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-'------------- Glänzende Aussichten für 2-K-Polyurethan-Klarlacke Mit Polyurethanen lässt sich ein engmaschiges Molekülnetz herstellen, das zwischen den Knotenpunkten elastisch ist. Eine neue Generation von Autoklarlacken - nach diesem Konzeptentwickelt - weist exzellente Eigenschaften auf. R und ein Viertel aller 2003 gefertig- ten Autos und Kleintransporter rollten mit einem Klarlack aus dem Werk, der Polyurethane (PUR) ent- hielt. Zirka 7,3 Millionen von etwa 58 Millionen Fahrzeugen waren dabei mit einem 2-Komponenten-PUR-System lackiert. Den Markt treiben drei Kräfte an: die Forderung nach Lackqualität, Wirtschaftlichkeit und U mweltfreund- lichkeit. Neue Lackrohstoffentwick- lungen von Bayer MaterialScience zei- gen, dass Polyurethane ein einzigarti- ges Potenzial haben, die ständig stei- genden Anforderungen auch künftig zu erfüllen. Eine wichtige Qualitätseigenschaft eines Klarlacks ist seine Kratzfestig- keit, denn die Brillanz der Oberfläche und damit das optische Erscheinungs- bild eines Autos werden von feinen Kratzern, wie sie zum Beispiel bei der Fahrzeugreinigung in Waschstraßen entstehen, stark beeinträchtigt. Die zum Teil mit feinem Sand verunreinig- ten Waschbürsten treffen mit hoher Energie auf den Lack auf und können diesen schädigen. Rezept für mehr Kratzfestigkeit Bild 1: Waschs/raßen/es/ im Labormaßs/ab zur Prüfung der Kra/zfes/igkei/ Klarlacke, die aus emem weitma- schigen, recht starren Polymer-Netz- werk bestehen, verkratzen schon bei vergleichsweise geringer Krafteinwir- kung und werden im Waschstraßentest stark geschädigt (Bild 1 und 2). Um die Kratzfestigkeit zu verbessern, kann man die Dichte des Polymer-Netz- werks erhöhen. Dieses einfache Rezept funktioniert üblicherweise nur zum Teil: Die ersten Kratzer treten tatsächlich erst bei höheren Belastun- gen auf, doch der Lack wird spröder und es kommt früher zu irreversiblem feinem Sprödbruch. Diesen negativen Effekt kann man ausgleichen, indem man die Bereiche zwischen den Verknüpfungspunkten des engmaschigen Netzwerks elastisch gestaltet, gleichsam wie die Verbin- dungsfedern einer Matratze (Bild 3). Oder anders ausgedrückt: Die Glas- übergangstemperatur Tg - bei ihr wer- den die Polymere im Netzwerk beweg- lich - sollte bei 50 bis 60 "C liegen. So warm werden Autooberflächen auch in gemäßigten Klimazonen. Bei diesen Temperaturen zerfließen dann inner- halb von Stunden die Kratzer, die durch plastische Deformation entstanden sind: Der Lack zeigt einen Reflow- Effekt (Bild 4). Außerdem reagiert ein so eingestellter Lack auf mechanische Belastung seltener mit Sprödbruch. JOT 9 12005

Glänzende Aussichten für 2-K-Polyurethan-Klarlacke

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Page 1: Glänzende Aussichten für 2-K-Polyurethan-Klarlacke

-'-------------Glänzende Aussichtenfür 2-K-Polyurethan-KlarlackeMit Polyurethanen lässt sich ein engmaschiges Molekülnetz

herstellen, das zwischen den Knotenpunkten elastisch ist.Eine neueGeneration von Autoklarlacken - nachdiesemKonzeptentwickelt - weist exzellente Eigenschaften auf.

Rund ein Viertel aller 2003 gefertig­

ten Autos und Kleintransporter

rollten mit einem Klarlack aus dem

Werk, der Polyurethane (PUR) ent­

hielt. Zirka 7,3 Millionen von etwa 58

Millionen Fahrzeugen waren dabei mit

einem 2-Komponenten-PUR-System

lackiert. Den Markt treiben drei Kräfte

an: die Forderung nach Lackqualität,Wirtschaftlichkeit und Umweltfreund­

lichkeit. Neue Lackrohstoffentwick­

lungen von Bayer MaterialScience zei­

gen, dass Polyurethane ein einzigarti­

ges Potenzial haben, die ständig stei­

genden Anforderungen auch künftig

zu erfüllen.

Eine wichtige Qualitätseigenschaft

eines Klarlacks ist seine Kratzfestig­

keit, denn die Brillanz der Oberfläche

und damit das optische Erscheinungs­

bild eines Autos werden von feinen

Kratzern, wie sie zum Beispiel bei der

Fahrzeugreinigung in Waschstraßen

entstehen, stark beeinträchtigt. Die

zum Teil mit feinem Sand verunreinig­

ten Waschbürsten treffen mit hoher

Energie auf den Lack auf und können

diesen schädigen.

Rezept für mehr Kratzfestigkeit

Bild 1: Waschs/raßen/es/ im Labormaßs/ab zur Prüfung der Kra/zfes/igkei/

Klarlacke, die aus emem weitma­

schigen, recht starren Polymer-Netz­

werk bestehen, verkratzen schon bei

vergleichsweise geringer Krafteinwir­

kung und werden im Waschstraßentest

stark geschädigt (Bild 1 und 2). Um die

Kratzfestigkeit zu verbessern, kannman die Dichte des Polymer-Netz­

werks erhöhen. Dieses einfache

Rezept funktioniert üblicherweise nur

zum Teil: Die ersten Kratzer tretentatsächlich erst bei höheren Belastun­

gen auf, doch der Lack wird spröder

und es kommt früher zu irreversiblem

feinem Sprödbruch.

Diesen negativen Effekt kann manausgleichen, indem man die Bereichezwischen den Verknüpfungspunkten

des engmaschigen Netzwerks elastischgestaltet, gleichsam wie die Verbin­dungsfedern einer Matratze (Bild 3).

Oder anders ausgedrückt: Die Glas­übergangstemperatur Tg - bei ihr wer­

den die Polymere im Netzwerk beweg­lich - sollte bei 50 bis 60 "C liegen. So

warm werden Autooberflächen auch in

gemäßigten Klimazonen. Bei diesen

Temperaturen zerfließen dann inner­halb von Stunden die Kratzer, die durchplastische Deformation entstanden

sind: Der Lack zeigt einen Reflow­Effekt (Bild 4). Außerdem reagiert ein

so eingestellter Lack auf mechanischeBelastung seltener mit Sprödbruch.

JOT 912005

Page 2: Glänzende Aussichten für 2-K-Polyurethan-Klarlacke

-'-------------

Bild 4: Erwärmt

sich die A utoober­

fläche über die

Glasübergangs­

temperatur des

Lacks hinaus ,zerfließen

mech anische

Verformungen

wieder(Reflow-Effekt)

Bild 2: Schon

kleine Kräfte sind

in der Lage, das

weitmaschige

Polymer-Netz

eines kratz­

empfindlichen

A utoklarlacks

zu "z erre ißen".

Bild 3: Das dichte

und flexible Poly­

mer-Netz neu

entwickelter

Klarlacke reagiert

auch bei ver­

gleichsweisegroßen Kräften

vermehrt mit

plastischer Verfor­

mung und weniger

mit irreversiblem

Sprödbruch

Lackrohstoffe Bayhydur und Bay­hydrol haben bereits das Eigenschafts­niveau von lösemittelbasierten Klar­

lacken erreicht, die in der Autoserien­

produktion eingesetzt werden. Ziel der

aktuellen Forschungsarbeiten ist es,wässrige 2-K-PUR-Systeme zu ent­

wickeln, die auch mit den verbesserten

lösemittelhaitigen Lacken der neues­

ten Generation mithalten können.

~ viel Kr tzer,Sprödbruch

(2h 60 °Cl

z.B. Was cha nlage~

Reflow-Effekt

z.B. Waschanlage~

eue Generation Autoklarlacke

Kratzern pfindlicher Autoklarlack

Neue Gen eration von Autoklarlacken

(VOC) bei Lackierprozessen tritt 2007in Kraft. Es ist bereits absehbar, dassdie Vorschriften weiter verschärft wer­

den. Wässrige Lacke liefern einen

wichtigen Beitrag zur VOC-Reduktion.

In den Laboren von Bayer Material­Science wird daran gearbeitet, das

oben beschriebene Konzept auf wäss­rige 2-K-PUR-Systeme zu übertragen.

Wässrige Autoklarlacke auf Basis der

PUR-Technologien mit Zukunft

Klarlackeder nächsten Generation

Die nächste Stufe der Gesetzge­

bung zur Reduktion der Emissionen

flüchtiger organischer Bestandteile

Dass die Fähigkeit zur

Selbstheilung bei PUR­

Lacken besonders ausgeprägt

ist, hat mit einer Besonderheit

zu tun: Sie enthalten einenhohen Anteil von Wasserstoff­

Brückenbindungen (Bild 5).

Diese wirken gleichsam als

"Federverstärkung" im Lack­netzwerk: Mechanische Ener­

gie wird abgefangen, eine

Neuorientierung der Poly­merketten (Selbstheilungs­

effekt) beim Überschreiten

der Glasübergangstemperatur

wird erleichtert.

Durch die Wahl geeigneter

Polyoie und Polyisocyanate

lässt sich das Konzept, die

Netzwerkdichte zu erhöhen

und gleichzeitig die Glasüber­

gangstemperatur im optima­

len Bereich zu halten, mit der

Polyurethan-Chemie sehr gut

umsetzen. Das Ergebnis sindLacke mit einem hervorra­

genden Beständigkeitsniveau- nicht nur gegenüber Ver­

kratzungen in der Autowasch­

straße, sondern auch gegen­

über Umweltbelastungen, wiebeispielsweise UV-Licht oder

saurem Regen.

Nachdem Polyurethan-Klarlacke auf Basis der Poly­isocyanate Desmodur und

der Polyoie Desmophen vonBayer MaterialScience sich im

Linieneinsatz bewährt haben,

entwickeln jetzt verschiedene

Lackhersteller nach dem

oben beschriebenen Konzept

an einer neuen Klarlackgene-ration. Es ist zu erwarten, dass es schonbald zum Serieneinsatz solcher verbes­

serter Lacke kommt.

JOT 912005

Page 3: Glänzende Aussichten für 2-K-Polyurethan-Klarlacke

-'-------------WasserstoffbrUckenbindungen zur Netzwerkverstärkung

Wasser stoff·brucken

kombiniert mit nanoskaligen anorga­

nischen Polymer-Einheiten.

Wie Laborversuche zeigen, können

diese so genannten Nano Composites

mechanische Energien auf einen

größeren Bereich verteilen und so zum

Beispiel die Verkratzungen als Folgen

der Krafteinwirkung deutlich redu­

zieren.H 0

\ ,. """ R""""" ~-~-O """""c-"""0 - \\ \ ~

+~ "." Urethanfunklionen

Feldstudie in einerAutowaschstraße

5O+--~-~-~--~-~-~-~--~-~-~-~

'00..-_=----------------------

Kratzbeständigkeit in der Autowaschstraße

Kontakt: Dr. Markus Mechtel,

Bayer MaterialScience, Geschäftsbereich

Coating s, Adhesives and Sealants,

Marketing Unit Industrial Coatings,

Leverkusen, Tel. 0214/30 25541 ,markus.mechtel@

bayermaterialscience.com

Um die verschiedenen 2-K-PUR­

Lacksysteme, die sich in der Entwick­

lung befinden, mit Standardprodukten

zu vergleichen, begann Bayer Material­

Science im Juni 2003 eine Feldstudie.

Einmal pro Woche wird ein Testfahr­

zeug, auf dessen Dachgepäckträgerunterschiedlich lackierte Bleche mon­

tiert sind, durch eine öffentliche Auto­

waschstraße gefahren. Alle zwei

Wochen wird der Restglanz als Maß für

die Verkratzung ermittelt. Das Ergeb­

nis findet sich in Bild 6. Es zeigt sich,dass alle 2-K-PUR-Lacke deutlich

kratzfester sind (höherer Restglanz) als

die noch weit verbreiteten Acrylat­

Melamin-Klarlacke. Die positivenEffekte der oben beschriebenen Lack­

entwicklungen sind klar erkennbar.

Der Reflow- oder Selbstheilungseffekt

zeigt sich daran, dass die relativenGlanzwerte durch ein Zerfließen derKratzer zwischen 50 und 60 Wasch­

zyklen (Sommer 2004) zunehmen. Bei

den verbesserten Neuentwicklungen

ist er nicht so ausgeprägt, weil die

Systeme bereits schon ohne Reflowdeutlich weniger verkratzt sind.

Bei der Interpretation dieser Ergeb­nisse ist zu beachten, dass die Lack­

systeme des Feldtests den Entwick­

lungsstand von 2003 darstellen. Insbe­sondere bei den Dual-Cure-Klarlacken

wurden bis heute weitere Fortschrittebei der Kratzbeständigkeit erzielt. •

1009080

..... 2KPURanDf\lll1isch modiflziort

...... Acrylat~

Solche Systeme sind auch unter

dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlich­

keit vorteilhaft, weil sie besondersschnell trocknen und somit die Pro­

duktivität bei der Serienlackierungerhöhen. Bayer MaterialScience undein namhafter Lackhersteller erfor­

schen in einem Entwicklungsprojekt

das Potenzial dieser Technologie.

Ein weiterer Weg, den der

Lackrohstoffhersteller Bayer Materi­

alScience verfolgt, um die Wider­

standsfähigkeit von PUR-Lacken

gegenüber mechanischen Einwirkun­

gen weiter zu verbessern, ist der Ein­

bau von Nanopartikeln in ein Netz­werk, bestehend aus PUR-Strukturen

~ ~ 50 ~ roItnZllltl der Autowaschen

__ 2K-PUR oplrniert

...... 2K-PURwassri

'0

__2K·PJR SliJndwd-a- UVDualeur.

Bild 5: Polyurethan-Locke enthalten viele Wasserstoffbrückenbindungen .Sie erleichtern eine Neuorientierung der Polymere beim Überschreiten derGlosübergangstemperatur.

Bild 6: Kratzfestigkeit verschiedener Klarlocksysteme im Feldtest

Das Konzept lässt sich auch nochauf eine andere Art von 2-K-PUR­

Lacken anwenden: So genannteDual-Cure-Systeme härten unter

UV-Strahlung und - hauptsächlich in

den Schattenzonen - auch thermisch

aus. Bekanntermaßen lassen sich mit

der UV-Härtung besonders enge

Polymernetze erzeugen. Durch die

geschickte Kombination mit der ther­

mischen Urethan-Härtung ist es mög­lich, die richtige Balance zwischen

Flexibilität und Härte einzustellen

und somit Lacke zu formulieren, bei

denen chemische Beständigkeit und

Kratzfestigkeit neue Höchstwerte

erreichen.

JOT 912005