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Prof. Dr. Elke Mack 1 Globale Ethik Prof. Dr. Elke Mack Erfurt, WS 2012/13

Globale Ethik - Universität Erfurt · Zum Verhältnis von Moral , Ethos, Ethik • Moral ist das Handeln und Entscheiden unter der Differenz von Gut und Böse • Ethos ist die moralische

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Globale Ethik

Prof. Dr. Elke Mack Erfurt, WS 2012/13

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Einführung: Historische Einordnung & Definition Globaler Ethik Gegenwartsanalyse der Hauptprobleme: - Negative Befunde - Positive Befunde

Grobgliederung I

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Kap. 1: Normative Grundlagen globaler Ethik 1.1 Weltethos (Walzer+Küng) 1.2 Freiheit, Grundfähigkeiten, Exklusion von Armut

(Nussbaum+Sen) 1.3 Universale Menschenrechtsethik (Aufklärung, Kirche) 1.4 Globale Wirtschaftsethik (Homann) 1.5 Globale Gerechtigkeit (Pogge+Rawls) Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.1 Prozess der Globalisierung 2.2 Integration der ärmsten Länder in die Weltwirtschaft 2.3 Reform der Weltwirtschaftsordnung

Grobgliederung II

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Definition: „Globale Ethik“

In der Globalen Ethik geht es um die Begründung und Implementierung

von Gerechtigkeitsnormen bezüglich gesellschaftlicher Strukturen,

Institutionen und Systeme für die globale Weltgesellschaft

- vor dem Hintergrund einer christlichen Hermeneutik.

Definition

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Negative Befunde: • Kriege, Terrorgefahr und Waffen

• Armut, Unterernährung und Krankheiten

• Ökologieproblematik: Klima und Umwelt

Einleitung

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Länder mit nuklearen Waffen (blau, Waffenprogramme aufgegeben):

Einleitung Kriege, Terrorgefahr, Waffen

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Einleitung Kriege und bewaffnete Konflikte 2010

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Einleitung

Problemanalyse absolute Armut: Welt Hunger Index 2011

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Einleitung

Problemanalyse absolute Armut Entwicklung des WHI auf Länderebene Rückgang bzw. Anstieg WHI 2010 im Vgl. zu WHI 1990 in %

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Einleitung

Aktuelle Armutsdimensionen • 18 Mio. Tote jedes Jahr (30% of total) sind auf

armutsbedingte Gründe zurückzuführen (WHO 2004, pp. 120-25)

• Von rund 7 Mrd. Menschen leiden 925 Mil., also fast 1 Mrd. Menschen an Hunger (WHI 2011)

• 2 Mrd. keinen Zugang zu wichtigen Medikamenten • 1 Mrd. keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser • 1 Mrd. ohne ausreichende Unterkunft • 2 Mrd. keine Elektrizität • 2,6 Mrd. keine ausreichenden sanitären Einrichtungen Vgl. http://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/media/pdf/WHI/WHI2011/20110921_WHI-

2011_final.pdf

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Einleitung

Aktuelle Armutsdimensionen

• 774 Mil. Erwachsene sind Analphabeten (www.uis.unesco.org)

• 211 Mil. Kinder (5 bis 17) müssen einer Kinderarbeit außerhalb des eigenen Haushaltes nachgehen — oft unter sklavenähnlichen und gefährlichen Bedinungen, in der Landwirtschaft, in Industriebetrieben oder Haushalten, im Extremfall als Soldaten oder Prostituierte (ILO: The End of Child Labour, Within Reach, 2006, pp. 9, 11, 17-18).

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OECD Factblock 25.6.2010, belegt prozentuale Reduktion der Armut

Einleitung: Prozentuale Abnahme der Armut im langfristigen Trend

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Einleitung: Abnahme absoluter Armut im langfristigen Trend

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Einleitung: Kurzfristige Trends

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Einleitung: Langfristige Trends

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Einleitung

Armut: MDG 2000

Das erste UN Millennium Entwicklungsziel (MDG 2000)

Den Anteil der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2015 zu halbieren, deren Einkommen weniger als einen Dollar am

Tag beträgt und den Anteil der Menschen, die unter Hunger leiden.

(www.un.org/millennium/declaration/ares552e.htm)

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Einleitung: MDG´s im Einzelnen

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Einleitung: Fragile Staaten machen geringsten Fortschritt

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Einleitung: Armutsquoten nach Regionen

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Einleitung

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Einleitung

Armut: Anteile am globalen Einkommen

Ärmste Haushalte gegenüber reichsten Ländern

Milanovic B., World Apart, 2005, pp. 111-12.

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Einleitung

Armut: Anteile am globalen Einkommen

Bei derzeitigen Wechselkursen besitzt die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung,

3,3 Milliarden Menschen, rund 1 Prozent globalen Reichtums

Extreme globale Ungleichheit, jedoch deshalb auch reale Möglichkeit,

absolute Armut zu beseitigen! (Problem und Chance zugleich)

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Einleitung

Ökologieproblematik, Klima und Umwelt

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Einleitung

Ökologieproblematik, Klima und Umwelt: Emissionen (IPCC 2007)

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Einleitung Ökologieproblematik: Ursache der Emissionen

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Einleitung

Ökologieproblematik, Klima und Umwelt: Emissionen

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Positive Befunde: • Friedensprozesse (Ende des kalten Krieges,

Demokratisierung Osteuropas) • Etablierung internationaler Institutionen

(Kriegsverbrechertribunal, Weltstrafgerichtshof, Welthandelsorganisation)

• Diskurs über Menschrechte weltweit geführt • Diskurs über Ökologie in weltweitem Bewusstsein • Globale Demokratisierungstendenzen • Anstieg weltwirtschaftlichen Wachstums und

Wohlstands in vielen Ländern der Erde (Ausnahmen Globalisierungsverlierer)

Einleitung

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Kapitel 1

Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

Begriffsklärungen

Zum Verhältnis von Moral, Ethos, Ethik

• Moral ist das Handeln und Entscheiden unter der Differenz von Gut und Böse

• Ethos ist die moralische Haltung bzw. Moralität, die Moral prägt (sowohl individuell als auch kollektiv)

• Ethik ist die Reflexion und Begründung von Moral • Globale Ethik betrachtet die weltweiten Beziehungen

unter Menschen, Staaten und Völkern im Hinblick auf moralische Erfordernisse

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

Begriffsklärungen

Weltreligionen als mögliche Träger interreligiöser Debatten

• Christentum (2,1 Mrd., davon 1,15 Mrd. Katholiken (2008)) • Islam (1,3 Mrd.) • Hinduismus (850 Mio.) • Buddismus (375 Mio.) • Judentum (15 Mio.) • Doismus (8 Mio.) • Bahai (7 Mio.) • Konfuzianismus (6 Mio.)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

Begriffsklärungen

Vordenker globaler Ethik

Stoa (4.J.v.Chr.): Weltbürgerbegriff, „Mitglied der Menschheit“,

noch kein gerechtigkeitstheoretischer Kosmopolitismus Hugo Grotius(1625): Völkerrecht auf Würde der Menschen

gegründet, plädiert für Universalisierung der Rechtsverhält-nisse zwischen einzelnen

Hobbes (1651): Internationaler Vertrag für die Legitimation einer übergeordneten Gewalt, Bedrohung durch Leviathan

Kant, Immanuel (1795): „Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen anderen gefühlt“ (Zum ewigen Frieden), Recht der Menschen, 3 Arten: Staatsbürgerrecht, Völkerrecht, Weltbürgerrecht, vorsichtige Kosmopolisierung im Rechtsbereich und bezüglich eines föderalen Weltenbundes

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

Begriffsklärungen

Die philosophische Debatte um globale Ethik

• Neues Thema: Globale Gerechtigkeit Erfordernis der Globalisierung der Welt

• Kosmopolitismus - Partikularismus - Debatte (Universalismus oder nur partikuläre Beziehungen? Individualrechte vor Kollektivrechten und/oder Staatsrechten? Legitimität globalen Rechts? Frage der Domäne der Gerechtigkeit: Staaten oder Welt?)

• Debatte, ob Gemeinsamkeit im Ethos oder im Recht • Debatte, ob globale Gerechtigkeit Minimalansprüche

oder weitergehende Ansprüche begründet

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1 Vertreter einer dicken Moral auf globaler Ebene

1.1.1 Michael Walzer: Entwicklungsethisch zunächst Erfahrung einer

dicken Moral der je spezifischen Kultur Dann Erfahrung der Wiedererkennung einer

dünnen Minimal oder Kernmoral Überschneidungspunkte kontextueller und

dicker Moralkulturen in dünner Moral (Sphären der Gerechtigkeit 1992; Lokale Kritik

– globale Standards 1996)

Michael Walzer *1935

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1 Vertreter einer dicken Moral auf globaler Ebene

1.1.2 Das Weltethos von Hans Küng: Hauptwerk: „Das Projekt Weltethos“, 1990

Gliederung: a) Weltprobleme erfordern Weltethos b) Grundforderung ist die der Humanität c) Weltethos und Religionen d) Projekt der Konvergenz e) Sozialethische Kritik an Küngs Projekt f) Alternativen zum Weltethos von Küng

Hans Küng, *1928

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1.2 Das Weltethos

a) Weltprobleme erfordern Weltethos Normative Forderung: keine Einheitsreligion, aber verbindende und verbindliche Normen, Werte, Ideale und Ziele sind auszumachen b) Grundforderung ist die der Humanität Bei allen Weltreligionen Konsens, allerdings Pluralität

der verschiedenen Humanitätsauffassungen c) Weltethos und Religionen wichtige motivationale Funktion der Einbettung von

Menschen in eine sinnschaffende Weltanschauung, die ihnen Moral nahelegt.

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1.2 Das Weltethos

d) Das Projekt der Konvergenz 5 Maxime bei allen gemeinsam • nicht töten • nicht lügen • nicht stehlen • nicht Unzucht treiben • die Eltern achten und die Kinder lieben Kernüberschneidungen in der Ethik richtig • Goldene Regel und Grundregeln elementarer

Menschlichkeit überall vorhanden • Humanität als Kriterium für wahre Religion und für

richtige Ethik

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1.2 Das Weltethos: e) Sozialethische Kritik

• Nichtssagende, allgemein konsensfähige ethische Grundoption

• Kein Unterscheidungskriterium innerhalb dieser Grundoption für die Feststellung von Menschlichkeit

• Gleichheit im Rechtsanspruch erforderlich • Neben Religionen auch andere humane, z.B. philosoph.

Weltanschauungen als Grundlage von Moral möglich • Postulat der Vernünftigkeit/Rationalität + Hypothese der

interreligiösen Überschneidung Sinnvolles Projekt: Suche nach einem gemeinsamen

ethischen Grundkonsens durch das Aufdecken der Konvergenz aller großen Weltreligionen

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1.2 Das Weltethos

f) Alternativen zum Weltethos von Küng • Findung der Normen im gleichrangigen Diskurs mit dem

Ziel des Konsenses nicht über das gute Leben möglich • Konsens über das Gerechte sinnvoller als über ein

geteiltes materiales Ethos • Rechtsethik wichtige Ergänzung zu Weltethos, denn der

rechtsethische Status der Person ist zentral, der das garantiert, was Menschen aufgrund ihrer Würde zukommt

• Auch nicht-religiöse humanitäre Weltanschauungen tragen zu einem Weltethos bei („reasonable comprehensive doctrines“ Rawls und Habermas)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.1.2 Das Weltethos – Alternativvorschläge

Gleichrangiger Dialog mit der gemeinsamen Zielsetzung gerechter Humanitätsstandards vor religiösem oder anderem humanitärem Hintergrund

2 Wege: a. Höherrangige Unparteilichkeit (Thomas Nagel,

Equality and Partiality 1991); (Kirchliches Bsp. Einheit) b. Übergreifendender Konsens („Overlapping

Consensus“, John Rawls, Political Liberalism 1993): Menschen mit unterschiedlichen metaphysischen und

religiösen Überzeugungen können grundsätzliche Gerechtigkeitsprinzipien im Rahmen eines `vernünftigen Pluralismus´ akzeptieren;

Mediatoren: vernünftige weltanschaulich Institutionen

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut 1.2.1 Der Fähigkeitenansatz von Martha Nussbaum The Quality of Life (mit A. Sen) 1993 Women and Human Development. The Capability Approach 2000 Frontiers of Justice 2006 Grenzen der Gerechtigkeit 2010

Der Ansatz der Grundfähigkeiten: a) Erweiterung des liberalen

Gesellschaftsvertrags b) Aristotelikerin und Naturrecht:

Eine Theorie des guten Lebens und der Lebensqualität

c) Grundfähigkeiten statt Grundgüter

Martha Nussbaum, *1947, New York, USA

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut

1.2.1 Martha Nussbaum Der Ansatz der Grundfähigkeiten: a) Erweiterung des liberalen Gesellschaftsvertrags (27) • „Politische Prinzipien als Ergebnis eines Gesell-

schaftsvertrags“ ist wichtigster Beitrag der liberalen politischen Philosophie

• Gleichrangige Verzicht aller auf Macht führt zu einer rechtmäßigen Autorität, die im Interesse der betrof-fenen Menschen steht (Legitimität im Sinne aller)

• Wenn faire Ausgangssituation gerechte Prinzipien • Wesentliche vorpolitische Annahmen: gleicher Wert

der Person + Idee der Reziprozität = Speziesnorm (391)

• Recht als positive Aufgabe (393)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut 1.2.1 Martha Nussbaum b) Aristotelikerin und moderne Naturrechtlerin: Unterscheidung: vorpolitische Menschenwürde + natürliche Ansprüche – dann gesellschaftliche Festlegung von Prinzipien und Pflichten (376-399 • Grund für Vertrag: Unsicherheit und Verletzbarkeit der

Menschen hinsichtlich ihrer lebensnotwenigen Ansprüche (65, 2010)

• Gerechtigkeit dann, wenn Menschen Grundfähigkeiten durch den Vertrag garantiert bekommen und in der Folge ein gutes Leben führen können

• Ergebnisgerechtigkeit, keine formale Gerechtigkeit (126)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut 1.2.1 Martha Nussbaum Der Ansatz der Grundfähigkeiten: zu c) Grundfähigkeiten statt Grundgüter • Ziel: globale Schwellenwerte festlegen, unter denen

kein menschenwürdiges Leben möglich ist (105) • Rein ökonomische Aggregierung (BIP), Durchschnitts-

nutzenmessung und Ressourcenansatz überwinden • „Substantielle Konzeption wesentlicher Fähigkeiten“

garantieren, „Entscheiden und Tätigsein“ messen (109) • 10 Fähigkeiten: Leben, Gesundheit, Integrität, Sinne,

Gefühle, Vernunft, Zugehörigkeit, andere Spezies, Spiel, Kontrolle über Umwelt (Teil Theorie sozialer Gerecht.)

• Nicht nur Grundgüter - Neuverteilung Grundausstattung

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut 1.2.2 Amartya Sen: Ökonomie für den Mensch, 2000, Rationality and Freedom, 2002, The Idea of Justice, 2009, Die Idee der Gerechtigkeit, 2010

„Die Zwecke, nicht die Mittel sind entscheidend“ (263, 2010) für die Entwicklung:

a) Freiheit als Voraussetzung für Entwicklung

b) Freiheit in ihren Dimensionen c) Abwesenheit von Armut d) Grundfähigkeiten e) Kritik und Zusammenfassung

Amartya Sen, *1933, Indien

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut a) Freiheit als zentrale Voraussetzung für Entwicklung

• Entwicklung in der Weltgesellschaft heißt: „Ein Prozess der Erweiterung realer Freiheiten“

(negative und positive Freiheiten)

• Entwicklung nicht nur im ökonomischen Sinn: Nicht nur Wachstum des Bruttosozialproduktes oder

Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens, fortschreitende Industrialisierung, technischer Fortschritt oder moderne Technologie

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut a) Freiheit als zentraler Wert

• Entwicklung nur dann, wenn Freiheiten der Menschen zugenommen haben

• Entwicklung hängt primär von der Handlungsfreiheit der Menschen ab, wobei unter Freiheit die personale Möglichkeit und Fähigkeit der Nutzung von Grundgütern und Ausübung Grundrechten begriffen wird

Hintergrund: „Capabilities and functionings“ als wesentliche Elemente von Freiheit; Fähigkeitenansatz (Nussbaum + Sen)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut b) Freiheit in verschiedenen Dimensionen

(1) Ökonomische Freiheit: die Chance der Individuen, sich ökonomische

Ressourcen zum Zweck des Konsums, der Produktion oder des Tausches zu bedienen

(2) Politische Freiheit: die Möglichkeit mit zu entscheiden, wer und nach

welchen Prinzipien ein Staat regiert wird (allgemeines aktives und passives Wahlrecht)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut b) Freiheit in verschiedenen Dimensionen

(3) Freiheit sozialer Chancen: Einrichtungen, die eine Gesellschaft für die Bildung,

das Gesundheitswesen und andere soziale Einrichtungen bereitstellt (garantieren Freiheit von Analphabetismus und vermeidbaren Krankheiten)

(4) Transparenzgarantien durch rechtliche Freiheit: Gewähr von Offenheit, Durchsichtigkeit und

Vertrauenswürdigkeit bei politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interaktionen

(5) Soziale Sicherheit/soziale Freiheit: Sozialtransfers, Soziale Grundsicherung

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut

Unterschiede in der Lebens-erwartung von Männern nach Ländern (Sen, Ökon. für den M.)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut

Unterschiede in der Lebenserwartung von Frauen nach Ländern

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut 1.2.2 c) Abwesenheit von Armut

Arbeitsdefinition:

Mangel an individuellen Verwirklichungschancen, gekennzeichnet durch einen Zustand der

Entbehrung von Grundgütern, Grundfähigkeiten und durch Zwangscharakter

Beachte: 70 Prozent aller Armen sind Mädchen und

Frauen weltweit, d.h. Armut ist weiblich

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut c) Abwesenheit von Armut (1) Ökonomischer Armutsbegriff: arm ist man, wenn die

verfügbaren Ressourcen nicht zur Deckung menschlicher Grundbedürfnisse ausreichen

Absolute Armut = Einkommensarmut unter 1,25 $ pro Kopf in Kaufkraftparitäten (das ist etwa so, als ob wir 1€ bei uns pro Tag zur Verfügung hätten)

Relative Armut = Einkommensarmut in Industrie-staaten, die monatlich unter 50 % des Durchschnittseinkommens liegt (WHO)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut c) Abwesenheit von Armut (2) Armutsbegriff in der Katholischen Soziallehre: Freiheit von Armut geschieht nicht nur durch

Verbesserung der Lebensverhältnisse, sondern durch geistigen und sittlichen Fortschritt.

Ganzheitliche Entwicklung muss das Ziel sein: materielle u. geistige Güter hierzu erforderlich (SRS)

Befreiung von Armut notwendig (Joh.Paul II) (3) Qualitativer Armutsbegriff bei Sen: „Armut als Mangel an Verwirklichungschancen“

Grundfreiheiten in Verbindung mit realen Entwicklungs-möglichkeiten (Wirkmächtigkeiten und Fähigkeiten) von Personen

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut Kritik an den genannten Armutsbegriffen: Ökonomischer Armutsbegriff begrenzt sinnvoll, allerdings mathematische Erfassbarkeit für internationale Vergleich-barkeit notwendig Konzept minimaler Überlebens-Grundbedürfnisse (= Poverty Datum Line) als staatliche Aufgabe und subsidiär als globale Verantwortung zu entwickeln Mehrdimensionales qualitatives Konzept erforderlich, das neben empirischen Faktoren die geistige, sittliche und kulturelle Entwicklung von Menschen mit in den Blick nimmt.

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.2 Entwicklung, Freiheit und Beseitigung von Armut d) Evaluation des Ansatzes von Nussbaum und Sen für

eine Ethik globale Ethik

Defizite und Stärken • mehr als enges ökonomisches Nutzenkalkül • anschlussfähig an modernes Naturrecht, christliche

Anthropologie und Menschenrechtsethik • anschlussfähig an christliche Sozialethik • unklar wie Differenzierung von Theorie des guten Lebens

und universalisierbarer, pluralismusfähiger Sozialethik • kaum institutionelle und strukturelle Lösungsansätze,

mehr Individual- als Sozialstrukturenethik

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.3 Universale Menschenrechtsethik Vorbemerkung: Gleichheit als intrinsischer Wert Gleichheit als Ausdruck gleicher Würdeansprüche Gleichheit bedeutet gleichwertig und ist nicht gegensätzlich zum Wert der Freiheit Intrinsischer Wert für das Verhältnis zwischen Menschen Wichtiger ökon. Faktor für Entwicklungsprozesse innerhalb von Gesellschaften und zwischen Ländern weltweit Ungleichheiten sind rechtfertigungsbedürftig Phil. Debatte: Egalitarismus versus Non-egalitarismus Christliche Sozialethik betont Unverzichtbarkeit der Gleichheit und Gleichbehandlung - keine Gleichverteilung Christliche Zwischenposition: Gemäßigter und subsidiärer Egalitarismus, der menschliche Leistung berücksichtigt

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.3 Universale Menschenrechtsethik Beispiel: Geschlechterungleichheit

Verhältnis von Frauen zu Männern in der Gesamtbevölkerung in ausgewählten Ländern

Berechnung anhand von UN-Bevölkerungsstatistiken (Sen)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft 1.3 Universale Menschenrechtsethik Beispiele für Ungleichheit und Rechtsverletzungen: a. Mangelerscheinungen und deren Folgen

ovorzeitiger Tod (mangel. Lebenszeit) oUnterernährung und Hunger (mangel. Gesundheit) oAnalphabetismus (mangel. Elementarbildung)

b. Frauendiskriminierung als Menschenrechtsverletzung Schätzgröße: 100 Millionen fehlende Frauen Gründe: geschlechtsspezifische Abtreibung und grobe Vernachlässigung von Mädchen c. Moderne Sklaverei: Menschenhandel, Zwangsprosti-

tution

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

Menschenrechtsverletzungen heute: • Moderner Sklaverei: Zwangsprostitution, Menschenhandel (Human Trafficking) • Tötung von weibl. Babys, geschlechtsspez. Abtreibung, Vernachlässigung von Mädchen (Jungs) mit Todesfolge • Ehrenmorde • Kinderarbeit • Ethnozid • Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation) • Vergewaltigungen als Mittel der Unterdrückung • Kinderehen, Zwangsheiraten von Minderjährigen • Müttersterblichkeit als Folge mangelnder Gesundheitsversorgung

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a) Philosophische Einordnung b) Definition der Menschenrechte c) Systematik der Menschenrechte d) Geschichte der Menschenrechte e) Die Kirche und die Menschenrechte 1948

Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen

New York

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

a) Philosophische Einordnung Menschen werden aufgrund ihrer natürlichen Ansprüche

Rechte zugeschrieben Voraussetzung: Wende zum Subjekt, Personale Ethik

Locke: Natürliche Rechte der „Freiheit und Gleichheit“ Kant: Selbstzwecklichkeit, Instrumentalisierungsverbot

Die Würde des Menschen und der hieraus entstehende unbedingte Rechtsanspruch wird durch MR eingeholt

„Recht auf Rechtfertigung“ (Forst): autonomer Agent, freie und gleiche Mitwirkung an der Begründung von MR

MR sind unteilbar und universal, jedoch in der Praxis schwierig, auf globaler Ebene zu kodifizieren

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

b) Definition der Menschenrechte Menschenrechte • sind unbedingte und unveräußerliche ethische

Rechtsansprüche von Person gegenüber anderen Menschen sowie gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen

• sie sichern den Status eines Menschen als Person • sie können mit reziproken und verallgemeinerbaren

Gründen nicht zurückgewiesen werden (Forst, Scandlon) Dreifaches Verständnis von Menschenrechten: individuell, institutionell, moralisch

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

c) Systematik der Menschenrechte

Inbegriff der Freiheitsansprüche, die einzelne allein aufgrund ihres Menschseins erheben können und die von jeder Gesellschaft rechtlich gesichert werden müssen. Deshalb handelt es sich um natürliche und unveräußerliche Rechte (Unterscheide: Grund-, Bürgerrechte)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3. Universale Menschenrechtsethik 3 Gruppen von Menschenrechten: 1.Individuelle Freiheitsrechte: Abwehrrechte (neg. Pflichten) Recht auf Leib u. Leben, Religions- u. Glaubensfreiheit, Meinungs- u. Bewegungsfreiheit, Recht auf Eigentum, Recht auf Gerichtsverfahren, Nicht-Diskriminierung (Gleichheit)

2. Politische Mitwirkungsrechte Mitwirkungs- u. Partizipationsrechte Gleiches Wahlrecht, Gleichheit vor dem Gesetz, Vereinigungsfreiheit, Pressefreiheit, Recht auf Zugang zu politischen Ämtern

3. Soziale Anspruchsrechte Leistungsansprüche an Staat und Weltgesellschaft Recht auf Arbeit, Bildung, soziale Sicherheit, Gesundheit, Entwicklung, Frieden, neu: Recht auf Nahrung….

Zusätzlich Debatte über kollektive Menschenrechte

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

d) Geschichte der Menschenrechte

Geschichtliche Vorläufer im Standesrecht • Magna Charta Libertatum (England 1215)

• Erstmals aristokratische Rechte dem König gegenüber

• Habeas Corpus Akte (England 1679)

• "kein freier Mann soll verhaftet, gefangen gehalten, enteignet, geächtet oder verbannt werden...„

(Vorform der MR, noch Standesrecht)

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

d) Geschichte der Menschenrechte

• Virginia Bill of Rights (USA 1776) • Grundgesetz des Bundesstaates Virginia, christlich

motiviert, Jefferson und Mason: Christliche Wahrheit, dass alle Menschen gleich geschaffen und vom Schöpfer mit

unveräußerlichen Rechten ausgestattet: Recht auf Leben, Freiheit, Streben nach Glück...

• Menschenrechtserklärung der französischen Revolution (Frankreich 1789) • Die Menschen werden frei und gleich an Rechten

geboren (Art. 1)...

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

d) Geschichte der Menschenrechte

• Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen (New York 1948)

• Verabschiedung ohne Gegenstimme unter Enthaltung der sozialistischen und einiger arabischer Staaten sowie Südafrika.

• Auch wenn sie nur Status einer Absichtserklärung hat und noch kein völkerrechtlich verbindliches Dekret ist, wird damit die Menschenrechtsethik als Grundlage für eine globale Ethik international anerkannt.

• Seit 1948 über 60 Konventionen des Menschenrechtsschutzes durch die UNO

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

e) Die Kirche und die Menschenrechte

Heute: Menschenrechte ein Teil der Sendung der Kirche: Horizontverschmelzung von christlicher Ethik und Menschenrechtsethik (Joh. Paul II. Redemptor hominis 1979; Durchbruch: Joh. XXIII. pacem in terris 1963) Früher: peinliche Geschichte der Ablehnung und der langsamen Annäherung über 150 Jahre

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

e) Die Kirche und die Menschenrechte Gründe: • Entwicklung durch nichtkatholische Aufklärer • Kirche als alleinige Hüterin der Wahrheit • Freiheitsrechte und politische Rechte zu weitgehend

(Gedanken- Rede-, Lehr-, Religions-, Pressefreiheit) • soziale Rechte eher akzeptabel für kirchliches Denken Theologie seit Vat. II: • Die Wahrheit wird durch das Volk Gottes im Dialog mit

anderen erkannt • Menschenrechte werden zu einer christlichen Botschaft • Desiderat: innerkirchliche Anwendung

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.3 Universale Menschenrechtsethik

Menschenrechtsethik heute:

• keine Errungenschaft des Christentums, sondern Ergebnis der Freiheits-, Liberalisierungs- und Demokratisierungsbewegung der Aufklärung

• heute MR Basis einer universalen und globalen Ethik • MR nur Basis, keine operative Theorie, weil viele

individuellen Rechtsansprüche erst durch übergreifende Zusammenarbeit und Solidarität erfüllt werden.

• Forschungsdesiderate: westliche Entstehung, keine logische Eindeutigkeit, oft Konkurrenz, es fehlt pluralismusfähige und operative globale Ethiktheorie

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.4. Globale Wirtschaftsethik – Karl Homann

Normative Verhältnisbestimmung zu moderner Wirtschaft und dem Markt als Organisationsprinzip

a) Beispiel: Fixe Preise, kontraproduktive

Folgen für die Betroffenen b) Grundkonzeption c) Theoretischer Hintergrund d) Kritik

Karl Homann, *1943

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.4 Globale Wirtschaftsethik

a) Beispiel: Höchstpreisfestsetzung für Grundnahrungsmitteln in Entwicklungsländern: • führen zu Rationierungszwang, weil Angebot<Nachfrage • Verzerren Markt, Marktungleichgewicht, kontraproduktiv • Bei Subventionierung Angebot>Nachfrage, führt zu

Verschwendung oder Schädigung anderer Anbieter, die zu realen Preisen produzieren müssen (EU – EL)

Besser: • Sozialpolitische Mindestsicherung, Grundsicherung,

Sozialhilfe sind marktkompatibel und wirkungsvoll • Nur soziale Korrekturen, die nicht in den Marktmecha-

nismus eingreifen • Direkte Hilfe für Arme oder/und Beteiligung+Inklusion

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b) Grundkonzeption Homann Solidarität nie direkt eins zu eins wirksam Sie ist oft erst ein Resultat nicht-intendierter Folgen

intentionaler Handlungen im Wettbewerb (Bsp. Bäcker bäckt Brötchen nicht aus Altruismus)

Deshalb ist „Wettbewerb solidarischer als Teilen“ (Homann) • weil Miteinander von Kooperation und Konkurrenz nötig

ist (konkurrenzgesteuere Kooperation) • weil Resultate des Wettbewerbs oft humaner sind als gut

gemeinte Hilfe oder Teilen

Zusammenhänge des Gesamtsystems Wirtschaft sind dringend auch in der Ethik zu beachten!

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.4 Globale Wirtschaftsethik

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c) Theoretischer Hintergrund Solidarität als gut gemeinter Willensakt wie z.B. Hilfe und Teilen, sind oft kontraproduktiv und weniger wirksam als der Markt mit enormen Investitionen Also: Wirtschaftsethik nicht gegen den Markt, sondern mit ihm, d.h. ökonomiekompatible Bedingungs- und nicht Gesinnungsethik Aber: Institutionen notwendig, die (a) Handeln einzelner im Sinne der Systemlogik der Wirtschaft anreizen (z.B. mehr Getreide anbauen), (b) sozial begrenzen (keine Aus-beutung) und (c) für diejenigen Ausfallbürgschaft leisten, die im Wettbewerb nicht mithalten können (Arme ohne Kaufkraft mit Grundsicherung ausstatten).

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.4 Globale Wirtschaftsethik

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c) Theoretischer Hintergrund • Globale Gesellschaftstheorie im Sinne eines kosmo-

politischen Liberalismus (Individualismus primär, nicht Gemeinschaftsideal)

• Grundlegende Idee: Gesellschaft als ein Unternehmen zum gegenseitigen Vorteil gestaltbar

• Marktwirtschaftliche Ökonomie kann als Mittel zur Humanisierung von Gesellschaften angesehen werden, wenn entsprechende Rahmenbedingungen gegeben sind (Rechtsstaat, Demokratie, Solidarität (Steuer), Bildung, Vertragsfreiheit, sozialpolitische Absicherung).

• Beispiel: Schuldenkrise

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.4. Globale Wirtschaftsethik

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d) Kritik: Entscheidende Mängel der ökonomischen Ethik

• Marktwirtschaft notwendig, aber nicht hinreichend • Keine inhärenten Gerechtigkeitskriterien; nicht nur

effiziente Allokation, sondern auch Verteilung wichtig • Marktversagen bezüglich einer Grundausstattung mit

Grundgütern möglich und mit rein ökonomischen Methoden nicht vermeidbar

• Hauptproblem: Institutionendefizite auf globaler Ebene • Einklagbare Rechtsansprüche von Individuen in der

Weltgesellschaft fehlen, genauso wie globale Solidaritätspflichten

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.4. Globale Wirtschaftsethik

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Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

Gliederung: a) Gerechtigkeit in der antiken Tradition b) Institutionelle, formale und interaktive Wende

moderner Gerechtigkeitstheorien c) Globale Gerechtigkeitskriterien d) Position der Christlichen Sozialethtik

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a) Gerechtigkeit in der antiken Tradition

Gerechtigkeitsprinzip: suum cuique Gerechtigkeitsarten: • justitia comutativa (Ausgleichende Gerecht.:

Tausch, Leistung, Wiedergutmachung; d.h. die proportionale Gleichheit, die Mitte)

• justitia distributiva (Verteilungsgerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit)

• justitia legalis (Legalgerechtigkeit, Rechtmäßigkeit) Gerechtigkeit als Tugend (individualethische Seite) und als Kriterium für gesellschaftliche Bedingungen (institutionelle Seite)

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

Platon, *428/27 v. Chr.

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b) Institutionelle, formale und interaktive moderner Gerechtigkeitstheorien

Gerechtigkeit durch interpersonelle Abstimmung: Gerecht ist die Norm, der hypothetisch alle potentiell betroffenen Personen in einer gleichrangigen Übereinkunft zustimmen könnten. (Konsensprinzip der modernen Gerechtigkeitstheorie) Übereinkunft in Gesellschaftsverträgen und grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien Methoden: Diskurs- und Konsensfindung in Verträgen (Jürgen Habermas u. John Rawls, Diskursethik u. politischer Liberalismus)

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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c) Globale Gerechtigkeitskriterien

Ein formales Prozedere, das alle Betroffenen in die Abstimmung über globale Normen und Institutionen einbezieht, ist gerecht, garantiert aber auf Dauer noch nicht wirkliche materiale Ergebnisgerechtigkeit.

Deshalb brauchen wir für einen globalen Gerechtigkeits-begriff zusätzliche Gerechtigkeitskriterien:

• Gerechtigkeitstests bei Thomas Pogge • Gerechtigkeitsprinzipien von John Rawls • Die Position der Christlichen Sozialethik

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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Gerechtigkeitstests bei Thomas Pogge • Minimalkriterium, das verlangt, dass soziale

Institutionen die von ihnen betroffenen Personen minimal adäquat behandeln - schwach -

• Genereller Maßstab des guten Lebens, der interpersonelle Vergleiche von Lebens-situationen und Ordnungen erlaubt - universal -

• Respekt vor Autonomie der Kulturen und verschiedenen Nationen (Variabilitäten, aber auch objektive Standards - liberal -

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

Thomas Pogge, *1953 Philosophy Dept., Yale University

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Gerechtigkeitstest mit Grundfrage: Inwiefern gewährleisten soziale Institutionen für die Betroffenen?

Universalgüterverfügbarkeit (Pogge ,Dworkin, Scandlon)

Zugang zu Grundgütern (Rawls) Leben, Freiheit, Gleichheit Bewegungs- und Mei- nungsfreiheit, gleiche Chancen, Freiheit von Schmerzen, eine Basis für Selbstachtung Grundlegende Befähigungen (Nussbaum, Sen)

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

Alle entsprechen einer Suche nach Schwellenwerten)

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Globale Gerechtigkeit soll nicht durch eine Angleichung von Lebensverhältnissen oder Umverteilung erreicht werden. Ethisch vorzugswürdig: •Gewährleistung von Grundfreiheiten (als Schwellenwert) •Proportionales Mitwirkungsrecht von Völkern bei internat. Abstimmung •Kooperative Organisationen legen Standards der Fairness für Austausch: Ziel Basisstruktur der Weltges. •Kosmopolitische Pflicht zur institutionellen Hilfeleistung

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

John Rawls, *1921 †2002, Harvard University

Globale Gerechtigkeitstheorie von John Rawls „Das Recht der Völker“ 2002 (Original: The Law of Peoples, 1999)

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Gewährleistung von Grundfreiheiten: Am meisten Benachteiligte müssen ausreichende Mittel haben, um intelligenten und effektiven Gebrauch ihrer Frei-heiten zu machen und ein vernünftiges Leben zu führen. Proportionales Mitwirkungsrecht Bei internationaler Abstimmung über globale Normen ist es erforderlich, dass alle Menschen gleichrangig repräsentiert und Völker proportional berücksichtigt werden. Duty of Assistance Es existiert eine Pflicht der Hilfe zur Selbsthilfe unter Staaten der Weltgesellschaft, die sich auf die Schaffung von Institutionen bezieht, in dem Falle, dass Staaten dies nicht selbst leisten können.

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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Politischer Liberalismus von John Rawls

Das Differenzprinzip sei nicht übertragbar auf globale Ethik (d.h. Rechtfertigung von Ungleichheiten nur in nationalen Kontexten)

Aber bei ungerechten globalen Verteilungseffekten: → Reform der „Basic Structure of the Society of Peoples“

durch gerechte liberale Institutionen, so dass die Armen ihre Grundfreiheiten nutzen können (Target and Cut off Point)

Kritik von Cosmopolitans wie Thomas Pogge, Charles Beitz, Thomas Scandlon, Martha Nussbaum; Sozialethik

Sie fordern egalitären Ausgleich und grundsätzliche Reformen der Weltordnung

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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d) Die Position der christlichen Sozialethik (1)

• Christliche globale Gerechtigkeitstheorie macht Grundgüterversorgung und Gewährung von Grund-rechten zur ethischen Minimalbedingung

• Kein doppelter Standard zwischen nationaler Gerechtigkeit und globaler

• Staaten nicht mehr souveräne Letztgröße, sie müssen sich legitimieren als Garanten der Rechte von Menschen, die in ihnen leben (gegen alten „statism“)

• Nicht nur Subsistenz und Schwellenwerte, sondern die Beteiligung und Befähigung der am wenigsten Begün-stigten ist das primäre Ziel globaler Gerechtigkeit (Option für die Armen).

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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d) Die Position der christlichen Sozialethik (2) • Globale Gerechtigkeit nicht formal nur an gerechten Konsens-

findungsprozessen festzumachen, sondern material auch an den Folgen für alle Betroffenen (insbes. den Armen).

• Ungleiche Verteilung durch bessere Institutionen und Anreize korrigieren, erst in zweiter Linie durch Transfers

• Subsidiaritätsprinzip: Dort wo freie Investitionsbereitschaft ausreicht, Grundgüter zu gewährleisten, würde der egalitäre Anspruch zurücktreten zugunsten der Freiheit einzelner und der Selbstbestimmung von Gesellschaften.

• Recht und Märkte sind zwei Seiten einer Medaille, sie müssen wechselseitig aufeinander abgestimmt werden „Wirtschaftsgestaltung im Dienst des Menschen, im täglichen Brot für alle“ Paul VI. Populorum Progressio

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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d) Die Position der christlichen Sozialethik (3)

• Theologischer Hintergrund: Allumfassendheit christlicher Liebe (Benedikt XVI. Deus est Caritas, 2006, 25)

• Universale Wende mit Jesus Christus (Fremden- und

Fernstenliebe, Glaube nicht nur für Juden, sondern alle)

• Systematisch: Inkarnation radikalste Form der Bejahung aller Menschen

• Menschheit als Einheit vor einem Gott:

Menschheitsfamilie (alle für alle verantwortlich, J.P. II, Sol.rei Soc., 38)

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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d) Die Position der christlichen Sozialethik (4)

• Kommunikativer Universalismus • Egalitärer, aber subsidiärer und kultursensibler

Kosmopolitismus (Weltbürgertum) durch globale Freiheit und Solidarität

• Besondere Verantwortung für die Armen durch globale Gerechtigkeit (Option für die Armen)

• Wichtigste Mittel: Märkte, Hilfe, Recht, Institutionen und Organisationen

• Offenbarungstheologische Verankerung der anthropologischen Bestimmung des Menschen als Subjekt der Liebe ist das Proprium christlicher Ethik

Kap. 1: Normative Grundlagen einer Ethik der Weltgesellschaft

1.5 Theorien globaler Gerechtigkeit

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Kapitel 2

Globalisierung und Entwicklungsländer

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

Gliederung: a) Zunehmende Interdependenzen der Märkte (Güter,

Dienstleistungen, Produktionsfaktoren) b) Integration der Schwellen- bzw. Transformationsländer c) Ethische Bewertung der Globalisierung

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Definition: „Globalisierung“

Prozess grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Zusammenwachsens • Abbau von Marktsegmentierung (Kommunikations-, Transportkosten, Zölle, Einfuhrbeschränkungen)

• Zunehmende Interdependenz von Märkten und verstärkte Interdependenz der Produktion in verschiedenen Ländern

• Weltweite Allokation von Gütern, Dienstleistungen und Produktionsmittel (Arbeit, Boden, Kapital)

Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

a) Globalisierung der Märkte • Allokation von Produktionsmitteln dort, wo am

effizientesten einsetzbar • Fragmentierung der Produktion von Gütern (Forschung,

Teil-Produktionen, Endfertigung, Vertrieb regional/ national getrennt, aber z.B. ein globales Unternehmen)

• Übergang zur globalen Dienstleistungsgesellschaft (Werbung, Rechtsberatung, Wertpapierhandel, Versicherungen, Telekommunikation)

• Dezentralisierung von Entscheidungen, die unter globaler Rücksicht zu treffen sind.

• Verlust an nationaler politischer Steuerungsmöglichkeit

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Weltweiter Anstieg von Handel und Produktion (Vorjahresvergleich)

aus: http://www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2011_e/its11_charts_e.htm (2012).

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

Klassische Produktionsfaktoren global austauschbar: • Arbeit (neu, Arbeitsmärkte einbezogen) • Boden (immobil, aber Verlagerung von Produktion) • Kapital (am schnellsten global umschlagbar)

Direktinvestitionen Vorläufer für intensiveren Welthandel (Wachstum rund 6%/J seit 1946) und Weltproduktion (Wachstum um rund 3,5 %/J seit 1946)

Weltinlandsprodukt (GWP): rund 60 Billionen US $ (1 mit 12 Nullen) 2009 erster Rückschlag um minus 1% (Def.: Wert aller Waren, Güter, Dienstleistungen, die pro Jahr hergestellt oder umgeschlagen werden) Rangfolge der BIPs (GDPs): [EU] USA, J, C, D, F, GB, I

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

aus: http://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.CD (2012).

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Ranking der Inlandsprodukte in % vom Weltinlandsprodukt 2009

Quelle: Worldbank (10/2009), eigene Grafik (Internet: http://siteresources.worldbank.org/DATASTATISTICS/Resources/GDP.pdf)

Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

b) Integration der Schwellen- bzw. Transformations-länder

• seit 1970 stärkere Integration in die Weltwirtschaft • Kleine Tiger (Hongkong, Singapur, Südkorea, Taiwan) + China und Indien • Wirtschaftswissenschaftliches Kriterium: Komparative

Kostenvorteile beim Tausch haben Wachstum und Wohlstandsgewinne für alle Beteiligten zur Folge

• Anteil von 12 Prozent (1975) auf rund 25-30 Prozent gestiegen

Verlorener Kontinent Afrika? Mangelnde Integration in

Weltwirtschaft (nur rund 2% Anteil)

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1. Der Prozess der Globalisierung

c) Ethische Bewertung der Globalisierung

Ökonomische Hauptgründe für vorsichtig positive Beurteilung • Weltweite Arbeitsteilung mit komparativen

Kostenvorteilen steigert die Wohlfahrt bei allen, die sich beteiligen.

• Zunehmender Freihandel bewirkt Ausweitung der Absatzmärkte und Erhöhung des Wettbewerbsdrucks:

dadurch Preissenkungen für Verbraucher/Kunden und Innovationsdruck für die Unternehmen

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

c) Ethische Bewertung der Globalisierung Folge: • weltweit effiziente Allokation von Ressourcen und

Faktoren • Reduktion der Behinderung durch staatliche Lenkung,

aber Vakuum globaler Steuerung • bei Freihandelsgleichgewicht ökonomisches

Wohlergehen höher als in einer Autarkie • keine klassisch abgegrenzten Volkswirtschaften mehr

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1 Der Prozess der Globalisierung

c) Ethische Bewertung der Globalisierung

Ethische Gründe für vorsichtig positive Beurteilung • Direktinvestitionen und internationale Arbeitsteilung

wirken entwicklungsfördernd für die Entwicklungs-länder, die an ihr partizipieren! Sie verschaffen den Ländern in großen Teilen Vorteile durch Wachstumssteigerung und Wohlfahrtseffekte

• Durch Globalisierung Know-How-Transfer und Wanderung von Humankapital, aber auch individuelle Härten (z.B. Mobilitätsdruck, frühkapitalistische Arbeitsbedingungen)

• Langsame Abnahme absoluter Armut nachweisbar!!!

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1. Der Prozess der Globalisierung

Ethische Gründe für vorsichtig positive Beurteilung

• Globalisierung der Kapitalmärkte schafft Liquidität für Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen

• Märkte sind jedoch starker Volatilität ausgesetzt und können wirtschaftl. Krisen bewirken, die keine realwirt-schaftlichen Hintergründe besitzen (vgl. 2008, 2011/12).

• Mangel: Keine globale Regulierung der Kapitalmärkte und keine globale politische Steuerung bislang möglich (von Adam Smith schon Ende des 18.Jhd. gefordert).

• Partielle Exklusion oder Nichtinklusion von für den Markt unattraktiven Entwicklungsländern, insbesondere Afrikas südlich der Sahara

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1. Der Prozess der Globalisierung

Ethische Gründe für vorsichtig positive Beurteilung

• Trotz Partizipation von Entwicklungsländern Auseinanderdriften von Globalisierungsgewinnern und -verlierern, also denen die nicht partizipieren.

(Afrika südlich Sahara und Teile Südostasiens eklatant!)

• Fragmentierung der Produktion trägt nicht nur zur Arbeitsteilung, sondern auch zur Vernetzung von Kulturen, Ethnien, Religionen und Völkern bei.

• Globaler Politikbedarf nicht erfüllt: Forderung nach global governance, Weltpolitik, die

regionale und sektorale Härten sozial abfedert. (Ansätze in IWF und Weltbank)

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1. Der Prozess der Globalisierung

Ethische Gründe für vorsichtig positive Beurteilung

• Regionale Härten in Industrieländern (Arbeitslosigkeit, Druck auf Sozialsysteme und Produktivität der

Arbeitenden enorm)

• Regionale Härten in Entwicklungsländern mit Sozialdumping

(Kinderarbeit, wenig Arbeitsschutz und Mitbestimmung, teilweise frühkapitalistische Zustände)

• Positiver Trade off von Härten bei uns und Entwicklungspotentialen in anderen Ländern

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107 Quelle: FAO – Food and Agriculture Organization of the United Nations

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.1. Der Prozess der Globalisierung

Ethische Gründe für vorsichtig positive Beurteilung

Hauptprobleme: • Entwicklung weltweit nicht einheitlich • Beziehung zwischen Mensch und Markt innerhalb von

Nationen und zwischen Nationen entscheidend, nicht die makroökonomische Marktentwicklung allein

• Soziale und politische Steuerung der Globalisierung auf globaler Ebene bislang nur in Ansätzen

• Ungeklärte Schwierigkeit bei der Integration der ärmsten Entwicklungsländer in den Prozess der Globalisierung, weil zu geringer Kapitalstock (auch bei Humankapital)

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft

Gliederung: a) Leitlinien der kirchlichen Sozialverkündigung zur

Entwicklungspolitik b) Ökonomische Merkmale von Entwicklungsländern c) Ursachen der Unterentwicklung d) Lösung durch Marktintervention/Marktabschottung

oder Marktbefürwortung? e) Sinnvolle Entwicklungsstrategien

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2. Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft a) Leitlinien der kirchlichen Sozialverkündigung zur

Entwicklungspolitik

Populorum Progressio (1967) Sollicitudo rei socialis (1987) Centesimus Annus (1991): Hauptproblem gerechter Zugang der EL zu internationalem Markt, Protektionismus Caritas in Veritate (2009): Eigentliche Ressource Reichtum an Menschen, Haupthilfe: Eingliederung in Weltmärkte (Nr. 54)

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2. Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft a) Leitlinien der kirchlichen Sozialverkündigung zur

Entwicklungspolitik

• Kritik an Ungleichheit von ärmsten EL und reichen Industrieländern (SRS 14)

• Notwendige Integration der EL in Weltmarkt (CiV 54, CA 33-35)

• Hilfe gegen Unterfinanzierung (Schulden, HH-Defizite) • Berücksichtigung der globalen ökologischen Probleme:

„glaubwürdige Humanökologie“ (CA 37) • Neues Prinzip: Nachhaltigkeit (Orientierung an der

Tragekapazität ökologischer Probleme)

= Ethische Perspektive, wenig konkrete Vorschläge

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft b) Merkmale der Entwicklungsländer (less+least DC)

• Armutslücke (Betrag, um Armut zu beseitigen, BIP) • Landwirtschaft starker Anteil (Subsistenzwirtschaft) • Industriell schwach, geringe Produktivität, oft

Monokulturen, Exportenklaven bei Rohstoffen • Einkommensverteilung sehr unterschiedlich (30-50 %

sehr arm, kaum Mittelstand), hoher Ginikoeffizient, d.h. Kluft zwischen arm und reich wirkt wohlstandshemmend

• versteckte Arbeitslosigkeit (arbeiten ohne Produktivität) • geringe Ersparnisse (Konsum-, nicht Investitionsgüter) • unterdurchschnittlicher Human-Development-Index

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft

Human Development Index HDI (UNDP 2011): a) Lebenserwartung, b) Bildung, c) Pro-Kopf-Einkommen

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2. Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft Unterscheide: a) Industrieländer b) Schwellenländer,

c) Entwicklungsländer, hier wenig und am wenigsten entwickelte EL oder DC

c) Ursachen der Unterentwicklung • Elend durch Kolonialismus? (nur bedingt) • Ökonomische und politische Ursachen

• Bevölkerungswachstum (Armutsfalle, Zus. B und Y) • Fehlende politische Institutionen • Mangelnde Kapitalbildung • Keine Unternehmer • Verschuldung • Teufelskreise

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft Gleichgewichts- Zustände auf niedrigem Niveau + Pfadabhängigkeit der Entwicklung

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft e) Sinnvolle Entwicklung: „Mehr gestalteter Markt“ • Positivsummenspiel der Weltwirtschaft im Freihandel

(Kooperationserträge, komparative Kostenvorteile) • Globale Interdependenz für LDC sinnvoll (neue internationale

Arbeitsteilung) – keine Dependenztheorie • Aber keine bloße Deregulierung (Washington Konsensus

zielte nur auf Wachstum), sondern soziale Gestaltung, faire Ordnung, qualitative Wachstum

Verantwortung EL: Exportdiversifikation, verlässige Rechtsordnung für Investitionen, Geldwertstabilität, neuer Kapitalstock, Invest. in öffentliche Güter (Bildung, Gesundheit, Infrastruktur) Verteilungsgerecht.(Boden), Optimierung der Landwirtschaft, Demokratisierung ohne Korruption und Beteiligung bzw. Befähigung der ganzen Bevölkerung

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer 2.2 Entwicklungsländer und ihre Integration in die Weltwirtschaft e) Sinnvolle Entwicklungstheorien Ethische Handlungsoptionen der Industriestaaten: Fair ‘geordneter’ und offener Marktwettbewerb (Entmachtung) kein Protektionismus, kein strategisches Handeln von Staaten Abbau von Zöllen+Einfuhrbeschränkungen, Abbau von Subventionen, Begünstigung von Importen aus Entwicklungsländern (Präferenzzölle) Direktinvestitionen in Entwicklungsländer und ergänzende Entwicklungshilfe (kein konterkarrieren Sub.+ E.hilfe) Sustainable development, globale Umweltpolitik Fernziel: Einführung einer weltweiten Sozialen Marktwirt-schaft durch Weltstruktur- und Ordnungspolitik, verankert in globaler Rechtsordnung (Global Governance)

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.3 Eine Reform der Weltwirtschaftsordnung

a) Die Notwendigkeit einer globalen Strukturpolitik → nicht Umverteilungspolitik, sondern globale

Rahmenordnung, die fairen wirtschaftlichen Wettbewerb ermöglicht/anreizt und soziale Härten verhindert im Sinne einer Inklusion aller Menschen und Völker

Aktuelle Debatte: Sinn der herkömmlichen, staatlichen Entwicklungshilfe umstritten (monetäre Transfers ohne Rückzahlung, auch Kredite unter wirtschaftspolitischen Auflagen nicht nur gut, Prinzip: Hilfe zur Selbsthilfe)

Alternative private Methoden wirtschaftlicher Interaktion (Direktinv., private Invest. durch NGO´s vor Ort, Mikro-kredite, Eindämmung von Spekulationen, Investitionen an der Basis der Pyramide)

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.3 Eine Reform der Weltwirtschaftsordnung 4 Handlungsfelder globaler „Strukturpolitik“ (Müller, Pogge) 1. Hauptverantwortung bei EL selbst: Politik unter Einbe-

ziehung der ganzen Bevölkerung, Armutsbeseitigung 2. Verantwortung reicher Industrieländer (eigene Märkte

öffnen und kein Handel mit korrupten Machthabern, globale Ressourcendividende, health impact fund)

3. Globale Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe: Liberalisierung, Nicht-Diskriminierung Reziprozität (gegenseitige Konzessionen)

4. Globale Umweltpolitik mit Ziel des Sustainable Development durch universalisierbare Lebensweise

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.3. Eine Reform der Weltwirtschaftsordnung

b) Internationale Organisationen und Global Governance • Int. Wettbewerbsordnung (WTO als int. Kartellbehörde,

globales Wirtschaftsrecht, freier+fairer Wettbewerb) • Int. Sozialinstitution neu zu schaffen (WSO aus Welt-Bank):

Schwellenwerte für alle Armen auf subsidiärer Basis, Aufbau einer Kapitalstocks für EL, soz. Mindeststandards: Verbot von Sozialdumping, Kinderarbeit (z.B. ILO), Stabilisierung der Nahrungs- und Rohstoffmärkte (Globale Reserven), akute Not- und Katastrophenhilfe und langfristige, international abgestimmte, sinnvolle Hilfe für die Ärmsten

• Globale und konzertierte Ökologiepolitik (GlobZertifikate) • Reform des Weltwirtschafts- und Finanzsystems, z.B. „World

Financial Institution“ (WFI aus IWF) zur Vermeidung von Finanzkrisen, Reserve durch globale Transaktionssteuer

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Kap. 2: Globalisierung und Entwicklungsländer

2.3 Eine Reform der Weltwirtschaftsordnung

Zusammenfassung: Entwicklungspolitik als Weltordnungspolitik • Keine Lösung des Entwicklungsproblems auf national-

staatlicher Ebene möglich: kollektive Aufgabe der Völkergemeinschaft mit Hilfe weltpolitischer Autorität (Päpstl. Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2011)

• Strukturelle und einklagbare Rahmenbedingungen im Sinne eines Rechtes auf Entwicklung

• Weltwirtschaftliche Ordnungspolitik: günstige Zugangs- und Marktchancen für EL (Wettbewerbspolitik) und sozialer Ausgleich im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe

• Weltwirtschafts- und Finanzordnung als universales Gemeingut (universal public good, Päpstl. Rat s.o.)

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Quintessenz einer globalen Ethik der Weltgesellschaft I

a. Nicht Weltethos, sondern Konsens in Fragen der fundamentalen globalen Gerechtigkeit b. Zuwachs an Freiheit in der Form von Grundfähigkeiten und Verwirklichungschancen für alle Individuen c. Option für die Armen durch ordnungspolitisch regulierte Weltwirtschaft mit Armutsbeseitigung als zentralem Ziel d. Menschenrechten als soziale Anspruchsrechte global verwirklichen (Recht auf Nahrung und Entwicklung) e. Gerechtigkeitskriterien, die Grundgüterversorgung und Inklusion sicherstellen und sowie international wirksames soziales Hilfeleistungsprinzip der Weltordnung begründen f. Solidarität, die durch gestaltete, freie Märkte und genug Erstausstattung in Weltwirtschaft implementiert wird

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Ziel jeglichen globalen Handelns in christlicher Verantwortung müssen

diejenigen Menschen sein, die am meisten benachteiligt sind:

die Armen

Globale Ethik sieht deshalb globale Wirtschaft und Politik als Mittel zur

Humanisierung einer globalen Weltgesellschaft und der einen

Menschenfamilie

Quintessenz einer globalen Ethik der Weltgesellschaft II