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Magazin Greenpeace Nr. 3 — 2013 GREENPEACE MEMBER 2013, NR. 3 Frankreich: Atomlobby bekommt erste Risse S. 26 Portrat: Öko-Inselbauer Rchart Sowa S. 12 Publc Eye: «Namng and Shamng» als Prnzp S. 14 Schwerpunkt Frankrech ab S. 22 Parsern wrd Bo-Bäuern n den französschen Voralpen S. 52

Greenpeace Schweiz

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!Magazin GreenpeaceNr. 3 — 2013

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— Frankreich: Atomlobby bekommt erste Risse S. 26

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Magazin GreenpeaceNr. 3 — 2013

Das B!enensterben !st längst !n aller Munde. Dass auch "un-ge Austern auf dramat!sche We!se dah!ngeraff t werden, !st wen!ger bekannt. B etroffen !st vor allem Frankre!chs Aus -ternprodukt!on – d!e v!er t-grösste der Welt nach Ch!na, Japan und Südkorea. Se!t 2008 herrscht Alarmst!mmung.

Im April begann ein Massensterben unter den Jungtieren – zuerst in den Lagunen am Mittel-meer, dann an der Atlantikküste. Etwa 40 bis 80 Prozent aller unter einem Jahr alten Tiere ra"te die Todeswelle dahin, in manchen Gebieten sogar alle. Jeden Sommer sterben seither junge Aus-tern, welche die Zuchtbasis für die nächsten Jahre bilden sollten, fast vollständig weg. Die Folgen sind ökologisch wie ökonomisch gravierend. Von den 4800 Betrieben mit ihren 15 000 Mitar-beitern, meist Familienunternehmen, ist bereits jeder vierte in seiner Existenz bedroht. Fo r ts e t z u n g S . 4 8

AUSTERNSTERBEN in Frankreich

F O T O - R E P O R T A G E

B ! l d e r T h o m a s S c h u p p ! s s e r , T e x t B r u n o H e ! n z e r

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Die Mehrheit der Speise&schbestände in den europäischen Meeren ist über-&scht oder kurz davor. Eine grundlegen-de Umgestaltung der EU-Fischerei-politik ist längst überfällig.

Am 30 Mai 2013 haben sich die verschiedenen EU-Staaten dieser Her-ausforderung gestellt und einigten sich nach zähen Verhandlungen auf das Herzstück zur Reform der Gemein-samen Fischereipolitik in Europa.

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Wer in Europa nicht nur mit der Angel, sondern mit einem Kutter im großen Maßstab &schen will, kommt um die sogenannte Gemeinsame EU-Fischerei-politik nicht herum. Unter dem Dach Europas regelt sie, wer wann wo wie viel fangen darf.

Die bisherige Fischereipolitik gilt als gescheitert – sie hatte sich bisher vor allem an den Interessen der Industrie orientiert und die Belange des Meeres-schutzes vernachlässigt. Die Folge: schwindende Fischbestände durch Über-&schung, hohen Beifang und Fang-quoten, umstrittene Fördergelder für

die Grossindustrie – all dies zu Lasten der Meeresumwelt und der kleinen, nachhaltigen Fischer.

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Thilo Maack, Meeresexperte von Greenpeace Deutschland, äussert sich wie folgt über die neue Vernehmlas-sung der EU-Fischereireform: «Immer-hin hat man sich in Brüssel endlich geeinigt, wie sich die europäischen Fischbestände wieder erholen sollen. Angsichts der massiven Über&schung hätten wir uns dennoch strengere Fischereiregeln für Europa gewünscht. Von den ehrgeizigen Parlamentsplä-nen ist bei diesem Kompromiss leider nicht viel übrig geblieben: Beifang darf weiter auf See entsorgt werden und auch mit dem Au(au der Fischbestän-de will man sich länger Zeit lassen, als es nötig wäre. Immer noch ist die Mehrzahl der Speise&schbestände in europäischen Gewässern über&scht oder steht kurz davor. Jetzt kommt es darauf an, wie die EU-Mitgliedsländer die neuen Fischereiregeln umsetzen und Verstöße konsequent verfolgen.»

Ü B E R F I S C H U N G

«Das offene Meer verb!rgt enorme Quellen an unerforschten Re!chtümern.

Zudem hat es ke!ne e!gentl!chen Bes!tzer. D!es !st e!n besonderer Zustand und bedeutet e!ne

mult!laterale Herausforderung.» D e l p h in e B a th o , e h e m a l ig e Um w e l t m in i s te r in d e r f ra n z ö s i s c h e n R e g ie r u n g ,

1 1 . Ap r i l 2 0 1 3

As ia t i s c h e G o u r m e ts in C a n c a l e : We rd e n d ie Au s te r n k n a p p , b l e ib e n a u c h d ie To u r i s te n a u s . I n Fra n k re ic h b a n g t d e s w e g e n b e re i ts je d e r v ie r te Zü c h te r u m s e in e E x i s te n z .

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Magazin GreenpeaceNr. 3 — 2013

Au s te r n z u c h ta n l a g e in B a ie d u M o n t S a in t - M ic h e l : Ne b s t z w e i B a k te r ie n a r te n k ö n n te n a u c h Um w e l t g i f te a u s d e r L a n d w ir ts c h a f t z u m M a s s e n s te r b e n d e r S c h a l e n t ie re fü h re n .

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F O T O - R E P O R T A G E

B i l d o b e n : I m k a l te n Wa s s e r w e rd e n d ie Au s te r n b a b y s in M a s c h e n s ä c k e n a u f S ta h l k o n s t r u k t io n e n z u r Au f z u c h t d ra p ie r t u n d in re g e l m ä s s ig e n Ab s tä n d e n g e w e n d e t ,

d a m i t s ie n ic h t in e in a n d e r wa c h s e n .

G r o s s e s B i l d l in k s : B e i E b b e w e rd e n n e u e S ta h l g e s te l l e fü r d ie Au s te r n z u c h t m o n t ie r t u n d a l te a u s g e b e s s e r t .

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Noch können die Grosshändler die Lücken mit Importen aus Asien schliessen. Das mag die Gourmets trösten, nicht aber die Züchter. Und falls auch die wilden Austern sterben, droht eine Umweltkatastrophe, denn die Mollusken sind nicht nur ein wichtiges Glied in der Nahrungsket-te, sondern reinigen durch ständiges Filtrieren auch das Meerwasser.

D4+ S)33.$+1.$7.'Das Phänomen des Sommersterbens ist nicht neu: Austern verfügen über keine Antikörper, man kann sie nicht impfen oder heilen, sondern nur warten, bis die Infektionen abklingen – oder eben nicht. Dieser Worst Case ist in der fran-zösischen Austernwirtschaft schon zweimal eingetreten, das erste Mal Anfang des 20. Jahr-hunderts. Ostrea edulis heisst die europäische Ursprungsauster, die schon im alten Rom verspeist wurde. Ihre Bestände wurden vor gut hundert Jahren durch den Bonamia-ostreae-Parasiten dezimiert. Heute &ndet man sie noch in typischen Austerndörfern, in Frankreich als huître plate, in England als )at oyster. Nach dem Niedergang der Ostrea edulis wurde verstärkt die portugiesische Sorte Crassostrea angulata gezüchtet. Doch ein Virus in Frankreich rottete diese zwischen 1970 und 1972 aus. Also wurde sie durch die pazi&sche Sorte Crassostrea gigas ersetzt, die heute über 98 Prozent des Markts ausmacht – und nun ebenfalls gefährdet ist.

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Die Hauptursachen des neusten Massensterbens sind die miteinander verwandten Bakterien Vibrio splendidus und Vibrio aesturianus, in ers-ter Linie aber eine aggressive Art eines Herpes-

virus. «Das grosse Problem, dem wir uns stellen müssen, ist ein neuer Erreger. Es ist ein Ab-kömmling des alten Bekannten OsHV-1, wir haben ihn OsHV-1 Microvariant getauft», berich-tet die Biologin Nathalie Cochennec von Ifre-mer, dem französischen Forschungsinstitut für Meeresnutzung. In jeder zweiten Probe von Austerngewebe aus dem Jahr 2008 konnten die Wissenschaftler den Erreger nachweisen. Im Jahr 2009 fand er sich bereits in 96 Prozent der Proben, meist gemeinsam mit den beiden Vib-rio-Bakterienarten.

Warum die jungen Austern von Viren getötet werden, mit denen sie sonst problemlos zusammenleben, ist unklar. Der französische Meeresbiologe Jean-FranÇois Samain sieht den Grund im Klimawandel: «Die steigende Was-sertemperatur stimuliert die Auster zur Repro-duktion. Sie konzentriert ihre Energie darauf, Keimzellen zu produzieren, und wird dadurch geschwächt.» Zudem schliessen Experten nicht aus, dass weitere Faktoren wie Umweltgif-te aus der Landwirtschaft oder Toxine aus Algen eine Rolle spielen. Die US-Forscher ver-muten, dass auch übersäuerte Meere zum Sterben beitragen.

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Ho"nungsvoll stimmt, dass einige Austern resis-tent sind gegen den neuen Erreger. Gelänge es, diese widerstandsfähigen Tiere zu identi&zieren und zu züchten, könnten sie die Basis bilden für neue Bestände. Auf dieses Ziel arbeiten nicht nur das Ifremer, sondern auch die vier grössten Austernlarven züchter des Landes hin. Einer von ihnen, Frédéric Chenier, sammelt wilde Aus-tern von den rausten Küsten der Bretagne. «Das sind die Kräftigsten. Daraus züchte ich einen Stamm, setze ihn den Erregern aus und mit den Überlebenden setze ich die Zucht fort. Wenn alles klappt, sind sie 2015 auf dem Markt.»

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Ob diese Strategie auf lange Sicht aufgeht, ist aber fraglich. Denn die tiefer liegenden Proble-me – Übersäuerung, Erwärmung und Ver-schmutzung der Ozeane – sind damit nicht gelöst.

Zü c h te r in B a ie d u M o n t S a in t - M ic h e l : D ie E r f o l g e b l e ib e n a u s , d ie Z ig a re tte n p a u s e n w e rd e n l ä n g e r. I n Fra n k re ic h s in d r u n d 1 5  0 0 0 Ar b e i t n e h m e r v o n d e n Au s te r n a b h ä n g ig.

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