Gilly: Vom ägyptischen Hermes zum Trismegistus Germanus

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    Sonderdruck aus

    Peter-Andr Alt / Volkhard Wels (Hg.)

    Konzepte des Hermetismusin der Literatur der Frhen Neuzeit

    Mit 22 Abbildungen

    V&R unipressISBN 978-3-89971-635-1

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    Inhalt

    Peter-Andr Alt und Volkhard Wels

    Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    Esteban Law

    Die hermetische Tradition. Wissensgenealogien in der alchemischen

    Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    Carlos Gilly

    Vom gyptischen Hermes zum Trismegistus Germanus. Wandlungen des

    Hermetismus in der paracelsistischen und rosenkreuzerischen Literatur . 71

    Ralph Hfner

    Spuren des Hermetismus in Jean Bodins Colloquium heptaplomeres . . . 1 3 3

    Volkhard Wels

    Poetischer Hermetismus. Michael Maiers Atalanta fugiens (1617/18) . . . 149

    Rosmarie Zeller

    Hermetisches Sprechen in alchemischen Texten. Die J

    ger-LustvonThomas Rappolt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

    Anne Eusterschulte

    Hermetische Spiele der Natur und der ludische Charakter des Wissens . 213

    Joachim Telle

    John Dee in Prag. Spuren eines elisabethanischen Magus in der

    deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

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    Kristine Hannak

    Pymander als inneres Wort. Sebastian Francks bersetzung des Corpus

    Hermeticum in der Tradition mittelalterlicher Logosmystik . . . . . . . . 297

    Dietmar Till

    Hermetische Texturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

    Peter-Andr Alt

    Das Imaginre und der Logos. Hermetische Grundlagen

    frhneuzeitlicher Poetiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

    Philipp Theisohn

    Amor complacentiae. Zur wissenschaftlichen und literarischenSkularisierung der hermetischen Liebeskonzeption um 1700 . . . . . . 373

    Hans-Georg Kemper

    Hermetisch-poetischer Liebes-Zauber. Von der mystischen

    Jeus-wollust zur Passion der Liebesehe . . . . . . . . . . . . . . . . 393

    Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

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    Carlos Gilly

    Vom gyptischen Hermes zum Trismegistus Germanus.Wandlungen des Hermetismus in der paracelsistischen undrosenkreuzerischen Literatur

    1. Hermes Paracelsus Rosenkreutz

    Whrend der Name Hermes Trismegistus in den Manifesten der Rosenkreuzer,Fama und Confessio Fraternitatis R.C., berhaupt nicht vorkommt, erscheint erin der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencretz. Anno 1459 zwar nur eineinziges Mal, dafr aber an ganz prominenter Stelle. Er steht ganz oben auf derTafel mit der lateinischen Inschrift, die zu Beginn des 4. Tages von einem Lwenbei dem Brunnen gehalten wird, an dem sich Rosenkreutz und die anderenProbanden zu waschen und anschlieend daraus zu trinken hatten:

    Hermes Princeps. Post tot illata generi hvmano damna, Dei consilio: artisqve admi-nicvlo, Medicina salvbris factvs heic flvo. Bibat ex me qui potest: lauet, qui vult: turbetqui audet: Bibite Fratres et vivite. (Hermes der Frst: Nach so viel dem menschlichenGeschlecht zugefgten Schaden, durch gttlichen Ratschlu und mit Hilfe der Kunstbin ich zur heilsamen Arznei geworden und fliee aus diesen Brunnen: Trinke aus mir,wer kann; wasche sich, wer mag; trbe mich, wer es wagt. Trinket, Brder, und lebet).1

    Dann folgt ein einzeiliges Kryptogramm in Schriftholzschnitt mit der kodiertenJahreszahl 1378, d.h. das in der Confessio Fraternitatis angegebene Geburtsjahrvon Christian Rosencreutz.2

    1 [Johann Valentin Andreae]: Chymische Hochzeit: Christiani Rosencretz. Anno 1459.Straburg 1616, S. 74.

    2 Nach vielen vergeblichen Versuchen (z. B. des Paracelsisten Carl Widemann, um 1620, vgl.Hannover NLB, Ms. IV 431, S. 713) gelang erst 1926 die endgltige Entzifferung des Kryp-togramms, vgl. Richard Kienast: Johann Valentin Andreae und die vier echten Rosenkreutzer-Schriften (Palaestra 152). Leipzig 1926, S. 68.

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    Damit wird durch die Inschrift ein Vergleich gezogen, Rosenkreutz tritt an Stelledes Hermes in hnlicher Weise, wie Paracelsus Jahrzehnte nach seinem Tod zumdeutschen Hermes und Trismegistus Germanus gemacht wurde.

    Letzteres wird bei der Beschreibung der Inschriften an dem Kessel zur Er-wrmung des Phnix-Eis whrend des 6. Tages der Chymischen Hochzeit be-sttigt durch ein zweites, ebenfalls in Schriftholzschnitt gedrucktes Krypto-gramm

    mit der kodierten Jahreszahl der Hochzeit selbst (1459) und dem verstecktenAkronym des Paracelsus Hohenheimensis medicinae doctor (P#Md).3

    Diese Art von traditio lampadis oder Fackelbergabe ber die Jahrhun-derte hinweg wurde von Christoph Hirsch, einem Vertrauten des Johann Arndt,in seiner Antwortschrift an die Rosenkreuzer Bruderschaft Pegasus Firmamentivon 1618 einigermaen offizialisiert, indem er die drei fr ihn hervorragendstenInterpreten der Natur wie folgt auserkor:

    Der erste sei der

    gypter Hermes Trismegistus, Vater der Philosophen ge-nannt, der wegen seiner wunderbaren Naturkenntnisse und der Gre seinerWeisheit in seiner Heimat als der dreimal Grte (Ter Maximus) galt und indessen kniglicher Schule der junge Moses alles von ihm lernte.4 Der zweiterechte Interpret der Natur war der Deutsche Theophrastus Paracelsus, derobwohl kein Mitglied Eurer Fraternitt R.C. geworden ist, dennoch sowohl inseinem Wappen wie auch in seinen Schriften sehr przise Weissagungen von der

    3 Ebenda, S. 90. Bei dem von Kienast nicht aufgelsten Schlusymbol handelt es sich wohl um

    eine Kombination von den magischen Charakteren der zweier Planetenregenten (Och frdieSonne und Hagith fr Venus), die laut dem Buch Arbatelfr die Verwandlung von MetalleninGoldzustndig waren, vgl. Arbatel De Magia vetervm. Summum Sapientiae Studium. Basel:[P. Perna] 1575, S. 24, 2830. Whrend Christian Rosenkreuz unter dem Prsidium von Och(von 921 bis 1410) das Licht der Welt erblickt haben soll, ist Paracelsus whrend der Re-genzjahre von Hagith (von 1411 bis 1900) geboren worden. Die Zeitangaben nach der Re-gentenzeiten des Arbatel war eine beliebte Datierungsart bei Paracelsisten, so bei BenedictusFigulus: Thesaurinella Olympica aurea tripartita. Straburg: Anno TrIsMegIstI RegIs etDoCtorIs GratIae nobIs natI [1608], S. 9: Hagenaw, den 3. Octobris, anno reparatae salutis(I).I) CVII (1607) sub regimine vero Gubernatoris Olympici, Angeli Hagith, anno centesimoXCII etc..

    4 Josephus Stellatus [Christoph Hirsch]: Pegasus Firmamenti. Sive Introdvctio brevis in Ve-terum Sapientiam, quae olim ab Aegyptiis et Persis Magia, hodie vero [] Pansophia rectevocatur. o.O. 1618, S. B8v. Vgl. Lynn Thorndike: History of Magic and Experimental Science,vol. VII. New York 1958, S. 167.

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    Bruderschaft hinterlassen habe. Das Wappen zeigt acht Kreuze mit Rosen, wo-durch stillschweigend die acht ersten Mitglieder Eures Collegii oder GebuSancti Spiritus gemeint zu sein scheinen.5 Als dritter genuinus Naturae Libriinterpres kommt eigentlich nur Euer Vater [Christian Rosenkreuz] (imDruck steht irrtmlich Basilius Valentinus), auch deutscher Abstammung, inFrage, der nach erfolgreichen Reisen in Arabien und Spanien die in die Heimatmitgebrachten Schtze der orientalischen Weisheit freigiebig mitgeteilt hat, undzwar zunchst seinen ersten vier Mitbrdern, fr die er ein Collegium grndete,wie in der Fama zu lesen steht. Es sei nur zu wnschen, so Hirsch in seinemPegasus, dass alle Schriften von diesem Hchsten unter den Philosophen bald imDruck erscheinen mgen.6 Das Buch schliet mit der Aufforderung des HermesTrismegistus an seinen Sohn Tat: Pius esto, o fili, qui vere pius est, summe

    philosophatur7

    und dem Spruch am Schluss der Chymischen Hochzeit:Summa scientia, nihil scire.

    Auf diese vermeintliche Ahnenreihe und die folgerichtige Abhngigkeit derParacelsisten und Rosenkreuzer von den Schriften, die unter dem Namen desHermes Trismegistus liefen, haben sowohl ihre jeweiligen Befrworter wie be-sonders auch ihre Gegner oft hingewiesen. Allen zuvor tat dies schon 1615 derschrfste Kritiker von beiden Bewegungen, Andreas Libavius, in seinem ExamenPhilosophiae Novae, quae Veteri abrogandae opponitur, das in eine rabiate Ge-neralabrechnung mit smtlichen Erscheinungen des Hermetismus auer der

    reinen Alchimia transmutatoria ausartete. Laut Libavius wandten Rosenkreuzund Paracelsus die gleichen Principia oder vielmehr deliramenta an wie jenerimpius et ethnicus Magier Hermes Trismegistus, den Libavius kurzerhandzum Begrnder der von ihm bekmpften mystischen Alchemie erklrte (abHermete quidem autore et parente Alchymiae mysticae) und dessen Poeman-der und Asclepius vor Irrtmern, Gotteslsterungen und Dummheiten nur sostrotzten (in primis Hermetici Dialogi sunt errorum pleni; ex tot impietati-

    5 Ebenda, S. B8v-C2r.6 Ebenda, S. C2r-C2v: Utinam hujus summi philosophi tota Cyclopaedia typis evulgata ex-taret. Die Verwechslung des Christan Rosenkreutz mit Basilius Valentinus ist brigensdemselben Hirsch in einem 1641 entstandenen Werk noch einmal unterlaufen: Neben die-sem befordern und dienen/ das Liecht der Natur wahrhafftig zu erkennen/ die gttlicheSchrifften des Hermetis, Paracelsi und Basilii fast sehr/ wann sie ffters mit Verstand gelesenwerden, vgl. [Pseudo-] Abraham von Franckenberg [Christoph Hirsch]: Gemma Magica oderMagisches Edelgestein/ Das ist/ Eine kurtze Erklrung des Buchs der Natur. Amsterdam 1688,S. A3r.

    7 Hirsch zitiert das Corpus Hermeticum nach der Ausgabe von Francesco Patrizi am Schlu vondessen Nova de universis philosophia. Ferrara 1591 (Hermetis Trismegisti Libelli integri XX),

    S. 4. Patrizi hatte bekanntlich seine Ausgabe des CH mit dem Fragment II B des Stobus (Depietate et philosophia liber I) erffnet, wo sich das Zitat befindet. Dieses und andere Frag-mente sind auch ins Deutschebersetzt worden, vgl. Abraham vonFrankenberg: Via VeterumSapientium. Das ist: Der Weg der Alten Weisen. Amsterdam 1675, S. 241250.

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    bus et stultitiis Pimandri et Asclepii; Theologemata stulta in Pimandro etAsclepio):8 Repetunt Paracelsistae suam sapientiam ex Aegypto, vbi ter ma-ximus Hermes fuit in flore; repetunt [fratres de Rosea Cruce] ex Arabia etMauretania, ubi Magi Saraceni Mahometicolae.9

    Und in seiner darauf folgenden Exercitatio paracelsica sowie in seinemWolmeinendes Bedencken von der Fama Fraternitatis warf Libavius den Rosen-kreuzern sowohl auf Lateinisch wie auf Deutsch vor, ihre vermeintlich neuePhilosophie blo aus den Schriften von Paracelsus und Hermes entliehen zuhaben:

    Negatis vestram Philosophiam esse novam? At repudiatis Academicam. Quae ergo etqualis est? Nimirum ea, quam pater vester [Rosenkreuz] a magis didicit, et Paracelsusfundamentaliter complexus perhibetur. At Paracelsus se sequi iubet Monarcham

    omnes veteres et nouos. Si Paracelsica est, noua est. Nisi fallimur, erit Hermetis Tri-smegisti. Si hoc, non noua quidem, verum non sine multis absurdis [].10

    Wer den Grund dieses Ruhms verstehen wil/ hat den nchsten Weg darzu/ da er mitPimandro vnd Asclepio Hermetis Trismegisti: Item Philosophia Sagace Paracelsi/ vnndPrefation deCrollij in seiner Basilica lese, da wird er finden/ wie der Microcosmus solau dem Macrocosmo gezogen seyn [] Da habt jhr das Centrum, radios, periphe-riam, vnd Mittelspacia alle beysamen. Da liegt Theologia, Medicina, Physica, Astro-nomia, etc. doch ist von Juristischer Materi wenig darbey [].11

    8 Andreas Libavius: Examen Philosophiae novae, quae Veteri abrogandae opponitur, Frank-furt 1615, S. 6, 12, 94. Zu Libavius zwiespltigem Verhltnis zur hermetischen Tradition vgl.Carlos Gilly: La quinta colonna nellermetismo / The fifth column within Hermetism:Andreas Libavius, in: Magia, alchimia, scienza dal 400 al 700. Linflusso di Ermete Tris-megisto / Magic, Alchemy and Science 15th-18th centuries. The influence of Hermes Tri-smegistus. Hrsg. von C. Gilly & Cis van Heertum. Florence 2004, S. 399415; zum Kontrastvgl. die allzu positive Bewertung des merkwrdigen Hermetismus ohne Hermes des Libaviusdurch Bruce T. Moran: Andreas Libavius and the Transformation of Alchemy. SeparatingChemical Culture with Polemical Fire. Sagamore Beach 2007, S. 155 ff., 231 ff. und passim;

    vgl. auch die viel nchternere Darstellung des Libavius durch Wilhelm Khlmann: Para-celsismus und Hermetismus. Doxographische und soziale Positionen alternativer Wissen-schaft in postreformatorischen Deutschland. In: Antike Weisheit und kulturelle Praxis.Hermetismus in der frhen Neuzeit, hrsg. von Anne-Charlot Trepp u. Hartmut Lehmann.Gttingen 2001, S. 17 39 (bes. 34 39).

    9 Libavius: Examen Philosophiae novae (wie Anm. 8), S. 254.10 Libavius: Exercitatio Paracelsica nova de notandis ex scripto Fraternitatis de Rosea Cruce. In

    ders.: Examen Philosophiae novae (wie Anm. 9), S. 262 306 (zit. 278).11 Andreas Libavius: Wolmeinendes Bedencken/ Von der Fama vnd Confession der Brder-

    schafft de RosenCreutzes. Frankfurt 1616, S. 159 f. Libavius zielt hier auf die Definition derPhilosophie der Rosenkreuzer im 2. Kapitel der Confessio Fraternitatis: Wir haben keine

    andere Philosophie als die, welche ist Haupt und Summe aller Fakultten, Wissenschaftenund Knste, welche, wenn wir auf unser Jahrhundert sehen, viel von der Theologie undMedizin, wenig aber von der Jurisprudenz begreift (Theologiae ac Medicinae plurimum,Jurisprudentiae minimum habeat).

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    Aber auch die Vertreter der lutherischen Orthodoxie, wie etwa der Senior desGeistlichen Ministeriums in Hamburg, Johannes Schellhammer, in seiner Wi-derlegung der Predigten Valentin Weigels von 1621, verfehlten es nicht, mitkrftigen Farben eine direkte genealogische Linie von Hermes bis auf Paracelsusund die Rosenkreuzer zu ziehen:

    Von Hermete Mercurio Trismegisto vnd vielen anderen Zauberern so im Papsthumb,sonderlich vnter den Minoriten gewesen, hat Paracelsus seine Kunst vnd Theologiam,vnd Weigelius von jhnen allen gelernet/ von denen sind auch entsprossen die obge-dachten hocherleuchteten (mit verlaub zu reden) fratres Rosae C[rucis]. Der HermesTrismegistus, ihr aller Praeceptor vnd Meister/ ist gewesen ein Famosus Magus, einberuffener Zauberer in Egypten/ nach Mosis Zeiten [].12

    Und hnlich verfuhr noch 1690 der wohl bekannteste Widersacher des ganzen

    Hermetismus, der Greifswalder Theologe Ehregott Daniel Colberg, als er dieAhnenreihe von Hirsch einfach bernahm und noch hinzu fgte:

    Da berhmen sich nun die heutigen Fanatici, da sie ihre Wissenschafft vom Hermeteher haben. Vom Paracelso und den Rosenkreutzern bezeuget es Stellatus [Hirsch], inbemeldtem Buch, c. 1 [S. A6r]: Seqvuntur autem Paracelsistae genuini HermetemTrismegistum, Philosophorum parentem, in Alchymia potissimum, quibus mirabiliDei consilio accedunt hodie venerandi Fratres R.C. Pansophiae perfectum circulumdignis offerentes. Da auch vornehme Medici den Paracelsum Mysteriarcham etMusarum Mechanicorum Trismegistum Germanicum nennen/ bekrfftiget Fraerise-

    nius, l. cit.13

    Es fehlte aber auch nicht an neutralen Autoren, welche die enge Verwandtschaftzwischen Hermetismus einerseits und Paracelsismus und Rosenkreuzertumanderseits durchaus anerkannten, doch den Abhngigkeitsgrad stark herab-stuften bis hin zu einer gemeinsamen Geschmacksrichtung oder zu einer

    12 Johann Schellhammer: Widerlegung der vermeynten Postill Valentini Weigelij: Jn welcherder Satan/ in diesem letzten Seculo, seine Hellische Gifft und Grundsuppe aller Lesterung

    und Lgen/ wider Christum/ sein Wort/ Sacramenta/ und Diener/ gar stoltz/ frech undubermtig augeschttet hat. Hamburg, Leipzig 1621, S. 12. Laut Schellhammer habe WeigelHermes und Paracelsus gleichermassen in den Stand von Propheten und Evangelisten ge-hoben: Diesen Heydnischen Mercurium oder Hermetem allegiret vnd zeucht Weigel offt anals einen authenticum Autorem, bewhrten Propheten vnd Apostel Gottes [] Gleichergestalt/ zeuchtWeigel offt an als einen grossen Evangelisten vndhohen Apostel/ beklaget sichsehr/ da seine Theologische Bcher vnd Scripta nicht mssen gedrcket werden [].Ebenda, S. 14.

    13 Ehregott Daniel Colberg: Das Platonisch-Hermetisches Christenthum, Begreiffend DieHistorische Erzehlung vom Ursprung und vielerley Secten der heutigen FanatischenTheologie, unterm Namen der Paracelsisten, Weigelianer, Rosencreutzer, Qucker, Bh-

    misten, Wiedertuffer, Bourignisten, Labadisten, und Quietisten, Frankfurt und Leipzig,1690 1691, Teil 1, S. 90. Zum Hinweis auf Fraerisenius vgl. Isaac Froereisen: Anatomiasive Exenteratio Draconis Fanatici. Straburg 1623, p. A4r, wo allerdings TrismegistumGermanum steht.

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    symbolischen Gemeinschaft hervorragender Geister. Ersteres tat 1737 derHelmstedter Orientalist Hermann van der Hardt in einer seiner sieben Gru-adressen zur Inauguration der Gttinger Universitt, die dem Mythos desHermes Trismegistus und der Auslegung des Poemandergewidmet war:

    Apud Theophrastum Paracelsum, Rosae crucis fratres, chimicos et mysticos, magnumpretium nominis Hermetis Trismegisti, qui venditatur dux et autor profundae arcan-aeque doctrinae theosophicae et pneumaticae; quod illorum gustui dandum.14

    Johann Ludwig Hannemann seinerseits gab 1694 seinem Kommentar ber na-trliches und knstliches Gold den Titel Ovum Hermetico-Paracelsico-Tris-megistum aber lediglich, wie er selber erklrte, zu Ehren der zwei hervorra-gendsten Figuren aus der Geschichte der Chemie, nmlich des Hermes ausgypten (Vater der Alchemiker und Oberknstler der Goldverwandlung) unddes Schweizers Theophrastus Paracelsus, der in Deutschland als der wiederlebendig gewordene Hermes und Oberhaupt der alchemischen Geheimnissegalt:

    Inscribitur autem opus Hermetico-Paracelsico-Trismegisticum. Sicque huic nostroTractatui duorum Magnorum Virorum nominibus autoritatem aliquam conciliarevoluimus. Primo dicitur Hermeticum ab Hermete olim Aegyptio Sacerdote, qui om-nium Chemicorum salutatur Pater et Chrysopeae Artifex primarius, qui et Mosi diciturfuisse coetaneus. Secundo dicitur Paracelsicum, quo respicimus Theophrastum Pa-

    racelsum Helvetum, qui in Germania nostra fuit redivivus Hermes ac omnium mys-teriorum Chymicorum Monarcha.15

    2. Die Wandlung Hohenheims zum Mercurius Redivivus,Hermes Secundus und Trismegistus Germanus

    Hermes redivivus, Trismegistus Germanus Wie kam der Hohenheimer zu

    diesem Namen? Dass Paracelsus, bar aller Bescheidenheit, wie er nun einmalwar, sich selbst zum Monarcha Medicorum emporhob, ist aus seinen Schriftenbekannt, besonders aus dem Buch Paragranum von 15291530, in dem er seinstolzes Mir nach und nicht euch nach und sein provokatives Mein wird dieMonarchei sein verkndigte. Und wenn er im gleichen Buch an dem BeinamenLutherus medicorum Ansto nahm, geschah dies nur deshalb, weil ihm dieservon seinen Gegnern verliehene Titel zu gering erschien. Ob er sich mit dem

    14 Hermann von der Hardt: Antiqvitatis Fulgor: Mercvrii Trismegisti Aegyptii Poemander,

    svbtilis et nitidvs Orientis mythvs de mente et conscientia, Academiae Regiae GeorgiaeAvgvstae qvae Gottingae est [] prospero avgvrio nvncvpatvs. Helmstedt 1737, S. 2.15 Johann Ludwig Hannemann: Ovum Hermetico-Paracelsico-Trismegistum. Frankfurt 1694,

    S. D5r-v.

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    Beinamen Hermes secundus oder Trismegistus Germanus anfreundenkonnte, ist aus den wenigen Erwhnungen des Hermes in den echten paracel-sischen Schriften nicht erkennbar. Mit groer Wahrscheinlichkeit htte er, wieim Falle des Vergleichs mit Luther, zur Antwort gegeben: Meint ir, ich sei alleinLutherus? Ich bin Theophrastus und mehr als die, den ir mich vergleichent.Ich bin derselbig und bin monarcha medicorum darzu.16

    Auf den Titelseiten seiner zu Lebzeiten verffentlichten Schriften trat Para-celsus allerdings viel bescheidener auf. So in der Basler Vorlesungsankndigungvon 1527, wo er sich als Vtriusque Medicinae Doctor ac Professor, MedicaeArtis Studiosus bezeichnete oder in den Syphilis-Schriften von 15291530, indenen das Adjektiv Hochgelerter verwendet wird. Auf den Titelblttern derGrosse Wund-Artzney von 1536 erfhrt der Beiname eine Steigerung als des

    hochbermptesten vnd weiterfarnesten bzw. des Ergrndeten vnd bewerten,bayder Artzney Doctors Paracelsi, und in der astrologischen Prognosticationdes gleichen Jahres wirdParacelsus noch einmal als hochgelehrter bezeichnet,was in der lateinischen bersetzung in per eximium dominum ac DoctoremParacelsum umgewandelt wurde.17 Man ist von den hochtrabenden Benen-nungen wie magnum Monarcham, ter maximum, instauratorem Philosophiaeet Medicinae noch weit entfernt, die sptere Gegner als bertrieben und ab-wegig denunzierten.18

    Die Lage nderte sich aber bald, als in den 1560er Jahren die Flut von Para-

    celsuspublikationen einsetzte, die man seit Thorndike als the Paracelsan re-vival zu bezeichnen pflegt. Schon 1562 und 1563 bezeichnet Adam von Bo-denstein Paracelsus in zwei lateinischen Ausgaben als Medicorum et Philo-sophorum facile Princeps, Monarchen der gewissen gegrndten Medicin undMedicorum et Philosophorum Summus, whrend fr den anonymen Her-ausgeber der Philosophia ad Athenienses von 1564 mag der frst Theophrastusein wegweiser aller Philosophia genant werden/ vnd ein anzeiger der Philoso-phischen wahrheit/ mit gantzem natrlichen grundt/ dann er allein die bewe-

    16 Entwrfe und erste Ausarbeitung der Vorrede zu den ersten zwei Bchern des Paragranum(1529 1530) in Paracelsus: Smtliche Werke I. Abteilung. Medizinische, naturwissenschaft-liche und philosophische Schriften. Hrsg. von Karl Sudhoff. Mnchen, Berlin 19221929, Bd.VIII, S. 43, 63. Zu den seltenen Erwhnungen des Hermes in den echten Schriften des Para-celsus vgl.Corpus Paracelsisticum Bd.I. Der Frhparacelsismus. Erster Teil. Hrsg.vonWilhelmKhlmann und Joachim Telle. Tbingen 2001, S. 172; Walther Pagel und Marianne Winder:Paracelsus, Traditionalism and Mediaeval Sources. In: Medicine, Science, Culture: HistoricalEssays in Honor of Owsei Temkin. Baltimore 1968, S. 5175.

    17 Karl Sudhoff: Versuch einer Kritik der Echtheit der Paracelsischen Schriften, I. Teil:Bibliographia Paracelsica. Besprechung der unter Theophrast von Hohenheims Namen

    15271893 erschienenen Druckschriften. Berlin 1894, S. 339. Zu der Reputation von Para-celsus aufgrund solcher Titel vgl. Charles Webster: Paracelsus Medicine, Magic and Missionat the End of Time. New Haven, London 2008, S. 62 f.

    18 So z. B. Andreas Libavius: Singularium Pars Prima. Frankfurt 1599, S. 293.

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    rung setzt zu der warheit gnugsam zu sein.19 Ein weiterer Paracelsist namensLambert Wacker war der Ansicht, dass Paracelsus nicht nur ein monarcha etprinceps medicorum gewesen, sondern darber hinaus auch ein Knig unterden Theologen und ein Haupt der Jurisprudenz: ich dorfte auch woll sagen:theologorum rex et iurisconsultorum caput, also hat er gar in allem dem zielnahener geschossen denn bisher keiner.20

    In der zu Krakau 1569 erschienenen Ausgabe der Archidoxa in lateinischerSprache wird der Hohenheimer zum ersten Mal auf einem Titelblatt ParacelsusMagnus genannt und am Anfang eines jeden der zehn Archidoxenbcher stehtdie berschrift ex Theophrastia Paracelsi Magni liber [],21 doch schonsieben Jahre frher war dieser Beiname, der an Albertus Magnus erinnerte, inzwei wirkungsmchtigen Lobbriefen von zwei bis heute nicht identifizierten

    Pseudonymen, Valentius de Retiis und Valentius Antrapassus Sileranus, frParacelsus geprgt worden. Im ersten hatte de Retiis in einem rtselhaften Satzerklrt, wie Theophrastus Bombast de Hohenheim zu dem Beiname ParacelsusMagnus gekommen war (A Stoicis Paracelsus magnus vocatus), ohne nherzu erlutern, wer mit den Stoicis, bzw. Atheniensibus gemeint sein knnte.22

    Antrapassus seinerseits war voll des Lobes fr die Lateinischen Bcher deteren groen Philosoph und Medici Theophrasti inn der artzney vnd in derPhilosophey, welche sich als grndtlicher und gewarsamlicher erwiesenhtten, als diejenigen der Arabischen vnnd Chaldeischen Doctores/ auch der

    Griechischen. Deshalb, so Antrapassus nicht minder rtselhaft ber den Ruhmvon Paracelsus, htten ihn die Athenischen fr ein destructorem aller

    jrrungen gehalten, die Hebreischen den andern Rabbi Moysen genannt undschlielich die Pessularischen (d.h. die medizinische Schule in Montpellier) zumdeutschen Hyppocratem, vnd newen Aeskulapium auserkoren.23 Von HermesTrismegistus ist noch keine Rede.

    Der wohl erste ausdrckliche Vergleich von Paracelsus mit Hermes Trisme-gistus steht in einem Gedicht, das Hans Kilian, Bibliothekar und Verwalter der

    19 Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), S. 70, 81, 101 f.; vgl. auch CorpusParacelsisticum Bd. I (wie Anm. 16), S. 211, 268, 275, 305. Paracelsus: Philosophiae ad Athe-nienses drey Bcher. Kln 1564, S. A2v (ed. Huser, Bd. VIII, S. 1; ed. Sudhoff, Bd. XIII, S. 389).

    20 Paracelsus: Smtliche Werke. Theologische und religionsphilosophische Schriften, bearbeitetvon Kurt Goldammer. Supplement: Religise und sozialphilosophische Schriften in Kurzfas-sungen, Wiesbaden 1973, S. 170171; Vgl. auch Carlos Gilly: Theophrastia Sancta. DerParacelsismus als Religion im Streit mit den offiziellen Kirchen. In: Analecta Paracelsica.Studien zum Nachleben Theophrast von Hohenheims im deutschen Kulturgebiet der frhenNeuzeit. Hrsg. von Joachim Telle. Stuttgart 1994, S. 425488 (488 f.); Webster: Paracelsus(wie Anm. 17), S. 62.

    21 Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), S. 170 172, 189.22 Zu Valentius de Retiis vgl. Corpus Paracelsisticum Bd. I (wie Anm. 16), S. 585 599.23 Zu Valentius Antrapassus Sileranus vgl. Corpus Paracelsisticum Bd. I (wie Anm. 16),

    S. 600620.

    Carlos Gilly78

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    theophrastischen Bcher am Hof des pflzischen Kurfrsten Ottheinrich inNeuburg/Donau, 1562 fr den Paracelsisten Georg Fedro verfasste. Hier wirdderhervorragende Arzt Paracelsus auch als hervorragender Chemiker und Magiergefeiert, der gleich dem Knig und Philosophen Mercurius/Hermes Trismegis-tus und dem Knig Salomon den Gipfel in den alchemischen, aber auch in denmagischen Knsten erklommen hat:

    Wie dann die warhafft erkanntnusMedicinae, Theophrastus,

    Von Hohenheim Philips genandtDen jhm gleich begnadten bekandt/

    In tetscher Nation landeBewissen hat mancher hande.

    Die ander gnad ist dermassen

    Was die Medicin verlassen/Bringt in hhere grad subtil

    Chemia, wie vns erweist vilMercurius Trismegistus

    Ein Knig vnd Philosophus.Wer dann noch hher will schleichen

    Vnd etwas merers erreichen /Was die baid nit mgen geben /

    Das vndernimbt sich/ merckt eben /

    Magia, aller knsten kron /Wie vns zegt der wei Salomon.24

    Dem Bibliothekar Kilian folgte fnf Jahre spter Balthasar Flter aus Sagan inSchlesien mit einem weiteren Vergleich Hohenheims mit Hermes, wiederum ineinem (diesmal lateinischen) Gedicht, das er jeweils zu Erffnung von zwei vonihm 1567 in Frankfurt herausgegebenen Schriftensammlungen des Paracelsus,

    Medici libelli und Astronomica et Astrologica, gleich zwei Mal abdruckte alsAuslegung und Beschreibung eines dort abgedruckten Paracelsus-Portrts:

    In Theo. Paracelsi Icona, Carmen: Auf das Bildnis des TheophrastusParacelsus:

    Corpore talis erat Theophrastus, is alter Apollo:Haud feret Apelles, pectore qualis erat.Ipse Lepram; Phthisin, Podagram, Hydropem, abtulit:Ceu Hermes, Dium fundere nouit Azoth:Doctor Doctorum doctissimus, arte medendi,Qualibet ac Sophia, quam Philotechne colis.25

    Ein zweiter Apollo war dieserTheophrastus dem Krper nach,doch den Geist in seinemInneren htte nicht einmal dergroe Maler Apelles darstellenknnen. Lepra, Schwind- undWassersucht hat er geheilt undwie Hermes verstand er es auch,den gttlichen Azothhervorzubringen. Unter allenDoktoren war er der gelehrtesteDoktor und dies sowohl in derMedizin wie auch in jeglicherWissenschaft, die Du, oLiebhaber der Knste, betreibst.

    24 Joachim Telle: Paracelsus im Gedicht. Theophrastus von Hohenheim in der Poesie des 16. bis

    21. Jahrhunderts, Hrtgenwald 2008, S. 1920, 232; vgl, auch Corpus Paracelsisticum Bd. II.Der frhe Paracelsismus. Hrsg. von Wilhelm Khlmann und Joachim Telle. Tbingen 2004,S. 529 ff., 545 ff.

    25 Telle: Paracelsus im Gedicht (wie Anm. 24), S. 23 26, 235 237. Dort auch eine Aufzhlung

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    Eine weitere und viel wichtigere Zusammenfhrung von Hermes und Paracelsusist dem unbekannten Paracelsisten zu verdanken, der um das Jahr 1568 zweiwirkungstrchtige Pseudo-Paracelsica verfasst hat. Es handelt sich dabei um denvon Toxites 1570 in Straburg edierten Liber de Tinctura Physicorum undumdieerst 1603 gedruckte Apocalypsis Hermetis, die aber bereits in De Tinctura aus-drcklich als Werk desselben Verfassers erwhnt wird (als ich in ApocalypsiHermetis anzeygt hab).26 Schon im Titel der erstgenannten Schrift wird Para-celsus, auer als Philosoph, Monarch und spagyrischer Frst, auch als groerAstrologe und Paradoxer Arzt gelobt und dann als der Trismegistus der gehei-men mechanischen Knste vorgestellt, der gegen alle Sophisten seit der Sintflutzu Felde gezogen ist. Der Titel lautet in dem Straburger Erstdruck:

    Philippi Theophrasti Bombast, ab Hohenheim, Philosophi, Monarchae, Spagyri

    Principis, Astronomi maximi, medici Paradoxi, Arcanorum mechanicorum Trisme-gisti liber De Tinctura Physicorum contra Sophistas natos postdiliuium in seculoDomini nostri Iesu Christi Filii Dei.27

    In dem einleitenden Text stellt unser Pseudo-Paracelsus die alten Hermes undArchelaus als die magebenden Spagyriker und Astrologen in der ersten Weltdar und erinnert an die alt Smaragdinisch tafel, welche seiner Meinung nachnoch mehr kunst vnd erfahrung der Philosophei/ der Alchimey/ der Magic/ vndder gleichen enthlt, als der ganze Haufen der Sophisten zusammen. Doch in

    der mittlern Welt, ist es Paracelsus allein, der als rechtmiger Nachfolger zugelten hat:

    Jetzt volgt in der mittlern Welt die Monarchey aller knsten an Theophrastum denFrsten langent/ in welche ich von Gott dem Allmechtigen erkoren/ alle fantasey/ vnnderdichte werck/ der vermeinten wort vnterdrucken. Er heysse Aristoteles, Galenus,Auicenna, Mesue, oder wie er wlle/ sampt jhren Anhengern [] Daher ist HermesTrismegistus der Egypter/ nach seinem sinn zuwerck gangen[] Aber jetzt hat nuh diegttlich gaab an Philippum Theophrastum Bombast/ der Arcanen Monarchen gelangt/das forthin jedermann/ der sich des hchsten wercks der Physic vnterstehet/ wird mir

    nach mssen [].28

    der vielen Nachdrucke des Gedichts. Zu Flter vgl. Corpus Paracelsisticum Bd. II (wieAnm. 24), S. 584586.

    26 Sudhoff: Versucheiner Kritik,TeilI (wieAnm. 17), S. 189 190, 445; ders.: Versucheiner Kritikder Echtheit der Paracelsischen Schriften, II. Teil: Paracelsus-Handschriften. Berlin 1899,S. 708 f., 713 f.

    27 Paracelsus: Archidoxa. Von heymligkeiten der Natur, Zehen Bcher. Item I. De Tinctura

    Physicorum []. (ed. Michael Toxites). Straburg 1570, S. 325 354; vgl. Sudhoff: Versucheiner Kritik, Teil I (wie Anm. 17), Nr. 166.28 Paracelsus: De Tinctura Physicorum (wie Anm. 27), S. 327 329, 332 333; vgl. dazu Corpus

    Paracelsisticum Bd. II (wie Anm. 24), S. 30.

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    In der ebenfalls 1570, jedoch in Mnchen erschienenen Ausgabe der Archidoxaex Theophrastia, welche den Liber de Tinctura Physicorum aus einer anderenhandschriftlichen Vorlage wiedergibt, steigerte der Herausgeber Johann Al-brecht in seiner Widmungsvorrede an Herzog Albrecht V. von Bayern dieGleichsetzung von Paracelsus und Hermes zustzlich mit den Worten:

    Aber nit die warheit/ sonder die hoffart vnd vnwissenheit zuhandhaben/ mit wlchenTheophrasti widersacher an geflt sein/ wird Theophrastus so geschmecht: so dievermainten grosse Doctores sehen/ wann dises Trismegisti Artzney ein fortgang ge-wnne/ da jhre Authoritet zu boden gieng.29

    Whrend aber dem Liber de Tinctura Physicorum eine breite Wirkung be-schieden war (der Traktat ist allein zwischen 1570 und 1574 in acht deutsch-sprachigen Ausgaben und einem lateinischen Abdruck erschienen),30 blieb diezweite oben erwhnte pseudoparacelsische Schrift, Apocalypsis Hermetis, alsWerk des Hohenheimers bis 1603 ungedruckt. Doch der Text an sich, untereinem anderen Titel und keineswegs als Erzeugnis des Paracelsus, war bereits1566 mit einem italienischen Kommentar in London erschienen.31

    Je mehr vermeintliche oder authentische Werke des Hohenheimers auf denMarkt kamen und je fter diese zum Gegenstand erbitterter Kontroversenwurden, desto strker nahm man, besonders im Kreise seiner Anhnger, diegeistige Nhe und enge Verwandtschaft der Schriften von Paracelsus mit den-

    jenigen des Hermes Trismegistus wahr, wie etwa im Falle des Michael Toxites,der 1574 seine Onomastica zur Deutung von Hohenheims eigentmlichem Vo-kabular mit den Worten einleitete:

    Qvi in Hermetis Trismegisti, et similium Philosophorum, inprimisque TheophrastiParacelsi nostri scriptis versantur: ijs propemodum euenire video, quod olim Semifilijs in aedificanda turre confusionis accidit (Wer sich mit den Schriften des HermesTrismegistus und hnlicher Philosophen, besonders aber mit denen unseres Paracelsusbeschftigt, der hat, wie ich sehe, fast mit einer hnlichen Verwirrung zu kmpfen wieeinst die Shne des Sem bei ihrem Turmbau von Babel).32

    Anderthalb Jahre spter, im August 1575, erhielt Paracelsus den hermetischenRitterschlag und wurde zum ersten Mal zum Trismegistus Germanus unddeutschen Hermes erkoren. Dies geschah allerdings ganz unauffllig, nmlich inder lateinischen berschrift zu einer beim Basler Drucker Pietro Perna er-

    29 Paracelsus: Archidoxa zwlff Bcher/ darin alle gehaimns der Natur erffnet [] Auchnoch vier andere Bchlein. (ed. Johann Albrecht Wimpinaeus). Mnchen 1570, S. +4r.Sudhoff: Versucheiner Kritik, Teil I (wieAnm. 17), Nr. 119; Corpus Paracelsisticum Bd.II (wie

    Anm. 24), S. 1017.30 Corpus Paracelsisticum Bd. II (wie Anm. 24), S. 319, 1008.31 Vgl. unten Anm. 54.32 Corpus Paracelsisticum Bd. II (wie Anm. 24), S. 323 f.

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    schienenen deutschen Kompilation von paracelsischen Texten ber die Pest,Vom vrsprung der Pestilentz :

    Philippus Theophrastus Bombast Hohenheimensis, Svevorum ex panegyricis nobili-

    um Arpinas, Confoederatorum Eremita, Philosophus Paradoxus, Mysteriarcha, Arti-um magister, Medicinarum profeor, Musarum mechanicarum trismegistus Germ-anus. De Peste et accidentibus eius.33

    Doch was sich damals dem Gedchtnis der Anhnger und Gegner des Paracelsusamstrksten einprgte, war nicht so sehr diese neue Titulatur des Hohenheimerssamt dessen neuer Stilisierung als Trismegistus Germanus, sondern viel mehrder gewaltige Skandal um die undifferenzierte Vermengung von Hermes, Pa-racelsus und dem Apostel Paulus in einer weiteren Publikation aus dem gleichenJahr. Und dabei denke ich nicht so sehr an den gewagten pseudoparacelsischenTraktat De secretis creationis, welcher das wohl ausfhrlichste Bekenntnis zumvnser Vatter Hermes des ganzen echten und unechten paracelsischenSchrifttums enthlt34 und zu dem Toxites eine apologetische Widmungsvorredebeitrug, um Paracelsus ausgerechnet aufgrund von dieser Schrift vllige ber-einstimmung mit der Paulinischen Auferstehungslehre zu bescheinigen.35 DenSkandal verursachte vielmehr die Verffentlichung einer anonymen Schrift

    Arbatel De Magia Veterum Summum Sapientiae in Pernas Druckerei ebenfalls1575, in der Paulus und Hermes gemeinsam als Zeugen der Verderbnis der

    Wissenschaften und Befrworter der Geistermagie auftreten:Aphorismus XII: [] Hoc modo vocali verbo omnes tradebantur disciplinae perSanctos Dei angelos sicut ex Aegyptiorum patet monumentis. Et hae postea humanissunt depravatae opinionibus [] sicut manifestum est ex diuo Paulo et HermeteTrismegisto. Et non est alia Instaurandi Artes Ratio, quam ex doctrina SanctorumDei Spirituum: quia vera fide est ex avditv.36 (Solcher Gestalt sind anfangs mndlichalleKnste durch die heiligen Engel gelehret worden, wie aus der Egypter Monumentenzuersehen. Diese Knste sind mitlerweil durch menschliche Opinionen [] verflschtvnd verunreiniget worden, wie offenbar ist aus dem Heiligen Paulo vnd Hermete

    Trismegisto, vnd ist forthin kein be

    er Weg noch Weise, die K

    nste wieder in ihrenalten Stand vnd Vollkommenheit zu bringen, denn durch die heiligen Gottes Engel vndMeister; denn der wahre Glaube kommt aus dem Gehr).37

    33 Paracelsus: Vom vrsprung der Pestilentz vnd jhren zufallenden Kranckheiten. Basel 1575, S.b5v. Zu dieser von Bartholomus Scultetus kompilierten und von Bodenstein ediertenAusgabe vgl. Sudhoff: Versucheiner Kritik, Teil I (wie Anm. 17), Nr. 167(S. 288 291); CorpusParacelsisticum Bd. I (wie Anm. 16), S. 528 533.

    34 (Pseudo-)Paracelsus: De secretis creationis. Von Heimlichkeit der Schpffung aller dingen.Vor nie im truck augangen (ed. Michael Toxites). Straburg 1575, S. 67 68.

    35 Corpus Paracelsisticum Bd. II (wie Anm. 24), S. 462 476.36 Arbatel. De Magia Veterum. Summum Sapientiae studium. o.O. [Basel] 1575, S. 1617.37 Zitiert nach der handschriftlichen deutschen Version, Das Buch Arbatel, in Darmstadt LB,

    Ms. 1720/2, S. 1 32 (hier 5 6). ZumArbatelund dessenberlieferung handschriftlich oder

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    Ebenso wurde Paracelsus, gemeinsam mit Hermes Trismegistus, feierlich zumInbegriff aller Geheimnisse und Verwalter aller Geheimkrfte der Natur erklrt :

    Es ist auch ein ander vnd gemeiner Weg, dadurch die Geheimn, auch ohne dein

    Wissen von Gott oder von den Geistern (in deren Gewalt die Geheimn

    sind) k

    nnenoffenbaret werden [] Hermes Trismegistus, der billig genannt wird aller SecretenVater, mit dem Theophrasto Paracelso, die begreiffen in sich alle Krffte der Ge-heimne.38

    Oder wie es im lateinischen Original noch knapper heit:

    Aphorismus XXVI: Alia via est communior, vt tibi reuelentur, etiam te inscio, decreta aDeo vel Spiritibus, qui secretum in sua potestate habent [] Hermes Trismegistvsest Secretorvm Pater cvm Theophrasto Paracelso et in se omnes vires habentsecretorum.39

    Der Druck des Arbatel (mirum libellum Basileae publice editum de Magia)verursachte in der Stadt einen gewaltigen Skandal. Der Antistes Simon Sulzerprangerte das Buch von der Kanzel in zwei oder drei Predigten scharf an; derdamals in Basel weilende Bonaventura Vulcanius forderte die reformiertenTheologen Goulart und Daneau auf, das Arbatel zu widerlegen und bergabThodore de Bze sein Exemplar. Bze, der gerade auf der Durchreise in Baselwar, denunzierte in einem emprten Brief an den Theologen Grynaeus diesesverbrecherische Buch mit seinen satanischen Charakteren und der ungeheu-

    erlichen Gleichstellung von Paulus und Hermes Trismegistus (Paulumne cumTrismegisto isto collatum feremus?) und verlangte die Bestrafung sowohl desVerfassers wie auch des Druckers. Eine gerichtliche Untersuchung hat jedochwohl nicht stattgefunden, denn sonst htte ein anderer Basler Drucker, ThomasGuarin, nicht vier Jahre spter in den Opera Agrippas das Arbatel wieder auf-gelegt.40

    Was den Verfasser dieses einflussreichen Bchleins betrifft, so ist dieser

    im Druck vgl. C. Gilly: Il primo prontuario di magia bianca in Germania / The first book ofwhite magic in Germany, in: Magia, alchimia, scienza / Magic, Alchemy and Science (wieAnm. 8), S. 199 217. Einen hnlichen Skandal verursachte 125 Jahre spter der radikalePietist Johann Conrad Dippel, als er die Lehren des Hermes Trismegistus fr identisch mitder Lehre des Apostels erklrte, vgl. Kristine Hannak: Theologie als Theosophie, oder:Hermes Trismegistos und die Wiedergeburt im radikalen Pietismus um 1700. In: Pietismusund Neuzeit 34 (2008), S. 135 166 (zit. 141 f.).

    38 Das Buch Arbatel (wie Anm. 37), S. 16.39 Arbatel. De Magia Veterum (wie Anm. 36), S. 45.40 Zu den heftigen Reaktionen auf die Publikation des Arbatelin Basel vgl. Antonio Rotond:

    Pietro Perna e la vita culturale e religiosa di Basilea fra il 1570 e il 1580. In ders.: Studi e

    ricerche di storia ereticale del Cinquecento, 2 Bde. Firenze2

    2008, Bd. II, S. 479 576 (565575). Vgl. auch Correspondance de Th. de Bze, XVI (1993), S. 265 f., aber unter Berck-sichtigung unserer in Il primo promptuario / The first book (wie Anm. 37), S. 205/214geuerten Kritik.

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    immer unbekannt geblieben, und es ist sehr zu bedauern, dass Jean JacquesBoissard, der zur Zeit des Erscheinens von Pernas Druck ebenfalls in Baselweilte, in seiner posthum erschienenen Kritik des Arbatelnicht namentlich dieGelehrten und vermeintlich frommen Mnner nannte, welche die gottlosenScheulichkeiten in diesem Buch gefrdert hatten.41 Dies scheint aber keinProblem fr die Leser der unterschiedlichen deutschenbersetzungen bedeutetzu haben, denn bald wurde die Autorschaft des Arbatel ohnehin Paracelsuszugeschrieben, wodurch dieser indirekt zum Spezialisten aller dort angekn-digten Arten der Magie wurde: von der Magia Olympica bis auf die MagiaHermetica oder Aegyptiaca, welche laut dem Arbatel der gttlichen Magienicht unhnlich ist (non multum abest a Divina Magia).42

    Eine parallele Steigerung auf dem Weg der Stilisierung Hohenheims zum

    deutschen Trismegistus erfolgte auf den Titelseiten des eigenwilligen berset-zers und Herausgebers Gerard Dorn, der mit seinen Basler und StraburgerKollegen in Konflikt geraten war, weshalb seine spteren Paracelsus-Ausgaben inLyon und Frankfurt am Main erscheinen mussten. Zuerst wurde das AttributGermanus abgesondert und betont (Theophrastus Germanus),43 dann wurde eszum Begleitwort fr den Philosophen und Arzt (Germanus Philosophus acMedicus).44 Schlielich wurde der Terminus Germanus fallen gelassen, dafrerhielt Paracelsus zwei Mal hintereinander den Ehrentitel eines Magni, Terquemaximi Philosophi ac Medici rarissimi bzw. prae cunctis excellentissimi,45

    der wegen der herausragenden Behandlung der Astralkrper der Dinge zu-sammenmit Hermes Trismegistus der dreimal Grte genannt werden msse:

    41 Jean Jacques Boissard: De divinatione et magicis praestigiis. Oppenheim1615, S. 27 31, 3839.

    42 Von den vier deutschen bersetzungen bzw. Bearbeitungen des Arbatelscheint die von mir

    genannte versio c dieltere undvielverbreitetere deutsche Versionzu sein. Siebietet die 49Aphorismen in anderer Reihenfolge und mit zahlreichen Zustzen aus Agrippa und wird(unter verschiedenen Titeln wie Magia Veterum, Magiae Theophrasti neun Bcher)stetsParacelsus zugeschrieben (Erlangen UB, Ms. 1508, S. 160; Kopenhagen KB, Thoth. 4 8 630;Darmstadt LB, Hs. 1720/1, S. 1 61; Oranienbaum HStA, Abt. Kthen, A 17a Nr. 105c1, S. 1 119; teilweise Abdruck bei Gottfried Arnold: Kirchen- und Ketzerhistorie, ed. 1740, Bd. I,S. 15221525). Ausgerechnet diese letzte Version wurde Ende des 16. Jahrhunderts ins La-tein rckbersetzt (London, BL, Ms. Harleian 514).

    43 Gerard Dorn: Theophrasti Germani, Paracelsi, Medicorum et Philosophorum omnium, inuniversum facile Principis De restituta utriusque Medicinae vera Praxi. Lyon 1578.

    44 Gerard Dorn: De Naturae Luce physica, ex Genesi desumpta, iuxta sententiam Theophrasti

    Paracelsi, Germani Philosophi ac Medici prae cunctis excellentissimi, Tractatus. Frankfurt a/M 1583.45 Gerard Dorn: Commentaria in Archidoxorvm libros X. D. Doctoris Theophrasti; vgl. Sud-

    hoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), Nr. 200.

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    De sidereo rerum et firmamentali corpore domiciliove stellarum suarum, nemo hac-tenus (quod sciam) inter Christianos, imo nullus Ethnicorum et Gentilium scripsit,quam magnus ille Philosophus nostri temporis Theophrastus Paracelsus, nationeHelvetius. Quapropter [] ob insignem eius rei tractationem, Termaximus cum

    Trismegisto non immerito foret appellandus. Tam sublimia sunt enim ea, quae scribitin omnibus ferme facultatibus, vt humani captum ingenij superent, ac non nisi adiuinitus illustratis queant intelligi.46

    In dem Argumentum an den Leser bei dieser letzten Publikation, De Naturaelucis Physica ex Genesi desumpta, worauf wir noch zurckkommen werden,fhrte Dorn den Hermetismus und die Kabbala in das paracelsische System ein,indem er die Tabula Smaragdina des Hermes Trismegistus und die Unarius-Binarius-Theorie des Trithemius als spagirische Auslegungen des mosaischen

    Sch

    pfungsberichts der Interpretation von Paracelsus an die Seite stellte:Testes adfero Hermetem Trismegistum atque Jo[hannem] Trithemium, quo-rum scripta prorsum a Genesi desumpta, pro viribus ingenij luculenter acdiuersimodi, iam physice, modo spagirice, et subinde moraliter explicui.47

    Durch die Aufnahme dieser und anderer Bcher in den ersten Band vonZetzners Theatrum Chemicum und einigen daraus entstandenenbersetzungenhalf Dorn entscheidend mit, die Gestalt des Paracelsus als die Stimme vonHermes auch in anderen Sprachgebieten zu propagieren. So schrieb z.B. derberhmte Astrologe John Gadbury 1657 in einem an den bersetzer Robert

    Turner gerichteten Gedicht:Ive wondred oft, why Scholars those should hate,That into English, Latine do translate;But now the Reasons plain: for every manMay learn the length of Paracelsus span []Go on, good Friend, to other things; for weBy this thy Book are able to foreseeGreat Paracelsus Learning, Hermes Skill,Shall English speak by thy ingenious Quill.48

    Die endgltige Inthronisierung des Thewren Teutschen Philosophi vnd MediciParacelsus als neuer Hermes Trismegistus, der die gantze Philosophey vndMedicin restauriret hat, erfolgte dann an prominenter Stelle in der ersten Ge-samtausgabe der Bcher vnd Schrifften in zehn Teilen, die Johann Huser aufKosten des Klner Kurfrsten und Erzbischofes Ernst von Bayern 15891591 in

    46 Corpus Paracelsisticum Bd. II (wie Anm. 24), S. 918, 921, 926.47 Dorn: De Naturae Luce physica (wie Anm. 44), S. 12.

    48 Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), S. 584; Abdruck in: Paracelsus in derBibliotheca Philosophica Hermetica Amsterdam. Ausstellung zum 500. Geburtstag desTheophrastus Bombast von Hohenheim,Paracelsus genannt, bearb. vonC. Gilly. Amsterdam1993, S. 45.

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    Basel bei Pernas Nachfolger Konrad Waldkirch veranstaltete. Auf der Rckseiteder Frontispize und unmittelbar vor dem Portrt des Paracelsus verwendete derDrucker im zweiten, dritten, vierten, sechsten und zehnten Teil der Bcher vndSchrifften eine volle Seite, um die 1575 entstandene Inschrift-Titulatur zurVorstellung Hohenheims, diesmal mit groen Buchstaben, erneut zu formulie-ren:

    PHILIPPVS THEOPHRASTVS BOMBAST HOHENHEIMENSIS: SVEVORVM ex Pa-naegyricis Nobilium ARPINAS: Confoederatorum Eremi EREMITA: PHILOSOPHVSPARADOXVS: MYSTERIARCHA: ARTIVM MAGISTER: MEDICINARUM PROFES-SOR: Musarum Mechanicarum TRISMEGISTVS GERMANVS.49

    Diese Titulatur mit der Bezeichnung TRISMEGISTUS GERMANUS wiederholtesich jeweils auf der Rckseite des Titelblattes des dritten bis zehnten Teils vonder Frankfurter Quarto-Ausgabe, die 1603 bei den Erben Johann Wechels er-schien sowie in dem Operum [] Tomus Quintus der lateinischen Quarto-Ausgabe von Palthenius aus dem gleichen Jahr; ferner in Husers posthumerFolio-Ausgabe der Chirurgische Bcher vnd Schriften von Straburg 1605 sowiein dem ebendort erschienenen Nachdruck von 1618.50

    Kurioserweise fehlt die Titulatur in der fr den Verleger Lazarus Zetzner inBasel von Waldkirch gedruckten Folio-Ausgabe von 1603, wo sie aber durch einkunstvolles Frontispiz mit einem breiten Holzschnittrahmen ersetzt wurde, mit

    den Standbildern des Vergilius und Hermes Trismegistos links und rechtsund einem Brustbild des Paracelsus oben in der Mitte.51 Auf die BezeichnungTrismegistus Germanus wurde eingangs des ersten Bandes zwar verzichtet;dafr finden wir sie noch verstrkt in den neu hinzugefgten Anhngen imzweiten Band. Denn hier erscheint zum ersten Mal die oben erwhnte Apoca-lypsis Hermetis mit dem Untertitel Ab illustrissimo viro Aureolo Helvetio, quifuit Hermes Secundus und der editorischen Bemerkung ex manuscripto Ex-emplari Theophrasti.52 Nun ist es fraglich, ob in der handschriftlichen ber-

    49 Paracelsus: Erster Zehender Theil Der Bcher vnd Schrifften, ed. J. Huser. Basel 15891590; Friedrich Mock: Theophrastus Paracelsus. Eine kritische Studie. Wrzburg 1876,S. 8688; Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), Nr. 217, 218, 219, 221, 225.

    50 Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), Nr. 254, 255, 263, 267, 302.51 Wohl Anspielung auf einen Passus im 5. Buch des De Natura rerum, ed. Huser (wie Anm. 49),

    VI, S. 297: Vnd also nach disem Proce/ haben sich beyde Hermes vnd Virgilius vnder-standen/ mit hlff der Nigromantia, nach jhrem Todt widerumb zu Renouieren vnd Res-ucitiern/ vnd wider zu einem Kind new geboren zu werden []. Paracelsus wird hier alsoals Dritter in diesen Bund aufgenommen. Das Bild stammt von dem Zrcher Maler undKupferstecher Christoph Murer und dem ebenfalls in Zrich wohnenden Formschneider

    Ludwig Fryg.52 Paracelsus: Opera Bcher vnd Schriften, Ander Theil. Straburg [Basel, K. Waldkirch] inVerlegung Lazari Zetzners Buchhndlers, 1603, S. 668671, vgl. Sudhoff: Versuch einerKritik, Teil I (wie Anm. 17), Nr. 257 (S. 444445).

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    lieferung der Apocalypsis Hermetis bis 1603 die Bezeichnung Hermes secun-dus oder auch nur der Name des Paracelsus stand.53 Denn es handelt sich beidieser Schrift um die bersetzung und Bearbeitung eines lateinischen alche-mischen Traktats, der unter den beiden Titeln Apocalypsis spiritus secreti und

    Apocalypsis Hermetis bereits vor der Abfassung des De Tinctura Physicorumhandschriftlich und im Druck zirkulierte.54 Die oben erwhnte Notiz despseudoparacelsischen Verfassers des De Tinctura (als ich in Apocalypsi Her-metis anzeygt hab) muss den spteren Herausgeber dazu verleitet haben, inParacelsus den Compositor oder den Dolmetscher zu sehen. So lautet derTitel in einem Kasseler Manuskript aus dem Besitz des bekannten Sammlersparacelsischer Handschriften Johannes Scultetus Montanus in Striegau:

    Liber Apocalypsis Hermetis id est Theophrasti, qui fuit Hermes secundus. Die Of-

    fenbarung der verborgnen Geysts. Ab illustrissimo viro Aureolo Theophrasto Heluetioet Heremita Prudentissimo Philosopho et vtriusque Medicinae Doctore praestantis-simo Compositus,55

    whrend auf dem Frontispiz des Nachdrucks in der Pandora Magnalium na-turalium des Benedictus Figulus von 1608 der Titel lautet:

    Apocalypsis des Hocherleuchten Aegyptischen Knigs und Philosophi, HermetisTrismegisti; von vnserm Teutschen Hermete, dem Edlen/ Hochthewrem Monarchenund Philosopho Trismegisto, A. Ph. Theophrasto Paracelso &c. Verdolmetschet.56

    In seiner Vorrede zur Pandora hatte Figulus brigens auch seine Absicht an-gekndigt, all die damals noch unverffentlichten thewren Schrifften Theo-phrasti, vnsers Hocherleuchten Teutschen Philosophi vnnd Hermetis vere Tri-

    53 Von den mir bekannten deutschen Handschriften der Apocalypsis Hermetis enthlt nur einedie Bezeichnung Hermes secundus, nmlich das unten zu besprechende Kasseler Ms. 48Ms. chem. 60 VII, Heft 2, S. 1r-6r.

    54 Vgl. Lynn Thorndike/Pearl Kibre: A Catalog of Incipits of Mediaeval Scientific Writings inLatin. Cambridge 1963, Sp. 612. Die lateinischen Incipits lauten: Hermes, Plato, Aristoteles

    et ceteri philosophi per tempora [], bzw. Hermes, Plato, Aristoteles reliquique anti-quiores philosophi []. Bei einer dritten Apocalypsis Hermetis, die der bekannte Kopistvon paracelsischen Texten Karl Widemann 1593 in Augsburg abschrieb (Leiden, Ms. Voss.chem. 48 21, S. 140r-158v), handelt es sich um eine gekrzte Kopie der bekannten Septemtractatus aurei des Hermes Trismegistus, die in der Ars Chemica, Straburg 1566, S. 7 31zum ersten Mal im Druck erschienen sind. Die erste Ausgabe erfolgte durch den VenezianerGiovanni Baptista Agnello: Espositione sopraun libro intitolato Apocalypsis spiritus secreti.London 1566. Hier ist von Paracelsus keine Rede, vgl. Florian Ebeling: Das Geheimnis desHermes Trismegistos. Geschichte des Hermetismus. Mnchen 2005, S. 107109.

    55 Kassel, LBMB, Ms. 48 chem. 60 VII, Heft 2, S. 1r-6r. Diese Kasseler Kopie war ursprnglichim Besitzdes Johannes Scultetus Montanus (1531 1604),wie es in einer NotizberdemTitel

    steht: Disen tractatum hat mir der herr Johannes Montanus verheret, den 3, Martij etc.Leider fehlt die Jahresangabe.56 Benedictus Figulus: Pandora magnalium naturalium aurea et benedicta. Straburg 1608,

    S. 1 16.

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    smegisti demnchst ans Licht kommen zu lassen, weil dieselben bihero soteufflischer arglistiger wei vndergetruckt/ vnd die wenigsten vnd allerschlechtesten zurechnen nur in truck kommen sind: derer er etlich 1000 Bcherbeschrieben in Astronomia, Philosophia, Chymia, Cabala, vnnd TheologiaGratiae hinderlassen.57

    Von nun an ist die Identifikation des Paracelsus als neuer Hermes undInbegriff arkan-hermetischer Naturweisheit vollzogen und wird durch weitereBekundungen seiner Anhnger immer strker bekrftigt. So zum Beispieldurch Figulus vertrauten Freund Adam Haslmayr, der in all seinen Schriftennicht nur eine neue Religion, die Theophrastia Sancta, verkndigte, sondernParacelsus auch, als Secretarius Gottes, in einem Atemzug mit den dreianderen secretarii Gottes in Sachen Magie erwhnte:

    Als Hermes Trismegistus, Alfonsus Magnus, Salomon Jsraelita vnd TheophrastusEremita Germanus. Dise haben Jhr gemets, das ist sich selbst erkenent in ChristoMagice. Darumb seindt sie vnsterblich worden, vnd seindt Secretarij Gottes, denenGott al seinen Ausserwehlten seine heilige Mysteria vnd Regni dei magnalia gezaigtvnd geoffenbarth hatt.58

    Doch in Bezug auf die Kabbala lieHaslmayr den kastilischen Knig Alfons X.bald wieder fallen, so dass der von ihm vergtterte Trismegistus Germanusund Hermes Secundus als einzig berechtigter Erklrer der Naturweisheit

    und Geheimk

    mmerer Gottes f

    r die nachchristliche Zeitrechnung

    brigbleibt:

    Diese Cabala erkhlert khein sterblicher bihero vnter den Menschen Khindern seitder Apostel Zeitten, al der hochselige weise man, vnd Teutsche TrimegistusPhilippus Theophrastus. Ein Stella signata des werden Germaniae derwegen ge-nandt, vnd als Monarcha perpetuus von Gott in dise letzte weltt gesanndt, dessen

    57 Ebenda, S. **6r. Zu der angeblich hohen Anzahl der Schriften des Paracelsus welche die vonManetho und Seleucus berlieferten Zahlen von 36.525 bzw. 20.000 Hermes zugeschriebe-nen Bchern bei weitem nicht erreichen vgl. Corpus Paracelsisticum Bd. I (wie Anm. 16),S. 593 f. Als aber Figulus ein Verzeichnis von Bchern anlegte, so Theophrastus geschribenvnd noch nitt herfr alle seind kommen, berstieg er nicht die Zahl von 300, vgl. K. Wide-mann: Sylva scientiarum et artium laudabilium. Hannover NLB, Ms. IV 341, S. 537. Widemannseinerseits kam mit seiner eigenen Liste (Vnausgegangene Becher Theophrasti et aliorum,denen nachzuefragen, die Ich zum Thail hab, nicht einmal auf die Hlfte, nmlich 144 Titel,vgl. ebenda, S. 538 539bis. Zu Figulus vgl. Joachim Telle: Benedictus Figulus. Zu Leben undWerk eines deutschen Paracelsisten, in: Medizinhistorisches Journal 22 (1987) 303326; C.Gilly: On the Genesis of L. Zetners Theatrum Chemicum in Straburg. In: Magia, alchimia,

    scienza / Magic, Alchemy and Science (wie Anm. 8), Bd. I, S. 451467 (bes. 458461).58 [Adam Haslmayr]: Extractus et Theophrastiae Cabalisticae Jsagoge, das ist: Die Anleittungder heiligen gehaimen Khunst vnd Weiheit der Propheten. Weimar HAAB, Ms. Q 286/20,S. 1v.

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    gleichen die Erden nicht gebohren hatt, derowegen ist aller vernunfft ausser seinerCabala fr nichts zuachten, al fr Jrthumb, Ehrgeitz vnnd betrug des Teuffels.59

    Wiederholt hat Haslmayr sowohl in seinen gedruckten wie auch ungedruckten

    Schriften den dreimalgroen Vater der Philosophen als den einzigen unter dengelehrten Heiden (ausser Hermetem Trismegistum, auer Hermetem) be-zeichnet, der Christus und die Propheten nicht verachtet, sondern angenommenhabe,60 aber er ist nicht so weit gegangen, aus Hermes einen biblischen Pro-pheten zu machen oder ihn Moses gleichzusetzen. Diese Rolle hat er aus-schlielich fr Paracelsus reserviert, den er fr einen Propheten Gottes oder gareinen zweiten Moses hielt und fr den er gegen alle Gegner zur Feder griff,welche

    doch so ehrvergeen ketzerisch vnd verrtherisch wider den gewaltigen Teutschenedlen Eremiten vnd andern Mosen Paracelsum Magnum, denn ihm Gott zu einemsondern gfe, wie den Salomonem oder Paulum etc. erwhelt auf die lesten Zeiten [].61

    Die brigen Paracelsisten hingegen trieben es mit der Stilisierung des Hohen-heimers zur Leit- und Kultgestalt nicht so weit wie Haslmayr und blieben bei denbereits standardisierten Formulierungen wie Hermes Germanicus (JoachimTanke),62 Trismegistus Germanus (Paul Nagel),63 Trismegisti Germani verba(Christoph Hirsch)64 our German Trismegistus (Nicholas Le Fvre),65 Bom-bast ab Hohenheim Trismegistus Germannicus (Andreas Luppius),66 Hermes

    59 Ebenda, S. 2r. Zu der Handschrift vgl. C. Gilly: Adam Haslmayr. Der erste Verknder derManifeste der Rosenkreuzer. Amsterdam 1994, S. 209 f. Vgl. auch Sudhoff. Versuch einerKritik, Teil II (wie Anm. 26), S. 635 f. (ohne Identifizierung des Verfassers).

    60 [] sondern all jhre Weiheit vnd Philosophey von Narristotele vnd andern vnglaubigenHeyden/ so die Propheten nicht angenomen/ sondern verachtet haben/ ausser HermetemTrismegistum, etc. entlehnet haben/ als an der Philosophia Alberti, Thomae, RaymundiLullii, Arnoldi Villanouani, vnd anderer vermeinten Theologen/ etc. zu sehen ist [], vgl.[Adam Haslmayr]: Theologia Cabalistica de perfecto homine. In: Philosophia Mystica,

    Darinn begriffen Eilff vnterschidene Theologico-Philosophische/ doch teutsche Tracttlein/zum theil au Theophrasti Paracelsi, zum theil auch M. Valentini Weigelii. Newstadt[Frankfurt a/M] 1618, S. 4053 (zit. 40); vgl. auch [Adam Haslmayr]: AmphitheatrvmChimicvm Sacrvm Wider die Sophistischen Sptter vnd vnuerstendigen Mercatnter, welcheihnen traumen laen, die Alt Spagyrische Scienz sei nur ein gedicht der Betrger. In: Kassel,LBMB, 28 ms. Chem. 15, S. 206r-212v (zit. 210v).

    61 Adam Haslmayr : Oratio reuelatoria An die Regenten des Vatterlandts Tyrol vnd lob[lichen]O[ber] [sterreichischen] Regierung zu Innsprug, Innsbruck. Tiroler Landesarchiv, Pest-archiv VIIIa, S. 34r-39v (zit. 38r).

    62 Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil II (wie Anm. 26), S. 658.63 Paul Nagel: Chiromantia Meganthropi Sive Signatura Macrocosmi. Leipzig 1611, S. K2r.

    64 Josephus Stellatus [Christoph Hirsch]: Pegasus Firmamenti (wie Anm. 4), S. C7r.65 Nicholas Le Fbvre: Trait de Chymie, Paris 1663, zitiert nach der engl. Ausgabe A compleatBody of Chymistry. London 1664, S. 14.

    66 Sudhoff: Versuch einer Kritik, Teil I (wie Anm. 17), S. 625.

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    redivivus (Hannemann)67 oder auf Englisch The Trismegistus of Switzerland(Francis Barret),68 wobei der von Figulus 1608 geprgte Teutscher Hermes,wohl dank dem berhmten Epigramms des Quirinus Kuhlmann von 1671, bis inrecht sptere Zeiten in Lexika und Medizinhistorien die dominierende blieb:

    Grab Arnoldus Theophrastus Paracelsus/des Teutschen Hermes.Der Leichen hat beseelt/ Metall in Gold verklhrt/Und der Planeten Krafft in Sigeln dargewehrt/Erlegt der Tod und sprach: wo du mchst ferner leben/So wrden noch auff mich die Menschen wenig geben.69

    Paracelsus und Hermes waren nun unzertrennlich geworden, und dies nicht nurin den Texten, sondern auch in Bildern, zur Freude der Augen (quae et oculos

    meos artificiosa figura recrearet), wie Daniel Stoltzius von Stoltzenberg inseinen zwei alchemo-allegorischen Bilderbchern Chymisches Lustgrtlein oderViridarium Chymicum von 1624 bewies. Er lie fr beide Ausgaben eine Titel-einfassung in Kupfer mit den auf zwei Sockeln stehenden Figuren von Hermesund Paracelsus stechen, um die Besucher am Tor des hermetisch-spagyrischenGartens in Empfang zu nehmen.70 Was wiederum an einen Satz des franzsi-schen Paracelsisten Israel Harvet erinnert, der in seinem Kommentar zumTractatus aureus des Hermes Trismegistus von 1610 lapidarisch geschriebenhatte: Hermes plantat: Paracelsus rigat: Deus autem dat benedictionem etincrementum. (Hermes pflanzt, Paracelsus bewssert, Gott aber gibt seinenSegen und bewirkt das Wachstum).71

    67 Siehe oben Anm. 14.68 Francis Barret: The lives of Alchemystical Philosophers. London 1815, S. 52; Richard Alfred

    Davenport Sketches of imposture, deception, and credulity. London 1837, S. 322; ManlyPalmer Hall: Secret Teachings of All Ages. San Francisco 1927 (zit nach ed. London 2005),S. 321, 628.

    69 Telle: Paracelsus im Gedicht (wie Anm. 24), S. 85, 274 f.70 Daniel Stoltzius von Stolzenberg: Viridarium Chymicum Figuris cupro incisis adornatum, et

    poeticis picturis illustratum. Frankfurt a/M 1624; ders: Chymisches Lustgrtlein/ Mitschnen in Kupfer geschnittenen Figuren gezieret/ auch mit Poetischen Gemlden illustrirt

    vnd erleuchtet. Frankfurt a/M 1624.71 Hermetis Trismegisti Tractatus vere Aureus: De Lapide Philosophici secreti, in capitulaseptem divisus, nunc vero a quodam Anonymo [Israel Harvet] scholijs [] illustratus.Leipzig 1610, S. 73 (Theatrum Chemicum, IV, S. 622).

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    3. Weitere zeitweilige deutsche Hermetes

    Der Beiname Hermes Trismegistus blieb dennoch im Laufe des 17. und 18.Jahrhunderts nicht allein Paracelsus vorbehalten, sondern wurde gelegentlichauch auf andere Personen bertragen. Allen voran laut zahlreichen Nach-schlagewerken des 19. und 20. Jahrhunderts dem deutschen Kaiser RudolphII., den man immer wieder auf Deutsch, Englisch und Franzsisch als denFrsten der Alchemie, den deutschen Hermes Trismegistos72 bzw. the Princeof Alchemy, also called the German Hermes Trismegistus73 oder the Hermes ofGermany und lHermes allemand74 zu bezeichnen pflegte. Oder auch aufLateinisch und Niederlndisch, als Hermes Trismegistos Germaniae bzw.Hermes Trismegistos van het Duitse Rijk, wie es eine moderne Historikerin in

    ihrem Aufsatz ber Rudolph und die arkanen Wissenschaften vorgezogen hat.75

    Aber, trotz ostentativer Anwendung von Anfhrungszeichen, handelt es sich beiall diesen Beinamen um imaginre Konstrukte ohne direkten Bezug auf allflligeDokumente aus der rudolphinischen Zeit.

    Die einzigen Autoren, die eine echte zeitgenssische Formulierung berlie-ferten (Unserer Zeit Hermes Trismegistus, Kyser Rudolphus II.), sind der

    72 Eduard Vehse: Geschichte der deutschen Hfe seit der Reformation, 9. Bd., 2. Abth. Oes-

    terreich, III. Th. Hamburg 1851, S. 16; fr den Ausdruck den deutschen Hermes Trisme-gistos allein vgl. ferner: Karl Christoph Schmieder: Geschichte der Alchemie, Halle 1832,S. 301; Hermannn Kopp: Geschichte der Chemie. Braunschweig 1844, S. 195196; J.R.Wagner: Die Geschichte der Chemie. Leipzig 1655, S. 22; Eduard Maria Oettinger: Aus demHradschin, oder Kaiser Rudolph II. und seine Zeit. Historisch-romantisches Gemlde, Prag,Leipzig1856, 1. Bd. S. 144; Brockhaus: Allgemeine deutsche Real-Encyklopdie fr die ge-bildeten Stnde. Conversations-Lexikon, 11. Ausg., 1. Bd. Leipzig 1864, S. 448 (s.v. Alche-mie); Josef Svtek: Culturhistorische Bilder aus Bhmen (bes. das Kap. Die Alchemie inBhmen). Wien 1879, S. 4394 (zit. 54). Carl Kiesewetter: John Dee, ein Spiritist des 16.Jahrhunderts. Leipzig 1893, S. 51. In seinem Roman Tycho Brahes Weg zu Gotthat Max Brodnicht Rudolph II., sondern John Dee und Edward Kelley jeder gar als neuer Hermes Tri-

    smegistos in Prag auftreten lassen.73 Eduard Vehse: Memoirs of the Court Aristocracy of Austria (bers. von Franz Demmler), Bd.I. London 1856, S. 239; Ebenezer Cobham Brewer: The readers handbook of allusions,references, plots and stories. Philadelphia 1880, S. 792; Germans: Websters Quotations,Facts and Phrases. San Diego 2008, S. 589; vgl. jetzt auch das Kapitel The new HermesTrismegistus in: Peter H. Marshall: The magic circle of Rudolf II: Alchemy and Astrology inRenaissance Prague. New York 2006, S. 129149.

    74 The Eclectic review, NS. I (1857), S. 217; Edward Thorpe: History of Chemistry, vol. I.London 1909, S. 40; Louis Figuier: Lalchimie et les alchimistes. Paris 1854. S. 223, 238.

    75 M. E. H. N. Mout: Hermes Trismegistos Germaniae: Rudolph II en de arcane wetenschappen.In: Leids kunsthistorisch Jaarboek (1982), S. 161189, mit Verweis auf Robert J.W. Evans:

    Rudolf II and his World. A Study in Intellectual History 1576 1612. Oxford 1973, S. 230 enpassim, wo aber auer allgemeiner Redewendungen (the identification of Rudolf with thenew Hermes Trismegistus (S. 212); souverain Hermes Trismegistus (230) nichts derar-tiges steht.

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    Tbinger Mathematikprofessor J. K. Creiling in seiner Edelgeborne Jungfer Al-chymia von 1730 sowie der Bochumer Arzt K. A. Kortum in seiner Verteidigungder Alchemie gegen Wiegleb von 1789.76 Beide bernahmen wortwrtlich dieFormulierung aus der posthum erschienenen Warhaffte Beschreibung der Uni-versal Medicin des adligen Alchemoarztes Matthaeus Erbe von Brandau, der

    jahrelang am Prager Hof beschftigt war:

    Unser Zeit Hermes Trismegistus, Keyser Rudolphus II. Hochlblichen Gedchtnis/ hatdiese rechte Keyserliche Kunst nicht um sonst geliebet: denn S. M. nicht ffters derenSpecimena nur gesehen/ sondern auch endlich selbst eine Tinctur erlanget/ die manauff die 40000 Ducaten geschtzet.77

    Im Gegensatz zu Rudolph II. wurde der als Hermetiker kaum auffallende KnigJakob I. von England an einer viel prominenteren Stelle mit Hermes Trisme-gistus verglichen, nmlich in der Vorrede zur ersten Ausgabe von Francis BaconsThe Advancement of Learningvon 1605:

    So as your Maiestie standeth inuested of that triplicitie, which in great veneration, wasascribed to the ancient Hermes; the power and fortune of a King; the knowledge andillumination of a Priest; and the learning and vniuersalitie of a Philosopher.78

    Mit weit grerer Berechtigung als der britische Knig hatte sich vermutlichKaiser Ferdinand III. den Beinamen des mythischen dreimal Grten verdient.Doch nicht wegen seiner regen Frderung der Alchemie oder der angeblich inseiner Gegenwart erfolgreich durchgefhrten Goldtransmutationen,79 sondernausschlielich aufgrund seiner breiten Sprachkenntnisse glaubte ihn der JesuitAthanasius Kircher in den Prliminarien zum ersten Band des Oedipus Aegyp-tiacus von 16521654 mindestens sieben Mal und in unterschiedlichen Spra-chen als den neuen Hermes Trismegistus feiern zu mssen:

    Rex Trismegistus, Basileos Trismegistos, Caesar Ter Maximus, Erms Trism-gistos ka neos, Mercurius Trismegistus redivivus, triplici Regno, nec non Imperio,

    76 Johann Conrad Creiling: Die Edelgeborne Jungfer Alchimia. Tbingen 1730, S. 77; KarlArnold Kortum, der Arzneiwiss. Doktor und Arzt in Bochum, Verteidiget die Alchemiegegen die Einwrfe einiger neuen Schriftsteller besonders des Herrn Wieglebs. Duisburg1789, S. 155.

    77 Matth. Erbe von Brandau: Warhaffte Beschreibung von der Universal Medicin und GldnenTinctur Ursprung/ Anfang/ Mittel und Ende. Aus des Seel. Herrn Autoris Manuscripto zumDruck befrdert und communiciret durch T.P.G.L.M.S. Leipzig 1689, S. 12.

    78 The tvvoo bookes of Francis Bacon. Of the proficience and aduancement of learning, diuineand humane To the King. London 1605, S. A3v. Zu dieser Stelle vgl. besonders David G.

    James: The Dream of Prospero. Oxford 1967, S. 70 71.79 Wie etwa ein gewisser Paracelsist R.F.T.M.S. tat als er seine Schrift Saturnia regna siveMagisterium per Hermeticas positiones 1649 dem Ferdinando Trismegisto Imperatorisemper Augusto dedizierte, vgl. Wien, OeBN, cod. vindob. 11291.

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    Potentia, Religione Termaximus, [] Trismegist, a righter Hermes [] ofs triplegrandure.80

    Viel treffender war hingegen der Vergleich von Hermes Trismegistus mit dem

    Landgrafenvon Hessen-Kassel, Moritz dem Gelehrten, der nicht nur 1614 1615den Erstdruck der Manifeste der Rosenkreuzer an seiner Hofdruckerei gestat-tete, sondern 1619 auch mit dem Frsten August von Anhalt in Verbindung trat,um eine Art hermetische Gesellschaft zu grnden. Kein Wunder, dass ein Jahrspter einer seiner Hofrzte, der Marburger Professor Heinrich Petraeus wh-rend eines akademischen Vortrags ber Gifte und Gegengifte in einem rheto-rischen Hhenflug zum Lobe der gttlichen Kunst der Chymia in Hessen derenHauptfrderer, Landgraf Moritz, nicht nur mit Hermes verglich, sondern ihndarber hinaus als noch berechtigter als selbst Hermes befand, den Namen eines

    Dreimal-Grten als den eigenen zu tragen:

    Hermes ille, Philosophorum pater, Trismegisti sive Termaximi nomen apud Aegyptiossuos obtinuit ob triplicis Philosophiae peritiam, vel quod triplici munere fungeretur,Philosophi, Sacerdotis et Regis. Quanto majore merito titulum hunc; non ex assenta-tione, sed rei veritate MAURITIO nostro termaximo assignabimus, qui Princeps opti-mus maximus, patriaeque pater mitissimus virtutes subditorum excitat, premiisqueaccendit et alit, vitia severis poenis corcet et exterminat, cives fideles protegit, hostiumet rebelium tumultus et insultus fortiter retundit, ac fundit. Idem Princeps est viko-sovijtator, consumatissimusque Philosophus, moralis, naturalis, rationalis. Idem

    Princeps Philosophus et Philosophus Princeps est solidissimus Theologus, et fidelissi-mus Archiepiscopus []. Quis igitur est, qui non Principem termaximum humillimaanimi devotione colat, et deveneretur? Quis non libentissime obtemperet? Quis non teroptimum et benignissimum patriae Patrem, verumque humani generis delitium me-dullitus amet et diligat? Quis non ter optimum maximumque Principem omnibuslaudum encomiis ad coelum usque extollat? [] Faxit hoc Rex Regum, Dominus do-minantium, Deus ille super omnes ter Optimus Maximus [].81

    80 Athanasius Kircher: Oedipus Aegyptiacus. Hoc est Vniversalis Hieroglyphicae Veterum

    Doctrinae temporum iniuria abolitae instauratio. Rom 165254, Bd. I., S. (+)2r, ++++1r,1v, 2r,+++++2v. Zu Ferdinand III. als Alchemieliebhaber vgl. Wolf-Dieter Mller-Jahnckeund Joachim Telle: Numismatik und Alchemie. In: Die Alchemie in der europischen Kultur-und Wissenschaftgeschichte. Hg. v. Christoph Meinel. (Wolfenbtteler Forschungen Bd. 32)Wiesbaden 1986, S. 229275 (bes. 243251); zur Alchemie am Wiener Hof vgl ferner Pa-mela H. Smith : Alchemy as a Language of Mediation at the Habsburg Court. In: Isis 85(1994), S. 125; zu Athanasius Kircher als Totengrber des Hermetismus vgl. Magia, al-chimia, scienza / Magic, Alchemy and Science (wie Anm. 8), S. 483 507.

    81 Henricus Petraeus: Nosologia Harmonica Dogmatica et Hermetica. Marburg 1620, S. 33 35.Diese wichtige Stelle entging sowohl Bruce T. Moran: The Alchemical World of the GermanCourt. Occult Philosophy and Chemical Medicine in the Circle of Moritz of Hessen (Sudhoffs

    Archiv, Beiheft 29). Stuttgart 1991, wie auch den Herausgebern des schnen Ausstellungs-katalogs Moritz der Gelehrte. EinRenaissancefrst in Europa. Hrsg. vonHeiner Borggrefe(etalii). Eurasburg 1997, denn hier wird auf S. 390 als Deutscher Hermes Trismegistos zwarKaiser Rudolf II., nicht aber auch Landgraf Moritz erwhnt.

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    A propos Deus Ter Optimus Maximus (oder auch Deus Ter Maximus): DieBezeichnungen Trismegistus und Ter Maximus wurden zwischen 1600 und1630 von Paracelsisten und Hermetikern nicht nur auf Gott

    Ab hoc Trismegisto Theophrastus Paracelsus edoctus, scivit, quicquid in rerum naturafuit scibile (Von dem Dreimal Grten [Gott] unterrichtet, lernte Paracelsus alles, wasman wissen kann)82

    sondern auch auf Christus angewandt. Dies taten unter anderem Michael Maier:Summus OPT. MAX. et vnice TRISMEGISTVS ille animae et corporis MedicusIHESVS CHRISTVS,83 vor allem aber Benedictus Figulus, der die Formel sogarals Datierung verwendete

    Sey hiemit deTrismegisti Spagyri gromchtigen Gnaden Schutz befohlen; ANNO

    TrIs MegIstI RegIs et DoCtorIs GratIae nobIs natI [1608]; ANNO TrIsmegIsto Be-neDICtIonIs et gratIae nobIs genItae [1608]; Actum in Altera Feria Natalitia I. ChristiTrismegisti nostri Spagyri; Ex ore Spagyri Trismegisti I[ESU] CHRISTI Domini etRedemtoris nostri; Laus trismegisto Regi Gratiae et naturae.84

    Doch nicht nur gttliche Wesen oder gekrnte Hupter wurden mit dem Titeleines Trismegistus beehrt. Abgesehen von Reuchlin, den der Verfasser der R.C.Manifeste Johann Valentin Andreae den Trismegistus der guten Literaturnannte,85 finden wir ihn vor allem bei Liebhabern der Hermetik und der Al-chemie: So wurde 1607 der Alchemiker Peter Amelung von Marcus Rorscheidt

    und Joachim Tanckius wegen seine Angriffe auf die Turba Galenica alsTeutonicum Hermetem und Patriae Hermetem gefeiert.86

    Den Rekord an Hermes-Vergleichen brach jedoch der berhmte AlchemikerJacob Alstein, der zwar zu Lebzeiten kaum etwas publizierte, dennoch nichtallein in Frankreich, sondern auch in England, den Niederlanden, der Schweiz,

    82 Henning Scheunemann: Hydromantia Paracelsica, Hoc est, Discvrsvs philosophicvs Denovo fonte [] circa oppidvm Annebergam reperto. Frankfurt 1613, S. 2v. Ich zitiere nach

    dem Exemplar von Christoph Besold in Salzburg, der die Stelle krftig unterstrichen hat.83 Michael Maier: Arcana arcanissima. o.O. 1614, S. 285; vgl. Hereward Tilton: The Quest forthe Phoenix. Spiritual Alchemy and Paracelsism in the Work of Count Michael Maier (1569 1622). Berlin, New York 2003, S. 86.

    84 Heinrich Khunrath: De igne magorum philosophorumque secreto (hrsg. von B. Figulus).Straburg 1608, S. 126; B. Figulus: Thesaurinella Olympica (wie Anm. 3), A1r; B. Figulus:Rosarivm novvm Olympicvm. o.O. [Basel] 1608, a1v; B. Figulus, Pandora (wie Anm. 56), S.*8v; B. Figulus: Thesaurinella Alchimiae. Kassel LBMB, 88 Ms. chem. 25, S. 1r.; ders.(bersetzer): Liber Proverbiorum []. Hamburg SUB, Ms. Cod. Theol. 2009a; vgl. C. Gilly:Adam Haslmayr (wie Anm. 59), S. 99, 199.

    85 Johann Valentin Andreae: Gesammelte Schriften, Bd. 2. Stuttgart-Bad Cannstatt 1995,

    S. 202203.86 Petrus Amelungius: Tractatvs nobilis primvs, In quo Alchimiae seu Chemicae Artis []cuminventio et progreio, obscuratio et instauratio, tum dignitasm neceitas et utilitas de-monstratur. Leipzig 1607, S. 30, 31.

    Carlos Gilly94

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    Italien, Bhmen, Mhren, Ungarn, Polen und in ganz Deutschland unbestrittenals einer der besten Kpfe in alchemicis galt. Mit der Anrede Philosopho terMaximo. Theosopho: Jurisperito: Medico hatte ihm zwar Dominicus GnosiusBelga (d.i. Israel Harvet) seinen berhmten Kommentar zum Tractatus vere

    Aureus des Hermes Trismegistus von 1610 gewidmet, doch erst in den zu seinenEhren 1617 in Prag gedruckten Elogia ac Iudicia Doctorum nostri seculi homi-num wurde Alstein auf dem Titelblatt zum altero seculi nostri HERMETETRISMEGISTO erkoren. Mehr noch: Es wurden, zum Teil von prominentenHermetikern wie Raphael Eglin oder Johannes Staritius, weitere kaum zuberbietende Vergleiche angestellt, die ihn sogar ber Hermes und auf diegleiche Ebene wie Paracelsus erhoben:

    Vt virtute sua, Ter maximus ille [Hermes] vocatus/ sic tu ter gemino nomine dignus

    eris (Wie Hermes wegen seiner Tugend, so verdienst Du auch den Namen einesdreimal Geborenen); Qualia non animo cudit Ter maximus Hermes (was nichteinmal der dreimal Groe Hermes zu denken wagte); Jacobus ille sitne dicendus mihi/Mercurius, an Termaximus? (Ob ich mir nun Jacob [Alstein] als Mercurius oder alsden dreimal Grten vorzustellen habe?); Hermetem [] teutonico positum solo(Ein auf deutschen Boden verpflanzter Hermes) [S. C2v)], Philosophum Trismegi-stum (ein dreimal grter Philosoph), Hermete major tu quoque maximo/ CedisPhilippo nil Hohenheimio (Du bist grer als dem grten Hermes und und stehstdem Paracelsus in nichts nach); Ille Trismegisto est Hermete peritior arte/ In Chy-mica, vel quam Lullius inde tulit (Alstein ist in der Chemie erfahrener als Hermes undhat darin mehr als Raymundus Lullius geleistet).87

    In der Folgezeit (abgesehen von dem Fall Jacob Bhme) scheinen in der alche-mischen und hermetischen Literatur solche ephemeren und bertriebenenVergleiche von mehr oder weniger bekannten Autoren mit Hermes und Para-celsus immer seltener geworden zu sein, wenngleich Abraham von Francken-

    87 Zu Alstein vgl. Julian Paulus: Alchemie und Paracelsismus um 1600. In: Analecta Paracelsica(wie Anm. 20), S. 384. Alsteins Hauptwerk, De tribus lapidibus bzw. De triplice lapide von

    etwa 1606 hat sich nicht erhalten und man wei nicht einmal, ob es berhaupt je im Druckerschienen ist. Mehrere Briefe von ihm oder ber ihn befinden sich in Basel, Erlangen,Kassel, Marburg und Leipzig. Raphael Eglin empfahl ihn im Mrz 1615 an Landgraf Moritz inKassel: Adfui hesterno die in superiori Farmacopolio Doctori Jacobo Alstein, Magdebur-gensi Medico et Chymico, omnium quot mihi videre contigit, maxime admirando. Is notusest a multis annis tum in Gallia, ubi Medicus fuit Regius, tum Pragae in aula Imperatoris,Angelo ab Engelsperg, qui mihi multa de homine mira retulit. Magnatibus et Principibus inEuropa plerisque innotuit; quo nomine animadverti, si occasionem nancisci queat, cupereeum Illae. Excelsitati vestrae quoque commendari, vgl. Kassel LBMB, Ms. 28 chem. 19, Bd.1,S. 78r-v. Lambertus Thomas Schenckelius (ed.): Elogia ac Ivdicia doctorum nostri seculihominum Domino Jacob Alsteinio Patritio ac cive Romano, Equite Aurato, Comite Palatino;

    Caesarum, regum, Principumque Medico Doctore; altero seculi nostri Hermete Trismegisto.Ad obturanda vel redarguenda calumniatorum ora. Praga 1617, S. B2r, B2r, B4v, C2v, C4r,D1r, B5r. Die Elogia stammen aus der Zeit, als Alstein in Rom (1606) und in Marburg (1615)weilte.

    Vom gyptischen Hermes zum Trismegistus Germanus 95

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    berg in einem Brief aus dem Jahr 1641 seinen Freund Johann Bureus als denHermes aus dem hohen Norden (HyperBoreus) bezeichnet hatte, und dieswohl nicht allein, weil Bureus ihm seine chiliastische Smaragdina TabvlaChronologiae Chervbinicae hactenvs Sigillatae pro assertione Veritatis Evange-

    licae ex vngvibus Bestiae (Uppsala 1639) geschenkt hatte, die mit Hermes garnichts zu tun hat, sondern viel mehr weil Franckenberg von Werdenhagenwusste, dass Bureus durch seinen Einfluss auf Knig Gustav Adolph den Einzugder hermetischen und paracelsischen Philosophie an der Universitt Uppsalaermglicht hatte: E contra autem verae Philosophiae Trismegisti, et Theo-phrasti in sua Academia Vpsaliensi iste Rex ambas aperuit portas, ut ex eo fomeveritas doctrinarum in natura fundatarum rectius pateat.88

    Sonst zeichnete die Academia Naturae Curiosorum zwischen 1673 und 1693

    drei ihrer Mitglieder (Christian Adolph Balduin, Johann Paul Wurffbein undJohann Kunckel von Lwenstern) wegen etlicher hermetischer Publikationenmit den ehrenhaften Beinamen Hermes I., Hermes II. und Hermes III. aus.89 Undnoch im Jahre 1781 stellte ein hervorragender Kenner dieser Literatur wie AdamMichael Birkholz seinen Vorgnger Hermann Fictuld wegen dessen frtrefli-chen und gleichsam symbolischen Schriften als den wahrhaftig deutschenHermes Trismegistus dar.90

    Mit Jacob Bhme hingegen war eine philosophische Persnlichkeit in Er-scheinung getreten, die mit zur Legende gewordenen Gestalten wie Hermes und

    Paracelsus auf die gleiche Stufe gestellt werden durfte. So schrieb 1688 der

    88 Abrahamvon Franckenberg: Briefwechsel. Eingeleitet und herausgegeben von Joachim Telle.Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, S. 135136. Zu Bureus Smaeragdina Tabvla vgl. ThomasHofmeier: Exotic variations of the Tabula Smaragdina, in: Magia, alchimia, scienza / Magic,Alchemy and Science (wie Anm. 8), S. 509 562, bes. 528 ff., 559 ff., und die Abbildung aufS. 538 539; zur Aussage des Werdenhagen vgl. Sten Lindroth: Paracelsismen i Sverige till1660-Talets mitt. Uppsala 1943, S. 387.

    89 Christiani Adolphi Balduini, Acad. nat. Curiosor. Colleg. cognom. Hermetis: Aurum Supe-rius et Inferius Aurae Superioris et Inferioris Hermeticum, Frankfurt u. Leipzig 1675, S.

    )(10v: cum sit mihi [ab Academia] decretum Hermetis nomen; Johannis Pauli Wurffbainii,Academiae Natur. Curios. Colleg. Hermetis II dicti: Salamandrologia, Nrnberg 1683; Jo-hann Kunckel von Lwenstern: Collegium Physico-Chymicum Experimentale, Oder Labo-ratorium Chymicum, hg. Johann Caspar Engelleder. Hamburg und Leipzig 1716, S. )( )(5v:Auch hat er die Ehre gehabt, da ein Hochedles Collegium Naturae Curiosorum ihn zueinem Mitgliede ihrer Societt aufgenommen, und ihm den wohlverdiensten namen HermesIII. beygelegt.

    90 Adamah Booz [Adam Michael Birkholz]: Von der Natur und Kunst. Ein Danksagung-schreiben an den erleuchteten Verfasser des hermetischen A.B.C. [] Nebst einem Auszugeaus etlichen Werken Hermann Fictulds. Leipzig 1781, S. 61. Zu Fictuld vgl. Antoine Faivre inDictionary of Gnosis and Western Esotericism. Hg. v. Wouter J. Hanegraaff. Leiden 2005, Bd.

    I, S. 367370, wo aber das von Fictuld verschlsselte achtzeilige Kryptograph, in dem Fic-tuld seine Identitt preisgab, nicht dechiffriert wurde! vgl. meinen Aufsatz: Ein Wirrwarr frBibliographen. In: Heinrich Khunrath: Amphitheatrum sapientiae aeternae Schauplatz derewig allein wahren Weisheit (Clavis Pansophiae 6), Anm. 108 (im Druck)

    Carlos Gilly96

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    radikale Spiritualist Friedrich Breckling in seiner Entgegnung auf das BuchAnti-Bhmius des ultraorthodoxen Lutheraners Abraham Calovius, der die Schriftenund die Anhngerschaft Jacob Bhmes als den letzten Dreck der Hlle (no-vissima excrementa daemonis infernalis) bezeichnet hatte:

    Die rechte Theosophi/ Medici und Chymisten/ welche durch die Experimental-Philo-sophiam und Chymiam bi zum Centro/ Grund und Wurtzel aller Dinge durchdringen[] die finden mehr in J. Bhmen Schrifften/ als ihnen biher durch aller Chymistenund Rosen-Creutzer Bcher je geoffenbahret ist/ nach dem Hermete Trismegisto/ undwissen sich dessen wol zu gebrauchen [] Unsere Academien-Priester und Doctores[] sind sie ihm so feind/ da sie auch seine und des [Aegidius] Gutmans Bcher soweit sie knnen verdchtig machen/ widerlegen und confisciren/ ja wol gar in Verhafftund Gefenn einsperren wollen/ wie die Herren Leipziger solches gethan/ so gar dakaum ein Buchfhrer oder Drucker unsere Bcher in Deutschland mehr drucken oder

    offentlich verkauffen darff/ damit sie allein Meister bleiben/ und frey im finsternmausen/ lstern/ wiederlegen/ und mit dem Druck verfolgen mgen/ solche denen siedas Maul verbinden/ und ihnen alles Drucken und Verantworten verbieten [].91

    Kein Wunder, dass der Philosophus Teutonicus Bhme bald darauf zu einemHermes Trismegistus Teutonicus redivivus stilisiert wurde, wie dies der un-bekannte Verfasser einerMetallurgia Bhmiana 1695 tat, indem er seine Vorredemit den Worten anfing:

    Gelehrter Leser anjetzo theilen wir dir mit Metallurgiam Bhmianam, das ist eine

    Beschreibung der Metallen/ noch die Principia de Hermetis Trismegisti TeutoniciRedivivi (also den theuren Mann zu nennen haben wir wichtige Ursachen/ welcheanderswo sollen angefhret werden) [].92

    Inwieweit dann Bhme Paracelsus als philosophische Leitfigur in der hermeti-schen undtheosophischen Literatur des 18. Jahrhunderts ersetzt hat, wie dies beiWellings Opus Mago-Cabbalisticum et Theosophicum von 1735 der Fall ist,wollen wir hier nicht mehr untersuchen.93 Wir begngen uns mit der Feststel-lung, dass auch hier eine geistige Linie von Hermes ber Paracelsus zu Bhme

    hergestellt wurde, hnlich wie diejenige, die ein Franciscus Rottman frdenvon

    91 Abraham Calovius: Anti-Bhmius, In quo docetur, Qvid Habendum de Secta Jacobi Bh-men/ Sutoris Gorlicensis. Wittenberg 1684, S. A1r; Friedrich Breckling: Anticalovius siveCalovius cum Asseclis suis prostratus et Jacob Bhmius Cum aliis testibus veritatis defensus.O. O. [Amsterdam?] 1688, S. E2r-v.

    92 Metallurgia Bhmiana, Das ist: Eine Beschreibung der Metallen [] Nach de Jacobi BhmiiPhilosophi Teutonici principiis. Amsterdam 1695, S. )(2r.

    93 Zu Welling vgl. Joachim Telle: Zum Opus mago-cabbbalisticum et theosophicum von

    Georg Welling. In: Euphorion 77 (1989), S. 359379; Petra Jungmayr: Georg von Welling(1655 1727). Studien zu Leben und Zeit. Stuttgart 1990; zu neu entdeckten Hss. Wellings inDarmstadt vgl. Magia, alchimia, scienza / Magic, Alchemy and Science (wie Anm. 8), Bd. II,S. 198201.

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    Paracelsus prophezeiten Elias der Knste nach der Epocheneinteilung desJoachim von Fiore im Jahre 1680 formuliert hat.

    Denn der Elias Artista Seculi Patris, Hermes Trismegistus, Pater Philosophorum, ist

    schon vorl

    ngst der Welt ein vergessen Wunder worden/ ausser den wahren Kindernder Weiheit/ die ihn lieben und folgen. So ist auch der Elias Artista Seculi Filii,Theophrastus Paracelsus, Monarcha Medicorum, der Welt ein Spectakel, und []Wunder Welt-Mirakel der folgenden Welt []. Jm herabbrechenden Seculo SpiritusSancti erwarten die Kinder der Lilien und Rosen/ den dritten Eliam Artistam, derselbewird allen andern mit Weiheit und Kunst bertreffen/ wie Salomon alle andere weisenvor und nach ihm bertroffen hat.94

    Mit den Kindern der Lilien und Rosen-Zeit sind natrlich die Schler JacobBhmes gemeint,95 nur dass unser Rottman hier nicht den Philosophus Teuto-

    nicus, sondern einen anderen Theosophen im Kopf hat, nmlich den heute kaumbekannten Amsterdamer