6
56. Band. 3 Geschichtliches veto Marzipan. 335 Oktober 1928.3 Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren. Yon Heinrieh Fineke-K5ln. [Eingegangen am 14. August 1928.] Die ,,Geschichte des Marzipans bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts "I) soll nachstehend ergitnzt werden. Im Schrifttum fanden sich noch zahlreiche Erwahnungen und Herstellungsvorschriften. Die betreffenden Werke fiihre ich hier auch deshalb an, well ihre Titel fiir andere nahrungsgeschichtliche Studien yon Nutzen sein ktinnen. Zur Geschichte des Namens Marzipan und seiner Entwickelung sei auf zwei yon Schaube ~) angegebene Stellen hingewiesen, wo Marzipan als MaB gilt; es wird 1243 die Erlaubnis erteilt, w6chentlich in einer Mtihle 100 marcibana frumenti libere zu mahlen; auch eine Zollabgabe bei Getreide in Form unius marcipani ist angegeben. G. C. B. Busch 3) sagt 1792: ,Marzepan oder Zuckerbrot errand Marzo". M. HSfler 4) dagegen erkliirt den Namen als panis marcialis, das Mi~rzbrot der R6mer. Die in meiner friiheren Abhandlung wiedergegebene Deutnng Kluyver's wird yon den ffihrenden Fachwissenschaftlern als richtig angesehen. Auf die Mteste Geschichte des Marzipans wirft eine Angabe bei Strabo 5) (65 v. Chr. bis 24 n. Chr.) fiber die Meder Licht. Diese bewohnten das n0rdliche Meso- potamien und stimmten in ihren Sitten mit den Persern aberein. Strabo sagt yon ihnen: ,,Whhrend das tibrige Medien ungemein gesegnet erscheint, ist das n6rdliche Gebirgsland unfruchtbar. Dort ni~hren sich daher die Menschen yon Baumfrachten und maehen aus getrocknetem und gestoI3enem Obste Kuchen, aus ger6steten Mandeln aber Brot; . . ." DaB man dieses Mandelbrot mindestens zuweilen gesa~t hat, wo- zu damals noch kein Zucker aber Honig zur Verfilgung stand, ist nicht unwahrschein- lich. Die Angabe Strabo's spricht daftir, dal3 man den Ursprung des Marzipans in recht alte Zeiten zurackverlegen mug. Die mir bisher bekannt gewordene alteste Herstellungsvorschrift fiir Marzipan findet sich in einem italienischen Werk aus dem Jahre 1481, yon dem mir allerdings nur die deutsche Ausgabe yon 1542 vorgelegen hat6). Gualth. H. Ryff behandelt Marzipan nicht nur an der in der ersten Abhandlung angegebenen Stelie~ sonderu vor- ,) Diese Zeitschrift 1927, 53, 100--126. ~) A d o 1 f S ch a ub e, Handelsgeschichte der Roman. VSlker des Mittelmeergebiets bis zttm Ende der Kreuzzfige. Mfinchen und Berlin 1906, S. 211. 3) G. C. B. Busch, Versuch eines Handbuchs der Erfindungen, Eisenach 1792, 4, 80. ~) M. H 5 fl e r, 0stergeb/~cke. Suppl.-Heft IV zu Jahrg. XII d. Zeitschr. 0sterr. Volksku'nde. Wien 1906. ~) A. Forbiger, Strabo's Erdbesehreibung, 3. Aufl. Berlin-SchSneberg o. J. Bd. 5 (ll. Buch, 13. Kap.), S. 56--57. ~) Von der eerlichen zimlichen / aueh erlaubten Wolust des leibs / Sich inn essen ] grineken / kurzweil etc. Allerley unnd mancherlay Creaturen unnd gaabenn Gottes / Visch / VSgel, Wildpret /" Frucht der erden . . . gekocht / und auff den tisch rein hstig bereit und auffgetragen wirt durch . . . Herrn / B up. 1)la tin am v on Crem o na ] . . . ] im Jar 1481. jetzt jiingst griintlich aug dem latein verteutscht / dutch M. Stephanum Vigilium 1)aei ~ raontanum. Augspurg 1542. B1. L. 22*

Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

56. Band. 3 Geschichtliches veto Marzipan. 335 Oktober 1928.3

Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren.

Yon

H e i n r i e h Fineke-K5ln.

[Eingegangen am 14. August 1928.]

Die ,,Geschichte des Marzipans bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts "I) soll nachstehend ergitnzt werden. Im Schrifttum fanden sich noch zahlreiche Erwahnungen und Herstellungsvorschriften. Die betreffenden Werke fiihre ich hier auch deshalb an, well ihre Titel fiir andere nahrungsgeschichtliche Studien yon Nutzen sein ktinnen.

Zur Geschichte des Namens Marzipan und seiner Entwickelung sei auf zwei yon S c h a u b e ~) angegebene Stellen hingewiesen, wo Marzipan als MaB gilt; es wird 1243 die Erlaubnis erteilt, w6chentlich in einer Mtihle 100 marcibana frumenti libere zu mahlen; auch eine Zollabgabe bei Getreide in Form unius marcipani ist angegeben. G. C. B. B u s c h 3) sagt 1792: ,Marzepan oder Zuckerbrot errand Marzo". M. H S f l e r 4) dagegen erkliirt den Namen als panis marcialis, das Mi~rzbrot der R6mer. Die in meiner friiheren Abhandlung wiedergegebene Deutnng K l u y v e r ' s wird yon den ffihrenden Fachwissenschaftlern als richtig angesehen.

Auf die Mteste Geschichte des Marzipans wirft eine Angabe bei S t r a b o 5) (65 v. Chr. bis 24 n. Chr.) fiber die Meder Licht. Diese bewohnten das n0rdliche Meso- potamien und stimmten in ihren Sitten mit den Persern aberein. S t r a b o sagt yon ihnen: ,,Whhrend das tibrige Medien ungemein gesegnet erscheint, ist das n6rdliche Gebirgsland unfruchtbar. Dort ni~hren sich daher die Menschen yon Baumfrachten und maehen aus getrocknetem und gestoI3enem Obste Kuchen, aus ger6steten Mandeln aber Brot; . . ." DaB man dieses Mandelbrot mindestens zuweilen gesa~t hat, wo- zu damals noch kein Zucker aber Honig zur Verfilgung stand, ist nicht unwahrschein- lich. Die Angabe S t r a b o ' s spricht daftir, dal3 man den Ursprung des Marzipans in recht alte Zeiten zurackverlegen mug.

Die mir bisher bekannt gewordene alteste Herstellungsvorschrift fiir Marzipan findet sich in einem italienischen Werk aus dem Jahre 1481, yon dem mir allerdings nur die deutsche Ausgabe yon 1542 vorgelegen hat6). G u a l t h . H. R y f f behandelt Marzipan nicht nur an der in der ersten Abhandlung angegebenen Stelie~ sonderu vor-

,) Diese Zeitschrift 1927, 53, 100--126. ~) A d o 1 f S ch a ub e, Handelsgeschichte der Roman. VSlker des Mittelmeergebiets bis

zttm Ende der Kreuzzfige. Mfinchen und Berlin 1906, S. 211. 3) G. C. B. Busch , Versuch eines Handbuchs der Erfindungen, Eisenach 1792, 4, 80. ~) M. H 5 fl e r, 0stergeb/~cke. Suppl.-Heft IV zu Jahrg. XII d. Zeitschr. 0sterr. Volksku'nde.

Wien 1906. ~) A. F o r b i g e r , Strabo's Erdbesehreibung, 3. Aufl. Berlin-SchSneberg o. J. Bd. 5

(ll. Buch, 13. Kap.), S. 56--57. ~) Von der eerlichen zimlichen / aueh erlaubten Wolust des leibs / Sich inn essen ]

grineken / kurzweil etc. Allerley unnd mancherlay Creaturen unnd gaabenn Gottes / Visch / VSgel, Wildpret /" Frucht der erden . . . gekocht / und auff den tisch rein hstig bereit und auffgetragen wirt durch . . . Herrn / B up. 1)la t in am v on Crem o na ] . . . ] im Jar 1481. jetzt jiingst griintlich aug dem latein verteutscht / dutch M. S t e p h a n u m V i g i l i u m 1)aei ~ r aon t anum. Augspurg 1542. B1. L.

22*

Page 2: Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

336 H. F i n c k e f Zeltschr. f. Untersuchung ' | der Lebensmittel.

her schon (1540) in seinem Latwergenbuchl), sowie auch 1544 in seinem Kochbuch ffir Kranke2). S t a i n d l ' s Kochbuch a) yon 1547 gibt ausft~hrliche u zu ,Marcipan '' and zu anderen Mandelspeisen. Eine kurze u zu ,,Pasta di Marzapano" findet sich bei C h r i s t o f o r o d i M e s s i S b u g o yore Jahre 1549~). H i e r o n y m u s B o c k erw~hnt Marzipan nicht nur i n seinem Kri~uterbuch, sondern nennt in ,Teutsche Speisekammer ~ (Stral~burg 1550) ,,schbne vergulte Mareipan mit seltsamen Wappen, seiend aus Mandel und Zucker bereit" . Der erste Apotheker zu Berlin erhielt das Monopol, mit Konfekt zu handeln~ was tier Kurffirst Joachim II. 1557 besti~tigte~ den Materialisten gleichzeitig den Verkauf yon Marzipan und anderen Sfil~igkeiten verbietend5). Eine sehr alte Vorsehrift zur Marzipanbereitung stammt yon P e d e m o n t a n u s 6 ) ; -con dem ursprtinglich italienisch geschriebenen Werk lag mir die vierte~ lateinisch abgefafite Ausgabe yore Jahre 1563 vor. Das umfangreiche Kochbuch yon B a r t . S c a p p i 7) erwi~hnt eine ,,Torte blanche marzapanate" sowie Morsellen und Biskuits und andere Zubereitungen ,d i marzapane". u dem ffirst- tich braunschweigisehen Mundkoch F r a n z de R o n t z i e r s) haben wir eine Vorschrift zn ,,Martzebahn" yore Jahre 1598. Yon ~lteren Schriftstellern erwi~hnen F r e i g i u s 1579, G o l i u s 1582, C a l v i s i u s 1610 und G r i m m e l s h a u s e n (in Simplic.) 1669 Marzipan9). G e o r g E r l e r berichtet in seinem Buch ,Leipziger Magisterschmi~use im 16.~ 17. und 18. Jahrhundert" i,)) eingehend fiber Essen und Trinken in jenen Zeiten und unterrichtet uns dabei fiber die Mengen yon Marzipan und dessen Preis bei Doktoressen der Zeit yon 1573- -1709 . J o h . H u g e n y o n L i n t s c h o t e n ~) beschreibt 1601 eine Art amerikanischer Mandeln, die u grt)l~er als die spanischen und sehr hart seien (Para-Ntisse?): ,,Man brauchet sie im Essen zur Schleckerei /wie Marsapeinen yon Mandeln gemacht werden /und andern dergleichen Dingen." S e b a l d u s M t i l l e r12)~ e i n KSnigsberger, erwi~hnt 1616 Marzapan bei einer Aufz~hlung verschiedener Gebi~cke.

1) Warhafftige . . . . underweisung . �9 . a l l e Latwergen, . . . wie solche in den Apotecken gem~cht , . �9 Strafiburg 15~:0.

2) New Kochbuch / Ftir die Kranken . . . Frankfurt am Meyn 1544. B1. 57. s) B a l t h a s s a r S t a i n d l yon Dillingen, Ain Kfinsflichs und nutzlichs Kochbueh . . .

Augspurg 1547. B1. ~-- IV. 4) Banchetti compositioni di vivande, et apparecchio generale. Ferrara 1549. ~) I. C. W. M o e h s e n , Besehreibung einer B~rlinischen Medaillen-Sammlung . . .

Teil II, Berlin und Leipzig 1781. S. 378. ~) D. A l e x i i P e d e m o n t a n i , De Secretis Libri septem. A Joan . J a c o b o W e c k e r o ,

Doctore Medico, ex Italico sermone in Latinum conuersi . . . Editio quarta. Basileae 1563, S. 139.

7) Opera di M. B a r t o l o m e o S c a p p i , Cuoco secreto di P a p a P io V. Venedig 1570, B1. 259, 262, 264, 270, 286, 389 u. a.

s) Kunstbuch Von mancherley Essen / C~esotten / Gebratcn / P o s t e t e n / . . . Wolffenbfittel 1598, S. 543.

9) F r i e d r . K l u g e , Etymologisches WSrterbuch der deutschen Sprache. Berlin und L~ipzig 1924, S. 321.

lo) Leipzig 1905, S. 105--106. 1~) (Neundter unn Letzter Theft) Americae, darinn gehandelt wird / yon gelegenheit der

Elemente [: Natur / Art und eigensehafft der Newen Welt . . . durch M. G o t h a r d t A r t u s aus Danzig: Franckfurt am Mayn (1601) S. 159.

1~) Bericht vom Brodtbacken. Leipzig 1616, S. 9.

Page 3: Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

56. Band ) Oktober 1928.J Geschichtliches veto Marzipan. 337

A n t o n i u s de H e r r e r a 1) vergleicht in seiner Besehreibung Araerikas den Berg Potossi bet der gleichnaraigen Stadt wegen seiner Form rait einem ,Zuckerbrot oder Marzapan". Der Dorainikanerpater T h o m a s G a g e S) erw~hnt ira Reisebericht ~iber seine raexikanische Reise in den Jahren 1 6 2 2 - - 1 6 3 4 raehrfach, dal] Zu Schokolade Marzipan gegessen worden set. In den Yerfagungen des Rates der Stadt Leipzig s) wird 1661, 1664, 1673, 1680 und 1698 verboten, bet Farailienfesten z u appig zu tafeln und zu grol3en Aufwand rait MarziPan and dergleichen zu treiben. Eine Hand- sol, rift im Gerraanischen Museum zu sNarnberg (a~s der Bibl. der P. W. Merkel 'sehen Familienstiftnng) aus der z~'eiten I-Ihlfte des 17. Jahrhunderts ,Von Ursprung und IIerkoraraen sarat der Beschreibnng aller Ha~d Wercker in der Stadt Nfirnberg" gibt fiir die ,Zuckerbacher" an, dal~ dieselben Bach ether Ratsentseheidung keine ,,Cantiz"te wahr oder Kel~el Arbeit, als da ist, das Confect zn machen': herstellen dnrften; ,,hand Arbei t abet, als Marzeban, Musea{enbrod . . . sell solchen Lenten nnverbotten sein". A n n a W o l l e y 4) nennt 1674 ,Marzypan-Te ig . " J o h a n n C h r i s t o p h T h i e r a e n ~) gibt 1684 eingehende knweisnngen, Marzipan verschiedenster Art zu raachen und daraus alle raOg!ichen Dinge zu forraen. Ein oft aufgelegtes Nt~rnberger Kochbuch% zuerst 1691 erschienen, gibt wiederura I-Ierstellungsvorschriflen far Marzipansaehen. C h r i s t o f f W e t g el 7) sagt 1698 vera ,,Znekerbecker" : ,,Er baecht Spanisches/ . . :. Zuckerbrod unterschiedlicher A r t / . . . Mandelknchen/ Mareepan allerhand Ar t en / Ochsenaugen/ Thierlein yon Mandelzeug rait lebhafften Fa rben / wie auch dergleichen vie ler ley Fr~ichte." Von einer 1 6 9 3 - - 1 7 0 5 unternoraraenen Reise uach Westindien beriehtet der Pa ter L a b a t S ) : ,desgleichen babe ieh Marzepan gekostet~ welches aus Cacao und Acajounassen anstatt der gewShnlichen Mandeln bestund "9) . . . Die Acajou- nnl~ ,o) ist t~brigens viol besser als die Mandeln, woraus man den Teig des Zucker- brotes verfertigt . . . Man bedient sich derselben, Maeronen und anderes Marcepan daraus zu v e r f e r t i g e n . . . " Ein handschriftliches, verrautlich etwa urn 1700 vet- fal]tes ,Confect-Buch:' eines Apothekers (German. Museum Nfirnberg, Nr. 7168) gibt ebenfalls Marzipanvorschriften, daranter aneh eine ,Mareipan ohne raandel znraachen",

*) ZwSlffter Theil tier Newen Welt / alas ist: Gr~ndliche vollkommene Entdecknng aller der West Indianischen Landschafften / Insuln und K5nigreichen . . . au/~ tier ttispanischen Spr~ch in die Tentsche fibergesetzet. Franckfurt 1623, 8. 49, 100.

2) T h o m a s G a g e , Nouveau relation, cont. los voyages dabs la Nouv. Espagne. Amsterdam 1721.

a) Der Stadt Leipzig Ordnungen, wie auch Privilegia und Statuta. Leipzig 1701, S. 452, 474 und 488.

~) Frauen-Zimmers Zeit-u . . . betreffend die rechte Pr~servier- und Candier- Kunst . . . Hamburg 1674.

5) Haus-Feld-Artzney-Koch-Kunst nnd Wunder-Bnch . . . Niirnberg 1684, S. 960--995. ~) Der aus dem t)arnasso ebmals entlauffenen vortrefflichen K5chin . . . B e m e r c k -

Z e t t u ] . Niirnberg 1691, S. 827, 830 u. a. Eine 1752 in Nfirnberg erschienene Ausgabe hat den Titel ,,Die Nfirnbergische wohlunterwiesene Koechin welche sowohl an Fleiseh- als Fast-T~.gen zu geschickter Bereitung wohlschmeckender Speisen deutliche Anweisnng giebt."

~) Abbildung der Gemein-Nfitzlichen Haupt-St~nde . . . Regenspurg 1698, S. 514. s) Reisen Bach Westindien. Ubersetzt yon G. Fr. C. Schad . Bd. VII, Nfirnberg 1788

S. 501 und 521. 9) Also eine Art Nougat. ~o) Die jetzt unter dem Namen Cashew-Kerne im Handel befindlichen Frfichte.

Page 4: Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

338 H. F i n c k e, [Zeitschr. f. Unte~suchung [ der Lebensmittel.

WeitereVorschrif ten zur Marzipanbereitung findet man bei A. S i n c e r u s 1) 1713, y o n H o h b e r g ~) 1715, C h r i s t o p h F i s c h e r 3) 1719 and vor allem bei C o n r a d H u g g e r a) 1719; der Letztere gibt sogar eine grOl~ere Anzabl bildlicher u zur Ausschmtickung yon Marzipantorten 5). Endlich sei noch aut die u in S c h r b d e r s A r t z n e y - S c h a t z 6) yon 1746 und in L o o f f t s ~) Niedershchsischem Kochbuch yon 1778 hingewiesen.

Die Gerichte aus Mandeln dienten in friiheren Jahrhunderten vielfach als Fasten- speise und sind als solche oft in den Kochbilchern genannt; Fastenspeisen~ Mandeln, i, gro~e Schachteln mit Confect" werden im Handel Venedigs mit Deutschland er- wi~hnt und waren auch Ausfuhrgater der deutschen Kaufleute in YenedigS). Auch hieraus ergibt sich die Bedeutung Venedigs far das Bekanntwerden des Marzipans in Deutschland.

Meine frtiheren Ausfahrungen tiber Liibecker Marzipan und die Feststellung, daft Labeck vor 1800 keine Bedeutung in der Marzipanherstellung besessen hat, werden durch den Ltibecker Historiker J. W a r n c k e 9) rol l bestatigt, der zugleich einige An- gaben tiber Marzipaugebrauch in Hamburg macht.

Zur G e s c h i c h t e d e r E r s a t z m i t t e 1 und Verfhlschungen far Marzi pan sei noch das Folgende angeftihrt: In einem deutschen Werke des Jahres 1573 lo) ist neben ,,Amygdalini panes, Mandelbrot, Marcipan" auch , , P e r s i c i p a n e s , Phersichbrot ~' genaunt. Der jetzt allgemein eingeftihrte Name P e r s i p an far Marzipanersatz aus Pfirsich- oder Apr~kosenkernen wurde ohne Kenntnis dieser alten Bezeichnung im Jahre 1922 aus den lateinischen ~Namen far Pfirsiche und Brot, bezw. unter Anlehnung an das Wort Marzipan gebildet. Sein Urheber ist Herr Dr. J. B. K i t t e l , Geschi~ftsftihrer der Vereinigung Deutscher Zuckerwaren- und Schokolade-Fabrikanten, Wiirzburg; diese Vereinigung hat den Namen 1922 als Warenzeichen eintragen lassen und ihn der Industrie far die aus Pfirsich- und Aprikosenkernmasse hergestellten Marzipanersatz- waren freigegeben. In dem 350-jhhrigeu Zwischenraum zwischen jener ersten An- wendung uud der Neupr'agung des Namens Persipan scheint derselbe nicht vorzu- kommen. ~ In einer far deutsche Yerhhltnisse bearbeiteten und 1641 in deutscher

1) Der curiose, in allerley . . . Bach-Werken / als in unterschiedlichen Brod- Pasteten- Torten- Kuchen- Zucker- und Leb-Zelten- etc. Baehen Wohl-erfahrner . . . Wolbestebender Becker. ~tirnberg 1713.

2) Herrn yon H o h b e r g s Georgica curiosa aucta. 0der: Xdelichen Land- und Feld- Lebens . . . Dritter Theil . . . Nfirnberg 1715. Drittes Buch, S. 165.

3) Fleissiges Herren-Auge, Oder Kluger und wohl-abgerichteter H a u f l - H a l t e r . . . ~tirnberg 1719, 3. Theil, S. 404, 413 und 415.

4) Neues Saltzburgisehes Koehbuch . . . Augspurg 1719. ~) Einige Wiedergaben sowie andere den Marzipan betreffende Abbildungen erscheinen

im Weihnaehtsheft der Stollwerk-Post "1928. 6) D. J o h a n n S c h r S d e r s Pharmacopoeia Universalis, Das ist: Allgemeiner Medi-

cinisch-Chimischer Artzney-Schatz . . . ~firnberg 1746. 7) M a r c u s L o o f f t , Nieder-Sgchsisches Koch-Buch . _ . Eilfte verb. Ausg. Lfibeck

1778, S. 507. 8) H. S i m o n s f e l d , Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig, Bd. II, 1887, S. 104, 106,

198 u. a. 9) Zur Gesehichte des Liibeeker ~arzipans. Vaterst~dtisehe Bl~tter, Liibeck 1928,

Mr. 22. lo) J o a c h . S t r t i p p i u s ~ G e i l h a u s e n , Antidotarii Antitrimastigi . . . Newe Speil~-

kammer . . . Frankfurt 1573~ B1. 61 und 78.

Page 5: Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

~. ~a~a. 1 3 3 9 Oktober 19'~8.J Geschichtliches yore Marzipan.

Sprache erschienenen Ausgabe der Piazza universale yon G a r z o n u s I) heiBt es bei einer Aufzi~hlung yon Betriigereien der ,,Apothecker und Materialisten" ironisch: ,,Auch schadet es nichts/ warm sie schon Haselniil~/ oder grol~e Riil] unter die Mandelen in dem Marzapan mischen/ . . . " - - Ein in Hamburg 1665 herausgegebenes, ursprang- lich holli~ndisches Buch ~) sagt; ,,Die Marcepans macht man yon stiBen Mandeln, Hasel- nfissen, Pistachen, Pignolen, bittern Mandeln, Abricosen-, Phersich-Kernen und andern Sachen, und macht Alles auf einerley Art." Die Verwendung yon Pfirsich- und Aprikosenkernen an Stelle yon Mandeln bei marzipanghnlichen Waren ist also schon frfiher nachweisbar, als ich anfangs angenommen hatte, und diirfte auch auf den Orient zurtlckgehen. - - Anf den ,,Marzipan ohne Mandeln" in dem angegebenen Confectbuche eines Nfirnberger Apothekers sowie auf die Angaben yon L i n t s c h o t e n und yon L a b a t fiber Mandelersatz in Amerika im 16. und 17. Jahrhundert, sei auch bier uoch einmal hingewiesen.

In meiner ersten Abhandlung zur Geschichte des Marzipans war das Schrifftum tiber die fiir Marzipan benutzten, oft recht kunstvollen Formen a) noch nicht bertick- sichtigt worden. Eine Durchsicht der in Betracht kommenden teils kunst- teils kulturgeschichtlich gerichteten Schriften ergab, da6 yon ihnen keine Aufschliisse zu erwarten sind, die gegeniiber dem bearbeiteten Stoff wesentlich Neues bringen. Eine Hauptschwierigkeit liegt darin, da6 der Verwendungszweck der erhalten gebliebenen Formen, Model genannt, vor allem der hltesten yon ihnen, nachtri~glich nicht stets nfit roller Sicherheit zu ermitteln ist. Vermutlich haben manche Model, die man ffir Marzipan benutzte, nicht ausschlieBlich zu dessen Formung gedient, sondern auch zur Herstellung anderer EBwaren, wie Lebkuchen, Fruchtgallerten, Pastetenverzierungen und dergleichen, vielleicht zuweilen auch zur Verzierung kunst- gewerblieher Gegensti~nde. Dennoch daft man annehmen, dab eiue Anzahl kleiner Tonmodel, deren Entstehungszeit sich aber alas 15. Jahrhundert verteilt und noch bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts fallt, wirkliche Marzipanformen waren. Abdrficke yon ihnen sind nicht erhalten, was gegen die gerwendung bei haltbarem ~[aterial spricht; bei groben Gebacken waren sie ihrer feinen Ausfiihrung nach nicht geeignet. Ffir einen dieser erhaltenen Model liil]t sich nachweisen, dab er nebst anderen~ die verloren gegangen sind, um 1515 far eine Frankfurter Familie ( S t a l - bu rg ) hergestellt wurde, die in lebhafter IIandelsbeziehung zu Venedig stand; das Inventar nennt sie ,Kuchelsteine"; ihre geringe Gr01]e und ihre feine Modellierung la6t die Anwendung ffir Marzipan viel wahrscheinlicher als die far Lebknchen erscheinen. Ton- und Steinmodel bestimmter Art~), die in verschiedenen Museen zerstreut sind, assen also den Schlul~ zu, dab Marzipan in Deutschland wghrend des 15. Jahrhunderts

~) T h o m a s G a r z o n u s, Piazza universale : Das ist Allgemeiner Schawplatz / Marckt und Zusammenkunfft aller 1)rofessionen / Ktinsten / Geschiifften / Htindeln unnd Handt-Wereken/.. . talianisch zusamen getragen: anjetzo . . . verteutscht. Franckfurt am Mayn 1641, S. 758.

"~) 1 ~. V. A e n g e l n , Der verstiindige G~irtner fiber die zwSlff Monaten des Jahres . . . In holl. Spraehe besehrieben . . . zum ffinfftenmahl vermehrt und deutsch au6gefertigt yon G e o r g G r e f l i n g e r . Hamburger 1666. Letzter Teil: ,,Der FrantzSsiscbe Confitirer . . ." 1665, S. 88.

a) Vergl. Heinr . F i n c k e , Marzipanformen in glterer und neuerer Zeit. Stollwerck- Post 1927, Heft 4.

+) Bei anderen Arten lassen sich andere Verwendungszwecke, z. B. zur gerzierung yon Tonkrfigen mit Reliefbildern, nachweisen.

Page 6: Geschichtliches vom Marzipan und seinen Ersatzwaren

340 H. F i n c k e, Geschichtliehes vom Marzipan. [Zeit~hr. f. Untersuchung t tier Lebensmi~teL

bekannt war. Aul~er den Tonmodeln sind zahlreiche Holzmodel erhalten - - die hltesten etwa von 1500 - - deren Yerwendung ftir Backwaren aul~er Zweifel steht, und die teils Lebkuchen-, tells Marzipanformen waren. Far viele dieser Formen lhl~t sich sagen. dab sie in erster Linie oder ausschliel~lich den letzteren Zweck hatten. Eine umfang- reiche Sammlung solcher Holzmodel besitzt das Germanische Nationalmuseum in Niirn- berg. Auch Messing- und Zinnformen sind verwendet worden. Um die Art der erhaltenen Formen und die daraber im Schrifttum ge~ul~erten, einander zuweilen ent- gegenstehenden Ansichten besser beurteilen zu kt~nnen, habe ich die Mteren Werke, die sich mit der Herstellung yon Marzipan und anderen Speisezubereitungen befassen, durchgesehen; irgendwelche Aufschlasse tiber die Modelverwendung im 15. Jahr- hundert ergaben sich daraus nicht. Im 16. Jahrhundert werden vor allem Wappen- bilder in Marzipan erwhhnt, ganz in ~lbereinstimmung mit vielen Holzformen jener Zeit. Nachbildungen yon Tieren, Frtichten usw. hat man nicht viel sparer in kaum geringerer Mannigfaltigkeit, als wir sie heute kennen, angefertigt. Vorlagen zur u zierung yon Marzipantorten bietet erst das grol~e H a g g e r ' s c h e Kochbuch yon 1719. Die Sitte, aus Backwerk flache Kuehen mit erhShtem Rand, hhnlich den Marzipan- torten, sowie Tierfiguren und dergleiehen herzustellen, ist uralt und bereits far das alte J~gypten nachweisbar. Die Herstellung kunstvoller Gebilde aus Zuckerwerk und Marzipan, die u ftir die sog. Schau-Essen im MittelalteL ist - - wie die Ware selbst - - veto Orient zu uns gekommen.

Da alle diese Fragen ~iber den Rahmen dieser Zeitschrift hinausgehen, begntige ich reich mit diesen kurzen Ausftihrnngen und der nachstehenden Angabe der wich-

tigsten~ hiertiber zu Rate gezogene n Schriften:

J. B. D o r n b u s e h , -Uber Intaglien des Mittetalters und der Renaissance. Jahrbticher des Vereins yon Altertumsfreunden im Rheinlande. Heft 57, Bonn 1876, S. 120--147.

H a n s BSsch , Die Sammlung yon hSlzernen Kuchenformen im Germanischen Museum. Mitt. aus dem German. NationMmuseum 1889, 2, 157.

H a n s K a r 1 i n g e r, Holzmodel aus tier Sammlung EbenbSck. Knnst und Handwerk, Zeitschr. d. Bayer. Kunstgewerbevereins Mtinehen 1916, Heft 4, S. 7.

W. v. Bode und W. F. V o l l b a c h , Mittelrheinische Ton- und Steinmodel aus der ersten H~lfte des 15. Jahrhunderts. Jahrb. d. Preul~. Kunstsammlungen, Berlin 1918, 89, 89--134.

F r i e d r i c h B o t h e, Stein- und Tonmodel als Kuchenformen. Repertorium f. Kunstwissen- schaft, Berlin u. Leipzig 1922, 48, 80.

A l f r e d W a l e h e r - M o l t h e i n , Zur Geschichte der Formmodel ffir Feingebi~ck und Zueker- werk. Sonderdruck aus ,,Belvedere", ..Wien 1923, S. 201--220.

F r a n z W o e n i g , Die Pflanzen im alten Agypten. Leipzig 1886, S. 176. A l f r e d v. K r e m e r , Culturgesehichte des Orients unter den Chalifen. Wien 1875/77, ~, 199.

B e r i c h t i g u n g

yon Druckfehlern und Irrttimern in ,Geschichte des Marzipans bis zum Anfange des 19. Jahr- hunderts"') (auf Grund freundlicher Mitteilungen der Herren Prof. Dr. E. v. L i p p m a n n ,

Dr. K. L o k o t s c h und Prof. J. Rusks) . S. 105, Fultnote 1: Be rnh . D e s s e n i u s C r o n e n b u r g i u s an Stelle yon K a r l L o k o t s c h . S. 111, Zeile 1 : Fester Zucker war in Indien vor 300 n. Chr. nicht bekannt. - - Zeile 10 yon

unten: Rosen~-asser war schon lange vor 900 n. Chr. in Syrien und Persien in Gebrauch. - - Zeile 2 yon unten: Ein Handel yon Byzanz aus dona ua u f w ~ r t s im Mittelalter ist nicht nachweisbar.

S. 113, Zeile 9 yon unten: M e s u e de r _Altere ist nicht gleich 5oh. D a m a s e e n u s ; N i c o 1 a o s M y r e p s o s schSpfte aus einem sMernitanischen Antidotarium, und dieses wieder aus dem Orient.

S. 114, Mitre: E l m a n s u r i ist kein Verfassername, sondern der Titel eines Werkes yon I~ ~,zi (Rhazes).

S. 120, Ful~note 3: u Werk heigt Museum Museorum.

1) Diese Zeitschrift 1927, 53, 100--126.