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GESCHICHTENWETTBEWERBS Die Preisträger des zum 110. Geburtstag von Erich Ohser - e.o.plauen 2013

Geschichtenwettbewerb / Preisträgerheft

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Geschichtenwettbewerbs

Die Preisträger des

zum 110. Geburtstag von

Erich Ohser - e.o.plauen2013

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Erich Ohser mit Sohn Christian

Mit freundlicher Unterstützung

Herausgegeben von derErich Ohser - e.o.plauen Stiftung

und dere.o.plauen-Gesellschaft e.V.

Illustrationen der 1., 2. und 3. Preisträgergeschichten:Manfred Sondermann

Bildgeschichten Erich Ohser:Vater und Sohn: „Der tapfere Schneemann“

© Südverlag GmbH, Konstanz, 2000

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Die Bildgeschichten von „Vater und Sohn“ laden seit ihrem ersten Erscheinen in den 1930er Jahren zum Nacherzählen und Weiterspinnen ein.

Anders als bei den unbesiegbaren Superhelden der Comics bestehen die beiden humorvollen Gestalten ihre Abenteuer des Alltages mit Menschenliebe und viel Phantasie. Dafür werden die „Parterreakrobaten des Lebens“, wie sie ein zeitgenössischer Kritiker nannte, von Jung und Alt ins Herz geschlossen. Sich auch aktiv schöpferisch mit der humanen Botschaft auseinanderzusetzen, war Ansporn für den Geschichtenwettbewerb 2013.

Gemeinsam hatte die Erich Ohser - e.o.plauen Stiftung mit der e.o.plauen-Gesellschaft e.V. aufgerufen, eigene Ideen zum Heldentum im Alltag und zum Verhältnis von Eltern und Kindern einzubringen und in vielfältiger Weise zu entwickeln. Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland sind diesem Aufruf gefolgt. Aus den rund 50 sehr qualitätsvollen und individuellen Einreichungen wählte eine Jury fünf Preisträger aus und vergab zusätzlich sechs Sonderpreise. Der bekannte Karikaturist Manfred Sondermann schuf exklusiv zu den Gewinnergeschichten Illustrationen. Die Ergebnisse werden in einer kleinen Sonderschau in der aktuellen Ausstellung im Erich-Ohser-Haus präsentiert und mit dieser Publikation gewürdigt.

Unterstützt wurde die Aktion auf großzügige Weise von der Stadt Plauen und den Stadtwerken Strom Plauen, ein besonderer Dank geht hier an Herrn Kober für sein so hilfreiches Engagement. Ebenso danken wir herzlich Manfred Sondermann, dessen schöner Beitrag den Bogen schlägt zur zeitgenössischen Kunst. Und wir danken besonders allen Teilnehmenden desWettbewerbs: sie haben es mit ihren jeweiligen Möglichkeiten vollbracht, die Idee von „Vater und Sohn“ in unserer heutigen Welt lebendig werden zu lassen. Das ist im Jubiläumsjahr, in dem e.o.plauen 110 Jahre alt geworden wäre - und die e.o.plauen-Gesellschaft e.V. ihr 20-jähriges Bestehen feiert, ein besonders schönes Geburtstagsgeschenk an den Künstler und seine Freunde.

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An einem schönen Samstag waren Vater und Sohn bei der Gartenarbeit. Plötzlich ruft der Sohn ganz laut: „Papa, Papa, dort oben sitzt unsere Katze fest!“ Der Vater hat geguckt, tatsächlich, auf dem Baum sitzt die Katze und traut sich nicht herunter zu kommen. Nun versucht der Vater auf den Baum zu klettern, ohne Erfolg. „Ich muss die Leiter holen“, sagt der Vater und geht in die Garage. In dieser Zeit sitzt der Sohn nicht rum und versucht die Katze zu rufen, den Baum zu schütteln, was aber nichts bringen würde. Dann holt der Sohn ein Plüschtier und wirft es hoch, da wo die Katze sitzt. Vom Schreck springt die Katze runter, aber das Plüschtier bleibt am Ast hängen. Der Sohn geht mit der Katze nach Hause abendessen. Der Vater kommt mit der Leiter und steigt auf den Baum. Wie groß ist die Überraschung, als er das Plüschtier sieht. „Das kann doch nicht wahr sein“, sagt der Vater. „Ich habe doch mit eigenen Augen unsere Katze gesehen?!“ Der Vater geht nach Hause und sieht folgendes: die Katze liegt auf der Couch und der Sohn guckt fern. „Wie hast du es geschafft, die Katze vom Baum zu holen?“ „Welche Katze, welcher Baum?“, fragte der Sohn. Nun meint der Vater heute noch, der hat davon nur geträumt…

1. Preis

Daniel BrauerStadt: BoppardAltersstufe: Klasse 5

Die Katze und der Baum

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5© Manfred Sondermann

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Finnja MüllErStadt: SpayAltersstufe: Klasse 5

Vater und Sohn: Langeweile2. Preis

An einem sonnigen Sonntagnachmittag saßen Vater und sein Sohn Willi nebeneinander auf der

Gartenbank und genossen die milde Frühlingsluft. Plötzlich kam ihr Hund Bello angerannt und stoppte

schlitternd vor dem Vater. Schwanzwedelnd stupste der Hund ihn sanft mit der Schnauze an. Der Vater

fragte: „ Na du, ist dir im Haus langweilig geworden, Bello?“ Dieser gab ein bestätigendes: „Wau“ von

sich. Der Vater lachte: „Ok, ich interpretiere das mal als „ja“. Na los, dann bring das Stöckchen her!“,

und schon schoss Bello auf der Suche nach einem Zweig davon. „Ähm Papa, wollen wir beide nicht ein

wenig Hockey oder Karten spielen?“, meldete sich nun auch mal der Sohn zu Wort. Doch da erschien

Bello wieder, mit einem dünnen Ast im Maul, den er hechelnd vor Vaters Füßen fallen ließ. Erwartungsvoll

schaute der Hund ihn an. „Willi, tut mir leid, aber jetzt spiele ich mit Bello, vielleicht später“, meinte Vater.

Betrübt nuschelte sein Sohn: „In Ordnung.“ Nun warf der Vater dem Hund das Stöckchen soweit er

konnte, dieser flitzte blitzschnell hinterher und kam nach einiger Zeit stolz mit dem Zweig zwischen den

Zähnen wieder. So ging das unzählige Male und der Sohn schaute gelangweilt zu. Er fragte den Vater

ärgerlich noch einmal: „Willst du JETZT vielleicht mal mit mir, statt mit dem blöden Köter, spielen?“

Doch der schnauzte Willi nur an: „Stör´ mich nicht, ich bringe Bello, der KEIN blöder Köter ist, gerade bei,

nicht nur Stöckchen, sondern auch Bälle wiederzubringen. Wenn dir langweilig ist, dann spiel´ mit deinen

Freunden.“ „Aber Papa, ich will mit DIR etwas machen“, warf der Sohn ein. „Keine Diskussion, ich muss

mich jetzt auf Bello konzentrieren und damit BASTA!“, schrie der Vater wütend. Die Zeit schien endlos

langsam zu vergehen, doch nachdem der Hund den Ball bestimmt schon tausend Mal wiederbrachte,

hatte der Sohn eine Idee. Er stand von der Gartenbank auf und rannte hinunter in den Wald. Verdutzt

sah der Vater ihm nach.

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Willi wartete bei einer Baumgruppe…… und hatte Glück. Der vom Vater

geworfene Ball schoss dicht gefolgt von Bello genau in seine Richtung. Willi

sprang hoch und fing den Ball ab. Dann beruhigte er den kläffenden Hund und

band seine Leine an einem Baum fest. Nun steckte er sich den Ball selbst in

den Mund und trat aus dem Schutz der Bäume hervor. Auf allen Vieren rannte

er hinauf zu seinem Vater, der bei Willis Anblick aussah, als käme plötzlich ein

Raumschiff auf ihn zu. Na ja, aber es ist ja auch wirklich sonderbar, wenn statt

dem Hund der eigene Sohn mit dem Bällchen im Mund angelaufen kommt.

Inzwischen war Willi bei seinem Vater angekommen, legte den Ball vor seinen

Füßen ab und sagte: „So, jetzt spielst du aber mit mir!“ Da änderte sich

der Gesichtsausdruck des Vaters. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem

freundlichen Lächeln, dann zu einem Lachen und plötzlich umarmte er seinen

Sohn ganz fest und flüsterte: „Tut mir leid, dass ich dich beschimpft und nicht

beachtet habe. Aber jetzt spiele ich mit dir, egal was dazwischen kommt,

uns kann nichts mehr davon abhalten!“ Der Sohn strahlte über das ganze

Gesicht. Er war sprachlos vor Freude. Sie hatten schon die Federballschläger

herausgeholt, als sie plötzlich ein klägliches Jaulen hörten. Der Sohn lachte:

„Oh Bello! Der Arme ist immer noch am Baum festgebunden! Ich mache

ihn los, dann kann er als Balljunge mitspielen.“ Kurze Zeit später schlugen

die beiden die Bälle hin und her und wenn einer den Ball verfehlte, rannte

Bello ihm nach und brachte ihn wieder. So wurde es doch noch ein schöner

Sonntagnachmittag für alle.

© Manfred Sondermann

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Oma kommt zu Besuch. Vater und Sohn bereiten alles vor. Da aber heute auch der 1. April ist, wollen

die beiden die Tradition, sich gegenseitig Streiche zu spielen, nicht vernachlässigen. Der Sohn backt

unauffällig in der Küche, während der Vater unter der Dusche steht, eine Pizza. Aber sie wird ungenießbar

werden, da er als Hauptzutaten Chilipulver und Pfeffer verwendet. Da der Vater sie noch nicht sehen soll,

versteckt der Sohn sie in der Mikrowelle. Der Vater aber ahnt das nicht und denkt schadenfroh, sein Sohn

hätte den Scherztag vergessen.

Nun plant er den ultimativen Streich. Plötzlich entdeckt er die Pizza, ohne zu wissen, dass sie manipuliert

ist. Da fällt ihm der gleiche Streich ein und er kippt doppelt so viel Gewürze auf das Gericht, versteckt

sie erneut und läuft schick gekleidet zur Tür. Oma ist nämlich da! Er begegnet dabei seinem ebenfalls

vornehm gekleideten Sohn. Beide schauen sich schadenfroh an. Dem Sohn schwirrt es durch den Kopf:

„Mein armer Vater wird sich vor Oma lächerlich machen. Er ahnt ja nicht das Geringste.“ Das Gleiche

denkt sich der Vater hämisch lachend auch. Als die Oma hereinkommt, wird sie von beiden herzlich

empfangen.

Als sie es sich im Wohnzimmer bequem machen, erzählt Oma, sie hätte ihren Kochkurs mit Erfolg

abgeschlossen und um ihr Talent zu beweisen, koche sie heute das Abendessen. Plötzlich entdeckt sie in

der Küche eine Pizza, erwärmt sie und schüttet erneut Chilipulver und Pfeffer auf sie, ohne zu wissen,

dass dies schon zweimal vor ihr getan worden ist. Da auch sie die Tradition noch erhalten möchte.

Als sie das Essen auf den Tisch stellt, wird Vater und Sohn ganz anders. Mit Schweiß auf der Stirn denken

sie: „Oh nein! Die manipulierte Pizza! Oma hat sie gefunden und um sie nicht zu verletzen, muss ich sie

jetzt essen!“ Langsam schieben sie die Pizza in den Mund. Als das mit viel Mühe geschafft ist, wird den

beiden erst schlecht, dann sehr heiß und anschließend halten sie es nicht mehr aus, rennen ins Bad und

schütten sich literweise Wasser in den Mund.

Da der Streich von Oma geglückt ist, muss sie hinterhältig und schadenfroh lachen!

3. Preis

alBina HaljitiStadt: SpayAltersstufe: Klasse 5

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein

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9© Manfred Sondermann

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4. Preis

Finn BacHMannStadt: UrbarAltersstufe: Klasse 5

Niemals im Haus Fußball spielen

Eines Tages war Papa arbeiten. Also war sein Sohn für zwei Stunden allein daheim. Diese Gelegenheit

ließ er sich nicht entgehen. Denn sofort rannte er in den Keller und holte seinen Fußball. Er schoss die

ganze Zeit in der Wohnung hin und her. Zuerst ging das noch gut. Aber dann schoss er auf einmal gegen

ein Fenster. Dadurch entstand ein großer Riss in der Scheibe. Dann hatte er Panik, dass er Hausarrest

von seinem Papa bekäme. Er ging hin und her. Doch ihm fiel einfach nichts ein. Aber dann hatte er

die Idee, einfach die ganze Fensterscheibe raus zu nehmen, denn dann sähe das ja so aus, als wäre

die Scheibe noch drin, dachte er sich. Also tat er das ganz vorsichtig. Die Glasscherben versteckte er in

seinem Zimmer. Als er fertig war, kam gerade sein Papa heim. Papa fragte, ob alles gut gelaufen sei. Sein

Sohn antwortete: „Ja, ja, alles gut.“ Dann wollte Papa die Fenster putzen. Sein Sohn wollte ihn davon

abhalten. Aber er ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Als er dann an der Stelle ankam, wo

kein Fenster mehr war, war es schon zu spät. Denn er fiel kopfüber durchs Fenster. Aber sein Sohn hat

schnell genug geschaltet und geschwind sein Planschbecken unter das Fenster geschoben. Mit einem

großen „Platsch“ fiel der Vater ins Becken. Als er rauskam umarmte er seinen Sohn richtig und sagte:

„Du kriegst nie wieder Hausarrest, versprochen!“

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5. Preis

julia StOckErStadt: Radolfzell14 Jahre

Vater und Sohn beim Angeln

Es war Mitte September und Vater und Sohn machten einen Angelausflug. Mit dem Fahrrad und viel Gepäck machten sie sich auf den Weg zum See. Sie luden alle Sachen ins Boot und ruderten mit angelegten Schwimmwesten auf den See hinaus.Der Vater erklärte dem Sohn, wie man eine Angel auswirft. Eine halbe Stunde verging, ohne dass sich etwas rührte. Endlich spannte sich die Schnur. Der Sohn jubelte: „Ha, ich habe vor dir etwas an der Angel.“ Mit Schwung holte er die Angel ein. Doch der vermeintliche Fisch war nur ein verrostetes Küchensieb. Die Schadenfreude machte sich auf dem Gesicht des Vaters breit. Als es dann auch an seiner Angel ruckte, sagte er zum Sohn: „Schau, das ist bestimmt ein großer Fisch.“ Er zog die Angel ein und siehe da: ein alter Stiefel. Jetzt grinste der Sohn. Bis kurz vor 12.00 Uhr hatten sie ihr Glück versucht. Nun war ihr Boot voll mit Gegenständen, aber ein Fisch war nicht dabei. Beim Ausladen des Bootes leerte der Sohn den Stiefel am Rand des Sees aus und zum Vorschein kam eine große Forelle, die in die Freiheit schwamm. Der Vater beklagte sich beim Sohn: „Nein, jetzt schwimmt unser Mittagessen davon.“ Der Sohn sagte: „Wir haben zwar nichts gefangen, aber der See wurde vom Müll befreit.“ „Ja, du hast recht, lass uns nach Hause gehen.“, stimmte der Vater ihm zu.

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Sonderpreis

anaStaSia ScHnEiDErStadt: PlauenAltersstufe: Klasse 5

Vater und Sohn auf Geisterjagd

„Leo und sein Vater sind sehr berühmt, weil sie so ein gutes Team sind, werden sie auch als Vater und Sohn Denkmal ausgestellt.“Wie ja die meisten Leute wissen, gibt es keine Geister. Die hat sich irgendwann mal so ein Dummkopf ausgedacht, um kleine Kinder zu erschrecken. So kleine zehnjährige Jungs wie Leo. Heute in der Schule hatte ihm jemand erzählt, es gäbe im Stadtpark ein Wassergespenst, das um Mitternacht im Ententeich sein Unwesen treibe. Leo war zusammengezuckt und hatte seine Schultasche fallengelassen. Leider genau auf den Fuß des miesepetrigen Geschichtslehrers. Der hatte ihn böse angeguckt und ihm eine extra Hausaufgabe verpasst. Jetzt war er auf dem Weg nach Hause. Er trat ärgerlich in die Pedale und dachte dabei: „Mensch, ich bin auch der größte Antiheld des Universums.“ Antihelden sind Leute, die bei jeder Kleinigkeit zusammenzucken und wenn´s darauf ankommt, feige wegrennen. Vor lauter düsteren Gedanken merkte er die Hauswand nicht, auf die er zufuhr und donnerte mit dem Fahrrad dagegen. Er fand sich prompt auf seinen vier Buchstaben wieder. Er starrte fassungslos sein Fahrrad an, welches einen Reifen verloren hatte. Der Reifen rollte über den Gehsteig. Leo sprang auf und wollte ihn stoppen, aber komischerweise wurde er immer schneller. Nach zwei Minuten gab Leo es auf und stapfte entmutigt mit dem kaputten Fahrrad nach Hause zu seinem Vater. Der empfing ihn lächelnd. „Na Leo, wie war´s denn in der Schule heute?“, fragte er. „Scheiße!“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ooch, du Armer“, sagte sein Vater mitleidig und nahm ihn in den Arm. „Was war denn so schlimm?“ „Ach naja, erst hat mir jemand eine Gruselgeschichte über ein Wassergespenst im Ententeich erzählt, dann ist mir meine Schultasche runtergerutscht und auf den Fuß vom Geschichtslehrer gefallen, der hat mir zusätzliche Hausaufgaben über den „völlig unsinnigen“ Glauben an Dämonen im 15. – 17. Jahrhundert verpasst und zu guter Letzt bin ich gegen die Hauswand gedonnert und mein Fahrrad hat dabei einen Reifen verloren, der plötzlich ganz schnell fort gerollt ist, so dass ich ihn nicht wieder einfangen konnte“, jammerte Leo. „Autsch, das klingt nach einer fetten Beule“, seufzte sein Vater mitleidig. Leo schüttelte den Kopf. „Eine Beule ist es zum Glück nicht.“ „Gib mal dein Rad her, ich repariere es jetzt gleich“, sagte der Vater. Leo nickte und fühlte sich gleich besser. Er durfte sogar beim Zusammenbauen helfen. „Oh Mist, die Kette ist auch gerissen und die Lampe ist verdreht“, stöhnte er. „Ach lass mich nur machen“, lachte sein Vater und fing an, mit Hammer und Meißel die Lampe abzuklopfen um sie durch eine neue zu ersetzen. Die sah lustig aus. So eckig mit

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grünem Licht. Danach bat er Leo, die Kette fest zu halten. Er versuchte sie mit Leim zusammenzukleben, aber da das nichts nutzte, verband er sie durch Seile mit dem Rad, was, o Wunder, funktionierte. Danach war der Reifen dran. Weil kein anderer da war, wurde der durch einen Autoreifen ersetzt. Als Leos Vater das neue alte Rad stolz hinstellte, bekam Leo einen Lachanfall und sein Vater lachte mit. Jetzt sah es wie ein Fahradwagenauto mit Monsterlampe aus! Darf ich mal eine Proberunde fahren?“, fragte Leo. „Na klar, aber bitte komm spätestens acht Uhr zum Kartenspielen zurück!“, antwortete sein Vater. „Ok!“ Leo fuhr mit dem Rad zum Ententeich. Es klappte prima. In diesem Zustand war das Fahrrad sogar schneller als zuvor. Die Bäume spiegelten das Sonnenlicht. Leo schaute genießerisch nach oben. Dies war ein wirklich schöner Sommertag! Ups! Hätte er noch länger nach oben geschaut, hätte er beinahe seinen Freund Nils überfahren. Er bremste im letzten Moment ab.

„Hey cooles Teil“, sagte er und grinste. „Ja, hat mein Vater repariert,“ erklärte Leo Nils stolz. „Ich wollte damit gerade zum Ententeich fahren, kommst du mit?“ „Was zum Ententeich? Aber der fette Theodor aus der 10. hat mir erzählt, dort würde ein Wassergespenst…!“ „Ja, das hat er mir auch erzählt, aber das ist doch völliger Quatsch“, unterbrach ihn Leo. Nils seufzte: „Na gut, ich komme mit.“ So gingen die zwei gemeinsam zum Teich. Dort angekommen, durfte Nils Leos Fahrrad auch mal ausprobieren. Er sauste damit um den gesamten Teich. „Hey!“, rief er auf einmal und bremste. „Da liegt ja ein Fahrradreifen im Teich, das ist Umweltverschmutzung!“ „Zeig mal!“, verlangte Leo und stellte sich neben ihn. Und tatsächlich, da lag einer und Leo erkannte ihn sofort wieder!

„Hey, das ist ja meiner!“, rief er überrascht. „Wie, das ist deiner?“, fragte Nils erstaunt. „Na der ist mir heute vom Fahrrad abgesprungen und so schnell fortgerollt, dass ich ihn nicht mehr einholen konnte“, informierte Leo seinen Freund. Der schluckte beklommen. „Wie zum Kuckuck kann ein Fahrradreifen vom Albertplatz bis hier her zum Teich gelangen?“, wisperte er ängstlich. „Vielleicht gibt es das Ententeichgespenst wirklich“, jammerte Leo. Nils nickte. Er zog seine Schuhe aus und krempelte die Hosen hoch. Dann watete er in den See und zog an dem Reifen. Da fing das Wasser plötzlich an zu blubbern. Mit einem Kreischer verlor Nils das Gleichgewicht und plumpste in den See. Panisch ruderte er mit den Armen. „Hilfe, mich zieht etwas nach unten!“, schrie er. Leo lief ohne nachzudenken ebenfalls in den Teich und versuchte Nils hoch zu ziehen. Da er aber so wild strampelte, fiel Leo auch ins Wasser. Dort spürte er wie sich eine Hand um sein Bein schlang und ihn nach unten zog. Wäre jetzt nur sein Vater da! Der hätte ihnen bestimmt aus der Patsche helfen können! Aber es kam jemand anderes. Anna, eine Klassenkameradin von Leo und Nils, die eigentlich nur einen friedlichen Spaziergang genießen wollte. Vom Geschrei der beiden Jungs angelockt, rannte sie zu der Stelle, an der sie ins Wasser gestiegen waren. Als sie die zwei Panikschreihälse sah, erschrak sie selber so,

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dass ihr ihre frechen Zöpfchen noch mehr vom Kopf abstanden als sonst. „Was macht ihr denn für einen Blödsinn?“, rief sie. „Jemand will uns in den Teich tunken, das Wassergespenst“, schrie Nils. „Oh Mann Jungs“, stöhnte Anna und watete mit Schuhen ins Wasser. Dort tauchte sie unter. Was sie sah, war grässlich. Eine blaue Fratze mit Algenhaaren und Algenkleidung zerrte mit einem Arm an Nils, mit dem anderen an Leo. Kurz entschlossen klatschte sie dieser Fratze eine hinter beide Ohren. Sie ließ die Jungs los, die panisch ans Ufer paddelten. Anna beeilte sich auch aus dem Wasser zu laufen. Am Ufer angekommen, rannten sie so schnell sie konnten davon. Na ja, Leo fuhr mit dem Fahrrad. „Sollten wir es deinem Vater erzählen?“, fragte Anna Leo. „Ach, der glaubt uns kein Wort“, protestierte Nils. „Mein Vater glaubt mir alles, der hat mich ganz doll lieb, das zeichnet einen guten Vater eben aus, ich wäre einverstanden es ihm zu sagen“, stimmte Leo Anna zu. „Ok!“, sagte Nils. Als die pitschnassen Kinder bei Leo zu Hause angekommen waren, jammerten sie seinem Vater gleich die Ohren mit der Geistergeschichte voll. „Oh Mann, ihr seid echt witzig“, kicherte der Vater. „Aber wenn es euch so wichtig ist, können wir heute Nacht gerne eine Gespensterjagd veranstalten.“ Die Kinder waren begeistert.

Mitten im Jubelgeschrei klingelte das Telefon. Nils Mutter war dran. Er sollte sofort nach Hause kommen. Dann rief auch Annas Mutter an. Na toll! Dabei hatten sich die beiden so gefreut! Niedergeschlagen verließen sie das Haus. „Sag uns morgen wenigstens, wer der Geist war!“, rief Anna noch, dann flog die Türe zu. Um viertel vor 24 Uhr, der Geisterstunde, schlichen sich Leo und sein Vater aus dem Haus. Wenn sie jemand so gesehen hätte, wie sie jetzt aussahen, der hätte sicher ganz schön doll gelacht. Leo hatte eine Hockeyuniform mit Helm an und sein Vater ein weißes Bettlaken, der Geist sollte schließlich denken, sie wären auch welche und so wollten sie ihn anlocken und gefangen nehmen.

Mit anderen Eltern hätte man so etwas nicht tun können. Die hätten einen Schreikrampf bekommen. Aber Leo fand es wichtig, dass in einer Familie Spaß und Fröhlichkeit herrschen, sonst war es keine gute! Zum Glück hatte er den lustigsten, humorvollsten und nettesten Vater erwischt. „Pssst!“ Sein Vater blieb plötzlich stehen. Sie waren am Ententeich angelangt. „Im See blubbert was“, flüsterte er aufgeregt. Ja! Jetzt sah Leo es ebenfalls. Und in dem Ring, der sich auf dem Wasser bildete, erschien ein dünnes Strohhälmchen. „Wir haben den Geist“, rief Leo. „Jetzt müssen wir ihn zu uns locken, damit wir ihn einfangen können“, flüsterte sein Vater. „Und zwar schreien wir jetzt beide ganz laut: Huuhuuu!“ Leo und sein Vater schrien also aus Leibeskräften: „Hu!“ Aber halt, nicht nur sie. Von der anderen Uferseite schallten ebenfalls Rufe. „Haaa, hooo, huuuuh, iiiiih, heeeey!“ „Häh, es gibt zwei Gespenster?“ Leo, das hättest du mir ruhig mal sagen können, jetzt sitzen wir ja gewaltig in der Patsche“, jammerte sein Vater. „Nein, es gibt nur ein einziges blödes Wassergespenst, das schwöre ich“, protestierte Leo. „Und wer hat dann Huhaaaheeehiii oder so ähnlich gerufen?“, fragte sein Vater. Blub!

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In diesem Moment schoss ein fettes, blaugrünes Monster mit Algenhaaren aus dem Teich. Leo schrie, sein Vater auch, auf der anderen Uferseite rannten zwei Leute. Platsch! Das Monster landete vor Leo und seinem Vater. „Gute Nacht, Leo“, kicherte es und irgendwie kam ihm die Stimme bekannt vor. Hatte er sie nicht heute Vormittag in der Schule gehört? „Leo, alles in Ordnung?“, fragten plötzlich zwei Stimmen hinter Leo. „Nils und Anna! Was macht ihr denn hier?“, fragte Leo irritiert. „Na wir konnten doch nicht zulassen, dass dir was passiert, deshalb haben wir uns von zu Hause fort geschlichen, um dir zu helfen.“

Inzwischen hatte sich das fette Gespenst aufgerappelt und floh. Die vier rannten hinterher. Leos Vater schwang dabei sein Bettlaken und schrie wie ein Indianer. Er hatte den fetten Geist fast erreicht, da rutschte er aus und landete im Matsch. Leo stolperte über ihn. Nils und Anna blieben erschrocken stehen. Leo und sein Vater mussten lachen. „Schnell, weiter, sonst entwischt uns der Klops!“, keuchte Leo. Der Klops allerdings rannte sehr, sehr langsam. Die vier hatten ihn bald eingeholt und packten ihn. So sehr er auch zappelte, vier gegen einen war einfach zu viel. Schließlich gab er nach. „Hey, der hat ja eine Maske auf“, rief Anna plötzlich und zog an den Algenhaaren. Und tatsächlich. Es war nur eine Maske. Darunter kam ja tatsächlich das Gesicht vom fetten Theo zum Vorschein, der Leo in der Schule die blöde Wassergespenstergeschichte erzählt hatte. „Na sieh mal einer an!“, knurrte Leo sauer. „Du mieser Fettklops hast uns so einen Schreck eingejagt! Woher wusstest du überhaupt, dass wir hier um Mitternacht herkommen?“, fragte Leo. „Ich bin euch gefolgt, als ihr vom Ententeich nach Hause gerannt seid“, gab er mit kläglicher Stimme zu. „Aha, dahin gehen wir jetzt auch und du verschwindest vom Teich, spiel woanders Gespenst!“, schimpfte Leos Vater. Der Fettklops verzog sich auch ohne ein weiteres Wort. Alle vier mussten laut lachen, so dass es gespenstisch um den nächtlichen Teichbereich herum schallte. Als sich alle wieder eingekriegt hatten, sagte Leo: „Danke, ohne

euch hätten wir zwei, ich und mein Vater, das nie hingekriegt“, bedankte er sich bei Anna und Nils. „Ach keine Ursache, gute Freunde sind doch immer da, wenn man sie braucht“, sagten diese. „Genau, wir sind heute alle Superhelden gewesen!“, sagte der Vater „Und Leo, du musst doch diese extra Hausaufgabe über Geister und Dämonen abgeben. Schreib doch mal von unserem nächtlichen Ausflug, da gibt dir dieser Geschichtslehrer bestimmt ein Lob und wenn nicht, komme ich höchstpersönlich vorbei und schleudere ihm das weiße Bettlaken hier gehörig um die Ohren!“

Christian Ohser

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Sonderpreis

MarlEna ScHwOtzErStadt: ZedwitzAltersstufe: Klasse 6

Doppeltes Spiel

„Raus aus den Federn, Samuel! Die Sonne ist schon aufgegangen!“ Verschlafen blinzelte ich in das grelle Morgenlicht. „Schon? Ach nö!“, gähnte ich und sah verstört in das fröhliche Gesicht meines Vaters. Doch schließlich schaffte er es trotzdem, mich aus dem Bett zu locken, indem er mir von einer tollen Überraschung erzählte. Die sollte ich aber erst erfahren, wenn ich unten am Frühstückstisch saß. Als ich endlich mit dem Frühstück begann, strahlte mich mein Vater an wie ein Honigkuchenpferd. Gespannt sah ich zu ihm auf. „Was ist das für eine Überraschung, Papa?“ Auf diese Frage schien er nur gewartet zu haben. „Also“, fing er an, „da du ja so gerne Fußball spielst, habe ich mir überlegt, dass wir mal eine kleine Tour zum Fußballstadion in München machen und uns das Spiel von Bayern gegen Madrid ansehen.“ In mir sank alles zusammen. Fußball! Dabei hasste ich Fußball abgrundtief. Es war doch total langweilig, zuzuschauen, wie irgendwelche Leute immer nur einen Ball hin und her schossen und ihn vielleicht in ein Tor beförderten. Ich starrte angestrengt auf meinen Teller, damit mein Vater mir mein Entsetzten nicht aus dem Gesicht lesen konnte. „Oh…Wie toll.“, würgte ich mühsam hervor. Ich konnte meinen Vater einfach nicht enttäuschen. Ich wusste genau, dass er so gern einen Sohn hätte, der diese Sportart genauso liebte wie er. Ich stopfte mir schnell eine weitere Portion Cornflakes in den Mund, damit ich nicht noch mehr reden musste. Doch mein Vater schien nichts bemerkt zu haben. „Ich freue mich schon sehr!“, grinste mein Vater. „Wann sind wir denn wieder da?“, wagte ich eine Frage. „Ungefähr um 10.“ Ich fiel fast von meinem Stuhl. Soo lange? Eigentlich wollte ich noch mein neues Songbook testen. Und überhaupt, singen machte mir viel mehr Spaß als bei irgendwelchen blöden Fußballspielen zuzusehen.

Nach einiger Zeit saß ich bekümmert mit meinem Vater im Auto. Ich schaltete das Radio an und sang wenigstens im Auto mit. „Hallelujaaaah…!“ „Hör auf! Du brüllst ja ganz Deutschland zusammen!“, beklagte sich mein Vater entgeistert. Gekränkt verstummte ich und tat die ganze Fahrt keinen Mucks mehr. Das Spiel erwies sich als öde, ohrenbetäubend laut und menschenüberfüllt. Mein Vater kommentierte wie immer das ganze Fußballspiel und brüllte solche Sachen wie „Foul!“, „Tor!“ oder „Aus!“. Ich war also froh, als ich wieder zu Hause auf meinem Bett lag und mein Songbook in den Händen hielt. Um es auszuprobieren, war heute jedoch leider keine Zeit mehr. Ich freute mich schon, morgen gleich mit dem Singen anzufangen. Kurz darauf ging die Tür auf und mein Vater kam hinein. „Was machst du denn da?“ Er trat an mein Bett und griff nach meinem Buch. „Ein Gesangsbuch? Mensch, Samuel, welche alte Tante hat dir das denn schon wieder in die Hand gedrückt?! Schau, hier hab` ich was viel besseres für dich!“ Damit zog er stolz ein Magazin aus

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seiner Tasche und hielt es mir grinsend unter die Nase. „Oh nein!“, dachte ich bestürzt, als ich erkannte worum es sich handelte: ein Fussballstickerheft. „Aber das hätte doch nicht sein müssen!“, stammelte ich betreten. „Ach, für meinen Sohn tue ich doch alles, vor allem beim Fußball.“ Wie wahr! Ich zwang mir ein gequältes Lächeln ab. Kannte er mich wirklich so schlecht? „Ach ja, …“, fuhr er fort, „morgen fahre ich dich zu deinem Fußballspiel und schaue mir mal an, wie gut du schon spielst.“ Er zwinkerte mir erwartungsvoll zu. „Bestimmt bist du einer der Besten in der Mannschaft!“ Mist! Dabei schoss ich fast nie ein Tor und wurde fasst immer nur als Auswechselspieler benutzt. „Na dann“, meint mein Vater. „Bis Morgen. Ich freu mich schon auf das Fußballspiel. Gute Nacht!“ Damit knipste er das Licht aus und schloss die Tür hinter sich. Ich hörte, wie seine Schritte sich entfernten. Dunkelheit umgab mich. Obwohl ich mich entkräftet und müde fühlte, konnte ich einfach nicht einschlafen. War es wirklich richtig zu lügen, nur damit er glücklich war? Aber ich wollte doch nur das Beste für ihn! Doch was war es, das Beste? Ich wälzte mich in meinem Bett hin und her. Es konnte doch nicht ewig so weitergehen! Ich seufzte bedrückt und sank endlich in einen ruhelosen Schlaf.

Am nächsten Morgen traf mich der Gedanke an das Fußballspiel wie eine Bombe. Als ich auf dem Weg zum Fußballplatz verkrampft im Auto neben meinem Vater saß, überlegte ich verzweifelt, wie ich ihm meine Unfähigkeit in Sachen Fußball beibringen sollte. Hoffentlich war er nicht zu enttäuscht. Konnte ich ihm nicht doch von meinem heimlichen Talent erzählen? Doch da hielt der Wagen mit einem Quietschen auch schon an. „So, wir sind da!“, rief mein Vater fröhlich und rieb sich eifrig die Hände. Eine halbe Stunde später saß ich mal wieder auf der Ersatzbank. Mein Vater hatte gemurrt: „Pah, die verstehen doch sowieso nichts von guten Spielern. Ausgerechnet dich müssen sie auf die Ersatzbank setzten!“ Zitternd hockte ich nun also auf dieser alten rostigen Bierbank. Ich hoffte, dass der Trainer so nett war, mich nicht einzuwechseln.

Doch da hatte ich falsch gedacht. In meiner Langweile schweifte mein Blick zu dem Platz des Trainers. Plötzlich erkannte ich voller Schreck neben ihm meinen Vater! Ich schluckte trocken und beobachtete die zwei mit starrem Blick. Entsetzt bemerkte ich, dass mein Vater wild gestikulierte und immer wieder in meine Richtung zeigte. Instinktiv duckte ich mich und hoffte, dass mich die beiden nicht mehr sahen. Ich warf einen panischen Blick auf meine Uhr. Noch eine viertel Stunde. Aber meine Hoffnungen waren vergeblich. Schon ertönte ein schriller Pfiff, der eindeutig aus der T(h)rillerpfeife des Schiedsrichters kam. Ein schweißgebadeter Mitspieler humpelte erschöpft vom Platz und der Trainer winkte mich heran. Neben ihm stand mit zufriedenem Gesicht mein Vater und streckte mir die Daumen nach oben.

Mit klopfendem Herzen trat ich auf den grünen Rasen. Ich spürte die Augen meines Vaters auf meinem verschwitzten Rücken. Der Anpfiff dröhnte wie eine Schiffssirene in meinen Ohren. Ich durfte mich einfach nicht blamieren und meinen Vater enttäuschen! Mit aller Kraft konzentrierte ich mich auf den Ball. Jetzt half nur noch schauspielern. Mit klopfendem Herzen rannte ich ein paar Meter an den Fußball heran, tat so, als ob die Entfernung abschätzen würde und hoppelte wieder ein paar Schritte weg.

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Aber der blöde Spieler, der den Ball gerade hatte, war einer meiner Mannschaft und schoss ihn direkt vor meine Füße. Jetzt war ich gefordert! Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, mein ständiges Zittern unter Kontrolle zu halten. Dann fing ich an. Ich dribbelte den weißen Ball über den Rasen, direkt auf das Tor zu. Wie in Trance konzentrierte ich mich auf den Ball. Ich vernahm, wie meine Mannschaft mir etwas zu schrie und der Trainer hektisch mit den Armen ruderte. Mein Blick war immer noch fest auf die vor mir her rollende Kugel geheftet. Und auf einmal war ich mir ganz sicher, jetzt ein Tor zu schießen. Aus dem Augenwinkel sah ich die Torpfosten langsam näher kommen. Ich wollte mit einem unerwarteten Angriff überraschen. Ich wunderte mich zwar, warum keiner der Mitspieler mir folgte, nutzte die Chance aber aus. Ich machte mich bereit, kam nahe genug an das Tor heran und schoss. Jetzt erst sah ich erwartungsvoll auf. Lautes Geschrei und Gejohle dröhnte in meinen Ohren. Der Ball war tatsächlich ins Tor gerollt! Ich wollte schon die Arme in die Höhe reißen, da rutschte mir das Herz in die Hose - der Torwart, der mich gerade erbittert anblitzte, war aus meiner Mannschaft!

Doch das konnte nur bedeuten, dass – oh Mann, das konnte doch nicht sein! Ich hatte ein Eigentor geschossen! Jetzt war es aus. Ich hatte mich blamiert. Ich hatte mich vor meinem Vater blamiert. Ich schlug mir die Hand vor den Kopf und konnte mir zu gut den aufgebrachten Vater vorstellen, entsetzt über seinen untauglichen Sohn, Samuel. Eine wütende Stimme riss mich aus meinen bitteren Gedanken. Der Mannschaftskapitän! Seine dunkelgrauen Augen funkelten giftig. „Was hast du dir nur dabei gedacht, einfach auf das eigene Tor zu schießen?! Wegen dir hat die andere Mannschaft einen Punkt gewonnen! Wer ist eigentlich auf die Mistidee gekommen, dich mitspielen zu lassen? Du hockst doch eh immer nur auf dieser Bank herum!“ Hämisch musterte er mich von oben herab. Schließlich spuckte er verächtlich ins Gras und wandte sich schnaubend ab. Pah! Als ob ich mit Absicht ein Eigentor geschossen hätte. Ich streckte ihm hinter seinem Rücken die Zunge heraus.

Als ich zehn Minuten später schwitzend und mit klopfendem Herzen vom Spielfeld trat, hätte ich mich normalerweise gefreut, dass es geschafft war. Normalerweise. Denn heute wartete mein wutentbrannter Vater am Auto und das war nicht gerade das, was ich im Moment gebrauchen konnte. Wie konnte ich ihm nur dieses verdammte Missgeschick beibringen? Bekümmert trottete ich in Richtung des Autos. In meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. Verzweifelt versuchte ich, meine ständig zunehmende Angst zu unterdrücken und starrte verbissen auf den staubigen Asphalt. Und da war er. Mein Vater lehnte am Fahrzeug, die Arme verschränkt und schien mich gar nicht zu bemerken. Doch ich wusste, dass er alle seine Sinne auf mich gerichtet hatte. In seiner Miene lag Ärger und Enttäuschung. Ich holte tief Luft und murmelte betreten: „Hallo Papa. Sorry, es tut mir wirklich leid, ein Eigentor geschossen zu haben. Ich hab einfach nicht ….“ Doch mein Vater fiel mir energisch ins Wort: „Überhaupt nicht, Samuel, das ist doch nicht deine Schuld! Ganz allein der Trainer ist verantwortlich für diesen Schlamassel. Dieser Typ hat doch überhaupt keine Ahnung von Fußball!“ Ich glaubte, mich verhört zu haben. Verunsichert wollte ich etwas einwenden, doch mein Vater ließ mich nicht zu Wort kommen. „Dieser Trainer ist nichts wert, deswegen werde ich dir ab jetzt noch extra Stunden geben. Das ist doch mal was, nicht?“

Er strahlt mich stolz an. Was?! Hatte dieser grauenhafte Fußballwahn meines Vaters denn niemals ein Ende? Nein? Dann musste ich ihm ein Ende machen! Ich konnte doch nicht für immer und ewig etwas tun, das mir überhaupt keinen Spaß machte. Ohne zu überlegen donnerte ich los. „Nein, nein, nein!! Ich will keine miesen Extrastunden, ich will keinem dummen Ball hinterher rennen und ich will mir auch nicht ständig irgendwelche öden, langweiligen Fußballspiele und Magazine angucken! Ich hasse Fußball! Ich bin nicht so wie du! Ich habe andere Interessen.“

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Entsetzt stoppte ich. Was hatte ich da gerade eben gesagt? Jetzt war alles raus.

Mein Vater starrte mich mit offenem Mund an. Nun tat er mir leid. Er hatte sich

doch immer so viel Mühe mit mir gemacht! Andererseits war ich jedoch auch

froh, es endlich gesagt zu haben. Verblüfft ließ mein Vater die Arme sinken. Noch

immer brachte er kein Wort heraus.

Mein Mitleid verwandelte sich in Angst. Was würde jetzt geschehen? Würde

mein Vater schimpfen? Würde er nie mehr ein Wort mit mir sprechen? Oder

würde er sogar verrückt werden? Ich traute ihm alles zu. „Komm, wir fahren

los.“ Die Stimme meines Vaters war tonlos und ungewohnt schwach.

Er öffnete die Autotür und ließ sich auf den Sitz fallen. Verzagt stieg ich ein.

Steif wie ein Stock saß ich neben ihm und wagte kaum zu atmen. Während

der Autofahrt sprachen wir kein Wort und langsam wurde meine Verzweiflung

immer größer. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen. Als mein Vater die Haustür

mit einem Ruck aufmachte, dämmerte es schon. Ich schluckte nervös. Wie viele

Minuten, wenn nicht Stunden würde mein Vater noch in Schweigen verbringen.

Doch er brach die Stille schneller als ich gedacht hatte. „Samuel“, fing er mit

leiser Stimme an. „Warum hast du mir nie erzählt, was du von Fußball hältst?“

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch antwortete ich: „Na ja…, du hast dir

immer so viel Mühe mit dem ganzen Kram gemacht. Und du selber bist doch

so ein großer Fußballfan. Ich – ich wollte dich nicht enttäuschen.“ Ich blickte

betroffen zu Boden. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie blöd das alles klang.

Mein Vater sprach weiter: „Das ist meine Schuld. Schließlich habe ich dich nie

richtig gefragt, womit du dich wirklich gerne beschäftigen würdest. Aber ich

wollte doch nur so ein Vater sein, wie ich ihn mir früher immer gewünscht hatte.

Ich wollte dich nur fröhlich machen. Du hättest es mir gleich sagen sollen.“

„Ich weiß…tut mir leid.“ „ Na ja. Aber was hast du denn dann für Hobbies,

ich meine, wenn du Fußball nicht magst….“ Ich zeigte auf das Songbook, das

aufgeschlagen auf dem Esstisch lag. Mein Vater machte ein überraschtes Gesicht.

„Singen? Ich dachte, das wäre eher Mädchenkram?! Aber gut, du musst es ja

wissen. Vielleicht finden wir sogar einen Chor, bei dem du teilnehmen kannst,

was meinst du?“

Auf einmal hellte sich seine Miene auf: „Also hat dir dieses Gesangsbuch gar

nicht eine alte Tante geschenkt!“, lachte mein Vater. Ich lachte mit. Noch nie in

meinem Leben war ich so glücklich gewesen.

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Comicpreis

Paul rüDESHEiMTitel: Schönes KonzertStadt: NiederburgAltersstufe: Klasse 5

Schönes Konzert

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Anerkennungspreis

FlOra PaulinE HOHlFElDStadt: Kirchseeon9 Jahre

Der wehrhafte Schneemann

Nick baute im Winter einen Schneemann. Es wurde Nacht. Da kam der Nachbar und machte den

Schneemann kaputt. Er lachte noch fröhlich. „Der Mistkerl“, dachte der Schneemann. Und als Nick

am nächsten Morgen nach seinem Schneemann gucken wollte, war er kaputt. Nick schluchzte. Papa

rief: „Was ist denn los Nick? Warum weinst du denn?“ „Papa, jemand hat meinen Schneemann kaputt

gemacht“, antwortete Nick traurig. „Das bekommen wir schon hin. Ich weiß auch schon was wir

machen“, berichtete Papa überglücklich und gut gelaunt. Papa flüsterte Nick etwas ins Ohr.

Papa verkleidete sich als Schneemann. Später versteckte sich Nick hinter dem Fenster und schaute immer

wieder aus dem Fenster. In diesem Moment erkannte Nick seinen Nachbarn, der aus Spanien kam. Er

hieß Herr Popelfurz. Er hatte immer blaue Zähne.

Da haute er den Schneemann, also Papa. Jetzt gab Papa Herrn Popelfurz einen kräftigen Tritt mit dem

Fuß. Nick lachte und lachte und konnte nicht aufhören. Während er aufstand und sich umdrehte, sah er

Nick und den Schneemann, der lachte. Zuerst sah er nicht, dass er nicht mehr so stand wie vorhin.

Herr Popelfurz lachte nicht mehr, er sah wütend aus. Anschließend machte er es nie wieder.

Nick und Papa hatten noch einen schönen Tag.

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Vater und Sohn: „Der tapfere Schneemann“

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Anerkennungspreis

lEa DörinGDEniSE DörinGjulian kurzEnDörFErOrt: Döhlau / Plauen9 / 10 Jahre

Vater und Sohn und das lange Seil

Es war einmal an einem sonnigen Nachmittag, da gingen Vater und Sohn spazieren. Als sie eine kleine Pause machten, entdeckte der Vater ein Baumhaus. Er rannte sofort mit seinem Sohn zum Baumhaus und schnappte sich das lange Seil. Der Sohn schrie zum Vater: „Vater, Vater tu es nicht!“ Doch der Vater hörte nicht auf seinen Sohn. Dann holte er viel Anlauf und schwingt sich so arg nach oben, dass er auf dem Dach des Baumhauses landet. Das Dach krachte sofort zusammen und der Vater fiel in den Sessel und kippte nach hinten um, so dass die Beine in die Luft hingen. Der Sohn konnte vor Lachen nicht. Der Vater wurde stinksauer. Da rannte der Sohn weg und der Vater hinterher. Der Sohn rannte und rannte, bis er nicht mehr konnte. In dieser Sekunde schnappte sich der Vater den Sohn und wollte ihm den Hintern versohlen, aber….???

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jOSua BittnErOrt: Pfaffengrün12 Jahre

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Erich Ohser hat die Stadt Plauen in seinem Künstlernamen verewigt. Und „Vater und Sohn“ sind im heutigen Alltagsleben der vogtländischen Stadt vielerorts präsent. Das eigentliche „Schatzhaus“ der Pflege des künst-lerischen Erbes Erich Ohsers - e.o.plauens aber ist das 2010 eröffnete Erich-Ohser-Haus. Es ist in einem der schönsten Viertel der gepflegten Altstadt gelegen. Das Haus besteht aus historisch gewachsenem Bestand, so etwa einem alten Wehrturm, der zur nahegelegenen Stadtbefestigung gehörte, und neuen Einbauten. Die Symbiose aus alt und neu ist mit feiner Sensibilität vollzogen worden und so kann das Werk des großen Sohnes der Stadt in insgesamt fünf Ausstellungsbereichen über drei Ebenen in angemessenem Rahmen präsentiert werden.

Um den Nachlass des Künstlers für die Stadt zu gewinnen, begründete sich die e.o.plauen-Gesellschaft e.V., deren Bemühungen, unterstützt von der Stadt, regionalen und überregionalen Partnern, 2004 zum Erfolg führ-ten: der Nachlass kam nach Plauen und wird von der Erich Ohser-e.o.plauen Stiftung verwaltet und betreut. Es handelt sich dabei um rund 1400 Zeichnungen, Dokumente, Fotografien, Briefe und auch Gegenstände. Die Stiftung erarbeitet daraus die wechselnden Ausstellungen, die regelmäßig in der Galerie e.o.plauen im Erich-Ohser-Haus zu sehen sind. An der Resonanz der Besucher und Besucherinnen zeigt sich, dass das Haus mit großem Enthusiasmus von der Bevölkerung angenommen wird - und auch weit über die Stadtgrenzen hinaus Strahlkraft entwickelt.

Zu den laufenden Ausstellungen werden regelmäßig museumspädagogische Veranstaltungen angeboten. Für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen gibt es individuell abgestimmte Führungen und Projekte, die einen kreativen Zugang zur Kunst Erich Ohsers eröffnen und mit der Lebensgeschichte vertraut machen. In diesen Zu-sammenhang von spielerisch-schöpferischer Auseinandersetzung reiht sich der vorliegende Geschichtenwett-bewerb ein. Das Erich-Ohser-Haus ist ein Lernort, der Potenziale der Fantasie weckt und zu eigenständigem Gestalten zwischen Zeichnen, Schreiben und interpretierendem Nachvollzug anregt.

Das Erich-Ohser-Haus

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Galerie e.o.plauen im Erich-Ohser-HausNobelstraße 7/13 | 08523 Plauen (Vogtland)

Telefon: 03741 291 2344 | Mail: [email protected]

öffnungszeiten Montag geschlossen | Dienstag bis Sonntag (sowie Feiertag) 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet

Führungen nach telefonischer Vereinbarung

www.e.o.plauen.de