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Baustein: Speicher- und Netzausbau
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1
Gestaltung der Energiewende in Rheinland-Pfalz:
Baustein: Speicher- und Netzausbau
Abschlussbericht zum Werkvertrag zwischen Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag
Rheinland-Pfalz und Dipl.-Ing. Oliver Decken
Dipl.-Ing. Oliver Decken Röntgenstraße 12b
76829 Landau [email protected]
Landau/Mainz, Stand 12.1.2012
2
Inhaltsverzeichnis
1. Zielsetzung/Ausgangslage 3
2. Lastverringerung durch sparsamen Stromeinsatz 5
3. Erzeugungs- und Lastmanagement 5
3.1 Erzeugungsmanagement 7
3.2 Lastmanagement 8
3.3 Smart Grids 9
4. Stromspeicherung 11
5. Ausbau der Stromnetze 16
5.1 Verteilnetze 16
5.2 Übertragungsnetz 18
5.3. Ökologische Planungskriterien 22
6. „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-Pfalz 2030“ 23
7. Rekommunalisierung der Energieversorgung 24
7.1 Kommunale Netzübernahme 24
7.2 Neuvergabe Konzessionsvertrag 26
7.3 Änderung des Gemeindewirtschaftsrechtes Rheinland-Pfalz 27
7.4 Anpassung der Anreizregulierung 28
7.5 Beratung der Kommunen 29
8. Zielführende Fragestellungen 31
8.1 „Zielnetz Strom Rheinland-Pfalz 2030“ 31
8.2 Energieagentur Rheinland-Pfalz/kommunale Energieagenturen 32
8.3 Unterstützung der Verteilnetzbetreiber bei der Anpassung der
Stromnetze und dem Aufbau von Stromspeichern 33
8.4 Unterstützung von Forschungsvorhaben 33
Anhang 1: Antrag „Energiewende gemeinsam umsetzen“ der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN vom 20.10.2011 (Landtags-Drucksache 16/474).
Anhang 2: Antrag „Kommunale Energiewende unterstützen“ der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN vom 9.9.2011 (Landtags-Drucksache 16/309).
Anhang 3: Landkreistag Rheinland-Pfalz: Energiewende - Chance für die Kreise – Positionspapier
vom 17.11.2011
Anhang 4: Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz steht zur Energiewende -
Mitgliederversammlung beschließt Leitlinien (Pressemitteilung des GStB RLP vom
14.11.2011)
3
1. Zielsetzung/Ausgangslage
Der „Koalitionsvertrag Rheinland-Pfalz 2011-2016“ setzt einen Schwerpunkt der rot-grünen
Landesregierung in der Vollendung der Energiewende. Bis zum Jahre 2030 soll die Stromversorgung
in Rheinland-Pfalz bilanziell zu 100 % durch erneuerbare Energien erfolgen. Als Etappenziel wird bis
zum Jahre 2020 eine Verfünffachung der Stromerzeugung aus Windkraft und ein Beitrag von
Solarstrom in einer Größenordnung von über 2 TWh angestrebt1.
Im Rahmen der von Bündnis 90/DIE GRÜNEN veranstalteten Tagung „Energiewende in Rheinland-
Pfalz“ am 3.9.2011 stellte Staatssekretär Ernst-Christoph Stolper das von der rheinland-pfälzischen
Landesregierung verfolgte Energieszenario vor2:
2009
Strom-
erzeugung
(TWh)
2020
Strom-
erzeugung
(TWh)
2030
Strom-
erzeugung
(TWh)
2030
Anlagen-
leistung
(MW)
2030
Anteil am
Stromver-
brauch (%)
Windkraft 1,68 8,4 14,8 7.500 70
Photovoltaik 0,36 2,0 5,2 5.500 24
Wasserkraft 0,95 1,0 1,1 255 4
Biomasse 0,83 0,9 0,9 190 5
Geothermie 0,01 0,1 0,1 30 1
Gesamt 3,92 12,4 22,1 13.475 104
Im Jahre 2009 lieferten die erneuerbaren Energieträger in Rheinland-Pfalz rund 3,9 TWh Strom,
womit ihr Anteil an der Stromversorgung bei 14,4 % lag3. Ende 2010 waren in Rheinland-Pfalz 1.086
Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 1.421 MW installiert. Im ersten Halbjahr 2011
wurden 39 neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 83 MW errichtet. Die Leistung der geplanten
Windkraftanlagen gab das Wirtschaftsministerium im November 2011 mit 946 MW an4. Bis Mai 2011
waren Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 0,912 MW in Rheinland-Pfalz am Netz. Die
Leistung der 108 landwirtschaftlichen Biogasanlagen betrug rund 40 MW5.
Rheinland-Pfalz befindet sich in der energiewirtschaftlich und –politisch günstigen Lage, frei von
kohle- oder atomgefeuerten Großkraftwerken zu sein. Die drei großen in Ludwigshafen und Mainz
1 Vgl. SPD; Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.) 2011: Koalitionsvertrag. Rheinland-Pfalz 2011-2016. Mainz, S. 21.
2 Vgl. E-C. Stolper 2011: Energiewende in Rheinland-Pfalz. Vortrag im Rahmen der Tagung „Energiewende in
Rheinland-Pfalz“ von Bündnis 90/DIE GRÜNEN am 3.9.2011, S. 4 3 Vgl. MWKEL Rheinland-Pfalz (Hrsg.) 2011: 9. Energiebericht Rheinland-Pfalz. Mainz. S. 170
4 Vgl. Landtags-Drucksachen 16/422, 16/601-604
5 Vgl. Presseinfo des MWKEL Rheinland-Pfalz „9. Energiebericht Rheinland-Pfalz“ vom 2.11.2011.
4
betriebenen Erdgas-Kraftwerke sind grundsätzlich mit einer vollständigen Stromversorgung aus
erneuerbaren Energien vereinbar, wenn in Zukunft Methangas aus Wind- und Solarstrom hergestellt
wird. Über das Verbundnetz bezog Rheinland-Pfalz u.a. aus den benachbarten AKW Biblis und
Philippsburg sowie den Kohlekraftwerken in Mannheim, Karlsruhe, dem Saarland und dem
rheinischen Braunkohlenrevier Strom. Im Jahre 2009 wurde noch 43 % des rheinland-pfälzischen
Bruttostromverbrauches importiert6.
Das Stromnetz wurde in den vergangenen Jahrzehnten auf die zentrale Versorgung durch
konventionelle und geregelte Kraftwerke ausgelegt. Der in Gang gekommene Ausbau der
erneuerbaren Energien führt beim Stromnetz zu Veränderungen in zweierlei Hinsicht:
a) Anpassung des Stromnetzes an fluktuierende Stromflüsse:
Infolge der Dezentralisierung der Stromerzeugung ändern sich grundlegend die Stromflüsse
im Netz. Traditionell wird der in Großkraftwerken erzeugte Strom von den höheren zu den
niedrigeren Spannungsebenen geleitet. In Zukunft fließt der Strom immer stärker in beide
Richtungen. In Regionen mit hoher Windkraftleistung wird es notwendig, die Kapazität der
Leitungen und Umspannwerke an den größeren Stromfluss anzupassen. Das
Niederspannungsnetz bedarf oftmals einer Verstärkung, wenn mehrere bzw. leistungsstarke
Photovoltaikanlagen angeschlossen werden. Zudem müssen für einen störungsfreien Betrieb
die Fluktuationen bei der Stromerzeugung ausgeglichen werden (z.B. Regelkraftwerke).
b) Speicherung von Strom aus Wind- und Solarstromanlagen:
Die fluktuierende Stromlieferung aus Wind- und Solarkraftwerken ist mit der ebenfalls
schwankenden Stromnachfrage in Einklang zu bringen. Erforderlich wird der Aufbau von
Kurzzeit- und Langzeitspeichern sowie eines Lastmanagements.
Im Rahmen dieses Papiers werden Ansatzpunkte für eine landespolitische Steuerung der Anpassung
des Stromnetzes skizziert. Diese münden in den Vorschlag, seitens der Landesregierung ein „Zielnetz“
für die Stromversorgung zu entwickeln. Der hier als „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-
Pfalz 2030“ bezeichnete Rahmenplan stellt den Anpassungsbedarfs des rheinland-pfälzischen
Stromnetzes dar und zwar ausgehend von dem Ziel, bis zum Jahre 2030 eine 100 %ige Versorgung
aus erneuerbaren Energieträgern zu erreichen.
Die Transformation des Stromnetzes ist eine langfristige Aufgabe, an der Bürger, Unternehmen,
Kommunen, Stromerzeuger und Netzbetreibern beteiligt werden müssen. Dabei ergeben sich
aufgrund der Vielschichtigkeit der Sache zum jetzigen Zeitpunkt noch viele offen Fragen.
Zur Annäherung an das Thema wurden einschlägige Studien und Erfahrungsberichte ausgewertet
sowie gemeinsam mit MdL Bernhard Braun Fachgespräche mit Vertretern folgender Einrichtungen
geführt:
Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz.
Institut für angewandtes Stoffstrommanagement Birkenfeld (Ifas).
Juwi AG.
Metropolregion Rhein-Neckar GmbH.
Transferstelle für Rationelle und Regenerative Energienutzung Bingen (TSB).
6 Vgl. MWKEL Rheinland-Pfalz (Hrsg.) 2011: 9. Energiebericht Rheinland-Pfalz. Mainz. S. 170.
5
Pfalzwerke Projektbeteiligungsgesellschaft mbH und Pfalzwerke Netzgesellschaft mbH.
Rhein-Ruhr Verteilnetz GmbH.
Verband kommunaler Unternehmen Rheinland-Pfalz.
Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
2. Lastverringerung durch sparsamen Stromeinsatz
Der Einsatz effizienter Elektrogeräte, sparsames Verbrauchsverhalten sowie die Nutzung der
Einsparpotentiale in Industrie und Gewerbe ermöglichen in den kommenden Jahren eine deutliche
Absenkung des Stromverbrauches. Staatssekretär Stolper rechnet mit einer Verringerung des
Stromverbrauches in Rheinland-Pfalz bis 2030 auf rund 22 TWh (siehe Tabelle auf Seite 3).Die
Verringerung des Stromverbrauches entlastet tendenziell die Stromnetze und kann zu einer
Minderung der vorzuhaltenden Jahreshöchstlast führen. Als Folge einer wirksamen Effizienzstrategie
können Erzeugungs-, Speicher- und Netzkapazitäten geringer dimensioniert werden, als bei einem
unverminderten oder sogar steigenden Stromverbrauch.
Für die Realsierung der Einsparpotentiale sind verstärkte Anstrengungen zur Information und
Beratung von Bürgern, Unternehmen und Kommunen erforderlich. Dafür können Energieagenturen
einen entscheidenden Beitrag leisten. Der Blick auf die Karte „European Energy Agencies 2011“ zeigt,
dass in Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Energieberatung noch ein erheblicher Nachholbedarf besteht.
Während Baden-Württemberg flächendeckend mit kommunalen Energieagenturen versorgt ist, sind
diese in Rheinland-Pfalz bislang nur sehr vereinzelt anzutreffen. Im Koalitionsvertrag wird die
Förderung kommunaler und regionaler Energieagenturen angekündigt. Ein Beratungsschwerpunkt
muss die Energieeffizienz nicht nur im hier behandelten Strombereich, sondern auch im
Wärmemarkt sein. Für weitere Details zur Aufgabenstellung von Energieagenturen sei auf den
Aufsatz „Die kommunale Energieagentur – Motor der Energiewende“ des Autors verwiesen.
3. Erzeugungs- und Lastmanagement
Das schwankende Angebot von Wind- und Solarstrom kann durch ein Erzeugungs- und
Lastmanagement teilweise ausgeglichen werden: In Zeiten mit einem geringen Angebot an Wind-
und Solarstrom werden Stromlasten abgeworfen, also zeitweise entbehrliche Stromnutzungen
abgeschaltet. Umgekehrt werden in Zeiten mit einem hohen Angebot an Wind- bzw. Solarstrom
flexible Stromverbraucher zugeschaltet. „Eine Systemoptimierung funktioniert umso besser, je stärker
Erzeugungsanlagen und Übertragungs- und Verteilnetze sowie die Verbraucherseite als Teile des
gesamten Energieversorgungssystems verstanden und Wechselwirkungen zwischen den Sektoren
Strom, Wärme und Mobilität in die Überlegungen einbezogen werden“7 .
7 Deutsche Umwelthilfe (Hrsg.) 2010: Forum Netzintegration Erneuerbare Energien. Plan N -
Handlungsempfehlungen an die Politik. Radolfzell, S. 26
6
Bislang bleiben konventionelle Kraftwerke als drehende Reserve am Netz (sog. „Must-Run-
Kapazitäten“), um die Systemstabilität zu gewährleisten. Im Einzelnen geht es um vier
Systemdienstleistungen, die in Zukunft vollständig von erneuerbaren Energieträgern übernommen
werden müssen8:
a) Regelenergie
Der Netzbetrieb erfordert zu jeder Zeit ein stetiges Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung
und –verbrauch. Leistungsabweichungen werden durch den Einsatz von Regelenergie
ausgeglichen. Positive Regelleistung wird durch die Zuschaltung von Erzeugern (z.B.
Pumpspeicherwerke, Gaskraftwerke, Biomasse-BHKW) oder durch zeitweise abschaltbare
Lasten (Wärmepumpen, Speicherheizungen, Elektrofahrzeuge, spezielle Industrieprozesse)
geliefert. Negative Regelenergie wird durch die Abschaltung von Erzeugern (z.B. Abregelung
von Windkraftanlagen) oder die Zuschaltung von Verbrauchern und Stromspeichern
erbracht.
b) Spannungsregelung
Die Netzspannung muss für einen störungsfreien Betrieb innerhalb eines bestimmten
Toleranzbereiches geregelt werden. Durch den Wegfall konventioneller Großkraftwerke sind
neue Betriebsmittel für die Spannungsregelung im Übertragungsnetz erforderlich (z.B.
Pumpspeicherwerke). Im Verteilnetz kann es durch die zunehmend dezentrale und
fluktuierende Einspeisung zu Spannungsüberhöhungen kommen, was u.a. durch eine
dynamische Regelung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen kompensiert werden kann.
c) Gewährleistung der notwendigen Systemträgheit
Für den Ausgleich von Laständerungen, Kurzschlüssen oder Erzeugungsausfällen ist eine
Trägheit des Systems notwendig, die bislang durch die Synchronisation der rotierenden
Massen großer thermischer Kraftwerke (Synchrongeneratoren) gewährleistet wird. Für die
Systemstabilität im Rahmen einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien können z.B.
Gaskraftwerke oder Schwungradspeicher eingesetzt werden.
d) Beitrag zur gesicherten Leistung und Jahreshöchstlast
Für die derzeit gültigen Qualitätsanforderungen an die Versorgungssicherheit muss die
verfügbare Erzeugungsleistung zu jedem Zeitpunkt zur Deckung der Stromnachfrage
ausreichen. Zum Ausgleich der fluktuierenden Stromerzeugung in Wind- und
Photovoltaikanlagen wird derzeit noch fast die gleiche Leistung an konventionellen „Backup-
Kraftwerken“ bereitgehalten.
Durch Effizienzmaßnahmen kann die Jahreshöchstlast gesenkt werden. Im Zuge einer
europäischen Vernetzung kann der Anteil der gesicherten Leistung von Wind- und
Photovoltaikanlagen zunehmen, da es zu einer Glättung der Erzeugungsleistung kommt. Die
Rolle von Sicherungskraftwerken können in Zukunft Biomasse- und Windgasanlagen sowie
Stromspeicher übernehmen. Neue Stromabnehmer mit Speicherpotential (Elektrofahrzeuge,
Wärmepumpen, Klimaanlagen) sollten über ein Lastmanagement eingebunden werden, um
einen Anstieg der Jahreshöchstlast zu vermeiden.
8 Vgl. DLR, Fraunhofer IWES, IfnE (Hrsg.) 2010: Leitstudie 2010 - Langfristszenarien und Strategien für den
Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global, S. 88 ff.
7
3.1 Erzeugungsmanagement
Das Erzeugungsmanagement umfasst die gesteuerte Zu- und Abschaltung von Kraftwerken, mit der
die fluktuierende Einspeisung von Solar –und Windstrom ausgeglichen werden kann. Im Rahmen
einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien sind folgende Konzepte von Interesse:
a) Kombikraftwerke oder virtuelle Kraftwerke bestehen aus verschiedenen Anlagen zur
erneuerbaren Stromerzeugung, die sich an unterschiedlichen Standorten befinden und
zentral gesteuert werden. Durch eine gemeinsame Regelung können sie bedarfsgerecht und
zuverlässig Strom herstellen. So wurden in einem Demonstrationsvorhaben 28 über das
ganze Bundesgebiet verteilte Wind-, Solar- und Biogaskraftwerke sowie ein
Pumpspeicherkraftwerk zu einem „Kombi-Kraftwerk“ von 23 MW verknüpft9 .
b) Hybridkraftwerke koppeln verschiedene Prozesse der erneuerbaren Stromerzeugung an
einem Standort. Beispielsweise kann in verbrauchsarmen Zeiten aus überschüssigem
Windstrom Wasserstoff oder Methangas hergestellt werden, das gespeichert und bei Bedarf
wieder verstromt werden kann. Im Oktober 2011 ging in Prenzlau (Brandenburg) ein erstes
Hybridkraftwerk ans Netz. Drei Windkraftanlagen mit je 2 MW sind an einen 500 kW-
Elektrolyseur angeschlossen, der aus überschüssigem Windstrom Wasserstoff herstellt. Bei
hohem Strombedarf wird der Wasserstoff mit Biogas gemischt, in zwei BHKW (mit jeweils
350 kWel) verstromt und über ein Mittelspannungskabel in das 220-kV-Übertragungsnetz
eingespeist10.
c) Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die bei ausreichend dimensionierten
Wärmespeichern zeitweilig auch stromgeführt gefahren werden können: Bei Strombedarf
fährt die Anlage hoch und lädt den Wärmespeicher voll; bei geringer Stromnachfrage kann
die Anlage zurückfahren bzw. ausgeschaltet werden, solange der Wärmebedarf auf dem
Speicher gedeckt werden kann. Neben Warmwasser, Raum- und Prozesswärme können
KWK-Anlagen auch bei der Kühlung bzw. Lieferung von Kälte eingesetzt werden.
d) Abregelung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen: Bereits heute werden
Windkraftanlagen abgeregelt, also abgeschaltet, wenn der erzeugte Strom nicht mehr vom
Netz aufgenommen werden kann. Ursachen waren in 2009/10 vor allem Überlastungen im
110 kV-Hochspannungsnetz und an den Umspannwerken zum Mittelspannungsnetz. Dadurch
gingen im Jahre 2010 vor allem in Ost- und Norddeutschland etwa 70 bis 150 GWh Strom
verloren, was etwa 0,2 bis 0,4 % der eingespeisten Windenergie ausmachte 11. In den
nächsten Jahren wird mit einer Steigerung der abgeregelten Windstrommengen gerechnet.
Der Bundesverband Windenergie fordert einen beschleunigten Netzausbau, um die
Abnahme möglichst großer Strommengen aus Wind- und Photovoltaikanlagen zu
gewährleisten. Dagegen hält der Solarförderverein Aachen den Ausbau von dezentralen
9 Vgl. R. Mackensen, K. Rohrig, H. Emanuel 2008: Das regenerative Kombikraftwerk. Abschlussbericht.
10 Vgl. ENERTRAG AG (Hrsg.)2009: ENERTRAG-Hybridkraftwerk. Kurzbeschreibung. www.enertrag.com
11 Vgl. Ecofys 2011: Abschätzung der Bedeutung des Einspeisemanagements nach EEG 2009. Auswirkungen auf
die Windenergieerzeugung in den Jahren 2009 und 2010. Berlin, S. 14.
8
Stromspeichern in der Nähe der Windparks für vordringlich. Ein Ausbau der Fernleitungen
von Nord- nach Süddeutschland sei langfristig nicht sinnvoll, da die Stromerzeugung aus
Wind und Sonne in Süddeutschland zunehme12.
Der Bau von Regel- und Speicherkapazitäten wird durch den derzeit gültigen Preisbildungs-
mechanismus des Strommarkts gehemmt. Die Preisbildung an der Strombörse orientiert sich an den
Grenzkosten, die ausschließlich durch die variablen Kosten (Brennstoff, CO2-Zertifikate) bestimmt
werden. In diesem System haben Regelkraftwerke und Speicher mit geringen Jahreslaufzeiten und
geringer Stromproduktion kaum eine Chance, einen kostendeckenden Erlös, der auch die
Kapitalkosten umfasst, zu erwirtschaften.
3.2 Lastmanagement
Durch die Steuerung des Stromverbrauches (sog. „Demand-Side-Management“) können Differenzen
zur Stromerzeugung gedämpft werden:
a) Der Verbrauch wird in Zeiten verlagert, in denen ein großes und damit preisgünstiges
Angebot an Wind- oder Solarstrom verfügbar ist. Das Lasttal wird aufgefüllt (sog. „Valley
Filling“). Wärmepumpen, Klima- und Kühlgeräte, Elektrofahrzeuge u.ä. nehmen die Funktion
eines Stromspeichers wahr.
b) Umgekehrt spricht man vom „Peak Shaving“, also der Vermeidung oder Minderung von
Lastspitzen in Zeiten schwacher Stromerzeugung. Stromlasten werden zurückgefahren oder
abgeworfen, so dass die Zuschaltung bzw. Bereithaltung von teuren Regelkraftwerken
gemindert wird. Potentiale bestehen bei den Haushalten (in Verbindung mit Smart Grids)
sowie in der Industrie (Verlagerung von thermischen Prozessen). Elektrofahrzeuge können
als mobile Speicher zu einer Vergleichmäßigung der Netzlast beitragen.
Potenzialeinschätzung zum Demand Side Management sind noch mit einigen Unsicherheiten
verbunden: In der „dena-Netzstudie II“ wird das bis 2015/20 erreichbare Potenzial zur
Lastverschiebung auf rund 20 TWh bzw. 4 % der gesamten Stromnachfrage geschätzt. Davon
entfallen 55 % auf die Haushalte, 36 % auf die Industrie und 10 % auf die Sparte Gewerbe, Handel
und Dienstleistungen13.
Für das Gebiet der Stadt Mannheim wurde in einer Fallstudie das Lastverlagerungspotenzial in der
Kälteerzeugung sowie Klimatisierung von Haushalten, Gewerbe und Industrie untersucht. Mit Hilfe
moderner Informations- und Kommunikationstechnik können 17 MWel an positiver Regelleistung
und 21 MWel an negativer Regelleistung realisiert werden. Dies entspricht etwa 4 % der
sommerlichen Höchstlast der Stadt Mannheim: „Damit hat die Kälteerzeugung durchaus einen
12
Rundmail des Solarfördervereins vom 1.11.2011. 13
Vgl. Deutsche Energieagentur (Hrsg.)2010: dena-Netzstudie II. Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015-2020 mit Ausblick 2025. Berlin, S. 536.
9
Einfluss auf den Strombedarf bzw. kann durch Lastmanagement prinzipiell ein merklicher Einfluss auf
den Lastgang erreicht werden“14 .
Prof. Dr. Simon (TSB) plant das Pilot- und Demonstrationsprojekt „Aufbau eines Verbundes
dezentraler Stromspeicher verschiedenster Art zu einem virtuellen Energiespeicher“. Im städtischen
und ländlichen Raum sollen bereits vorhandene Strukturen zur kurzfristigen Aktivierung von
Stromspeichern genutzt werden. Ansätze sind KWK-Anlagen, Laststeuerung in Gewerbe- und
Industriebetrieben, industrielle Druckluftspeicher sowie elektrische Wärmeerzeuger. Es sollen die
Möglichkeiten eines optimierten Netzmanagements für Netzbetreiber und Industrie erprobt werden.
Als Verteilnetzbetreiber beteiligen sich die TWL (städtischer Raum) und die EWR (ländlicher Raum).
Das mit dem Forschungsprojekt verfolgte Ziel, kurzfristig größere und bereits vorhandene
Speicherpotenziale zu erschließen, ist von großer Bedeutung für die Energiewende in Rheinland-
Pfalz.
3.3 Smart Grids
Für ein wirksames Erzeugungs- und Lastmanagement sind „intelligente Netze“ (Smart Grids)
erforderlich. Das Konzept des Smart Grid sieht eine kommunikative Verknüpfung zwischen
Stromerzeugern, Verbrauchern und dem Betreiber des Stromnetzes vor. „Intelligente Meßstellen“
(Smart Meter alias Energiebutler oder Energiemanager) stimmen das Stromangebot des
Energieversorgers und die Stromnachfrage über eine Netzzentrale optimal aufeinander ab.
Die Möglichkeiten und Erfolgsbedingungen von Smart Grids sind derzeit noch Gegenstand der
Forschung. In Rheinland-Pfalz laufen folgende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben15:
„Kompetenznetzwerk Smart Grids und virtuelle Kraftwerke Rheinland-Pfalz“ an der
Transferstelle für Rationelle und regenerative Energienutzung Bingen (TSB).
„mySmartGrid“ und „myPowerGrid“ am Fraunhofer-Institut für Techno- und
Wirtschaftsmathematik Kaiserslautern (ITWM).
„Smart Country“ im Eifelkreis Bitburg-Prüm von RWE. Elemente sind u.a.
Spannungsregler vor und hinter „intelligenten Ortsnetzstationen“ sowie die Nutzung
einer Biogasanlage als „Stromspeicher“16.
Integration von Photovoltaik-Anlagen über Ortsnetzstationen mit Spannungsregelung
durch die EWR Netz GmbH17.
Im Projekt „Modellstadt Mannheim“ wird ein virtueller Marktplatz für Stromerzeuger und –
verbraucher sowie Netzbetreiber entwickelt und im Feldversuch erprobt. Der sog. „Energiebutler“
soll beim Verbraucher für eine Steuerung des Stromeinsatzes sorgen, so dass Strom bevorzugt dann
verwendet wird, wenn auch viel Strom erzeugt wird. In diesem Falle schaltet der Energiebutler
14
Ifeu, UDE 2009: Nutzung von thermischen Speichern als Energiespeicher. Bericht im Rahmen des E-Energy-Projektes ´Modellstadt Mannheim in der Metropolregion Rhein-Neckar´. Mannheim. S. 107 f. 15
Vgl. MWKEL Rheinland-Pfalz (Hrsg.) 2011: 9. Energiebericht Rheinland-Pfalz. Mainz. S. 38ff. 16
Pressemitteilung RWE vom 17.6.2011: Startschuss für das intelligente Stromverteilnetz von RWE Deutschland. 17
Vgl. „Smart-Grids-Tagung“ am 30.11.2011 in Worms. Vortrag von Johannes M. Krämer, Geschäftsführer EWR Netz GmbH.
10
Haushaltsgeräte wie Waschmaschine oder Kühlschrank zu. Der Energiebutler selbst ist mit der
Steuerungszentrale des Netzbetreibers verbunden, der mit unterschiedlichen Preisniveaus den
Einsatz der Steuerungstechnik honorieren kann. Der Energiebutler wird derzeit für Privathaushalte
erprobt, soll aber auch bei gewerblichen und industriellen Anwendern einsetzbar sein. Geplant ist die
Kopplung mit Photovoltaikanlagen oder Mini-BHKW der Energieverbraucher, so dass der
Energiebutler bei der Vermarktung des nicht selber genutzten Stroms hilft. Der Modellansatz zielt
darauf, einen lokalen „Marktplatz“ für Strom entstehen zu lassen, so dass Strom möglichst nahe am
Ort der Entstehung genutzt werden kann und aufwändige Maßnahmen im Netz oder für den
Speicherausbau vermieden werden. Das Projekt „Modellstadt Mannheim“ befindet sich derzeit noch
– wie auch die übrigen fünf E-Energy-Modellprojekte im Bundesgebiet – in der Erprobungsphase.
Verwertbare Ergebnisse werden nach 2012 erwartet18.
Für die Steuerung des Verbraucher- und Erzeugerverhaltens in einem Smart Grid dürften finanzielle
Anreize in Form von zeit- oder lastvariablen Stromtarifen von entscheidender Bedeutung sein: Die
Verlagerung der Betriebszeit von Elektrogeräten in Zeiten hoher Stromerzeugung wird durch einen
günstigeren Tarif belohnt. Umgekehrt wird die Zuschaltung flexibler Erzeugungsanlagen wie BHKW
bei einer Windflaute durch eine höhere Einspeisevergütung belohnt.
Es zeichnen sich Rahmenbedingungen ab, unter denen Smart Grids einen wichtigen Beitrag für die
künftige Stromwirtschaft übernehmen können19:
Schaffung langfristig orientierter Anreize für die Netzbetreiber zum Aufbau von Smart Grids
(z.B. durch Anerkennung der Kosten für Smart-Meter als Beitrag zur Optimierung der
Netzeffizienz durch die Regulierungsbehörde).
Auslegung der Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie auf allen Spannungsebenen
zur Einbindung in intelligente Netze.
Festlegung von Mindeststandards an Smart -Meter (u.a. Normierung von Schnittstellen und
Datenformaten, Datenschutz).
Auflage eines Markteinführungsprogrammes für Smart-Meter insbesondere in den
Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen.
18
Vgl. BINE-Informationsdienst (Hrsg.). 2011: Das Stromnetz wird zum Marktplatz. Projektinfo 6/2011. 19
Deutsche Umwelthilfe (Hrsg.) 2010: Forum Netzintegration Erneuerbare Energien. Plan N -Handlungsempfehlungen an die Politik. Radolfzell, S. 31 ff.
11
4. Stromspeicherung
Stromspeichern kommt im Zuge der Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien eine
wichtige Rolle zu. Bis zum Jahre 2050 wird bundesweit mit einer nicht direkt verwertbaren
Strommenge aus Wind- und Solaranlagen von 80 bis 170 TWh gerechnet20. In funktionaler Hinsicht
wird zwischen zwei Speichertypen unterschieden:
a) Kurzzeitspeicher gleichen die Lastkurve maximal innerhalb eines Tages aus, erbringen
Systemdienstleistungen (Regelenergie) und eignen sich zum kurzfristigen Lastausgleich (sog.
Peak Shaving). Hierunter fallen Pumpspeicherkraftwerke, Druckluftspeicher und Batterien.
b) Langzeitspeicher gleichen saisonale Überschüsse oder Fehlbedarfe aus. Hier ist die
Erzeugung und Lagerung von Wasserstoff in Kavernen mit Rückverstromung eine mögliche
Option. Das größte Potential wird in der Umwandlung von regenerativem Wasserstoff in
Methan gesehen (sog. Windgas), das in das vorhandene Erdgasnetz eingespeist werden kann.
Einen Überblick der Speichertechnologien sowie der derzeitigen und in zehn Jahren erwarteten
Kosten gibt die folgende Übersicht. Die Angaben zur Kostenentwicklung sind mit Vorsicht zu
genießen, da hier vielfältige Annahmen einfließen, die derzeit weitgehend noch spekulativer Natur
sind. Im Anschluss an die Übersicht werden die für Rheinland-Pfalz wichtigen Speichertechnologien
kurz vorgestellt21.
20
Fraunhofer IWES (Hrsg.) 2011: Energiewirtschaftliche und ökologische Bewertung eines Windgas-Angebotes. Kassel, S. 8. 21
Vgl. Brandenburgische Technische Universität Cottbus (Hrsg.) 2011: Fortführung der Studie zur Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Brandenburg/ Deutsche Energieagentur (Hrsg.)2010: dena-Netzstudie II. Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015-2020 mit Ausblick 2025. Berlin. /Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.) 2010: 100 % erneuerbare Stromversorgung bis 2050. Stellungnahme Nr. 15.
12
Einsatzbereiche und Kosten von Speichersystemen22
Speicherfunktion Anlagengröße Technologie Vollkosten heute [ct/kWh]
Vollkosten in 10 Jahren erwartet [ct/kWh]
Langzeitspeicher
500 MW und 100 GWh
Pumpspeicher 3-11
Druckluftspeicher 38 22
Wasserstoff 23 8
Windgas (Methan) k.A. k.A.
Stundenspeicher im Höchst- und Hoch-spannungsnetz
1 GW mit 8 GWh und 1 Zyklus pro Tag
Pumpspeicher 3-5
Druckluftspeicher 6 4
Wasserstoff 25 10
Windgas (Methan) k.A. k.A.
Zink-Brom-Batterie 25 8
Redox-Flow-Batterie 31 10
NaS-Batterie 23 7
Lithium-Ionen-Batterie 50 13
Blei-Batterie 18 7
NiCd-Batterien 43 19
Stundenspeicher im Mittelspannungs-netz
10 MW mit 4 MWh und 2 Zyklen pro Tag
Windgas (Methan) k.A. k.A.
Zink-Brom-Batterie 22 7
Redox-Flow-Batterie 19 7
NaS-Batterie 14 4
Lithium-Ionen-Batterie 30 7
NiCd-Batterien 30 13
Blei-Batterie 16 6
Kleinspeicher 100 kW mit 250 kWh und 2 Zyklen pro Tag
Windgas (Methan) k.A. k.A.
Zink-Brom-Batterie 22 7
Redox-Flow-Batterie 27 10
NaS-Batterie 17 5
Lithium-Ionen-Batterie 38 8
NiCd-Batterien 37 15
Blei-Batterie 17 8
k.A. = keine Angaben
a) Pumpspeicher
Durch das Hochpumpen von Wasser wird elektrischer Strom „gespeichert“, der beim
Rückfluss des Wassers durch eine Turbine/Generator wieder gewonnen wird. Der
Wirkungsgrad liegt bei etwa 80 %. Die Leistung kann innerhalb weniger Minuten verfügbar
gemacht werden, so dass sich die Anlagen gut für die Erbringung von Regelleistung eignen.
Mit Vollastzeiten von 4 bis 8 Stunden sind Pumpspeicher als Kurzzeitspeicher interessant und
22
Nach: Brandenburgische Technische Universität Cottbus (Hrsg.) 2011: Fortführung der Studie zur Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Brandenburg, S. 52.
13
stellen kostengünstig Reservestrom zur Verfügung. Nachteilig kann sich der mit Bau und
Betrieb von Unter- und Oberbecken sowie Verbindungsleitungen verbundene Eingriff in die
Landschaft auswirken, weshalb neue Anlagen wie z.B. in Atorf/Baden-Württemberg auf
Widerstand in der Bevölkerung und bei den Umweltverbänden stoßen.
Als Langzeitspeicher eignen sich Pumpspeicherkraftwerke aufgrund der begrenzten
Speichermenge und der bescheidenen Ausbaupotenziale nur im geringen Umfang. Die
Speicherkapazität beträgt derzeit bundesweit 0,04 TWh bei einer Turbinenleistung von
insgesamt 6 GW23. Diskutiert wird die Einbindung skandinavischer Speicherkapazitäten in
bestehenden Stauseen im europäischen Stromverbund, wodurch nach Einschätzung des
Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) bis zu 116 TWh Speicherkapazität gewonnen
werden könnte.
In Rheinland-Pfalz sind derzeit drei Standorte für Pumpspeicherwerke in der Diskussion:
300 MW Anlage an der Mosel in der Verbandsgemeinde Schweich durch die
Stadtwerke Trier.
400-600 MW Anlage bei Niederheimbach am Rhein durch die Stadtwerke Mainz. Die
DUH moderierte im Auftrag der Stadtwerke Mainz den Dialogprozess mit den
Verbänden und Bürgern.
In den 1970er Jahren wurde im Raum Eller-Bremm-Lutzerath (Landkreis Cochem-Zell)
ein Pumpspeicherwerk mit einer Leistung von 1.300 bis 1.400 MW konzipiert.
b) Druckluftspeicher
Elektrisch betriebene Kompressoren verdichten Luft, die anschließend unter hohem Druck
gespeichert wird. Bei Abruf wird die in der Druckluft gespeicherte Energie über eine Turbine
wieder in Strom umgewandelt. Die Zugriffszeit auf die Leistung der Druckluftspeicher liegt im
Minutenbereich, so dass sich die Anlagen zur Erbringung von Regelleistung eignen. Der
Wirkungsgrad liegt je nach Anlagentyp bei 55-70 %. Für den Betrieb von Druckluftspeichern
sind z.B. Salzkavernen erforderlich, in denen die Luft gespeichert werden kann. Aufgrund des
Fehlens geeigneter Kavernen dürften Druckluftspeicher für Rheinland-Pfalz allerdings nicht in
Frage kommen.
c) Wasserstoff
Wasserstoff ist ein Energieträger mit einer hohen Energiedichte, der sich daher besonders als
Langzeitspeicher eignet. Erforderlich ist ein Elektrolyseur, der mit Hilfe von z.B. Windstrom
Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Der Wasserstoff kann über einen Gasmotor,
Gasturbine, GuD-Kraftwerk oder Brennstoffzelle zur Erzeugung von Strom genutzt werden.
Nachteilig ist der relativ niedrige Wirkungsgrad des Gesamtsystems Strom-Wasserstoff-Strom
von etwa 40 %. Vorteilhaft ist, dass der Wasserstoff auch für den Antrieb von Fahrzeugen
und zur Einspeisung in das Erdgasnetz genutzt werden kann. Allerdings darf der
Wasserstoffanteil am Erdgas bei maximal 5 % liegen, so dass das Speicherpotenzial im
Gasnetz bundesweit auf 1,8 TWhel geschätzt wird 24.
23
Vgl. Fraunhofer IWES (Hrsg.) 2011: Energiewirtschaftliche und ökologische Bewertung eines Windgas-Angebotes. Kassel, S. 11. 24
Ebenda, S. 16.
14
d) Windgas
Großes Entwicklungspotential wird in der Methanisierung von regenerativ erzeugtem
Wasserstoff gesehen. Das so gewonnene Methangas ist stofflich identisch mit dem
konventionellen Erdgas und kann daher in das vorhandene Erdgasnetz eingespeist werden.
Die Rückverstromung kann über Mini-BHWK, BHWK und Erdgaskraftwerke erfolgen. Vorteile
sind das mit bundesweit 120 TWh25 sehr große bereits vorhandene Speicherpotential im
Erdgasnetz sowie die sehr hohe Energiedichte des Methangases. Erste Pilotanlagen von 25
kWel betreibt die Firma SolarFuel GmbH seit 2009 in Stuttgart und seit 2011 in der
Energielandschaft Morbach/Rheinland-Pfalz. Eine zweite Testanlage von 250 kWel wird
derzeit am Standort Stuttgart und für die AUDI AG eine 6,3 MWel Anlage im Emsland gebaut .
Ab 2015 will SolarFuel modulisierbare Anlagen mit einer elektrischen Anschlußleistung von
bis zu 20 MW in den Markt bringen26. Nachteilig wirkt sich der geringe Wirkungsgrad der
Umwandlungskette Windstrom-Wasserstoff-Methan-Strom aus, der zwischen 30 und40 %
liegt. Durch die Nutzung der Abwärme bei der Rückverstromung in KWK-Anlagen werden
Gesamtwirkungsgrade von etwa 60 % für möglich gehalten. Windgasgefeuerte Kraftwerke
können auch Regelenergie zur Verfügung stellen: Gasturbinen-Kraftwerke fahren im vollen
Lastbereich innerhalb von einer Stunde hoch, BHKW lassen sich innerhalb weniger Minuten
auf Volllast hochfahren27.
Aufgrund der zahlreichen Überschneidungen zwischen dem Erdgas- und Stromnetz (siehe
Karte unten für die Ebene der Übertragungsnetze28), gestaltet sich die Standortplanung für
Windgas-Anlagen recht flexibel. Vorteilhaft sind Standorte z.B. in der Nähe von
Biomasseanlagen, aus denen das für die Umwandlung von Wasserstoff in Methan benötigte
Kohlendioxid in konzentrierter Form und damit energetisch günstig entnommen werden
kann.
25
Ebenda, S. 16. 26
vgl. http://www.powertogas.info/power-to-gas/strom-in-gas-umwandeln.html 27
Fraunhofer IWES (Hrsg.) 2011: Energiewirtschaftliche und ökologische Bewertung eines Windgas-Angebotes. Kassel, S. 18 ff. 28
Aus: ZfK 10/2010.
15
e) Batterien
Eine Reihe von Batterietechnologien (Blei-Säure, Ni-Cd, Li-Ion) sind bewährte und bereits
heute verfügbare Stromspeicher. Batterien eignen sich insbesondere für die Sicherung der
unterbrechungsfreien Stromversorgung und als Energiespeicher in dezentralen Anlagen (z.B.
Photovoltaik-Anlagen). Noch in der Entwicklung befindlich sich NaS-Batterien sowie Redox-
Flow-Batterien. Von Vorteil ist, dass Batterien relativ hohe Wirkungsgrade von 70 bis 90 %
erreichen. Kritisch sind die begrenzte Lebensdauer in Verbindung mit teilweise geringen
Zyklenzahlen der Be- und Entladung sowie die heute noch relativ hohen Kosten. Gemäß einer
Marktübersicht der Zeitschrift photon vom August 2011 liegen die Speicherkosten aus derzeit
lieferbaren Akkus bei Kosten ab 49 Ct/kWh Strom29. Das Speicherpotenzial von Batterien ist
insgesamt als eher gering einzustufen: Selbst wenn alle PkW in Deutschland mit Batterien
ausgestattet würden, läge das Speichervolumen bei lediglich 0,42 TWhel30.
In der Region Rhein-Neckar befasst sich die „Spitzenclusterinitiative“ StoREgio mit der „Entwicklung
und Anwendung intelligenter stationärer Energiespeichersysteme“. Dabei soll es zunächst um
elektrochemische Speicher (= Batterien) gehen und ab 2014 sollen auch chemische Speicher
(Wasserstoff, Windgas) angegangen werden. Mit dem Projekt soll der Aufbau großskaliger
Produktionskapazitäten vorbereitet werden, was neben der Entwicklung und Demonstration der
Energiespeicher-Technologien sowie von Kommunikations- und Steuerungssystemen zur 29
Vgl. Artikel „Von Mythen und Märchen“ in Photon 8/2011, S. 114 ff. 30
Vgl. Fraunhofer IWES (Hrsg.) 2011: Energiewirtschaftliche und ökologische Bewertung eines Windgas-Angebotes. Kassel, S. 13.
16
Netzintegration auch die Ausbildung von Fachkräften im Handwerk umfasst. Beteiligt sind an dem
Projekt 27 Industrieunternehmen (u.a. Schott AG, JUWI AG, BASF, Stadtwerke Speyer GmbH) sowie
zwölf wissenschaftliche Institute (u.a. Fraunhofer-Institut/IWES). Die Metropolregion Rhein-Neckar
GmbH koordiniert das Vorhaben31. Das Projekt soll aus Landesmitteln gefördert werden.
Aufgrund der derzeit noch hohen Kosten von Energiespeichern rechnet die Netzstudie Brandenburg
damit, „… dass der derzeitige und zukünftige Bedarf an Speicherlösungen nicht dem weiteren Ausbau
der EE-Erzeugung standhalten werden“32. Die „dena-netzstudie II“ gelangt zu der Einschätzung, dass
ein Zubau von Druckluft- und Wasserstoffspeichern unter den gegebenen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen „… bis 2020 marktgetrieben nicht erfolgen“ wird33. Das „Forum Netzintegration
Erneuerbare Energien“ fordert Anreize für die Markteinführung neuer Speichersysteme z.B. durch die
Netzentgeltbefreiung für in Stromspeicher eingespeisten Strom34.
5. Ausbau der Stromnetze
5.1 Verteilnetze
Das Verteilnetz umfasst das Nieder-(0,4 kV), Mittel- (1-50 kV) und Hochspannungsnetz (110 kV) sowie
die dazugehörigen Umspannanlagen und Transformatoren. In Rheinland-Pfalz werden die
Verteilnetze von 59 Gemeinde- und Stadtwerken sowie regionalen Unternehmen betrieben. Die RWE
Rhein-Ruhr Verteilnetz GmbH nimmt eine beherrschende Funktion im Norden von Rheinland-Pfalz
ein, während die Pfalzwerke Netzgesellschaft mbH im Süden des Landes dominiert. Das Verteilnetz
z.B. der Pfalzwerke umfasst 1.223 km Hoch-, 4669 km Mittel- und 8.972 km Niederspannungsnetz.
Die Verteilnetze sind darauf ausgelegt, den in Großkraftwerken erzeugten und aus den
Höchstspannungsleitungen entnommenen Strom an die Endverbraucher weiterzuleiten. Derzeit
liegen die Großkraftwerke in bzw. in der Nähe der Verbrauchsschwerpunkte. Mit zunehmender
Entfernung zum Kraftwerk nimmt die Transportleistung des Netzes in der Regel ab. Mit dem Ausbau
der Wind- und Solarstromerzeugung ändern sich teilweise die Stromflüsse: Die großen Windparks in
den ländliche Regionen von Eifel, Hunsrück, Westerwald und Pfälzerwald beliefern in Zukunft Mainz,
Ludwigshafen, Koblenz, Kaiserslautern usw. mit Strom. Aus dem bislang einseitigen bzw.
monodirektionalen Stromfluss wird immer stärker eine bidirektionale Austauschbeziehung zwischen
städtischen - und ländlichen Regionen. Dadurch kann es beim vorhandenen Stromnetz in Zukunft
auch in Rheinland-Pfalz zu Überlastungen und „Staus“ kommen, was z.B. bei zu schwach ausgelegten
31
Metropolregion Rhein-Neckar GmbH (Hrsg.) 2011: Der Energie-Cluster StoREgio – Clusterskizze. Mannheim. 32
Brandenburgische Technische Universität Cottbus (Hrsg.) 2011: Fortführung der Studie zur Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Brandenburg, S. 56. 33
Vgl. Deutsche Energieagentur (Hrsg.)2010: dena-Netzstudie II. Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015-2020 mit Ausblick 2025. Berlin, S. 18 der Zusammenfassung. 34
Deutsche Umwelthilfe (Hrsg.) 2010: Forum Netzintegration Erneuerbare Energien. Plan N -Handlungsempfehlungen an die Politik. Radolfzell, S. 41.
17
Netzen bis zu einer Abregelung von Windkraftanlagen führen kann. Davon sind besonders die
Verteilnetze im ländlichen Raum (Rhein-Ruhr-Verteilnetz, KEVAG, EWR, Pfalzwerke) betroffen, die
den Strom aus Windkraftanlagen an oftmals peripheren Standorten aufnehmen und in die
Lastzentren transportieren müssen. Dagegen profitieren die vor allem aus Photovoltaik- und KWK-
Anlagen versorgten städtischen Verteilnetze von der ortsnah vorhandenen Stromabnahme.
Im Auftrag der Rhein-Ruhr Verteilnetz GmbH führte das Institut für Elektrische Anlagen und
Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen eine Studie zur „Ermittlung der langfristig
kostenoptimalen Integration der Windenergie in Rheinland-Pfalz“ durch35. Darin wird im Norden von
Rheinland-Pfalz mit dem Anschluss von zusätzlich 3.000 MW Windleistung gerechnet, wovon 55 %
auf die Eifel, 30 % auf den Hunsrück und 15 % auf den Westerwald entfallen. Dagegen schwankt die
prognostizierte zeitgleiche Minimal- bzw. Jahreshöchstlast der Region zwischen rund 1.000 und 2.400
MW. Im Windgebiet Eifel beträgt die Jahreshöchstlast nur 6 % der maximalen Windleistung. Daraus
wurde der Bedarf für Netzausbaumaßnahmen zur Integration der Windleistung in das 110-kV-
Hochspannungsnetz abgeleitet (das 220-kV/380-kV-Höchstspannungsnetz wurde nicht betrachtet).
Die Investitionskosten für die vollständige Integration der 3.000 MW Windleistung wurden auf 130
Mio. Euro geschätzt. Gemäß einer Pressemitteilung der RWE vom 21.6.2010 sollen in der Region
„über 100 Netzkilometer in der Umgebung von Plaidt, an der Nahe, Trier und Gerolstein ausgebaut
werden und bei Bedarf nach einigen Jahren nochmals etwa 50 Kilometer neue Trasse zur Anbindung
ans Netz“36. Dabei ist zu beachten, dass der Planung ein Anteil der erneuerbaren Energieträger an der
Stromversorgung bis 2020 von nur 30 % und erst „langfristig“ von 100 % zugrunde lag. Insofern muss
die Planung noch an die von der rot-grünen Landesregierung verfolgten Ziele eines beschleunigten
Ausbaus der erneuerbaren Energien angepasst und auf das gesamte Land übertragen werden.
Zwischen den Netzknoten Osburg (Anschluss an das 380-kV Übertragungsnetz von Amprion) und
Thalfang am Westende des Hunsrück plant Rhein-Ruhr Verteilnetze GmbH eine 14 km lange
Freileitungstrasse. Mit der 110-kV Leitung sollen 500 MW Windstrom aus dem Hunsrück übertragen
werden.
Im Netzgebiet der Pfalzwerke waren im Oktober 2011 rund 630 MW Einspeisung aus erneuerbaren
Energien vorhanden und zwar bei einer Netzhöchstlast von rund 1300 MW. Bis zum Jahre 2020
prognostizieren die Pfalzwerke einen Anstieg der erneuerbaren Kraftwerksleistung auf 3.100 MW,
wovon etwa 80 % auf Windkraft und 20 % auf Photovoltaik entfallen. Zur Einbindung der
erneuerbaren Energie müsse das Verteilnetz deutlich ausgebaut werden:
- „Erweiterung des Bestandes an 110/20kV-Transformatoren an vorhandenen und neuen Standorten um ca. 50 % (110 ->163)
- 110kV-Trassen-Neubau von 15 % (~70 km) - kaum abschätzbarer Netzausbau im 0,4- und 20kV-Netzbereich“37.
In einem Gutachten für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wurde der
Ausbaubedarf des deutschen Verteilnetzes untersucht. Gemäß der vom Bundesumweltministerium
herausgegebenen „Leitstudie 2010“ soll der Bruttostromverbrauch bis 2020 zu 40 % aus
35
Schuster, H.; Ohrem, S.; Malinowski, B. 2011: Ermittlung der langfristig kostenoptimalen Integration der Windenergie in Rheinland-Pfalz. In:IAEW/FGE (Hrsg.): Jahresbericht 2011. Aachen. S. 126 ff. 36
Vgl. Pressemitteilung der RWE Rheinland Westfalen Netz AG „Rheinland-Pfalz und RWE vereinbaren Kooperation“ vom 21.6.2010. 37
Vgl. Präsentation der Pfalzwerke aus dem Gespräch am 16.12.2011, S. 7.
18
erneuerbaren Energien gedeckt werden, was bundesweit die Installation u.a. von 51,7 GW
Photovoltaik und 37,5 GW onshore Windleistung voraussetzt38. Für die Einbindung dieser Kapazitäten
an Solar- und Windkraft müsste das Mittelspannungsnetz um 28 % und das Niederspannungsnetz um
22 % verlängert werden. Die reinen Ausbaukosten wurden auf 21-27 Mrd. Euro geschätzt, wobei die
Kosten für Smart-Meter, Elektromobilität und Ersatzinvestitionen noch unberücksichtigt sind39.
Die Dena lässt derzeit den bis 2030 notwendigen Anpassungsbedarf auf Nieder-, Mittel- und
Hochspannungsebene im Rahmen einer Studie untersuchen. Neben der Modernisierung der Netze
werden auch innovative Betriebsmittel und –konzepte (Smart Grids) sowie
Flexibilisierungsmaßnahmen (Demand Side Management, Speicher) berücksichtigt. Die im Juli 2011
angelaufene Studie soll im Dezember 2012 abgeschlossen werden.
Das in Kapitel 3 beschriebene Konzept des Netzlastmanagements setzt voraus, dass die Betreiber der
Verteilnetze einen Zugriff auf die dezentralen Erzeugungsanlagen und –speicher erhalten bzw. selber
entsprechende Anlagen errichten und betreiben. Solche „aktiven Netzbetreiber“ oder „integrierten
Energieversorger“ 40 können durch die Trennung von Netzbetrieb einerseits und Stromerzeugung
sowie -speicherung andererseits (sog. „Unbundling“) ausgebremst werden. Auf der Ebene der
Verteilnetze kann „… ein striktes Unbundling zwischen Netz und Erzeugung zu einem suboptimalen
Netzlastmanagement führen …“41.
Anders stellt sich die Situation in dem Übertragungsnetz (siehe 5.2) dar, bei dem jegliche
Interessenüberschneidung zwischen Netz- und Kraftwerksbetreibern vermieden werden sollte, um
den Umbau der Netze für eine 100 %ige Versorgung aus erneuerbaren Energien nicht zu erschweren.
Ansonsten droht ein Systemkonflikt zwischen Wind- und Solarstrom auf der einen Seite und
konventionellen Großkraftwerken auf der anderen Seite.
5.2 Übertragungsnetz
Die Übertragungsnetze umfassen die 220- und 380 kV-Höchstspannungsleitungen, mit denen der in
Großkraftwerken und off-shore-Windparks erzeugte Strom über größere Entfernungen zu den
Lastzentren transportiert wird. Das deutsche Übertragungsnetz liegt in den Händen von vier
Übertragungsnetzbetreibern. Rheinland-Pfalz liegt in der Regelzone der Amprion GmbH, die das Netz
von RWE und VEW übernommen hat.
38
Vgl. DLR, Fraunhofer IWES, IfnE (Hrsg.) 2010: Leitstudie 2010 - Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global, S. 48. 39
Vgl. BET, E-Bridge Consuting, IEAW (Hrsg.) 2011: Abschätzung des Ausbaubedarfs in deutschen Verteilnetzen aufgrund von Photovoltaik- und Windeinspeisungen in 2020. Kurzfassung. Gutachten im Auftrag des BDEW. Aachen/Bonn.Entwurf 16.3.2011. 40
Vgl. Brandenburgische Technische Universität Cottbus (Hrsg.) 2011: Fortführung der Studie zur Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Brandenburg, S. 44. 41
Uwe Leprich 2011: Systemtransformation statt Systemintegration – auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Stromsystem. In: Bundesverband Erneuerbare Energie (Hrsg.): Die Zukunft des Strommarktes. Anregungen für den Weg zu 100 Prozent Erneuerbare Energien. Bochum. S. 27
19
Die im November 2011
veröffentlichte „dena-
Netzstudie II“ untersucht
„geeignete Systemlösungen für
das deutsche
Elektrizitätsversorgungssystem“
bis 2020/25, um einen Anteil
von 39 % erneuerbarer
Energien an der
Stromversorgung zu
ermöglichen. Der bis 2020 zu
leistende Netzausbaubedarf
ohne Speichereinsatz wurde in
beiden dena-Netzstudien
zusammen mit bundesweit
4.500 km angegeben.
Zur Identifikation nicht
übertragbarer Leistungen
wurde das deutsche
Übertragungsnetz in 18
Regionen unterteilt. Rheinland-
Pfalz liegt in den Regionen 74
und 75, die zudem auch das
Saarland sowie Teile Hessens
und Nordrhein-Westfalens
umfassen. Für beide Regionen zusammen wurde in den Szenarien für das Jahr 2020 insgesamt 6 GW
Leistung aus Windkraft und Photovoltaik angesetzt. In allen untersuchten Szenariofällen wurden für
die Regionen 74 und 75 nicht übertragbare Leistungen ermittelt und folglich ein Ausbau des
Übertragungsnetzes für erforderlich gehalten42. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der angesetzte
Ausbau der Windenergie auf eine Recherche aus dem Sommer 2008 zurückgeht. So wurde für das
Jahr 2020 in der „dena-Netzstudie II“ für Rheinland-Pfalz eine Windkraftleistung von 1261 MW
prognostiziert 43. Tatsächlich waren Mitte 2010 aber bereits rund 1.500 MW im Lande realisiert
(siehe Kapitel 1).
Das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) vom August 2009 legt 24 als vordringlich eingestufte
Höchstspannungsleitungen im Bundesgebiet fest. Davon berühren drei Projekte auch Rheinland-
Pfalz. Der Netzzustandsbericht der Bundesnetzagentur44 gibt einen Überblick zum Realisierungsstand
im März 2011:
42
Vgl. Deutsche Energieagentur (Hrsg.)2010: dena-Netzstudie II. Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015-2020 mit Ausblick 2025. Berlin, S. 264 ff. 43
Ebenda, S. 42 f. 44
Vgl. Bundesnetzagentur (Hrsg.) 2011: Bericht gemäß § 63 Abs. 4a EnWG zur Auswertung der Netzzustands- und Netzausbaubericht der deutschen Elektrizitätsübertragungsnetztbetreiber. Bonn, S. 63 ff. / Vgl. Bundesnetzagentur (Hrsg.) 2011: Monitoringbericht 2011, S. 21 f.
20
Projekt 15: 380-kV-Leitung Osterath (NRW)-Weißenthurm (bei Koblenz). Die Maßnahme
wurde in dem Abschnitt Neuenahr-Weißenthurm in 2011 realisiert und für den Abschnitt
zwischen Neuenahr und Landesgrenze wurde der Abschluss des Planfeststellungsverfahrens
in 2011 erwartet.
Projekt 19: 380-kV-Leitung Kruckel (NRW)-Dauersberg (bei Altenkirchen) befindet sich im
Raumordnungsverfahren.
Projekt 20: 380-kV-Leitung Dauersberg-Hünfelden (Hessen). Die Maßnahme ist teilweise
realisiert bzw. in der Bauphase.
Ergänzend zu diesen drei Projekten plante Amprion in 2011/12 auch Netzerweiterungen in der
Region Trier-Luxemburg-Saar sowie in der Region Pfalz45 .
Der Ausbaubedarf des Übertragungsnetzes im Bund wie auch in Rheinland-Pfalz wird in Zukunft in
einem jährlich von den Übertragungsnetzbetreibern vorzulegenden „Netzentwicklungsplan“ (NEP)
gem. 12b EnWG dargestellt. Der NEP enthält die Maßnahmen, die zur bedarfsgerechten
Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau der Netze erforderlich sind. Darzustellen sind alle
Netzbaumaßnahmen, die in den nächsten drei Jahren für einen sicheren und zuverlässigen
Netzbetrieb erforderlich werden. Als fachliche Basis wird jährlich ein Szenariorahmen erarbeitet, der
mindestens drei Entwicklungspfade für die nächsten 10 bis 20 Jahre umfassen muss (§ 12a EnWG).
Der NEP befindet sich derzeit in der Aufstellung und muss von den Betreibern des
Übertragungsnetzes erstmals im Juni 2012 der Bundesnetzagentur vorgelegt werden. In dem
Verfahren werden der Öffentlichkeit und die Energieaufsichtsbehörden der Länder gehört.
Aus dem NEP erarbeitet die Bundesnetzagentur für die Bundesregierung den Entwurf eines
Bundesbedarfsplan, der alle drei Jahre fortgeschrieben und vom Bundestag beschlossen wird (§ 12e
EnWG). Für die in diesem Plan genannten Vorhaben (z.B. länderübergreifende
Höchstspannungsleitungen) werden die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche
Bedarf gesetzlich festgelegt, um somit eine zügige Realisierung des Leitungsbaus zu ermöglichen.
Am 18.7.2011 veröffentlichen die Übertragungsnetzbetreiber den gemeinsamen „Szenariorahmen
für den Netzentwicklungsplan 2012“ als Eingangsdaten des gesetzlich geforderten
Konsultationsverfahrens46. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bemängelte in ihrer Stellungnahme vom
29.8.2011 die nicht erkennbare Berücksichtigung der Klimaschutzziele der Bundesregierung.
Gefordert wurde die Berücksichtigung von Gaskraftwerken und Speichern zur Förderung der
Netzstabilität und zur Minderung des Ausbaubedarfs. Zudem sollen die Möglichkeiten zur
Beeinflussung des Netzausbaubedarfs durch Stromeinsparung und des Lastmanagements erhoben
werden. Prof. Dr. Gerhard Weissmüller (Universität Karlsruhe) gab auf der „Smart-Grids-Tagung“ am
30.11.2011 in Worms an, dass etwa die Hälfte des in den dena-Netzstudien geschätzten
Ausbaubedarfs im Übertragungsnetz durch den Aufbau intelligenter Verteilnetze (Beispiel
„Querverbundsleitwarte“ der TWL) und die Realisierung von Stadtwerke-Verbünden vermieden
werden könne.
45
Vgl. Bundesnetzagentur (Hrsg.) 2011: Bericht gemäß § 63 Abs. 4a EnWG zur Auswertung der Netzzustands- und Netzausbaubericht der deutschen Elektrizitätsübertragungsnetztbetreiber. Bonn, S. 83 46
Vgl. 50hertz;Amprion; EnBW Transportnetze AG; TENNET (Hrsg.) 2011: Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2012 – Eingangsdaten der Konsultation. Stand 18.7.2011.
21
In einer Modellstudie, die auf den Netz- und Einspeisedaten der Stadtwerke Schwäbisch-Hall
beruhte, wurde gezeigt, dass aktive Netzbetreiber durch die Nutzung örtlicher Potenziale wie Ausbau
von BHKW, Photovoltaik, Stromeffizienz und Demand-Side-Management den Strombezug aus dem
vorgelagerten Netz mehr als halbieren können47.
In Bezug auf Rheinland-Pfalz fällt auf, dass in dem Szenariorahmen zum NEP der Ausbau der
Windkraft viel zu niedrig angesetzt wurde: Bis 2022 wird für Rheinland-Pfalz zwar mit 2,7 GW
Photovoltaik aber lediglich mit 1,8 GW Windkraft gerechnet48. Dies bedeutet für die Windenergie
eine Steigerung der Leistung um lediglich 20 % gegenüber dem bereits im Juni 2011 erreichten Stand
von 1,5 GW49. Angesichts der Zielsetzungen des Koalitionsvertrages, eine Verfünffachung der
Stromerzeugung aus Windkraft bis 2020 zu erreichen, sind die dem Szenariorahmen zugrunde
gelegten Ausbauziele weit unterdimensioniert. Deshalb hat die Landesregierung bereits eine
Anhebung der Windkraftleistung auf 4,5 GW beantragt.
47
Vgl. IZES, E&E Consult, Öko-Institut u.a. (Hrsg.) 2008: Optimierungsstrategien aktiver Netzbetreiber beim weiteren Ausbau erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung (OPTAN). Endbericht, S. 21. 48
Ebenda, S. 5 49
Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.). 2011: Kraftwerke und Windleistung in Deutschland. Stand 30.6.2011. Berlin. Vgl. MWKEL Rheinland-Pfalz (Hrsg.) 2011: 9. Energiebericht. Mainz. S. 111.
22
5.3. Ökologische Planungskriterien
Das „Forum Netzintegration Erneuerbare Energien“ erarbeitete im Rahmen eines zweijährigen
Diskussionsprozesses mit Umweltverbänden, kommunalen Spitzenverbänden, Bürgerinitiativen,
Forschungsinstituten und Energieversorgern „Handlungsempfehlungen an die Politik zur künftigen
Integration Erneuerbarer Energien in die Stromnetze“50.
Der Ausbau des Stromnetzes ist oftmals mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden und kann
zu Widerständen seitens der Umweltverbände sowie betroffener Kommunen und Anwohner führen.
Zur Steigerung der Akzeptanz von Netzausbaumaßnahmen regt das „Forum Netzintegration
Erneuerbare Energien“ das sog. „NOVA-Konzept“ (Netzausbau – Optimierung vor Verstärkung vor
Ausbau) an51. Für die Optimierung der Betriebsmittelauslastung kommt z.B. das Leiterseilmonitoring
(temperaturgeführtes Lastflussmanagement) in Betracht. Die Verstärkung von Leitungstrassen kann
durch die Anhebung der Übertragungsleistung (z.B. Spannungserhöhung mit zusätzlicher Beseilung,
höherer Isolation) erreicht werden. Erst nach Ausnutzung der Optimierungs- und
Verstärkungsmaßnahmen sollte ein Ausbau des Stromnetzes erwogen werden. Diese planerische
Rangordnung müsse im Rahmen von Netzstudien und Planungsprozessen berücksichtigt und im
Rahmen des Abwägungsprozess für neue Stromtrassen offengelegt werden.
Für die Planung und Ausführung von Netzausbauten werden folgende Kriterien formuliert:
Transparentes Planungsverfahren unter frühzeitiger Beteiligung der Öffentlichkeit und
Umweltverbände. „In einem informellen Prozess soll vor Verfahrenseröffnung unter
Berücksichtigung aller Beteiligten ein informeller Masterplan zur Trassenfindung erstellt
werden“52.
Für die Berücksichtigung des Schutzes von Natur und Landschaft wurden „Prüfkriterien“
erarbeitet, mit denen Schutzkategorien für die betroffenen Gebiete abgeleitet werden
können. Dies soll die Findung einer konfliktarmen Trasse ermöglichen und zur
Beschleunigung der Trassenplanung beitragen53.
Bündelung neuer Freileitungen entlang vorhandener Trassen oder Infrastruktureinrichtungen
(z.B. Autobahnen, Schienentrassen). Diese Position deckt sich auch mit dem Grundsatz 169
des Landesentwicklungsprogramms/LEP IV Rheinland-Pfalz.
Grundsätzlich Erdverkabelung anstelle von Freileitungen gerade auch aufgrund der höheren
Akzeptanz. Entsprechendes sieht auch Grundsatz 169 des LEP IV vor, soweit dies
„wirtschaftlich vertretbar“ ist. Bei Freileitungen sollten optisch angepasste Masttypen
verwendet werden.
Einhaltung von Mindestabständen zu Siedlungen zur Vorbeugung von etwaigen
Gesundheitsrisiken durch elektrische und magnetische Felder.
Nutzung von Neutrassen zur optimierenden Landschaftsgestaltung (z.B. Rückbau von 110-kV-
Leitungen und Entlastung einzelner Gebiete/Wohnbebauungen).
50
Deutsche Umwelthilfe (Hrsg.) 2010: Forum Netzintegration Erneuerbare Energien. Plan N -Handlungsempfehlungen an die Politik. Radolfzell. 51
Ebenda, S. 48. 52
Ebenda, S. 69. 53
Ebenda, S. 71.
23
6. „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-Pfalz 2030“
Die optimale Nutzung von Wind- und Solarstrom erfordert eine räumliche und zeitliche
Synchronisation des Ausbaus von Erzeugungs-, Transport- und Speicherkapazitäten. Neben der
Stärkung lokaler Strommärkte in dezentral organisierten Erzeugungs-, Verteil- und
Verbrauchsstrukturen geht es auch um die Übertragung von Strommengen aus künftigen
Überschussgebieten wie z.B. der Eifel und dem Hunsrück in die nachfragestarken Lastzentren
(Großstädte, Industrie).
Zur Begleitung und Steuerung der anstehenden Modernisierung des Stromnetzes in Rheinland-Pfalz
empfiehlt sich die Erarbeitung eines „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-Pfalz 2030“.
Dabei handelt es sich um einen Masterplan für Netzoptimierungen und -verstärkungen,
Netzausbauten, Stromspeicher sowie Regelkraftwerke. Betrachtet werden in erster Linie das
Übertragungsnetz und die 110 kV-Hochspannungsleitungen der Verteilnetzbetreiber sowie die
dazugehörigen Umspannwerke. Das Mittelspannungsnetz sollte in den Fällen mit betrachtet werden,
bei denen es um den Anschluss von leistungsstarken und regional bedeutsamen Wind- und
Solarparks geht und eine entsprechende Verstärkung des Netzes seitens der Verteilneztbetreiber
erforderlich wird. Der Rahmenplan wirkt als eine fachliche Basis für die Bewertung und Begründung
von z.B. Pumpspeicherwerken sowie Netzausbauten und kann die Akzeptanz geplanter Projekte
erhöhen54.
Die Federführung für die Erarbeitung des „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-Pfalz 2030“
liegt bei der Landesregierung. Neben der Amprion GmbH als Betreiber des Übertragungsnetzes
sollten auch die kommunalen und regionalen Verteilnetzbetreiber beteiligt werden. Desweiteren
sollten die Erzeuger von erneuerbarem Strom, die kommunalen Spitzenverbände sowie die
Umweltverbände beteiligt werden. Beispiele für Konzepte zur Netzintegration der erneuerbaren
Energien sind die Netzstudien in Mecklenburg-Vorpommern55 und Brandenburg56, die von den
jeweiligen Landes-Wirtschaftsministerien in Auftrag gegeben wurden. Auf der Tagung „Smart Grids
und virtuelle Kraftwerke“ am 30.11.2011 in Worms kündigte Wirtschaftsministerin Eveline Lemke die
Einholung einer Landesnetzstudie an.
54
Vgl. Felix Matthes (2011): Strommärkte als Auslaufmodell? Die Rolle und das Design von Marktmechanismen in der ´Großen Transformation“ des Stromversorgungssystems. In: In: Bundesverband Erneuerbare Energie (Hrsg.): Die Zukunft des Strommarktes. Anregungen für den Weg zu 100 Prozent Erneuerbare Energien. Bochum. S. 103. 55
Universität Rostock (Hrsg.) 2009: Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Mecklenburg-Vorpommern. Rostock 56
Brandenburgische Technische Universität Cottbus (Hrsg.) 2011: Fortführung der Studie zur Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Brandenburg
24
7. Rekommunalisierung der Energieversorgung
Die Stromversorgung erfolgt in Rheinland-Pfalz auf der Ebene des Verteilnetzes durch 59 Gemeinde-
und Stadtwerke sowie vier regionale Unternehmen. Die Rhein-Ruhr Verteilnetz GmbH (100 %ige
RWE-Tochter) nimmt eine beherrschende Funktion im Norden von Rheinland-Pfalz ein, während die
Pfalzwerke Netzgesellschaft mbH im Süden des Landes dominiert. Die EWR Netz GmbH versorgt den
Bereich zwischen Worms und Mainz, während die KEVAG Verteilnetz GmBH im Raum Koblenz tätig
ist.
Die Gasnetze werden in Rheinland-Pfalz von 32 Gemeinde- und Stadtwerken betrieben. Der RWE-
Ableger Süwag Netz GmbH betreibt in Rheinland-Pfalz ein kleineres Verteilnetz südöstlich von
Koblenz. Die Pfalzgas GmbH (50 %ige Tochter der Pfalzwerke AG und von Enovos Deutschland AG)
versorgt180 Gemeinden im Süden des Landes.
Derzeit werden in 86 rheinland-pfälzischen Kommunen Wärmenetze betrieben oder geplant57. In
Koblenz, Ludwigshafen, Mainz, Mayen, Kaiserslautern, Pirmasens, Speyer und Wörth verteilen
Fernwärmenetze seit vielen Jahren die in zentralen Heizkraftwerken erzeugte Wärme an die
Endverbraucher. Immer wichtiger werden kleinräumige Nahwärmenetze auf Basis von Erdgas- und
Holzfeuerungen Mit dem „Zukunftsinvestitionsfonds Rheinland-Pfalz“ wurden zwischen 2009 und
2011 41 Nahwärmeprojekte gefördert.
Gemäß Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes bestimmt die Gemeinde darüber, wie die
„Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ im Rahmen der Gesetze wahrgenommen werden. Die
Energieversorgung zählt zu dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, den die Kommune
wahrnehmen kann und muss. Dabei kann sie sich privater Unternehmen bedienen oder ein eigenes
Stadt- bzw. Gemeindewerk gründen. Die Rekommunalisierung zielt auf die Stärkung oder
Wiedererlangung der kommunalen Verfügungshoheit über die gemeinschaftlich zu organisierende
Daseinsvorsorge. An eine kommunal gesteuerte Energieversorgung knüpft sich die Erwartung einer
zügigen Durchsetzung der dezentralen und erneuerbaren Energieerzeugung. Die Stadtwerke sollen
sich zu energiewirtschaftlichen Gegenspielern der bislang marktbeherrschenden und auf Kohle- und
Atomkraftwerke stützenden Energiekonzerne RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW entwickeln.
7.1 Kommunale Netzübernahme
Die Kommune vergibt die Konzession zur Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung
und den Betrieb u.a. der Energienetze, was in dem sog. „Konzessionsvertrag“ geregelt wird. Die
Laufzeit des Vertrages beträgt gem. § 46 Absatz 2 EnWG längstens 20 Jahre. Wird der
Konzessionsvertrag nicht verlängert, dann muss der bisherige Nutzungsberechtigte das Netz dem
neuen Energieversorger gegen Zahlung einer Vergütung überlassen. Die Gemeinden müssen das
Auslaufen des Konzessionsvertrages zwei Jahre vor Vertragsablauf im Bundesanzeiger (bis 100.000
Kunden) oder im Amtsblatt der EU (ab 100.000 Kunden) bekanntgeben.
57
Vgl. Oliver Decken 2011: Kraft-Wärme-Kopplung sowie Wärmenetze. Bausteine einer Energiewende für Rheinland-Pfalz, Teil 2. Landau (unveröffentlicht).
25
Ein zentraler Streitpunkt bei der Übereignung des Energienetzes von dem bisherigen Betreiber auf
die Kommune ist regelmäßig der Wert der Verteilungsanlagen. Gemäß § 46 Abs. 2 EnWG muss eine
„wirtschaftlich angemessene Vergütung“ gezahlt werden. Aus kommunaler Sicht ist vom sog.
Ertragswert z.B. des Stromnetzes auszugehen. Demnach muss der Kaufpreis so bemessen sein, dass
unter Berücksichtigung der sonstigen Kosten des Netzbetriebs und der zu erwartenden Erlöse des
Stromverkaufs die Netzübernahme für den neuen Betreiber betriebswirtschaftlich vertretbar ist. Der
in vielen bestehenden Konzessionsverträgen festgelegte und vom bisherigen Netzbetreiber
geforderte Sachzeitwert (Wiederbeschaffungskosten nach Zeitwert) liegt oftmals deutlich über dem
Ertragswert. Der Unterschied zwischen Sachzeitwert und Ertragswerte dürfte künftig weiter
auseinanderdriften, da seit 2005 zusammen mit dem Netz nicht mehr automatisch auch die
Lieferkundenbeziehungen an den neuen Betreiber übergehen und die Anreizregulierung zu
sinkenden Erlösen beim Netzbetrieb führt.
Wichtig ist eine frühzeitige und qualifizierte Befassung der Verwaltung und des Gemeinderates mit
den Möglichkeiten der Rekommunalisierung, um Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten
sorgfältig prüfen zu können. Für die Gestaltung des Betriebs eines rekommunalisierten Strom-, Gas-
bzw. Wärmenetzes gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten58:
a) Einbeziehung des neuen Netzes in ein bestehendes Stadtwerk. Durch die Vertiefung
bestehender Sparten (Skaleneffekt) oder eine Erweiterung des Geschäftsfeldes um eine neue
Sparte (Verbundeffekt) können Synergien bei dem bestehenden Stadtwerk genutzt werden.
Die vorhandenen Fixkosten z.B. für die Finanzbuchhaltung, das Rechnungswesen,
Bereitschaftsdienste oder Spezialressourcen wie Kabelmesswagen können auf eine größere
Anzahl von Leistungseinheiten verteilt werden. Ein Beispiel ist die Übernahme des
Stromnetzes durch ein bislang im Gas- oder Wassergeschäft tätigen Stadtwerk und damit die
Schaffung eines Verbundunternehmens. Zudem können bereits im Stromgeschäft tägige
Stadtwerke die Konzession für weitere Stadtteile von einem regionalen Verteilnetzbetreiber
übernehmen.
b) Neugründung eines Stadtwerkes im Rahmen der Übernahme von Netzkonzessionen. Bis in
die 90er Jahre hinein galt der Erwerb des Stromnetzes allein schon als eine beinahe
risikofreie Investition. Durch die Auflösung der Gebietsmonopole (seit 1998 frei Wahl des
Stromlieferanten), die Trennung von Versorgung und Netzbetrieb und die Einführung der
Anreizregulierung (s.u.) verschlechterten sich die Bedingungen für die Refinanzierung des
Netzkaufpreises. Für die Neugründung von Stadt- und Gemeindewerken empfiehlt sich eine
sorgfältige Abwägung der unternehmerischen Chancen (u.a. steuerlicher Querverbund,
Ausbau der Eigenerzeugung) und Risiken (u.a. mangelnde Effizienz der Betriebsgröße,
Umsetzungskompetenz).
c) Kooperationen, Beteiligungen und Pachtlösungen. Für den Netzerwerb und –betrieb können
sich Kommunen und kleinere Stadtwerke mit anderen Partnern zusammenschließen. Das
kann z.B. im Rahmen eines regionalen Stadtwerkverbundes organisiert werden oder es wird
eine Kooperation mit einem erfahrenen und kapitalstarken Stadtwerk gesucht. Ein Beispiel
58
Vgl. Deutscher Städtetag; Deutscher Städte- und Gemeindbund, VKU (Hrsg.) 2009: Konzessionsverträge. Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke. Berlin. S. 26. Für eine weitere Detaillierung wird auf diesen ausführlichen Leitfaden verwiesen.
26
für letzteres ist die Ahrtal-Werke GmbH, die im Jahr 2010 das Stromnetz von RWE Rhein-
Ruhr AG übernahm. Gesellschafter sind mit 51 % die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und zu
49 % die Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH59.
Bei der Umsetzung der kommunalen Energiestrategie kommt dem Stadt- bzw. Gemeindewerk eine
tragende Rolle zu. Ein Stadtwerk bedeutet allerdings nicht automatisch auch eine nachhaltige
Energiewirtschaft, sondern hierzu bedarf es im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten
einer entsprechenden politischen Steuerung. Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Stadtwerkes
dürfte ein Engagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette entscheident sein. Das Leitbild
„Stadtwerk der Zukunft“ umfasst die Erzeugung (z.B. dezentrale KWK, Wind- und Photovoltaik), den
Betrieb der Netze für Strom, Gas und Wärme sowie den Vertrieb (z.B. zeit- oder lastvariable Tarife)
bis hin zu Energiedienstleistungen (z.B. Contracting-Angebote für BHKW in kommunalen
Einrichtungen).
7.2 Neuvergabe Konzessionsvertrag
Alternativ zu der im voranstehenden Kapitel beschriebenen Netzübernahme kann die Kommune die
Konzession für das Netz ausschreiben und das für sie beste Angebot auswählen. Bei dem
Konzessionsvertrag handelt es sich um einen Vertrag zur Nutzung der öffentlichen Wege und Straßen
für den Betrieb von Strom-, Gas- oder Wärmenetzen. Dafür zahlt der Netzbetreiber der Kommune
eine Abgabe. „Durch die diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Wegenutzungsrechte haben die
Gemeinden ein wirksames Instrumentarium in der Hand, den örtlichen Netzbetrieb mit den daraus
folgenden Rechten und Pflichten im Interesse der gesicherten Versorgung der Gemeindeeinwohner zu
gestalten“ 60.
Die Auswahl des Unternehmens obliegt der Gemeinde, die bei mehreren Bewerbern die für die
Auswahl des Unternehmens maßgeblichen Gründen bekannt machen muss. Ein aus Sicht der
Energiewende wichtiges Auswahlkriterium ist die Weiterentwicklung des Stromnetzes zur Aufnahme
dezentraler sowie erneuerbarer Einspeisungen61.
Im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg und NRW wurde im März 2010
ein „Alternativer Musterkonzessionsvertrag der Grünen“ erarbeitet62. Demnach sollten neu
abgeschlossene Konzessionsverträge u.a. folgende Inhalte umfassen: Bekenntnis der
Vertragspartner zum diskriminierungsfreien Ausbau der erneuerbaren Energien und der dezentralen
Energieerzeugung, Berichtspflichten des Netzbetreiber (z.B. Netzengpässe im örtlichen Netz,
59
Vgl. BürgerBegehren Klimaschutz (Hrsg.) 2011: Kurzstudie zu Stadtwerksgründungen (Stand Januar 2011). 60
Deutscher Städtetag; Deutscher Städte- und Gemeindbund, VKU (Hrsg.) 2009: Konzessionsverträge. Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke. Berlin. S. 26. Für eine weitere Detaillierung wird auf diesen ausführlichen Leitfaden verwiesen, S. 72. 61 Eine Auflistung möglicher Bewertungskriterien zur Prüfung von Konzessionsvergaben sowie von
Erfolgskriterien für eine Rekommunalisierung finden sich im Leitfaden: Deutscher Städtetag; Deutscher Städte- und Gemeindbund, VKU (Hrsg.) 2009: Konzessionsverträge. Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke. Berlin. S. 77 f.). 62
http://www.gar-bw.de/fileadmin/gar/pdf/Energie_und_Klima/Alternativer_ Musterkonzessionsvertrag2010.pdf
27
Anschluss von Smart Metern, örtlicher Strommix), Sonderkündigungsrecht der Kommune nach zehn
Jahren.
7.3 Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts Rheinland-Pfalz
Am 15.9.2011 verabschiedete der Landtag mehrheitlich den Antrag von SPD und Bündnis 90/DIE
GRÜNEN „Kommunale Energiewende unterstützen“ (siehe Anhang 2). Darin wird betont, dass für
den nachhaltigen Umbau der Energieversorgung den Kommunen, den Stadtwerken sowie den
kommunalen Wohnungsunternehmen eine „besondere Bedeutung“ zukomme. Um die Rolle der
Kommunen zu stärken wurde die Landesregierung aufgefordert,
- „ die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und ihrer Stadt- und Gemeindwerke im
Bereich der Energieversorgung zu erleichtern;
- den Kommunen und ihren Stadt- und Gemeindewerken im Bereich der erneuerbaren Energien
eine verbesserte überörtliche Betätigung zu ermöglichen;
- die Beteiligungsmöglichkeiten der Kommunen an Anlagen zur regenerativen
Energieerzeugung, auch außerhalb der Gemeindegrenzen, zu erleichtern;
- die Rekommunalisierung der Energieversorgung bzw. entsprechende Beteiligungen von
Kommunen zu unterstützen.
- durch eine Fortschreibung des LEP IV sowie die durch Überarbeitung des Windkrafterlasses
Handlungsspielräume für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu vergrößern“.
Diese Forderungen hat der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz in seinem Positionspapier
„Energiewende“ vom 14.11.2011 in fast wortgleichen Formulierung unter ergänzender Betonung der
Flächennutzungsplan-Ebene beim Ausbau der Windenergie übernommen (siehe Anhang 4)63.
Gemäß 85 Absatz 1 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz dürfen Gemeinden wirtschaftliche
Betriebe nur dann errichten oder wesentlich erweitern, wenn
- „ der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
- das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der
Leistungsfähigkeit der Gemeinde und dem voraussichtlichen Bedarf steht und
- bei einem Tätigwerden außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung und des
öffentlichen Personennahverkehrs der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich
durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.“
Der öffentliche Zweck des Unternehmens ergibt sich aus der Gemeinwohlorientierung, dem Nutzen
für die Einwohner und dem Bezug auf die Kommune. Politisch umstritten ist die Subsidiaritätsklausel,
nach der gemeindewirtschaftliche Aktivitäten nur dann zulässig sind, wenn der damit angestrebte
öffentliche Zweck nicht genauso gut und wirtschaftlich wie durch ein privates Unternehmen erfüllt
werden kann. Im Jahr 2009 wurde die Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz dahingehend
kommunalfreundlich ausgestaltet, dass u.a. die „Energieversorgung“ generell von kommunalen
Unternehmen durchgeführt werden darf. 63
Verwiesen sei auch auf den Forderungskatalog „Handlungsfähige Gemeinden, Städte und Verbandgemeinden geben den Menschen in Rheinland-Pfalz Heimat Erwartungen der Gemeinden, Städte und Verbandsgemeinden an den Landtag und die Landesregierung Rheinland-Pfalz für die 16. Legislaturperiode 2011 – 2016“ des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz
28
Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz regt an, den Begriff der Energieversorgung in der
Gemeindeordnung um die Energiegewinnung zu ergänzen, da nicht jede Gemeinde, die z.B. einen
Windpark betreibt auch gleichzeitig in die Stromversorgung einsteigen will. Zudem legt die Kopplung
an den „voraussichtlichen Bedarf“ nahe, dass eine Kommune z.B. Strom nur für den Eigenbedarf
produzieren darf und erschwert die Beteiligung der Kommune z.B. an überregionalen Windparks.
Weitere Vorschläge des Gemeinde- und Städtebundes zielen auf organisatorische Erleichterungen im
Zuge einer Änderung der Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz sowie der
Beteiligungsmöglichkeiten von Orts- und Verbandsgemeinden, Landkreisen sowie privaten und
genossenschaftlichen Akteuren an Energie-Erzeugergemeinschaften. Letzteres setzte eine flexiblere
Handhabung der Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen einer Anstalt des öffentlichen Rechtes voraus
(Änderung § 86a der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz).
Gemäß § 85 Absatz 2 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz dürfen kommunale Unternehmen
generell auch außerhalb des Gemeindegebietes tätig werden, wenn die Voraussetzungen des oben
zitierten Absatz 1 vorliegen und die berechtigten Interessen aller betroffenen Gemeinden gewahrt
sind. Damit wird trotz der grundsätzlichen Verankerungen des Stadtwerkes an die Gemeinde
(„Örtlichkeitsprinzip“) weder die Möglichkeit einer interkommunalen Zusammenarbeit noch „…die
anteilige Beteiligung an grenzüberschreitend tätigen Unternehmen behindert“64.
7.4. Anpassung der Anreizregulierung
Seit 2009 werden die Netzentgelte für Strom und Gas im Rahmen der sog. Anreizregulierung
geregelt. Damit sollten beim Netzbetrieb mehr Wettbewerb und damit eine Senkung der Gas- und
Strompreise erreicht werden. Die Landesregulierungsbehörde ist gemäß § 54 EnWG zuständig für
Energieversorger mit weniger als 100.000 Kunden, die Bundesnetzagentur für größere Versorger. Die
Regulierungsbehörde setzt die höchstzulässigen Erlöse des Netzbetriebes im Rahmen eines Kosten-
und Effizienzvergleiches für eine Regulierungsperiode von fünf Jahren fest. Kann der Netzbetreiber
seine Kosten in dem Zeitraum senken, dann verbleibt ihm der Unterschied zwischen den
genehmigten und tatsächlichen Kosten als Effizienzgewinn. Liegen seine Kosten über der festgelegten
Erlösobergrenze, dann bleibt er auf den höheren Kosten sitzen. Damit wird dem Netzbetreiber ein
Anreiz zur Steigerung seiner Kosteneffizienz bzw. zur Vermeidung „überflüssiger“ Kosten gegeben. In
der anschließenden Regulierungsperiode werden die Netzentgelte aufgrund des dann erreichten
Kostenniveaus festgelegt65.
Die Anreizregulierung stellt insbesondere die kleinen und mittleren Stadt- und Gemeindewerke mit
relativ hohen Fixkosten und geringen Verkaufsmengen vor große Herausforderungen. Vor diesem
Hintergrund hat der Bezirksverband Pfalz im Jahre 2009 die „Pfalzenergie GmbH“ gegründet, an der
sich die meisten pfälzischen Energieversorgungsunternehmen beteiligen. Die Gesellschaft soll
gebündelt und damit kostengünstig Dienstleistungen in den Bereichen Netzmanagement und –
service, Vertrieb und Abrechnungswesen erbringen.
64
Vgl. Deutsches Institut für Urbanistik (DIFU) 2011: Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme. Berlin, S. 16. 65
Vgl. Kommunalbrevier- Artikel Energieversorgung
29
Generell kann der derzeitige Regulierungsrahmen allerdings zu einem Interessengegensatz zwischen
dem Verteilnetzbetreiber sowie den Erzeugern von erneuerbaren Energien führen und damit die
Umsetzung der Energiewende hemmen. Die derzeit gültige Anreizregulierung beruht auf den
Kostenstrukturen der Jahre 2005-2007, die geprägt waren von einem nur mäßigen Ausbaubedarf der
Stromnetze. Die daraus abgeleiteten Erlösobergrenzen für die Regulierungsperiode 2009-2013
berücksichtigen zu wenig den aktuellen Netzanpassungsbedarf, der aus der verstärkten Einbindung
dezentraler PV- und Windkraftanlagen resultiert. Dazu stellte die Arbeitsgruppe
„Energieinfrastruktur“ des Hessischen Energiegipfels fest: „Als problematisch wird von den
Netzbetreibern in diesem System der Zeitverzug empfunden, mit dem unter aktuellen Bedingungen
der Mittelrückfluss auf Neuinvestitionen einsetzt. … In Phasen anwachsenden Investitionsbedarfs
kann es am Beginn der Lebensdauer der neuen Anlagegüter unter den Bedingungen geltenden Rechts
zu Finanzierungs- und Ertragslücken kommen“66.
Zudem führt der Ausbau der Eigenerzeugung zu einer Abnahme der im Stromnetz verteilten und mit
Netznutzungsentgelt belegbaren Strommenge und damit zu Ertragsrückgängen beim
Verteilnetzbetreiber. Dieser soll aber gleichzeitig für eine störungsfreie Einbindung der dezentralen
Anlagen in das Stromnetz sorgen. Insgesamt empfiehlt es sich, die Regulierungspraxis hinsichtlich der
Abschaffung von Negativanreizen sowie der Setzung von Positivanreizen für eine effektive
Einbindung der dezentralen Erzeugung zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
7.5 Beratung der Kommunen
Die kleinen und mittleren Kommunen sind im Allgemeinen mit der Vorbereitung und Durchführung
einer Rekommunalisierung ihrer Energieversorgung überfordert. Es bedarf einer kompetenten und
kommunalaffinen Beratung hinsichtlich der Abschätzung der Chancen, Risiken und
Realisierungswege. Dafür ist in der Regel die Einholung einer Machbarkeitsstudie zur Übernahme des
Stromnetzes erforderlich. Dies umfasst eine Bewertung des vorhandenen Netzes mit dem
Optimierungs- und Ausbaubedarf, die Aufgabenbeschreibung des künftigen Stadtwerks,
Kooperationsmöglichkeiten (z.B. regionaler Stadtwerkeverbund) sowie die Rechtsform des
Unternehmens (z.B. Eigenbetrieb oder GmbH).
Viele Stromnetzübernahmen scheitern an der fehlenden Information und Beratung der Kommunen.
Die geplante Landesenergieagentur sollte den Kommunen Beratungsleistungen für die
Rekommunalisierung der Energieversorgung anbieten.
Neben dem Rückkauf des Stromnetzes ist der Aufbau eigener Erzeugungsanlagen ein wesentlicher
Baustein der Rekommunalisierung der Stromversorgung. Um an das benötigte Kapital zu gelangen
und gleichzeitig ein Maximum an Akzeptanz zu erreichen, bietet sich die Beteiligung der Bürger und
Unternehmen an den örtlichen Windkraft- und Photovoltaikprojekten an. Dies kann z.B. im Rahmen
von Kapitalbeteiligungen oder von Energiegenossenschaften unter Beteiligung z.B. der Volksbanken
oder Sparkassen (z.B. VR Energiegenossenschaft Südpfalz) erfolgen. Bürger, Unternehmen sowie die
Kommune beteiligen sich mit Einlagen an dem Aufbau einer sicheren Stromversorgung und
profitieren davon nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die beim Gemeinde- und Städtebund Rheinland-
66
http://www.energiegipfel.hessen.de/dynasite.cfm?dsmid=16452
30
Pfalz angesiedelte „Kommunalberatung Rheinland-Pfalz GmbH“ unterstützt die Kommunen bei
vielfältigen Fragestellungen wie z.B. bei der Gründung kommunaler Gesellschaften für den Betrieb
von Windkraftanlagen.
Einen interessanten Ansatz zum interkommunalen Interessenausgleich bei der Errichtung und dem
Betrieb von Windkraftanlagen hat die Verbandsgemeinde Rheinböllen entwickelt. In dem 2009
vereinbarten Solidarpakt „Gemeinsam mit erneuerbarer Energie Zukunft gestalten“ wurden
finanzielle Ausgleichsregelungen zwischen den Standortgemeinden und den übrigen Ortsgemeinden
getroffen. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit und
zur Förderung der Akzeptanz.
Eine wichtige Aufgabe der künftigen Landesenergieagentur ist die Beratung und Unterstützung der
Kommunen bei der Gründung von Energiegenossenschaften und bei der Aushandlung
interkommunaler Vereinbarungen zur Steigerung der Akzeptanz von Windkraftanlagen.
31
8. Zielführende Fragestellungen
Aus dem dargestellten Sachzusammenhang ergeben sich für die landespolitische Ausgestaltung der
Energiewende folgende Fragestellungen.
8.1 „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-Pfalz 2030“
Die Transformation des Stromnetzes in Richtung auf eine vollständige Versorgung aus erneuerbaren
Energien umfasst eine Anpassung und Weiterentwicklung der regionalen Verteilnetze , des
landesweiten Übertragungsnetzes sowie der Stromspeicher in allen Netzebenen. Im Rahmen einer
landesweiten Studie „Zielnetz Strom und Speicherbedarf Rheinland-Pfalz 2030“ sollten folgende
Fragestellungen angegangen werden:
Verteilnetze
a) Welche Stromeinspeisungen aus Wind-, Photovoltaik- und Biomasseanlagen sowie fossil
gefeuerter Kraftwerken bestehen?
b) Von welcher Entwicklung der Stromeinspeisungen ist bis 2015/2020 und mit Ausblick auf
2030 (100 %-Ziel) zu rechnen?
c) Wie entwickelt sich die Stromnachfrage unter Beachtung der Potenziale der Stromeffizienz
sowie der demografischen Entwicklung?
d) Welche Potenziale ergeben sich aus dem Last- und Erzeugungsmanagement?
e) Inwieweit sind die bestehenden Netze auf die sich verändernde Stromeinspeisungen
ausgelegt? Wo ist mit Engpässen zu rechnen?
f) Welche Speicher-, Regel- und Back-up-Kapazitäten sind vorhanden und werden in Zukunft in
den Verteilnetzen benötigt?
g) Welche Maßnahmen zur Optimierung und Verstärkung sowie zum Ausbau der Verteilnetze
sind erforderlich?
Übertragungsnetz
h) Über welche Transportkapazitäten verfügt das Übertragungsnetz und wie stark werden diese
bereits ausgelastet?
i) Welche Stromflüsse müssen für die Prognosefälle 2015/2020 und 2030 vom
Übertragungsnetz abgewickelt werden?
32
j) Inwieweit sind das bestehende Übertragungsnetz sowie die Schnittstellen zu den
Verteilnetzen auf die sich verändernden Transportleistungen ausgelegt? Wo ist mit
Engpässen zu rechnen?
k) Welche Speicher- und Regelkapazitäten werden in den Prognosefällen 2015/2020 und 2030
im Übertragungsnetz benötigt?
l) Welche Maßnahmen zur Optimierung und Verstärkung sowie zum Ausbau des
Übertragungsnetzes sind erforderlich?
Beteiligung
m) Wie können die relevanten Akteure (Netzbetreiber, Umweltverbände, kommunalen
Spitzenverbände, Stromerzeuger) an der Erarbeitung und Fortschreibung des Zielnetzes
beteiligt werden?
8.2 Energieagentur Rheinland-Pfalz/kommunale Energieagenturen
Der geplanten Landesenergieagentur sowie den kommunalen Energieagenturen kommt eine
wichtige Rolle bei der Umsetzung der Energiewende in Rheinland-Pfalz zu. In Rahmen dieses Papieres
wurden folgende Aufgaben skizziert:
- Beratung von Unternehmen und Bürgern bei der Realisierung der Stromeinsparpotentiale,
- Beratung der Kommunen bei der Rekommunalisierung der Energieversorgung,
- Beratung der Kommunen bei der Akzeptanzförderung für Windkraftanlagen
(Beteiligungsmodelle für Bürger und Nachbarkommunen).
Weitere Aufgabenstellung sind u.a. die Energieeffizienz im Wärmemarkt, der Ausbau der Kraft-
Wärme-Kopplung, die solare Erzeugung von Warmwasser, Raum- und Prozesswärme.
Insgesamt ergeben sich folgende Fragestellungen:
a) Auf welche Erfahrungen aus anderen Bundesländern (z.B. Baden-Württemberg) bzgl.
Struktur, Aufgabenstellung und Finanzierung von Energieagenturen kann angeknüpft
werden?
b) Welche Aufgaben soll die geplante Landes-Energieagentur erfüllen?
c) Welche Aufgaben sollen die kommunalen Energieagenturen erfüllen?
d) Wie soll die Zusammenarbeit zwischen der Landes-Energieagentur und den kommunalen
Energieagenturen im Sinne einer effizienten Aufgabenerbringung geregelt werden?
33
e) Wie können vorhandene Strukturen (EOR, Verbraucherzentrale, Kommunalberatung des
GStB u.a.) eingebunden werden?
f) Wie sollen die Landes-Energieagentur sowie die kommunalen Energieagenturen finanziert
werden?
8.3 Unterstützung der Verteilnetzbetreiber bei der Anpassung der Stromnetze und dem
Aufbau von Stromspeichern
a) Inwieweit kann die Landesregulierungsbehörde die zur Anpassung der Verteilnetze an die
Energiewende notwendige Maßnahmen wie
-die Etablierung eines Demand-Side-Management,
- den Aufbau von Smart Grids,
- die Anerkennung der Kosten für Smart Meter,
- die Schaffung von Speicherkapazitäten im Netz,
- die Bereithaltung von Ausgleichsenergie für Wind- und PV-Anlagen,
- den Mehraufwand für notwendige Netzoptimierungen, -verstärkungen und -
ausbauten
bei der Festlegung der Erlösobergrenzen des Netzbetreibers bereits berücksichtigen?
b) Inwieweit muss für eine angemessene und zeitnahe Berücksichtigung der vorgenannten
Maßnahmen die Anreizregulierungsverordnung des Bundes angepasst werden?
c) Inwieweit kann durch die bundesweite Einführung von z.B. leistungs- oder lastbezogenen
Anreizsystemen der Aufbau von Regelkraftwerken und Stromspeichern unterstützt werden?
d) Welche bundesrechtlichen Regelungen bzgl. der technischen Normierung von Smart Metern
müssen für eine zügige Markteinführung getroffen werden?
e) Wie kann eine aktive Verzahnung des Betriebes von Netzen und Speichern organisiert
werden? Inwieweit müssen dafür die Unbundlings-Vorschriften des Bundes für die Ebene der
Verteilnetzbetreiber weiterentwickelt werden?
f) Wie kann die Gemeindeordnung und das Gemeindewirtschaftsrecht in Hinblick auf eine
Stärkung des energiewirtschaftlichen Engagements des Kommunen weiterentwickelt
werden?
8.4 Unterstützung von Forschungsvorhaben
a) Wie können die in Rheinland-Pfalz bereits gut aufgestellten Forschungskapazitäten für die
Energiewende weiterentwickelt werden?
34
b) Wie und in welchem Umfang können durch die Nutzung vorhandener dezentraler
Stromspeicher in Gewerbe- und Industriebetrieben auch bereits kurzfristig
Speicherkapazitäten erschlossen werden?
c) Inwieweit trägt die Einführung dezentraler Batteriespeicher zu einer besseren Integration
von Photovoltaik- und Windkraftanlagen im Nieder- und Mittelspannungsnetz bei und wie
können bestehende Hemmnisse überwunden werden?
d) Wie, an welchen Standorten und unter welchen Rahmenbedingungen können Anlagen zur
Erzeugung von Wasserstoff und Methangas aus Wind- bzw Solarstrom (sog. „Windgas“) in
die Energieversorgung integriert werden?