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Globale Ungleichheiten Globale Ungleichheiten Theoretische und methodologische Probleme Theoretische und methodologische Probleme eines jungen Forschungsfeldes eines jungen Forschungsfeldes Manuela Boatcă

Globale Ungleichheiten

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Page 1: Globale Ungleichheiten

Globale UngleichheitenGlobale UngleichheitenTheoretische und methodologische Probleme Theoretische und methodologische Probleme

eines jungen Forschungsfeldeseines jungen ForschungsfeldesManuela Boatcă

Page 2: Globale Ungleichheiten

Globale Ungleichheiten – ein junges Forschungsfeld?

„Neue Phänomene“:

• Polarisierung zwischen Arm und Reich im Weltmaßstab

• „Transnationalisierung“ sozialer Ungleichheit (Berger/Weiß)

• „Europäisierung“ sozialer Ungleichheit (Heidenreich)

=> neue soziologische Fragestellungen=> gehen mit neuen Konzepten einher

ABER: kein neuer Untersuchungsgegenstand!

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Globale Ungleichheiten

• heutige Ungleichheitsverhältnisse

=> „globale soziale Frage“ (R. Kreckel)

• Container-Modell – nationalstaatlich verfasste Gesellschaft

bedingt

• „Rezeptionssperre“ für weltgesellschaftliche Öffnung

Konsequenzen z.B.

=> Unterschiedliche Sichtbarkeit von ArbeiterInnen

=> Überproportionale Berücksichtigung von Lohnarbeit

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Freie vs. unfreie Arbeit

• Gegenüberstellung setzt voraus: unfrei = vorkapitalistisch ≈ nicht-westlich

• Verallgemeinerung westeuropäischer Erfahrung• lineare Konzeptualisierung von sozialem Wandel

Agrar- → Industrie- → Dienstleistungsgesellschaft

=> unterschiedliche Kategorien sozialer Ungleichheit=> Konsequenzen für Methode des Vergleichs

westliche vs. nicht-westliche Gesellschaften

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1. Methodologischer Nationalismus

• methodologischer Zugang: Ländervergleich=> internationaler Vergleich nationaler Ungleichheitstrukturen

• Forderung: Länder übergreifende Perspektive=> globale Soziologie sozialer Ungleichheit

• Lösung: Weltgesellschaft (R. Kreckel)

• Die zwei Ungleichheiten (global + national) parallel

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Agrar- vs. Industrie- vs. Dienstleistungsgesellschaft

• Wandel hat nur in Europa in der Form stattgefunden• Heute:

– Deproletarisierung Westeuropas– Reagrarisierung Osteuropas

• Rückkehr zu „vormoderner“ Subsistenzwirtschaft?• Gegenüberstellung setzt voraus:

– Lohnarbeit = modern = industriell– Nicht-Lohnarbeit = vormodern = vorindustriell

• Subsistenzproduktion• Leibeigenschaft• Zwangsarbeit• Sklaverei

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2. Eurozentrismus

• Bsp. Marx: “De te fabula narratur”• industrielle Entwicklung folgt westeuropäischem Vorbild

• Haupttendenzen kapitalistischer Entwicklung:– Proletarisierung– Zunahme des Anteils freier Produzenten– Zunahme der Zirkulation freier Waren

=> die Norm

„Nicht-westliche“ Gesellschaften

=> je ähnlicher, desto kapitalistischer

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Die Karibik• erste von Europa kolonisierte Region : 16. Jhd.• letzte unabhängig gewordene Region: 20. Jhd. • Ort massiver Importe von ArbeitsmigrantInnen• lange Zeit Paradebeispiel für Kontrast zwischen:

afrikanischer Sklavenarbeit – europäischer Lohnarbeit

archaisch modern unterentwickelt kapitalistisch ineffizient effizient unfrei frei

• Karibische Plantagensysteme jedoch: – moderne agroindustrielle Unternehmen

– mit Konsumgewohnheiten und Industrieentwicklung in Europa verbunden– Quelle von Kapitaltransfer in die Metropole

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Sklaverei in der Karibik

• Kontrast basiert auf unzulässiger Vereinfachungen:– Plantagensklaverei auch in der Karibik nicht die Norm

– Plantagenarbeiter nicht ausschließlich afrikanische Sklaven

– Keine Homogenität von Arbeitsregimes:• Unterschiedliche Grade von (Un)Freiheit

• Gleichzeitiger Einsatz freier & unfreier Arbeit

– nach Abschaffung – mehrere Einkommensquellen: • Arbeitspacht

• Lehnswesen

• Lohnarbeit

• Selbständigkeit

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Die Karibik heute

• Region mit höchster Ungleichheit weltweit • Ort massiver Exporte von ArbeitsmigrantInnen• hohe Armutswahrscheinlichkeit für MigrantInnen

aus (neo)kolonialen Kontexten (Grosfoguel et al.)

Paradox: • zugeschriebene Ungleichheitsmerkmale: vormodern

globaler Erklärungsansatz:• Verknüpfung Kolonialgeschichte – Rassenhierarchie

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Die Weltsystemperspektive

• Entwicklungsstufen: künstliche Unterteilung• Es gibt keine Vorbilder• „vergleichende Messung unvergleichlicher, nicht-

autonomer Entitäten“ (I. Wallerstein)• Analyseeinheit: Gesellschaft vs. historisches System• kapitalistische Weltwirtschaft

• eine Arbeitsteilung: Zentrum, Semiperipherie, Peripherie• mehrere politische/kulturelle Einheiten• 1492 entstanden• seit spätem 19. Jh. einziges historisches System

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Historisches Weltsystem als Analyseeinheit

• Kritik an Marx: Industrielle Gesellschaft ≠ Kapitalismus• Kapitalismus: Lohnarbeit, freie Produzenten, freie Waren

=> nicht die Norm!• Anomalien Regelmäßigkeiten durch hist. Perspektive

– Sklaverei– Zwangsarbeit (coerced cash-crop labor)– Teil- und Arbeitspacht (share-cropping)– Lehnswesen (tenancy)

=> kein Feudalismus nach 16. Jh., kein Sozialismus im 20.

eine einzige Weltwirtschaft: kapitalistisch

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Globale Arbeiterklasse?• weltweite Ungleichheitskontexte: nicht entkoppelt• Kategorien globaler Ungleichheiten nicht neu• „unfreie“ Arbeiter = Teil moderner Arbeiterklasse• „globale soziale Frage“ auch im 19. Jh.!

Tab. Acht Proletariertypen

• Polarisierung = Proletarisierung im Weltmaßstab

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Soziologie globaler Ungleichheiten

3 Postulate gegen methodologische Blickverengung:

1. Vielfalt von Analyseeinheiten: => nationaler, regionaler & globaler Rahmen

2. Offenlegung impliziter Theorien sozialer Wandels 3. Betonung von Machtdynamiken: Prozesshaftigkeit

=> Proletariat vs. Proletarisierung