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Ungemein nützlich Greenpeace – ungemein nützlich Erfolge für das Gemeinwohl Svenja Koch / Jochen Lohmann

Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

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Greenpeace –ungemein nützlich

Erfolge für das GemeinwohlSvenja Koch / Jochen Lohmann

Page 2: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 5

1. Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.1 Richter urteilen zu Gunsten von Greenpeace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Dünnsäure-Verklappung, Kronos-Prozeß 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Giftmüll Albanien, Europabrücke Kehl 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Klimakatastrophe, Plakate/Hilger/Hoechst 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Gen-Raps, Potsdam Agrarminister 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Castor, Anketten Mannheim 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Oil of elf-Domain 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.2 Kampagnen: Welche Aktionen hatten welche Funktion und welche Wirkung? . . . . . . . . 12

Dünnsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Greenfreeze-Kühlschrank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Weltpark Antarktis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Brent Spar, 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Olympische Spiele in Sydney 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Kein Patent auf Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

TBT – Dauergift im Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

1.3 Gesetze und Verordnungen als Folge von Greeenpeace Kampagnen . . . . . . . . . . . . . . . 30

Das Walfangmoratorium und andere Gesetze zum Schutz der Meere . . . . . . . . . . . . . . . 30

London-Konvention: Keine Müllversenkung im Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Giftmüll /Basel-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Diuron und der Grundwasserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Die Gebühren des Umweltinformationsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

1.4 Anstöße in Wissenschaft und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Auf dem Weg zum chlorfreien Papier: „Das Plagiat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

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Cyrus und die Solar-Kampagne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1.5 Greenpeace in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Page 3: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

2. Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 44

2.1 Ehrenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

2.2 Greenpeace-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

2.3 Kinder- und Jugendprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

2.4 genetiXproject . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

2.5 Elbeflut, August 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2.6 Bergwaldprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3. Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3.1 In den Bundesministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3.2 In den Fachbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

3.3 In den Enquete-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3.4 Beim Bundespräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

3.5 In internationalen Institutionen als Beobachterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

3.6 Mit Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

4. Zwei Beispiele für den internationalen Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

4.1 Im Libanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

4.2 In Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

5. Externe Würdigungen für Greenpeace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Herausgeber: Greenpeace e.V., Große Elbstr. 39, 22767 Hamburg, Tel. 040/30618-0, Fax: 040/30618-100, Email: [email protected], Politische Vertretung Berlin, Chausseestr. 131, 10115 Berlin, Tel. 030 /30 88 99-0, Fax: 030 /30 88 99-30, Internet: www.greenpeace.de, Autoren: Svenja Koch, Jochen Lohmann, Redaktion: Anja Oeck, Bildredaktion: Conny Böttger, Produktion: Christiane Bluhm, Gestaltung: simon_spiegel_zimmermann, Ham- b u r g , F o t o s T i t e l : P. Gleizes, U. Baatz, C. Shirley, alle © Greenpeace, Druck: edp, Virchowstr. 12, 22767 Hamburg, Auflage 10.000 Exemplare, V.i.S.d.P. Svenja Koch, 10/2003. Gedruckt auf 100%-Recyclingpapier.

Zur Deckung der Herstellungskosten bitten wir um eine Spende: Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20, Konto-Nr. 97 338 207

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Vorwort 5

Vorwort

Greenpeace im Dienst

der Gemeinnützigkeit

Über 30 Jahre Greenpeace, das sind drei Jahr-zehnte konfrontativer, polarisierender Kam-pagnen-Arbeit zum Schutz des Planeten alsLebensraum für alle.

30 Jahre, in denen sich Greenpeace nebenHunderttausenden von Freunden und Förde-rern auch eine ganze Reihe von mächtigenFeinden gemacht hat.

Gerade in Deutschland gibt es seit denProtestaktionen gegen die Castor-Transporte2001 eine Reihe von Politikern aus dem kon-servativen Lager, die Greenpeace den Statusder Gemeinnützigkeit aberkennen wollen. Imdeutschen Recht ist der Status der Gemein-nützigkeit mit einer Reihe von Privilegien undErleichterungen, u.a. mit dem Recht auf Aus-stellung von Spendenbescheinigungen ver-bunden, die die Arbeit von Nichtregierungs-organisationen, von Vereinen und Verbändenfördern und erleichtern sollen.

Hinter der Debatte um die Gemeinnützig-keit steckt der Versuch einiger Politiker, sichder „lästigen“ Kritiker zu entledigen, um dieeigene Hilfs- und Konzeptlosigkeit zu ka-schieren und Umweltprobleme zu leugnen.Dabei sieht etwa der PolitikwissenschaftlerUlrich Beck in Greenpeace eine Antwort aufdie Umweltkrise als Krise der Institutionen:„Gesellschaftstheoretisch gewendet handelt essich bei der ökologischen Krise um eine sys-tematische Verletzung von Grundrechten (...).Gefahren werden industriell erzeugt, ökolo-gisch externalisiert, juristisch individualisiert,naturwissenschaftlich legitimiert und politischverharmlost.“

Ist Greenpeace gemeinnützig? Wir vonGreenpeace sind uns da einig, die über 500.000 Förderer in Deutschland auch. DieListe unserer umweltpolitischen Erfolge istlang. Und in einer repräsentativen Umfragevon April 2003 liegt Greenpeace zusammen mit ADAC und Polizei auf der Liste der ver-trauenswürdigen Institutionen ganz oben.

Aber wie sieht uns der Rest der Welt?In diesem Report haben wir „Lob von

außen“ zusammengestellt und Unmengen anBelegen dafür gefunden, dass Greenpeace viel-leicht manchmal gemein, weil frech, aberdoch ungemein nützlich ist. Und dafür sogarvon denjenigen gelobt wird, denen man esnicht zutraut (Industrie, konservative Presse,politische Gegner).

Der Wissenschaftler Elmar Altvaterschreibt: „Wenn die Nationalstaaten ungeeig-net sind, die globalen ökonomischen undökologischen Probleme zu bewältigen, einglobaler Staat aber eine Illusion ist, wächstden intermediären Institutionen und Organi-sationen ein doppelter Komplex von Aufga-ben im Zuge der internationalen ökologi-schen Regimebildung zu: Erstens werdenNichtregierungs-Organisationen unverzicht-bare Vermittler und Multiplikatoren desKonsenses innerhalb je nationaler (oderregionaler) Gesellschaften ... Zweitens sindNRO die Bindeglieder internationaler Netz-werke, die von den Nationalstaaten nichtgeknüpft werden können ... Sie sind somitgewissermaßen die Bindeglieder einer inter-nationalen Zivilgesellschaft.“

Wir nehmen diese Herausforderung an.Dieser Report stellt beispielhaft zusammen,was Kampagnen von Greenpeace an positi-ven Entwicklungen für die Bürgergesell-schaft gefördert und ausgelöst haben. SchonStaatstheoretiker Thomas Hobbes (1588–1679), eigentlich ein Befürworter absoluterMonarchien, plädierte für ein Widerstands-recht des Bürgers, wenn ein Staat lebensge-fährdende Verhältnisse erzeugt oder duldet.

Wir teilen diese Erkenntnis, und sie istuns Ansporn genug, unseren Weg unbeirrtweiterzugehen.

Keep Greenpeace in actionBrigitte Behrens

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6 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Greenpeace im gemeinnützigenDienst für Umweltund Demokratie

1.1 Richter urteilen zu Gunsten von Greenpeace

Dünnsäure-Verklappung,

Kronos-Prozess 1988

Am 27.7.1988 wurde vor dem LandgerichtOldenburg über die Rechtsmäßigkeit einereinstweiligen Verfügung verhandelt, die vonder Firma Kronos Titan am 30.5.1988 in Nor-denham gegen Greenpeace erwirkt wurde.Greenpeace hatte das Dünnsäure-Verklap-pungsschiff der Firma drei Tage am Auslau-fen und am Verklappen der Giftfracht gehin-dert, um auf die Verschmutzung der Nordseeund das massenhafte Robbensterben auf-merksam zu machen.

Im Beschluss des Landgerichts Olden-burg vom 17. August bezeichnete das Gerichtdie einstweilige Verfügung teilweise als un-

zulässig, ließ sie aber weiter bestehen. In dermündlichen Verhandlung hatte sich der vor-sitzende Richter Gärtner1 für das Greenpeace-Anliegen stark gemacht: für die Einführungdes Verursacherprinzips in die Rechtspre-chung. Er prangerte die unhaltbaren Zustän-de in der Nordsee an und forderte die Politi-ker zu einem schnellen und entschlossenenHandeln auf und meinte, das Vorgehen vonGreenpeace sei löblich.

In der Urteilsbegründung heißt es zurBeibehaltung der einstweiligen Verfügung:„Die Kammer war sich bei dieser Bewertungdurchaus bewusst, dass nach der gegenwär-tigen Rechtslage für die Verfügungsbeklag-ten (A.d.V.: also Greenpeace) ein effektiverRechtsbehelf nicht gegeben ist. Dies vermagaber nichts daran zu ändern, dass auch dieVerfügungsbeklagten sich an die geltendeRechtsordnung zu halten haben, die nur vomGesetzgeber geändert werden darf. Dass dieKammer, wie auch in der mündlichen Ver-handlung zum Ausdruck gekommen seindürfte, die weitere Verbringung von Indus-trieabfällen in die Nordsee an sich für nichtmehr vertretbar hält, vermag an dieser recht-lichen Bewertung nichts zu ändern, da auchdie Kammer, wie im übrigen das Amtsge-richt Nordenham, sich nur im Rahmen dergeltenden Rechtsordnung bewegen konnte.“

Das Verständnis des Richters Gärtner warder erste Schritt in die richtige Richtung.Einzelheiten zum Erfolg der Kampagne undzu den entsprechenden Gesetzesänderungen,die folgten, stehen im Abschnitt 1.2.

Giftmüll Albanien,

Europabrücke Kehl 1997

Das Amtsgericht Kehl hat im Gerichtsverfah-ren im Juli 1996 zu einer Aktion vom März1994 auf der Europabrücke in Kehl Verständ-nis für das Anliegen der Greenpeace-Demon-stranten gezeigt und den Vorwurf der Nöti-gung zurückgewiesen2. Greenpeacer hattendamals 21 Fässer eines aus Deutschland stam-menden Giftmülltransports über Italien undFrankreich aus Albanien zurückgeholt. Nun

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Greenpeace behindert ein

Dünnsäure-Verklappungs-

schiff am Auslaufen

in Nordenham.

1) PE vom 27.7.88.2) Beschluss Amtsgericht Kehl.

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Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 7

Mit einer Straßensperre

auf der Kehler Europabrücke

protestieren Greenpeacer

gegen illegale Giftmüllab-

schiebungen nach Albanien.

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wurden die Fässer mit zwei LKWs über dieEuropabrücke Kehl in die Bundesrepublikeingeführt. Der LKW wurde auf der Brückeabgestellt und Bundesumweltminister Töpferaufgefordert, sich um den albanischen Gift-müll deutscher Herkunft zu kümmern.

In der Urteilsbegründung des Kehler Ge-richts heißt es: „Angesichts der unabsehba-ren Gefahren für die Menschen in den be-troffenen Regionen (...) einerseits und derdagegen geringfügigen und zeitlich nur aufStunden beschränkten Verkehrsbehinderungdurch die nicht verkehrsbedingt abgestelltenbeiden Fahrzeuge von Greenpeace anderer-seits, überwiegt das wohlverstandene öffent-liche Interesse am Ruf der BundesrepublikDeutschland durch die ,humanitäre‘ Rück-holaktion der Pestizide bei einer Güterabwä-gung mit dem ebenfalls schutzwürdigen In-teresse am reibungslosen Verkehr auf öffent-lichen Straßen und Brücken.“

Mit der Aktion auf der Kehler Europa-brücke sollte auf die unhaltbaren Zuständeim albanischen Bajze aufmerksam gemachtwerden. Mit Reichsbahn-Waggons hatte eineFirma aus Hannover zwischen September1991 und Juli 1992 785 Tonnen hochgiftigePflanzenschutzmittel aus der DDR-Produktiondorthin gebracht. In der Nähe des Zuges kames zu schweren Umweltschäden, und es drohteder Eintritt einer Umweltkatastrophe. Green-peace hatte den Giftmüll verpackt und aufden Weg nach Deutschland gebracht3.

Das Gericht argumentierte, dass keine Nö-tigung vorliege, weil man nicht so genannte„Fernziele“ verfolgt habe, sondern das „Nah-ziel“, die illegal exportierten und nunmehrzurückgeführten Abfälle an der Grenze derzuständigen Behörde zu übergeben. Ein wei-terer Abfalltransport durch die Bundes-republik sei gerade nicht gewollt gewesen.

Im Einzelnen heißt es im Beschluss vom17.7.1996: „Zunächst ist festzustellen, dasssich der hier zu Grunde liegende Fall zwarvom Sachverhalt, der dem Bundesverfas-sungsgericht zur Entscheidung vorlag, inso-weit unterscheidet, als hier nicht durch die

Blockierer als solche, sondern durch zweiFahrzeuge auf der Brücke die Straßensperreerreichtet wurde. (A.d.V.: Das Amtsgerichtnimmt hier Bezug auf das berühmte Sitzblo-ckade-Urteil vom Januar 19954.)

Das entscheidende Moment ist jedoch,dass diese Fahrzeuge gerade Gegenstand derDemonstration waren, nämlich durch ihreLadung auf einen Umweltskandal aufmerk-sam machen sollten. Die ,Kraftentfaltung‘beim Auffahren der Fahrzeuge (...) war not-wendigerweise Bestandteil der Meinungsäu-ßerung selbst, denn eine Blockade mit belie-big anderen Fahrzeugen hätte gerade nichtSinn und Zweck der Aktion entsprochen.

Auch das Anketten der Aktivisten an dieFahrzeuge ist keine ,Gewalt‘; die hierfür be-nötigte Kraftentfaltung minimal. Es dientfür alle erkennbar ausschließlich dem Zweck,eigene Gewaltfreiheit zu demonstrieren unddie Ernsthaftigkeit des Protestes zu betonen.

Es bestand von Anfang an bei allen Betei-ligten kein Zweifel, dass von der Greenpeace-Aktion keinerlei Gewalt gegen konkrete Per-sonen oder Sachen ausgehen würde. Gewalt:hier verstanden als unmittelbare Ausübungeines physischen Zwangs auf irgendein Opferoder gegen Sachwerte.“ Dass von den Green-peace-Aktivisten keinerlei Gewalt im üblichen

3) PE zur Lage in Albanien vom 4.3.1994. 4) Artikel aus der FR zu diesem Urteil.

Page 8: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

8 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Sinne des Sprachgebrauchs zu erwarten war,wurde allgemein so gesehen und fand auchin der örtlichen Presse ihren Niederschlag:So wird in der Kehler Zeitung vom 12.03.1994die Meinung eines Bundesgrenzschutzbeam-ten mitgeteilt, dass man am meisten Angstvor Angetrunkenen gehabt habe, die ihremangestauten Unmut Luft machen würden.„Bei Greenpeace selbst habe man hingegenkeinerlei Befürchtungen gehabt, schließlichsei bekannt, dass sie sich ausschließlich aufpassiven Widerstand versteifen.“

Ausgehend von dieser – von den Ereig-nissen auch voll bestätigten – Überzeugung,dass die Greenpeace-Aktivisten weder Steinewerfen, noch irgendwelche Gemeinheitengegen Polizeibeamte oder Bürgerinnen undBürger begehen würden, verlief der Umlei-tungsverkehr ab 13 Uhr reibungslos. (...)

Selbst wenn der Tatbestand der „Gewalt-entfaltung“ bejaht würde, was das Gerichtbeim hier vorliegenden Sachverhalt fürunvereinbar mit dem Grundgesetz hielte,entfiele die Anwendung des § 240 StGB(Nötigung), denn die den Beschuldigtenangelastete Tat wäre nicht rechtswidrig.Insoweit fehlt es am Merkmal der Verwerf-lichkeit, § 240 II StGB. (...)

Hintergrund der Aktion der Beschuldig-ten war demnach, dass erhebliche Gewässer-verseuchungen befürchtet wurden. Die Trink-wasserversorgung für Teile Montenegros undWestalbaniens drohte in Gefahr zu kommen.

Presse und Umweltministerium waren darü-ber informiert, dass Greenpeace bereits aufdem Verhandlungswege versucht hatte, ei-nen Rücktransport zu erreichen, jedoch ohneErfolg. Da der Giftmüll aus Deutschlandkam, lag eine moralische, wenn nicht garrechtliche Verpflichtung für die BRD vor. (...)

Die hier zu beurteilende Aktion vonGreenpeace hatte nicht nur den Rücktrans-port der anderen noch in Albanien lagerndenGiftmüllfässer zur Folge, sondern auch, dassin der Folgezeit mit erhöhter Intensität anden gesetzlichen und vertraglichen Regelun-gen des Verbots von Giftmülltransport gear-beitet wurde. Dieses Ziel war bei der Aktionmit umfasst worden.

„Angesichts der unabsehbaren Gefahrenfür die Menschen in den betroffenen Regio-nen (...) einerseits und der dagegen geringfü-gigen und zeitlich nur auf Stunden beschränk-ten Verkehrsbehinderung durch die nichtverkehrsbedingt abgestellten beiden Fahrzeu-ge von Greenpeace andererseits, überwiegtdas wohlverstandene öffentliche Interesseam Ruf der Bundesrepublik Deutschlanddurch die ,humanitäre‘ Rückholaktion derPestizide bei einer Güterabwägung mit demebenfalls schutzwürdigen Interesse am rei-bungslosen Verkehr auf öffentlichen Straßenund Brücken.

Diese gilt für die Teilnahme aller hierBeschuldigten an der Aktion, da ausnahms-los ein moralisch hochwertiges und demwohlverstandenen deutschen Interesse ent-sprechendes Verhalten bei Einhaltung strik-ter Selbstdisziplin festzustellen ist.“

Die Staatsanwaltschaft gab sich damitallerdings nicht zufrieden. Schließlich einig-te man sich, dass die 17 Beteiligten 250 DMan die Nothilfe für Suizidgefährdete und chro-nisch Schmerzkranke e.V. zahlen und dass dasVerfahren damit endgültig eingestellt wird.Diese Beträge liegen weit unter den beimAmtsgericht Kehl üblichen Summen.

Am 25.3.1994 wurde das Greenpeace-En-gagement schließlich abschließend belohnt.Die Teilnehmer-Staaten der Basel-Konventi-on verabschiedeten ein weltweites ausnahms-loses Verbot für alle Giftmüllexporte aus denreichsten Industrienationen nach Osteuropa ©

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Mit Gasmasken und

Schutzanzügen sichern

Greenpeaceer 1994 in

Albanien Giftmüllfässer

aus Deutschland.

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Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 9

und in die so genannte Dritte Welt. Exportezum Zweck des Recyclings unterlagen einerstrengen Überwachung und wurden ab De-zember 1997 ganz verboten 5.

(Näheres dazu im Abschnitt 1.3.)

Klimakatastrophe,

Plakate/Hilger/Hoechst 1999

Nach neun Jahren Rechtsstreit bis vor das Bun-desverfassungsgericht ging am 5. Juni 1999ein wegweisendes Gerichtsverfahren zur Ver-teidigung der Meinungsfreiheit zu Ende –fast pünktlich zum 50. Jahrestag des Grund-gesetzes. Das höchste deutsche Gericht lehn-te die Verfassungsbeschwerde des früherenVorstandschefs der Hoechst AG, WolfgangHilger, gegen ein Protestplakat der Umwelt-organisation ab und bestätigte das Urteil desBundesgerichtshofs von 1993 über die Zuläs-sigkeit des Plakats6.

Es ging um ein Motiv als Protest gegenden Klimawandel. Darauf waren zwei Porträtsder Kläger zu sehen mit dem Spruch: „Allereden vom Klima – Wir ruinieren es: Prof.Dr. Wolfgang Hilger, Hoechst – Konsul Cyrilvan Lierde, Kali-Chemie“.

Das Urteil bedeutet bis heute, dass sichUnternehmer genauso wie Politiker öffent-liche Kritik auch in polemischer Form auf Plakaten gefallen lassen müssen, wennsie Entscheidungen zu verantworten haben,die die Umwelt belasten. Greenpeace hatdamit ein Recht für alle Umweltinitiativenerstritten. Die Plakate mit dem umstrittenenMotiv waren Teil einer Kampagne, mit der Greenpeace Anfang der neunziger Jahregegen die Herstellung von Fluorchlorkohlen-wasserstoffen (FCKW) durch die Kali-Chemie und die Hoechst-AG protestierthatte.

In der Begründung des Bundesverfas-sungsgerichtes, warum die Beschwerde Hil-gers nicht angenommen wurde, nimmt dasGericht Bezug auf das Urteil des Bundesge-richtshofs7:

„Die Feststellung des Bundesgerichtsho-fes, die Plakataktion von Greenpeace seiweder als Angriff auf die Menschenwürdedes Beschwerdeführers noch als Schmähungeinzustufen, ist von Verfassungs wegen nichtzu beanstanden. (...)

Der Bundesgerichtshof hat andererseitserhebliche Gesichtspunkte angeführt, die füreinen Vorrang für die Meinungsfreiheit spre-chen. Das gilt vor allem für die Erwägung,das Plakat betreffe eine Frage von herausra-gender umweltpolitischer Bedeutung. DieProblematik eines FCKW-Verbots wurde zuBeginn der 90er Jahre ausgiebig und höchstkontrovers in Politik und Gesellschaft disku-tiert. Mit der Plakataktion verfolgte Green-peace ersichtlich das Ziel, in dieser die Öffent-lichkeit wesentlich berührenden Frage Druckauf Unternehmen auszuüben, welche nochFCKW produzierten. Zu Recht hat der Bun-desgerichtshof betont, dass sich eine Person,die sich kraft ihrer Stellung Entscheidungenvon solcher Tragweite, wie sie hier zur De-batte stünden, zurechnen lassen müsse, inbesonderer Weise der Kritik zu stellen habe.“

(Mehr dazu im Abschnitt 1.2. FCKW-Greenfreeze-Kühlschrank)

Dazu schreibt der Greenpeace-AnwaltMichael Günther im „Greenpeace-Buch“8:

„Die Freiheitsrechte schaffen den Raumfür öffentliche Meinungsbildung – ohne dasRecht auf Information und ohne einen freienDiskurs ist ein wirksamer Umweltschutznicht möglich. (...) Konfliktbereitschaft istdeshalb so wichtig, weil sich die Rechtsord-nung in einer Schieflage befindet. Dergerichtliche Rechtsschutz – und damit auchdie Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwal-tung und die Durchsetzung rechtlicherPflichten – ist fast ausschließlich an eigen-nützige Interessen, an subjektive, öffentlicheRechte, nicht aber an das Gemeinwohl ge-koppelt. Jeder Bürger kann sein Privateigen-tum und seine egoistischen Interessen vorGericht verteidigen. Rechtswidrige, vom Staatgeduldete Eingriffe in Umwelt und Naturgü-

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Greenpeace-Protest gegen

den Klimawandel und dessen

Hauptverantwortliche.

5) PE vom 25.3.1994.6) PE vom 5.6.1999 7) Begründung Bundesverfassungsgericht vom 8. April 1999 und Urteil Bundesgerichtshof vom 12. Okotber 1993.8) Das Greenpeace-Buch/C.H.Beck, Seite 75, „Greenpeace und das Recht“.

Page 10: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

ter hingegen können in der Regel vor Gerichtnicht mit Erfolg verhindert werden. Das Ver-waltungsermessen wird von denen beein-flusst, die wirtschaftlich und vor GerichtDruck ausüben können. (...)

Gegendruck, erzeugt durch öffentlicheAktionen, korrigiert die Schieflage bis zueinem gewissen Grad – verantwortungsbe-wusste Beamte und Richter sind dafür manch-mal dankbar.“

Gen-Raps,

Potsdam Agrarminister 2001

Auch bei einer Aktion gegen Gentechnik inder Landwirtschaft am 5.6.2000 gaben dieJuristen dem Anliegen der UmweltschützerRecht. Mit Ausnahme eines Aktivisten stelltdie Staatsanwaltschaft Potsdam die Ermitt-lungsverfahren gegen die übrigen ein.

Die Greenpeacer hatten dem damaligenLandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke(SPD) eine Ladung gentechnisch verändertenRaps vor die Füße gekippt, um damit gegenden gentechnikfreundlichen Kurs Funkes zu

protestieren9. 20 Aktivisten schaufelten eineLastwagenfuhre der Gentech-Pflanzen vorden Eingang eines Hotels in Potsdam, wo derMinister einen Agrarkongress eröffnete.Ende Mai hatte Greenpeace den illegal nachDeutschland gelieferten Raps auf einem Feldin der Nähe von Ulm abgemäht10.

In der Begründung der Potsdamer Staats-anwaltschaft heißt es11: „In Anbetracht des-sen, dass bis auf die Reinigungskosten des

Hotels keine Schädigungen verursacht wur-den, stellt sich die Blockierung des Hauptein-gangs durch Mist, den die Aktivisten vonGreenpeace als ,Genraps‘ bezeichnen, nochals sozialadäquate Nebenwirkung der Mei-nungs- und Versammlungsfreiheit dar, sodass das Handeln der Aktivisten von ,Green-peace‘ nicht als ,verwerflich‘ i.S. von § 240Abs. 2 StGB (Nötigung) anzusehen ist.“

Gegen den Strafbefehl wurde Einsprucheingelegt. Hauptverhandlung vor dem Amts-gericht Potsdam wurde für Juni 2001 anbe-raumt. Das Verfahren wurde gegen Zahlung

10 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Aus Protest gegen Gentechnik

in der Landwirtschaft kippen

Greenpeacer den politisch

Verantwortlichen Gen-Raps

vor das Kongress-Gebäude.

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9) PE vom 5.6.2000. 10) PE vom 29.5. 2000. 11) Begründung GP-Az.:20/2000.

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Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 11

einer Geldbuße eingestellt und ist damit ab-geschlossen.

Castor, Anketten Mannheim 2001

Am frühen Morgen des 23.4.2001 waren aufdem Rangierbahnhof in Mannheim-Hoch-stätt unter der Autobahnbrücke drei leereCastor-Behälter auf Eisenbahn-Waggons ab-gestellt.

Sechs junge Greenpeacer hatten sich je-weils zu zweit zusammengekettet, und zwarunter den Schienen und unter den Trans-portbehältern, um grundsätzlich gegen Cas-tor-Transporte zu protestieren. Die leeren Be-hälter sollten befüllt und dann über Frank-reich in die Wiederaufarbeitungsanlage Sel-lafield gebracht werden. Die Umweltschüt-zer wurden vor dem Jugendgericht des Amts-gerichtes Mannheim wegen gemeinschaft-licher Nötigung angeklagt.

In der Urteilsbegründung vom 20. Juni2001 schrieb das Gericht12, dass das Ankettenan die Gleise zwar als „sozial unverträglich“anzusehen sei, aber: „Das Gericht ist der An-sicht, dass der Zweck der Nötigung als sol-cher hier nicht als verwerflich angesehenwerden kann, da das verfolgte Nahziel derVerzögerung des Castor-Transports und desPolizeieinsatzes unter dem von den Ange-klagten angeführten Fernziel – öffentlicherHinweis auf die Nicht-Verantwortbarkeit desTransports von Atommüll ins Ausland wegendes dort nahezu unkontrollierten Umgangsmit diesem gefährlichen Stoff- gerade um dieZeit des 15. Jahrestages der Katastrophe vonTschernobyl nachvollziehbar erscheint.“

Und zum Schluss gibt es sogar noch rich-terliches Lob für das Engagement der sechs:

„Nach dem Ergebnis der Hauptverhand-lung hielt es das Gericht für angemessen,allen sechs Angeklagten eine Verwarnungsowie eine sechstägige Arbeitsauflage zu er-teilen. Positiv erscheint es, dass alle Ange-klagten einen auffallend positiven persön-lichen und schulischen Lebensweg vorwei-sen können. Sie durchlaufen sehr zielstrebigund bewusst ihre schulische bzw. beruflicheLaufbahn und haben dabei Erfolg, sie haben

schon früh sinnvolle Freizeitinteressen undaußerschulische Engagements entwickelt undvermochten in der Hauptverhandlung einsachliches und ruhiges Gespräch zu führen.Was die Straftat betrifft, so gehören allesechs ohne Zweifel nicht zu irgendwelchenzweckfrei Randalierenden. Vielmehr wurdedeutlich, dass sie in Bezug auf Umweltschutz-fragen und speziell die Atomenergie thema-tisch und inhaltlich außerordentlich gutinformiert waren und darüber auch sehrsachlich und ruhig und ohne jede Militanzzu reden vermochten. Dabei war ihnen dieGewaltfreiheit ihrer Aktionen, wie sie sie inihrem Laienverständnis definiert haben, ex-trem richtig (A.d.V.: wahrscheinlich ist „wich-tig“ gemeint), nämlich dahin gehend, dassweder Sachen noch Menschen zu Schadenkommen sollten. Auf diesem positiven Hin-tergrund hielt das Gericht erzieherische Maß-nahmen nicht für notwendig.“

Oil of elf 2001

Der Mineralölkonzern TotalFinaElf war vorGericht gezogen, weil Greenpeace unter der

Durch Anketten an den

Schienen der Castor-

Transportstrecke protestieren

Greenpeacer gegen die

Atomenergie.

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12) Urteilsbegründung Amtsgericht Mannheim.

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12 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Internet-Adresse oil-of-elf Informationen zuden Umweltverbrechen bei der Ölförderungin Russland darstellte, für den sie den Kon-zern mit verantwortlich machte. TotelFinaElfklagte auf Unterlassung.

Das Kammergericht Berlin entschied am23. Oktober 2001: „Der Antragstellerin (TotalFinaElf) steht gegen den Antragsgegner (Green-peace ) kein Unterlassungsanspruch dahin zu,unter der Internet-Domian www.oil-of-elf auf-zutreten.“ Damit stellte das Gericht die Infor-mationsfreiheit höher als Verletzungen des Fir-men- oder Namensrechts13.

1.2 Kampagnen:

Welche Aktionen hatten welche

Funktion und welche Wirkung?

Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern beschäftigen sich mit den Grundmusternglobalen kollektiven Handelns und analysie-ren dabei auch die internationalen Kampag-nen von NGOs, von Nichtregierungsorgani-sationen wie Greenpeace. So beschreibt derWissenschaftler Christian Lahusen die Kon-textbedingungen internationaler Kampag-nen wie folgt: „Wie Thränhardt bezeichnendfeststellt, hat die Inkongruität zwischen glo-balen Risiken und Missständen, bestehen-den Moralstandards und dem Fehlen eineseffektiven transnationalen Regierungshan-delns die Rolle und den Einfluss von sozialenBewegungen in der internationalen Arenaverstärkt und international agierende Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) in zuneh-mendem Maße als ‚missing link‘ etabliert.Soziale Bewegungsakteure können nämlichinitiativ werden und internationale Abkom-men einklagen oder kontrollieren, ohne aufDiplomatie und Prinzipien der Nichteinmi-schung Rücksicht nehmen zu müssen. Dasheißt, internationale Regime gelten nicht bloßals externe politische Gelegenheitsstruktu-ren für strategisches Bewegungshandeln,

weil soziale Bewegungsorganisationen undihre Kampagnenarbeit selbst Teil dieser Arenasind, ihre Einbindung nicht strategischer,sondern struktureller Art ist. Beispielsweisesprechen die Vereinten Nationen und ihrediversen Unterorganisationen internationa-len NRO eine stets wichtigere Rolle zu.“14

Die Wissenschaftler Hilmar Schmidt undIngo Take sehen „den Beitrag von Nichtregie-rungs-Organisationen zur Demokratisierunginternationaler Politik und außenpolitischerEntscheidungsprozesse (...) in erster Linie inder Schaffung von Transparenz. (...) Die Trans-parenz politischer Entscheidungsprozesse isteine zentrale Kategorie der gesellschaftlichenRückbindung von politischer Macht (...) NGOsunternehmen es deshalb, sich auch in außen-politischen bzw. internationalen Fragen Kom-petenz zu erwerben (zumindest in Bezug aufihr jeweiliges ‚issue‘) und sich damit in dieLage zu versetzen, internationale Entschei-dungsprozesse zu durchschauen.“15

Die Öffentlichkeit traue deshalb in stei-gendem Maße den „issue“-orientierten NGOszu, auf die neuen Probleme in angemessenerWeise zu reagieren als die Parteien und In-teressenverbände (siehe auch Abschnitt 1.2zu Brent Spar).

Auch Ansgar Klein betont die „unbestreit-bar (...) wichtige Rolle, die Bewegungsakteu-ren bei der Artikulation von Problemsichtenim Prozess der politischen Willensbildungzukommt. Die Thematisierung der Ökologie-frage und von Fragen des Geschlechterver-hältnisses ist das Verdienst der neuen sozia-len Bewegungen. (...) Und auch Greenpeaceträgt – bei allen Ambivalenzen und Risikeneiner mit den Mitteln symbolischer Politikunter den Selektionsvorgaben der Massen-kommunikation operierenden Kampagnen-politik – zur öffentlichen Problemartikula-tion aus Sicht advokatorischer Politik bei.“16

Greenpeace gehört zu den „issue-orien-tierten“ NGOs, den themenorientierten Nicht-regierungsorganisationen, die in Kampagnen

13) Urteilsbegründung. 14) Christian Lahusen, Internationale Kampagnen. Grundmuster und Kontextfaktoren globalen kollektiven Handelns,

Forschungsjournal NSB, Jg. 9, Heft 2, 1996.15) Hilmar Schmidt und Ingo Take/„Demokratischer und besser?“ Seite 14.16) Ansgar Klein, Die Legitimität von Greenpeace und die Risiken symbolischer Politik. Konturen und Probleme einer medialen Stellvertreterpolitik

im Bewegungssektor, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 9, Heft 1, 1996.

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Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 13

Missstände an die Öffentlichkeit bringen,um politische Veränderungen zu bewirken.Und die reichen oft über das eigentlichekurz- oder mittelfristige Ziel der Kampagnehinaus. Hier einige Beispiele:

Dünnsäure

1980 startete Greenpeace eine Kampagne zurBeendigung der Dünnsäure-Verklappung inder Nordsee. Das sachbezogene Ziel war dieEinstellung der Ableitung saurer Produkti-onsabfälle aus der Titanoxidherstellung insMeer. Titanoxid war für die Herstellung vonFarben wichtig. Doch mit dieser Kampagneist es der Umweltorganisation indirekt ge-lungen, das Vorsorgeprinzip in der öffentli-chen Debatte zu verankern. Die Verklappungvon so genanntem Grünsalz aus der Titan-dioxid-Produktion endete 1984. Zum erstenMal erwähnte dieses Prinzip die erste Nord-see-Ministerkonferenz 1984. Das Prinzip wur-de 1987 auf der zweiten Nordseekonferenzweiterentwickelt. Die Einbringung von Dünn-säure wurde Ende 1989 ganz eingestellt.1989 wurde das Vorsorgeprinzip sogar vomUmweltprogramm der Vereinten Nationenübernommen17.

Andreas Ahrens und Jochim Lohse vonÖkopol, Hamburg haben für Greenpeace dieLangzeitwirkung der Kampagne ausgewertet:

„Die politischen Auseinandersetzungenum die Titandioxidrichtlinie der EU und die parallelen Diskussionen im Rahmen von OSPAR (Oslo-Paris-Kommission zum Mee-resschutz) sind als Schlüsselauseinanderset-zungen um den Besorgnisgrundsatz bzw. dasVorsorgeprinzip zu werten18. Aus der Erkennt-nis, dass selbst für punktförmige Einträgegefährlicher Stoffe die beobachtbaren biolo-gischen Effekte selten monokausal erklärbarsind, hat sich im Bereich der Meeresschutz-Konvention das Vorsorgeprinzip politischdurchgesetzt. So haben die OSPAR und HEL-COM Strategie gegen gefährliche Stoffe 1998nicht nur die Vermeidung von Effekten zum

langfristigen Ziel erklärt, sondern das Endeder Einträge schädlicher Stoffe bis 2020. (...)

Die Bedeutung europäischer Umweltpoli-tik wurde in Deutschland in den 80er Jahrennur wenig wahrgenommen. Erst im Rück-blick wird deutlich, in welcher Weise die Dis-kussion um die Dünnsäure die europäischeEntwicklung zwischen 1973 (Erstes Aktions-programm der Europäischen Gemeinschaf-ten) und Mitte der 90er Jahre (Verträge vonMaastricht und Amsterdam) geprägt hat. DasVerhältnis zwischen Parlament und Rat unddas Verhältnis zwischen Artikel 130s (Umwelt-schutzmaßnahmen, einstimmige Entschei-dungen im Rat, ursprünglich keine Beteili-gung des Parlaments) und 100a (Markthar-monisierung, Mehrheitsentscheidungen imRat, Beteiligung des Parlaments) wurden ent-scheidend von der Titandioxid-Debatte ge-prägt. Sie hatte deutlich gemacht, in welchemMaße umweltbezogene Anforderungen anProduktionsprozesse marktprägend für be-stimmte Produkte sein können.“

Und ein Auszug aus dem Sachbuch „Che-mische Industrie – Umweltschutz, Arbeits-schutz, Anlagensicherheit“ von Horst Pohle19:

„Die am 21. Juni 1989 verabschiedete drit-te Titandioxid-Richtlinie der EG zur Harmo-nisierung der nationalen Verringerungspro-gramme enthält Übergangsfristen für dieEinleitung von Dünnsäure bis Mitte 1993,die insbesondere von Frankreich, Großbri-tannien und Spanien in Anspruch genom-men werden. (...) Die Richtlinie ist für deneuropäischen Gewässerschutz von besonde-rer Bedeutung. Für die Einleitung eines Stof-fes (Dünnsäure) gelten erstmals keine Quali-tätsziele, sondern Einleitungsverbote. Hierhat sich mit der Umsetzung des Standes derTechnik die vorsorgende Umweltschutzpoli-tik durchgesetzt.“

(Siehe auch Gerichtsurteil zu Dünnsäure imAbschnitt 1.1.)

17) Kevin Stairs auf Greenpeace-WTO-Workshop Juli 2000 in Genf, Greenpeace International seminars on Safe Trade, Seite 14.18) Rekonstruktion und Bewertung zweier Greenpeace-Kampagnen zum Meeresschutz /Andreas Ahrens, Joachim Lohse/Ökopol Hamburg,

März 1999, S. 17.19) „Chemische Industrie – Umweltschutz, Arbeitsschutz, Anlagensicherheit“ von Horst Pohle/VCH Verlagsgesellschaft 1991.

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14 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Greenfreeze-Kühlschrank

1989 startete Greenpeace eine Kampagne gegen Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) zueinem Zeitpunkt, als sich keine Regierungfür ein Verbot dieses aggressiven Stoffes ein-setzte. FCKW zerstören die Ozonhülle derErde, die vor schädlichen UV-Strahlen derSonne schützt. In einem Rückblick schreibtChris Rose, ehemaliger Geschäftsführer vonGreenpeace England20: „Der US-Innenstaats-sekretär Donald Holdel schlug vor, anstattder Industrie den Ausstieg aus FCKW nahezu legen, solle man Amerikaner dazu ermun-tern, Sonnenbrillen, Hüte und Sonnencremezu tragen.“

In zunehmendem Maße begann Green-peace nicht nur Protest und Widerstand zuformulieren, sondern auch positive Lösungenund Optionen zu erarbeiten. Auf technologi-schem Gebiet gehören hierzu insbesonderezwei Demonstrationsobjekte, die fundamen-tale industrielle Umwälzungen zur Folge hat-ten: der weltweit erste FCKW/FKW-freieKühlschrank, Greenfreeze, sowie die erste

Zeitung der Welt auf chlorfrei gebleichtemTiefdruckpapier in Form eines Spiegel-Plagiats (siehe auch Abschnitt 1.4).

Die Geschichte des FCKW-freien Kühl-schranks namens Greenfreeze begann 1990gegen den Widerstand der gesamten Bran-che und brachte innerhalb von drei Jahrenden Durchbruch für die umweltschonendeKühltechnik in Deutschland.

Im Gegensatz zu den sieben großen deut-schen Kühlschrankherstellern, die die Natur-gase Propan und Butan als Ersatz für den Kli-makiller FCKW noch bis in das Jahr 1993verteufelten, griff das von der Schließungbedrohte Unternehmen dkk im sächsischenScharfenstein den Greenpeace-Vorschlag „Na-turgase statt FCKW und FKW“ auf. In kür-zester Zeit entwickelten Geschäftsführungund Belegschaft der dkk Scharfenstein (späterForon) den Greenfreeze bis zur Serienreife.

Auf der Domotechnica, der weltgrößtenHaushaltsmesse, präsentierten im Februar1993 plötzlich auch Bosch, Siemens, Liebherrund Miele Kühlschränke, die mit Isobutanals Kälte- und Pentan als Schäummittel ar-beiteten – keine fünf Monate, nachdem siediese fortschrittliche Technik als „unrealis-tisch“ und gefährlich diffamiert hatten. Green-freeze bekam auf der Domotechnica vomdeutschen Umweltministerium den BlauenUmweltengel verliehen. Es sollte nicht dieletzte Auszeichnung bleiben.21

In einem Artikel über die „Foron-Story“im „Akzente Special Edition/December 1994”,einer Publikation der Gesellschaft für techni-sche Zusammenarbeit (GTZ), hieß es: „Im Fe-bruar 1993 gewann der ,saubere Kühlschrank‘den Blauen Engel des Umweltministeriumsauf der Domotechnica. Im März begann dieMassenproduktion. Im Juni wurde die Firmamit dem ersten Umweltpreis der Bundesum-weltstiftung belohnt. Darauf folgte im Herbstder Innovationspreis des Freistaats Sachsenund der Alternative Marketing Preis, den Di-

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Auf der Messe in China

stellt der Greenpeacer

Wolfgang Lohbeck 1993 den

FCKW-freien Greenfreeze vor.

20) www.greenpeace.org/„Trail-blazers – The Strategic Role of Greenpeace“/Chris Rose21) Auch die Entwickler der als „Dortmunder Mischung“ bekannt gewordenen halogenfreien Ersatzstoffe für FCKW, Prof. Dr. Harry Rosin und

Dr. Hans Preisendanz, wurden ausgezeichnet. Die beiden Mediziner wurden am 24.11.2000 im Umweltministerium in Düsseldorf mit demVerdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland für die Entwicklung und Durchsetzung einer neuen umweltfreundlichen Kälte-technik, der ab 1993 durch die Zusammenarbeit mit Greenpeace unter dem Titel „Greenfreeze“ in Kühlschränken der Durchbruch gelang.Staatssekretärin Christiane Friedrich: „Mit dieser FCKW-freien Kältetechnik haben Prof. Dr. Harry Rosin und Dr. Hans Preisendanz einenbesonders bedeutenden Beitrag zur Erhaltung der Ozonschicht und damit der Umwelt geleistet.“ Presseerklärung des MURL NRW. http://www.munlv.nrw.de/presse/pressemitteilungen/ue001124.htm

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Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 15

rektor Günther mit dem Greenpeacer Wolf-gang Lohbeck teilte.”

Mit der Entwicklung des Greenfreeze warder FCKW-Ausstieg ein Stück näher gerücktund Arbeitsplätze gerettet. Als gemeinnützi-ge Organisation hatte Greenpeace bis Ende1992 ca. 500.000 DM investiert.22

Im GTZ-Jahrbuch 1995 „HydrocarbonTechnology Yearbook 1995 – The Use of Hy-drocarbons as Foaming Agents and Refrige-rants in Household Refrigeration” wird derEinsatz von Greenpeace ebenfalls lobend er-wähnt. Besonders das Engagement des Green-peace-Experten Wolfgang Lohbeck wird her-vorgehoben: „Im Oktober 1993 gewann Loh-beck den Alternativen Marketing Preis für,neue Methoden im Produkt-Marketing. (...)‘.

Seitdem hat Lohbeck die Hände nicht inden Schoß gelegt. Er hat intensive Kontaktezum Montreal-Protokoll aufgenommen, denGreenfreeze auf Ausstellungen in China undin Tokio/Japan vorgestellt und er hat Foronmit der indischen Regierung ins Gesprächgebracht. Dank seiner Arbeit hat die FirmaLiebherr eine Kühlschrank-Fabrik in Qing-dao, China, mit der neuen Technologie ausge-stattet (...). Die pragmatische Ausrichtung derGreenpeace-Kampagne hatte den Nebenef-fekt, dass den nicht-industrialisierten Län-dern eine Innovation kostenlos zur Verfü-gung gestellt werden konnte.”23

Seit der Kampagne für den FCKW- undFKW-freien Kühlschrank genießt Greenpeaceauch in Fachkreisen Respekt. Im Oktober1995 trafen sich in Washington über 1.500Delegierte aus aller Welt zu einer Konferenzüber FCKW-Ersatzstoffe – Greenpeace-Exper-te Wolfgang Lohbeck leitet die Veranstaltun-gen zum Thema „Kohlenwasserstoffe als Käl-temittel“. 24

Auch Wissenschaftler und sogar die Ver-treter einer großen Anzahl von Kühlschrank-Herstellern (Liebherr, AEG, Bosch-Siemens,Linde, DeLonghi ...) äußern sich positiv über

den Greenfreeze. In der Einleitung des vonGreenpeace herausgegebenen Sammelban-des zum Thema „Hydrocarbons and otherprogressive answers to refrigeration” schreibtder deutsche „Kältepapst“ Prof. Dr. Ing. HorstKruse (Universität Hannover, Institut für Käl-tetechnik und angewandte Wärmetechnik):„Greenpeace hat bei der Anwendung vonKohlenwasserstoffen in modernen Kühlgerä-ten, Klimaanlagen und Wärmepumpen diewichtigste Rolle gespielt. (...) Es war (A.d.V.die Umweltorganisation) Greenpeace, diesich um den Ersatz von FCKW durch HFKWbemüht hat, weil die Fluorchlorkohlenwas-serstoffe einen ernormen Anteil des globalenErwärmungs-Potenzials ausmachen, währendHFKW dazu nur unwesentlich beitragen. DerErfolg von Greenpeace begann in Deutsch-land zusammen mit der ostdeutschen Firmadkk Scharfenstein, die ihre östlichen Markt-anteile durch die deutsche Wiedervereini-gung verloren hatte.25“ Und er schließt mitfolgendem Ausblick: „So war es der Green-peace-Initiative zu verdanken, dass die Indus-trie mit der modernen Kohlenwasserstoff-Technologie den ersten Schritt gemacht (...)hat. Mit wachsender Erfahrung mit diesenAnwendungen liegt es in den Händen der In-dustrie, die alten natürlichen Gase in moder-nen, umweltfreundlichen Kühlgeräten, Klima-anlagen und Wärmepumpen einzusetzen.Aber es bleibt weiterhin in der Verantwor-tung der Regierungen der ganzen Welt, diesenProzess der Entwicklung umweltfreundlicherSysteme zu unterstützen, um die globaleUmwelt auch in der Zukunft zu schützen.26“

Selbst Hermann Hahn von Liebherr Haus-geräte („Die gesamte Entwicklung ist welt-weit stark von der internationalen Organisa-tion Greenpeace unterstützt worden“27) undDr. Udo Wenning von Bosch-Siemens Haus-geräte heben den Anteil von Greenpeace deut-lich heraus: „Die ostdeutsche Firma Foron hatmit Unterstüzung von Greenpeace den ersten

22) Greenpeace Jahresrückblick 1992, S.15.23) Akzente Special Edition/December 1994, The Greenfreeze Campaign, S. 29.24) Greenpeace Jahresrückblick 1995, S. 29.25) Greenpeace (Hrsg.), Hydrocarbons and other progressive answers to refrigeration, S. 1.26) Ebenda, S. 2.27) The Change to Hydrocarbon Refrigerators and Freezers, S. 5.

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16 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Kühlschrank mit einer Mixtur aus Isobutanund Propan auf den Markt gebracht. (...)Innerhalb sehr kurzer Zeit waren deutscheHersteller in der Lage, (A.d.V. das Kühlmit-tel) 134 a durch Isobutan zu ersetzen.”28

In einem vom Deutschen Museum Bonnmoderierten Technikdialog zwischen DieterBärmann (Bosch/Siemens) und Wolfgang Loh-beck gibt der Kältefachmann zu: „Also, HerrLohbeck, den Krieg um den Kühlschrank, denhaben Sie also gewonnen.“29 Bährmann gehtsogar noch weiter: „Nachdem nun mittlerwei-le gut zwei Jahre abgelaufen sind und sichunsere Gegnerschaft in eine Partnerschaftverwandelt hat, können wir – glaube ich –mit einiger Zufriedenheit, zumindest überEuropa, den FCKW-freien Mantel breiten.“30

Aber auch außerhalb von Europa sorgteder Greenfreeze für Aufsehen. So bekamGreenpeace Germany am 24.10.1995 denStratospheric Ozone Protection Award derUS EPA (US-amerikanische Umweltbehörde)verliehen.

Prof. Dr. Klaus Töpfer, Exekutiv-Direktorder UNEP, gratulierte am 16.11.1998 ThiloBode von Greenpeace International zumErhalt des UNEP-Ozone-Award (Umweltpreiszum Schutz der Ozonschicht des Umwelt-programms der Vereinten Nationen): „Ichhabe mich sehr gefreut, durch Ihren Briefvon den fortgesetzten erfolgreichen Aktivitä-ten von Greenpeace International zu erfah-ren. Besonders glücklich bin ich darüber,dass Greenpeace für den UNEP-Ozone-Award für die Entwicklung der Greenfreeze-Technologie vorgeschlagen wurde (...). Ichwünsche mir in der Zukunft eine intensivereKooperation zwischen Greenpeace Interna-tional und der UNEP. Bitte lassen Sie mich eswissen, wenn immer Sie das Gefühl haben,dass Ihnen meine Unterstützung helfenkann. Ich will mein Möglichstes tun. Ichwünsche Ihnen für die künftige Arbeit vol-len Erfolg.“

In seinem Artikel „Driving Environmen-tal Innovation Diffusion in China: The Case

of Greenfreeze (2002)“ betont Edwin R. Staf-ford, Associate Professor of Marketing derUtah State University, mehrfach die positiveBedeutung von Greenpeace bei der Verbrei-tung des FCKW- und FKW-freien Kühl-schranks.

Die Neuartigkeit der Kampagne beschreibtStafford auf Seite 5: „Greenpeace, bestens be-kannt für die Boots-Jagden nach Walfängernund dramatische Proteste, hat sich selbst imletzten Jahrzehnt neu erfunden und zwar miteiner neuen Art von öko-politischem Akti-vismus, den so genannten ,Lösungs-Kampag-nen‘. ,Lösungen‘ sind praxisbezogene Inno-vationen, die sich zur Beseitigung von Um-weltproblemen eignen, aber bisher von derIndustrie ignoriert oder unterdrückt wordenwaren, weil sie durch neue Technik den bis-herigen Status gefährdet, Marktposition oderProfite bedroht sah. Mit Hilfe einer provoka-tiven Mischung traditioneller Aktionen undkollektiver Untergrabung, trat Greenpeacefür die ,Lösung‘ in bei der Industrie, beiRegierungen und bei Verbrauchern an, umdie Nachfrage zu stimulieren und die pfiffigeökologischere Technik zu verbreiten. (...) DerErfolg wurde zum Sprungbrett, um den Kühl-schrank in China und anderen Entwicklungs-ländern bekannt zu machen.“

Es kommt zu einer noch nie da gewese-nen Zusammenarbeit: „Obwohl Lohbeck sichnicht über die deutsche Industrie ärgerte,sah er die ,historische Chance ökonomischeund ökologische Interessen‘ zu vereinen, umden Greenfreeze in China zu verbreiten. (...)Auf der Pekinger Konferenz arbeiteten Loh-beck und andere Greenpeace-Mitarbeiter mitder Spitze der chinesischen Regierung, Indus-trievertretern und Universitäts-Wissenschaft-lern zusammen. Greenpeace zeigte Green-freeze-Kühlschränke von Foron, Bosch-Sie-mens und Liebherr und bewarb die Techno-logie intensiv als ,neuesten Stand deutscherTechnik.‘ Beeindruckt baten Chinas Offiziel-le darum, dass Greenpeace ein Joint Venturemit deutschen Herstellern vermitteln sollte.

28) No-frost Refrigeration: A Retrospect After Conversion to Hydrocarbons, S. 34.29) Technikdialog 8: Dieter Bärmann und Wolfgang Lohbeck sprechen über „Werbung gegen Umweltzerstörung?“ – die Einführung des ersten

FCKW- und FKW-freien Kühlschranks. Hrsg. von Peter Frieß und Peter M. Steiner, Bonn 1997, S. 19.30) Ebenda, S. 21.

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(...) Die Experten-Kommission OORG (OzoneOperations Resource Group) billigte denGreenfreeze (1993 A.d.V.) als einen brauchba-ren Ersatz für die Fluorchlorkohlenwasserstof-fe in Haushalts-Kühlschränken. (...) In kurzerZeit hat die politische Hinterzimmer-Arbeit derUmweltorganisation die Hochzeit von Welt-bank-Kapital mit chinesischer Nachfrage unddeutschem Industrie-Know-how eingefädelt.”

Diese Erfolge in China führten dazu, dassbis zum Sommer 1995 „drei der vier größtenKühlschrank-Hersteller – in Teilen – auf dieGreenfreeze-Technologie eingestiegen wa-ren. (...) Kelon (Firma in der Provinz Guang-dong, A.d.V.) hat 1997 eine Million Green-freeze-Kühlschränke hergestellt. Zu Beginndes 21. Jahrhunderts waren bereits 35 Prozentaller in China verkauften Kühlschränke mitder Greenfreeze-Technologie ausgestattet36.

Dass sich jetzt auch japanische Herstellerder Greenfreeze-Technologie angenommenhaben, bewertet Stafford als großen Durch-bruch auf dem asiatischen Markt: „Die Chine-sen schauen immer zu den japanischen Her-stellern im Ringen um den technologischenFührungsanspruch. Nun kamen von Matsu-shita, Toshiba, und Hitachi neue vielverspre-chende Signale. Im Januar 2002, nach fast einem Jahrzehnt der Lobbyarbeit durch Green-peace, begannen diese Hersteller, die Green-freeze-Technik zu propagieren. Es ging darum,die Nachfrage in China nach japanischenProdukten zu bedienen. Japans Übernahmedes Greenfreeze wird seinen Widerhall inganz Asien haben.”

So klingt auch die Zusammenfassung desamerikanischen Wissenschaftlers hoffnungs-froh: „Greenpeace und seine Verbündetenhaben dazu beigetragen, über 55 MillionenGreenfreeze-Kühlschränke weltweit zu ver-kaufen. Seit 2000 hat Greenfreeze maßgebli-che internationale Verbreitung durch Coca-Cola, Unilever, McDonald‘s und andere Kon-zerne gefunden. (...) Die Übernahme derGreenfreeze-Technologie durch die führendenjapanischen Hersteller könnte die Totenglockefür umweltzerstörende Kühlgeräte sein.”

Der Verbreitung des FCKW-freien Kühl-schranks in China weist Stafford so aucheine Vorreiterrolle bei der Durchsetzung vonumweltfreundlichen Technologien zu: „DasWettrennen um die Einführung des Green-freeze in China bietet wichtige Erfahrungenfür Unternehmen, Regierungen, Umwelt-schützer und Berater, wie man Märkte fürökologische Produkte in Entwicklungslän-dern erschließen kann.”31

Weltpark Antarktis

Am 4. Oktober 1991 wurde der Traum vielerUmweltschützer wahr: Auch die letzten Ant-arktis-Vertragsstaaten unterzeichneten end-lich ein Umweltschutzabkommen für deneisigen Kontinent. Das Abkommen verbietetnicht nur den Rohstoffabbau in der Antark-tis für die folgenden 50 Jahre, sondern er-kennt auch die Natur als Wert an sich an.

Zu diesem Schwenk der Vertragsstaatenin Richtung Umweltschutz hatten zwei Schiffs-unfälle im Jahr 1989 beigetragen: die „ExxonValdez“-Katastrophe in Alaska und die Hava-rie der „Bahia Paradiso“ in der Antarktis. BeideUnfälle bewiesen, was für eine unkontrollier-bare Situation entsteht, wenn große MengenÖl in schwer zugängliche Gewässer gelangen.Daraufhin entschloss sich Australien, das Roh-stoffabkommen für die Antarktis (CRAMA),das sechs Jahre lang ausgehandelt wordenwar, zu blockieren. Dabei enthielt das CRAMAdank der Arbeit der Umweltgruppen bereitsdie strengsten Umweltauflagen, die je in eineminternationalen Dokument fixiert wurden.Aber, wie der australische Außenminister Ga-reth Evans sagte: „Die einzig vernünftigeReaktion ist, die bloße Möglichkeit einesAbbaus, die die CRAMA noch offen gelassenhat, zu verhindern.“ Außerdem gab Evans zu,dass der Druck, den Gruppen wie Greenpea-ce und die australische „Conservation Foun-dation“ auf seine Regierung ausgeübt hatten,sehr große Wirkung gehabt habe. „Wirfürchteten, dass der Umweltschutz derAntarktis schon unter dem Versuch, Rohstof-fabbau zu planen, leiden würde.“31

31) Edwin R. Stafford, Driving Environmental Innovation Diffusion in China: The Case of Greenfreeze, In preparation for Business Horizons(2002), S. 1.

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Auch in Deutschland setzte sich Green-peace aktiv für das Zustandekommen desUmweltabkommens ein. Mit einer Briefsen-dung 1991 bewog Greenpeace 250.000 Men-schen dazu, an Wirtschaftsminister Mölle-mann (FDP) zu schreiben. Möllemann, des-sen Ministerium sich die Möglichkeit zumRohstoffabbau in der Antarktis stets hatteoffen halten wollen, zeigte sich von derAktion sehr beeindruckt und sprach sich dar-aufhin für ein dauerhaftes Abbauverbot aus.Das Einlenken der Japaner folgte kurz da-rauf, und nachdem auch die USA zugestimmthatten, war der Weg für das Abkommen frei.

Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dassohne die Arbeit von Greenpeace das Umwelt-

abkommen nicht zustande gekommen wäre.Bereits 1983 erklärte Greenpeace den Schutzdes sechsten Kontinents zum zentralen A n-liegen und startete eine Kampagne für einenWeltpark Antarktis. 1987 errichtete die Um-weltschutzorganisation stellvertretend für dieWeltöffentlichkeit eine eigene Station in derAntarktis, in der bis 1991 jeweils ein vierköp-figes Team überwinterte, und dokumentierteauf Expeditionen die Zerstörung des letztenunberührten Kontinents. Die Greenpeace-Station und die Expeditionen in der Antark-tis hatten Vorbildcharakter, denn sie genüg-ten den strengsten Sicherheitsvorschriften –und das hatte seinen Preis: Der Stationsbe-trieb kostete Jahr für Jahr 2.703.000 DM, dieExpedition 1991 2.565.000 DM.32

Im Vorfeld der Weltklimakonferenz inKyoto 1998 dokumentierte die Crew desGreenpeace-Schiffs „Arctic Sunrise“ erste An-zeichen eines Klimawandels im ewigen Eis.

Im selben Jahr wurde auch die Visionvom Weltpark Antarktis Realität: Mit derendgültigen Ratifizierung des Umwelt-schutzabkommens der Antarktis-Vertrags-staaten wurde der sechste Kontinent am14.1.1998 zum Naturreservat. Die Erkennt-nis, dass die Antarktis ein schützenswerterKontinent ist, hat sich durchgesetzt. Interna-tionale Forschung im größten „Freilichtla-bor“ und „eisigen Geschichtsbuch“ gilt mitt-lerweile als weitaus größerer Beitrag zurZukunft der Menschheit als die Zerstörungder Region durch Rohstoffausbeutung.Greenpeace hatte 13 Jahre lang alles darange-setzt, dass der erste Weltpark der Erde Wirk-lichkeit werden konnte, und feierte nun dasEnde einer erfolgreichen Kampagne.

Brent Spar, 1995

Die ausgediente Shell-Ölplattform „BrentSpar“ wurde am 30. April 1995 von Green-peace besetzt. Es folgte ein wochenlanges me-dienträchtiges Spektakel um Räumung undWiederbesetzung, um europaweite Protestegegen die Versenkung der ausgedienten Platt-form, um einen Messfehler von Greenpeace.

18 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

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1989: Greenpeace-Aktion

in der Antarktis gegen den Bau

einer französischen Landebahn.

31) Johanna Wesnigk, Durchbruch im Jahr 1991 – eine Bilanz; in: Jochen Vorfelder, Eispatrouille – Greenpeace in der Antarktis, Hamburg 1992, S. 190.

32) Greenpeace Jahresrückblick 1991, S. 14.

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Während der Auseinandersetzung äußer-ten sich viele Politiker in Europa positiv überdie Greenpeace-Aktion. Am 14. Mai begrüßtedie EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregarddie Besetzung der Brent Spar und sprachsich gegen die Versenkung aus. Der dänischeUmweltminister Svend Auken äußerte sichsogar generell gegen die Versenkung vonPlattformen. Am 23. Mai bezog auch diedamalige deutsche Umweltministerin AngelaMerkel überraschend deutlich Position: „Eskommt selten vor, dass ich mit Greenpeaceeiner Meinung bin, aber in diesem Falle schon.Wenn die Brent Spar eine deutsche Platt-form wäre, hätten wir keine Genehmigungzur Versenkung gegeben. Die deutsche Dele-gation wird ein generelles Versenkungsver-bot bei der Nordseeschutzkonferenz zurSprache bringen und sich für eine solcheLösung aussprechen.“33 Es blieb nicht beidiesen Äußerungen. Der nordrhein-westfäli-sche Landesverband der Jungen Union riefam 24. Mai, einen Tag nach der Räumung derBrent Spar, als erste politische Gruppe in derBundesrepublik dazu auf, Shell-Tankstellenweiträumig zu umfahren. Wenige Tage spä-ter äußerten weitere Politiker Verständnisfür einen Boykott. Eine von Greenpeacebeim EMNID-Institut in Auftrag gegebeneUmfrage zeigte, dass die Mehrheit der deut-schen Bevölkerung gegen die Versenkungder Brent Spar war. 74 Prozent der Bundes-bürger erklärten ihre Bereitschaft, Shell-Tankstellen aus Protest zu boykottieren.

Alsbald schlossen sich Politiker und Poli-tikerinnen aller Schattierungen (von CSU bisGrüne) dem Boykottaufruf an. Der Druck derÖffentlichkeit zeigte Wirkung. Am 20. Juni1995 gab der Ölkonzern Shell seinen Ver-zicht auf die Versenkung der Plattformbekannt.

Der eigentliche Erfolg dieser Kampagne,nämlich das Moratorium der OSPAR (Oslo-Paris-Kommission zum Schutz der Meeres-umwelt) vom 29. Juni 1995 für das Versen-ken von Plattformen, fand längst nicht mehrso ein großes Medienecho.

Bereits am 9. Juni 1995, während die Aus-einandersetzung um die Brent Spar in vol-lem Gange war, konstatierten die Umweltmi-nister der Nordseeanrainerstaaten, sie seien„sich bewusst, dass eine wachsende Zahl vonOffshore-Plattformen in der Nordsee das En-de ihrer Einsatzzeit erreichen. Selbst wenndie Plattformen von giftigen Materialien ge-reinigt und auf See gelassen werden, stellen

sie eine Gefahr für die marine Umwelt dar.Die Entsorgung solcher Anlagen an Land mitunvermeidbaren Rückständen stünde in Über-einstimmung mit allgemein üblichen Rege-lungen des Abfall-Managements.”34

Drei Wochen später, am 29. Juni, kam aufdem OSPAR-Treffen kein einstimmiges Ver-senkungsverbot ausgedienter Offshore-Anla-gen zustande. Aber die Mehrheit der Ver-tragsstaaten einigte sich darauf, die Versen-kung von Öl- und Gasförderanlagen in Nord-

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Erfolgreicher Greenpeace-

Protest gegen das Versenken

der Ölplattform ›Brent Spar‹

1995 in der Nordsee.

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33) Jochen Vorfelder: Brent Spar oder die Zukunft der Meere, München 1995, S. 132.34) Paragraph 54 of the 4th Ministerial Declaration for the Protection of the North Sea adopted in Esbjerg, Denmark, 9.6.1995.

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see und Nordostatlantik für zwei Jahre aus-zusetzen. Nur Großbritannien und Norwe-gen lehnten ein generelles Versenkungsver-bot ab. Ein konferenzerfahrenes Delegations-mitglied von der Bundesanstalt für See-schifffahrt und Hydrographie (BSH) schätztedie Lage nach der Konferenz positiv ein: „DieNorweger würden ein absurdes Projekt wiedie Brent Spar nie ins Auge fassen. Ihnengeht es im Grunde nur um die riesigen Be-tonsockel ihrer Plattformen. Nun, mit diesenmassiven Klötzen auf dem Meeresgrundkönnte man zur Not leben. Und die Briten?Für die ist es zunächst ein finanzielles Pro-blem, und deshalb sträuben sie sich mit Hän-den und Füßen. Das erinnert mich an ihreHaltung in der Frage der Dünnsäureverklap-pung. Da waren die Briten auch die Letzten,die schließlich mitgezogen wurden. Ich schät-ze, sie in der Plattform-Frage auf politischerEbene zum Einlenken zu bewegen, wird nochzwei bis vier Jahre dauern. Aber es gibt keinZurück.“35

Drei Jahre später sollte es tatsächlich zumkrönenden Abschluss kommen – mit dem Be-schluss der 15 Anrainerstaaten des Nordost-atlantiks, dass künftig niemand mehr ausge-diente Öl- und Gasplattformen im Meer ver-senken darf. Der Erfolg auf der OSPAR-Kon-ferenz in Sintra bei Lissabon im „Jahr derMeere“ 1998, so urteilten die Medien einstim-mig, sei in erster Linie Greenpeace zu ver-danken.

So schrieb die Mittelbayerische Zeitungaus Regensburg: „Die Beschlüsse der Meeres-konferenz sind unbestreitbar das große Ver-dienst von Greenpeace. Zwei Jahrzehnte jag-ten die Schiffe unter der Flagge des Regenbo-gens die Giftfrachter der Industriegiganten,rückten Greenpeace-Aktivisten mit halsbre-cherischen Aktionen die Umweltsauereien inden Blickpunkt der Öffentlichkeit, agiertenGreenpeace-Wissenschaftler auf den ,Mee-res-Verschmutzungs-Konferenzen‘ als An-walt der Weltmeere. Dass man Dumping aufhoher See heute nicht mehr als Teil einer

Lösung, sondern als Teil eines Problemsbegreift, ist ebenso ein Greenpeace-Erfolgwie das Verbot der Versenkung Hundertervon Ölplattformen.“36

Die Westfälische Rundschau aus Dort-mund urteilte: „Greenpeace war und istwichtiger Motor des Schutzes der Meere.Ohne die gewagten Aktionen dieser Organi-sation hätte beispielsweise ein Verbot derVerklappung der widerwärtigen Dünnsäureauf hoher See weit länger auf sich warten las-sen.“37

Auch die Kontroverse um die endgültigeEntsorgung der Brent Spar zog sich bis indas Jahr 1998. Rémi Parmentier, Chef-Lobby-ist von Greenpeace, beschrieb den Entschei-dungsprozess innerhalb von Shell wie folgt:„Im Januar 1998 wurde dem Konzern Shellnach gründlichem Nachdenken endgültigbewusst, dass die für die Umwelt verträglichs-te Variante die Weiternutzung der Anlage alsKai-Erweiterung in der Nähe von Stavangerin Norwegen sei. Auf Shells Liste der siebenMöglichkeiten war die Versenkung im Meervon allen Standpunkten aus (einschließlichder Emissionen an Kohlendioxid) dieschlechteste – abgesehen vielleicht von denKosten.“

Wichtig ist aber, dass es Greenpeace vonAnfang an nicht nur um die Brent Spar, son-dern um den Meeresschutz insgesamt ging.Denn in den folgenden Jahren standen weite-re 400 Plattformen zur Versenkung bereit.Bei einem Treffen zwischen Greenpeace-Ver-tretern und einer hochrangigen Delegationder deutschen Shell am 1. Juni 1995 in derHamburger Zentrale des Ölkonzerns legte derinternationale Greenpeace-KampagnenchefUlrich Jürgens die Beweggründe zur Beset-zung der Brent Spar ausführlich dar: „Shell istwahrscheinlich so gut oder schlecht wie alleanderen Öl-Multis auch. Sie sind allerdingsunser derzeitiger Kampagnen-Gegner, weilIhre Plattform Brent Spar, Ihre derzeitigenVersenkungsabsichten, die Zukunftsaussich-ten der Nordsee insgesamt verschlechtern. Es

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35) Jochen Vorfelder: Brent Spar oder die Zukunft der Meere, München 1995, S. 190.36) Mittelbayerische Zeitung (Regensburg), 24.7.98, Da lacht der Regenbogen.37) Westfälische Rundschau (Dortmund), 24.7.98, Teilerfolge zum besseren Schutz der Meere. Treffen ohne Merkel.

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geht uns um den Zustand der Meere; dieBrent Spar, isoliert als Einzelfall betrachtet,interessiert uns überhaupt nicht. Es geht da-her nicht darum, ob auf Ihrer alten Plattformnun 150 oder 5.000 Tonnen Giftstoffe lagern.Sie müssen begreifen, dass Ihre Brent Sparein zentrales Pilotprojekt darstellt. Shell istnur die erste der über ein Dutzend Mineralöl-gesellschaften, die ihre Nordsee-Plattformenentsorgen müssen. Wenn Sie es mit Hilfe derbritischen Regierung durchdrücken, die BrentSpar zu versenken, stehen ein Dutzend ande-rer Gesellschaften mit ihren Offshore-RuinenGewehr bei Fuß. Ihre Brent Spar ist nur dasSymbol für einen ganzen Haufen von Schrottund Müll, der eindeutig an Land und nichtauf hoher See entsorgt werden muss. Das istunsere zentrale politische Forderung, die Sieüberdenken und erfüllen sollten.“38

Ebenso wertete es Grant Jordon, Profes-sor für Politik und internationale Verbindun-gen an der Universität Aberdeen: „Tatsacheist, dass der Greenpeace-Erfolg nicht das Pro-dukt der Ereignisse im Mai und Juni 1995war, sondern des generellen Interesses für dasAnliegen der Meeresverschmutzung in denvorangegangenen zwei Jahrzehnten. Die Brent-Spar-Kehrtwende war nicht das Ergebnis derkurzfristigen Greenpeace-Aktivitäten wäh-rend der Besetzung und der damit verbunde-nen Öffentlichkeit, sondern der langfristigangelegten Änderung der öffentlichen Mei-nung in Sachen Müllversenkung im Meer.Wie Chris Rose (Kampagnen-Chef, Greenpea-ce Großbritannien, A.d.V.) sagte: ,Die Brent-Spar-Kampagne hat diese Themen nicht ge-schaffen, sie hat sie nur deutlich herauskris-tallisiert‘. (...) Die Ereignisse von 1995 habennicht die Meinungen geändert, aber sie habendie Strukturen verändert, in denen Entschei-dungen getroffen wurden.”39

Für den Greenpeace-Anwalt MichaelGünther signalisierte die Brent Spar eineWende im Völkerrecht: „Hochrangige Rechts-güter, wie der nachhaltige Schutz der Mee-resumwelt, werden auch auf hoher See künf-

tig nicht mehr zur Disposition einzelnerStaaten stehen – und zwar auch dann nicht,wenn die betreffenden Länder den Überein-kommen zum Schutz der Meeresumweltnicht beigetreten sind oder Vorbehalte geäu-ßert haben. Das Völkergewohnheitsrecht ent-wickelt sich fort mit den Auffassungen derVölkerrechtssubjekte. Im Fall Brent Spar hat-ten sich eine Reihe von Regierungen die Auf-fassung von Greenpeace und der Greenpeaceunterstützenden öffentlichen Meinung zu Ei-gen gemacht und die britischen Lizenzen zurBeseitigung der Plattform öffentlich bean-standet. Damit beginnt sich eine Rechtsauf-fassung durchzusetzen, der zufolge die Meeredas gemeinsame Erbe der Menschheit sind.Jede vermeidbare nachhaltige Störung ist einEingriff in das Recht künftiger Generatio-nen, keine schlechteren Lebensbedingungenvorzufinden als sie die Menschheit gegen-wärtig hat. Niemand, weder ein Staat nochein Großkonzern, hat das Recht, sich darüberhinwegzusetzen.“40

Die Funktion der Repräsentation öffent-licher Interessen wird den NGOs sowohl vonöffentlicher als auch von offizieller Seite zu-erkannt, wie die Wissenschaftler Schmidt/Take darlegen: „Die Gründe für die öffentli-che Anerkennung liegen in der thematischenAusdifferenzierung politischer Entscheidungs-materien und der zunehmenden Partikulari-sierung von Interessenlagen, die dazu füh-ren, dass die Parteien mit ihren programma-tischen Generalisierungsansprüchen und dienational hochaggregierten Interessenverbän-de diesen neuen Herausforderungen nichtmehr gerecht werden. Die Öffentlichkeit trautdeshalb in steigendem Maße den ‚issue‘-orientierten NGOs zu, auf die neuen Proble-me in angemessenerer Weise zu reagieren,was auch den Erfolg der Brent-Spar-Kampag-ne von Greenpeace erklärt. Sie zeigte, dassweder multinationale Konzerne noch Minis-ter beim Treffen weit reichender Entschei-dungen intervenierende NGOs ignorierenkönnen, wenn deren Kampagnen Rückhalt

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38) Vorfelder, S. 128f.39) Grant Jordon: Indirect causes and effects in policy change: The Brent Spar Case, in: Public Administration, vol. 76, Winter 1998, S. 737.40) Das Greenpeace-Buch/C.H.Beck/S. 64 „Greenpeace und das Recht“/Michael Günther.

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in der Öffentlichkeit finden. Shell sah sich,nach eigener Aussage, gezwungen, dem‚internationalen Druck‘ (so der Vorsitzendevon Shell Deutschland, Peter Duncan) nach-zugeben, nachdem der Kampf um die öffent-liche Meinung verloren war. Man ist seitdembei Shell bemüht, eine Lösung für Brent Sparin Abstimmung mit den Umweltverbändenzu finden. Duncan bezeichnet dieses Vorge-hen ‚als Bestandteil unserer Bemühungen,gesellschaftliche Strömungen aufzufangen‘.“41

So äußerte sich Duncan auch nur ein Jahrnach der Brent-Spar-Kampagne sehr positivüber die Umweltschutzorganisation, die sei-nem Konzern so hart zugesetzt hatte: „Ichmöchte Ihnen gerne meine Anerkennungdafür aussprechen, dass Sie fest hinter demPrinzip von Gewaltfreiheit stehen und imGegensatz zu anderen sehr schnell Gewaltak-te im Zusammenhang mit der Brent-Spar-Kampagne verurteilt haben, und ich schließehierein auch den Idealismus und Mut vielerIhrer Mitglieder ein.“42

Allerdings kamen nach der Brent-Spar-Kampagne Fragen zur Legitimität solcher Ak-tionen auf. Greenpeace wurde die Legitima-tion abgesprochen, auf politische Instanzenund Wirtschaftsverbände Druck auszuüben.

Darauf erwiderte die WissenschaftlerinMarianne Beisheim: „Zentral ist dabei dieFrage, ob eine NGO als Interessengruppegegenüber anderen Interessengruppen ein-fach nur ihre Position durchsetzt oder ob sieeine kollektiv bindende Entscheidung getrof-fen hat. Am Beispiel des ‚Brent Spar‘-Falleslässt sich dieser Unterschied gut verdeut-lichen: Zwar hat Greenpeace gegenüber Shelldas Ziel der Nicht-Versenkung erreicht, aberdie entsprechende, von der Regierung vonGroßbritannien beschlossene Erlaubnis (alsonicht das Gebot) für die Versenkung istimmer noch gültig, und Greenpeace kannauch keine äquivalente gegenteilige Ent-scheidung herbeiführen. Hier von einer‚Deklassierung der Staatsgewalt‘ zu spre-chen, weil die ‚Dinge‘ an den gewählten und

beauftragten Vertretern vorbeiliefen, läuftam realen Geschehen vorbei. Zwar hattendiese Vertreter beschlossen, dass die ‚BrentSpar‘ versenkt werden dürfe, aber nicht, dassdies auf alle Fälle so geschehen müsse. Undschon gar nicht hat Greenpeace ein Verbotder Versenkung verbindlich ‚entschieden‘.Und in diesem Sinne ist der Name der NGOsals Non-Gouvernmental Organizations in derTat nicht ‚verniedlichend‘, sondern bezeich-net ein Faktum – wie auch die Haltung derfranzösischen Regierung in der Frage derAtomtests belegt hat.

Solange ihre Arbeit reine Interessenarti-kulation im Rahmen geltender Gesetze bleibtund solange sie keine gesamtgesellschaftlichverbindlichen Entscheidungen treffen (kön-nen), haben NGOs kein Legitimationspro-blem.“43

Weiter argumentiert Beisheim: „Geradeim Umweltbereich kommt es durch Markt-versagen zu externen Effekten wirtschaft-licher Tätigkeit, die oft nicht oder nur unzu-reichend durch staatliche Maßnahmen gere-gelt sind. NGOs erbringen hier als Interes-sengruppen besondere Leistungen, indemsie auf diese Probleme aufmerksam machenund auf deren Regelung drängen oder auchDruck auf die Industrie ausüben, selbstLösungen zu erarbeiten. Sie bringen neueThemen auf die politische Agenda, sie stellenalternative Informationen für Politiker undBürger zur Verfügung oder unterstützenlokale Projekte, um Politiken zu implemen-tieren. Gerade diese Leistungen und das spe-zifische Potenzial der NGOs an Unabhängig-keit, Flexibilität und Bürgernähe werden inder Diskussion oft als unverzichtbar darge-stellt.“

Mit diesen Leistungen bei der Vorberei-tung der Politikfindung steigern NGOs nachMeinung Beisheims ihre Legitimität: „NGOsspielen in diesen Prozessen der öffentlichenMeinungsbildung eine wichtige Rolle undtragen mit ihrem Vorhandensein und ihrenAktionen mehr oder weniger direkt zum

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41) Hilmar Schmidt/Ingo Take, Demokratischer und besser? Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 43/97, 17.10.1997, S. 14f.

42) Greenpeace Magazin 3/96, S. 59.43) Marianne Beisheim, Nichtregierungsorganisationen und ihre Legitimität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 43/97, 17.10.1997, S. 21-29.

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Legitimationsprozess der politischen Ord-nung bei. Umgekehrt steigern NGOs ihreLegitimität über das Recht der Bürger, sichihrer als Mittel zu bedienen, in der Öffent-lichkeit und gegenüber der Regierung aufihre Präferenzen aufmerksam zu machen.(...) Ulrich Beck spricht mit Blick auf dieNGOs von einem Bündnis, das sich ‚für eineim höheren Sinne legitime Sache [einsetzt]:die Rettung der (Um-)Welt‘. Das Überlebens-interesse mache den hochlegitimen Allge-meinheitsanspruch geltend, alle bedrohen-den Gefahren abzuwenden. Beck kritisiertnicht etwa die Legitimationsprobleme vonGreenpeace, sondern behauptet, dass Green-peace vielmehr ‚das längst entstandene Legi-timations- und Machtvakuum des politi-schen Systems zum Vorschein‘ bringe.“

Auch der konservative Journalist KonradAdam beschreibt, wie NGOs Staatsaufgabenübernehmen, weil Behörden oder Regierun-gen versagen: „Was Organisationen wieAmnesty International, Greenpeace, Ärzteohne Grenzen oder der Worldwide Fund forNature besorgen, der Einsatz für die Men-schenrechte also und für die Rechte derNatur, sind klassische Staatsaufgaben; undwirklich greifen die Behörden ja auch gernauf die Sachkunde und das Ansehen derNGO‘s zurück, wenn sie sich ihrer Elemen-taraufgaben entsinnen und sich dazu herbei-lassen, einen Vertrag zum Schutz vonMensch und Tier, von Feuer, Wasser, Luft undErde zu schließen. Man muss kein Anhängervon Thomas Hobbes sein, um in der Verteidi-gung von Leben und Gesundheit erste Pflichtdes Staates zu begreifen; wie man umge-kehrt kein Anarchist sein muss, um anzuer-kennen, dass die erwähnten Gruppierungenfür den Erhalt von Grund- und Menschen-rechten mehr geleistet haben als alle gewähl-ten Regierungen.“44

In dasselbe Horn stößt die „Welt“: „Ele-mentare Aufgaben wie die Verantwortungfür Leib und Leben seiner Bürger überlässter (der deutsche Staat, A.d.V.) Nichtregie-rungsorganisationen wie Amnesty Interna-

tional oder Greenpeace, die ihr Ansehen janicht auf irgendwelchen Nebenbühnenerworben haben, sondern im Zentrum desTerrains, für das der Staat ursprünglich ein-mal Zuständigkeit beansprucht hatte, beimSchutz der Menschenrechte nämlich und beider Verteidigung einer lebenswertenUmwelt. Wer es mit der Ökologie und demFolterverbot ernst meint, hält sich schonlängst nicht mehr an die Behörden. Er enga-giert sich anderswo oder resigniert.“45

Wasser auf die Mühlen der Greenpeace-Kritiker war der Messfehler, der im Herbst1995 die Medien beschäftigte. Bis zum 18. Junihatte Greenpeace immer von 100 bzw. 130Tonnen an Schadstoffen in der Brent Spargesprochen. Durch eine fehlerhafte Messungdurch Greenpeace-Wissenschaftler kam am19. und 20. Juni der Verdacht auf, in derBrent Spar befänden sich 5.500 TonnenSchadstoffe. Das war falsch. Für diesenMessfehler entschuldigte sich der Geschäfts-führer von Greenpeace England, Peter Mel-chett, im September 1995 bei Shell46. Dochdie „5.000 Tonnen“ hatten sich längst ver-selbständigt. Und so erhielt Greenpeace imHerbst 1995 immer wieder den Vorwurf, dieKampagne auf dieser falschen Zahl aufge-baut zu haben. Heiligabend 1995 titelte die„Welt“: „Umwelthysterie wegen eines Rechen-fehlers“. Nein, der Messfehler geschah fünfWochen nach der Besetzung, da war dieöffentliche Empörung über die Müllversen-kung im Meer schon sehr hoch. Der Messfeh-ler hat Greenpeace geschadet, da das höchsteGut der Umweltorganisation die Glaubwür-digkeit ist. Aber alle Vorwürfe, man habe inSachen Brent Spar die Öffentlichkeit be-wusst getäuscht, sind falsch.

Greenpeace ist trotz allem die Organisa-tion mit den höchsten Werten an Glaubwür-digkeit geblieben. Das belegen Umfragen,die seit Jahren für NGOs und speziell Green-peace extrem positive Werte verzeichnen.Eine Umfrage der Edelman PR Group inGroßbritannien, Frankreich, Deutschland undden USA hat im Januar 2002 ergeben, dass

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44) Konrad Adam, Volkes Ohr und Volkes Stimme. Worauf gründet das Ansehen und der Einfluss der NGO’s?, ohne Ort und Datum.45) Die Welt, 29.9.01, Den eignen Bürger untergräbt der Staat.46) Brent Spar und die Folgen, Verlag Die Werkstatt 1997, S. 35.

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die Glaubwürdigkeit von Nichtregierungsor-ganisationen wie Greenpeace und amnestyinternational nach wie vor groß ist, in Euro-pa liegt sie weit über der von Regierungenund Unternehmen.47 Und in einer repräsen-tativen Umfrage von April 2003 liegt Green-peace zusammen mit ADAC und Polizei aufder Liste der vertrauenswürdigen Institutio-nen ganz oben48.

Bei einer vom Institut Forsa im Jahr 1999durchgeführten Jugend-Umfrage kam her-aus, dass amnesty international und Green-peace bei den 15- bis 20-Jährigen besondersviel Vertrauen genießen, hingegen nur jederVierte die Bundesregierung für vertrauens-würdig hält. Deswegen interessierten sichjunge Leute kaum für Politik schlussfolgertdie WAZ aus Essen: „Vielleicht kommt es jaauch auf die Art an, wie Politik gemachtwird. Organisationen wie Greenpeace undAmnesty stehen bei den jungen Leuten hochim Kurs, weil sie weit weg vom Ortsvereins-Image sind. Sie engagieren sich jeweils fürkonkrete Einzelfälle, Erfolg oder Misserfolgist schnell sichtbar. Das kann gerade Jugend-liche zum Engagement motivieren.“49

Dietrich Thränhardt sieht die hohen Pres-tigewerte darin begründet, dass „Greenpeacemit seinen Aktionen optimal zwei Bedürfnis-sen entgegen [kommt], die in der entzauber-ten Welt (Max Weber) und angesichts dervon Kompromissen lebenden und nur inAusnahmefällen moralisch anziehenden Po-litik nicht gestillt werden: der Sehnsuchtnach Heroismus und nach Reinheit. Green-peace verwirklicht in symbolischer direkterAktion Prinzipien, die in der Politik meistnur schrittweise durchgesetzt werden kön-nen, was einen halbherzigen und wenig glaub-würdigen Eindruck macht.“50

Auch in einer Studie zum „Umweltbe-wusstsein in Deutschland 2000“ der Univer-sität Marburg51 kommt heraus: „In diesen

Fragen für kompetent halten die Bürger amehesten die Nicht-Regierungsorganisationenwie Greenpeace oder Bund Naturschutz.Negativ beurteilt werden dagegen Gewerk-schaften, Kirchen und Industrie.“52

Diese gesellschaftliche Unterstützung be-zeichnet Beisheim als den zentralen legiti-mierenden Faktor für Umwelt-NGOs: „Diesekann sich z.B. ganz direkt in der Mitglied-schaft in Umweltschutzinitiativen ausdrü-cken: Das Bundesumweltministerium regis-trierte 1992 mehr als vier Millionen Men-schen als Mitglieder von lokalen, regionalenund bundesweiten Umwelt- und Natur-schutzverbänden. Die großen Parteien dage-gen hatten zu diesem Zeitpunkt nur rundzwei Millionen Mitglieder. Und auch Umfra-gen zeigen hohe gesellschaftliche Unterstüt-zung etwa für Greenpeace. NGOs werdenvon der Gesellschaft auch mit Machtmittelnausgestattet, so zum Beispiel mit Spenden,mit der Unterstützung von Aktionen wieBriefkampagnen, Boykottaktionen, aber auchmit Glaubwürdigkeitskredit und Definitions-macht. Diese ständige gesellschaftliche Kon-trolle durch die Öffentlichkeit hat auch einelegitimierende Wirkung. Matthias Kettnerfasst die Tatsache, dass NGOs ‚der Wahrneh-mung der politisch relevanten Öffentlichkeitausgesetzt sind, um deren Gunst sie konkur-rieren und deren kollektive Meinungsbil-dung sie ebenso anregen, wie sie ihr stand-halten müssen‘ unter dem Begriff der ‚kon-textuellen Legitimation‘.“53

In ihrem Fazit urteilt Beisheim abschlie-ßend: „All diesen Argumenten gemeinsamist die Erkenntnis, dass NGOs Leistungenerbringen, die Staaten allein offenbar nichterzielen. (...) Legitimität von Umwelt-NGOsist vorhanden, solange es ihnen gelingt, dieGesellschaft zu überzeugen, dass ihr Beste-hen und ihre Arbeit notwendig und die best-mögliche ist, um eine effektive Umweltpoli-

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47) http://www.zeit.de/2002/08/Politik/print_200208_globalisierung.html Politik 08/2002.48) Umfrage McKinsey, Stern April 2003.49) WAZ (Essen), 22.7.99, Junge Leute interessieren sich kaum für Politik.50) Dietrich Thränhardt, Globale Probleme, globale Normen, neue globale Akteure, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS), 33. Jg., 1992, Heft 2, S. 229.51) Umweltbewusstsein in Deutschland 2000, Udo Kuckartz, Uni Marburg.52) Süddeutsche Zeitung, 25.7.2000, Wichtig – aber nicht aktuell. Wie die Deutschen es mit dem Umweltschutz halten.53) Marianne Beisheim, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B43 /97, S. 27.

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tik zu gewährleisten. (...) Die von den NGOserbrachten Leistungen [können] dabei so-wohl ihre eigene Legitimität als auch die Le-gitimität nationaler oder internationalerPolitik stärken.“54

Olympische Spiele in Sydney 2000

Ein Architekturwettbewerb 1992 für dasOlympische Dorf war letztlich der Start-schuss für die ersten „grünen“ OlympischenSpiele. Unter mehr als 100 Teilnehmern, zu-meist große Baukonzerne und Entwicklungs-gesellschaften, überzeugte ein anonym ein-gereichter Entwurf das australische Bewer-bungskomitee und kam in die Endrunde derletzten fünf – der Entwurf des australischenGreenpeace-Büros für ein Öko-Athletendorf.Greenpeace wollte damit zeigen, was eineStadt mit ehrlichem Umweltengagementerreichen kann.

Umweltbewusste Architekten und Stadt-planer wurden befragt, ihre Ideen und Erfah-rungen aus der Praxis gesammelt. Die Vorbe-reitung für den Wettbewerb waren umfang-reich: Der Greenpeace-Entwurf sah vor, dassdas gesamte Gebiet autofrei ist, eine vollstän-dige Energieversorgung aus regenerativenEnergiequellen gewährleistet wird und alleeingesetzten Baumaterialien nach den neues-ten baubiologischen Standards ausgewähltsind. Die Ver- und Entsorgung des Geländessollte so ressourcenschonend wie möglich er-folgen. Das gesamte Baukonzept sollte außer-dem als internationales Schaufenster für diemodernsten Umwelttechnologien dienen.

Viele engagierte Ideen und Innovationenhaben dazu beigetragen, dass eine umfassen-de und praxisnahe Planung der „GrünenSpiele“ möglich wurde. Die Umweltschutzas-pekte der Olympischen Spiele wurden nacheinigen Schwerpunktthemen beurteilt: er-neuerbare Energien, Energieeffizienz, öffent-liche Verkehrsmittel, Altlastensanierung,PVC-freie Materialien, Müllvermeidung, effi-zientes Wasser- und Abwassermanagement,Schutz gefährdeter Arten und Verwendungvon Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

Ergebnis: Das Olympische Dorf zählte im

Jahr 2000 zu einer der größten solar versorg-ten Siedlungen der Welt. Das neu gebauteStadtviertel war zu rund 80 Prozent PVC-freiund während der Olympiade für den öffent-lichen Autoverkehr gesperrt. Damit ist es einhervorragendes Beispiel für zukunftsorien-tierte Stadtplanung.

Seit Greenpeace sich an der Vorbereitungder Olympischen Spiele in Sydney beteiligthat, werden auch andere Länder, die sich füreine Austragung der Olympiade bewerben,mit zahlreichen Informationen versorgt, umdie Idee der „Grünen Spiele“ weiterzutragen.

Der damalige IOC-Präsident Juan Anto-nio Samaranch sagte in seiner Rede bei derersten Konferenz für „Sport und Umwelt“1996: „Das Internationale Olympische Komi-tee ist entschlossen, die Umwelt als dritteDimension für die Olympiade aufzunehmen,die ersten beiden sind Sport und Kultur.“

Seit dem Jahr 2001 wird nun eine deut-sche Bewerbung für die Austragung der Olym-pischen Spiele 2012 diskutiert. Für Green-peace Deutschland ist wichtig, dass die guteVorgabe in Bezug auf die Umweltfreundlich-keit der Spiele von Sydney dann noch einmal

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 25

54) Ebenda, S. 29.

Ökologische Materialien

wie z.B. Recyclinggranulat

machen Sydney zur ersten

›grünen‹ Olympiade.

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übertroffen wird. Die Umweltorganisation be-rät das Internationale Olympische Komitee(IOC) und die nationalen Komitees (NOKs)weiter.

Kein Patent auf Leben

Greenpeace wendet sich seit Jahren gegendie Patentierung von Menschen, Tieren, Pflan-zen und ihren Genen. Die Umweltschützerfordern die generelle Überarbeitung der EU-Genpatentrichtlinie und ein Verbot von Pa-tenten auf Leben. Ein großer Teilerfolg wur-de im Juli 2002 erzielt: Das skandalöse Em-bryo-Patent, das Greenpeace im Februar 2000aufgedeckt und gegen dessen Erteilung dieOrganisation Einspruch erhoben hatte, wur-de nach drei Tagen öffentlicher Anhörung inwesentlichen Teilen zurückgenommen. DasEuropäische Patentamt (EPA) in Münchenhatte dieses Patent der Universität Edinburgh

auf menschliche Embryonen bereits am 8. Dezember 1999 unter der Nummer EP 695351 erteilt. Beansprucht wird die Entnahmevon Zellen aus menschlichen Embryonen, diegentechnische Manipulation dieser Zellenund sogar die „Züchtung“ von gentechnischmanipulierten Menschen aus diesen Zellen.Nach der Bekanntmachung des Patents durchGreenpeace kamen Einsprüche aus allen Tei-

len der Gesellschaft. Dazu zählten nebenGreenpeace die Bundestagsfraktion der PDS(Berlin), der Ökumenische Rat der Kirchenin Österreich, das Bundesministerium derJustiz, die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, der Staatssekretär des nieder-ländischen Wirtschaftsministeriums, die Deut-sche Forschungsgemeinschaft (DFG), die ita-lienische Regierung und andere. Greenpeaceerfüllte also die wichtige Rolle der außerpar-lamentarischen Umweltpolizei, die Behördenauf die Finger schaut, um den Ausverkaufdes Erbgutes zu stoppen.

Der Widerruf des Patents wurde in vielenKommentaren als Erfolg der Arbeit von Green-peace verbucht.

So kommentierte Achim Bahnen, Redak-teur der konservativen Frankfurter Allgemei-nen Zeitung, am 25. Juli 2002: „Das Bemer-kenswerte an der gestrigen Entscheidung isthingegen der Prozess, der zu ihr führte. Es istmüßig zu spekulieren, wer außer Greenpeaceden Skandal der Patenterteilung vielleichtnoch bemerkt und Einspruch dagegen einge-legt hätte. Jetzt kann sich die Umweltorgani-sation zu Recht rühmen, mit der öffentlichwirksamen Aktion einen Vorgang ans Lichtgebracht zu haben, der sonst vielleicht unbe-merkt geblieben wäre. (...) Wenn das Patent-amt nun stolz und von allen Selbstzweifelnunberührt behauptet, im Streit um das ‚Edin-burgh-Patent‘ habe sich ‚das im EuropäischenPatentübereinkommen verankerte Einspruchs-verfahren erneut als wirksames und transpa-rentes Rechtsmittel zur Überprüfung der vonder EPA erteilten Patente erwiesen‘, dann giltes daran zu erinnern, dass erst der öffentli-che Protest das Amt zur Transparenz undKorrektur seiner Fehlentscheidung gezwun-gen hat.“55

Die Süddeutsche Zeitung schrieb zum sel-ben Vorgang: „Bei der Vergabe des ‚Edin-burgh Patents‘ hat das Patentamt einenschweren Fehler eingestanden. Es gehört zuden Absurditäten, dass das Patentamt einenschweren Fehler nicht korrigieren kann,über Einsprüche in einem internen Gerichtentschieden werden muss, Kontrollinstan-

26 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

55) FAZ, 25.7.02, EP 0695 351. Auch ein entschärftes Patent schützt keine Embryonen.

Vor dem Europäischen

Patentamt errichtet

Greenpeace eine Mauer

gegen die Patentierung

von Menschen-Genen.

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zen fehlen; Greenpeace hat dieses Wächter-amt übernommen. In der EU ist das allesbekannt.“56

Auch das Deutsche Ärzteblatt widmetsich dem Präzedenzfall für die Ethik: „Dassdas Europäische Patentamt wesentliche Teileseines Ende 1999 erteilten ‚Edinburgh‘-Pa-tents revidiert hat, ist kein Zufall. 14 Organi-sationen, darunter die deutsche, die nieder-ländische und die italienische Regierungsowie Greenpeace, hatten vehement gegendas Patent protestiert. Es schützt ein Verfah-ren, mit dem sich Stammzellen von anderenZellen trennen lassen. Dazu müssen dieStammzellen gentechnisch verändert werden.Der manipulierte menschliche Embryo hättesomit patentiert werden können. (...) So hattedas 1994 von der Universität Edinburgh (diemit dem australischen Forschungsunterneh-men ‚Stem Cell Sciences‘ verbunden ist) an-gemeldete Patent alle tierischen Zellen, ein-schließlich menschlicher Zellen, in den An-trag einbezogen. Die betreffende Passage imenglischen Originaltext hatten die Patentprü-fer angeblich übersehen. Erst Greenpeacehatte den ‚Fehler‘ nach der Patenterteilungentdeckt und Einspruch erhoben.“

In der Neuen Westfälischen Zeitung ausBielefeld bedankte sich Pastor Ulrich Pohlbei Greenpeace: „Auf Betreiben von Green-peace und anderen hat nun das EuropäischePatentamt in München das 1999 erteilte Pa-tent für die Züchtung gentechnisch verän-derter Menschen sowie für das Verfahrenzur Züchtung embryonaler Stammzellen vonMensch und Tier widerrufen. Frank UlrichMontgomery, Vorsitzender des Ärzteverban-des Marburger Bund, kennzeichnete die Ent-scheidung des Patentamts mit den Worten:‚Die Rücknahme dieses Teufelspatents zurZüchtung von Embryonen und zum Klonenist ein Sieg der Menschlichkeit.‘“57

Der SPD-Politiker Dr. Wolfgang Wodarg(SPD) hatte bereits im Bundestag anlässlich

der Aktuellen Stunde zur Haltung der Bun-desregierung zur Patentvergabe des Europäi-schen Patentamtes auf Genmanipulationmenschlichen Erbguts Greenpeace ausdrück-lich gelobt. „Ich möchte zu dieser Entschei-dung des Europäischen Patentamtes noch etwas hinzufügen. Ich sage es in aller Deut-lichkeit: Ich halte es nicht für ein Versehen,sondern für ein Verdienst von Greenpeace –insbesondere von Herrn Then, dem ich aufdiesem Wege ganz besonders für seine Hart-näckigkeit danken möchte, dieses Thema andie Öffentlichkeit zu bringen –, dass heraus-gekommen ist, dass das Europäische Patent-amt zweimal absichtlich bei ein und dersel-ben Patenterteilung darauf hingewirkt hat,dass menschliches Gewebe, menschlicheStammzellen, patentiert werden können.“58

Bei der Kampagne „Kein Patent aufLeben“ im Jahr 2000 stieß Greenpeace aufbreite gesellschaftliche Unterstützung. Soteilte der Islamrat für die BundesrepublikDeutschland die Besorgnis der Umweltschüt-zer „über die neuesten Entwicklungen imBereich der Gentechnik und der Patentie-rung von Leben. Wir begrüßen Ihre Initiati-ve und sind selbstverständlich bereit, eineentsprechende Kampagne von Greenpeace zuunterstützen und von unserer Seite alles zutun, um gegen die Patentierung von Lebeneinzutreten“59. Auch die Nordelbische Evan-gelisch-Lutherische Kirche lehnte die „Paten-tierung von pflanzlichen, tierischen undmenschlichen Genen, gentechnisch veränder-ten Organismen oder gentechnischen Ver-fahren“ ab.60 Die Münchener Evang-Luth.Kirchengemeinde St. Lukas rief am 8. März2000 zu einem Abendgebet zum Thema„Patent auf Leben?“ auf. In ihrer Ankündi-gung teilte die Gemeinde mit: „Wir freuenuns auch, dass wir zur Vorbereitung bzw. zurMitwirkung Greenpeace, ‚Kein Patent aufLeben‘ und das Umweltreferat der Evang.-Luth. Kirche in Bayern gewinnen konnten.“61

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 27

56) Süddeutsche Zeitung, 25.7.02, Der patentierte Mensch. 57) Neue Westfälische (Bielefelder Tageblatt), 27.7.02, Zum Sonntag. Danke, Greenpeace!58) Redebeitrag von Dr. Wolfgang Wodarg anlässlich der Aktuellen Stunde im Bundestag (24.02.2000).59) Brief des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland an B. Behrens/S. Flothmann, 28.2.2000.60) Schreiben vom 17.2.2000.61) Fax an C. Then, 3.3.2000.

Page 28: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

Auch gegen die Entscheidung des Euro-päischen Patentamtes, das so genante Brust-krebs-Gen patentrechtlich zu schützen, pro-testierten Patienten, Ärzte, Wissenschaftlerund Politiker. Die Ärztekammern in Deutsch-land und Österreich unterstützen die Green-peace-Einsprüche gegen die Patenterteilungdes von der Firma Myriad mehrfach paten-tierten Gens (BRCA1, breast cancer, engl.Brustkrebs), das eine zentrale Rolle bei derEntstehung und Diagnose bestimmter Brust-krebs-Erkrankungen spielt. Der Bundesärzte-kammerpräsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hop-pe wies darauf hin, dass diese Patentertei-

lung (Patent EP0705 903) dank der Recher-chen von Greenpeace bekannt geworden sei.„Wir fordern gemeinsam mit Greenpeaceden Widerruf des Patents und unterstützenden Appell an den Deutschen Bundestag unddie Europäische Union, die Patentierung vonGenen generell zu verbieten“, so der BÄK-Präsident.62

Auch die Deutsche Gesellschaft für Hu-mangenetik (Würzburg) sowie die entspre-chenden Vereinigungen in Belgien, Frankreich

und den Niederlanden haben sich gegen diePatente von Myriad ausgesprochen. Das Euro-päische Parlament sowie die Bioethik-Enquê-te-Kommission des Deutschen Bundestageslehnen Patente auf menschliche Gene alsunethisch ab.

Allgemein haben die Weltärztekammer,Bauernverbände, Vertreter der Weltbank unddie Entwicklungshilfeorganisation der UNO,die UNDP, an der zunehmenden Patentie-rung von Lebewesen scharfe Kritik geübt. Soheißt es im „Bericht über die menschlicheEntwicklung 1999“: „Der unerbittliche Vor-marsch der Rechte auf geistiges Eigentummuss gestoppt und in Frage gestellt wer-den.“63 Der Europarat beschloss in seinerEmpfehlung „Biotechnologie und geistigesEigentum“: „Die Versammlung vertritt dieAnsicht, dass Pflanzen, Tiere, menschlicheGene, Zellen, Gewebe und Organe weder alsErfindungen betrachtet, noch Monopolen un-terworfen werden können, die durch Patentegewährt werden.“64

In einem Leserbrief an den Berliner Ta-gesspiegel 2001 erklärte Andreas Troge, derPräsident des Umweltbundesamtes, seineWertschätzung für Greenpeace und distan-zierte sich von einer zuvor veröffentlichtenMeinungsäußerung eines seiner Mitarbeiter:„Der Leserbrief meines Mitarbeiters, Dr. Mar-tin Mieschendahl, zur EG-Biopatentrichtliniegibt nicht die Meinung des Umweltbundes-amtes wieder. Insbesondere distanzieren wiruns von dem Satz: ‚Die Opposition von Green-peace ist undemokratisch und unethisch.‘ ImGegenteil: Wir schätzen die Arbeit von Green-peace und anderen Nichtregierungsorganisa-tionen sehr und zweifeln weder an ihremDemokratieverständnis noch an der Gemein-nützigkeit ihres Wirkens.“65

Und in einem Interview mit dem Publik-Forum äußerte sich die aus Indien stammen-de Soziologin Shalini Randeria, die 2002 alsProfessorin an der Universität München lehr-te, über Konzerne, den freien Welthandelund die Dritte Welt. Die Autorin des Buches

28 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

Im Februar 2002 erheben

Greenpeacer Einspruch

gegen ein patentiertes

Brustkrebs-Gen.

62) Pressemitteilung der Bundesärztekammer, 20.6.2001.63) Bericht über die menschliche Entwicklung 1999, UNDP, Bonn 1999, S. 89.64) Recommendation 1425 (1999).65) Der Tagesspiegel, Berlin, 3.6.2001. ©

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„Das Recht im Globalisierungsprozess“ ant-wortete auf die Frage, „wie wichtig (...) derDruck der hiesigen Verbraucher oder derUNO auf die Multis [ist], soziale Menschen-rechte einzuhalten“:

„Wichtig. (...) Und ein Netzwerk vonNichtregierungsorganisationen klagte erfolg-reich gegen den amerikanischen Chemiekon-zern W.R. Grace und das US-Landwirtschafts-ministerium wegen ‚Biopiraterie‘. Das Patentdes Schädlingsbekämpfungsmittels aus demÖl von Samen des indischen Neembaumswurde schließlich durch das Europäische Pa-tentamt widerrufen. Das ist auch dem Druckvon Greenpeace zu verdanken.“66

TBT – Dauergift im Meer

Die Greenpeace-Kampagne gegen das Dauer-gift TBT konnte im Herbst 2001 einen wich-tigen Erfolg verbuchen: Die Mitgliedsländerder Internationalen Schifffahrtsorganisation(IMO) beschlossen ein globales Verbot desTBT-Einsatzes in Schiffsfarben. Demnach dür-fen Schiffe ab Januar 2003 nicht mehr mitTBT-haltiger Farbe gestrichen werden, ab 2008müssen auch Altanstriche entfernt oder zu-mindest sicher versiegelt werden.

Neben der toxischen Wirkung für Meeres-organismen wirkt TBT bereits in kleinstenKonzentrationen schädigend auf das Hormon-system von Menschen und Tieren. Das Giftwird Schiffsfarben beigemischt, um den Be-wuchs der Bordwände mit Algen und Mee-restieren zu verhindern. Die Weltgesund-heitsorganisation zählt das Umwelthormonzu den giftigsten Stoffen, die der Menschheute in die Umwelt freisetzt.

Seit 1999 hatte Greenpeace mit zahlrei-chen Aktionen in deutschen Nord- und Ost-seehäfen auf das TBT-Problem aufmerksamgemacht. Die Umweltschützer entdeckten imSchlick dieser Häfen, aber auch in Fischen,Wattwürmern und Seehunden hohe Konzen-trationen des Giftstoffes. Der schleswig-hol-steinische Minister für Umwelt, Natur undForsten, Klaus Müller, wies auf dem Seglertag2001 in Owschlag auf die von Greenpeace

durchgeführten Analysen hin und fordertevon den Seglern ein Umdenken: „Bei Unter-suchungen, die zum Teil in ausschließlichvon Sportbooten genutzten Häfen durchge-führt wurden, hat Greenpeace noch 1999,zehn Jahre nach dem EU-weiten Verbot vonTBT für Sportboote unter 25 Metern, auffäl-lig hohe Konzentrationen im Sedimentgefunden. Dies weist leider darauf hin, dassTBT-haltige Farben weiter von einigen Boots-besitzern verwendet werden. Das haben auchUntersuchungen in schleswig-holsteinischenSportboothäfen gezeigt. Für die Sportschiff-fahrt sind umweltschonende Antifouling-

Anstriche ohne TBT und seit einiger Zeitauch ohne die ebenfalls schädlichen Kupfer-verbindungen oder andere organische Biozi-de vorhanden. (...) Nutzen Sie bitte diese um-weltfreundlichen Einkaufsmöglichkeiten.“67

Sein Hamburger Kollege, der UmweltsenatorAlexander Porschke (GAL), hatte sich bereits1999 der Initiative für ein internationalesTBT-Verbot, „das auch von den Umwelt-schutzorganisationen WWF und Greenpeacezu Recht gefordert wird“, angeschlossen.„Die Unterstützung dieses weltweiten Verbo-tes kann gar nicht breit genug sein“, erklärtePorschke.68

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 29

Durch Proteste wie 1999

in Bremerhafen erwirkt

Greenpeace ein Verbot des

hochgiftigen TBTs in Schiffs-

farben ab 2003.

66) Publik-Forum 11.10.02, Biopiraten auf dem Weg in den Süden.67) Rede des Ministers für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein Klaus Müller, Seglertag 2001, 3.3.2001, Owschlag.68) Pressemitteilung der Hamburger Umweltbehörde, 13.10.1999.©

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Greenpeace protestierte auch bei Schiffs-eignern: So empfingen am 13.11.1999 siebenSchlauchboote das Kreuzfahrtschiff „QueenElizabeth 2“, als es in die Wesermündung ein-fuhr. Aktionisten sprühten auf den Schiffs-rumpf „God save the Queen from TBT“. Nachder mehrstündigen Protestaktion erklärtedie Reederei des Schiffes, Cunard Lines,ihren Verzicht auf die Verwendung des Dau-ergiftes. Cunard-Vertreter versicherten Green-peace schriftlich, dass der berühmte Luxus-liner bei dem 2001 fälligen Neuanstrich vonseinem giftigen TBT-Altanstrich befreit undmit TBT-freier Farbe lackiert wird. 69

Greenpeace fand TBT sogar in Alltags-gegenständen, wie zum Beispiel Babywin-deln, Sporttrikots oder Luftmatratzen. Einerneuter Greenpeace-Test von Windeln imJahr 2001 zeigte, dass bis auf ein Produkt alleinzwischen frei von dem Schadstoff sind.Endlich 2002 entschloss sich auch die IMO,die Schifffahrtsorganisation der UN, zumTBT-Verbot weltweit.

1.3 Gesetze und

Verordnungen als Folge von

Greenpeace-Kampagnen

Eigentlich müsste man an dieser Stelle er-neut den Antarktis-Schutzvertrag, das Verbotdes Schiffsanstriches TBT und das Versen-kungsverbot für Ölplattformen von Sintraaus Abschnitt 1.2. als lobenswerte, legislativeFolgen des Greenpeace-Engagements erwäh-nen. Aber wie Gesetzgeber sich der Green-peace-Anliegen annehmen, soll an anderenBespielen verdeutlicht werden.

Das Walfangmoratorium und andere

Gesetze zum Schutz der Meere

Der Beschluss der Internationalen Walfang-kommission (IWC) 1982, die kommerzielleJagd auf Wale vorerst zu beenden und mit derJagdsaison 1986 ganz auszusetzen, gehört zuden größten Erfolgen der Greenpeace-Ge-

schichte. Um diesen Erfolg muss jedoch Jahrfür Jahr wieder gerungen werden. Zwar bleibtdas Moratorium wohl noch bestehen, weilman sich nicht auf ein Management einer„nachhaltigen“ Jagd einigen kann, aber schondie beiden Schlupflöcher des Abkommens –die Jagd zu „wissenschaftlichen Zwecken“ undaus traditionellen Gründen – bereiten Green-peace jedes Jahr aufs neue Kopfschmerzen.Die Japaner töten unter dem Vorwand derWissenschaft sogar in Schutzgebieten, dieNorweger schieben die angebliche Walfang-tradition vor ihre kommerziellen Interessen.Und 2003 hat Island die Waljagd zu „wissen-schaftlichen Zwecken“ wieder aufgenommen.

Und alle Jahre wieder versuchen die Wal-fangnationen Greenpeace um den Beobach-terstatus in der IWC und beim Washingto-ner Artenschutzabkommen CITES zu brin-gen. Doch der gute Ruf und die kompetenteWalschutzarbeit der vergangenen Jahrzehnteschützen die Organisation vor diesen Angrif-fen. Immer und immer wieder werden dieAnträge auf Ausschluss abgeschmettert.

So heißt es in einem Antrag der SPD-Fraktion und der Grünen vom März 2000:„Der Bundestag bittet die Bundesregierung,sich entsprechend der langjährig internatio-nal üblichen Praxis weiterhin für einen gesi-cherten Beobachterstatus von Nicht-Regie-rungsorganisationen bei der CITES und IWCeinzusetzen.“70 Der Antrag übernimmt zudembeinahe wortwörtlich die Greenpeace-Forde-rungen: „Die Wiederaufnahme des kommer-ziellen Walfangs ist vor diesem Hintergrundnicht zu verantworten. Die Bundesregierungsollte weiterhin ihren Einfluss innerhalb undaußerhalb der EU geltend machen, damit so-wohl im Washingtoner Artenschutzabkom-men als auch innerhalb der IWC ein optima-ler Schutz der Wale gewährleistet bleibt. Vor-rangiges Ziel sollte dabei die Aufrechterhal-tung und konsequente Umsetzung des welt-weiten Walfangmoratoriums und Handels-verbots mit Walprodukten sein.“

In der Sitzung des Deutschen Bundestagsam 23. März 2000 forderte die SPD-Abgeord-

30 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

69) ADN, 13.11.1999, Deutschland: Luxusliner „Queen Elizabeth“ künftig ohne giftigen Anstrich.70) Deutscher Bundestag – 14.Wahlperiode – Drucksache 14/2985, 21.3.2000.

Page 31: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

nete Anke Hartnagel, den Schutz der Waledauerhaft sicherzustellen: „Wenn man an Waledenkt, dann sieht man immer die Greenpeace-Aktivisten vor sich, zum Beispiel im Einsatzgegen japanische Walfänger. Ich glaube, dieBilder kennen fast alle. Sie sind natürlich sehrbeeindruckend. Um es gleich ganz klar zu sa-gen: Der Walfang, den die Japaner vornehmen,ist illegal. Die so genannten Forschungszwe-cke dienen hier lediglich als Alibi. Das Pro-blem ist zudem, dass die Japaner im antarkti-schen Schutzgebiet jagen und damit auchgegen das Moratorium der InternationalenWalfangkommission verstoßen. Deshalb habeich volles Verständnis für die Aktionen derWalschützer. Zumindest für die SPD-Fraktion,aber, so denke ich, auch für einen Großteil die-ses Hauses, möchte ich an dieser Stelle denGreenpeace-Aktivisten ausdrücklich Respektzollen.“ (Beifall bei der SPD, dem Bündnis90/DIE GRÜNEN und der PDS)71

Bereits ein Jahr zuvor hatte sich Frau Hart-nagel deutlich für Greenpeace eingesetzt, alsin Norwegen während der Aktionen gegenWalfänger Greenpeace-Aktivisten verhaftetworden waren: „Norwegen muss die Gefan-genen (Greenpeace-Aktivisten, A.d.V.) sofortaus der Militärhaft entlassen und ihnen denZugang zu ihren Rechtsanwälten gewähren.Ferner ist erklärungsbedürftig, warum dienorwegische Regierung ein Schiff in interna-tionalen Gewässern beschlagnahmen ließ.Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, dassdie Greenpeace-Aktivisten internationalesRecht missachtet hätten. [...] Es ist mir völligunverständlich, dass einerseits Norwegen dasGreenpeace-Schiff beschlagnahmt und diegesamte Besatzung verhaftet hat, gleichzeitigaber nicht gegen die Schützen auf dem Wal-fänger vorgegangen ist.“72

Neben der fortgesetzten Lobbyarbeit über-wachten die Umweltschützer das Walschutz-gebiet im Südpolarmeer. Am 14. Dezember2001 spürte das Greenpeace-Schiff „ArcticSunrise“ die japanische Walfangflotte inner-

halb des Schutzgebietes auf. Die Greenpeace-Aktivisten stellten sich in Schlauchbootenzur Rettung der Wale den japanischen Fang-schiffen entgegen. Eine ähnliche Aktion zweiJahre zuvor hatte der ehemalige Regierungs-sprecher Klaus Bölling73 in der B.Z. wie folgtkommentiert: „Der Mann riskierte dabei, wievor ihm so manche andere Greenpeace-Akti-visten, sein Leben. Das ist, in den letzten Tagendes Jahres, die Geschichte vom braven Mann.Die vielen Tierfreunde, die es in Berlin gibt,werden ihm Respekt zollen.“74

Auch im Bereich der Fischerei hat Green-peace Erfolge vorzuweisen. So forderte 1987die US-amerikanische Fischereibehörde nachProtesten von Greenpeace die Krabbenfischerauf, ihre Netze so zu verändern, dass Schild-kröten ungefährdet bleiben. 1989 verabschie-deten die UN eine Resolution für ein Verbot

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 31

Japaner widersetzen sich

dem Walfangverbot, was

Greenpeace immer wieder

auf den Plan ruft, hier im

Januar 2000 im Südpazifik.

71) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 95. Sitzung, Berlin, 23.3.2000, Anke Hartnagel (SPD).72) Pressemitteilung von Anke Hartnagel, MdB vom 13.7.1999.73) Von 1974 bis 1981 war Klaus Bölling Regierungssprecher unter dem Kanzler Helmut Schmidt (SPD). Danach war er für ein Jahr Ständiger

Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der DDR. Heute arbeitet Klaus Bölling als Journalist und Publizist. 74) B.Z., 21.12.1999, Der Greenpeace-Held und wir.©

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Page 32: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

der Treibnetzfischerei, die Greenpeace zusam-men mit den USA, Neuseeland und einigenSüdpazifikstaaten erarbeitet hatte. 1991 wur-de ein entsprechendes Moratorium beschlos-sen. 1995 verabschieden die Vereinten Natio-nen ein Abkommen, an dessen AusarbeitungGreenpeace mitgewirkt hat und das erste in-ternationale Standards für eine nachhaltigeFischerei festlegt.

Und 1998 trugen die erneuten Aktionenvon Greenpeace gegen Treibnetze im Mittel-meer Früchte: Am 8. Juni 1998 stimmten dieEU-Landwirtschafts- und Fischereiministerin Luxemburg nach langen Debatten für einVerbot dieser destruktiven Fangmethode. Abdem 1. Januar 2002 sollten demnach die gro-ßen Todeswände aus allen europäischenGewässern verschwunden sein. Ein großerSieg für die Meere und ihre Bewohner – eingroßer Erfolg der Greenpeace-Arbeit.

London-Konvention:

Keine Müllversenkung im Meer

Als Greenpeace die Chemie- und die Atomin-dustrie Ende der siebziger Jahre erstmals auf-forderte, ihre hochgiftigen Abfälle nicht mehr

zu verbrennen oder zu versenken, erklärtenderen Vertreter, es sei unmöglich, diese öko-logische Anforderung zu erfüllen. Rund 20Jahre später sollten die Greenpeace-Forde-rungen Bestandteil der internationalen Politikwerden.

Rémi Parmentier, Chef-Lobbyist von Green-peace International, ist überzeugt: „Die exis-tierenden Restriktionen für das Versenkenund Verbrennen von Müll auf und in den Mee-ren wäre nicht zu Stande gekommen, wennGreenpeace nicht die Kampagne mit diesemZiel in den siebziger, achtziger und neunzi-ger Jahren vorangetrieben hätte.”75

Die Wissenschaftler Schmidt und Takeführen die London-Konvention76 als ein Bei-spiel dafür an, dass „Umweltschutzorganisa-tionen (...) aus diesem ‚Aufdeckungskonflikt‘oft als Sieger hervorgegangen (Basler Gift-müll-Konvention, Verbot der Dünnsäurever-klappung auf See, Moratorium überirdischerAtomtests etc.)“77 seien. ‘

Begonnen hatte der Konflikt bereits 1978,als die ‚Rainbow Warrior‘ zu ersten Einsätzengegen die Verklappung von britischem Atom-müll ausfuhr. Parmentier beschreibt die erstenAktionen wie folgt: „Ohne die Hartnäckig-keit der Greenpeace-Mitglieder in den kom-menden Jahren hätte es als Anekdote geen-det: Ein Gummi-Schlauchboot von der ,Rain-bow Warrior‘ fährt unter die Versenkungs-plattform des Frachters ,Gem‘ und wird durchein Fass zertrümmert, das radioaktiven Müllenthalten soll. Sonst war eigentlich nichts losim Sommer 1978.“

Sommer für Sommer begleiteten die Um-weltschützer die Verklappungsschiffe auf ih-rer Fahrt. 1982 kam es, nach dramatischen Ak-tionen gegen die Atommüllverklappungsschif-fe Gem (Großbritannien), Scheldeborg undRijnborg (Niederlande), bei denen Schlauch-boote von abgeworfenen Atommüllfässerngetroffen und deren Insassen ins Wassergeschleudert werden, zu einem ersten Erfolg:Am 22. September gab die niederländische

32 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

75) Remi Parmentier: Greenpeace and the Dumping of Waste at Sea: A case of Non-State-Actors’ Intervention in International Affairs, in: International Negotiation 4, 1989, S. 433.

76) LDC; weltweite Übereinkunft zur Verhütung von Meeresverschmutzung durch Verklappung, heute London Convention, LC).77) Hilmar Schmidt/Ingo Take: Demokratischer und besser? Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur

Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 43/97, S. 16.

1982: Greenpeace-Protest

gegen das Versenken

von Atommüll-Fässern

auf hoher See.

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Page 33: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

Regierung ihren Rückzug aus der Atommüll-verklappung bekannt.

Mitte der achtziger Jahre zahlte sich dieHartnäckigkeit von Greenpeace endlich aus.Im Februar 1983 beschlossen die Vertrags-staaten der London-Konvention mit großerMehrheit ein zehnjähriges Moratorium fürdie Atommüllverklappung. Allein Großbritan-nien weigerte sich, dem Beschluss zu folgen.Dort gelingt es Greenpeace, die National Unionof Seamen (NUS) und die InternationalTransport Federation (Internationale Trans-portarbeitergewerkschaft, ITF) davon zu über-zeugen, jegliche Beförderung und Verladungvon Atommüll zu boykottieren. Das hatte zurFolge, dass das jährliche Verklappungspro-gramm abgesagt wurde. 1983 war das ersteJahr des Atomzeitalters ohne (offizielle) Atom-müllverklappung.

In den folgenden zehn Jahren gelang esGreenpeace, den Mitgliedsstaaten der LDC/LCdie Auswirkungen der Gift- und Atommüll-verklappung deutlich zu machen. GreenpeaceInternational nahm an den Beratungstreffender London-Konvention seit 1983 teil. Undimmer wieder versuchten einige Länder,angeführt von Frankreich und Großbritan-nien, diese Teilnahme im Experten-Rat zuverhindern mit der Begründung, dies sei einGremium von Regierungen. Sie wollten damitGreenpeace verbieten, schriftliche Anträgeeinzureichen und auf der Eröffnungssitzungzu sprechen.1991 ließen Frankreich und Groß-britannien ihre Bedenken fallen. Seitdem istGreenpeace akzeptiertes Mitglied im Exper-ten-Rat, dem „Panel of Experts“.

Die jahrelange Lobbyarbeit zahlte sich1993 endlich aus, als die London-Konventiondas seit 1983 geltende Moratorium für dieVerklappung von Atommüll in ein endgülti-ges Verbot mit weltweiter Geltung umwan-delte. Rémi Parmentier: „Nach einem Jahr-zehnt der Konfrontation einigten sich dieVertragsstaaten im November 1993 auf eineÄnderung der London-Konvention dahin ge-hend, dass die Versenkung von Industrieab-fällen und die Verbrennung auf See und – mit

einer Mehrheitsentscheidung – die Versen-kung von radioaktiven Abfällen verboten wer-den sollte. Die drei Änderungsanträge wur-den geltendes Recht für die Vertragsstaatender London-Konvention und des UNCLOS-Abkommens ( Law of the Sea Convention ) am20. Februar 1994. Mit anderen Worten, siesind in praktisch der ganzen Welt Gesetz.”78

Giftmüll/Basel-Konvention

Als sich Greenpeace International Ende 1988dazu entschloss, den internationalen Gift-müllschiebern das Handwerk zu legen, setz-ten die Umweltschützer ihre Hoffnung aufdie Vereinten Nationen, die eine global gel-tende Konvention zum Thema in Arbeit hat-ten: das „Baseler Übereinkommen zur Kon-trolle grenzüberschreitender Transporte ge-fährlicher Abfälle“. Um die Regierungenweltweit von der Notwendigkeit einer wir-kungsvollen internationalen Konvention zuüberzeugen, erstellte Greenpeace für die Sit-zung der UNEP (United Nations Environ-mental Program, Umweltabteilung der UN)-Arbeitsgruppe im März 1989 eine Bestands-aufnahme über den internationalen Müll-handel, der zwischen 1986 und 1988 einenUmfang von mehr als sechs Millionen Ton-nen Abfall umfasste.79

Doch während der Verhandlungen inBasel wurde schnell deutlich, dass die Vertre-ter Japans, der USA und westeuropäischerRegierungen ihren Industrien den billigenEntsorgungsweg in die arme Welt freihaltenwollten. Daraufhin verließen alle afrikani-schen Delegierten unter Protest und ohneUnterschrift den Basler Verhandlungssaal.Sie entwickelten eine eigene Konvention überden Müllimport nach Afrika. Im Februar1991 unterzeichneten alle 41 Mitglieder derOrganisation Afrikanischer Staaten (OAU) inMalis Hauptstadt Bamako eine Konvention,die den Import von Abfällen aller Art nachAfrika verbietet. Die EG musste sich ver-pflichten, 69 afrikanische, karibische undpazifische Staaten (AKP-Gruppe) künftig vonMülleinfuhren zu verschonen. Das Verbot

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 33

78) Remi Parmentier: Greenpeace and the Dumping of Waste at Sea: A case of Non-State-Actors’ Intervention in International Affairs, in: International Negotiation 4, 1989, S. 439.

79) Jim Vallette und Andreas Bernstorff, Der internationale Müllhandel: Eine Bestandsaufnahme von Greenpeace, Basel 1989.

Page 34: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

wurde als § 39 in demwichtigen Finanz- undHandelsabkommen LoméIV zwischen der EG undden ehemaligen Koloni-en der heutigen EU-Staa-ten eingebaut.

Auch außerhalb Afri-kas gab es für die Green-peace-Giftmülldetektivegenug zu tun. Unmittel-bar nach der Öffnung sei-ner Grenzen zum Westenwar Polen 1989 einer wah-ren Müllschwemme aus-gesetzt. Zum ersten Malarbeitete Greenpeace miteiner Staatsregierung zu-sammen. Warschau nahmnach kurzem Zögern das– stillschweigende – Ko-operationsangebot derUmweltschützer an undsorgte dann von sich aus

für Transparenz. Erfolg: Polens Westgrenzewar schließlich für Müllschieber so gut wiedicht. Die Giftströme wurden ins Baltikum,nach Weißrussland, in die Ukraine und nachSüdosteuropa umdirigiert.

Greenpeace organisierte weltweit Rück-holaktionen unter dem Motto „Return toSender“, um die Öffentlichkeit für die Pro-blematik zu sensibilisieren. Im September1992 sammelten die Umweltschützer unterAnleitung von Andreas Bernstorff in Zusam-menarbeit mit den zuständigen rumänischenUmweltbehörden in Sibiu (Hermannstadt)illegal verbrachte Abfälle ein und transpor-tierten sie zurück nach Deutschland. Es han-delte sich dabei um Insektizide und Beizmit-tel. Die Abfälle stammten von ehemaligenStaatsbetrieben der DDR, aber auch von derFirma Bayer.

Dazu erklärte Arnold Vaatz (CDU), Staats-minister für Umwelt und Landesentwick-lung, am 13.10.1992 gegenüber dem Sächsi-

schen Landtag; „Erst mit der Lagerung, mitder offensichtlichen Entladung in Rumä-nien, bei deren Feststellung uns Greenpeacein dankenswerter Weise unterstützt hat,konnte die Entledigungsabsicht tatsächlichnachgewiesen werden.“80

Der damalige Umweltminister Klaus Töp-fer (CDU) erinnerte sich 1996 an die Giftmüll-Rückholaktion: „Greenpeace war nicht ganzunbeteiligt daran, dass ich im April nachSibiu (Hermannstadt) fuhr, um den Rücktrans-port von 430 Tonnen Giftmüll nach Deutsch-land zu veranlassen: Die Organisation hatteden Schmuggel nach Rumänien aufgedeckt.Die Fässer mit Altpestiziden waren teilweiseaufgeplatzt oder durchgerostet. Die Rückhol-aktion war eine Entschuldigung für den ille-galen Gifttransfer und der Beginn einerdeutsch-rumänischen Kooperation auf denGebieten Schadstoffemissionen und Gewäs-serqualität. Zugleich machten wir damit deut-lich, dass wir Giftmüllexporte nicht dulden.“81

Anlässlich der fünften Basel-Vertragsstaa-tenkonferenz blickte Klaus Töpfer, mittler-weile UNEP-Direktor, auf die Entstehungsge-schichte der Basel-Konvention und auf seineeigene Beteiligung als damaliger deutscherUmweltminister zurück.

„Ich möchte aber auch unsere Freundevon Greenpeace erwähnen. Ich erinnere michsehr gut an die Zeit vor zehn Jahren. Es wareine harte Zeit für einen Bundesumweltmi-nister. Ich wurde für den illegalen Export gif-tiger Abfälle von Deutschland nach Rumä-nien angegriffen. Ich stand in der Kritik fürabgelaufene Pestizide, die illegal als Handels-gut nach Albanien gegangen waren – und ichhatte die riesige Aufgabe, diesen Müll nachDeutschland zurückzubringen. Das war nurmöglich durch die große öffentliche Unter-stützung.”82

Für die von Töpfer erwähnte Rückholak-tion aus Albanien erhielt Greenpeace sogarrichterliches Lob (siehe auch Abschnitt 1.1.).Zeitgleich zu der Aktion im März 1994 be-schlossen die Teilnehmerstaaten der Basel-

34 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

1992 sorgen Greenpeacer

für den Rücktransport von

illegalem Giftabfall

aus Rumänien zu den

deutschen Produzenten.

80) Sächsischer Landtag, 1. Wahlperiode – 53. Sitzung, 13.10.1992, Drucksache S. 3659.81) Greenpeace Magazin, 3/96, S. 48. 82) UNEP Executive Director Klaus Töpfer´s Speech at the Ministerial Segment of the 5th Conference of the Parties to the Basel Convention,

Basel, 9.12.1999. © S

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Konvention ein ausnahmsloses Verbot füralle Giftmüllexporte aus reichen Industrie-ländern nach Osteuropa und in die so genann-te Dritte Welt. Exporte zum Zweck des Recy-clings unterlagen ab sofort einer strengenÜberwachung und waren ab 1998 ganz ver-boten.

Dass er die Basler Konvention für einengroßen Erfolg hält, betonte Klaus Töpfer beiseiner Rede 1999 ausdrücklich: „Die Konven-tion (...) bewies in diesen zehn Jahren, dasssie von Vorteil für die Qualität der Problem-lösung und für die Handlungsweise weltweitist. Sie arbeitet in einem offenen, sehr trans-parenten Prozess, schließt alle Nationen aufgleicher Höhe ein und umfasst alle Teile derGesellschaft: Nichtregierungorganisationen,Industrie, Wissenschaft, Handel u.a. Und dieKonvention, die Basel-Konvention, beweistund wird in der Zukunft beweisen, dass dieGlobalisierung notwendigerweise mit einerneuen Kultur der Solidarität verbunden seinmuss, mit Respekt für regionale Eigenheitenund mit Zusammenarbeit zum gegenseitigenNutzen.“

Nach dem Verbot der Hochseeverbren-nung und der Meeresverklappung durch dieLondon-Konvention ist dank der Basel-Kon-vention auch das „Recycling-Schlupfloch“ fürGiftmüllexporte geschlossen, was ihr globaleBedeutung verleiht. Damit können Müllver-meidung und Entgiftung der Produktion ver-stärkt durchgesetzt werden. Die Industriender reichen Länder werden gezwungen, mehrVerantwortung und die Folgekosten auf sichzu nehmen, anstatt sie an Schwächere wei-terzureichen.83

Dass Greenpeace auf die Entstehung dergenannten zwei Konventionen einwirkenkonnte, steht für Britta Meinke, die mit ihrerDissertation „Mehrebenenregulierung durchinternationale Umweltregime“ eine der zen-tralen Arbeiten zu dem Themenkomplex ver-fasst hat, außer Frage: „Die Umweltschutzor-ganisation nahm nicht nur an den Verhand-

lungen der Londoner und Baseler Konven-tion teil, sondern war auch zu den Vertrags-staatensitzungen regionaler Regime zugelas-sen. So gelang es ihr nicht nur, die Einbrin-gungsproblematik mit der grenzüberschrei-tenden Abfallproblematik zu verknüpfen, son-dern auch, an der ‚Politik des koordiniertenAlleingangs‘ in beiden Problemfeldern ent-scheidend mitzuwirken. Dass Greenpeace ander Verbreitung der Verbotspolitik für dasEinbringen, Verbrennen der Seebettbeseiti-gung und die Einfuhr von gefährlichen Ab-fällen auf der regionalen Ebene beteiligt ge-wesen sein muss, zeigt sich daran, dass infast allen Regimen, in denen diese Politikenals Reaktionen auf die Annahme der globa-len Baseler Konvention vereinbart wurden,die Bamako-Konvention als Modell herange-zogen wurde.“84 Meinke hält es für „geradezubezeichnend, dass Greenpeace, eine NGO mitweltweit 24 nationalen Büros, einer interna-tionalen ‚Ocean Dumping Campaign‘ und ei-ner ‚Toxic Waste Trade Campaign‘ und einemBeobachterstatus für die Verhandlungspro-zesse der meisten regionalen Regime im Pro-blemfeld ‚Einbringen von Abfällen auf See‘und ‚Grenzüberschreitende Verbringung vongefährlichen Abfällen‘, von einer ‚Klonungvon Bamako‘ sprach und den horizontalenDiffusionsprozess so offensichtlich beim Na-men zu nennen wusste. Bei einer Beurtei-lung der Bedeutung zentraler Akteure mussalso auch dem Umstand Rechnung getragenwerden, dass einige von ihnen aufgrundihres unterschiedlichen Zugangs zu Ent-scheidungsforen im Orwellschen Sinne ‚zen-traler als zentral‘ sein können.“85

Diuron und der Grundwasserschutz

Erfolg für den Greenpeace-Einsatz für gift-freies Grundwasser: Mitte April 1996 ent-schied die Biologische Bundesanstalt (BBA)in Braunschweig, zuständig für die Zulas-sung von Pestiziden, das Pflanzengift Diurondürfe nicht weiter als Unkrautkiller auf Bahn-

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83) Andreas Bernstorff, Global denken – Global handeln: Eine Bilanz der Giftexport-Kampagne, in: Das Greenpeace Buch, hrsg. von Greenpeace,München 1996, S. 138-151.

84) Britta Meinke, Mehrebenenregulierung durch internationale Umweltregime. Die Entstehung und Weiterentwicklung der globalen und regio-nalen Umweltregime in den Problemfeldern „Einbringen von Abfällen und Stoffen auf See“ und „Grenzüberschreitende Verbringung vongefährlichen Abfällen“. Dissertation, Berlin, November 1999, S. 391.

85) Ebenda, S. 392.

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gleisen eingesetzt werden. Die Deutsche BahnAG hatte regelmäßig Diuron auf ihren Gleis-anlagen versprüht und musste diese Praxisnun einstellen. „Ein wichtiger Teilerfolg inSachen Wasserschutz ist damit erreicht“,erklärte Wasser-Experte Jörg Naumann vonGreenpeace. Das ganze Jahr über „bearbeite-ten“ die Greenpeace-Gruppen mit Nachdruckweitere Diuron-Kunden. Sie durchforstetenBau- und Gartencenter nach diuronhaltigenMitteln und brachten immer mehr Händlerdazu, die Gifte aus ihren Regalen zu entfernen –darunter die Kaufhauskette Karstadt und dieBaumarktketten Obi, Praktiker und Stinnes.

Darüber hinaus stiegen 1996 acht Pesti-zidhersteller aus der Produktion diuronhalti-ger Pflanzengifte aus und orderten keinenNachschub bei Bayer. Jörg Naumann war zu-versichtlich: „Unsere Aufklärungsarbeit führtdazu, dass bald niemand mehr das Gift kauft86“.

Als die für die Zulassung von Pestizidenzuständige Biologische Bundesanstalt (BBA)in Braunschweig im Jahr 2000 die Wiederzu-lassung von Diuron vorschlug, „scheiterte dasVorhaben an Greenpeace, Landesregierungenund Wasserwerken“, wie die Süddeutsche Zei-tung mitteilte.87

Die Deutsche Bahn – 1996 Greenpeace-Gegner beim Streit um das Pflanzengift Diu-ron, das die Bahn auf den Gleisen einsetzte –setzte trotzdem auf Spitzengespräche mit denUmweltverbänden. Die Einladung dazu er-folgte am 29. November 2001.

Um mehr Wasserschutz durchzusetzen,musste Greenpeace zähe Hintergrundarbeitauf politischem Parkett leisten. Das Europäi-sche Parlament hatte 1994 – nach Lobbyar-beit von Greenpeace – gegen den damals neu-en Anhang VI der EU-Pflanzenschutzrichtli-nie geklagt, der die Zulassungsbedingungenfür Pestizide regelte. Der neue Anhang hättezur Folge gehabt, dass nur rund zehn Prozentdes Grundwassers in Europa vor Pestizidbe-lastungen geschützt gewesen wären. Im Juni1996 fällte der Europäische Gerichtshof inLuxemburg dann das Urteil: Er erklärte den

umstrittenen Anhang für ungültig – einewichtige Entscheidung zum Schutz desGrundwassers.

Zur sechsten Novelle des deutschen Was-serhaushaltsgesetzes leistete Greenpeace eben-falls politische Überzeugungsarbeit. Die vomBundesrat und der Bundesregierung vorge-legte Version beinhaltete eine Aufweichungbestehender Umweltschutzstandards undeinen klaren Rückschritt für den Schutz derGewässer. Greenpeace setzte sich dafür ein,dass der Vermittlungsausschuss schärfereSchutzbestimmungen formulierte. Im Novem-ber 1996 wurde das Gesetz dann in nachge-besserter Form verabschiedet.

Die Gebühren des

Umweltinformationsgesetzes

Mit den Gebühren des Umweltinformations-gesetzes hat sich Manfred Redelfs, der Leiterder Greenpeace-Recherche-Abteilung, befasstund schließlich erreicht, dass die Gebühren-verordnung für Bürgeranfragen in Nieder-sachsen drastisch gesenkt werden mussten.Mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG)wurde 1994 die in deutschen Behörden übli-che „Amtverschwiegenheit“ zumindest fürUmweltbelange von der Regel zur begrün-dungsbedürftigen Ausnahme88. Das Um-weltinformationsgesetz gibt Bürgern in ganzEuropa das Recht, von Behörden Auskünfteüber Umweltdaten im weitesten Sinne zu er-fragen. Mehr Transparenz bei Verwaltungs-vorgängen stärkt nicht nur die demokrati-schen Mitwirkungsrechte der Öffentlichkeit.Sie trägt auch dazu bei, den Kontakt zu denBürgern zu verbessern und damit letzten En-des die Akzeptanz für das Handeln der Ver-waltungen zu erhöhen. Außerdem kann nureine informierte Öffentlichkeit ihre Beteili-gungsrechte wirkungsvoll wahrnehmen.

Doch die Tücke steckt im Detail. Die Be-fürchtung der Autoren Schomerus, Schraderund Wegener in ihrem Vorwort zum Geset-zeskommentar UIG erwies sich als berechtigt:„Besonders anfänglich mag die vermehrteNachfrage nach Umweltinformationen auch

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86) Greenpeace Jahresrückblick 1996, S. 30.87) SZ, ohne Datum (2001), Ein Blumenbinder in der Rolle des Michael Kohlhaas.88) Zusammenfassung aus der Tagungsdokumentation „Die transparente Verwaltung“, 5. Juli 2002, Humboldt-Universität zu Berlin.

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als Störung eines bis dahin von Zugangsge-suchen unbehelligten Behördenalltags begrif-fen werden.“ Viele Behörden sahen in demRecht, für die Bearbeitung von Anfrageneine Gebühr zu erheben, eine willkommeneAbwehrmaßnahme für die Bürgeranfragen.

So antwortete der Landkreis Cuxhaven aufeine Anfrage zu Umweltdaten: „Unter Anwen-dung der Allgemeinen Gebührenordnungmüsste wegen der außergewöhnlich aufwän-digen Maßnahmen eine Gebühr von mindes-tens 1.220 Euro festgesetzt werden. Ich den-ke, dass angesichts dieses KostenbetragesIhre Anfrage als erledigt anzusehen ist.“

Im Landkreis Vechta zeigt sich, dass dieHöhe der erhobenen Gebühr mit der politi-schen Brisanz der erfragten Information kor-relierte. Greenpeace wollte 2001 von den Bau-ämtern im Regierungsbezirk Weser-Ems dieZahl der Neubauanträge für Massentierhal-tungsanlagen erfragen, aufgeschlüsselt nachTierarten, Gemeinden und geplanten Tier-zahlen. Der Landkreis mit der höchsten Kon-zentration von Massentierhaltung in ganz Eu-ropa zierte sich, Angaben zu geplanten neuenMastställen öffentlich zu machen, und ver-langte zunächst Gebühren von 5.600 DM(2.600 Euro). Denn auch im Sommer 2002sah die Niedersächsische GebührenordnungHöchstsätze von bis zu 6.130 Euro für die Be-arbeitung von Anfragen vor.

Greenpeace erhob gegen den Kostenbe-scheid aus Vechta Widerspruch und reichte ei-ne Beschwerde bei der EU-Kommission ein,um wegen der Gebührensätze für UIG-Anträ-ge in Niedersachsen ein Vertragsverletzungs-verfahren gegen die Bundesrepublik Deutsch-land anzustrengen. Damit wurde die Umwelt-organisation zum Vertreter vieler Niedersach-sen, die sich durch zu hohe Gebühren sicher-lich von ihren berechtigten Anfragen zuTrinkwasserqualität oder Altlasten abge-schreckt gefühlt hätten. Angesichts diesesDrucks änderte das Land Niedersachsen zum1. Juli 2002 endlich seine Gebührenordnung,woraufhin auch die Forderung gegen Green-peace auf die neue Höchstgebühr von 500Euro reduziert wurde. Das Engagement vonGreenpeace hat sich darüber hinaus aus zweiGründen gelohnt. Denn hätte man die Bürger-

anfragen mit Mammutgebühren zum Schwei-gen gebracht, wäre das Gesetz gescheitert.

Dabei kann die Auskunftspflicht einSchutz gegen Bestechung im Amt sein. DieNichtregierungsorganisation „TransparencyInternational“, die sich u.a. der Bekämpfungder Korruption verschrieben hat, weist daraufhin, dass die Länder mit der größten Trans-parenz auf dem Korruptions-Länder-Index ambesten abschneiden.

Zum Zweiten zeigt sich, dass durch dieBehördentransparenz Vollzugsdefizite imstaatlichen Umweltschutz überhaupt erst auf-fallen. Auf die Anfrage an das Umweltminis-terium Schleswig-Holstein nach einer Listeder Firmen mit Störfallplan, u.a. mit Anga-ben zu potenziell gefährlichen Stoffen, schriebdas Ministerium lapidar zurück, die Zahlenseien nicht bekannt, und spielte den Ballzurück: „Falls Sie über weitere Informationen,die Verpflichtung aus § 11a betreffend, verfü-gen, bin ich für eine Unterrichtung dankbar.“

1.4 Anstöße in

Wissenschaft und Technik

Auch hier ist nur eine Auswahl der techni-schen Innovationen dargestellt, die Green-peace auf den Weg gebracht hat. Der Green-freeze ist bereits beschrieben, und seit 2001kämpft Greenpeace um die Einführung einesDieselfilters für gebrauchte Dieselfahrzeuge.Diese Kampagne ist noch nicht abgeschlos-sen und bleibt daher unerwähnt.

Auf dem Weg zum chlorfreien Papier:

„Das Plagiat“

Nach langen Vorarbeiten und technischenRecherchen in Zusammenarbeit mit aufge-schlossenen Papierherstellern gelang es Green-peace 1990, dünnes Kraftzellstoff enthalten-des Tiefdruckpapier für Massendruck-Objek-te aus chlorfreiem Zellstoff herzustellen.Allerdings war die Reaktion der deutschenZeitungsverlage ernüchternd. Daraufhin be-schloss Greenpeace, selbst solches Papier pro-duzieren zu lassen. Im Herbst 1990 erklärtesich der Papierhersteller Haindl bereit, dasPapier für ein Plagiat des Nachrichten-Maga-

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zins „Der Spiegel“ in seiner Duisburger Fabrikzu fertigen, von wo auch der echte „Spiegel“einen Teil seines Tiefdruckpapiers bezieht.

Am 1. März 1991 wurde „Das Plagiat“ ineiner Aktion vor dem Verlagshaus des „Spie-gels“ der Öffentlichkeit präsentiert: Das ersteTiefdruckpapier der Welt aus chlorfrei ge-bleichtem Kraftzellstoff war nur unmerklichweniger weiß als das Original. Bedruckbar-keit und Festigkeit des Papiers waren so gutwie beim Original. Innerhalb der nächstenWochen und Monate wurde es national undinternational als industrielle Lösung bei Pa-pier- und Zellstoffindustrie, Grafikern, Verla-gen, Druckereien und Werbeagenturen be-kannt.

Im Laufe des folgenden Jahres gewannPapier aus chlorfreiem Zellstoff in allen Be-reichen gewaltig Marktanteile. Zum Jahres-ende verkündeten „Spiegel“ und „Stern“, dassab sofort nur noch auf Papier aus chlorfreigebleichtem Zellstoff gedruckt werde. Auch„Profil“ in Österreich schloss sich an.

Ein solch großer Kampagnenerfolg istnicht mit einer einzelnen Aktion zu errin-gen. Seit 1989 hatte Greenpeace versucht, dieweltweiten Papiermärkte zu beeinflussen.

Dabei sorgte die Umweltorganisation nochfür zwei weitere Weltpremieren: Der welt-weit ersten Zeitschrift auf chlorfreiem Off-setpapier (Greenpeace Magazin 1989) unddem chlorfreien Tiefdruckpapier (Plagiat) folg-te im November 1991 das Greenpeace Papier-Dossier, die erste Broschüre der Welt aufchlorfreiem Tiefdruckpapier mit 40 ProzentAltpapieranteil.89

Zehn Jahre nach dem „Plagiat“ wies Bun-despräsident Rau im Rahmen der Verleihungdes Verdienstkreuzes der BundesrepublikDeutschland an Thilo Bode auf das erstePositiv-Projekt der Umweltorganisation hin:„So schaffte Greenpeace 1991 mit der Prä-sentation der weltersten Tiefdruckzeitungauf chlorfreiem Papier, einem ‚Plagiat‘ desNachrichtenmagazins ‚Der Spiegel‘, den Pa-piermarkt der Bundesrepublik zu verän-dern.“90 (Siehe auch Abschnitt 5.)

SmILE

Die Erde heizt sich auf: Der Autoverkehr mitseinem horrenden CO2-Ausstoß ist eine derHauptursachen und mitverantwortlich fürdie globale Klimaveränderung. Trotzdem lagder Benzinverbrauch in der Bundesrepublik1995 schon 25 Jahre unverändert bei zehnLitern auf 100 Kilometer, „ein Offenbarungs-eid umweltpolitischer Verantwortungslosig-keit der Industrie“, wie Greenpeace-ExperteWolfgang Lohbeck kommentierte.91 Seit Jah-ren versprachen die deutschen Autoherstellerdie Produktion eines so genannten Drei-Liter-Autos, doch die Einführung wurdeimmer wieder verschoben. Da die Automobil-industrie untätig blieb, eröffnete Greenpeaceden Wettbewerb um das Sparmobil.

SmILE heißt das Konzept (Small, Intelli-gent, Light, Efficient), herkömmliche Serien-fahrzeuge mit wenig Aufwand in Sparautoszu verwandeln. Am Beispiel des Renault Twin-go zeigte Greenpeace, wie es sich in der Pra-xis umsetzen lässt. In rund zwei Jahren bau-ten Tüftler der Schweizer MotorenschmiedeWenko im Auftrag der Umweltschutzorgani-

38 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

89) Greenpeace Jahresrückblick 1991, S. 8.90) Begründung für die Verleihung des Verdienstkreuzes 1. Klasse, des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

an Dr. Thilo Bode am 7.9.2001.91) Greenpeace Jahresrückblick 1995, S. 33.

1991 gibt Greenpeace ein

Plagiat des Magazins

›Spiegel‹ heraus, der ersten

Tiefdruckzeischrift auf

chlorfreiem Papier.

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sation das Fahrzeug um. Der Twingo SmILehat im Vergleich zum Ausgangsmodell 160Kilogramm abgespeckt, seine Karosserie istaerodynamischer gestaltet. Unter der Motor-haube verbirgt sich statt eines Vierzylinder-Aggregats ein viel kleinerer Zweizylinder-Boxermotor mit 360 Kubikzentimetern Hub-raum, dem ein „Comprex“-Auflader zu 50 PSLeistung verhilft.

Bei der SmILE-Premiere im schweizeri-schen Luzern Mitte August 1996 beweistGreenpeace, dass sich der Spritverbrauch beifast allen Serienautos problemlos halbierenlässt. Die Vergleichsfahrt mit einem herkömm-lichen Renault Twingo, einem Ford Escortund einem VW Polo gewinnt der SmILE sou-verän mit einem Verbrauch von nur 3,2 Li-tern Benzin auf 100 Kilometern.

Im September 1996 wird der SmILE ausder Schweiz nach Bonn vor die Tür von Bun-desverkehrsminister Wissmann (CDU) ge-fahren. Spontan steigt der Minister zu einerProbefahrt ein und lobt den Wagen nach derSpritztour ausdrücklich.

Am 21.1.1997 erhalten das Entwicklungs-team des Fahrzeugkonzeptes Twingo SmILE,das aus dem Jungunternehmen Wenko AGswissauto, Burgdorf, den Firmen Esoro AG,Glattbrugg, und BRM Design AG, Brügg/Biel,besteht, sowie die Umweltorganisation Green-peace, die das Konzept in Auftrag gegebenhatte, den Schweizer Innovationspreis 1996.

Die Idée-Suisse – Schweizer Gesellschaftfür Ideen- und Innovationsmanagement mitGeschäftsstelle im Technopark Zürich – ver-leiht seit 1985 den ‚Schweizer Innovations-preis zur Förderung der wirtschaftlichen Zu-kunftschancen‘.

Laut Idée-Suisse Präsident Dr. Olaf J. Böh-me erhalten Entwickler und Auftraggeber dieAuszeichnung als Anerkennung für ein Fahr-zeugkonzept, das prinzipiell auf alle Benzin-motorfahrzeuge anwendbar ist: Senkung desTreibstoffverbrauchs und des damit verbun-denen Ausstoßes an Kohlendioxid (CO2), umdie drohende Klimakatastrophe zu verhin-dern oder zumindest zu bremsen. In seiner

Laudatio lobte Prof. Lino Guzzella vom Insti-tut für Energietechnik und Laboratorium fürVerbrennungsmotoren und Verbrennungs-technik der ETH Zürich den Twingo SmILEals zukunftsweisendes Konzept.92

Die Autoindustrie jedoch ignoriert diesesKonzept weitgehend. Erst im November 1998bestätigt mit Audi ein großer deutscher Auto-hersteller, dass die SmILE-Technik zur Ben-zineinsparung der erfolgversprechendsteWeg sei. „Der Trend für den Ottomotor derZukunft geht ganz sicher hin zur Hubraum-reduzierung und zur Aufladung“, gibt Audiauf einer Fachtagung in Essen bekannt.93

Eine weitere Auszeichnung verleihen dieOrganisation für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung (OECD) und dasösterreichische Bundesministerium für Land-und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser-wirtschaft dem Projekt „SmILE Fuel Efficen-cy Technology/Greenpeace“ im Oktober 2000im Rahmen einer Konferenz über ökologischnachhaltigen Transport Est! (environmentallysustainable transport) in der Kategorie „Inter-national Best Practices Competition”. In derUrkunde heißt es:

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 39

92) Pressecommuniqué der Idee Suisse, 21.1.1997.93) Greenpeace Jahresrückblick 1998, S.35.

SmILE, ein im Auftrag von

Greenpeace umgebauter

Renault, auf der IAA 1997 in

Frankfurt: 3,2 Liter/100 km

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Page 40: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

„Das Bundesministerium für Land- undForstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt-schaft und das OECD-Umwelt-Direktoriumerkennen dieses Projekt als Beitrag zu um-weltfreundlich nachhaltigem Transport anund drücken ihren herzlichen Dank an dieProjekt-Entwickler für ihr hingebungsvollesEngagement aus.”

Cyrus und die Solar-Kampagne

Die kleine deutsche Photovoltaik-Branche,auf der viele Hoffnungen ruhten, traf Endedes Jahres 1995 ein schwerer Schlag. DieAngewandte Solarenergie GmbH (ASE), inder seit Januar 1994 die Solaraktivitäten vonNukem (RWE) und DASA-Solartechnik ge-bündelt worden waren, gab ihren Standort inWedel auf. Die hochsubventionierte und -entwickelte Produktion wurde in die USAverlagert. Die hohen Lohnnebenkosten undder Rückgang öffentlicher Forschungsgelderin Deutschland und die angeblich fehlendeNachfrage dienten zur Begründung für die-sen Schritt. Die Solarbranche schien ihre Zu-kunft schon hinter sich zu haben.

Doch dann startete Greenpeace seine So-lar-Kampagne, und für die Photovoltaik-Tech-nologie brach eine neue Gründerzeit an. Inder Jubiläumsausgabe des Fachblatts „SonneWind & Wärme“ hieß es dazu: „Doch gegendiese Depression stemmte sich als einer derersten Greenpeace. Die Umweltaktivistenstarteten im November die ‚Cyrus-Kampagne‘mit dem Ziel, 2-kWp-Anlagen zum Festpreisvon 25.490 DM (einschließlich Montage undMwst) anzubieten und dadurch die Nachfra-ge anzukurbeln. Diese Summe lag um etwa30 Prozent unter den bis dahin üblichenPreisen – eine Provokation der Branche, diesofort lautstark protestierte.“94

Die Greenpeace-Kampagne bewirkte, dassinnerhalb weniger Monate Tausende ihr In-teresse an einer preisgünstigen Solaranlagemit Kaufabsichtserklärungen bekundeten. Da-mit konnte Greenpeace die Argumentationder Stromkonzerne widerlegen, die stur be-haupteten, die Produktion von Solaranlagensei viel zu teuer, die Nachfrage in Deutsch-land zu gering.

Zwar pendelte sich der Durchschnitts-preis für eine PV-Anlage bis Ende 1997 aufknapp über 30.000 DM ein, aber: „Greenpeacehatte nicht nur wie üblich in den Medienund im politischen Sektor Aufsehen erregt,sondern auch eine Kostensenkung bewirkt.“Obwohl die Förderung in dieser Zeit gerin-ger ausfiel als in den Vorjahren, kam es 1996zu einer Verdopplung des Marktvolumensvon PV-Anlagen. Für „Sonne, Wind &Wärme“ ist dieser „enorme Anstieg nur durcheinen positiven Stimmungsumschwung zuerklären. Vermutlich haben drei Faktorendabei eine Rolle gespielt: Die durch Green-peace gestartete Cyrus-Kampagne, die bundes-weiten Initiativen des SFV (Solarenergie-För-dervereins) zugunsten der kostendeckendenVergütung und die unternehmerischen Akti-vitäten der genannten mittelständischen Un-ternehmer.“Auch Adolf Edelmann, Geschäftsführer desSolargroßhandels AET im Saarland, stelltefest, es habe 1996 „ein erstaunlich großes In-teresse an Photovoltaik in den überregiona-

40 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

94) Jubiläumsausgabe 2001 Sonne Wind & Wärme, Die Gründerzeit der Photovoltaik, S. 94.

Aktion von Greenpeace

beim Bonner Wirtschafts-

ministerium 1996: Cyrus

schafft Arbeitsplätze!

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Page 41: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

len Medien“ gegeben. Dafür hätten vor allemGreenpeace und die durch die Kampagnegesteigerte Nachfrage gesorgt.95 Von Beginnder Aktivitäten bis 1997 hatte sich der Marktfür Solarstrom trotz der rückschrittlichen Bon-ner Energiepolitik mehr als verdreifacht.

Aber die politischen Entscheidungen ge-fährdeten nicht nur die Umwelt, sondern auchTausende von Arbeitsplätzen. So protestierteGreenpeace 1997 heftig gegen die geplantenÄnderungen des Stromeinspeisegesetzes unddie Novellierung des Energierechtes ohneVorrangregelung für erneuerbare Energien.Die Umweltschutzorganisation rechnete derBundesregierung in einer Studie vor, dassmit einem Markteinführungsprogramm fürPhotovoltaik und Windenergie durch Erhö-hung der Strompreise um nur 0,125 Cent proKilowattstunde über 20.000 Arbeitsplätzeallein durch den Absatz auf dem innerdeut-schen Markt neu entstehen würden.

„Entsprechend dieser Chance für denArbeitsmarkt und die Umwelt gleicherma-ßen fordern inzwischen mehrere Verbändeund Organisationen, unter anderem auch derVDMA (Verband Deutscher Maschinen- undAnlagenbau), eine Festschreibung der Ein-speisevergütung an der Küste und eine Erhö-hung der Vergütung im Binnenland für dieWindenergie.“96

Greenpeace selbst ging in puncto Solar-energie mit gutem Beispiel voran: Eine 80Quadratmeter große Solarfassade ziert dasLager im Hamburger Hafen und liefert jähr-lich rund 5.000 Kilowattstunden Strom –genug für die gesamte Beleuchtung des Hau-ses. Die Solarstromanlage wurde von derHamburger Umweltbehörde mit 88.000 DMbezuschusst. „Wir bezuschussen damit daserste Fassadenkraftwerk in Hamburg“, erläu-terte Lutz Jahn von der Abteilung Energie-politik und Wasserversorgung der Umwelt-behörde, der damals 1,5 Millionen Mark zur

Förderung von Projekten auf dem Innova-tionssektor zur Verfügung standen.97

Im Juli 1995 zeigte sich Bundesbauminis-ter Klaus Töpfer bei einem Besuch beein-druckt. Nicht nur bei den damals in Planungbefindlichen Berliner Neubauten der Bun-desregierung, sondern bei allen größeren Bau-vorhaben bietet es sich an, auf teure Marmor-fassaden zu verzichten und dafür Solarfassa-den zu bauen. „Das Interesse an so einer image-trächtigen Fassade ist groß“, berichtete SvenTeske, mit zuständig für das Greenpeace-Solarprojekt. „Banken, Kaufhausketten undandere Unternehmen erkundigen sich beiuns. Aber der Preis schreckt viele.“98

Auch in dem Lehrbuch „Natur bewusst“vom Westmann Schulbuchverlag dient dieGreenpeace-Solarfassade als Vorbild. In demKapitel über erneuerbare Energieträger, indem unter anderem die Funktionsweise vonSolarzellen erklärt wird, dient ein Foto vomHamburger Lager zu Verdeutlichung.99

1.5 Greenpeace in der DDR

In einem Bereicht der Europäischen Kom-mission zum Transformationsprozess in denautoritären Regimen Zentral- und Osteuro-pas100 wird nicht nur den namhaften Dissi-denten wie Havel oder Konrad eine wesentli-che Rolle zugesprochen. Sie waren nicht dieeinzigen Vordenker der Zivilgesellschaft inOsteuropa. Da die kommunistischen Regie-rungen keine Themen zur Sprache brachten,die das tägliche Leben der Menschen berühr-ten, entstanden Bürgergruppen im Bereichdes Umweltschutzes, der Kultur und der Frie-densbewegung. Besonders die Zusammen-arbeit der Friedens- und Umweltschutzgrup-pen in Ost und West hat zu einer Verschmel-zung der westlichen Ideen der sozialenBewegungen mit den osteuropäischen Ansät-

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 41

95) Jubiläumsausgabe 2001 Sonne Wind & Wärme, S. 95f.96) Wind-Kraft Journal 3/97, S. 12, Greenpeace: Heftiger Protest gegen die Änderungspläne des Stromeinspeisegesetzes und die Novellierung

des Energierechtes ohne Vorrangregelung für erneuerbare Energien.97) Die Welt, ca. 1995, Artikel liegt vor.98) Spiegel Spezial 7/95, S. 106.99) Natur bewusst 2.1, Natur – Umwelt – Technik, Westermann Schulbuchverlag, Braunschweig 2000, S. 160.

100) Evaluation of the Phare and Tacis Democracy Program 1992–1997.

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zen geführt und so die heutige Bedeutungdes Begriffs der Bürgergesellschaft entschei-den mitgeprägt.

Ein Lob der EU-Kommission, das sichauch Greenpeace ans Revers heften kann. Dieerste Greenpeace-Aktion im Ostblock fand1982 statt. Damals protestierte das Green-peace-Schiff „Sirius“ im Leningrader Hafen ge-gen russische Atomwaffenversuche. Die ersteAktion in bzw. über der DDR lief am 28. August 1983, als der Heißluftballon „Tri-nity“ von West-Berlin aus in die DDR flog.Der Überflug sollte die grenzüberschreitendeGefahr von atomaren Waffen verdeutlichenund war für die SED eine Überraschung. Bis-her hatte man die Umweltorganisation füreigene Zwecke nutzen können, weil sie sichauf Protestaktionen gegen Atomrüstung,Atomwaffentests und Umweltzerstörung inden westlichen Ländern beschränkte.101

Nun wurde sie zur Gefahr für den totalitärendeutschen Staat, weil sie auf dem Informa-

tionsrecht der Bürger, auf Schutz vor Um-weltgefahren und auf dem Recht zum fried-lichen Protest bestand. Daher schleuste dieStaatssicherheit ab Mitte der achtziger JahreSpitzel in die Umweltorganisation ein. Fürwie gefährlich sie die friedlichen Umwelt-Aktivisten aus dem Westen hielt, geht ausfolgenden Dokumenten hervor.

Greenpeace war Feind. In der Richtlinie1/76 (GVS MfS o008-100/76) ging es um dieEntwicklung und Bearbeitung operativerVorgänge102. Unter 2.6.2. Formen; Mittel undMethoden der Zersetzung heißt es: „Bewähr-te anzuwendende Formen der Zersetzungsind: systematische Diskreditierung des öffent-lichen Rufes, des Ansehens und des Prestigesauf der Grundlage miteinander verbundenerwahrer, überprüfbarer und diskreditierendersowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerleg-barer und damit ebenfalls diskreditierenderAngaben (...) zielstrebige Untergrabung vonÜberzeugungen im Zusammenhang mit be-

42 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie

August 1983:

Erste Greenpeace-Aktion mit

einem Heißluftballon in der

DDR gegen Atomwaffen.

101) Greenpeace in der DDR / Uwe Bastian / edition ost“102) ebenda ©

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stimmten Idealen, Vorbildern usw. und dieErzeugung von Zweifeln an der persönlichenPerspektive, Erzeugen von Misstrauen undgegenseitigen Verdächtigungen innerhalb vonGruppen, Gruppierungen und Organisationen.“

In einem Schreiben des Ministerrates derDeutschen Demokratischen Republik, Haupt-abteilung XVIII vom16. Mai 1988 steht103:„Weitere Qualifizierung der Führung, Leitungund Organisation der politisch-operativen Ab-wehrarbeit auf dem Gebiet von Umweltschutzund Wasserwirtschaft zur vorbeugenden Ver-hinderung, Aufklärung und Bekämpfungfeindlicher Angriffe.

Der Bereich Umweltschutz und Wasser-wirtschaft der DDR ist zunehmend Angrif-fen feindlich-negativer Kräfte unter Ausnut-zung real existierender brisanter Umwelt-probleme ausgesetzt.

Insbesondere durch (...) staatliche und ge-sellschaftliche Einrichtungen und Organisa-tionen des Operationsgebietes, wie - Umweltbundesamt Westberlin,- Deutsches Institut für Wirtschafts-

forschung Westberlin,- Arbeitskreis ,Kirche im Sozialismus‘ West-

berlin,- Greenpeace Deutschland, Sitz Hamburg,

Kontaktgruppe Westberlin- Hanns-Seidel-Stiftung“

Dr. Alfred Kleine, Generalleutnant und Chefder Stasi-Wirtschaftsabteilung (HA XVIII)gab im Februar 1989 noch sehr konkreteAnweisung zur Bekämpfung von Greenpea-ce: „Schwerpunktmäßig die Realisierung fol-gender Zielstellungen: 1. (...) 2. Aufklärung und wirksame Verhinderungsubversiver Handlungen, spektakulärer Akti-onen sowie staatlich nicht genehmigter Akti-vitäten von „Greenpeace“ als Organisationbzw. einzelner Mitarbeiter/Mitglieder/Sym-pathisanten.3. Aufklärung, operative Kontrolle und Zu-rückdrängung des Auf- und Ausbaues inof-fizieller Kontakte von „Greenpeace“ zu nega-tiv feindlichen Kräften, vor allem in so ge-nannten staatlich unabhängigen Friedens-/Ökokreisen/-gruppen in der DDR durch denEinsatz geeigneter politisch operativer Kräf-te und Mittel.(...)4. (...) 5. Verhinderung des Zuganges zu geheim zuhaltenden Umweltdaten.“

Doch die Ostdeutschen waren nicht mehr zubremsen. Trotz der Stasi und drohenderRepressalien hatten auf einen Rundbrief an20.000 zufällig ausgewählte DDR-Bürgerviele an Greenpeace geschrieben und dasEngagement gelobt. Und der Spuk war imNovember 1989 vorbei.

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst für Umwelt und Demokratie 43

103) Dokument 2 der edition ost

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2. Greenpeace im gemeinnützigenDienst der Gesellschaft

2.1 EhrenamtIn Rahmen der Debatte um die Rolle von Non-profit-Organisationen in den Bürgergesell-schaften des 21.Jahrhunderts104 geht es im-mer wieder auch um die Bedeutung ehren-amtlicher Arbeit. Der Wissenschaftler RudolphBauer schreibt dazu:

„Nonprofit-Organisationen stellen eineAntwort auf den gesellschaftlichen Wandeldar. Sie bilden organisatorische Reaktions-formen, die durch soziale und kulturelle He-terogenität hervorgerufen werden. (...) IhreFunktion beschränkt sich darauf, in den des-integrativen Stürmen gesellschaftlicher Span-nungen und Spaltungen eine Art von inte-grativen ,Rettungsinseln‘ bereitzustellen,welche soziale Kohäsion und die Bildung vonassoziativer Homogenität und Stabilitäterlauben. Zivilgesellschaftliche Gestaltungs-perspektiven, die über den engeren Horizontder satzungsmäßigen Organisationsziele hin-ausreichen, haben und finden keine Chancen.“Der US-Außenstaatssekretär Timothy Wirthbestätigt dies105: „Der wachsende Einflussvon Basisinitiativen ist neben der Internatio-nalisierung die zweite Herausforderung fürdas bisherige Konzept von Politik. Es gibteinen enormen Druck zur Dezentralisierungvon Politik (...) Graswurzel-Bewegungen sindder Politikstil der Zukunft. Manche Leuteglauben, diese Gruppen seien eine Marotteder UNO. Doch es gibt sie jetzt in allen Län-dern. Überall muss sich daher die Politik de-zentralisieren.“

Greenpeace hat neben den rund 150 Fest-angestellten Tausende ehrenamtliche Mitar-beiter, organisiert in Gruppen, definiert nachAlter, in den Greenteams für die Kinder, beiden JAGs für die Jugendlichen, in den loka-len Greenpeace-Gruppen für die Erwachse-

nen und in den Teams Fünfzig Plus für die Se-nioren.

Bundesfamilienministerin Christine Berg-mann lobte im Vorwort einer Broschüre desBundesministeriums für Familie, Senioren,Frauen und Jugend zur Wanderausstellung„Ehrenamtliches und bürgerliches Engage-ment in unserer Gesellschaft“ aus dem Jahr2001 den unbezahlten Einsatz: „Freiwilligesoder ehrenamtliches Engagement ist unver-zichtbar für eine lebendige Demokratie undden sozialen Zusammenhalt in unserer Gesell-schaft. Unschätzbare soziale, politische undauch wirtschaftliche Werte verdanken wir denknapp 22 Millionen Freiwilligen in Deutsch-land. Dennoch wird ihre Bedeutung häufigunterschätzt; auch, weil dieser unbezahlte undunbezahlbare Einsatz oft unsichtbar bleibt.“

Im Kapitel „Am Anfang war das Ehren-amt“ heißt es: „Freiwillig Engagierte sind fastimmer in Organisationen eingebunden – inParlamente, Gerichte, Kirchen und Parteien,in Initiativen, Vereine und Verbände. Diesebündeln und vertreten ihrerseits Interessen,schützen und helfen. (...) Für die Organisatio-nen wiederum stellt das Ehrenamt eine zen-trale demokratische, legitimatorische undwirtschaftliche Ressource dar.“ Die Broschü-re bebildert diese Sätze mit Fotomaterial vonGreenpeace. Bildunterschrift: „Greenpeace:Gemeinschaftlicher Einsatz in Sachen Tier-und Umweltschutz“. 106

Auch im Abschnitt, in dem es um die „Ge-sellschaft von morgen“ geht, ist auf Green-peace-Fotos zurückgegriffen worden: „Green-peace-Aktivisten warnen vor den Risiken derAtomkraft und der Gentechnologie.“ Dazuheißt es: „Alle Vorschläge und Visionen (...)haben eines gemeinsam: Sie weisen dem amGemeinwohl orientierten Engagement einewichtige Rolle zu. In welchen Gewändern ge-sellschaftliche Beteiligung und aktives Enga-gement auch auftreten mögen – als Bürger-engagement oder Bürgerarbeit, als Zivilenga-gement, Freiwilligenarbeit oder Selbsthilfe:All diese Formen gelebter Solidarität werden

44 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft

104) Recherchen Imke Stock für Walter Homolka, Kap. 1.105) US-Außenstaatssekretär Timothy Wirth/Spiegel Spezial 11 /1995 /S. 8. 106) Ehrenamtliches und bürgerliches Engagement in unserer Gesellschaft, hrsg. vom Bundesministerium für

Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001, S. 9.

Page 45: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

für eine humane Bewältigung der Zukunftunverzichtbar sein.“107

2.2 Greenpeace-GruppenInfo-Tische in der Fußgängerzone, Flugblät-ter verteilen, Dia-Vorträge halten oder an Ak-tionen teilnehmen: vielfältig sind die Aufga-ben der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mit-arbeiterinnen von Greenpeace. Nach demMotto „Global denken – lokal handeln“ fin-det Umweltschutzarbeit bei Greenpeace auchauf lokaler und regionaler Ebene statt. Heuteengagieren sich bundesweit ungefähr 1.800Menschen in über 80 Gruppen. Sie verstehensich als Teil von Greenpeace und als wichtigeMultiplikatoren der Greenpeace-Ideen. DieHauptmotivation dieser Freiwilligen liegt indem Ansinnen, die Ziele und die Arbeit derOrganisation öffentlich zu machen und zuunterstützen.

Sie arbeiten gemeinsam an den globalenGreenpeace-Zielen, unterscheiden sich inGröße und Struktur jedoch erheblich: Es gibtStadt- und Regionalgruppen, Gruppen, die ei-gene Büros unterhalten, und andere, die sichbeispielsweise in Kulturzentren treffen. GroßeGruppen wie in Hamburg oder Berlin zählenüber 100 Mitglieder, die kleinste „Gruppe“auf Föhr besteht aus einer Person.

Ein Beispiel für ein erfolgreiches bundes-weites Projekt ist die Weiterführung derFCKW-Kampagne durch etwa 30 Gruppen.Sie haben sich zum Ziel gesetzt, in Städtenund Gemeinden Verordnungen zum FCKW-und FKW-Verbot bei öffentlichen Bauvorha-ben durchzusetzen, und ihr Projekt auf PVC-Produkte und Raubbauholz erweitert. Mitt-lerweile sind entsprechende Verordnungenin zahlreichen Städten erlassen worden. Soverzichtete die Stadt Münster seit 1994 aufDruck der Greenpeace-Gruppe auf Tropenholzund FCKW/H-FCKW.108 Seit 1995 verban-nen Berlin, Hessen, auch Bayern und Nord-rhein-Westfalen FCKW-haltige Baustoffe aus

öffentlich geförderten Gebäuden.109

Damit die Energiezukunft ohne Kohle, Ölund Atom Schule macht, initiierte die Um-weltschutzorganisation gemeinsam mit derGewerkschaft Erziehung und Wissenschaftein Solar-Schulprojekt. Die Idee: Schüler undLehrer fahnden in ihrer „Penne“, wo und wieEnergie gespart werden kann. Mit dem ein-gesparten Geld finanziert die Schule schließ-lich eine Solaranlage. Allein 1996 beteiligtensich über 100 Schulen an dem Solar-Projekt110,das seit Februar 1996 von vielen regionalenGreenpeace-Gruppen betreut wird.

1998 landete die Greenpeace-Gruppe Kre-feld mit ihrem Projekt „Dämm it“ einen dop-pelten Erfolg: Die Stadtwerke wollen in vierSchulen den Energieverbrauch bis zum Jahr2003 um 25 Prozent senken. Im Landeswett-bewerb „Öffentlichkeitsarbeit für eine nach-haltige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen“gewann das Projekt zudem den ersten Preis.111

Der schwäbische Unternehmer StefanBleyer profitierte vom Wissen der StuttgarterGreenpeace-Gruppe. Seine neue Produktions-halle sollte ein Paradestück für ökologischesBauen werden. Bleyer berichtete gegenüberden Greenpeace Nachrichten: „Bei Baustoff-auswahl und Energiegewinnung habe ich michvon einem Experten der Stuttgarter Green-peace-Gruppe beraten lassen – dieses Know-how und Engagement waren sehr nützlich.“112

Dass der deutsche Ableger des Fast-Food-Konzerns McDonald‘s nach monatelangenAktionen zugesagt hat, künftig bei der Ernäh-rung seiner Hühnchen für Burger und Nug-gets kein gentechnisch verändertes Futtermehr zuzulassen, rechnete der BayerischeGastronomie Report auch den ehrenamtli-chen Greenpeace-Aktivisten an: „McDonald‘sDeutschland hat zugesichert, ab April 2001bei Hähnchen kein genmanipuliertes Tier-futter mehr einzusetzen. Für Schweine undRinder wird der Verzicht zumindest ange-strebt. Der Erfolg ist in erster Linie vielen lo-

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft 45

107) Ebenda, S. 27108) Greenpeace-Jahresrückblick 1994, S. 31.109) Greenpeace-Jahresrückblick 1995, S. 29.110) Greenpeace-Jahresrückblick 1996, S. 10.111) Urkunde von Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, 19.11.1998.112) Greenpeace Nachrichten, 3/2002, S. 7.

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kalen Greenpeace-Gruppen zu verdanken.(...) Ein Lob an Greenpeace wollen wir nichtvergessen. Gut zu wissen, dass jemand da ist,der aufpasst und den Großen bei Bedarf indie Suppe spuckt.“113

Auch kleinere Aktionen fanden ihr Echo,wie etwa die Essener Aufräumtage 1994. DieEssener Umweltdezernentin Eva-Maria Krü-ger zeigte sich begeistert von der Greenpeace-Aktion: „Eine tolle Idee, die die Stadtverwal-tung nach Kräften unterstützen wird. ImRahmen einer Arbeitsgruppe werde mit Green-peace derzeit über eine sinnvolle Aufstellungstadteigener Container gesprochen, denn dergesammelte Abfall müsse ja ordnungsgemäßentsorgt werden. Auch anderer Hilfsmittelwie etwa Greifzangen will das Reinigungsamt

zur Verfügung stellen. Begrüßen würde es dieDezernentin, wenn die Aktion kein Einzelfallbliebe, sondern Startschuss wäre für mehrBürgersinn in Sachen Stadt-Pflege.“114

2.3 Kinder- und JugendprojekteEnde der 80er Jahre kam bei Greenpeace erst-mals die Frage auf, ob die Organisation Kin-dern einen Rahmen für ein selbstbestimmtesökologisches Handeln im Sinne der Green-peace-Ziele bieten sollte. Nach heftigen undkontroversen Diskussionen fasste Green-peace im Jahr 1990 den Beschluss, die Kinder-und Jugendprojekte zu gründen und als eige-nen Bereich in der Organisation zu veran-kern. Unter dem Motto „Kinder und ihreAnliegen ernst nehmen“ entschied sichGreenpeace für das Konzept einer offenenKinder- und Jugendarbeit in den so genann-ten Greenteams, welches sowohl der lebhaf-ten Phantasie, die für Kinder typisch ist, alsauch der radikalen politischen Herangehens-weise gerecht wird, die die Umweltschutzor-ganisation auszeichnet.

Dass sich dieses Konzept durchgesetzthat, zeigen sowohl die zahlreichen erfolgrei-chen Greenteam-Aktionen und Auszeichnun-gen für die engagierten Kinder und Jugend-lichen als auch eine bundesweite Evaluationaus dem Jahr 2001. Die Wissenschaftler, diesich mit dem Umweltengagement von Kin-dern und Jugendlichen in der außerschuli-schen Umweltbildung beschäftigt haben,kommen zu dem Fazit, dass „das Greenteam-konzept als Angebot für Kinder und Jugend-liche von Greenpeace (...) immer noch als einmodernes außerschulisches Umweltbildungs-angebot zu bezeichnen [ist]“. Als deutliche Zu-stimmung werten sie „das rege Interesse (...)der Kinder und Jugendlichen“. Die vorgestell-ten Ergebnisse zeigen weiterhin, „dass Kin-der und Jugendliche fähig sind, ihre eigenenUmweltinteressen zu vertreten. Sie sind be-reit, sich für zukünftige Belange einzusetzenund sie machen durch ihre Aktionen deut-lich, dass sie an gesellschaftlichen Entschei-dungs- und Gestaltungsprozessen teilhaben

46 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft

113) Der Bayerische Gastronomie Report, ohne Datum (2001), Erfolg für Greenpeace. McDonald’s verzichtet auf Genfutter.114) NRZ (Essen), 22.10.1994, Aufräumtage im Grünen: 300 Essener sind dabei, Greenpeace-Aktion fand großes Echo.

Greenpeace-Protest vor deut-

schen McDonald’s-Filialen:

Kein genmanipuliertes Tier-

futter in die ›Burger‹.

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wollen und auch können. Die Greenteam-Mit-glieder machen ihr Umweltengagement nichtvon materiellen Dingen abhängig, sondernbei ihnen steht vielmehr die Art der Tätigkeitim Vordergrund – das Einbringen der eige-nen Fähigkeiten, Mitbestimmungsmöglich-keiten und das Erreichen eines bestimmtenZiels. Diese Motive, sich in einem Greenteamzu engagieren, machen deutlich, dass dieKinder und Jugendlichen nicht nur auf ihreneigenen Vorteil bedacht sind, sie setzen sichfür etwas ein, das in ihrer Wahrnehmung ge-sellschaftlich und politisch zu wenig Beach-tung findet.“

Als besonders wichtig erscheint es denWissenschaftlern, dass Greenteams Kindernund Jugendlichen „die Gelegenheit zur Äuße-rung der eigenen Interessen und der Öffent-lichmachung ihrer Anliegen“ ermöglichen.Somit stellt „die Auseinandersetzung derGreenteams mit Umweltproblemen (...) eineMöglichkeit dar, sich gegen die durch die Um-weltsituation implizierte Hoffnungslosigkeitzu wehren. Die Kinder und Jugendlichenmachen deutlich, dass es sinnvoll ist, sich ak-tiv für die Umwelt einzusetzen – jeder kannetwas machen, ist ihre Devise. Daraus lässt

sich schließen, dass sie durch die eigene Tätig-keit Selbstvertrauen aufbauen, weil sie dieWirksamkeit ihres eigenen Handelns erleben.Kinder und Jugendliche erfahren durch dieBeteiligung an Entscheidungen und die ge-sellschaftliche Integration eine Stärkung dereigenen Handlungsmöglichkeiten. Die Green-teamtätigkeit lässt sich als eine Form der Ein-mischung von Kindern und Jugendlichenbezeichnen – ein Möglichkeitsraum der gesell-schaftlichen Partizipation, der ihren Kompe-tenzen angemessen ist und ihre Fähigkeitendeutlich macht.“115

In vielen Schulen setzen Schüler zusam-men mit Greenpeace ein Zeichen. Als ,Schu-len für den Urwald‘ verbannen sie Holzpro-dukte aus Urwaldzerstörung – vom Toiletten-papier über Schultische bis zu Turngeräten –aus den Schulgebäuden. Hunderte von Schu-len gehen bis Ende 2001 an den Start. Sogaraußerhalb der Schulen erringen die Jugend-lichen Erfolge. Nachdem rund 2.000 Kids inGotha (Thüringen) für die Urwälder demon-striert hatten, sicherte auch der Oberbürger-meister Volker Doenitz (SPD) den ,Kids forForests‘ seine Unterstützung zu. „Er erklärteauf der Kundgebung, dass die Stadtverwal-

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft 47

115)Alle Zitate: Gerd Michelsen/Lars Degenhardt/Jasmin Godemann/Heike Molitor: Umweltengagement von Kindern und Jugendlichen in deraußerschulischen Umweltbildung: Ergebnisse – Bedingungen – Perspektiven: bundesweite Evaluation des Greenteamkonzeptes derUmweltschutzorganisation Greenpeace, in: Umweltbildung und Zukunftsfähigkeit. Herausgegeben von Dietmar Bolscho, Band 3, Frank-furt/M. 2001, S.173 ff.

›Kids for Forests‹: In vielen

Schulen verbannen die

Schüler Holzprodukte aus

Urwaldzerstörung.

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tung darauf achten werde, bei Neuanschaf-fungen auf Urwaldprodukte zu verzichtenund verstärkt Recyclingpapier zu verwen-den.“116 Damit wurde Gotha die erste urwald-freundliche Stadt Deutschlands.

Auch auf Bundesebene ernteten die ,Kidsfor Forests‘ Zustimmung. In November 2001trafen sie sich mit Verbraucherschutzminis-terin Renate Künast und baten sie, sich fürden Schutz der Urwälder einzusetzen. In ih-rem Urwaldbrief antwortete die Bundesmi-nisterin für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft den Schülern und Schü-lerinnen: „Ihr wollt dies nicht tatenlos hin-nehmen, sondern fühlt Euch aufgerufen, ei-nen Beitrag zur Aufhaltung dieser rasantenUrwaldzerstörung zu leisten. Für dieses Mit-denken, Mitfühlen und Mithandeln dankeich Euch als für den Wald zuständige Bun-desministerin ganz herzlich.“117

Ähnlich bedankt sich die Ministerin beiden ,Kids for Whales‘, den Greenpeace-Kin-dern und Jugendlichen, die sich im Sommer2003 für den Schutz der letzten Wale starkmachen:

„Eure Aktion mit Musik, Gesang, Theater,selbst gebastelten Walen und dem nachge-bauten Schiff vor dem Tagungsort der IWC(A.d.V.: Internationale Walfang-Kommission)hat mir sehr gut gefallen. Ihr habt damit wie-der einmal bewiesen, wie sehr sich Kindermit Herz, Verstand und viel Phantasie fürdas Überleben der beeindruckenden Meeres-säuger engagieren. Euer ,Koffer für die Wal-schützerin‘ hat in meinem Büro einen Ehren-platz erhalten. (...) Natürlich muss noch sehrviel mehr getan werden, bis die Wale wirk-sam geschützt sind. Diese wunderbarenTiere brauchen auch in Zukunft das Engage-ment vieler Menschen. Ich bin sicher: Ihrwerdet dabei sein!“118

Auch aus den Kultusministerien der Län-der kommt Zustimmung. In der vom Pädago-gischen Zentrum des Landes Rheinland-Pfalz

herausgegebenen Broschüre ,umwelterzie-hung praktisch aktuell II/02‘ wird positivüber den weltweiten Einsatz der Jugendlichenfür die letzten Urwälder dieser Erde berich-tet: „Viele Landesministerien unterstützendas Greenpeace-Projekt, so auch das Ministe-rium für Bildung, Frauen und Jugend inRheinland-Pfalz. ‚Ich stimme mit Ihnen über-ein, dass Urwaldhölzer möglichst nicht anSchulen verwendet werden sollen. Die Akti-on ‚Schulen für den Urwald‘ begrüße ich des-halb ausdrücklich und würde mich freuen,wenn möglichst viele Schulen in Rheinland-Pfalz daran teilnehmen‘, so Michael Kaulvom Ministerium.“119

Ministerialrat Martin Wünschmann vomsächsischen Staatsministerium für Kultusschreibt am 3.5.2002 an Greenpeace: „Ihre Ab-sicht, mit der Aktion ,Schule für den Urwald‘Kinder und Jugendliche dazu zu bewegen,sich für den Erhalt unserer natürlichen Lebens-grundlagen einzusetzen, findet unsere volleZustimmung.“120

Dr. Reißmann vom niedersächsischen Kul-tusministerium betont: „Insbesondere müs-sen in der Schule Handlungsmöglichkeitenim Sinne eines verantwortungsbewusstenVerbraucherverhaltens deutlich werden. Vordiesem Hintergrund begrüße ich die Green-peace-Aktion ‚Schule für den Urwald‘.“ Under bittet Greenpeace bei der weiteren Umset-zung um Mithilfe: „In welchem Umfang sichauch in niedersächsischen Schulen Produkteaus Urwaldholz finden lassen, vermag ichnicht zu beurteilen. (Eine entsprechendeRecherche in der eigenen Schule oder imHaushalt wäre ein interessanter Projektbau-stein, der sich aber wohl nur mit externerHilfe bzw. Anleitung realisieren ließe. Viel-leicht könnte Greenpeace mit einer entspre-chenden ‚Checkliste‘ – zumindest für Tropen-holz – aushelfen?)“121

Ministerialrat Dr. Ellegast vom Bayeri-schen Staatsministerium für Unterricht und

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116) Thüringer Allgemeine/Gothaer Allgemeine, 21.12.01.117) Urwaldbrief von Renate Künast aus dem November 2001.118) Brief Künast an Dietmar Kress, 20.Juni 2003.119) umwelterziehung praktisch aktuell II/02, S. 12.120) Brief an Dietmar Kress/Carsten Rocholl vom 3.5.2002.121) Brief an Dietmar Kress/Carsten Rocholl vom 15.3.2002.

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Kultus stimmt zu, dass „eine Selbstverpflich-tung der Schulen bzw. zuständigen Kommu-nen zum Verzicht auf Urwaldhölzer, wie inder Aktion ‚Schule für den Urwald‘ gefordert,aber durchaus zu begrüßen“ ist. Abschließendwünscht er Greenpeace „für ihre Aktion‚Schule für den Urwald‘ (...) viel Erfolg“122.

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugendund Sport, Berlin, schreibt am 28.1.2002:„Die Aktion ‚Schule für den Urwald‘ könnenwir auf jeden Fall unterstützen.“123

Wolfgang Rudloff vom Ministerium fürBildung, Wissenschaft und Kultur, Mecklen-burg-Vorpommern stimmt nicht nur zu, „dassheute nicht nur die tropischen Urwälder drin-gend dieses Schutzes bedürfen“, sondern hatauch der Schulaufsicht geraten, die Green-peace „Mitmach-Aktion in geeigneter Weisean den Schulen zu nutzen“. Weiter teilt ermit, dass „Greenpeace (...) für sein mutigesEngagement zum Schutz der Urwälder undfür andere lebenswichtige Ressourcen dieAchtung in unseren Schulen sowie im Bil-dungsministerium“ genießt.124

Unterstützung gibt es auch vom Kultus-ministerium des Landes Sachsen-Anhalt. Dr. Wolfgang Strauß schreibt am 16.1.2002:„Als Leiter des Fachreferats, das auch für dieÖkologische Bildung in Schulen zuständigist, unterstütze ich Ihre Aufrufe ausdrück-lich, Urwaldhölzer als Rohstoff in jedem Fallzu vermeiden. Die Aktion ‚Schule für den Ur-wald‘ halte ich für einen wichtigen Beitragzu dieser Problematik. (...) Ihre Anregungaufnehmend, wollen wir vom Fachreferataus Überlegungen anregen, derartige Emp-fehlungen in absehbarer Zukunft zu erstel-len.“125

Gila Altmann, die Parlamentarische Staats-sekretärin beim Bundesminister für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit (Bündnis90/Die Grünen), lobt das Engagement der,Kids for Forests‘ sogar während einer Debattedes Deutschen Bundestages am 19. April2002. Die Bündnisgrüne zitiert von der Web-site der Urwaldschützer: „Urwälder sind die

Schatzkammern der Erde: Sie beherbergenzwei Drittel der auf dem Land lebendenTiere und Pflanzen, sie sind Lebensraum fürrund 150 Millionen Menschen indigener Völ-ker. Urwälder sind einmalig und lebensnot-wendig zur Stabilisierung der Lebensgrund-lagen dieses Planeten.“

So steht es auf der Website der ,Kids forForests‘, die auf dem Weg zur Haager Um-weltkonferenz zahlreiche Ministerien, Abge-ordnetenbüros und Botschaften besuchthaben, um damit ihr Recht auf eine Zukunftmit Urwäldern zu beanspruchen. Sie tun daszum Bespiel an über 400 Schulen ‚für denUrwald‘ – so nennen sie sich –, an denenzukünftig Holz- und Papierprodukte aus Ur-waldzerstörung nicht mehr benutzt werdensollen. (...) Für die Jugendlichen wird nochimmer zu viel geredet und zu wenig getan.Sie sind mit ihrem Handeln erfolgreich: Erst-mals gibt es in Den Haag ein eigenes Jugend-forum, dessen Ergebnisse im Ministerseg-ment eingebracht wurden.“

Weiter fordert die Staatssekretärin: „Wennwir die letzten Primärwälder – sie werdenvon Greenpeace die ‚fantastischen Sieben‘ ge-nannt – für die kommenden Generationen er-halten wollen, dann müssen wir es als Dienst-leistung verstehen und müssen es uns auchetwas kosten lassen.“ Altmann teilt mit: „DerInitiative der Kids in den Schulen will dieBundesregierung nicht nachstehen. Das Um-weltministerium setzt sich dafür ein, dass dieBeschaffungsstellen des Bundes Produkte ausPrimärwäldern nur noch verwenden, wennsie den Anforderungen des FSC entsprechen.Wir werden auch weiterhin mit allen Mög-lichkeiten, die uns zur Verfügung stehen,gegen die Einfuhr von illegalen Holzimpor-ten vorgehen, wie kurz vor Ostern im Ham-burger Hafen mit einer Ladung Mahagonigeschehen.

Wie schrieben uns die Kids? (Dr. PeterRamsauer [CDU/CSU]: Welche Kids?) Die‚Kids for Forests‘. Das ist ein feststehenderName. Wie schreiben also die Kids?

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft 49

122) Brief an Dietmar Kress/Carsten Rocholl vom 21.2.2002.123) Brief an Dietmar Kress/Carsten Rocholl vom 28.1.2002.124) Brief an Dietmar Kress/Carsten Rocholl vom 18.1.2002.125) Brief an Dietmar Kress/Carsten Rocholl vom 16.1.2002.

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,Wir, die Generationen auf der ganzenWelt, wollen uns mit Ihnen gemeinsam an-strengen und in Zukunft auf Produkte aus Ur-waldzerstörung verzichten. Bitte geben Sieein gutes Beispiel und stoppen Sie mit Ihrerganzen Kraft den Import von Holz und Pro-dukten aus Urwaldzerstörung.‘ Ich finde, wirsollten die jungen Leute nicht enttäuschen.“126

Auch die Aktion BISS (Aktion für alle BISSiebzehn), bei der die Greenpeace-Jugendli-chen 1998 100.000 Unterschriften für eineVerschärfung des Ozongesetzes gesammelthatten, sorgte für positive Resonanz unter denPolitikern. So schrieb die Vorsitzende derKommission zur Wahrung der Belange derKinder (Kinderkommission) des DeutschenBundestages Rita Grießhaber (MdB) an dieVorsitzende des Petitionsausschusses ChristaNickels (MdB), dass die Kinderkommissioneinstimmig beschlossen habe, die Eingabeder Greenpeace e.V. – ‚Aktion BISS‘ zu unter-stützen: „Die Petition, die von 90.000 Kindernunterschrieben wurde, fordert von der Bun-desregierung eine Ozonverordnung, die dieGesundheit der Kinder berücksichtigt. (...)

Die Kinderkommission begrüßt und un-terstützt das Engagement der beteiligten Kin-der, ihr Recht auf Gesundheit auch in diesemspeziellen Fall einzufordern. Sie empfiehltdem Petitionsausschuss, die Eingabe der Bun-desregierung sowie den zuständigen Minis-terien mit der Bitte um Berücksichtigung zuüberweisen. (...)

Die Kinderkommission spricht sich daherebenfalls für eine Novellierung des Bundes-immissionsschutzgesetzes vom 19. Juli 1995aus. Diese Novellierung sollte sicherstellen,dass die Grenzwerte für Ozonkonzentratio-nen herabgesetzt werden, bei deren Über-schreitungen Maßnahmen zur Verkehrsbe-schränkung ergriffen werden können. DieGrenzwerte müssen am kindlichen, nochwachsenden Organismus orientiert werden.Schadstoffe müssen dort gemessen werden,wo Kinder sich aufhalten. (...)

Im Übrigen empfiehlt die Kinderkommis-sion dem Petitionsausschuss die Kenntnis-nahme der ‚Kinderärztlichen Stellungnahmezur Energie- und Verkehrspolitik‘, Erklärungder Kommission für Umweltfragen der Aka-demie für Kinderheilkunde und Jugendme-dizin e.V. vom 8. Februar 1997.“127

In ihrer kinderärztlichen Stellungnahmezur Energie- und Verkehrspolitik hatten dieMediziner mitgeteilt: „Wir Kinderärzte sindbesorgt über die ozonbedingten Atemwegs-schädigungen und über die immer noch an-haltende Ausweitung des Energieverbrauches,der durch die Freisetzung von Kohlendioxidauch für die globale Erwärmung (Treibhaus-effekt) verantwortlich ist.“128

Christa Nickels wandte sich daraufhin di-rekt an Greenpeace: „Als Vorsitzende des Pe-titionsausschusses freue ich mich darüber,dass die Greenpeace-Jugendlichen ihr Peti-tionsrecht so engagiert wahrnehmen. (...)

Das Petitionsverfahren hat dazu beigetra-gen, dass das Anliegen der Kinder in denFraktionen, im Umweltausschuss und in derKinderkommission des Deutschen Bundesta-ges intensiv beraten wurde.“129

50 Greenpeace im gemeinützigen Dienst der Gesellschaft

Mit der Aktion ›BISS‹

sammeln die Greenpeace-

JAGs 100.000 Unterschriften

für eine Verschärfung des

Ozongesetzes.

126) Gila Altmann während einer Debatte des Deutschen Bundestages am 19.4.2002.127) Stellungnahme der Kinderkommission zu der Eingabe der Greenpeace e.V. – „Aktion BISS“, Bonn, 23.4.1997.128) Kinderärztliche Stellungnahme zur Energie- und Verkehrspolitik, Köln, 8.2.1997.129) Fax von Christa Nickels an Stephanie Weigel, Bonn, 9.7.1998. ©

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Die Projekte der Greenteams sind mitAuszeichnungen bedacht worden. Besondershervorgetan haben sich dabei die Mitgliederdes Greenteam Jugendzentrum in Frankfurt/Oder. Marcus Thätner, Sascha Klimczak undThomas Maschke erhielten für den Bau, dieLangzeiterprobung und Präsentation des So-larbuggys MT-2high solar den Förderpreisdes Bundesumweltwettbewerbs 2001 undden Sonderpreis des Ministerpräsidentendes Landes Brandenburg für den naturwis-senschaftlich-technischen Landeswettbewerb2001 „Jugend forscht/Schüler experimentie-ren“. Auch in den Jahren 1991, 1993, 1995und 1997 errangen die jungen Umweltschüt-zer von der Oder Preise und Anerkennungenbei den „Jugend forscht“-Wettbewerben.130

Auch andere Greenteams erhielten Preise.Dem Greenteam ,Child-Power‘ wurde 2002der Umweltpreis der Gemeinde Rheurdt verliehen.131 In Kiel wurde das Greenteam,Schlüsbeker Umweltbande‘ von Minister-präsidentin Heide Simonis mit dem ,STARK‘-Preis des Landes Schleswig-Holstein ausge-zeichnet. Die mit tausend Euro dotierte Tro-phäe ist die Anerkennung dafür, dass dieJugendlichen sich nicht nur für ihre eigenenInteressen, sondern auch für das Wohl ande-rer einsetzen. Die Geehrten hatten im MoorMüll gesammelt, Nistkästen aufgebaut undRenaturierungsarbeiten vorgenommen.132

In Büchern zum Thema Umweltpädago-gik werden die Greenteams oder Greenpeaceallgemein als gutes Beispiel angeführt. ImSchulbuch Ethik „7/8“ vom Cornelsen Verlagwird Greenpeace in dem Kapitel über verant-wortliches Handeln als eine Organisation ge-nannt, die Schülern bei einem eigenen Pro-jekt weiterhelfen kann.133 Auch im Wegwei-ser ,Ökologische Bildung im Landkreis Mün-chen‘ wird auf ein Greenteam verwiesen.134

Klaus Schleicher von Institut für verglei-chende Erziehungswissenschaften in Ham-burg stellt fest, dass „Greenpeace schon

mehrfach mit öffentlichkeitswirksamen undbegründeten Aktionen auf den politischenProzess eingewirkt [hatte], so dass z.B. Wal-schutzzonen in der Antarktis errichtet bzw.ein Verbot von industriellen Giftexporten inEntwicklungsländer vereinbart wurde“.135

Im April 2002 erscheint im UniSPIEGELein Artikel, der sich das Engagement desFrankfurter Studenten Jan Cramer zum An-lass nimmt, über das ehrenamtliche Wirkenvon Studenten zu berichten. Jan Cramer warim Herbst 2001 für Greenpeace zum Amazo-nas geflogen, um gemeinsam mit den Deni-Indianern ihr Stammesgebiet zu markieren.Mit dieser Grenzmarkierung mit hellblättri-gen Bäumen wollten die Indianer ihre Besitz-ansprüche sichtbar geltend machen und sichbesser gegen illegalen Holzeinschlag und diePlünderung durch Holzkonzerne schützen.Die brasilianische Regierung erkannte dasIndianergebiet daraufhin offiziell an.

In dem Artikel heißt es: „Ob für Green-peace, Amnesty International oder Attac: Stu-denten quetschen sich in ihrer Freizeit inSchlauchbooten zwischen Ölfrachter und Kai-mauern, klettern auf Atomkraftwerke oderkümmern sich um Asylsuchende in australi-schen Internierungslagern. Die internationa-len Gipfeltreffen der Mächtigen machen siemit medienwirksamen Aktionen zu ihren ei-genen: Sie sind jung und treten mit Lust denMächtigen dieser Welt auf die Füße. Nachdem Rückzug ins Private wieder mehr Enga-gement. Der Spaß am Engagement könnteKristallisationspunkt für das Erwachen einerneuen, politischen Studentengeneration wer-den: ,Da ist wieder ein Pflänzchen, das ausdem Boden lugt, das kann eine Keimzellesein‘, hat der Konstanzer Soziologe Tino Bar-gel beobachtet. Regelmäßig oder zumindestmanchmal engagiert sich ein Drittel aller Stu-dierenden für Menschenrechte, in Umwelt-schutzgruppen oder bei Bürgerinitiativen.“

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130) Urkunden131) Zeitungsausschnitt, 18.12.2002.132) Zeitungsausschnitt ohne Ort und Datum.133) Ethik 7/8, Berlin 1997, S. 71.134) Kreisjugendring München-Land 1996.135) Schleicher, „Brent Spar“ – ein Lehrbeispiel zur Umweltbildung, Studienmaterialien zur Umweltbildung Nr. 27, Hamburg 1996, S. 22.

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2.4 genetiXprojectIm Jahr 1998 startete Greenpeace eine neueArt von Jugendprojekt, das genetiXproject,eine Plattform für Teens und Twens, die sichgegen Gen-Food wehren wollen. Denn gerade„auf jugendliche Trendkonsumenten“ setztedie Firma Nestlé bei der Einführung seinesSchokoriegels ,Butterfinger‘, der gentechnischmanipulierten Mais enthält. Doch Nestlé hattenicht mit dem genetiXproject gerechnet. Invielen Städten fahndeten Greenpeace-Jugend-gruppen in Supermärkten, Tankstellen undKaufhäusern nach dem Butterfinger. Da Ju-gendliche viel im Internet surfen und chat-ten, startete die Greenpeace Online-Redak-tion eine eigene Website für die genetiX-Fans mit Infos, Mitmachideen und Kontakten.

Prominente Musiker wie Smudo von den,Fantastischen Vier‘, die Stuttgarter HipHop-Band ,Massive Töne‘ oder die Hamburgervon ,Fettes Brot‘ beteiligten sich rege. Überihre Bereitschaft, sich dem genetiXprojectanzuschließen, sagte Schowi von ,MassiveTöne‘: „Klar, da sind wir auch mit dabei.

Obwohl, als ich gehört habe, dass Green-peace mit uns zusammen was machen will,dachte ich zuerst an die Brent Spar.“ Und DJ5ter Ton ergänzte: „Bei Greenpeace fallenmir sofort Menschen in Schlauchbooten ein.Ich wäre ja früher selber gerne Aktivistgeworden, Wale und Robben retten. Aber esist bestimmt nicht so einfach und spaßig,wie es auf den Fotos immer aussieht.“136

Für König Boris von ,Fettes Brot‘ ist„Greenpeace die letzte moralische Bastion,die es in Deutschland gibt. Zwar ist die Um-weltschutzorganisation inzwischen sehr großgeworden und wird nun hin und wieder kri-tisiert, aber ich bin davon überzeugt, dass siesich weiterhin das Gute auf die Fahnen ge-schrieben hat. Und die Aktionen – so mit An-ketten – finde ich ziemlich cool.“ Sein Band-kollege Schiffmeister betonte: „Die Aktionenvon Greenpeace sind immens wichtig, umdie Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aufUmweltschutzthemen zu lenken. Aber umüberhaupt noch auf Interesse zu stoßen, mussman sich immer spektakulärere Sachen ein-fallen lassen.“ Und auch der Dritte im Bunde,Dr. Renz, bekannte sich zu Greenpeace:„Greenpeace – finde ich gut. So haben vieleMenschen die Chance, was für den Umwelt-schutz zu tun. Viele können oder wollen nichtselbst aktiv werden und spenden bloß Geld.Das hat zwar ein bisschen den Anschein von‚ich kauf mich frei‘. Ohne Eigeninitiative, aberauch ohne schlechtes Gewissen. Doch mit demGeld kann Greenpeace wieder etwas gegendie Umweltzerstörung tun. Jeder halt aufseine Art.“

So war es für die drei Hamburger selbst-verständlich, für das genetiXproject aktiv zuwerden. König Boris: „Klar, wir unterstützendas genetiXproject. Wir wollen unsere Popu-larität dazu einsetzen, zusammen mit derInitiative von Greenpeace möglichst vieleLeute über die Risiken der Gentechnik zuinformieren.“137

Smudo von den ,Fanta 4‘ und Kati undBarbara von den Berliner ,Lemonbabies‘ be-teiligten sich am 7.12.99 sogar an einer Akti-

52 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft

Jugendprojekt:

genetiXprojekt verbannt

den Gen-›Butterfinger‹ von

Nestlé vom Markt.

136) http://archiv.greenpeace.de/GP_DOK_3P/GENETIX/SEITEN/XSOUNDZ5.HTM137) http://archiv.greenpeace.de/GP_DOK_3P/GENETIX/SEITEN/XSOUNDZ6.HTM ©

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on im Hamburger Hafen. Greenpeace hatteden Frachter ,Unison‘ daran gehindert, miteiner Ladung genmanipuliertem Maiskleberanzulanden. Mit der Teilnahme an Aktionenwollten die ,Lemonbabies‘ und der Fanta-4-Sänger auf Dinge aufmerksam machen, be-vor sie passieren. Smudo: „Wir sollen die Gen-technik über die Hintertür auf den Tischbekommen – das darf nicht passieren."138

2.5 Elbeflut, August 2002Als im August 2002 Städte und Landschaftenan den Ufern der Elbe im Hochwasser ver-sanken, wurde bei Greenpeace nicht langegefackelt: Auf wiederholte Bitten um Hilfean Festangestellte und Greenpeace-Gruppenmelden sich reichlich Freiwillige. Schon baldsind sie mit Schlauchbooten, Generatorenund Pumpen unterwegs in die Katastrophen-gebiete Sachsens und Niedersachsens.

Herr Eckert von der Dresdener Feuerwehrbestätigte, „dass Greenpeace mit Booten undFahrzeugen bei der Bekämpfung der Hoch-wasserkatastrophe zehn Tage im Einsatz war“.Brandamtmann Flohr stellte am 2.8.2002 eineUrkunde an Greenpeace aus: „Vielen Dankfür die Unterstützung während des Katastro-pheneinsatzes im August 2002.“ Außerdemwurde das Abzeichen der BerufsfeuerwehrDresden überreicht.

Auch der Landkreis Lüchow-Dannenbergbedankte sich „bei den Helferinnen und Hel-fern von Greenpeace für den selbstlosen Ein-satz beim Katastrophenfall ‚Hochwasser Elbe‘im August 2002“ mit einer von Landrat Die-ter Aschenbrenner und dem Leiter des Sta-bes Martin Schulz unterzeichneten Urkunde.Auch für diese Region liegt eine offizielleBestätigung vom Landkreis (Herr Haacke)vom 26.8.2002 vor, „dass sich Helfer der Um-weltschutzorganisation Greenpeace zusam-men mit den offiziell eingesetzten Hilfskräf-ten an den Deichsicherungsmaßnahmenwährend der Flutkatastrophe im LandkreisLüchow-Dannenberg in der Zeit vom 20.-25.August 2002 beteiligt haben. Der Einsatz er-folgte u.a. mit Schlauchboten, Lkws und wei-terem technischen Gerät.“ Eine wortgleiche

Bestätigung des Greenpeace-Einsatzes stellteauch die bäuerliche Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg am 27.8.2002 aus.

In der Elbe-Jeetzel-Zeitung, der Regional-zeitung des Wendlandes, erscheint am 31.8.eine ganzseitige Dankesanzeige. Im Text dan-ken Landrat Dirk Aschbrenner und der Lei-ter des Stabes Martin Schultz bei den Helfe-rinnen und Helfern:

„Danke allen Helferinnen und Helfernaus der Bevölkerung, der Bundeswehr, denFeuerwehren aus nah und fern, den Einhei-ten des THW, des DRK, der DLRG, der Poli-zei, des BGS, Greenpeace (...) für die beispiel-hafte Unterstützung des Landkreises Lüchow-Dannenberg bei der Bewältigung der Hoch-wasserkatastrophe. Nur mit dieser Hilfe wareine erfolgreiche Deichverteidigung zumWohle aller Bürgerinnen und Bürger möglich.“

2.6 BergwaldprojektGemeinsam arbeiten, Natur erleben, verste-hen und nachhaltig verändern – das ist dasLeitmotiv des ,Bergwaldprojektes‘, das seit1987 in der Schweiz und seit 1992 auch inDeutschland einwöchige Arbeitsaufenthaltein Wäldern organisiert. Die Teilnehmer sol-len wortwörtlich begreifen, wie wichtig Bäu-me für unser (Über-)Leben sind: als Schutz vor

Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft 53

Greenpeace hilft bei

der Elbeflut 2002 mit Gerät

und manpower.

138) http://archiv.greenpeace.de/GP_DOK_3P/GENETIX/SEITEN/XNEWS97.HTM© J

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Lawinen und Überschwemmungen, als Le-bensraum für Pflanzen und Tiere, als Sauer-stoffspender und Klimaschützer.

Die Kombination von sinnvoller prakti-scher Arbeit und pädagogischem Anspruchwar ausschlaggebend für die UmweltstiftungGreenpeace, das deutsche Bergwald-Büro inBurgwallbach (Rhön) mit 16.000 Euro zu un-terstützen. Rund 11.000 Teilnehmer habenbislang in den Alpen, im Schwarzwald, imPfälzer Wald, im Harz, aber auch auf der Nord-seeinsel Amrum etwa 700.000 Bäume ge-pflanzt, Moore renaturiert, Wege angelegt,Erdrutsche stabilisiert, Lawinenzäune errich-tet und Wildschutzanlagen ausgebessert.

In den Anfangsjahren wurde das Arbeits-angebot der Freiwilligen von Kommunen undForstverwaltungen skeptisch aufgenommen,mittlerweile bekommt der Verein so viele An-fragen, dass er sie kaum bewältigen kann.139

Im März 2002 übernahm die Verbraucher-schutzministerin Renate Künast anlässlichder Ausstellungseröffnung ,Schöne neue Al-pen‘ die Schirmherrschaft für das Projekt. Ge-meinsam mit dem Deutschen Alpenverein

präsentiert das Bundesministerium für Ver-braucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft diese kritische Bestandsaufnahme der,Gesellschaft für Ökologische Forschung, Mün-chen‘. ,Schöne neue Alpen‘ zeigt die Bergweltanhand großformatiger Bilder und ausführ-licher Info-Texte zwischen Verstädterung undEntsiedlung. Die Ausstellung dokumentiertdie Entwicklung und Folgen der Zivilisationund berichtet vom Widerstand gegen dieZerstörung der Alpen. Die Ministerin lobtebesonders die Zusammenarbeit: „Die Koopera-tion zwischen dem Institut, Greenpeace, Ikea-Stiftung, Deutschem Alpen Verein und Minis-terium erwähne ich hier bewusst. Denn sol-che Kooperationen sind die beste Schutzalli-anz für den Erhalt unserer Berge! Gerne wer-de ich deshalb auch Schirmherrin für das,Bergwaldprojekt‘. Menschen von 18 bis 88Jahren machen sich jedes Jahr auf den Weg,die Berge hautnah zu erleben. Und dabei inHarmonie mit den Bergen zu arbeiten, indemsie den Wald pflegen, Wege herrichten, Bio-tope pflegen.“140

54 Greenpeace im gemeinnützigen Dienst der Gesellschaft

139) Greenpeace Nachrichten 4/02, S. 6140) Renate Künast, Ausstellungseröffnung „Schöne neue Alpen“, Berlin, 20.03.2002 ©

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Bäume pflanzen, Moore

renaturieren und vieles

mehr kann man beim

1987 ins Leben gerufenen

Bergwaldprojekt.

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3. Greenpeace –Expertisen – Kontakte– Zusammenarbeit

3.1 In den Bundesministerien

Umweltministerium

Eigentlich ist Bundesumweltminister JürgenTrittin (Grüne) auf Greenpeace wegen derKritik am Atomkonsens und des fortgesetz-ten Widerstands gegen Castor-Transporte undWiederaufarbeitung nicht gut zu sprechen.Doch das weltweite Engagement der Um-weltschützer für den Erhalt der letztenUrwälder schätzt er. In seinem Buch141 „WeltUm Welt – Gerechtigkeit und Globalisierung“schließt er sich im Kapitel „Wälder“ beinahewortwörtlich den Greenpeace-Forderungenan. Greenpeace fasst seine Forderungen unterden drei M‘s zusammen: erstens Moratorium– ein Einschlagstopp in allen noch intaktenUrwäldern, zweitens Maßnahmen, um dieseUrwälder zu schützen und in den Gebietenrundum nachhaltige Forstwirtschaft zu för-dern und zu ermöglichen, und drittens die,Moneten‘, die Finanzmittel, um die letztenSchatzkammern der Artenvielfalt erhaltenzu können. Trittin spricht von einem Netzvon Schutzgebieten für die Primärwälder,von der Ausweisung von Gebieten, „die sobewirtschaftet werden, dass das Ökosystemfunktionsfähig bleibt“142.

Und er lobt den Wert von Greenpeace,wenn es darum geht, die Menschen in densüdlichen Waldregionen dazu anzuleiten,dass sie ihre Interessen vertreten können:

„Der Schutz der Wälder und der Arten-vielfalt kann nicht allein dem Staat überlas-sen werden. Für ihren Erhalt müssen sichMenschen aus eigenen Interessen einsetzen.Im Süden gilt es, die traditionellen Waldbe-wohner mit Landrechten auszustatten undihre Fähigkeit zu fördern, ihre Interessen zuvertreten: durch Bildung, durch Zugang zum

Internet, durch Rechtsberatung, durch Kon-takte zu kostenlosen Anwälten oder zu Lob-bygruppen wie Global 2000, Robin Wood,FIAN oder Greenpeace.“

Und er sieht in der Verbandsklage einMittel der Zukunft: „Die Verbandsklage istein Modell, das auf globaler Ebene zum Bei-spiel indigenen Völkern helfen könnte, denRegenwald zu schützen: WWF, Greenpeace,Robin Wood, FIAN oder UNEP könnten,informiert von den Menschen vor Ort, dieRechte der Waldbewohner und des Waldesgegen einen Multi vor Gericht vertreten.“

Wirtschaftsministerium

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller(SPD), als ehemaliger Manager eines Ener-giekonzerns eher auf Seiten der Stromver-sorger als auf Seiten der Verbraucher, war dasZiel einer Greenpeace-Kampagne im Sommer2002. Sie hat die europaweite Kennzeich-nung von Strom zum Ziel, damit jeder Ver-braucher sehen kann, woher der Stromver-sorger den Strom bezieht, so z.B. ob Stromaus osteuropäischen Schrottreaktoren dabeiist und ob es wirklich Anteile von regenerati-ver Erzeugung gibt.

Nachdem tausende von Protestpostkartenim Bundeswirtschaftsministerium eingegan-gen waren, die ein Recht auf den Herkunfts-nachweis des Stroms forderten, reagiert derMinister. Werner Müller holte sich Rat beiGreenpeace, die zusammen mit den Verbrau-cherzentralen schon eine Musterstromrech-nung entwickelt hatten, um den Verbraucher-willen deutlich zu machen. In einem Brief andie Greenpeace-Geschäftsführerin BrigitteBehrens schreibt Müller am 26. März 2002:

„Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommis-sion in ihrer Mitteilung an den Rat und dasEuropäische Parlament zur Vollendung desEnergiebinnenmarktes eine weiter gehendeRegelung für den Strommarkt vorgeschlagen.Sie sieht vor, dass die Stromanbieter auf ihrenRechnungen den Energieträgermix angeben,der bei der Erzeugung des Stroms eingesetztwurde. Wir werden diesen Vorschlag der EU-

Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit 55

141) „Welt Um Welt“/Jürgen Trittin/Aufbau-Verlag 142) Ebenda, S. 164f.

Page 56: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

Kommission, der Ihrem in der Postkartenak-tion zum Ausdruck gebrachten Anliegen sehrnahe kommt, sorgfältig prüfen.

Ich wäre Ihnen in diesem Zusammen-hang für die Übermittlung von Vorschlägendankbar, wie eine derartige Kennzeichnungaus Ihrer Sicht vor dem Hintergrund der zu-nehmenden Bedeutung von anonymen Strom-handelsaktivitäten und des Stromaustauschesüber die Grenzen hinweg aussehen könnte.“

Außenministerium

Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer(Grüne) schätzt Greenpeace als Gesprächs-partner weit über die deutschen Grenzenhinaus. Da er auf seinen offiziellen Reisennur mit offiziellen Regierungsvertretern zu-sammenkommen kann, nutzt er über die Kon-takte der mitreisenden Nichtregierungsorga-nisationen, mit Initiativen zusammentreffenzu können, die nicht in Regierungen vertre-ten sind, um seine Eindrücke abzurunden.

Greenpeace-Geschäftsführerin Brigitte Beh-rens durfte Fischer vom 24. bis 30. Juni 1999bei einer offiziellen Reise nach Brasilien be-gleiten. So konnte sie in direktem Kontakt aufzahlreiche Umweltprobleme aufmerksam ma-chen, etwa auf die Zerstörung der letzten Ur-wälder und die Gefahren des Anbaus von gen-technisch veränderter Soja. Dr. Bernd Wulf-fen aus dem Außenministerium bedankt sicham 10. August 1999: „Ich habe mich gefreut,Sie kennen zu lernen, und würde es begrü-ßen, wenn wir uns hinsichtlich der gravie-renden Umweltprobleme in Lateinamerikaauch weiterhin austauschen können.“

Verkehrsministerium/

Schiffssicherheit/Bahn

Greenpeace im Einsatz

für die Schiffssicherheit

Die Kadetrinne in der Ostsee zwischen demDarß (Mecklenburg-Vorpommern) und derdänischen Insel Falster ist eine der am stärks-ten befahrenen Schiffsrouten Europas. We-gen geringer Breite und Tiefe manövrierendie Schiffe – darunter tausende von Frach-

tern, Fähren und Tankern – dort allerdings inschwierigem Fahrwasser. Allein in den letz-ten zehn Jahren gab es dort 21 Zwischenfäl-le. Als Anfang April 2001 durch die Havarieder ,Baltic Carrier‘ die dänische Ostseeküstemit rund 2.700 Tonnen Öl verschmutztwurde, entschied sich Greenpeace, den Schiffs-verkehr in der Kadetrinne einen Monat langzu überwachen.

An Bord zweier Greenpeace-Schiffebefanden sich erfahrene Überseelotsen, dieden Schiffsverkehr rund um die Uhr mitRadar beobachteten, den Funkverkehr abhör-ten und Verstöße gegen die internationalenSchifffahrtsregeln dokumentierten.

Insgesamt registrierte Greenpeace in denvier Wochen über 200 Regelverstöße. Am 12. Mai 2001 lief ein mit Zement beladenerFrachter ganz in der Nähe des Greenpeace-Überwachungsschiffs auf Grund und konnteerst drei Tage später freigeschleppt werden.

Greenpeace-Schifffahrtsexperte Dr. Chris-tian Bussau sah seine Befürchtungen bestä-tigt: Die Sicherheitsmaßnahmen in der Kadet-rinne reichten nicht aus. Die Ergebnisse derBeobachtung der Kadetrinne in der Ostseedurch Greenpeace vom 28. April bis zum 28. Mai 2001 fasste Bussau unter Mitwirkungder Überseelotsen Burkhard Preugschat undKapitän Michael Schmenner in einemBericht zusammen. Dieser Bericht enthältauch die Forderung der LotsenbrüderschaftNOK II (Nordostseekanal) nach einer Lotsen-annahmepflicht in der Ostsee für:1. alle beladenen Tanker mit einem Tiefgangvon sieben und mehr Metern2. alle übrigen Fahrzeuge mit einem Tief-gang von neun und mehr Metern3. alle Massengut- und Containerschiffe miteiner Länge von 180 und mehr Metern.

Greenpeace verschickte den Bericht anunterschiedliche politische und verwaltungs-technische Institutionen. Das Bundeskanz-leramt dankte „für die Übersendung. (...) Erwurde mit großer Aufmerksamkeit zurKenntnis genommen.“143

Der Staatssekretär Ralf Nagel vom Bun-desministerium für Verkehr, Bau- und Woh-

56 Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit

143) Brief aus dem Bundeskanzleramt von Frau Wilhelmine Edlinger am 2.10.01.

Page 57: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

nungswesen dankte im Namen des Bundes-ministers Bodewig ebenfalls für die Übersen-dung: „Ihr Erfahrungsbericht enthält interes-sante Beobachtungen, die für die Weiterent-wicklung der Sicherheit in der Kadetrinnehilfreich sein können. Ich habe daher IhrenBericht an die Wasser- und Schifffahrtsdirek-tion Nord (WSD-N) in Kiel weitergeleitet, diefür die ständige Verbesserung der Verkehrs-sicherheit in der Ostsee vor der deutschenKüste – auch in der Zusammenarbeit mit dendänischen Behörden – zuständig ist.“ Hand-schriftlich ergänzte Nagel: „PS: Ich danke fürIhr Engagement!“144

Die für die Umsetzung der Verbesserungs-vorschläge zuständige Wasser- und Schiff-fahrtsdirektion Nord stellte konkrete Schrit-te in Aussicht: „Die von Ihnen zur Verfügunggestellte Studie über das Fahrverhalten vonSchiffen in der Kadetrinne, insbesondere dieAufzeichnungen der verschiedenen Verkehrs-situationen, werden im Rahmen einer umfas-senden Analyse zum Verkehrsgeschehen inder Kadetrinne Eingang finden.“145

In Anschluss an die Greenpeace-Beobach-tung überwachte auch die dänische Aufsichts-behörde die Seefahrt zwischen Dänemarkund Deutschland. Der Auslandsfunkreportmeldete am 24. Juni 2001, 20:41 Uhr: „In derstark genutzten Kadetrinne in der Ostseezwischen Dänemark und Deutschland wer-den die Seefahrts-Regeln laufend missachtet.Zu diesem Ergebnis kommt die dänischeAufsichtsbehörde, die den Verkehr mit Hilfedes Marine-Einsatzkommandos Arhus zweiWochen lang eingehend beobachtete. (...)Damit wird grundsätzlich eine Kritik bestä-tigt, die die Umweltschutzorganisation nacheigenen Überwachungen erhob.“146

Über die freiwilligen Greenpeacer, die aneiner weiteren Beobachtung 2002/2003 teil-nahmen, äußerte sich ein Lotse in den KielerNachrichten vom 11. Januar 2003: „‚Was diedort alles ehrenamtlich und ohne Geldmachen‘, sagt der bodenständige Lotse ausRostock, ‚das gibt es doch gar nicht. Nie ein

Jammern, nie sind sie lustlos. Nichts von Null-Bock-Generation.‘“147

In Sachen Schiffssicherheit lobte das Bun-desverkehrsministerium das Engagement vonGreenpeace in einem Schreiben vom 7. Febru-ar 2002. Gert-Jürgen Scholz schrieb im Auf-trag des Ministers Kurt Bodewig (SPD): „Esist sehr erfreulich, wenn eine als kritisch be-kannte Umweltschutzorganisation wie Green-peace so etwas wie Wertschätzung für dieintensiven Bemühungen der Bundesregie-rung erkennen lässt, die maritime Notfall-vorsorge in Nord- und Ostsee nachhaltig zuverbessern.“

Der FDP-Abgeordnete Hans-Michael Gold-mann schätzte den Einsatz der Bundesregie-rung für die Belange der Schiffssicherheitzwar wesentlich kritischer ein, aber Green-peace erwähnte er in seinem Schreiben vom26. März 2002 an den Schiffssicherheitsex-perten Christian Bussau lobend: „Ich dankeallen Aktiven der letzten Monate für ihrenEinsatz. Mich hat die Energie, mit der vieleInteressierte oft ehrenamtlich für den Erhaltder öffentlichen Seeamtsverfahren gestritten

Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit 57

144) Brief von Staatssekretär Ralf Nagel vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am 25.10.01.145) Brief von Dr. Knieß von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord am 8.11.01.146) Auslandsfunkreport, Wildwest-Seefahrt zwischen Dänemark und Deutschland, 24.6.01, 20:41.147) Kieler Nachrichten 11.1.2003.

Überwachung der Kadetrinne

2001 mit Greenpeace-Schiff

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Page 58: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

haben, stark beeindruckt. Auch wenn dasEngagement nicht erfolgreich war, so ist dieseine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.Ich habe viel gelernt und viele interessanteMenschen kennen gelernt.“

Greenpeace übernahm mit der Überwa-chung eine längst überfällige Aufgabe derzuständigen Behörden der Küstenländer unddes Bundes. Allein im Mai 2001 stellte dieUmweltschutzorganisation über 150.000 Eurofür den Einsatz im Sinne der Schiffssicher-heit zur Verfügung.

Havarie der „Pallas“

In dem Bericht der unabhängigen Experten-kommission ,Havarie Pallas‘, der dem Bun-desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-wesen am 16.2.2000 in Berlin vorgelegt wird,wird der Greenpeace Schifffahrts-Experte Dr. Christian Bussau als angehörter Sachver-ständiger aufgeführt. Er hatte im Namen vonGreenpeace Konsequenzen aus der Havarieder ,Pallas‘ für das Sicherheits- und Notfall-konzept der Deutschen Bucht gefordert,

„um bei zukünftigen Fällen von in Seenotgeratenen Schiffen eine optimale Bekämp-fung der Schäden zu ermöglichen bzw. einEintreten von Schäden zu verhindern“.148

Die von Greenpeace erarbeiteten Verbesse-rungsvorschläge enthielten als Kernpunkte,dass mehr Schlepper und Hubschrauberbereitgestellt, eine effektive Küstenwachzen-trale gebildet und die Reeder-Haftung beiUnfällen verschärft werden müssen.

Allerdings hatte Greenpeace nicht nurtheoretische Arbeit geleistet, sondern auch tat-kräftig Schwer- und Dieselöl aus dem hava-rierten Holzfrachter geborgen, denn auchMonate nach dem Unglück gelangte noch Ölaus der ,Pallas‘ ins Meer. Um kurzfristig dieEinsätze an Bord der ,Pallas‘ durchführen zukönnen, setzte Greenpeace insgesamt rund117.000 Mark ein.149

Forschungsministerium

Nach den zahlreichen Chemiekampagnenvon Greenpeace verzichtet auch das Bundes-forschungsministerium unter Edelgard Bul-mahn (SPD) nicht auf die Meinung der Um-weltorganisation. Schon im Mai 2002 wirddie Organisation zu einem Planungstreffeneingeladen, weil 2003 das ,Jahr der Chemie‘ansteht150.

(Familienministerium siehe Abschnitt 2.)

3.2 In den Fachbehörden

Umweltbundesamt

Regelmäßig steht Greenpeace in Kontakt mitdem Umweltbundesamt. Auf höchster Ebenewird auf die Meinung und Kompetenz derUmweltschützer Wert gelegt. So etwa bei ei-nem Treffen mit Geschäftsführerin BrigitteBehrens am 17.5.1999, das in Gegenwartaller wichtigen Abteilungsleiter des Amtesstattfand.

In einem Schreiben an den GreenpeaceChemie-Experten Manfred Krautter im Zu-

58 Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit

148) Greenpeace Papier „Konsequenzen aus der Havarie der ,Pallas‘ für das Sicherheits- und Notfallkonzept der deutschen Bucht“, Mai 1999, S. 2.

149) Greenpeace Jahresrückblick 1999, S. 10.150) Einladung

Neben wissenschaftlicher

Unterstützung leistete Green-

peace beim ›Pallas‹-Unglück

auch Hilfe beim Bergen des

ausgelaufenen Öls.

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Page 59: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

sammenhang mit dem Verbot von kurzket-tigen Chlorparaffinen äußerte sich das Um-weltbundesamt (UBA) positiv zu weiterenAnalysen bei mittel- und langkettigen Chlor-paraffinen. Heinz-Jochen Poremski schrieb:„Über eine erneute und gute fachliche Koope-ration mit Greenpeace würden wir uns freu-en. Ein konkreter Anknüpfungspunkt wäreaus unserer Sicht die koordinierte Probenah-me entsprechender Matrices. (...) Sobald wei-tere Untersuchungs- und Rechercheergeb-nisse vorliegen, sollten wir die Diskussiongemeinsam fortführen.“151

Bundesamt für Naturschutz

Das Verhältnis zum Präsidenten des Bundes-amtes für Naturschutz, Prof. Vogtmann, istvon sehr guter Zusammenarbeit geprägt. Solud Prof. Vogtmann Brigitte Behrens wieder-holt zum Gedankenaustausch in seine Behör-de. Während die ersten Schreiben noch sehrförmlich sind, klingt im Brief vom 19. Juli2002 sogar eine Bitte um ,Amtshilfe‘ an:

„Meine Lieben, (...) Schwerpunkt der na-turschutzfachlichen Aktivitäten wird in dennächsten Monaten die Stützung der Kom-missionsvorschläge sein gegenüber dem EU-Parlament, dem Fischereirat sowie den ein-zelnen Mitgliedsländern, besonders den süd-europäischen Staaten, die sich zu einem Bünd-nis ,Freunde der Fischerei‘ zusammenge-schlossen haben. Dieses Bündnis übt massivDruck auf die Kommission aus und versucht,wesentliche Aspekte des Kommissionsvor-schlages zu verhindern. Ich mache auf die-sen Umstand aufmerksam, da eventuell Akti-onen erforderlich werden könnten, um die Be-mühungen der Kommission zu stützen.“

3.3 In den Enquete-

Kommissionen

Wenn der deutsche Bundestag die Einset-zung einer Enquete-Kommission, einer Ar-beitsgruppe der Abgeordneten zu relevantengesellschaftspolitischen Fragen, einsetzt, wirdoft Greenpeace geladen und gehört.

Globalisierung der Weltwirtschaft

Im Schlussbericht der Enquete-Kommission,Globalisierung der Weltwirtschaft‘152 wirdGreenpeace als kompetenter Informant mehr-fach erwähnt, gelobt und die Argumentationübernommen. Die Umweltschützer warenauf der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission unter dem Titel „Von der Indus-trie- zur Wissensgesellschaft: Wirtschaft,Arbeitswelt und Recht, Privatisierung undPatentierung von Wissen“ in Berlin am 8. Oktober 2001 vertreten. Greenpeace liefer-te Antworten zu ausgewählten Fragen zu denThemen Patente, Rechte des geistigen Eigen-tums und TRIPS-Abkommen der WTO. U.a. waren der Bundesverband der Industrieund die Gewerkschaft ver.di um ihre Experti-se gebeten worden.

Zum einen nutzen die Kommissionsmit-glieder einen von Greenpeace erstellten Ver-gleich zwischen dem TRIPS-Abkommen(Trade-Related Aspects of Intellectual Pro-perty Rights) und der EU-Richtlinie 98/44. In dem Vergleich geht es darum, wie weit dieEU-Richtlinie und damit die in Europa gängi-ge Praxis der Patentvergabe auf Leben demTRIPS-Abkommen widerspricht. JürgenKnirsch, Greenpeace-Globalisierungsexperte,stellt die Tabelle vor.

Zum anderen heißt es: „Die RessourceUmwelt ist durch landwirtschaftliche Pro-duktion, aber auch durch andere Einflüsseerheblich betroffen. (...) Neben dem Zugangzu Land (...) spielt die Frage der verfügbarenTechnologie eine herausragende Rolle. (...) Indiesem Sinne ist die Förderung der mensch-lichen Ressourcen essenziell zur Verbesse-rung der Ernährungslage. Die von ,Brot fürdie Welt‘ und Greenpeace veröffentlichteStudie ,Ernährung sichern‘ (Brot für die Welt,Greenpeace 2001) setzt sich aus der Perspek-tive des Südens mit nachhaltiger Landwirt-schaft auseinander. Zugrunde liegen die For-schungsergebnisse der britischen Agrar-experten Jules Pretty und Rachel Hine, die inihren ,SAFE-World-Report‘ (Pretty, Hine 2001)anhand von ca. 200 Beispielen in 52 Ländern

Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit 59

151) Brief des UBA an Manfred Krautter, 11.01.1999.152) Abschlussbericht Enquete-Kommission des Bundestages „Globalisierung und Weltwirtschaft“, Drucksache 14/9200

Page 60: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

belegen, dass die nachhaltig standortgerech-te Landwirtschaft einen wichtigen Beitragzur Verbesserung der Ernährungssituation imländlichen Raum leisten kann. Neben agrar-technischen Aspekten belegt die Studie dieenorme Bedeutung des traditionellen Wis-sens der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.“

Im Dankesschreiben von Dr. Ernst Ulrichvon Weizsäcker heißt es153: „Auf diesem Wegemöchte ich mich nochmals ganz herzlichdafür bedanken, dass Sie Ihren Sachverstandin die Arbeit der Enquete-Kommission einge-bracht haben. Die umfassenden Informatio-nen, die die Kommission durch die Anhörun-gen erhalten hat, bildeten eine wichtigeGrundlage für die Erstellung des Abschluss-berichtes.“

Recht und Ethik

der modernen Medizin

In der Enquete-Kommission ,Recht und Ethikder modernen Medizin‘, die der Bundestagam 24. März 2000 einsetze, war der Green-peace-Patentexperte Dr. Christoph Then beider Öffentlichen Anhörung am 3. Juli 2000vertreten. Nach zähen Diskussionen undunter Berücksichtigung eines Minderheiten-votums kam am 25.1.2001 ein Zwischenbe-richt zustande, der die Greenpeace-Forde-rung stützt .154

Demnach hegt die Enquete-KommissionBedenken dagegen, die Biopatent-Richtlinieder Europäischen Union in deutsches Rechtumzusetzen, weil sie Patente auf Lebewesenund Gene nur unzureichend verhindert. ImText heißt es: „Mit der Forderung ,Kein Pa-tent auf Leben‘ lehnen Kritiker insbesonderedie Patentierung der DNA-Sequenzen alsKommerzialisierung des Lebendigen ab.“ DerZwischenbericht erwähnt Skandalpatente aufEmbryonen und Chimären (Mensch-Tier-Mischwesen), die Greenpeace aufgedeckthatte. Die Kommission kommt zu dem Schluss:„Die Enquete-Kommission sieht deshalb einewichtige Aufgabe darin, die rechtlichen undethischen Aspekte dieser Fragestellungen –gemäß ihrem Einsatzungsbeschluss be-schränkt auf Erfindungen, die sich auf denMenschen in allen Stadien seiner Entwick-lung beziehen – zu klären, um im Ergebnisdem Gesetzgeber dazu Rat zu erteilen.“

3.4 Beim Bundespräsidenten

Auch die jeweiligen Bundespräsidenten pfle-gen Kontakt zu Greenpeace – als eine Orga-nisation, die in Sachen Umweltschutz eineder wichtigsten außerparlamentarischenOppositionen vertritt und zu den wichtigenbundesdeutschen Interessengruppen zählt.Von 1991 bis 2002 war Greenpeace jedes Jahrzum Neujahrsempfang geladen.

Dr. Arnold Wallraff dankte am 8. Novem-ber 1993 dem damaligen Geschäftsführervon Greenpeace, Thilo Bode, für die „thema-tische Hilfe bei der Vorbereitung des Um-

60 Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit

Greenpeace-Protest vor dem

Münchner Europäischen

Patentamt gegen Patentie-

rung von Lebewesen.

153) Brief vom 20.9.2002. 154) Drucksache 14 /5157 und PE. ©

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weltgesprächs mit dem Bundespräsidentenin der Villa Hammerschmidt am 15. Novem-ber 1993“. Dr. Wallraff schlug die Themen:Stillstand der Umweltpolitik nach Rio,Umweltschutz als Standortfaktor, Umwelt-schutz nach Maastricht und besondere Ein-zelprobleme wie Energiekonsens und UNCED-Wald-Konvention, Ökologisierung der Land-und Forstpolitik sowie Wege zu einer ökolo-gisch orientierten sozialen Marktwirtschaftals Gesprächsthemen vor und schloss mitden Worten: „Ich bin sicher, dass das Gesprächbeim Bundespräsidenten mit Ihrer Hilfeeinen erfolgreichen Verlauf nehmen wird.“

Thilo Bode war dann auch auf der Gäste-liste des Neujahrsempfangs des Bundespräsi-denten im Schloss Bellevue am 9. Januar 1995.

1999 würdigte Bundespräsident RomanHerzog Greenpeace als einen ,player‘ in derWeltaußenpolitik im Rahmen seiner Eröff-nungsansprache zum WeltwirtschaftsformDavos am 28. Januar 1999 zum Thema,Außenpolitik im 21.Jahrhundert‘.

Er sagte: „Manche hatten sich ausgerech-net, dass es nach der Auflösung des bipola-ren Systems eine neue Zukunft der National-staaten geben werde, mit 189 Staaten alsunabhängigen Akteuren des internationalenSystems an Stelle der beiden Supermächte.Das war ein Irrtum. Zwar ist richtig, dass derProzess der Globalisierung mit Prozessen derFragmentierung einherging. Aber nicht nurdie beiden ideologischen Blöcke fragmentier-ten sich. Auch andere Großkollektive began-nen zu bröckeln, auch der Nationalstaatselbst. Neben den nationalen Regierungenhatten schon lange zahllose transnationaleAkteure in Wirtschaft und Gesellschaft, Wis-senschaft und Kultur, Technik und Ökologiedamit begonnen, ihre Anliegen und Bot-schaften global zu vertreten. CNN, das RoteKreuz, Yehudi Menuhin, Politologen der Har-vard University, das Internet und Green-peace, von den Weltkonzernen ganz abgese-hen, werden heute dezentral und ungesteu-ert außenpolitisch wirksam. Es gibt sie bereits,das Weltbürgertum und die globalen Zivilge-

sellschaften, auch wenn wir noch keine Welt-verfassung haben.“

Und auch Bundespräsident Johannes Rauempfing Greenpeace zum Neujahrsempfangin seinem Amtssitz, Schloss Bellevue am 9. Januar 2002.

3.5 In internationalen Institutionen als Beobachterin

Der Greenpeace-Cheflobbyist Rémi Parmen-tier erinnert sich, wie schwierig es in denAnfangszeiten für Greenpeace war, an inter-nationalen Konferenzen teilzunehmen:

„Als die Greenpeace- Geschichte in denspäten siebziger Jahren begann, behandeltendie ‚kompetenten Autoritäten‘ (Regierungen,Industrie genau wie zwischenstaatliche Or-ganisationen) Greenpeace im besten Fall vä-terlich und oft genug eher rau. Nicht nur, dassGreenpeace-Schiffe in praktisch jedem Landfestgesetzt wurden oder gerammt oder mitTränengas besprüht oder – in einem Fall –versenkt. Es waren entschlossene Anstren-gungen für Greenpeace notwendig, um dasRecht zu erhalten, an den Sitzungen von zwi-schenstaatlichen Organisationen teilzunehmen.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Heut-zutage stehen Staatsbeamte weltweit, aberauch viele Regierungsvertreter der Teilnahmevon Greenpeace und anderer Umweltschutz-Gruppen offen gegenüber. Man sagt sogar,manche würden Greenpeace vermissen, wenndie Organisation nicht dabei wäre. Der Gene-ralsekretär der Vereinten Nationen wies in sei-nem Bericht zur UN-Vollversammlung zumThema ,Arrangements and Practices for theInteraction of Non-Governmental Organiza-tions in all Activities of the United NationsSystem‘ darauf hin, dass Nichtregierungsor-ganisationen ,nicht länger nur als Multipli-katoren von Information anzusehen sind,sondern als Teilhaber der Politik und als Brü-cke zwischen der breiten Öffentlichkeit undzwischenstaatlichen Prozessen‘.”155

Schmidt/Take sehen „die Rolle der NGOsbei der Demokratisierung bzw. Re-Demokra-

Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit 61

155) Rémi Parmentier: Greenpeace and the Dumping of Waste at Sea: A Case of Non-State Actors´ Intervention in International Affairs, in: Inter-national Negotiation 4, 1999, S. 449.

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tisierung internationaler Politik bzw. von außenpolitischen Entscheidungsprozessen (...)in der Schaffung von Transparenz durch dieInformation und Aufklärung der Öffentlich-keit über diese Prozesse. Transparenz durchInformationen stellt unseres Erachtens diegrundlegende Bedingung für eine öffentlicheKontrolle dar und bildet somit einen wichti-gen Beitrag zur Demokratisierung.“156

Für Schmidt/Take spiegelt sich „die öf-fentliche Anerkennung von NGOs (...) auchin der Berichterstattung der Medien wider.Nicht selten gründet sich die mediale Bericht-erstattung über Konferenzen auf Informati-onsmaterialien, die dort von NGOs allen In-teressierten zur Verfügung gestellt werden.Auch von offizieller Seite erfahren die NGOszunehmend Akzeptanz und Anerkennung.Dies findet seinen Ausdruck in der Einbin-dung der NGOs, sei es als Teilnehmer oder Be-richterstatter internationaler Meetings, sei esdurch die Aufnahme ihrer Vertreter in natio-nale Delegationen. (...) Die Bedeutung derNGOs als Repräsentanten des öffentlichen In-teresses unterstrich auch der ehemalige UN-Generalsekretär Butros-Ghali, indem er dieNGOs als ‚eine grundlegende Form menschen-naher Repräsentation‘ bezeichnete; sie seien‚gewissermaßen eine Garantie für die politi-sche Legitimation auch der Vereinten Natio-nen‘. Die ständige Aufwertung des Konsulta-tivstatus für NGOs in staatlichen und inter-nationalen Gremien unterstützt diese These.Auch auf Grund der steigenden persönlichenBelastung der Menschen durch Umweltschä-den wird die Beteiligung gesellschaftlicherAkteure am Prozess der internationalen Um-weltpolitik immer dringender eingefordert.“

Greenpeace hatte 2003 folgenden Status ininternationalen Organisationen:

Berater-Status – Consultative Status:ECOSOC – (Wirtschafts- und Sozial-Rat derUN), United Nations: Economic and SocialCouncil

Greenpeace hat einen garantierten Berater-Status in den meisten der UN- und Konven-tions-Foren, der auf einer ECOSOC-Resoluti-on von 1996 über den Status der NGOs beider UN beruht.

Kooperations-Status – Liaison Status:FAO –Welternährungsorganisation – UnitedNations: Food and Agriculture Organisation

Beobachter- Status – Observer Status:UNEP – Umweltprogramm der VereintenNationen, United Nations: EnvironmentalProgramBasel-Konvention – Baseler Giftmüll-Abkom-men, Basel Convention on the Control of Trans-boundary Movements of Hazardous WastesBiosafety-Protokoll – Convention on BiologicalDiversity (CBD) and Cartagena Protocol (Ab-kommen zum Schutz der Biologischen Vielfalt)Washingtoner Artenschutzübereinkommen– CITES, Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Faunaand Flora)HELCOM – Convention on the Protection ofthe Marine Environment of the Baltic SeaArea (Helsinki-Konvention zum Schutz derOstsee)Ramsar-Konvention – Ramsar Conventionon Wetlands (Feuchtgebiete)Stockholm-Konvention – Stockholm Conven-tion/POPs Treaty (Abkommen zum Schutzvor Dauergiften (POPs)UNFCCC – United Nations: Framework Convention on Climate Change (Rahmenabkommen zum Klimawandel)

62 Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit

156) Hilmar Schmidt/Ingo Take, Demokratischer und besser? Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 43/97, 17.10.1997, S. 14ff.

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MAP – United Nations: Barcelona Conven-tion/Mediterranean Action Plan (Aktionsplan zum Schutz des Mittelmeeres)Cartagena-Konvention – United Nations:Cartagena Convention on the Protection ofthe Wider Carribean Region (Abkommenzum Schutz des karibischen Raumes)UNSEGED – United Nations: Solar EnergyGroup on Environment and Development(Solarenergie-Kommission der UN zuUmwelt und Entwicklung)Konvention von Bern – Berne Convention onthe Protection of European Fauna and Flora and their HabitatsCSD – UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung – Commission on SustainableDevelopmentHelsinki-Kommission – Commission on theProtection of Forests in Europe (Kommission zum Schutz der europäischenWälder)IPCC – Zwischenstaatlicher Expertenrat fürKlimawandel – Intergovernmental Panel onClimate Change IWC – Internationale Walfang-Kommission– International Whaling Commission WTO – Welthandelsorganisation – WorldTrade OrganisationLondon-Konvention – London Convention(c/o IMO) (Abkommen zur Müllversenkung im Meer)OSPAR – Oslo Convention on the Preventionof Marine Pollution by Dumping of Ships and Aircraft and Paris Convention for thePrevention of Marine Pollution from Land-Based Sources (Abkommen zum Schutz desNordostatlantiks)157

Greenpeace hat Beobachter-Status in allengesetzgebenden Institutionen der EU: in der EU-Kommission, im EU-Rat, im EU- Parlament

Für Schmidt/Take ist „die zusätzliche De-mokratisierung internationaler Entschei-dungsprozesse durch NGOs (...) anhand ihrertransparenzfördernden Leistungen plausibeldarzustellen. Hierzu zählen die von denNGOs immer wieder erbrachte Informationund Aufklärung der Öffentlichkeit über poli-tische Entscheidungsprozesse sowie die vonden NGOs zur Verfügung gestellten unab-hängigen Expertisen und Handlungsanlei-tungen, die die politischen Entscheidungs-träger nicht mehr allein auf ihre Berater an-gewiesen sein lassen. Beispiele hierfür sindregelmäßig erscheinende Mitgliederzeit-schriften, konferenzbegleitende Informa-tionsmaterialien und Zeitschriften sowieJahresberichte (...). Außerdem leisten dieNGOs einen Beitrag zur Überwachung derImplementation der international vereinbar-ten Maßnahmen. Indem die NGOs alsozusätzliche Informationen liefern, Entschei-dungsprozesse durchsichtiger machen unddie Implementation bestimmter Politikenüberwachen, schaffen sie ein zusätzlichesMaß an Transparenz, welches den Bürgerneine freiere Meinungsbildung ermöglicht.Darüber hinaus werden die transparenzför-dernden Leistungen innerhalb der NGOsnicht durch einen restriktiven Verwaltungs-apparat behindert. Sie können deshalb rela-tiv ungehindert ihre originären Funktionenwahrnehmen, die vor allem in der Kontrolle,Kritik, Anklage und Verurteilung der politi-schen Prozesse und ihrer Träger liegen.Allerdings muss auch konstatiert werden,dass sich zumindest die größeren NGOs indem Dilemma befinden, sich einerseits vonStaatspolitik und Wirtschaftshandeln ab-grenzen zu müssen, andererseits aber auf dieFormulierung anschlussfähiger Themenstel-lungen als Voraussetzung für unterstützendeFörderung angewiesen zu sein.“158

Aber die beiden Wissenschaftler sehen inder Aufklärung der Öffentlichkeit nicht alleineinen Beitrag zur Demokratisierung interna-tionaler Politik, „sie ist auch eine der wichtigs-ten Funktionen, die NGOs im Rahmen einer

Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit 63

157) Liste von Stefan Krug.158) Schmidt /Take, S. 15.

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mehrstufigen ‚global governance‘ zurLösung globalisierter Probleme ausüben.Durch sie wird Druck auf die politischen Ent-scheidungsträger erzeugt, bestimmte Proble-me auf die politische Agenda zu setzen bzw.deren Bearbeitung voranzutreiben.“

Auch zu Problemlösungsfindungen tra-gen NGOs durch alternative Vorschläge undIdeen sowie eigene Expertisen bei. Schmidt/Take konstatieren, dass „der Informations-input der NGOs (...) dabei (auch nach Aussa-gen von Regierungsdelegierten) teilweise vonmehr Kompetenz als entsprechende, von denRegierungen in Auftrag gegebene Studien[zeugt]. Durch die Vermittlung zwischen staat-lichen Akteuren und die Unterstützung vonLeader-Staaten gelingt es ihnen immer wie-der, zur Fortentwicklung der Vereinbarun-gen beizutragen. (...) Die Beteiligung der NGOsam Entscheidungsfindungsprozess bedeutetdarüber hinaus gegenüber der Öffentlichkeiteinen Legitimationsgewinn für die von derRegierung verabschiedeten Gesetze. Das Glei-che gilt auch für die auf internationalerEbene getroffenen Vereinbarungen.“

Auch Marianne Beisheim stellt fest, dassdie Arbeit der NGOs „bei den Prozessen derPolitikfindung im Rahmen der Vereinten Na-tionen (VN) (...) hochgeschätzt [wird]. AufGrund des über sie erfolgenden Inputs gesell-schaftlicher Interessen gelten sie als ein po-tenzieller Legitimationsfaktor für internatio-nale Institutionen. (...) Die VN sind in der bis-herigen Praxis weniger eine Vereinigung vonVölkern als eine Gemeinschaft von Staatenund Regierungen mit z.T. fragwürdiger demo-kratischer Legitimität. Die Demokratisierungder VN könnte auch durch die stärkere Einbe-ziehung einer gesellschaftlichen Komponentevorangebracht werden. Dabei sind die Vortei-le der Arbeit der NGOs gegen die Risikenabzuwägen, wie z.B. Bürgernähe, Sachkom-petenz, unbürokratisches, innovatives Den-ken gegen eventuell ungenügende Repräsen-tanz in der Gesamtgesellschaft oder gegen die

Gefahr der Instrumentalisierung von NGOsdurch wirtschaftliche oder politische Lobbys.Boutros-Ghali sah die NGOs als zusätzlichesPluralitätselement in der internationalenPolitik; NGOs würden sowohl gegenüber deneigenen Regierungsvertretern als auch fürdie Tätigkeit der internationalen Apparateals korrektives Element wirken.

Auch die Agenda 21 beurteilt das Engage-ment nichtstaatlicher Organisationen als för-derungswürdig.159 So wird vorgeschlagen, dassder Verband der Vereinten Nationen und dieRegierungen in Konsultationen mit den NGOseinen Prozess in Gang setzen sollen, um dieförmlichen Verfahren und Mechanismen zurEinbeziehung der NGOs auf allen Ebenenvon der politischen Entscheidungsfindungbis zur Umsetzung – gerade auch der Agenda21 – zu überprüfen. Damit wird die Agenda21 zu einem ‚Aktionsprogramm für eine stär-kere NRO-Partizipation‘, das auch ein Plus anformaler Legitimation für NGOs auf der in-ternationalen Ebene mit sich bringen kann.“160

3.6 Mit Gewerkschaften

Zusammen mit der IG Bauen-Agrar-Umweltentwickelte Greenpeace 1999 das Gütesiegel,Das Plus für Arbeit und Umwelt‘. Das Siegelgarantiert den Verzicht auf umweltschädli-che Baustoffe wie PVC, FCKW/FKW, Urwald-holz und Dämmstoffe, die langlebige Gifteenthalten. Am 19. November 2002 wurde dasModellsanierungsprojekt ,Bürger 2002‘ in Bre-men mit dem Gütesiegel ausgezeichnet. An-lässlich der Verleihung war der IG-BAU-Bun-desvorsitzende Klaus Wiesehügel anwesend,der erklärte: „Das Gütesiegel dokumentierteine umweltverträgliche Sanierung, bei derauch Sozialstandards und Tarifverträge einge-halten werden. Das ist gut für Arbeit undUmwelt.“ Und die Bremer Senatorin für Bauund Umwelt Christine Wischer zeigte sich be-eindruckt: „Was hier verwirklicht wurde, istKlimaschutz zum Vorzeigen.“161

64 Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit

159) Unter Ziffer 27.1 der Agenda 21 heißt es: „Nichtstaatliche Organisationen spielen eine entscheidende Rolle bei der Ausformung und Um-setzung einer teilhabenden Demokratie … Die unabhängige Rolle, die den nichtstaatlichen Organisationen innerhalb der Gesellschaft zu-kommt, verlangt nach einer echten Mitwirkung.“ Die Frage nach der demokratischen Legitimität der NGOs wird dabei ansatzweise behandelt,indem man postuliert: „Ihre Glaubwürdigkeit ist durch die verantwortliche und konstruktive Rolle begründet, die sie in der Gesellschaft spielen.“

160) Marianne Beisheim, Nichtregierungsorganisationen und ihre Legitimität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 43/97, 17.10.1997, S. 27f.161) Presseerklärung der IG BAU, Greenpeace, der Bauherrengemeinschaft „Bürger 202“ und dem Bremer Energie-Konsens, Bremerhaven 19.11.2002.

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Der Vorsitzende der Vereinigten Dienst-leistungsgewerkschaft ver.di Frank Bsirskeverkündete in seiner Grundsatzrede auf demGründungskongress der neuen Gewerkschaftam 20. März 2001: „Wir können von Green-peace eine Menge lernen.“ 162

In Zusammenarbeit mit der Internationa-len Transportarbeiter Föderation (ITF), demInternationalen Bund Freier Gewerkschaften(IBFG), dem Gewerkschaftlichen Beratungs-ausschuss (TUAC) sowie der Organisationfür wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung (OECD) brachte Greenpeace einenBericht mit dem Titel ,Troubled waters: fish-ing, pollution and FOCs‘ (Billigflaggen, A.d.V.)heraus, um ein umfassendes Verbot un-ternormierter Billigflaggen durchzusetzen. Indem Bericht wird die Verbindung zwischenBilligflaggen, Umweltverschmutzung und il-legaler Fischerei aufgedeckt.

Der Studie zufolge werden durch das Bil-ligflaggensystem in großem Umfang illegaleFangpraktiken und die Befischung bedrohterArten ermöglicht. Darüber hinaus gefährdenüberaltete, schlecht gewartete Billigflaggen-flotten die Umwelt. „Tödliche Unfälle, Arres-tierungen und Ölkatastrophen kommen inder Billigflaggenszene weitaus häufiger vorals bei Schiffen unter nationaler Flagge“,hieß es im ITF-Seeleute-Bulletin 2000. Die

unterschiedlichen Gewerkschaftsorganisatio-nen und Greenpeace forderten die UN-Kom-mission über nachhaltige Entwicklung (CSD)unter anderem dazu auf: - „die Ratifizierung des Übereinkommensüber die Erhaltung und verantwortungsbe-wusste Bewirtschaftung von Fischbeständender UN-Organisation für Ernährung und Land-wirtschaft (FAO) und des UN-Übereinkom-mens über lokal und weit wandernde Fisch-bestände zu empfehlen;- sich für eine hochnormige Schifffahrt ein-zusetzen und Initiativen für einen verantwor-tungsvollen Fischfang zu unterstützten;- Maßnahmen zur Transparenz in diesemIndustriezweig zu entwickeln“.163

1983 gelang es Greenpeace in Großbritan-nien, die National Union of Seamen (NUS, na-tionale Seeleutegewerkschaft) und die ITF da-von zu überzeugen, jegliche Beförderungund Verladung von Atommüll zu boykottie-ren. Daraus resultierte, dass das jährlicheDumping-Programm Großbritanniens nichtdurchgeführt werden konnte. 1983 wurdedas erste Jahr im atomaren Zeitalter ohneoffizielle Atommüllverklappung.

(Mehr dazu unter 1.3 London Dumping Con-vention.)

Greenpeace – Expertisen – Kontakte – Zusammenarbeit 65

162) http://www.zeit.de/reden/wirtschaftspolitik/200113_verdi_bsirske163) ITF-Seeleute-Bulletin 2000, S. 14f.

Page 66: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

4. Zwei Beispiele fürden internationalenEinsatz

Greenpeace ist nicht in allen Ländern diesesPlaneten aktiv. Die gewaltfreien Umwelt-schützer müssen sich aus Ländern heraushal-ten, die nicht ein Mindestmaß an Bürgerrech-ten und Personenschutz bieten, in denen Will-kür, Entführung, Mord und Folter alltäglichsind. Doch in Ländern mit jungen oder sehrbrüchigen demokratischen Strukturen wer-den die gewaltfreien Umweltschützer aktiv.Und sie leisten weit mehr, als sich nur fürsauberes Wasser oder die geregelte Müllent-sorgung einzusetzen. Sie sind Vorbild füreine Bürgergesellschaft, stärken demokrati-sche Opposition und Initiativen von unten,zeigen, dass sich gewaltfreier Widerstandlohnt und Zähigkeit zum Erfolg führt.

Thilo Bode, damals Direktor von Green-peace International, schrieb dazu in derFrankfurter Allgemeinen Zeitung im Dezem-ber 1998 unter der Überschrift ,Weltvolkprobt Aufstand‘164 : „In weniger rigide regier-ten Staaten haben Nichtregierungsorganisa-tionen schon beachtliche Veränderungen be-wirkt. Kürzlich protestierten vor dem türki-schen Energieministerium Umweltaktivistengegen den Bau eines Atomkraftwerkes. Einunerhörter Vorfall für türkische Verhältnisse,doch wurden die türkischen Aktivisten nichtwie üblich verprügelt und eingesperrt. Siekonnten unter dem Schutzschild eines in-ternationalen Umweltverbandes und der in-ternationalen Presse agieren. Offensichtlichhatten die türkischen Behörden wegen inter-nationaler Komplikationen Bedenken voreinem härteren Vorgehen. Für diplomatischeVertretungen, die sonst auf konfrontative Um-weltorganisationen nicht gut zu sprechen sind,sind diese jedoch ein willkommenes Instru-ment, um bürgerliche und politische Grund-rechte, die sie wegen kommerzieller Interesseneher verschämt einfordern, zu propagieren.“

Die Zeitschrift Natur & Kosmos hebt dieinternationalen Aktivitäten hervor: „Tatsäch-lich trug Greenpeace mit gewaltfreiem Pro-test dazu bei, dass Frankreich die oberirdi-schen Atombombenversuche einstellte, dieUSA und Russland die Antarktis unter Schutzstellten und die Walfangnationen ihren Fangbegrenzten. Ohne öffentlichkeitswirksameAktionen wäre das kaum möglich gewesen.Die Greenpeace-Aktivisten scheuten nicht ein-mal davor zurück, auf dem Platz des Himm-lischen Friedens in Peking gegen ChinasAtombombenversuche zu demonstrieren.“165

4.1 Im Libanon

Auch im bürgerkriegszerstörten Libanon ar-beitet Greenpeace mit Erfolg. Das ist der Ein-satz für den Umweltschutz in einem zerrüt-teten Land, in dem sich die Menschen umWiederaufbau bemühen und nach einem Aus-kommen suchen und dessen demokratischeStrukturen von den mächtigen Familien desLandes eher geduldet als gefördert werden.

Aber Greenpeace wurde unter demDeutsch-Libanesen Fouad Hamdan ab 1996schnell zur Institution. So schrieb die Süd-deutsche Zeitung am 24. Oktober 1997 überden Wiederaufbau der Hauptstadt des Liba-non, Beirut:166

„So soll der Müll, täglich fallen 1.700 Ton-nen an, künftig in zwei Stationen sortiert,dann zum Teil kompostiert, verbrannt undendgelagert werden. Das klingt gut, dafür gibtes vom örtlichen Greenpeace-Vertreter zumTeil auch Lob. ‚Die machen was, die habenendlich begriffen, dass es so nicht weiter-gehen kann’, sagt Fouad Hamdan, einst Spre-cher der Organisation in Deutschland undseit elf Monaten in Beirut. Trotz des Engage-ments der Regierung kritisiert Hamdan je-doch die Richtung: Nicht die Verbrennungsei der richtige Weg, sondern die Müllver-meidung.

Das sind Töne, die zwar nach Deutsch-land, nicht aber in ein vom Krieg zerstörtes

66 Zwei Beispiele für internationalen Einsatz

164) Frankfurter Allgemeine Zeitung /31.Dezember 1998/Feuilleton/Thilo Bode/“Weltvolk probt Aufstand“: / Organisierter Umweltschutz alsNährboden der Demokratie.“

165) Natur und Kosmos, 1.6.2001, Im Namen der Umwelt, S. 28. 166) Und der Krieg ist doch der Vater aller Dinge/Die Dritte Seite/Stefan Braun/Süddeutsche Zeitung 24.Oktober 1997.

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Land passen wollen. Doch Hamdan findetGehör: Denn der Libanon will sich Europaals Wirtschaftsstandort anbieten und brauchtwestliche Investoren. Kaum etwas wäre da un-angenehmer als das Image eines Umwelt-frevlers. Zugleich spielt auch das noch immervorherrschende System der proportionalenMachtverteilung zwischen Christen, Sunni-ten und Schiiten eine wichtige Rolle, wennes um den Einfluss von Greenpeace geht. DieTeilung der Macht sorgt dafür, dass die tat-sächliche Opposition im Parlament klein, dieFreude über öffentliche Kritik am jeweilsanderen aber groß ist. Günstiger können dieBedingungen für eine Organisation wie Green-peace gar nicht sein. Und Hamdan hat das be-griffen. ,Solange einer meine Ziele unter-stützt, arbeite ich mit ihm zusammen. Waser sonst noch macht oder früher getan hat, istmir egal.‘ Wechselnde Koalitionen sind fürHamdan kein Problem – und führen dazu,dass er Freunden und Feinden nie ganz ge-heuer ist. So heißt es aus dem Umweltminis-terium, das selbst monatelang mit Green-peace zusammenarbeitete: ,Die Organisationleistet gute Arbeit. Aber hinter Hamdan stehtein anderer Politiker.‘ Wer das ist, bleibt offen,weil es ständig ein anderer sein kann.“

Die arabisch-levantinische Variante derUmweltschutzarbeit wirkt. So schreibt NadineAlfa, Reporterin des Daily Star, am 14. Juli1997 über den Besuch des Greenpeace-Schif-fes Sirius an der libanesischen Küste:167

„Umweltminister Akram Chehayeb be-grüßte das Greenpeace-Schiff ,Sirius‘ im Li-banon am Samstagmorgen, als es in Tripol an-legte. Mit einer sichtbaren Änderung der Re-gierungspolitik gegenüber der internationa-len Umweltschutzorganisation in ihrer Rolleals Wachhund, sagte Chehayeb, dass sich dieDinge seit 1995 eben geändert hätten, als demSchiff Altair das Einlaufen verweigert wurde,und er fügte an, obwohl es zwischen Green-peace und ihm Differenzen gebe, würde manja für das gleiche Ziel arbeiten“. Im gleichenArtikel wird der Transportminister Omar Mis-kawi mit den Worten zitiert: „Wir brauchen

die doppelte Aufmerksamkeit von Seiten derBevölkerung und der Regierung, um unserMeer wieder sauber zu machen und um unsKritik von Greenpeace zu ersparen“.

Die Prominenz von Fouad Hamdan ge-stattet ihm offene Worte, die für anderewahrscheinlich hätte lebensgefährlich seinkönnen. So spricht Hamdan bei der Gala zurWahl des Mannes und der Frau des Jahres1999, als er den Titel zugesprochen bekommt,davon, dass „die Entscheidungsträger, die dieUmwelt zerstören, die gleichen seien, diewährend des Krieges Menschen entführtund getötet hätten“. 168

Der Einfluss von Greenpeace für denWideraufbau der libanesischen Gesellschaft

Zwei Beispiele für internationalen Einsatz 67

167) The Daily Star/140797/Nadine Alfa/„Chehayeb gives Greenpeace a warm welcome – change of heart in evidence as minister greets shipthat would once have been turned away“

168) The Daily Star/Star Scene/250399/Maha Al-Azar/Social Reporter/„No losers at he Man and Woman of the Year Awards“

Greenpeace protestiert

1998 gegen Verklappung

von Hafenschlamm an

den Küsten des Libanon.

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Page 68: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

spiegelt sich bis in die Schulbücher. In bei-den Bänden der Reihe169 ,Staatsbürgerkundeund zivile Erziehung‘ wird der Unterrichts-stoff immer wieder mit Greenpeace-Aktio-nen gegen die Umweltzerstörung illustriert.So geht es im Kapitel ,Bürgerrechte‘ unterder Rubrik ,Ziele‘ um: „Die wichtigsten Rechte kennen lernen.1. Die Fälle, in denen diese Rechte verletztwerden, feststellen.2. Bewusstsein schaffen, dass diese Rechtenicht automatisch respektiert werden underkämpft werden müssen, um sie zu schützen.3. Erlernen, dass im Alltagsleben und durchbestimmtes Benehmen einige dieser Rechterespektiert bzw. verletzt werden können.“Und weiter unter ,Lese und überlege‘: 1) Bürgerrechte und MenschenrechteDie Bürgerrechte im Libanon stimmen mitden Rechten, die in der Charta der Menschen-rechte festgelegt wurden, überein, da der Li-banon in seiner Verfassung eine Veranke-rung dieser Charta festgeschrieben, dieseÜbereinkünfte ratifiziert und sich dadurch zurEinhaltung der Menschenrechte verpflichtethat. Die in dieser Lektion angegebenen Rech-te sind Teil der anerkannten Rechte für jedenMenschen gemäß der Charta der Menschen-rechte. Es ist unausweichlich, dass jederMensch ungeachtet seiner Nationalität, Reli-gion, Meinung, Hautfarbe und sozialen Schichtdiese Rechte genießt.3) Privatleben und das Recht auf freie MeinungsäußerungDas Privatleben der Menschen muss respek-tiert werden. Man darf sich nicht einmischen.Einmischung heißt z.B. private Briefe zulesen, Telefone abzuhören, Häuser ohne recht-liche Begründung zu betreten, den Ruf zuschädigen oder die Würde zu verletzen.

Jeder Mensch hat ein Recht auf freiesDenken. Er hat das Recht, sich seine Meinungzu bilden, sie zu äußeren und zu publizieren.Niemand darf wegen seiner Meinungen ver-folgt werden. Die Bürger dürfen sich versam-meln, um ihre Meinungen auszutauschenund Vereinigungen zu gründen. Jeder Menschist frei, seinen Glauben zu haben, ist frei inder Auswahl seiner Religion und frei bei derAusübung seiner religiösen Gebräuche.“

Und dieser Abschnitt ist illustriert miteiner Demonstration von Greenpeace Liba-non gegen die Verseuchung durch Asbest. ImKapitel ,Umwelt und allgemeine Sicherheit/Umwelt und Lebensqualität‘ wird schließlichGreenpeace-ähnliches Vorgehen geübt und derWert gewaltfreier Veränderungen gewürdigt:„Aktivitäten1. Versuche einen Ort mit Steinbrüchen zubesuchen, der gesetzeswidrig betrieben wird.Sammle Informationen über die Gefahren sol-cher Aktivitäten und über das Gesetz überSteinbrüche im Libanon und schlage dafürLösungen vor. Stelle einen Ordner mit Bildern,Informationen und Gesetzen (...) zusammen.2. Der Internationale Gerichtshof in DenHaag ist das wichtigste Gericht für die Lö-sung von Konflikten zwischen den Staaten.Stelle den Mitschülern in der Klasse den Ge-richtshof vor, erkläre seine Rolle und präsen-tiere einige seiner Urteilsprüche in Formeines Berichtes.Evaluierung:1. Nenne einige Wege zu demokratischenLösungen von Konflikten.2. Findest du es notwendig, bei jedem Kon-flikt vor Gericht zu gehen? Was könnten dieAlternativen sein – falls vorhanden?3. Wie können wir verhindern, dass Konflik-te zwischen Ländern zu einer bewaffnetenAuseinandersetzung führen?“

68 Zwei Beispiele für internationalen Einsatz

169) Staatsbürgerkunde und zivile Erziehung. Grundbildung/ 7.Klasse /Neue Curricula/ Nationales Schulbuch/Pädagogisches Zentrum für Forschung und Entwicklung/Vorwort: „ Aufbau durch Erziehung “: „Vier Jahre sind seit der Gründung des Workshops für umfassende pädagogische Reform vergangen. Mit dem heutigen Tag legt das Pädagogische Zentrum für Forschung und Entwicklung allen Zuständigenim Erziehungswesen die erste Sammlung von Schulbüchern vor, die auf der Basis der neuen Curricula per Erlass Nr. 10227 vom 8. Mai 1997veröffentlicht und ausgearbeitet wurden(...) Dieses Schulbuch bedeutet einen erfolgreichen vorläufigen Abschluss bisheriger Maßnahmenauf dem Weg zum Wiederaufbau des Erziehungssektors unter der Aufsicht des Ministers für Nationale Erziehung, Jugend und Sport. Aufdiese Weise werden alle aufeinander aufbauende Schritte zur Erneuerung unternommen, die vom Förderplan bis zur Neuorganisation, vonden Curricula bis hin zu den Schulbüchern reichen. Wir hoffen, dass aus den besser ausgebildeten Schülern aktive und offene Bürger wer-den, die in der Lage sind, ihrer Heimat zu dienen und sich für die Lösung ihrer Probleme einsetzen, die qualifiziert und mit Würde undSelbstbewusstein bereit sind, sich an den Entwicklungen des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu beteiligen. (...) Das Zentrum hat auch dieHilfe von internationalen Experten in Anspruch genommen.“ Sowie Staatsbürgerkunde und zivile Erziehung/Sekundarbildung/1. Schuljahr.

Page 69: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

4.2 In Russland

In Russland sind die Umweltprobleme dra-matisch: marode und gefährliche Atommei-ler, undichte Ölpipelines, toxische Abwässer,die Abholzung von Urwäldern und und und.In dieser Situation konnte Greenpeace Russ-land bereits einiges erreichen. Weil die staat-lichen Institutionen häufig so schwach sind,kommt Greenpeace in Russland in vielen Fäl-len eine Vermittlerrolle zu. Staatliche Stellenbitten Greenpeace um Hilfe, wenn sie selberein Problem nicht lösen können.

Fischerei

So waren Inspektoren vom Staatlichen Öko-logischen Komitee zum Erhalt der Umweltim Bezirk Sachalin mit an Bord der ,RainbowWarrior‘, die vom 8. bis zum 21. Juni 2000 inder Wirrschafts-Zone zwischen dem Ochotz-kischen Meer und dem Stillen Ozean in derRegion der Kurilen patrouillierte. Die staatli-chen Inspektoren informierten sich über dienegativen Auswirkungen der japanischenTreibnetzfischerei auf die Lachsbestände.170

Wald und Weltnaturerbe

1994 unterzeichneten das Staatliche Komiteeder Russischen Förderation zum Schutz derUmwelt (Goscomecology) und GreenpeaceRussland ein Abkommen zur Zusammenar-beit, um geschützte russische Regionen in dieListe des Weltnaturerbes aufnehmen zu las-sen. Als erstes russisches Gebiet wurden dieUrwälder von Komi 1995 in die Liste aufge-nommen. Ende 1996 erhielten weitere 6,5Millionen Hektar Naturgebiete den höchstenökologischen Schutzstatus.

Greenpeace in Moskau erarbeitete die An-träge, um beispielsweise den Baikalsee beider UNESCO als Naturpark anerkannt zu be-kommen. Normalerweise wäre das die Auf-gabe des Umweltministeriums. Doch dieseswar schlicht nicht in der Lage, die aufwändi-gen Kartierungen zu erstellen. Seit 1996 stehtdieser größte Süßwassersee der Welt unterSchutz, wie auch die Vulkane von Kamchat-ka, die goldenen Berge des Altaigebirges undTeile des westlichen Kaukasus. Zuletzt wur-de im Jahr 2001 das im fernen Osten gelege-ne zentrale Sikhote-Alin unter den Schutz

Zwei Beispiele für internationalen Einsatz 69

Die Urwälder von Komi sind

die ersten russischen Wälder,

die auf die Liste des Welt-

naturerbes aufgenommen

wurden.

170) PE Greenpeace Russland vom 23.06.2000.© P

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Page 70: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

der UNESCO gestellt. Für weitere zehn Ge-biete laufen die Vorbereitungen für die Auf-nahme in die Liste des Weltnaturerbes.

Auch an der Erstellung des ersten kom-pletten russischen Atlas der intakten Wald-gebiete im Jahr 2002 war Greenpeace Russ-land maßgeblich beteiligt. Zehn russischeUmweltschutzorganisationen und Forschungs-institute hatten sich in der ,Global ForestsWatch Russia‘ zusammengeschlossen, um injahrelanger Arbeit eine erste vollständigeAufnahme der russischen Waldbestände zukartographieren, eine gute Grundlage für wei-tere Waldschutzmaßnahmen.171

Finanzen

Trotz dieser großen Erfolge fehlt GreenpeaceRussland Geld. Auch in absehbarer Zeit wirdGreenpeace nicht ausreichend Spenden ausder Bevölkerung erhalten. Deswegen unter-stützt Greenpeace International die russi-schen Umweltschützer. Greenpeace Deutsch-

land und Greenpeace Russland haben darü-ber hinaus eine besondere Kooperationgeschlossen. Die deutsche Fundraising-Abteilung wirbt seit 1999 um direkte Spen-denpatenschaften für spezielle Projekte vonGreenpeace Russland. Zurzeit (April 2003)gibt es rund 1.800 Russlandpaten. Das Spen-denaufkommen, das direkt den russischenUmweltschützern zugute kommt, pendeltesich zwischen 1999 und 2002 stabil auf unge-fähr 47.500 Euro ein.

Aktuell geförderte Projekte sind zum Bei-spiel das ,Baikal Summer Camp 2002‘, beidem die Ufer von Müll gesäubert werden soll-ten, mit 13.000 Euro.173 Das Projekt gegen denImport von abgebrannten atomaren Brenn-elementen erhielt 41.100 Euro aus Deutsch-land.174 Der Kampf gegen die Produktion, denGebrauch und Vertrieb von POPs (chemischeDauergifte) wird mit 24.650 Euro aus Deutsch-land unterstützt.175

Bürgergesellschaft

Aber die Arbeit von Greenpeace Russland istnicht nur auf den Umweltschutz ausgerich-tet. Sie gilt auch als Beitrag zum Aufbau ei-ner Bürgergesellschaft in dem Nachfolgestaatder ehemaligen Sowjetunion. Die US-ameri-kanische ,Charles Stewart Mott Foundation‘,die sich dem Aufbau von Bürgergesellschaf-ten in Zentral- und Osteuropa verschriebenhat, unterstützt NGOs mit dem Ziel, denNon-Profit-Sektor zu stärken, um ein Bewusst-sein für Bürgerrechte und – verantwortlich-keiten zu schaffen. Auch Greenpeace Russ-land hat 2000 einen Zuschuss in Höhe von 100.000 $ erhalten, „um die Entwicklung desrespektvollen menschlichen Umgangs in Russ-land zu fördern“. 176

Wie wichtig die Stärkung der Bürgerge-sellschaft in Russland ist, zeigt der Umstand,dass dort immer wieder ganze Regionen zuSperrgebieten erklärt und so der Kontrolleunter anderem auch durch Umweltschützer

70 Zwei Beispiele für internationalen Einsatz

171) Atlas of Russia’s inact forest landscapes, Moscow 2002. Siehe auch Greenpeace Magazin, 5/99, Alarm aus dem All, S. 48-56.172) Dokument Greenpeace Deutschland, Fundraising, Stand April 2003.173) Agreement between Greenpeace e.V. Hamburg and Stichting Greenpeace Council, „Baikal Summer Camp 2002”. 174) Agreement between Greenpeace e.V. Hamburg and Stichting Greenpeace Council, „Nuclear fuel importation”.175) Agreement between Greenpeace e.V. Hamburg and Stichting Greenpeace Council, „POPs”.176) http://www.mott.org/publications/websites/annual1999/narrativ.pdf S.16. ©

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2002 säuberten Greenpeacer

in einer internationalen Aktion

die Küsten des Baikalsees.

Page 71: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

entzogen werden. Um Kritiker von Umwelt-verbrechen einzuschüchtern, werden sie – wiezum Beispiel die Militärjournalisten GrigorijPasko und Alexander Nikitin – wegen Spiona-ge und Vaterlandsverrats angeklagt. Beidehatten Umweltvergehen der russischen Mari-ne dokumentiert und veröffentlicht. Nikitinwurde daraufhin der Spionage für Norwegenbeschuldigt und erst nach einem langen Pro-zess freigesprochen, Pasko wegen angeblicherSpionage für Japan zu vier Jahren Haft verur-teilt. Beobachter sprechen inzwischen von ei-ner Spionage-Manie seitens der Staatsschutz-Behörden. Opfer dieses Spionagewahns sindimmer dieselben: Menschen, die sich für dieUmwelt einsetzen und zugleich mit dem Mi-litär oder der Atomwirtschaft zu tun haben.177

Über die Fälle der beiden ehemaligen Mili-tärs Nikitin und Pasko berichteten sowohldas Greenpeace Magazin als auch die Green-peace Online-Redaktion ausführlich.178

Auch gegen Oksana Alexejewa, die inTscheboksary, der Hauptstadt der Tschuwa-schischen Republik in der Wolgaregion, eineUmweltorganisation gegründet hat, ist einVerfahren eingeleitet worden. Sie ist davonüberzeugt, dass dies mit ihrem Einsatz gegendas örtliche Chemiewaffenkombinat zusam-menhängt, in dem über 30 Jahre lang Giftgasproduziert wurde. Alexejewa hatte kurz zuvor

zusammen mit Greenpeace eine Untersu-chung der Umweltschäden in der Umgebungdes Kombinats durchgeführt. Die Ergebnissezeigten, dass sich die Hälfte der Bevölkerungder Tschuwaschischen Republik von verseuch-ten Lebensmitteln aus der Region ernährt.Bis 2007 sollen dort mehr als 30.000 TonnenGiftgas unschädlich gemacht werden. Abernach Überzeugung der Umweltschützerin gibtes bis jetzt kein Sicherheitskonzept, wederfür den Transport noch für die Vernichtung.179

Greenpeace selbst hatte bisher wenigerSchwierigkeiten mit den russischen Autoritä-ten. Der russische Greenpeace-MitarbeiterIwan Blokow sieht den Grund dafür darin,dass „wir einfacher und schneller internatio-nale Aufmerksamkeit erringen können“.Allerdings gab es auch Zwischenfälle. Im ent-legenen Osten Russlands ist der Atom-Cam-paigner Igor Forofontow festgenommen wor-den, weil er Außenaufnahmen eines Atom-kraftwerkes gemacht hatte, was nach russi-schem Recht legal ist. Trotzdem wurde seinFilm zerstört. Und auch der russische Che-mie-Campaigner musste sich während einerRecherche vor der Polizei verstecken. EinGreenpeace-Fotograf und ausländische Jour-nalisten, die ihn begleitet hatten, wurdenvorübergehend festgenommen.180

Zwei Beispiele für internationalen Einsatz 71

177) http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/727.html178) http://www.greenpeace.de/GP_DOK_3P/REDAKTIO/E981113A.HTM179) http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/727.html180) Interview mit Nina Schulz von der Greenpeace Internet-Redaktion am 23. Februar 1999.

Page 72: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

5. Externe Würdigun-gen für Greenpeace

1982

GEO Umwelt-Preis

Bei der Preisverleihung des GEO Umwelt-Preises am 10.12.1982 sagte der GEO-Redak-teur Hermann Schreiber: „Mit ‚GreenpeaceDeutschland e.V.’ will GEO die beharrlichenBemühungen einer Gruppe von ideologischungebundenen, international orientierten Men-schen auszeichnen, die der drohenden Ver-nichtung dieser Welt und ihrer Bewohnerimmer wieder durch einen gewaltlosen Aktzivilen Ungehorsams in den Arm zu fallenversuchen. Ob sie nun gegen Atomtests in Ostund West, gegen die Ausrottung der Wale unddie Abschlachtung von Robbenbabys odergegen die Versenkung so genannter Dünnsäureund radioaktiver Abfälle im Meer tätig werden– nie kämpfen die Greenpeacer gegen lokaleBedrohungen, sondern immer gegen eine glo-bale Gefahr an vielen Orten der Welt gleich-zeitig. (...) Sie agieren dabei zuweilen amRande der Legalität; aber ihre Aktionen zie-len, glaubhaft gemacht durch die Bereitschaftzu äußerster Selbstgefährdung, immer aufdie Veränderung, nicht auf den Bruch einergesetzlichen Bestimmung einer – leider lega-len – Umweltverwüstung. Sie praktizieren zi-vilen Ungehorsam, sie propagieren ihn nicht.GEO würdigt ausdrücklich die Effektivität,mit der Greenpeace Deutschland gemeinsammit Sektionen in neun anderen Ländern seineZiele verfolgt: in genau geplanten, internati-onal abgestimmten Aktionen. Auf diese Weiseist die drohende Zerstörung unseres Plane-ten drastischer und nachhaltiger ins Bewusst-sein einer breiten Öffentlichkeit gebrachtworden, als noch so dramatische Appelle oderdie Schilderung der schieren Fakten dies ver-mocht hätten. Um die Erde zu retten, mussman handeln. Die Greenpeacer tun es.“

1985

Lob von Kurt Biedenkopf

Im Personality-Fragebogen des FAZ-Maga-zins vom 22. März 1985 bezeichnet ProfessorKurt Biedenkopf (CDU) die Greenpeacer alsseine ,Helden der Gegenwart‘.

Gustav-Heinemann Preis

Im Mai 1985 bekommt Greenpeace den mit20.000 DM dotierten Gustav-Heinemann-Bürgerpreis der SPD verliehen. In der Satzungdes Kuratoriums steht: „Freiheit und Ge-rechtigkeit in einem demokratischen und so-zialen Rechtsstaat – das ist die Forderung un-serer Verfassung. Das Lebenswerk Gustav W.Heinemanns war darauf angelegt, das großeAngebot des Grundgesetzes allen Bürgernbewusst zu machen. Mit der Verleihung desPreises sollen Menschen ermutigt werden,diese Forderungen des Grundgesetzes zu er-füllen und in ihrer Haltung und ihren Hand-lungen mehr eigenverantwortliche Mitwir-kung und Mitbestimmung mündiger Bürgerin unserem Staat zu wagen.“

1993Courage-Orden des

Karnevalvereins Bürstadt

Der ,Courage-Orden‘ des Karnevalvereins Bür-stadt (Kreis Bergstraße) ging im Jahr 1993 andie Umweltschutzorganisation Greenpeace.Die Narren begründeten ihre Entscheidungmit dem „Mut, den die Mitglieder bei ihrenweltweiten Aktionen gezeigt haben“.181

1995Martini-Preis für Demokratie

der südpfälzischen SPD

Im November 1995182 erhielt Greenpeaceden Martini-Preis der südpfälzischen SPDaus der Hand des BundestagsabgeordnetenHeinz Schmitt. Der Preis wird an Personenvergeben, die sich um die Demokratie – dasheißt politische Kultur, Aufklärung undWahrhaftigkeit im politischen, gesellschaft-lichen und kulturellen Leben – verdient ge-macht haben.

72 Externe Würdigungen für Greenpeace

181) Zeitungsausschnitt ohne Datum und ohne Ort182) Quelle Zeitungsartikel, aufgehoben von Svenja Koch, die den Preis entgegennahm.

Page 73: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

In der Begründung zur Vergabe des Prei-ses heißt es, dass wirtschaftliche Macht inimmer weniger Händen konzentriert sei undpolitischen Einfluss ausübe. Außerdem seidie Konzentration publizistischer Macht inwenigen großen und teilweise verflochtenenMedienunternehmen eine Gefahr für die De-mokratie, da sie eine wirklich freie und unab-hängige Meinungsbildung behinderten. Da-her brauche man heute Menschen, die sichum den Bestand der Demokratie sorgen, of-fen darüber sprechen und durch ihr Verhal-ten ein Beispiel für demokratische Tugendgeben. Schmitt, Vorsitzender der SPD Süd-pfalz, in seiner Laudatio:

„Für die aufklärerische, mutige und enga-gierte Arbeit, für die Kunst, komplizierte The-men so zu vereinfachen, dass sie in das Be-wusstsein vieler Menschen dringen; aber auchfür die Initiativen in der ökologischen For-schung; nicht zuletzt für das Unternehmen Green-peace, das zum Beispiel einen FCKW-freienKühlschrank marktfähig gemacht und sichnun mit dem Dreiliter-Auto in den Auto-markt einmischt. Diese Arbeit betrachten wirals ein wichtiges Element für die Machtbalancein einem Land, das immer mehr durch dieInteressenpolitik regiert wird. Greenpeace ver-tritt im Gegengewicht zu den etablierten mäch-tigen Interessen die ökologischen Interessen.“

1995

Verleihung der Goldenen Kamera

der Zeitschrift „Hör Zu“

In der Laudatio sagte die Schauspielerin Eve-lyn Hamann über die ,Regenbogenkrieger‘:

„Als Partei hätte diese Umweltschutzor-ganisation die absolute Mehrheit. 61 Prozentaller Deutschen würden ihr ihre Stimme ge-ben. Zwei Drittel würden sie sogar für denFriedensnobelpreis vorschlagen. Seit 25 Jah-ren kämpfen sie engagiert für die Umweltund damit für uns alle, manchmal unter Ein-satz ihres Lebens. Solange es diesen Idealis-mus gibt, ist die Erde nicht verloren.“

Hans Magnus Enzensberger

über die Macht der

Nichtregierungsorganisationen

„Eine Person wie Heinrich Böll war die Ge-genfigur zu Konrad Adenauer. Die Gesellschafthat damals solche Erscheinungen benötigtund hervorgebracht: Autorität und Gegen-Autorität. (...) Wir haben Böll verloren. Aberdafür haben wir Amnesty und Greenpeace.“183

Lob für gesellschaftlichen Druck

Der gesellschaftliche Druck über NGOs wirdoffenbar als eine Art Leistung verstanden,etwa wenn Marlies Flemming als österreichi-sche Umweltministerin sagte: „Ich bedankemich bei Greenpeace, dass wir so beschimpftwerden. Nur so können wir ordentlich Druckauf unsere Regierungen machen, nur, wennwir merken, dass engagierte Bürger hinteruns stehen.“184

Wunsch zur Zusammenarbeit

von Klaus Töpfer

Prof. Dr. Klaus Töpfer bedankte sich anläss-lich seiner Wahl als Exekutivdirektor desUmweltprogramms der Vereinten Nationenfür die freundlichen Glückwünsche von Green-peace: „Angesichts der vielfältigen, schwie-rigen Probleme, denen sich die globale Um-weltpolitik insgesamt und die UNEP im Be-sonderen gegenübersehen, hoffe ich sehr, dassIhre guten Wünsche auch in Erfüllung ge-hen. Mein Wunsch ist dabei, dass ich auchmit Greenpeace weiterhin in konstruktiv-kri-tischer Zusammenarbeit in Kontakt bleibenkann.“185

Anregung von Joschka Fischer

In einer von der Zeitschrift Stern moderier-ten Diskussion riet der Grünen-PolitikerJoschka Fischer den anwesenden Jugend-lichen: „Ich würde mich an euer Stelle inUmweltverbänden, in Umweltinitiativenund Menschenrechtsinitiativen engagieren –etwa bei Amnesty oder Greenpeace, wasauch immer.“186

Externe Würdigungen für Greenpeace 73

183) Spiegel Spezial 11/95, Die Frau gegenüber, S.10. 184) Marianne Beisheim, Nichtregierungsorganisationen und ihre Legitimität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 43/97, 17.10.1997, S. 28.185) Brief von Töpfer an Birgit Radow vom 13.1.1998. 186) Stern, 34/98, S. 74.

Page 74: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

2000

Fundraiser des Jahres

Anlässlich des 7. Deutschen Fundraising-Kon-gresses im April 2000 in Leipzig wurde Ger-hard Wallmeyer, Leiter der Fundraising-Ab-teilung von Greenpeace Deutschland, der Deut-sche Fundraising-Preis verliehen. Wallmeyerwurde für seine Pionierleistungen auf die-sem Gebiet in Deutschland geehrt. Er habe zueiner Enttabuisierung von ursprünglich ausden USA stammenden Fundraising-Metho-den (insbesondere Spenden-Mailings) beige-tragen und ihnen auch hierzulande zum Er-folg verholfen. Sein Engagement für das Fund-raising in Deutschland gehe weit über seinEngagement für Greenpeace hinaus.187

Lob von der Weltbank

Am 1. November 2000 antwortet James D.Wolfensohn188, der Direktor der Weltbank,Rémi Parmentier, dem Chef-Lobbyisten vonGreenpeace, auf Fragen zu einem Weltbank-Projekt im indischen Bundesstaat Gujarat. Esgeht um die Umweltfolgen von Infrastruk-tur-Projekten, die unter anderem mit Gel-dern der Weltbank finanziert werden.

Wolfensohn schreibt: „Greenpeace hateine extrem wichtige Rolle gespielt, als esdarum ging, die öffentliche Aufmerksamkeitauf die Umweltbelange zu lenken und dieÖffentlichkeit dort zu mobilisieren, wo zuwenig nach Alternativen zu verbesserungsfä-higen Plänen und Strategien der Regierun-gen gesucht wird, und diese durchzusetzen.Wir begrüßen diese Rolle und freuen uns,die Arbeit mit Ihnen – in Gujarat undanderswo – fortzusetzen.“

Lob zum Biosafety-Protokoll

Das Biosafety-Protokoll der UN-Konventionzur Biologischen Vielfalt wurde im Januar2000 angenommen. Es regelt den Handel unddie Kontrolle mit gentechnisch manipulier-ten Organismen.

Der kolumbianische Umweltminister JuanMayr Maldonada189, einst Vorsitzender der

UN-Kommisson zur Nachhaltigen Entwick-lung im Jahr 2000 und Verhandlungsführerzum Biosafety-Protokoll, wies im Juli 2000auf einem Symposium zur WTO darauf hin,dass die Arbeit von Gruppen aus der DrittenWelt während der Verhandlungen zum Bio-safety-Protokoll wichtig gewesen sei. Der er-folgreiche Abschluss dieses Protokolls hängeeng mit der Beteiligung der Nichtregierungs-organisationen, der Presse und Industriever-treter hinter den Konferenztüren zusammen.Der Minister strich die Rolle von Greenpeaceheraus, die darin bestanden habe, viele Grup-pen aus der Dritten Welt bei der Teilnahmean den Verhandlungen zu unterstützen.

2001

Bundesverdienstkreuz für Thilo Bode

Am 7. September 2001 erhielt der ehemaligeGreenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode ausder Hand von Bundespräsident Johannes Raudas Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienst-ordens der Bundesrepublik Deutschland we-gen besonderer Verdienste um das Gemein-wohl190. Bode hatte 1989 die Leitung von Green-peace Deutschland übernommen und wurde1995 Geschäftsführer von Greenpeace Inter-national. Diese Funktion übte er bis Anfang2001 aus.

Der Preis wurde von BundespräsidentTheodor Heuss gestiftet und ist „ein sichtba-res Zeichen für die Anerkennung und denDank des Staates an Bürgerinnen und Bür-ger, die sich in besonderer Weise um dasGemeinwohl verdient gemacht haben“.

In der Begründung wies der Bundespräsi-dent auf die Greenpeace-Strategie der ,Kon-frontation und Kooperation‘ hin: „Der Orga-nisation gelang es durch zusätzliche, origi-nelle und schnell zu realisierende Lösungenzu zeigen, dass Wirtschaft und Unterneh-men viele Möglichkeiten haben, auf umwelt-freundliche Produktion und Produkte umzu-steigen.“ Als Beispiele führte er die Präsenta-tion der weltersten Tiefdruckzeitschrift auf

74 Externe Würdigungen für Greenpeace

187) Stiftung und Sponsoring 3/2000, S. 47.188) Brief 189) The Greenpeace International Seminars on Safe trade, Juli 2000, S. 8/9.190) PE vom 7.9.2001

Page 75: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

chlorfreiem Papier, das ,Plagiat‘, und die Ent-wicklung des ersten FCKW/FKW-freien Kühl-schranks an. Weiter sagte Johannes Rau:„Greenpeace hat im vergangenen Jahrzehntwichtige Entwicklungen zum Schutz derUmwelt initiiert und zum Teil auch selbstumgesetzt. Greenpeace hat sich dabei von einer konfrontativen Organisation hin ent-wickelt zu einer Nichtregierungsorganisationmit einem kooperativen Ansatz. Dabei wur-de die wissenschaftliche Kompetenz der Orga-nisation in der Erkenntnis stark ausgebaut,dass die Kritik umweltschädlichen Verhal-tens allein nicht ausreicht, wenn man nichtzugleich auch Wege für ein umweltschonen-des Verhalten aufweist.

Bei internationalen Verhandlungen vonVereinbarungen zum Schutze der Umwelt istGreenpeace (...) zu einem kompetenten undkonstruktiven Partner geworden. Aufsehen-erregende (und wenige kontroverse) Kam-pagnen von Greenpeace International sindnotwendiger Bestandteil der Tätigkeit einerinternationalen Nichtregierungsorganisation,deren Aufgabe es u.a. auch ist, auf skandalö-ses, verantwortungsloses und umweltschädi-gendes Verhalten mächtiger Interessengrup-pen hinzuweisen.“191

Lob von Ole von Beust (CDU)

Der Vorstoß zweier Hamburger CDU-Mitglie-der, Greenpeace die Gemeinnützigkeit aber-kennen zu lassen, sorgte für Unverständnisund Ärger in der Hamburger CDU-Fraktion.,Die Welt‘ schrieb dazu am 21.12.1999: „DieCDU-Politikerin Hermine Hecker und derBürgerschaftsabgeordnete Rolf Harlinghau-sen wollten der UmweltschutzorganisationGreenpeace die Gemeinnützigkeit aberken-nen lassen. (...) Der umweltpolitische Spre-cher der CDU-Fraktion, Hartmut Engels, istüber diesen Vorstoß empört und verärgert.‚Dass sich hier einige Mitglieder als Zensorenaufspielen wollen, hat mich wütend ge-macht’, sagte Engels. Zwar habe ihm die eine

oder andere Aktion auch nicht gefallen, aberdabei gehe es schlicht um Meinungsverschie-denheiten. Schließlich habe die Organisationviel Gutes für den Umweltschutz bewirkt.(...) Er werde in seiner Auffassung gegenüberGreenpeace von Fraktionschef Ole von Beustunterstützt.192

Im April 2001 sprach sich Ole von Beust,der inzwischen Erster Bürgermeister der Han-sestadt Hamburg ist, erneut für die Beibehal-tung der Gemeinnützigkeit aus und machtedamit seine Wertschätzung deutlich. ImHamburger Abendblatt stand dazu:193

„Im Gegensatz zu einigen Länder-Innen-ministern hat sich Hamburgs CDU-Opposi-tionschef Ole von Beust dagegen ausgespro-chen, Greenpeace die Gemeinnützigkeit abzu-sprechen. Obwohl er mit vielen Aktionen –zuletzt beim Castor-Transport nach Gorleben– nicht übereinstimme, habe Greenpeace stetsauf engagierte Weise den Umweltschutzgedan-ken im allgemeinen Bewusstsein verankert,sagte Beust. Selbstverständlich müssten ein-zelne Mitglieder, sollten sie strafbare Hand-lungen begehen, zur Rechenschaft gezogenwerden. Staatliche Sanktionen gegen die Or-ganisation insgesamt aber seien klein kariert."

2002

Das Siegel für umwelt- und

sozialverträgliche Forstwirtschaft

Greenpeace setzt sich seit Jahren für eine öko-logische Waldnutzung ein und fordert, weltweitden Holzeinschlag in Urwäldern zu stoppen.

Verbraucherministerin Renate Künast wiesdie Besucher bei der Eröffnung der Messe,Du und deine Welt‘ am 23. August 2002 inHamburg darauf hin, „dass diese Verbrau-chermesse vor allem eines bietet: Informa-tion. Über viele kleine wichtige Dinge im All-tag, aber auch über die großen Zusam-menhänge. Greenpeace z.B. informiert überdie letzten Regenwälder dieser Erde – undich bin sicher: Dort werden Sie viele spannen-

Externe Würdigungen für Greenpeace 75

191) Begründung für die Verleihung des Verdienstkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Dr. Thilo Bode am 7.9.2001.

192) Die Welt (Hamburg), 21.12.99, Ärger um Greenpeace-Vorstoß in der Hamburger CDU. Der Tagesspiegel, 3.6.01, Wir schätzen Greenpeace. Betrifft: Den Leserbrief „Undemokratisch“ vom 20. Mai 2001.

193) Hamburger Abendblatt/6.4.2001/scho/„Gemeinnützigkeit: Beust bricht Lanze für Greenpeace“.

Page 76: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

de Dinge auch über das globale Klima undseine Veränderungen erfahren dürfen. DieRegenwälder sind einer der wichtigsten undgrößten Schätze unserer Erde. Deshalb: Ach-ten Sie auch beim Holzkauf auf die Kenn-zeichnung. Machen Sie sich die Mühe undübernehmen Sie die Verantwortung dafür,ob für Ihre Gartenstühle wirklich immer einkleines Stück Regenwald fallen muss.“194

Mitte 1996 hatten Greenpeace und andereUmweltverbände ein Gütesiegel präsentiert,das Holz aus ökologischer Waldnutzung kenn-zeichnet. Die wichtigsten Kriterien lauten:Kahlschlag und Monokultur sind verboten.

In der Debatte am 19. April 2002 im Deut-schen Bundestag brachten Parlamentarierin-nen verschiedener Parteien dieses Öko-Siegelzur Sprache.195

Jutta Müller (Völklingen), SPD: „Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit an die-

ser Stelle auf einen Report von Greenpeacelenken, der die Überschrift ‚Etikettenschwin-del in Finnlands Wäldern’ trägt. Ich meine,wir müssen in diesem Zusammenhang (Hal-tung der Bundesregierung zum Waldaktions-plan im Übereinkommen über die biologi-sche Vielfalt anlässlich der 6. Vertragsstaaten-konferenz in Den Haag, A.d.V.) auch über dieQualität von Zertifikaten sprechen. Es gibtmittlerweile Ökolabel für Holz. Sie sollen denVerbraucher darüber aufklären, dass Holzaus nachhaltigem Waldbau zur Produktion ei-nes Stuhls oder eines Blattes Papier verwen-det wurde. Doch der Wettbewerb der unter-schiedlichen Ökolabel ist für den Verbrauchereher verwirrend.“Hildebrecht Braun (Augsburg), FDP:

„Man muss wirklich nicht mit allen Aktio-nen, nicht einmal mit allen Zielsetzungenvon Greenpeace einverstanden sein. Aber der

Einsatz dieser Organisation für die Wälder istin hohem Maße lobenswert. Natürlich hilftdie Blockade eines Schiffes nicht beim Errei-chen des Zieles, die Wälder zu erhalten. Abereine solche Aktion gibt ein Signal, das für je-dermann verständlich ist, dass wir unsere Auf-merksamkeit diesem Thema widmen. WirPolitiker sollten nicht hinter dem Engage-ment der Umweltverbände zurückbleiben.“Eva Bulling-Schröter (PDS):

„Mit Zertifizierungs-Initiativen, mit derUnterstützung von scheinbar nachhaltigenForstmanagementplänen und mit Selbstver-pflichtungen kommunaler Unternehmen, keinTropenholz zu verwenden, wurden hierzulan-de die großen Proteste durch die Kleinarbeitauf Beamten- und NGO-Ebene abgelöst. Green-peace und andere Organisationen versuchennun, eine Zäsur zu machen. Das ist sicherlichsehr gut, denn die Erwartungen in die Klein-arbeit, die ich auf keinen Fall kleinredenmöchte, haben sich leider nicht erfüllt.“Heidemarie Wright (SPD):

„Bereits Anfang der 90er Jahre haben in-ternationale Umweltverbände und NGOserkannt, dass die Etablierung eines Handels-zertifikates für Holz ein Mittel für einen bes-seren Schutz vor Raubbau und für bessereForstwirtschaft sein kann. (...) Gerade jungeLeute, Schulklassen befassen sich oft mit derThematik der Waldzerstörung und der Situa-tion der Urwälder. ,Herr Dr. Ruck‘, rufen sieuns zu: ,Was habt ihr getan‘? Wir müssen die-se Zurufe ernst nehmen. Es ist auch unsereAufgabe, dieses Engagement nicht in der Pro-jektbearbeitung stecken zu lassen, sondernglaubhaft zu vermitteln: Deutsche und inter-nationale Politik übernehmen für den Schutzdes Ökosystems Wald Verantwortung.“

76 Externe Würdigungen für Greenpeace

194) Rede der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Renate Künast anlässlich der Eröffnung der Verbraucher-ausstellung „DU UND DEINE WELT“, 23.8.2002.

195) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. April 2002.

Page 77: Green Peace Hintergrund Ungemein Nuetzlich

Lob des Castor-Einsatzleiters

In einer dpa-Meldung vom 14.11.2002 wurdeder 57-jährige Polizei-Einsatzleiter Hans Rei-me zitiert, der nach dem sechsten Castor-Trans-port in das atomare Zwischenlager Gorleben

den Aktivisten von Greenpeace Respekt zoll-te: „Insbesondere Greenpeace möchte ich fürdie fairen Aktionen danken. Es war immereine Herausforderung.“196

Externe Würdigungen für Greenpeace 77

196) dpa, 14.11.2002, 15:47, Zum Abschluss ein Lob für Greenpeace von Castor-Einsatzleiter Reime.

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Greenpeace e.V., 22745 Hamburg Tel. 040/306 18-0,Fax. 040/306 18-100Email: mail @ greenpeace.de, Politische Vertretung Berlin, Chausseestr. 131, 10115 Berlin

Tel. 030 /30 88 99 - 0, Fax 030/30 88 99-30 Internet: www. greenpeace.de

Greenpeace, das sind drei Jahrzehnte konfrontativer

Kampagnen-Arbeit. Über 30 Jahre, in denen sich die Umwelt-

organisation neben Hunderttausenden von Freunden und

Förderern auch eine Reihe mächtiger Feinde gemacht hat.

Immer wieder gibt es Versuche, Greenpeace den Status der

Gemeinnützigkeit aberkennen zu wollen. Hinter dieser Debatte

steckt der Versuch einiger Politiker, sich „lästiger” Kritiker

zu entledigen, um die eigene Hilfs- und Konzeptlosigkeit zu

kaschieren und Umweltprobleme zu leugnen.

Die Liste der umweltpolitischen Greenpeace-Erfolge ist

dagegen lang. Und in einer repräsentativen Umfrage von April

2003 liegt Greenpeace in Deutschland zusammen mit ADAC

und Polizei auf der Liste der vertrauenswürdigen Institutionen

ganz oben. Greenpeace ist vielleicht manchmal gemein, weil

frech, aber doch ungemein nützlich. Dafür wird es sogar von

denjenigen gelobt, denen man es nicht zutraut: Industrie,

konservative Presse, politische Gegner.