenkt. Dadurch sinken die Lohnnebenkosten.

-Betriebliche bzw. private Altersvorsorge..

Dieses Modell wird inzwischen von allen Katholischen Sozialverbänden aber auch von Politikern

vertreten. Wahrscheinlich sind die Kosten für den einzelnen Arbeitnehmer nicht geringer, aber er

erhält dadurch eine höhere Altersversorgung.

Die päpstlichen Sozialenzykliken haben der Christlichen Sozialbewegung viel Auftrieb und Anreg-

ungen bis in die Gegenwart gegeben. Es lohnt sich für jeden Sozialpolitiker, sich mit ihnen zu

befassen. Wer meint, dass dieses überflüssig ist, der ist ein Ignorant!

Im Folgenden sind die Sozialenzykliken aufgeführt:

- 1891 Enzyklika „Rerum Novarum“ von Papst Leo XIII

.

- 1931 Enzyklika „Quadragesimo Anno“ von Papst Pius XI.

- 1961 Enzyklika “Mater et Magistra” von Papst Johannes XXIII

- 1963 Enzyklika “Pacem in terris” von .Papst Johannes XXIII

- 1967 Enzyklika „Populorum progressio“ von Papst Paul VI

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- 1971 Enzyklika “ Octogesima adveniens” von Papst Paul VI.

- 1981 Enzyklika « Laborem et exercens » von Papst Johannes-Paul II

- 1988 Enzyklika « Sollicitudo rei socialis » von Johannes Paul II .

- 1991 Enzyklika « Centesimus Annus » von Papst Johannes-Paul II.

- 2009 Enzyklika « Caritas in veritate » von Papst Benedikt XVI

Die Texte der Enzykliken können aus dem Internet gezogen werden.

11.11.2011

Im Augenblick erleben wir in Europa schwere Staats- u. Wirtschaftkrisen. Stellvertretend sei der

Hauptproblenstaat Griechenland genannt. Der Hauptverursacher ist die erhöhte Verschuldung der

Staaten. Skrupellose Spekulanten machen sich dieses zu Nutzen und verschärfen damit die Krise. Es

wird an der Zeit, dass die verantwortlichen Politiker dem ein Ende setzen. An dieser Stelle soll

erwähnt werden, dass im Jahre 1980 die Deutsche Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Kardinal

Höffner den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt vor einer gefährlich hohen Staatsverschuldung

gewarnt hatte. Kardinal Josef Höffner war damals, wie heute Kardinal Reinhard Marx, Verfechter der

Katholischen Soziallehre.

(Aus Rheinischer Post vom 11.11.2011.)

Nachwort

Diese Schrift soll zum Nachdenken darüber anregen, wie lange es dauern kann, bis Reformen, die das

Leben der Arbeitnehmer, aber auch der Menschen allgemein erträglich gestalten sollen, umgesetzt

werden, aber auch die Erkenntnis, vermitteln, dass am Ende nur Reformen und keine Revolutionen die

Lebensverhältnisse verbessern.

Regierung und Arbeitgeber müssen einmal darüber nachdenken, dass sie die Arbeitnehmer nicht auf

Dauer mit dem Schreckgespenst der Globalisierung unter Druck setzen können.

Wenn das Fass zum Überlaufen kommt, kann es für alle ein böses Erwachen geben. Es darf nicht

wieder zu Ausschreitungen kommen. Wie verheerend das sein kann, hat uns die Geschichte gelehrt.

In diesem Zusammenhang muss an einen Ausspruch von Papst Johannes-Paul II. an Unternehmer

erinnert werden, der lautet:

„Wenn ihr so weiter macht, beginnen die Menschen sich wieder nach dem Sozialismus zu

sehnen“.

Diesen Worten ist wohl nicht viel hinzuzufügen.

Im Augenblick gilt es dafür zu kämpfen, dass der Gesetzgeber dafür sorgt, das Rentenrecht wieder an

sozial gerecht wird. Dazu kann das Rentenmodell der KAB beitragen. Wie schon einmal gesagt:

„Umbau der Sozialgesetze ja. aber Abschaffung nein“.Hierfür lohnt es sich zu kämpfen.

Die KAB wird sich weiterhin für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital einsetzen.

Weiterhin muss dafür gesorgt werden, dass die Sonntagsheiligung nicht noch mehr ausgehöhlt wird.

Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht am ein Urteil gesprochen, worauf immer wieder hingewiesen

werden muss, wenn versucht wird, die Sonntagsheiligung auszuhöhlen.

Es gibt noch viel zu tun:

„Packen wir es gemeinsam an“.

23

Neuss, im Januar 2000

Werner Müller

Grundlagen dieser Schrift sind:

„Kreuz und Hammer 100 Jahre KAB Düsseldorf“

Heiner Budde:

„Man nannte sie rote Kapläne“

Jürgen Aretz:

„Katholische Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus“

„Der 20. Juli“ (Herder Verlag)

Hinweis:

Diese Schrift wurde am 21.02.2011 aktualisiert

Am 11.11.2011 erfolgte eine neue Aktualisierung.

Der Autor