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Institut für Politikwissenschaft und Sozialforschung IPS
Lehrstuhl für Soziologie
Bereich: Methoden der empirischen Sozialforschung
Aufbaumodul Datenauswertung 2-1 (06-AM-DA2B-1)
Autoren: Tobias Frey, Jannik Singer, Sebastian Kluge und Emmanuel Lawong
GESELLSCHAFTLICHE URSACHEN FÜR RECHTSEXTREMISMUS
Stand der Forschung:
Untersuchungen aus der jüngeren Vergangenheit haben sich mit dem Phänomen des Rechtsext-
remismus und damit verbundenen Fremdenfeindlichkeit beschäftigt und zeigen, dass heute im-
mer noch ein latenter Hang zu rechten Einstellungen bei Bevölkerungsanteilen in der BRD
existiert. Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2010 „Die Mitte in der
Krise - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ stimmen bis zu einem Drittel der
Befragten Aussagen zu wie „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem ge-
fährlichen Maß überfremdet“ oder "Ausländer kommen, um den Sozialstaat auszunutzen".
Knapp ein Zehntel wollte wieder einen Führer. Diese Erkenntnisse decken sich mit einer Studie
des Meinungsforschungsinstituten INFO und Liljeberg Research International, der nach 20%
der Befragten negativ gegenüber Ausländern und Migranten eingestellt sind.
Forschungsleitende Frage:
Rechtsextremismus ist ein immer noch relevantes gesellschaftliches Problem und es
stellt für die deutsche Gesellschaft eine besondere Herausforderung und Verpflichtung
dar, diesem Phänomen gegenüberzutreten. Für eine konstruktive Auseinandersetzung
mit diesem Thema ist es elementar, Gründe und Faktoren für die Entstehung einer rech-
ten Gesinnung zu begreifen. Darum gehen wir in dieser Untersuchung der Frage nach,
wovon rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung der BRD abhängen. In unserem
Modell untersuchen wir einerseits objektive soziodemographische Faktoren, anderer-
seits auch subjektive Einschätzungen und Empfindungen. Diese Faktorengruppen kön-
nen als Erklärung dienen, warum ein Mensch zu rechtsextremen Einstellung neigt.
Studienbeschreibung:
Die Hypothesen des Modells werden an Hand einer logistischen Regression (vierstufiges hierarchisches Modell) basie-
rend auf dem ALLBUS von 2008 (N=3469) geprüft. Die befragten Personen in diesem Datensatz wurden vor dem
01.01.1990 geboren und leben in einem Privathaushalt. Es handelt sich um eine zweistufige disproportional geschich-
tete Stichprobe mit einer Ausschöpfungsquote von 40,3% (im Westen etwas höher als im Osten). Die Befragten aus
den neuen Bundesländern sind in diesem Datensatz überrepräsentiert. Die abhängige Variable wird gebildet durch das
arithmetische Mittel aus den Werten der Zustimmung zu den Variablen V141-V150 und anschließend wird die Va-
riable dichotomisiert (Werte <3.0= nicht rechtsextrem =0 und Werte >3.0=rechtsextrem=1). Die Wahrscheinlichkeit
für eine Zustimmung zur neu gebildeten Variable wird nun in Zusammenhang mit verschiedenen unabhängigen Vari-
ablen geprüft.
Heitmeyer, Wilhelm, 2002: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Held, Josef/ Bibouche, Seddik/ Dinger, Gerhard/ Merkle, Gudrun/ Schork, Carolin/ Wilms, Laura, 2008: Rechtsext-
remismus und sein Umfeld
Proner, Hanna, 2011: Ist keine Antwort auch eine Antwort?
Rippl, Susanne/ Baier, Dirk, 2005: Das Deprivationskonzept in der Rechtsextremismusforschung
Ergebnisse:
Die Ergebnisse der Regression bestätigen eine Vielzahl der vorher theoretisch abgeleiteten Hypothesen, die zu
rechtsextremen Einstellung bei Personen führen können bzw. dieser Einstellung gegenläufig sind.
So ist die Bildung ein sehr entscheidender Faktor, der die Gesinnung von Personen beeinflusst. Die gewonnen
Werte verdeutlichten, dass Menschen der Kategorie „höchstens Hauptschulabschluss“ mit höherer Wahrscheinlich-
keit zu rechtsextremen Einstellungen neigen als solche mit höherem Schulabschluss. Im Gegensatz dazu sinkt die-
se Wahrscheinlichkeit bei Menschen der Kategorie „Hochschulreife“. Eine hohe interne Efficacy lässt die Wahr-
scheinlichkeit, im Vergleich zu Personen mit niedriger interner Efficacy, für rechtsextreme Auffassungen deutlich
geringer werden. Die Wahrscheinlichkeit rechtsextreme Tendenzen als Postmaterialist zu entwickeln ist verglichen
zur Gruppe des Materialisten gering. Es bestätigt sich auch die naheliegende Vermutung, dass bei einer rechten
Selbsteinstufung im Links-Rechts-Schema die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit eine rechtextreme Einstellung
neigt. Ebenso zeigt sich, dass Herkunft und das Geschlecht eine Rollen spielen.
Modell
I Modell
II Modell
III Modell
IV
Konstante .131*** .139*** .151*** .147*** Geschlecht (1=weiblich) .535*** .560** .551*** .530*** Erhebungsgebiet (1=Ost) 1.172 1.403+ 1.416+ 1.464* Frau im Osten 1.335 1.252 1.248 1.371 Einkommen (zentriert um den Me-
dian=1000) Einkommen²
.999*** 1.000
1.000** 1.000
1.000** 1.000
1.000** 1.000
Alter (zentriert um den Median=50) Alter²
1.022**
* 1.000*
1.007 1.000*
1.009+ 1.000*
1.008+ 1.000
Erwerbstätigkeit (1=erwerbstätig) 1.444* 1.246 1.257 1.275 Religiosität Häufiger Kirchgang Gelegentlicher Kirchgang
(Referenzgruppe) Kein Kirchgang
.950 1.405*
.992 1.260+
.992 1.281+
.962 1.354*
Schulabschluss Höchstens Hauptschulabschluss Mittlere Reife (Referenzgruppe) Hochschulreife Sonstige
1.588**
* .155*** .366
1.548** .155*** .371
1.520** .189*** .429
Perzipierte Deprivation 1.041 1.042 Efficacy Interne Efficacy Externe Efficacy
.665*** .910
.659*** .905
Inglehart-Index Materialist Materialistischer Mischtyp Postmaterialistischer Mischtyp
(Referenzgruppe) Postmaterialist
1.137 1.031 .387***
Links-Rechts-Selbsteinstufung
(zentriert) Links-Rechts-Selbsteinstufung²
1.195*** 1.032*
Oben-Unten-Selbsteinstufung
(zentriert) 1.010
Pseudo-R² (Cox & Snell) .041 .087 .092 .111
-2 Log-Likelihood 1886.31
1*** 1767.41
9*** 1752.571
*** 1701.419
***
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Normal
Quadriert
Wah
rsch
ein
lich
keit
Links-Rechts-Selbsteinstufung
Auswirkungen der Links– rechts Selbsteinschätzung
(Quelle: Eigene Darstellung)
Literatur:
Rippl, Susanne/ Baier, Dirk, 2005: Das Deprivationskonzept in der Rechtsextremismusforschung – Eine vergleichende Analyse
Heitmeyer, Wilhelm, 2002: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – Die theoretische Konzeption und erste empirische Ergebnisse
Held, Josef/ Bibouche, Seddik/ Dinger, Gerhard/ Merkle, Gudrun/ Schork, Carolin/ Wilms, Laura, 2008: Rechtsextremismus und sein Umfeld – Eine Regionalstudie und die Folgen für die Praxis. Hamburg
Proner, Hanna, 2011: Ist keine Antwort auch eine Antwort? Die Teilnahme an einer politischen Umfrage
FES: „Die Mitte in der Krise“ library.fes.de/pdf-files/do/07504-20120321.pdf (letzter Aufruf am 30.3.2012) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,722751,00.html http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,694325,00.html
Auswirkungen der Links-Rechts-Selbsteinschätzung
Wah
rsch
ein
lich
keit
N=2456 / +p ≤ .10; *p ≤ .05; **p ≤ .01; ***p ≤ .001 / Dargestellt sind die Odds
(Quelle: Eigene Darstellung)
(Quelle: Eigene Darstellung)