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Glockendruckmessung beim Kolbenmanometer Bell jar pressure measurement at a piston gauge W. Jitschin Zusammenfassung Beim Einsatz eines kommerziellen Kol- benmanometers wurden Messfehler bei kleinen Absolutdru ¨ cken beobach- tet. Diese wurden auf den Restgas- druck in der Glocke zuru ¨ ckgefu ¨ hrt, der recht hoch war. Detaillierte Untersu- chungen zeigten einen hohen Gasanfall durch Ausgasen der Kunststoff-Glocke und durch Leckage an einer Kabel- durchfu ¨ hrung. Ferner war die Messung des Restgasdrucks fehlerhaft, da der Messort ungu ¨ nstig gewa ¨ hlt war und die Gasart-Abha ¨ ngigkeit des Messgera ¨- tes nicht beru ¨ cksichtigt wurde. Durch Einbau einer Aluminium-Glocke und Be- seitigung des Lecks konnte der Gasan- fall um mehr als eine Zehnerpotenz re- duziert werden. Weiterhin wurde die Ver- rohrung von der Glocke zur Vakuum- Pumpe stro ¨ mungstechnisch wesentlich verbessert. Nach Durchfu ¨ hrung dieser Maßnahmen wird mit einer zweistufigen Drehschieberpumpe nach 1 min Evaku- ierungszeit ein Glockendruck von < 0,01 mbar Stickstoff-A ¨ quivalentwert bzw. < 0,005 mbar Wasserdampf- Druck erreicht, der im wesentlichen durch den Restdruck der Pumpe be- stimmt ist. Die Unsicherheit des Glo- ckendrucks ist wegen der Gasart-Ab- ha ¨ ngigkeit etwa vergleichbar mit dem Wert selbst. Mit einer Hochvakuumpumpe wird ein Enddruck < 0,001 mbar erreicht, der hier praktisch als Null betrachtet werden kann. Summary In the application of a commercial piston gauge, errors were observed in the ab- solute operation mode at low pressure. These were attributed to the bell jar pressure which was rather high. De- tailed investigations revealed a high gas load due to outgassing of the bell jar plastics and due to leakage at an electrical feedthrough. Furthermore, the measurement of the bell jar pres- sure was erroneous since the mounting position of the gauge was improperly chosen and since the gas-dependent sensitivity of the gauge was not taken into account. After installation of an alu- minium bell jar und fixing the leakage, the gas load was reduced by more than one order of magnitude. Also, the tubing between bell jar and vacuum pump was rebuilt in order to improve its conductance substantially. After completion of these measures a bell jar pressure < 0.01 mbar Nitrogen- equivalent or < 0.005 mbar water va- pour is achieved by a two-stage rotary piston pump within 1 min evacuation time. The uncertainty of this pressure is comparable to its value due to the gas-dependence of the gauge. Using a high-vacuum pump, a bell jar pressure < 0.01 mbar is achieved which for the present application can be re- garded as zero. 1 Einleitung Das Labor fu ¨ r Vakuumtechnik der Fach- hochschule Gießen-Friedberg hat vor ei- nigen Jahren ein Drehkolbenmanometer beschafft, das bei genauen Druckmes- sungen als Bezugsnormal eingesetzt wird. Die Druckmessung erfolgt bei ei- nem derartigen Gera ¨ t durch einen dre- henden Kolben, bei dem sich im Schwe- bezustand des Kolbens die Gewichts- kraft und die Druckkraft gerade im Gleichgewicht befinden, siehe Abb. 1 [1]. Die Druckkraft resultiert aus der Dif- ferenz der Dru ¨ cke, die auf die beiden Stirnseiten des Kolbens einwirken. Durch Auflegen verschiedener Masse- stu ¨ cke auf den Kolben la ¨ sst sich bei dem vorhandenen Gera ¨ t ein Messbe- reich von 30 bis 2000 mbar abdecken. Eine Kalibrierung dieses Gera ¨ ts, die mit Differenzdru ¨ cken gegen Atmospha ¨- re erfolgte, ergab gute Messeigenschaf- ten, die Messunsicherheit wurde zu 6,4 10 -5 p+ 0,012 mbar abgescha ¨ tzt [2]. Um mit dem Gera ¨t Absolutdru ¨ cke messen zu ko ¨ nnen, wird die Referenz- seite (Vakuumglocke) evakuiert. Dabei erreicht man ha ¨ ufig in der Praxis – wie unten noch diskutiert wird – keinen so geringen Druck, der vernachla ¨ ssigbar klein wa ¨ re. Es ist daher u ¨ blich, den tat- sa ¨ chlichen Restdruck in der Glocke zu messen und den erzeugten absoluten Kalibrierdruck p kal als Summe von Druckdifferenz am Kolben p Kolben und Druck in der Vakuumglocke p Glocke zu berechnen: Vakuum in Forschung und Praxis (2000) Nr. 3 191–196 Ó WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2000 0947-076X/00/0306-0191/$17.50+.50/0 191

Glockendruckmessung beim Kolbenmanometer. Bell jar pressure measurement at a piston gauge

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Glockendruckmessung beimKolbenmanometer

Bell jar pressure measurement at a piston gauge

W. Jitschin

Zusammenfassung

Beim Einsatz eines kommerziellen Kol-benmanometers wurden Messfehlerbei kleinen AbsolutdruÈ cken beobach-tet. Diese wurden auf den Restgas-druck in der Glocke zuruÈ ckgefuÈ hrt, derrecht hoch war. Detaillierte Untersu-chungen zeigten einen hohen Gasanfalldurch Ausgasen der Kunststoff-Glockeund durch Leckage an einer Kabel-durchfuÈ hrung. Ferner war die Messungdes Restgasdrucks fehlerhaft, da derMessort unguÈ nstig gewaÈ hlt war unddie Gasart-AbhaÈ ngigkeit des MessgeraÈ -tes nicht beruÈ cksichtigt wurde. DurchEinbau einer Aluminium-Glocke und Be-seitigung des Lecks konnte der Gasan-fall um mehr als eine Zehnerpotenz re-duziert werden. Weiterhin wurde die Ver-rohrung von der Glocke zur Vakuum-Pumpe stroÈ mungstechnisch wesentlichverbessert. Nach DurchfuÈ hrung dieserMaûnahmen wird mit einer zweistufigenDrehschieberpumpe nach 1 min Evaku-ierungszeit ein Glockendruck von< 0,01 mbar Stickstoff-AÈ quivalentwertbzw. < 0,005 mbar Wasserdampf-Druck erreicht, der im wesentlichendurch den Restdruck der Pumpe be-stimmt ist. Die Unsicherheit des Glo-ckendrucks ist wegen der Gasart-Ab-haÈ ngigkeit etwa vergleichbar mit demWert selbst.

Mit einer Hochvakuumpumpe wird einEnddruck< 0,001 mbar erreicht, der hierpraktisch als Null betrachtet werdenkann.

Summary

In the application of a commercial pistongauge, errors were observed in the ab-solute operation mode at low pressure.These were attributed to the bell jarpressure which was rather high. De-tailed investigations revealed a highgas load due to outgassing of the belljar plastics and due to leakage at anelectrical feedthrough. Furthermore,the measurement of the bell jar pres-sure was erroneous since the mountingposition of the gauge was improperlychosen and since the gas-dependentsensitivity of the gauge was not takeninto account. After installation of an alu-minium bell jar und fixing the leakage,the gas load was reduced by morethan one order of magnitude. Also, thetubing between bell jar and vacuumpump was rebuilt in order to improveits conductance substantially. Aftercompletion of these measures a belljar pressure < 0.01 mbar Nitrogen-equivalent or < 0.005 mbar water va-pour is achieved by a two-stage rotarypiston pump within 1 min evacuationtime. The uncertainty of this pressureis comparable to its value due to thegas-dependence of the gauge.

Using a high-vacuum pump, a bell jarpressure < 0.01 mbar is achieved whichfor the present application can be re-garded as zero.

1 Einleitung

Das Labor fuÈ r Vakuumtechnik der Fach-hochschule Gieûen-Friedberg hat vor ei-nigen Jahren ein Drehkolbenmanometerbeschafft, das bei genauen Druckmes-sungen als Bezugsnormal eingesetztwird. Die Druckmessung erfolgt bei ei-nem derartigen GeraÈ t durch einen dre-henden Kolben, bei dem sich im Schwe-bezustand des Kolbens die Gewichts-kraft und die Druckkraft gerade imGleichgewicht befinden, siehe Abb. 1[1]. Die Druckkraft resultiert aus der Dif-ferenz der DruÈ cke, die auf die beidenStirnseiten des Kolbens einwirken.Durch Auflegen verschiedener Masse-stuÈ cke auf den Kolben laÈ sst sich beidem vorhandenen GeraÈ t ein Messbe-reich von 30 bis 2000 mbar abdecken.Eine Kalibrierung dieses GeraÈ ts, diemit DifferenzdruÈ cken gegen AtmosphaÈ -re erfolgte, ergab gute Messeigenschaf-ten, die Messunsicherheit wurde zu 6,4 �10-5 �p + 0,012 mbar abgeschaÈ tzt [2].

Um mit dem GeraÈ t AbsolutdruÈ ckemessen zu koÈ nnen, wird die Referenz-seite (Vakuumglocke) evakuiert. Dabeierreicht man haÈ ufig in der Praxis ± wieunten noch diskutiert wird ± keinen sogeringen Druck, der vernachlaÈ ssigbarklein waÈ re. Es ist daher uÈ blich, den tat-saÈ chlichen Restdruck in der Glocke zumessen und den erzeugten absolutenKalibrierdruck pkal als Summe vonDruckdifferenz am Kolben pKolben undDruck in der Vakuumglocke pGlocke zuberechnen:

Vakuum in Forschung und Praxis (2000) Nr. 3 191±196Ó WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2000

0947-076X/00/0306-0191/$17.50+.50/0 191

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pkal � pKolben + pGlocke (1)

Bei einer Vergleichsmessung zwischendem Labor fuÈ r Vakuumtechnik der Fach-hochschule Gieûen-Friedberg und demLaboratorium fuÈ r Druck der Physika-lisch-Technischen Bundesanstalt inBraunschweig mittels eines hochwerti-gen Transfernormals fuÈ r Absolutdruckergaben sich jedoch wesentlich groÈ ûe-re Messabweichungen als erwartet.

Die Ursachenforschung hierfuÈ r kon-zentrierte sich schnell auf Problemebei der Messung des Restdrucks, diedann detailliert untersucht wurden undim Folgenden beschrieben sind. Eszeigte sich, dass der Hersteller des Ge-raÈ tes bei der Konstruktion elementarevakuumtechnische Konstruktionsanfor-derungen nicht ausreichend beachtethat. Man muss ihm allerdings zugutehalten, das er hauptsaÈ chlich GeraÈ te fuÈ rmehr oder weniger groûe UÈ berdruÈ ckefertigt und das vorliegende GeraÈ t einefuÈ r Absolutdruckmessung modifizierteSonderausfuÈ hrung darstellt. Auch derAutor dieses Artikels hatte bei derselbst erstellten urspruÈ nglichen Verroh-rung des Kolbenmanometers wichtigevakuumtechnische Aspekte nicht aus-reichend beachtet.

Durch die inzwischen durchgefuÈ hrtenUntersuchungen und Umbauten ist nundas vakuumtechnische Verhalten gutverstanden. Durch einfache Umbautenkonnte der Glockendruck und damitauch die absolute Messunsicherheit we-sentlich verbessert werden. Da die hiergewonnenen Erfahrungen sinngemaÈ û

auch bei anderen vakuumtechnischeAnlagen von Interesse sein duÈ rften,sind diese im Folgenden beschrieben.

2 Ausgangssituation

Das vom Hersteller gelieferte Kolbenma-nometer ist in Abb. 2 links schematischdargestellt. Die mitgelieferte Glocke be-steht aus einem Kunststoffrohr mit einerLaÈ nge von ca. 300 mm, dessen Obersei-te durch einen Deckel aus Aluminiumverschlossen ist. Bei Kalibrierungenmit dem Kolbenmanometer muÈ ssenstaÈ ndig die MassenstuÈ cke gewechseltwerden, wozu stets die VakuumglockebeluÈ ftet, angehoben, abgesenkt undwieder evakuiert werden muss.

Aufgrund der groûen LaÈ nge ist die mit-gelieferte Glocke relativ schwer undsperrig, was die Handhabung er-schwert. Auch ist das Glockenvolumenrecht groû (ca. 9 l), was fuÈ r einen ra-schen Evakuierungsvorgang unguÈ nstigist. Daher wurde das Rohr auf wenigerals die HaÈ lfte der urspruÈ nglichen LaÈ n-ge, naÈ mlich auf 140 mm gekuÈ rzt, was im-mer noch voÈ llig ausreichend ist. Wie spaÈ -ter bemerkt wurde, hat das KuÈ rzen desRohres einen weiteren positiven Effekt,naÈ mlich eine Verkleinerung der innerenOberflaÈ che und damit der Gasabgabe.

Der vom Hersteller installierte Vaku-umanschluss der Glocke bestand aus

einer Verrohrung mit 908-Winkel zum An-schlussstutzen NW 25 KF auf der GeraÈ -teruÈ ckseite. Die Rohre hatten einen In-nendurchmesser von ca. 22 mm undeine effektive LaÈ nge von ca. 230 mm.Um das Kolbenmanometer zu betrei-ben, wurde vom Labor fuÈ r Vakuumtech-nik diese Verrohrung ergaÈ nzt, indem eineLeitung vom Anschlussstutzen zur GeraÈ -tevorderseite gefuÈ hrt wurde, wo ein Va-kuummessgeraÈ t und ein manuell be-dienbares Ventil montiert wurden. DieRohrleitung wurde ± wie der Anschluss-stutzen ± mit Innendurchmesser 25 mmausgefuÈ hrt und hatte eine effektive LaÈ n-ge von ca. 300 mm. Schlieûlich wurdenoch eine Verbindung mittels eines flexi-blen Wellschlauchs mit einer LaÈ nge von1000 mm zu einer Drehschieberpumpehergestellt, die zur Entkopplung vonSchwingungen auf den Boden gestelltwar.

Als Vakuumpumpe wurde zunaÈ chsteine zweistufige Drehschieberpumpemit NennsaugvermoÈ gen 4,4 l/s (16 m3/h) eingesetzt. Der Wellschlauch zwi-schen Ventil und Pumpe hatte ± wiediese beiden Komponenten auch ± ei-nen Innendurchmesser von 25 mm. Diezum Evakuieren der Vakuumglocke be-noÈ tigte Zeit und auch der erreichteDruck waren allerdings nicht zufriedens-tellend. Daher wurde die urspruÈ nglicheDrehschieberpumpe bald durch einegroÈ ûere Drehschieberpumpe mit Nenn-saugvermoÈ gen 8,3 l/s (30 m3/h) und An-

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Abb. 1: Prinzipieller Aufbau einesKolbenmanometers.

Abb. 2: Vorhandenes Kolbenmanometer mit Verrohrung. Links: bei urspruÈ ng-licher Inbetriebnahme. Rechts: nach Realisierung einiger Verbesserungen.

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schlussflansch NW 40 ersetzt. Dabeiwurde auch der urspruÈ ngliche Well-schlauch zwischen Ventil und Pumpedurch einen mit dem groÈ ûeren Innen-durchmesser von 40 mm ersetzt.

Der Restdruck derartiger Kolbenma-nometer liegt typisch im Bereich 0,01bis 0,1 mbar. Als VakuummessgeraÈ twurde ± wie auch von verschiedenenHerstellern von Kolbenmanometernpraktiziert ± ein WaÈ rmeleitungs-Vaku-ummeter nach Pirani eingesetzt, wobeiein GeraÈ t in hochwertiger geregelterAusfuÈ hrung ausgewaÈ hlt wurde. Vorteiledes Pirani-Vakuummeters sind, dasses verglichen mit kapazitiven Mem-bran-Vakuummetern eine bessere Lang-zeitstabilitaÈ t (uÈ ber Monate) des Null-punkts bietet, und dass es verglichenmit Trioden-IonisationsvakuummeternLufteinbruÈ che ohne Schaden vertraÈ gt.Das ausgewaÈ hlte Vakuummeter hat dieErwartungen voll erfuÈ llt. Rekalibrierun-gen im Abstand mehrerer Monate erga-

ben kleine Nullpunktsdriften von typischunter 0,001 mbar und nur geringe, prak-tisch vernachlaÈ ssigbare AÈ nderungen derEmpfindlichkeit.

Beim Einsatz des Kolbenmanometerszeigte das Vakuummeter einen Rest-druck von typisch 0,05 mbar (Kunst-stoffrohr 300 mm lang) bzw. 0,035mbar (Kunststoffrohr 140 mm lang) an,wenn die groûe Drehschieberpumpe(NennsaugvermoÈ gen 8,3 l/s) verwendetwurde. Allerdings variierte der Wert er-heblich, der angegebene Wert gilt fuÈ reine warmgelaufene Drehschieberpum-pe und eine Evakuierungszeit von etwa1 min. Diese Zeitspanne ist eine fuÈ r Ka-librierungen, bei denen die Glocke staÈ n-dig wegen der Wechsel der GewichtegeoÈ ffnet und wieder evakuiert wird,praktikable Dauer. Bei deutlich laÈ ngererEvakuierungszeit faÈ llt der Druck zwarnoch, aber nur langsam.

3 Problematik der Messungdes Glockendrucks

Beim Einsatz des Kolbenmanometers inder oben beschriebenen Anordnung beiKalibrierungen zeigten sich zu kleinenAbsolutdruÈ cken hin Probleme: die Kali-briergegenstaÈ nde schienen Nichtlineari-taÈ ten zu haben und ihre Anzeige zeigteSchwankungen, die von der Evakuie-rungszeit der Vakuumglocke abhingen.Als moÈ gliche Ursache hierfuÈ r kam derRestdruck des Kolbenmanometers inFrage, der deshalb genauer untersuchtwurde.

Das zur Messung des Restdrucks ver-wendete VakuummessgeraÈ t hatte sichbei Rekalibrierungen als stabil erwie-sen, so dass seine Anzeige als zuverlaÈ s-sig reproduzierbar betrachtet werdenkann. Der nach einer Evakuierungszeitvon ca. 1 min angezeigte Glockendruckvon 0,05 mbar bzw. 0,035 mbar (je nach

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LaÈ nge des Kunststoffrohrs der Vakuum-glocke) ist relativ hoch. Versuchsweisewurde die Pumpleitung am Boden-flansch der Vakuumglocke blindge-flanscht. Dann ergab sich eine Druckan-zeige von unter 0,01 mbar. Das bedeu-tet, dass der Restdruck offenbar weni-ger vom Enddruck der verwendeten Va-kuumpumpe, sondern von einem groÈ ûe-ren Strom anfallenden Gases begrenztist. Die GroÈ ûe dieses Gasstrom wurdemit der Druckanstiegsmethode unterAusnutzung des bekannten Glockenvo-lumens bestimmt, indem das Ventil inder Pumpleitung geschlossen wurdeund der zeitliche Druckanstieg in derGlocke registriert wurde. Hieraus laÈ sstsich der pV-Durchfluss des Gasstromsberechnen:

qpV � V � dp/dt (2)

Mit dem geschaÈ tzten Volumen der Vaku-umglocke erhaÈ lt man einen Gasstromvon typisch 0,11 mbar � l/s bzw. 0,06mbar � l/s (Vakuumglocke LaÈ nge 300mm bzw. 140 mm).

Der vorliegende Gasstrom besitzt alsoeine recht erhebliche GroÈ ûe. Eine Folgedieses Gasstroms ist, dass an den Lei-tungen Druckunterschiede aufgrunddes StroÈ mungswiderstandes entste-hen. FuÈ r eine grobe AbschaÈ tzung der

Druckunterschiede wurden die Leitwer-te der verschiedenen LeitungsstuÈ ckeausgerechnet. In Abb. 2 sind die druck-unabhaÈ ngigen StroÈ mungsleitwerte fuÈ rLuft im molekularen Bereich angege-ben [3]. Da die vorliegende StroÈ mungsich UÈ bergangsbereich zwischen visko-sem und molekularem Grenzfall liegt,sind die tatsaÈ chlichen Leitwerte ± jenach vorliegendem Druck ± groÈ ûer.Aus den experimentellen Daten desGasstroms und des angezeigtenDrucks errechnet man ein sog. effekti-ves SaugvermoÈ gen von 2...3 l/s an derStelle des Pirani-Vakuummeters. Die-ser Wert stimmt mit einer direkten Mes-sung des zur VerfuÈ gung stehenden ef-fektiven SaugvermoÈ gens uÈ berein (sieheunten).

Durch den Gasstrom ergeben sich fol-gende Probleme der Restdruckmes-sung:l Das Vakuummeter misst nicht direkt

den Druck in der Vakuumglocke, son-dern an einer Stelle in der Pumplei-tung. Infolge des Druckabfalls im Lei-tungsstuÈ ck zwischen Vakuumglockeund Anschlussstelle des Vakuumme-ters misst es ± je nach Gasstrom ± ei-nen deutlich zu kleinen Druck. Auf-grund der Leitwerte der Rohre kanndie Anzeige einen Faktor 2 zu kleinsein.

l Das Vakuummeter ist fuÈ r Stickstoffjustiert und zeigt hierfuÈ r korrekt an.Besteht der Gasstrom jedoch ausWasserdampf (z. B. durch Gasabga-be, siehe unten), zeigt das WaÈ rmelei-tungs-Vakuummeter aufgrund der hoÈ -heren WaÈ rmeleitung des Wasser-dampfes einen um einen Faktor vonetwa 2 zu hohen Druck an [4].

Aus diesen Problemen resultiert einehohe Unsicherheit des tatsaÈ chlich inder Vakuumglocke vorliegendenRestdrucks, die etwa vergleichbar mitdem Restdruck selbst ist (typisch 0,04mbar).

4 Verbesserungen

Als ProblemloÈ sung erschien es zunaÈ chstam aussichtsreichsten, den hohen Gas-strom zu verkleinern. Dazu wurde dasanfallende Gas mit Hilfe eines Quadru-pol-Massenspektrometers (SchnuÈ ffler-eingang) analysiert, um zwischen ei-nem aÈ usseren Leck (Eindringen vonLuft) und Ausgasen (Wasserdampf und

andere Gase) unterscheiden zu koÈ n-nen. Es wurden beide Bestandteile inetwa gleicher GroÈ ûenordnung gefun-den (Abb. 3 oben).

FuÈ r das Ausgasen kommen vor allemKunststoffe in Frage, bei denen das ab-gegebene Gas dominierend aus Was-serdampf (Massen 16, 17 und 18) undaus geringen Anteilen von C3Hx-Frag-menten (Massen 39 ... 44) besteht. Hier-fuÈ r kommt das Kunststoffrohr der Vaku-umglocke in Betracht. In der Literaturfindet man fuÈ r die Gasabgabestrom-dichte vieler Kunststoffe waÈ hrend einesPumpzeitraums von wenigen Minuteneinen typischen Wert von 1�10-4

mbar � l�s-1 � cm-2 [5]. Rechnet man mitdiesem Wert und der inneren OberflaÈ -che des Kunststoffrohrs den erwartetenGasabgabestrom aus, so stimmt der er-wartete Wert gut mit dem gemessenenuÈ berein. Es ist somit naheliegend, dassder beobachtete Gasabgabestromvom Kunststoffrohr stammt. Deshalbwurde eine neue Vakuumglocke aus Alu-minium gebaut. Zur visuellen Beobach-tung von HoÈ he und Rotation des Kol-bens wurde in die Glockenwand einLoch gebohrt und in dieses Loch eineGlasscheibe (aus SicherheitsgruÈ ndenVerbundglas) mit einem Zwei-Kompo-nenten-Kleber eingeklebt. Bekanntlichgasen Aluminium und Glas relativ wenigaus und die Klebestelle hat nur einekleine OberflaÈ che.

Durch das Ersetzen der Vakuumglo-cke aus Kunststoff gegen die aus Alumi-nium sanken die PartialdruÈ cke von Was-serdampf und C3Hx-Fragmenten umca. eine halbe Zehnerpotenz (Abb. 3Mitte). Vermutlich ist die verbleibendeAbgaberate dieser Gase auf den An-triebsmotor fuÈ r die Kolbenrotation (han-delsuÈ blicher Elektromotor mit Getriebe)zuruÈ ckzufuÈ hren, der sich im Vakuum-system der Vakuumglocke befindet,was vakuumtechnisch unguÈ nstig ist.Da eine konstruktive AÈ nderung diesesKolbenantriebs einen erheblichen Auf-wand erfordert, wurde hierauf verzichtet.

Mit der Vakuumglocke aus Aluminiumwar die IntensitaÈ t von Luft (Massen 28und 32) deutlich geringer, nahm aberauch bei laÈ ngeren Pumpen kaum weiterab. Dieses Verhalten deutet auf ein aÈ u-ûeres Leck hin, was dann auch an denelektrischen Anschlusskabeln des Mo-tors lokalisiert wurde. HierfuÈ r hatte derHersteller des KolbenmanometersKunststoff-ummantelte, mehradrige Lit-ze verwendet. Diese Litze war durch

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Abb. 3: Massenspektren des Gasesin der Vakuumglocke bei verschiede-nen Aufbauten (wie in den einzelnenBildern angegeben).

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Bohrungen des VakuumgehaÈ uses ge-fuÈ hrt und dort mit Kleber (Silikon ?) ge-dichtet, was vakuumtechnisch falschist. Nach Austausch dieser Stromdurch-fuÈ hrung durch eine vakuumtauglichewar diese Leckstelle beseitigt.

Nach DurchfuÈ hrung der beiden Ver-besserungen unterscheidet sich dasSpektrum des Gases in der Vakuum-glocke (Abb. 3 unten) nur noch wenigvom Restgasspektrum der Drehschie-berpumpe (nicht gezeigt). Der verblei-bende Gasabgabestrom (gemessenmit der Druckanstiegsmethode) betraÈ gtnach einer Evakuierungszeit von 1 mintypisch nur noch 0,008 mbar � l/s undsinkt nach mehreren Minuten bis auf0,003 mbar �l/s.

Durch die konstruktiven Verbesserun-gen konnte somit der Gasabgabestromum mehr als eine GroÈ ûenordnung ± ver-glichen mit dem urspruÈ nglichen Zustanddes GeraÈ ts ± gesenkt werden. Der Druckin der Vakuumglocke sinkt allerdings beiVerwendung einer Drehschieberpumpenicht dementsprechend ab, sondernnur auf typisch 0,007 mbar (unkorri-gierte Anzeige des Pirani-Vakuumme-ters). Grund hierfuÈ r ist, dass man sichnahe beim Enddruck der Pumpe selbstbefindet, an dem das SaugvermoÈ gengegen Null geht. Da das Gas laut Mas-senspektrum hauptsaÈ chlich aus Was-serdampf besteht, der etwa einen Fak-tor 2 zu groû vom Pirani-Vakuummeterangezeigt wird, liegt der tatsaÈ chliche

Druck in der Vakuumglocke beica. 0,004 mbar.

Um das vakuumtechnische Verhaltennoch besser zu verstehen, wurden wei-tere Untersuchungen durchgefuÈ hrt. DasSaugvermoÈ gen der verwendeten Dreh-schieberpumpe und der Einfluss vonVerbindungsleitungen wurden unter-sucht, indem das effektive SaugvermoÈ -gen der Pumpe direkt an der Pumpeund am Ende verschieden langer An-schlussleitungen (NW 40) gemessenwurde (Abb. 4). Der Enddruck der ver-wendeten Drehschieberpumpe im guÈ n-stigen warmgelaufenen Zustand liegt ty-pisch bei 0,004 mbar (unkorrigierte An-zeige des Pirani-Vakuummeters). Wieerwartet sinkt das SaugvermoÈ gen inNaÈ he des Enddrucks der Pumpe drama-tisch ab.

Weiterhin wurde die Verrohrung geaÈ n-dert (Abb. 2 rechts). Durch groÈ ûere In-nendurchmesser und kuÈ rzere RohrlaÈ n-gen werden nun wesentlich hoÈ here StroÈ -mungsleitwerte erreicht. Auf das Ventil inder Leitung wurde verzichtet, indemwaÈ hrend des BeluÈ ftens der Vakuum-glocke die Pumpe abgeschaltet wird.Insbesondere wurde das Pirani-Vaku-ummeter so angeschlossen, dass derDruckanfall zwischen Vakuumglockeund Anschlussstelle des Vakuumme-ters praktisch vernachlaÈ ssigbar ist (mo-lekularer Leitwert ca. 80 l/s). Damit liegtdie Messunsicherheit bei der Druckmes-sung etwa bei 0,004 mbar auch unter

BeruÈ cksichtigung der Gaszusammen-setzung. Dieser Wert ist fuÈ r die meistenAnwendungen des KolbenmanometersvoÈ llig ausreichend.

Soll die Messunsicherheit aufgrunddes Glockendrucks weiter verkleinertwerden, muss dieser weiter abgesenktwerden. Durch Einsatz von Hochva-kuumpumpen (Diffusionspumpen, Tur-bomolekularpumpen) wurden ± wie inder Literatur angegeben ± Werte von5 � 10-4 mbar [6], < 1 � 10-4 mbar [7] und(2...4) � 10-3 mbar [8] erreicht.

Entsprechende Messungen mit Tur-bomolekularpumpen wurden durchge-fuÈ hrt. Beim vorhandenen Kolbenmano-meter kann nach den konstruktiven Ver-besserungen eine Turbomolekularpum-pe uÈ ber eine Leitung (NW 40, LaÈ nge130 mm) mit kleinem StroÈ mungswider-stand angeschlossen werden. Es wur-den die fuÈ r den Betrieb wichtigen Aus-pumpkurven der Vakuumglocke, alsodie Abnahme des Drucks mit der Pump-zeit gemessen (Abb. 5), wobei die je-weils eingebaute Turbomolekularpum-pe bereits bei AtmosphaÈ rendruck mit re-duzierter Drehzahl lief. Im Fall einer mo-dernen Turbomolekularpumpe mit inte-grierter Holweckstufe dauert der Aus-pumpvorgang recht lang, weil durchden engen Holweckkanal mit kleinemLeitwert gepumpt wird. Erst bei DruÈ k-ken unter 1 mbar beginnen die Turbo-stufen merklich zu pumpen. DagegenverlaÈ uft das Auspumpen mit einer kon-

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Abb. 4: Effektives SaugvermoÈ gen der verwendeten Dreh-schieberpumpe mit nachgeschalteten Anschlussrohrenaus Wellschlauch. Die angegeben DruÈ cke sind die vom Pi-rani-Vakuummeter angezeigten Werte ohne Korrektur aufdie GasartabhaÈ ngigkeit. Die Messung erfolgte mit Luft.Der Enddruck von ca. 0,004 mbar ist der Luft-AÈ quivalen-twert.

Abb. 5: Auspumpkurve der Vakuumglocke. Die angege-benen DruÈ cke sind die vom Pirani-Vakuummeter ange-zeigten Werte ohne Korrektur auf die GasartabhaÈ ngigkeit.

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ventionellen Turbomolekularpumpe(ohne Holweckstufe) recht zuÈ gig. Unter-halb von 0,1 mbar zeigt sich die Pump-wirkung der Turbostufen. Allerdingsnimmt die Pumpwirkung mit fallendemDruck nur langsam zu, was wohl aufdas allmaÈ hliche Hochlaufen der Rotor-drehzahl vom reduzierten Wert bei At-mosphaÈ rendruck auf den Nennwert beiVakuum zuruÈ ckzufuÈ hren ist. Die Hoch-laufzeit aus dem Stand betraÈ gt 3 minlaut Herstellerangabe. Es muss also we-nige Minuten gewartet werden, bis dieTurbomolekularpumpe ihr volles Saug-vermoÈ gen erreicht.

Bei den Messungen der Auspumpkur-ve wurde der Druck mit dem vorhande-nen Pirani-Vakuummeter erfasst. Wegender begrenzten NullpunktstabilitaÈ t die-ses GeraÈ ts konnten DruÈ cke unterhalbvon 0,003 mbar nicht mehr zuverlaÈ ssiggemessen werden, so dass der er-reichte Enddruck abgeschaÈ tzt werdenmuss. Nach den konstruktiven Verbes-

serungen sollte bei Einsatz einer Turbo-molekularpumpe ein effektives Saugver-moÈ gen an der Vakuumglocke von min-destens 25 l/s zur VerfuÈ gung stehen. InAnbetracht der vorhandenen Gasabga-berate (< 0,005 mbar � l/s nach 2 minPumpzeit) sollte damit in der Vakuum-glocke ein Absolutdruck von < 2 � 10-4

mbar erreichbar sein. Dieser kann in An-betracht der mit dem Kolbenmanometererreichbaren AufloÈ sung (einige 10-3

mbar) als Null angenommen werden.Damit hat der Restdruck in der Vakuum-glocke keinen Einfluss mehr auf den er-zeugten Kalibrierdruck und dessen Un-sicherheit.

Literatur

[1] W. Jitschin, Vakuum in Forschungund Praxis 12, Heft 4/2000

[2] Kalibrierschein 0003 PTB 97 (1997)

[3] W. Jitschin, Vakuum-Lexikon, Wein-heim: Wiley-VCH (1999)

[4] W. Umrath, Grundlagen der Vaku-umtechnik, KoÈ ln: Leybold (1997)

[5] N. Schindler, Vakuum in Forschungund Praxis 8, 259 (1996)

[6] G. N. Peggs, K. W. T. Elliott und S.Lewis, Metrologia 15, 77 (1979)

[7] K. Grohmann und H. K. Lee, J. Phys.E 20, 1169 (1987)

[8] C.R. Tilford und R. W. Hyland, Manu-skript (1987)

Kurzbiografie

Wolfgang Jitschin, Jahrgang 1951, pro-movierte 1977 in Physik an der Universi-taÈ t Bonn. Seit 1989 ist er Professor fuÈ rPhysik und Vakuumtechnik an der Fach-hochschule Gieûen-Friedberg.

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