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© 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Nr. 1 | 36. Jahrgang 2005 | Phys. Unserer Zeit | 47 | MAGAZIN deutlich reduziert wird. Ein geringer Teil des Lichts wird bereits an dem glatten dünnen Wasserfilm spiegelnd reflektiert. Das führt dazu, dass von bestimmten Stellen aus das Licht der Sonne direkt ins Auge gespiegelt wird. Diese Reflexe überlagern das von der Steinoberfläche kommende Licht und „veredeln“ die kräftige Ei- genfarbe durch einen charakteristi- schen Glanz. Die Glanzflecken sind in der Abbildung deutlich zu erken- nen. Möchte man den mitgebrachten Steinen die kräftige Farbe und den Glanz dauerhaft zurückgeben, so empfiehlt es sich, sie mit einem geeigneten Klarlack zu überziehen (Abbildung 2). Er übernimmt die Funktion des Wassers, verdunstet aber nicht. H. Joachim Schlichting, Münster IM BLICKWINKEL | Glänzende Ansichten feuchter Steine Feuchtigkeit auf Steinen führt zu kräftigen, dunklen und glänzenden Farben. Der Wasserfilm wirkt wie eine vorübergehende Lackschicht und verändert dadurch das optische Verhalten der Oberfläche. Wer kennt es nicht: Man flaniert im Urlaub am steinigen Strand und wird von den in leuchtenden Farben glän- zenden Kieselsteinen angezogen (Abbildung 1 links). Die Enttäu- schung ist allerdings meistens groß, wenn man die Steine einsammelt und zu Hause in Augenschein nimmt. Sie sind matt und blass geworden: Der Lack ist ab. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Verschönerung der Ansicht hat ihre Ursache in der Benetzung der Steine durch das Meerwasser. Oft reichen schon die in Wassernähe ständig vorhandenen Wassertröpf- chen aus, den Stein feucht zu halten. Wie verändert der Flüssigkeitsfilm das optische Verhalten der Steinober- fläche? Mikroskopisch gesehen sind Kie- selsteine zerfurcht und zerklüftet. Die Winzigkeit der Mikrostrukturen reicht oft bis an die Wellenlänge des Lichtes heran. Sie sorgen dafür, dass ein Teil des Lichtes unabhängig von der Eigenfarbe des Steines diffus in alle Richtungen reflektiert wird. Der andere Teil des Lichts wird vom Stein absorbiert und teilweise in der Farbe des Steins wieder emittiert. Das weiße Streulicht mischt sich mit dem reemittierten Licht in der Farbe des Steins. Dieser erscheint daher im trockenen Zustand heller und blasser als er in Wirklichkeit ist. Beim feuchten Stein müssen die Lichtstrahlen zunächst die dünne Flüssigkeitsschicht durchdringen, be- vor sie auf die Steinoberfläche auf- treffen. Dort werden sie wie beim trockenen Stein teilweise diffus re- flektiert, absorbiert und reemittiert. Anders als beim trockenen Stein wird das an der Oberfläche unter flachen Winkeln gestreute Licht an der Innenseite der Wasserschicht to- tal reflektiert, abermals absorbiert, gestreut, eventuell erneut total reflek- tiert usw. Da bei jeder Wechselwir- kung von Licht und Materie ein Bruchteil des Lichtes durch Absorp- tion verschwindet, verringert sich insgesamt die Intensität des gestreu- ten Lichts merklich: Dadurch er- scheint der Stein insgesamt etwas dunkler. Entscheidend für die Intensi- vierung der Eigenfarbe des Steins ist jedoch, dass das zur Verwässerung der Farbe führende weiße Streulicht Abb. 2 Ein bis zur Hälfte befeuchte- ter Kieselstein zeigt einen deut- lichen Unterschied in Farbintensität und Glanz. Abb. 1 Bunte Kieselsteine, feucht und glän- zend (links) und trocken und matt.

Glänzende Ansichten feuchter Steine

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© 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Nr. 1 | 36. Jahrgang 2005 | Phys. Unserer Zeit | 47

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deutlich reduziert wird. Ein geringerTeil des Lichts wird bereits an demglatten dünnen Wasserfilm spiegelndreflektiert. Das führt dazu, dass vonbestimmten Stellen aus das Licht derSonne direkt ins Auge gespiegeltwird. Diese Reflexe überlagern dasvon der Steinoberfläche kommendeLicht und „veredeln“ die kräftige Ei-genfarbe durch einen charakteristi-schen Glanz. Die Glanzflecken sindin der Abbildung deutlich zu erken-nen.

Möchte man den mitgebrachtenSteinen die kräftige Farbe und denGlanz dauerhaft zurückgeben, soempfiehlt es sich, sie mit einem geeigneten Klarlack zu überziehen(Abbildung 2). Er übernimmt dieFunktion des Wassers, verdunstetaber nicht.

H. Joachim Schlichting, Münster

I M B L I C K W I N K E L |Glänzende Ansichten feuchter SteineFeuchtigkeit auf Steinen führt zu kräftigen, dunklen und glänzendenFarben. Der Wasserfilm wirkt wie eine vorübergehende Lackschicht undverändert dadurch das optische Verhalten der Oberfläche.

Wer kennt es nicht: Man flaniert imUrlaub am steinigen Strand und wirdvon den in leuchtenden Farben glän-zenden Kieselsteinen angezogen (Abbildung 1 links). Die Enttäu-schung ist allerdings meistens groß,wenn man die Steine einsammeltund zu Hause in Augenschein nimmt.Sie sind matt und blass geworden:Der Lack ist ab. Im wahrsten Sinnedes Wortes.

Die Verschönerung der Ansichthat ihre Ursache in der Benetzungder Steine durch das Meerwasser. Oftreichen schon die in Wassernäheständig vorhandenen Wassertröpf-chen aus, den Stein feucht zu halten.Wie verändert der Flüssigkeitsfilmdas optische Verhalten der Steinober-fläche?

Mikroskopisch gesehen sind Kie-selsteine zerfurcht und zerklüftet.Die Winzigkeit der Mikrostrukturenreicht oft bis an die Wellenlänge desLichtes heran. Sie sorgen dafür, dassein Teil des Lichtes unabhängig vonder Eigenfarbe des Steines diffus inalle Richtungen reflektiert wird. Derandere Teil des Lichts wird vom Steinabsorbiert und teilweise in der Farbe

des Steins wieder emittiert. Dasweiße Streulicht mischt sich mit demreemittierten Licht in der Farbe desSteins. Dieser erscheint daher imtrockenen Zustand heller und blasserals er in Wirklichkeit ist.

Beim feuchten Stein müssen dieLichtstrahlen zunächst die dünneFlüssigkeitsschicht durchdringen, be-vor sie auf die Steinoberfläche auf-treffen. Dort werden sie wie beimtrockenen Stein teilweise diffus re-flektiert, absorbiert und reemittiert.

Anders als beim trockenen Steinwird das an der Oberfläche unter flachen Winkeln gestreute Licht ander Innenseite der Wasserschicht to-tal reflektiert, abermals absorbiert,gestreut, eventuell erneut total reflek-tiert usw. Da bei jeder Wechselwir-kung von Licht und Materie einBruchteil des Lichtes durch Absorp-tion verschwindet, verringert sichinsgesamt die Intensität des gestreu-ten Lichts merklich: Dadurch er-scheint der Stein insgesamt etwasdunkler. Entscheidend für die Intensi-vierung der Eigenfarbe des Steins istjedoch, dass das zur Verwässerungder Farbe führende weiße Streulicht

Abb. 2 Ein bis zurHälfte befeuchte-ter Kieselsteinzeigt einen deut-lichen Unterschiedin Farbintensitätund Glanz.

Abb. 1 BunteKieselsteine,feucht und glän-zend (links) undtrocken und matt.