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Gesundheitliche Wirkungen von partikulären Nanomaterialien – derzeitiger Kenntnisstand Thomas Gebel. Prof. Dr. rer. nat., Fachtoxikologe DGPT Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin D-44149 Dortmund

Gesundheitliche Wirkungen von partikulären Nanomaterialien ......Wirkstärkeunterschied um Faktor 2 kleiner: 5 →2,5 Fazit GBS-Nanomaterialien besitzen maximal eine ~2,5-fach höhere

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Gesundheitliche Wirkungenvon partikulären Nanomaterialien

– derzeitiger Kenntnisstand

Thomas Gebel. Prof. Dr. rer. nat., Fachtoxikologe DGPTBundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

D-44149 Dortmund

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Was sind Nanomaterialien?

Bilder: BMBF, Plitzko, Wikipedia, Gutfleisch

Strukturen, die

- in einer oder mehr Dimensionen nanoskalig (1-100 nm) sind oder

- an (ggf. innerer) Oberfläche nanoskalige Strukturierung besitzen

- beabsichtigt hergestellt sind

- größere Agglomerate und Aggregate von Nanoobjekten

(Nanopartikel, -stäbchen, -röhren, -platten) umfassen

(ISO, 2008; OECD, 2007)

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Produktsicherheit: die Nano-Story

Verbesserung

• Begleitung neuer Technologie mit Sicherheitsforschung

Nachteil

• Betonung des wissenschaftlichen Ansatzes:

„getting lost in details“

• Versuche, ungelöste und unlösbare Probleme in der

Chemikaliensicherheit bei ‚nano‘ zu lösen

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nanotoxicology

I found something with my

nanostuff

I adjusted my experimental

protocol till I found a positive effect

I saw a particle in a cell

I publish a positive finding

I need positive finding to publish

scientist vs regulator

I want to see your negative data

adversity?

what does it mean for real life?

I need quantitative and

representative data

Why didn‘t you use the

validated standard protocol?

These findings do not help me.

Why didn‘t you test bulk

in parallel?

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Die Realität in der Chemikaliensicherheit

- es gibt immer Datenlücken

- Produktsicherheit ist für alle Produkte zu gewährleisten

Strategie

- Fokus auf mutmaßlich relevanten Gesundheitsgefahren

- Kann man Gruppen für eine gemeinsame

Risikoabschätzung bilden?

UND:

Betonung des vorhandenen Wissens, nicht der Datenlücken

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Inhalte: welche Nanomaterialien treiben uns um?

• partikuläre Nanomaterialien: Relevanz der Exposition

• vor allem: hohe Beständigkeit im biologischen Milieu

• nicht behandelt:

gezielte medizinische Anwendung:

Materialienbeschaffenheit (z. B. feste Lipide),

gezielte Aufnahme, andere Definition

(Primärpartikeldurchmesser bis 1000 nm)

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Wirkungen von Nanomaterialien: Kernprobleme?

relevante mögliche Wirkprinzipien

a) spezifisch (bio)chemische Reaktionen

b) Wirkung faseriger Partikel (Faserprinzip: Asbest)

c) Wirkung ‚inerter‘ granulärer Partikel

Alveolengängiger Staub!

AGS (2011) https://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/AGS/AGS-zu-Nanomaterialien_content.html

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Gesundheitliche Wirkungen von Nanomaterialien?

Befürchtung 1:

Nanomaterialien sind sehr klein und können sich daher im

Organismus besser verteilen als größere Partikel

(Toxikokinetik)

Befürchtung 2:

Neuartige technische Eigenschaften sind mit neuartigen

Gesundheitsgefahren verbunden

(Toxikodynamik)

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Toxikokinetik

Hypothese 1:

Nanomaterialien sind sehr klein und können sich daher

besser im Organismus verteilen als größere Partikel

relevante Expositionswege?

dermale Belastung: Haut → Organe?

Einatmen: Lunge → Organe?

orale Aufnahme → Darm → Organe?

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auch im Körper ?

so..?…

So quasi nie...

Ein Nano bleibt ungern allein….

in der Luft..

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Nanomaterialien kommen in der Regel nicht als freie Primärpartikel vor

aus: Grassian et al. 2007; Nanotoxicology 1:211

Halbwertzeit als freie Partikel umgekehrt proportional

zu Partikelkonzentration und proportional zu Partikelgröße (Preining, 1998).

Bsp. Titandioxid

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Besorgnis: „Nanomaterialien gelangen durch die Haut “

Bsp.: ZnO in Sonnencreme, Primärpartikel 19 nm & 110 nm

Ergebnisse

<0,001% des aufgetragenen 68Zn im Blut

Deutung

beide Formen von Zn systemisch verfügbar

nano-ZnO tendenziell mehr

ggf. Zn als Ion systemisch verfügbar (ggf. eher aus nano-ZnO)

Versuchsansatz: Anreicherung & Analyse von 68Zn, MC-ICP-MS, Blut- & Urinproben (bis Tag 11)

Applikationsart und –dauer: 2x pro Tag, 5 d am Strand (Sydney!), Personen: 11 „19nm“-, 9 „110 nm“

Gulson et al. 2010 Toxicol Sci. 2010;118(1):140-9

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13LeFevre et al. Hum Pathol. 1982;13(12):1121-6.

Beispiel: Milzgewebe von Steinkohlengrubenarbeitern

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Tierexperimentelle Erkenntnisse

Besorgnis: „Nanomaterialien verteilen sich im Körper“

AGS (2011) https://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/AGS/AGS-zu-Nanomaterialien_content.html

• systemische Verteilung als Partikel

in nur sehr geringem Ausmaß

• Mikropartikel verteilen sich in ähnlichem Ausmaß

• Hinweise für eine gewisse Anreicherung von Partikeln

auf generell niedrigem Niveau

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Besorgnis:

Nanomaterialien

- gelangen ins Gehirn und wirken dort..

- verursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen….

Toxikodynamik von Nanomaterialien:

gibt es systemische Wirkungen?

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Tierexperimentelle Erkenntnisse

Besorgnis: „Nanomaterialien zeigen relevante oder

neuartige Gefahreneigenschaften“

AGS (2011) https://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/AGS/AGS-zu-Nanomaterialien_content.html

• wie, wenn systemische Verteilung als Partikel

in nur sehr geringem Ausmaß ?

• generell bisher keine klaren Hinweise auf relevante Effekte

• cave: manchmal werden Effekte löslicher Bestandteile

als Partikeltoxizität dargestellt

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The ‚Soochow‘ story

The early days

high doses (up to 150 mg/kg), 14 d exposure,intraperitoneal application, bulk tested in parallel

effects of low degree, questionable adversity, similar for bulk

few first inconsistencies in reporting

nano-TiO2 self-synthesized, primary particle size 5-6 nm

~ 30 publications (2007-2013)

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The second phase

low doses (up to 10 mg/kg), oral application,no bulk tested in parallel any more

effects of low degree, questionable adversity

further inconsistencies in reporting

The ‚Soochow‘ story

nano-TiO2 self-synthesized, primary particle size 5-6 nm

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The third phase

low doses (up to 10 mg/kg), oral application,no bulk tested in parallel any more

everything is positive, nice dose-responses everywhere

severe inconsistencies in reporting

The ‚Soochow‘ story

nano-TiO2 self-synthesized, primary particle size 5-6 nm

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Zusammenfassung

• Effekte wurden mit neueren Publikationen stärker(identisches Material bei gleichen Organspiegeln)

• Material zeigte keine Organotropie (Effekte in Gehirn, Leber,Nieren, Hoden, Milz, Nachkommen, Blut, Immunsystem)

• eklatante Widersprüche bei schwerwiegenden Befundenin vergleichbaren Studien

Soochow nano-TiO2: self-synthesized, prim. particle size 5-6 nm

The ‚Soochow‘ story

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vor allem epidemiologische Untersuchungen:Umweltfeinstaubexposition (v.a. PM2,5)

betroffen:empfindliche, nicht notwendigerweise kritisch erkrankte Individuen

(Risikofaktoren: Alter, Diabetes, Übergewicht,…)Stellungnahme der American Heart Association Council on Epidemiology and Prevention, Council on the Kidney in

Cardiovascular Disease, and Council on Nutrition, Physical Activity and Metabolism, Brook et al. 2010Circulation;121(21):2331-78.

auf Nanomaterialien zu übertragen?

auf Arbeitsplatzsituation zu übertragen?

weitere Untersuchungen notwendig

Nanomaterialien und Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

PM, particulate matter

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1. systemische Verfügbarkeit generell geringwie bei allen schwer-/unlöslichen Partikeln→ direkte Wirkungen unwahrscheinlich

2. bisher keine stichhaltigen Hinweiseauf relevante systemische Wirkungenaus experimentellen Studien

Zwischenfazit

Gibt es eine relevante systemische Toxizität von

Nanomaterialien?

Self-assembled 200 micron size nickel dice,

colorized using Adobe Photoshop

Bild: Timothy Leong, Johns Hopkins University, Baltimore, USA

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Current Opinion in Biotechnology 2013, 24:724–734

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Wirkungen von Nanomaterialien: Kernprobleme?

relevante mögliche Wirkprinzipien

a) spezifisch (bio)chemische Reaktionen

b) Wirkung faseriger Partikel (Faserprinzip: Asbest)

c) Wirkung ‚inerter‘ granulärer Partikel

Alveolengängiger Staub!

AGS (2011) https://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/AGS/AGS-zu-Nanomaterialien_content.html

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Mögliche Wirkprinzipien von Nanomaterialien – I -

z.B. Cd2+

z.B. Katalyse

a) Einzelfallbewertung, wenn spezifisch (bio)chemische Reaktion:

Freisetzungtoxischer Stoffe

chemisch funktionelleGruppen

HC CH2

O

löslicheNanomaterialien

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Wiederum im Körper beständiger A-Staub…..

Mögliche Wirkarten von Nanomaterialien – II -

… aber diesmal faserig.

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Fasern sind krebserregendbei Einatmen

(Lunge und v.a. Lungenfell),

falls ausreichend

lang - dünn – biobeständig -steif

Asbest Carbon Nanotubes

b) Prüfung: gilt das Faserprinzip wie bei Asbest?

Mögliche Wirkprinzipien von Nanomaterialien – II -

WirkungalsgranulärerStaub

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Alveolengängige Fasern sind krebserregend bei Einatmen

falls ausreichend lang - dünn – biobeständig – steif:

‚WHO‘-Faser: Länge > 5 µm; Durchmesser < 3 µm; Länge/Ø 3:1

b) Prüfung: gilt das Faserprinzip wie bei Asbest?

Mögliche Wirkprinzipien von Nanomaterialien – II -

Dieser Faser ist es egal,ob sie ‚nano‘ ist!

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Mögliche Wirkprinzipien von Nanomaterialien – III -

c) Nanomaterialien als inerte, alveolengängige Stäube:

das GBS-Wirkprinzip

GBS: alveolengängige granuläre biobeständige Stäubeohne bekannte signifikante spezifische Toxizität

→ GBS-Nanomaterialien

(relevante Gruppe von Nanomaterialien!z.B.: Titandioxid, Industrieruß)

→ Gruppenbewertung

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Die Wirkungen von GBS-Nanomaterialien überdie Toxikologie von Stäuben zu beschreiben.

(A-Staub, alveolengängig)

Zielorgan: Lunge (Inhalation)

→ Wirkungen sind bekannt:

chronische Inhalation von Stäuben (Arbeitsplatz!):Entzündung und mutmaßliche krebserregende Wirkung

GBS-Nanomaterialien: GruppenbewertungFrage der Wirkstärke

AGS (2011) https://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/AGS/AGS-zu-Nanomaterialien_content.html

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obere Atemwege: raschere Entfernung von Staub durchTätigkeit der Zilien (Flimmerhärchen)

Alveolen (Lungenbläschen): sehr langsame Entfernungvon Staub v.a. durch Makrophagen

Flimmerepithel und Zilien (Flimmerhärchen) haben die Aufgabe, die oberen und unteren Luftwege zu reinigen.

Warum ist der A-Staub so problematisch?

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Alveoläre Makrophagen und ihr Job

Bakterien, Partikel

Lysosomen

Phagolysosom

Lyse nicht beibiobeständigen Partikeln

Quelle: Wikipedia, verändert

Hypothese:>6% Volumenbeladung:oxidativer Stress→ Entzündung

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GBS-NanomaterialienEndpunkt Lunge, inflammatorische Wirkung

Mögliche Ableitungen eines AGW(gemäß BekGS 901 oder 910)

AGW ~ 60-90 µg/m³ (ρ=1)

etwa Faktor 5 niedriger als bei Mikromaterialien(Bezug ‚neuer‘ A-Staub-Grenzwert)

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• Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) 2006:Titandioxid & Industrieruß:„sufficient evidence in experimental animals (rat) for

(inhalation) carcinogenicity“ (Baan et al., 2007)

• es gibt Gegenstimmen….Ratte ist keine relevante Spezies in diesem FallLungentumoren nur bei Staub“überladung“es liegt eine schwellenwertartige Wirkung vor

Stand der Diskussion

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Ergebnisse der Metaanalyse

• GBS Nanomaterialien maximal ~ 5x stärker kanzerogen als

GBS MikromaterialienWirkstärkeunterschied bei 9/12 Auswertungen stat. signifikant fürDosismaß Masse, sonst keine weiteren Signifikanzen

• Studien mit GBS Mikromaterialien kürzer als Studien mit

GBS Nanomaterialien (Median 4 Monate): realer

Wirkstärkeunterschied um Faktor 2 kleiner: 5 → 2,5

Fazit

GBS-Nanomaterialien besitzen maximal eine ~2,5-fach höhere

Wirkstärke bei der krebserregenden Wirkung

(Gebel 2012, Arch Toxicol)

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Wieviel ist 2,5?

33000Trichlorethen

5001,3-Butadien

260Acrylnitril

200Ethylenoxid

70MDA

70Acrylamid

0,075NDMA

0,07Benzo(a)pyren

Krebsrisiko4: 10 000

mg/m³

Stoff

maximalerUnterschiedWirkstärke

470000

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Langzeitwirkung: Lungenkrebs nach Einatmen?

Risikobewertung für den niedrigeren Dosisbereich:Verlauf der Dosis-Wirkungs-Beziehung?

Schwelle ‚Knick‘

Risiko:

%

Tumoren

Exposition

unter Beachtung der experimentellen Erkenntnisse:

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Status quo: Allgemeiner Staubgrenzwert

• deckt unspezifische Wirkungen auf Atmungsorgane, die

alle unlöslichen Stäube zeigen können, ab

alveolengängige Fraktion (A) 3 mg/m³

(neu: Übergangszeit 5 Jahre, dann 1,25 mg/m³)

einatembare Fraktion (E) 10 mg/m³

•gilt nicht für Ultrafeinstäube1 & nicht für Nanomaterialien

1 Ultrafeinstäube:aerodynamischer Primärpartikeldurchmesser 1-100 nm inkl. Agglomerate/Aggregate

(Technische Regel TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte )

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Realiter: 100% alveolengängiger Nanostaub? Nein!

Zielparameter: alveolengängiger GBS-Staub

an ‚Nano‘-Arbeitsplätzen:Gemisch von GBS-Mikro- & GBS-Nanomaterialien

Annahme 1identisches Wirkprinzip – Effektadditivität

Annahme 2‚reale‘ Staubmischung Arbeitsplatz

z.B.: 50% nano-GBS / 50% mikro-GBS

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hier nicht betrachtet: Brand- und Explosionsschutz

Anwendung des EMKG:

Fazit Gefährdungsbeurteilung Arbeitsplatz

Nur bei Verstaubungsverhalten hochund ab Mengengruppe t geschlossenes System

Generell empfohlene Abhilfe:Verwendung

Granulate, Suspensionen, Pasten

EMKG, Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe

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Gesundheitliche Wirkungen von Nanomaterialiensind durch bekannte Wirkprinzipien zu beschreiben

Methoden zur Bewertung möglicher

Gesundheitsgefahren von Nanomaterialien vorhanden

Es sind keine völlig neuartigen Wirkungenzu erwarten noch bisher aufgefallen.

Bilder: BAuA, Plitzko

Zusammenfassung I

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Dieser Faser ist es egal, ob sie ‚nano‘ ist!

Pott, ASP 8/77

Das wahre Problem ist der A-Staub!

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Zusammenfassung II und Haupthandlungsbedarf

• Nanotoxikologie ist vor allem Staubtoxikologie,ansonsten gilt (wie für alle Chemikalien):

Einzelfall-/Einzelstoffbewertung

• Alveolengängigkeit

• Differenzierung granuläre & faserige unlösliche Stäube

• Arbeitsschutz:Maßnahmen zur Minderung der Staubexposition

AGS (2011) https://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/AGS/AGS-zu-Nanomaterialien_content.html