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Glatt- und Festwalzen an PKW Fahrgestell- und Antriebsbauteilen* S. Gruber, G. Holzheimer und H. Naundorf Kraftfahrzeug-Bauteile, insbesondere Fahrwerkskomponenten und Antriebsbauelemente sind festigkeitsmaBig dynamisch hoch bean- sprucht. Bei der Neukonstruktion wird dem durch Dimension, Werkstoffaus- wahl und Konstruktionsprinzip Rechnung getragen. An bestehenden Konstruktionen, wenn diese beispielsweise durch spatere Leistungs- steigerung hoher belastet werden, scheiden in der Regel die genann- ten Maanahmen aus. Hier bleiben dann neben anderer Werkstoffwahl nur festigkeitssteigernde Maanahmen und Verfahren. Als ein bedeutendes Verfahren steht hier das Festwalzen. Die Bei- spiele ausgefiihrter Konstruktionen zeigen die moglichen Festigkeits- steigerungen, den Einflua der Walzkrafte auf die Bauteilfestigkeit sowie erwiinschte und unerwiinschte Begleiterscheinungen. Es wird verglichen zwischen Festwalzen und anderen Maanahmen zur Festigkeitssteigerung wie Induktivharten. Das Ergebnis zeigt das Festwalzverfahren als kostengiinstig, sehr wirksam und sicher in der Handhabung. Grenzen liegen verfahrensbe- dingt in der Geometrie (offene rotationssymmetrische Querschnitte notwendig), Dimension (Bauteil zu gro8, Querschnitt zu filigran) und im Einsatzbereich (Temperatur) der Bauteile. Finsh and Solid Rolling of Automotive Running Gear and Drive Components Automotive parts, in particular running gear and drive components, are subject to high dynamic loads in regards to strength. When designing new parts, this is taken into account through dimen- sioning, material selection and constructional conception. Normally the mentioned measures will not be applied to old designs if, for example, they are subjected later to higher loads because of an in- crease in engine power output. Only the selection of different mate- rials as well as strength increasing measures and methods remain for these parts. An important method is solid rolling. The examples of completed designs demonstrate the possible strength improvements, influence of rolling force on component strength as well as desired and undesired accompaniments. A comparison is made between solid rolling and other strength improving measures, such as inductive hardening. The results show the solid rolling method to be cost-favorable,very effective and safe in handling. The method has its limits in geometry (open rotation-symmetrical cross sections are required), size (compo- nent too large, cross section too filigreed) and application range (tem- perature) of components. 1 Einleitung Fahnverks- und Antriebsbauteile von Personenkraftwagen sind dynamisch auBerst hoch belastet. AuBerdem zahlen diese Bauteile fast immer zu den Sicherheitsteilen. Das bedeutet, daB unter normalen Betriebsbedingungen in keinem Fall sicherheitsbeeintrachtigende Storungen auftreten durfen. Als ,,normal" gelten in diesem Falle auch extreme und unfallahnli- che Betriebszustande, folglich mu13 die Auslegung der Fahr- werks- und Antriebsbauteile auch diesen harten Bedingungen geniigen. Auf der anderen Seite muR beim ,,GroRserienprodukt PKW die Wirtschaftlichkeit gewahrt und die Serienfertigung sicher beherrscht werden, was in vielen Fallen den Einsatz exotischer Werkstoffe, zumindest heute noch, ausschlierjt. Neukonstruktionen tragen diesen Forderungen durch Dimension, Werkstoffauswahl und Konstruktionsprinzip Rechnung. Werden aber an bereits in Serie befindlichen Kon- struktionen Verstarkungen notwendig, z. B durch Leistungs- steigerung oder Nutzungsanderung, wie Erhohung des zulassi- gen Gesamtgewichts, konnen diese in der Regel nicht ohne weiteres durch konstruktive Anderungen erfolgen. Griinde hierfiir sind die Erhaltung der Austauschbarkeit - also keine doppelte Lagerhaltung - oder hohe Folgekosten in der Ferti- gung durch Anderungen von Werkzeugen und Vorrichtungen. * Vortrag gehalten anlaalich der DVM-Veranstaltung 8. Sitzung des Ak-Betriebsfestigkeit am 12./13. 10. 82 in Miinchen. Hier bieten sich neben hoherfesten Werkstoffen im wesent- lichen nur festigkeitssteigernde MaSnahmen an, z. B. ortlich begrenzte Warmebehandlung wie induktives Einharten, oder das Festwalzen. 2 Bauteil, Beanspruchung, Prufvorrichtung Abb. 1 zeigt die Einbaulage des Achsschenkels der BMW 7er-Reihe, die wesentlichen auBeren Krafte, die MeBstellen- anordnung und in Form eines Saulendiagrammes die bei aus- gewahlten Betriebszustanden gemessenen Dehnungen. Auf dem linken Bildteil ist das Konstruktionsprinzip der Federbeinvorderachse mit den auheren Kraften dargestellt. Hier sieht man deutlich, daR der Achsschenkel in erster Linie durch die bei Kurvenfahrt auftretende Seitenkraft bean- sprucht wird, da das Moment, welches aus der Seitenkraft Fy und dem dynamischen Rollradius rdyn resultiert, wegen der Lange des Hebelarmes verhaltnismafiig hoch ist . Demgegenuber sind die Momente, die aus der Radauf- standskraft F, und aus der Radlangskraft F, resultieren, ver- haltnismal3ig klein. Diese Relation der beiden Biegemomente wird auch durch die MeBergebnisse untermauert. Die Deh- nungswerte, die aus der Seitenkraft bei extremer Fahnveise resultieren, ubertreffen die durch die Langskraft hervorgeru- fenen Dehnungswerte um ein Mehrfaches. Fur die Beurtei- Z. Werkstofftech. 15,4145 (1984) 0 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim, 1984 ~~ 0O49-8688/84/0202-oO41%02.50/0 41

Glatt- und Festwalzen an PKW Fahrgestell- und Antriebsbauteilen

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Glatt- und Festwalzen an PKW Fahrgestell- und Antriebsbauteilen*

S. Gruber, G. Holzheimer und H. Naundorf

Kraftfahrzeug-Bauteile, insbesondere Fahrwerkskomponenten und Antriebsbauelemente sind festigkeitsmaBig dynamisch hoch bean- sprucht. Bei der Neukonstruktion wird dem durch Dimension, Werkstoffaus- wahl und Konstruktionsprinzip Rechnung getragen. An bestehenden Konstruktionen, wenn diese beispielsweise durch spatere Leistungs- steigerung hoher belastet werden, scheiden in der Regel die genann- ten Maanahmen aus. Hier bleiben dann neben anderer Werkstoffwahl nur festigkeitssteigernde Maanahmen und Verfahren. Als ein bedeutendes Verfahren steht hier das Festwalzen. Die Bei- spiele ausgefiihrter Konstruktionen zeigen die moglichen Festigkeits- steigerungen, den Einflua der Walzkrafte auf die Bauteilfestigkeit sowie erwiinschte und unerwiinschte Begleiterscheinungen. Es wird verglichen zwischen Festwalzen und anderen Maanahmen zur Festigkeitssteigerung wie Induktivharten. Das Ergebnis zeigt das Festwalzverfahren als kostengiinstig, sehr wirksam und sicher in der Handhabung. Grenzen liegen verfahrensbe- dingt in der Geometrie (offene rotationssymmetrische Querschnitte notwendig), Dimension (Bauteil zu gro8, Querschnitt zu filigran) und im Einsatzbereich (Temperatur) der Bauteile.

Finsh and Solid Rolling of Automotive Running Gear and Drive Components

Automotive parts, in particular running gear and drive components, are subject to high dynamic loads in regards to strength. When designing new parts, this is taken into account through dimen- sioning, material selection and constructional conception. Normally the mentioned measures will not be applied to old designs if, for example, they are subjected later to higher loads because of an in- crease in engine power output. Only the selection of different mate- rials as well as strength increasing measures and methods remain for these parts. An important method is solid rolling. The examples of completed designs demonstrate the possible strength improvements, influence of rolling force on component strength as well as desired and undesired accompaniments. A comparison is made between solid rolling and other strength improving measures, such as inductive hardening. The results show the solid rolling method to be cost-favorable, very effective and safe in handling. The method has its limits in geometry (open rotation-symmetrical cross sections are required), size (compo- nent too large, cross section too filigreed) and application range (tem- perature) of components.

1 Einleitung

Fahnverks- und Antriebsbauteile von Personenkraftwagen sind dynamisch auBerst hoch belastet. AuBerdem zahlen diese Bauteile fast immer zu den Sicherheitsteilen. Das bedeutet, daB unter normalen Betriebsbedingungen in keinem Fall sicherheitsbeeintrachtigende Storungen auftreten durfen. Als ,,normal" gelten in diesem Falle auch extreme und unfallahnli- che Betriebszustande, folglich mu13 die Auslegung der Fahr- werks- und Antriebsbauteile auch diesen harten Bedingungen geniigen.

Auf der anderen Seite muR beim ,,GroRserienprodukt P K W die Wirtschaftlichkeit gewahrt und die Serienfertigung sicher beherrscht werden, was in vielen Fallen den Einsatz exotischer Werkstoffe, zumindest heute noch, ausschlierjt.

Neukonstruktionen tragen diesen Forderungen durch Dimension, Werkstoffauswahl und Konstruktionsprinzip Rechnung. Werden aber an bereits in Serie befindlichen Kon- struktionen Verstarkungen notwendig, z. B durch Leistungs- steigerung oder Nutzungsanderung, wie Erhohung des zulassi- gen Gesamtgewichts, konnen diese in der Regel nicht ohne weiteres durch konstruktive Anderungen erfolgen. Griinde hierfiir sind die Erhaltung der Austauschbarkeit - also keine doppelte Lagerhaltung - oder hohe Folgekosten in der Ferti- gung durch Anderungen von Werkzeugen und Vorrichtungen.

* Vortrag gehalten anlaalich der DVM-Veranstaltung 8. Sitzung des Ak-Betriebsfestigkeit am 12./13. 10. 82 in Miinchen.

Hier bieten sich neben hoherfesten Werkstoffen im wesent- lichen nur festigkeitssteigernde MaSnahmen an, z. B. ortlich begrenzte Warmebehandlung wie induktives Einharten, oder das Festwalzen.

2 Bauteil, Beanspruchung, Prufvorrichtung

Abb. 1 zeigt die Einbaulage des Achsschenkels der BMW 7er-Reihe, die wesentlichen auBeren Krafte, die MeBstellen- anordnung und in Form eines Saulendiagrammes die bei aus- gewahlten Betriebszustanden gemessenen Dehnungen.

Auf dem linken Bildteil ist das Konstruktionsprinzip der Federbeinvorderachse mit den auheren Kraften dargestellt. Hier sieht man deutlich, daR der Achsschenkel in erster Linie durch die bei Kurvenfahrt auftretende Seitenkraft bean- sprucht wird, da das Moment, welches aus der Seitenkraft Fy und dem dynamischen Rollradius rdyn resultiert, wegen der Lange des Hebelarmes verhaltnismafiig hoch ist .

Demgegenuber sind die Momente, die aus der Radauf- standskraft F, und aus der Radlangskraft F, resultieren, ver- haltnismal3ig klein. Diese Relation der beiden Biegemomente wird auch durch die MeBergebnisse untermauert. Die Deh- nungswerte, die aus der Seitenkraft bei extremer Fahnveise resultieren, ubertreffen die durch die Langskraft hervorgeru- fenen Dehnungswerte um ein Mehrfaches. Fur die Beurtei-

Z . Werkstofftech. 15,4145 (1984) 0 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim, 1984

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I 1 Mektelen Lcmgskraft 2 Meilstellen Seitenkraft

n

21 b 3 - 1

-2 - 2.5

V

Norrnalkurs

-31 - 3.5 Sertenkraft F,

Handlingkurs Seitenkraft Fy

Abb. 1. Federbeinvorderachse rnit auljeren Kraften, Meljstellen- anordnung und gemessenen Dehnungen. Fig. 1. Spring strut front axle with external forces, checkpoint arran- gement and measured expansion.

L

2 1400

2 1000 T % 1200

P 800 p 600 x 400

I / I I / I 8 200

0

I Nurburgrfn~kolldkhv lo4 km * \ \

1 0 L 105 106 107 Lastspiele N

Abb. 2. Gegeniiberstellung Normal- und Niirburgringkollektiv zur Grundversion W6:hZerschaubild Achsschenkel. Fig. 2. Comparison of normal und Nuerburgring load collectives to basic version of steering knuckle S/N curve.

lung uber die Verwendbarkeit eines Bauteiles ist es nun wich- tig zu wissen, erstens, welchen Beanspruchungen wird es aus- gesetzt, und zweitens, was halt das Bauteil wirklich aus.

In Abb. 2 ist das Wohlerstreufeld eines Achsschenkels aus 41 Cr S4, vergutet auf 900 N/mm2, mit 90% und 10% Uberle- benswahrscheinlichkeitslinien dargestellt . Weiter zeigt Abb. 2 ein sog. Normalkollektiv (durchgezogene Linie) und ein Nur- burgringkollektiv (gestrichelte Linie). Das Normalkollektiv wurde auf reprasentativen StraSenabschnitten unter iiblichen Betriebsbedingungen aufgenommen und auf 300 000 km Fahr- strecke extrapoliert . Die StraSenzusammensetzung entsprach dabei den Angaben in [l] fiir den Einsatzbereich Bundesrepu- blik Deutschland, weitere statistische Angaben finden sich in [2]. Das Nurburgringkollektiv entspricht 10 000 km wettbe- werbsmal3ig gefahrener Nurburgringstrecke oder etwa 440 Runden. Typisch ist die Form des Nurburgringkollektivs, namlich der groBe Anteil hoher und mittlerer, aber der relativ geringe Anteil niedriger Beanspruchungen. Auch ohne Ansatz von Schadensakkumulationsrechnungen ist zu erkennen, dalj Bruchgefahr besteht: das Nurburgringkollektiv schneidet das

I f = f ( w l I

Mb = F- rdyn

1 Senented \ \ 2 Versuchsteil

N Wohlerkurve

Schwtngsystem des mechanischen Resonanzpulsers

Abb. 3. Prinzipskizze der Priifrichtung fur Achsschenkel. Fig. 3. Layout sketch of steering knuckle tester.

Wohlerstreufeld. Vergleicht man dagegen die Wohlerlinie zum Normalkollektiv, besteht innerhalb der zu erwartenden Betriebsdauer keine Bruchgefahr.

Eine Lebensdauerabschatzung nach der Methode von Palm- green-Miner (elementarer Ansatz) ergibt fur den Achsschen- kel eine mittlere Schadigung durch das Normalkollektiv von etwa 5% [3]. Das bedeutet, daS erst nach zwanzigmaligem Durchfahren des Kollektivs bei der Halfte der Teile mit Bruch zu rechnen ist.

Um jedoch auch bei sehr sportlicher Fahnveise genugend sicher zu sein, waren Verstarkungen notwendig. Eine Umkon- struktion kam aus Griinden des Gleichteileprinzips nicht in Frage. Die Venvendung von hoherfesten Werkstoffen oder induktives Einharten waren zu teuer . Als wirtschaftlichstes Verfahren bot sich das Festwalzen an.

Um den EinfluS des Festwalzens auf die Haltbarkeit des Achsschenkels zu ermitteln, wurden Prufstandsversuche durchgefiihrt.

Abbildung 3 zeigt das Prinzip eines mechanischen Reso- nanzpulsers, wie er fiir die Biegewechselversuche der Achs- schenkel verwendet wurde. An einem Lastarm rotiert die Unwuchtmasse m und erzeugt dadurch die Schwingkraft F. Diese wird uber eine KraftmeSdose auf einen Hebelarm mit der Lange des dynamischen Rollradius (rap) geleitet. Die Hebelarmlange (= rdyn) wird gewahlt, um auf den Priifling das gleiche Verhaltnis aus Biegemoment und Querkraft zu brin- gen, wie es bei realer Kurvenfahrt entsteht. Bei solchen Prii- fungen ist auch besonders darauf zu achten, daB die Steifig- keitsverhaltnisse der Einspannung fiir den Achsschenkel mog- lichst wie in der Fahrzeugvorderachse sind. Aus diesem Grund wurden im vorliegenden Fall die Krafte iiber die originale Radlagerung eingeleitet und uber die Aufnahme des Feder- beintragrohres abgestiitzt.

3 Versuchsergebnisse

Aus einer Grundcharge wurden je 8-10 Achsschenkel mit steigender AnpreBkraft im Radius des Ubergangs vom Lager- sitz zum Dichtringsitz festgewalzt (Radius an der Bruchlage, siehe Abb. 4 ) . Aus Erfahrungen friiherer Versuche war bekannt, dal3 der optimale Wert der AnpreBkraft zwischen 10000 N und 14000 N liegt.

Wie zu envarten, steigt die Lebensdauer der Achsschenkel mit steigender Festwalzkraft. Im vorliegenden Fall wurden mit

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L l C r S L V90

Mb, = _+ 1350 Nm rn

--. 90

3 80

'= 70 9 60 2 50 Q 40 2 30

5 10

b 3

r

w

4

g 20

9

1

Bruchlage

Festw/zkroft Fw A Fw=O

A Fw=6000N 0 Fw-10OOON

Fw=12OOON + Fw=lLOOON

105 106 Lusfsprele N

Abb. 4. Optimierung der Festwalzkraft durch Zeitfestigkeitsversuche bei Achsschenkeln. Fig. 4. Optimization of solid rolling force by fatigue strength testing on steering knuckles.

einer Festwalzkraft von 14000 N annahernd die 10fachen Bruchlastspiele gegenuber nicht festgewalzten Achsschenkeln erreicht. Das Priifmoment von k 1350 Nm wurde gewahlt, um einerseits bei nicht festgewalzten Achsschenkeln fur eine sichere statistische Auswertung noch genugend hohe Last- spielzahlen zu erhalten und um andererseits bei den mit hohen Kraften festgewalzten Achsschenkeln noch im Zeitfestigkeits- gebiet zu liegen. Die Bruchlage war bei allen Versuchsteilen gleich: im Auslauf des Lagersitzes zum Radius des Ubergan- ges fur den Dichtringsitz.

Parallel zu den Schwingfestigkeitsversuchen wurden auch Eigenspannungsmessungen im betroffenen Radius durchge- fiihrt [4].

In Abb. 5 sind in der oberen Halfte in Form eines Saulen- diagrammes die ermittelten Bruchlastspielzahlen (L 50 Wert) abhangig von der Festwalzkraft dargestellt. In der unteren

Fes Wzkraft F, IN1

I I b, -80 c -120 5 s % -140

E -200 iE -240

Abb. 5. Eigenspannung und Bruchlastspielzahl an Achsschenkeln in Abhangigkeit der Festwalzkraft. Fig. 5. Internal stress and numbers of cycles to failure on steering knuckles depending on solid rolling force.

c7 $ 1LOO

ii c 1200

P loo0 $ 600

600 & 2 L o o w 8 200 f .c

Abb. 6. Normal- und Niirburgringkollektiv mit Wohlerstreubander fur nicht festgewalzte und festgewalzte Achsschenkel. Fig. 6. Normal and Nuerburgring load collectives with S/N curve ranges for steering knuckles which are solid rolled and not solid rolled.

Bildhalfte sind die dazugehorigen Druckeigenspannungen auf- getragen.

Man erkennt, dal3 bei Festwalzkraften von etwa 12 000-14 000 N das Maximum der Druckeigenspannung erreicht wird, bei noch hoheren Festwalzkraften ist wieder ein Abfall der Druckeigenspannungen zu erkennen. Ob diesen Eigenspannungen nach dem Maximum auch die Schwingfe- stigkeitsergebnisse in gleicher Weise folgen, konnte aus ver- suchstechnischen Griinden nicht ermittelt werden, da ab einer Festwalzkraft von 14 000 N grol3e Ma& und Formhaltigkeits- probleme an den Versuchsteilen auftraten. Die Montage der Lagerung fiir die Priifung war nicht mehr moglich.

Aus diesem Grund wurde die Festwalzkraft fur die Serien- fertigung auf 12 000 N festgelegt.

Abbildung 6 zeigt nochmals die Beanspruchungskollektive fiir Normalbelastung und WettbewerbsmaBigem Einsatz auf dem Nurburgring. Im Vergleich dazu sind die Wohlerstreu- bander der nur verguteten und der mit 12 000 N festgewalzten Achsschenkel eingetragen.

Die Abb. vermittelt auf anschauliche Weise die Lebensdau- ersteigerung der festgewalzten Achsschenkel gegenuber der ursprunglichen Ausfuhrung . Die Schadensakkumulationsrech- nung nach Palmgreen-Miner (elementarer Ansatz) ergibt fiir die mit 12 000 N festgewalzten Achsschenkel eine etwa Gfach Iangere Lebensdauererwartung , bezogen auf das Nurburg- ringkollektiv, gegenuber den nicht festgewalzten Achsschen- keln. Durch das Normalkollektiv liegt die Schadigung f i r mit 12000 N festgewalzten Achsschenkel unter 1%. Selbst bei der Annahme eines Unsicherheitsfaktors von 10 ist fur das Nor- malkollektiv immer noch eine 10fache Sicherheit gegeben [5].

4 Weitere Beispiele

In Absatz 1 wurde als festigkeitssteigernde Mal3nahme neben dem Festwalzen'auch das induktive Einharten erwahnt.

Abbildung 7 zeigt eine interessante Kombination beider Mahahmen, wieder an einem Achsschenkel. Es handelt sich um den Achsschenkel des BMW 2002 ti.

Ausgangsbasis war ein Achsschenkel aus 41 CrS 4, vergutet auf 900 N/mm2, gepunktetes Wohlerstreufeld. Fur den Serien- einsatz wurden die Teile, wie vorhergehend geschildert, im Radius a festgewalzt, schraffiertes Wohlerstreufeld. Diese

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indgeh.in a und festgew indgeh in a in b 1 festgewatzt in a

dunbehandel'

105 106 107 Lastspiele N

Abb. 7. EinfluB des Festwalzens und des induktiven Einhartens auf die Biegewechselbelastbarkeit von Achsschenkeln. Fig. 7. Influence of solid rolling and inductive hardening on the reversed bending fatigue strength of steering knuckles.

Werkstoff 5 0 0 V1 V90

festgewalzl Fw-llkN nitriert gesmffen +'

(Seriel

gedreht zpd 0 105 106 lo7 108

Laskpide N

Abb. 8. Einflul3 der Oberflachenbeschaffenheit auf die Torsionsbe- lastbarkeit von Motorradkardanwellen. Fig. 8. Influence of surface finish on torsional strength of motorcycle propeller shafts.

MaSenahme war fiir den Serieneinsatz ausreichend, nicht aber fiir den Einsatz als Testfahrzeug fur Reifenversuche und als Tourenwagen-Wettbewerbsfahrzeug .

Da noch hohere Festwalzkrafte, wie in Absatz 3 schon erwahnt, aus MaS- und Formhaltigkeitsgrunden nicht moglich waren, wurde beschlossen, den Radius a induktiv zu harten. Das Ergebnis ist in Form des geziegelten Wiihlerstreufeldes wiedergegeben. Die Bruchlage verschob sich dabei vom Radius a in den Radius b, woraus sich auch die veranderte Neigung des Zeitfestigkeitsbandes erklart .

Eine weitere Moglichkeit der Festigkeitssteigerung bot sich nun durch Festwalzen des Radius b an.

Das Ergebnis ist im schuppenformigen Wiihlerstreufeld dar- gestellt. Achsschenkel, die in a induktiv gehartet und in b festgewalzt sind, brachen nicht mehr in einem der beiden Radien, sondern quer durch den Flansch. Damit war das KosteniNutzen-Optimum an Lebensdauersteigerung fiir dieses Bauteil erreicht worden. In der Zeitfestigkeit wurde eine Stei- gerung um eine GroSenordnung erzielt, bei der Dauerbelast- barkeit eine von etwa 20%.

Das nachste Beispiel zeigt ein rein auf Torsion belastetes Bauteil, die Motorradkardanwelle der BMW R 90 RS.

Die Kardanwellen der BMW R 90 RS sind aus dem Werk- stoff 50 CrV4 gefertigt und auf 900 N/mm2 Festigkeit vergutet. Um eine ausreichende Betriebssicherheit zu haben, ist eine Mindest-Dauertorsionsbelastbarkeit von k 300 Nm notwen- dig. Zur Ermittlung der Belastbarkeitsgrenzen der Motorrad-

1200 - 4 1100

- 1000

900

0 'i 800

5 700

10' 10 106 107 Lastspele N

Abb. 9. Einfld des Festwalzens und Nitrierens auf die Biegewechsel- belastbarkeit von Stahlkurbelwellen. Fig. 9. Influence of solid rolling and nitrifying on reversed bending fatigue strength of steel crankshafts.

kardanwellen wurden daher dynamische Torsionsversuche an verschiedenen Varianten durchgefiihrt. Die Grundlage fiir die Beurteilung der Wirksamkeit verschiedener OberflachenmaS- nahmen auf die Torsionsbelastbarkeit bildeten nur vorge- drehte Kardanwellen, in Abb. 8 die strichpunktierte untere Wohlerlinie.

Die Dauerbelastbarkeitsgrenze liegt bei etwa 230 Nm, also fiir den Serieneinsatz zu niedrig.

Bei diesen Teilen, die Oberflachenrauhigkeit betrug R, I 28 pm, verlief der Bruch immer senkrecht zur Wellenachse, war also eindeutig auf die Kerbwirkung der Drehriefen zuriickzufiihren. Als erste VerbesserungsmaBnahme bot sich daher die Verringerung der Oberflachenrauhigkeit an. Die vorgedrehten Kardanwellen wurden auf eine Rauhtiefe von R, 5 5 pm geschliffen. Die Torsionsdauerbelastbarkeit stieg um etwa 50% auf etwa 340 Nm an, in der Abb. die gestrichelte Linie. Die Bruche verliefen jetzt, gemal3 der Schubspannungs- richtung, unter 45" zur Kardanwellenachse.

A l s weitere Variante wurden auch nitrierte Wellen unter- sucht. Hier lag die Steigerung bei etwa 60% auf 350 Nm gegenuber der Grundversion, enggestrichelte Wiihlerlinie.

Als weitere Versuchsvariante wurden nun anstelle geschlif- fener festgewalzte Kardanwellen untersucht. Die Obeffla- chenrauhigkeit lag bei diesen Teilen unter R, I 5 pm. Die Torsionsdauerbelastbarkeit lag etwa 70% uber der Basisver- sion, bei etwa 390 Nm, gepunktete Linie. Das Bruchbild glich den geschliffenen Wellen.

Aus den Ergebnissen 1aSt sich ableiten, dal3 der Anstieg der Belastbarkeit bei diesem Bauteil, ein massiver, langer Zylin- der, hauptsachlich auf die Oberflachengute zuriickzufiihren ist. Aus diesem Grund wurde dann auch die geschliffene Variante in der Serie eingesetzt, zumal bei Stuckzahlen von etwa 15OITag Festwalzmaschinen nicht rentabel sind, und die Dauerbelastbarkeit von etwa 340 Nm ausreichend ist.

Als letztes Beispiel werden Ergebnisse aus Festwalzversu- chen an Kurbelwellen vorgestellt.

Die 2 1 BMW 4-Zylindermotore haben Stahlkurbelwellen aus Ck45, Abb. 9.

Die Biegewechselbelastbarkeit nur normalisierter Kurbel- wellen, ohne sonstige Warme- oder Oberflachenbehandlung, liegt bei etwa 360 Nm, im Diagramm als das untere, gepunk- tete Wohlerstreuband dargestellt. Aus VerschleiBgrunden mussen die Kurbelwellen aber nitriert werden. Dadurch steigt die Biegewechselbelastbarkeit auf etwa 730 Nm an, grau unterlegtes Wohlerstreufeld.

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1200 .. /, 1000 a

7 800 c

f

P 5 5 f

- 600 &I GGG 60 nifrrert

GGG 60

0 104 105 108 107

1 Loo

.- Lastsp.de N

Abb. 10. Biegebelastbarkeit unterschiedlich obefflachenbehandelter GuRkurbelwellen. Fig. 10. Bending strength of different surface finished cast crank- shafts.

Um im Bedarfsfall, z. B. beim Einsatz der Kurbelwellen in Sportmotoren, eine Erhohung der Biegewechseldauerbelast- barkeit zu erreichen, wurden die Ubergangsradien Hauptlager zur Wange und Hublager zur Wange festgewalzt. Die erreich- bare Biegewechseldauerbelastbarkeit durch das Festwalzen betragt bei diesen Kurbelwellen fast 1100 Nm [6], kariertes Wohlerstreufeld.

Wichtig ist, daS das Festwalzen erst nach dem Nitrieren erfolgt, anderenfalls ist der Belastbarkeitsgewinn wesentlich geringer. Geschieht das Festwalzen vor dem Nitrieren, wird die eingebrachte Druckeigenspannung durch die nachfolgende Nitrierbehandlung (90 min bei etwa 570 "C) weitgehend abge- baut , Die Biegewechseldauerbelastbarkeit dieser Kurbelwel- len (schraffiertes Wohlerstreufeld) liegt dann nur etwa 10% iiber den nur nitrierten Teilen.

Seit 1977 verwendet BMW auch gegossene Kurbelwellen. Es wurden daher GuBkurbelwellen ebenfalls in die Festwalz- untersuchungen einbezogen.

Gegenstand des folgenden Beispiels sind die 4-Zylinder- Kurbelwellen der 1,8 1 Motore. Die Kurbelwellen sind aus modifiziertem KugelgraphitguS (BMW Werksnorm), ahnlich GGG 60. Die Biegedauerbelastbarkeit unbehandelter GuB- kurbelwellen liegt bei etwa 380 Nm, in Abb. 10 die untere Wohlerlinie. Durch das aus Verschleiagriinden erfolgende Nitrieren steigt bei den GuBkurbelwellen die Dauerbelastbar- keit auf etwa 420 Nm an.

Werden die Radien der Gurjkurbelwelle festgewalzt, sind hohe Festigkeitssteigerungen zu verzeichnen. Der Wert fiir die Dauerbelastbarkeit steigt um anniihernd loo%, von etwa 380 Nm auf etwa 770 Nm.

Die in der Serie verwendeten Gurjkurbelwellen werden allerdings nicht festgewalzt, da die Belastbarkeit der nur nitrierten Kurbelwellen f i r die Betriebsbeanspruchungen in Serienmotoren vollig aureichend ist.

5 Zusammenfassung

Die Beispiele zeigen, daB das Festwalzen ein sicheres Ver- fahren ist, um an Kraftfahrzeugbauteilen gezielte und zum Teil sehr hohe Belastbarkeitssteigerungen zu erreichen. Von Vorteil sind auch der geringe notwendige Energieeinsatz und die Umweltfreundlichkeit durch den Wegfall jeglicher Zusatz- stoffe.

Allerdings miissen die notwendigen Walzparameter bis heute noch empirisch ermittelt und durch dynamische Bauteil- versuche abgesichert werden. Die Parameter sind daher (noch) nicht iibertragbar.

In Zukunft sind aber gerade auf diesem Gebiet Fortschritte zu erwarten, da bei Instituten Forschungsprogramme in Arbeit sind, mit dem Ziel, die Ubertragbarkeit von Proben auf Bauteile zu ermoglichen [7].

Literatur

1. Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode Drucksache 8/1403, Anlage 10, Blatt 66.

2. A. Wimmer, Road stress resistance and lightweight construction of automobile roadwheels, SAE Paper No. 1255, Index Category No. 31.

3. M. A. Miner, 3. appl. Mech. 12 (1945) 159-164. A. Pulmgreen, VDI-Z. 58 (1924) 339-341.

4. C. Kolitsch, J. Ziese, Methoden zur Qualitatskontrolle festgewalz- ter PKW-Teile DVM-Vortragsband zur 8. Sitzung des Ak- Betriebsfestigkeit, 12.113. 10. 82, Munchen.

5. W. Schiifz, H. Zenner, Schadensakkumulationshypothesen zur Lebensdauervorhersage bei schwingender Beanspruchung - Ein kritischer Uberblick - Teil 1 und 2 Zeitschrift fiir Werkstofftechnik 4 (1973) 25-33 und 4 (1973) 97-102.

6. H. Naundorf, V . Rothe, J . Ziese, Einfliisse auf die Festigkeit von Stahlkurbelwellen fur Personenkraftwagen, MTZ 37 (1976) 205-208.

7. E. Broszeif, Grundlagen der Schwingfestigkeitssteigerung durch Fest- und Glattwalzen, DVM-Vortragsband zur 8. Sitzung des Ak- Betriebsfestigkeit, 12.113. 10. 82, Munchen.

Anschrift: Ing. (grad.) S. Gruber, Horenzhauser Str. 1, 8057 Eching, Ing. (grad.) G. Hotzheimer, Wertheimer Str. 73a, 8000 Munchen 60, DiplAng. H. Nuundod Rotdomstr. 16c, 8042 OberschleiOheim.

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