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GREGOR A.GREGORIUS - The Eyethe-eye.eu/public/Books/Temple_Of_Solomon_The_King... · 2011. 6. 9. · GREGOR A.GREGORIUS. EINFÜHRUNG. VORWORT Die Kultur macht heute eine Fülle von

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  • Diese Schrift wird in begrenzter Anzahl gedruckt.Sie ist einerseits nur für eingeweihte Logenschulenbestimmt, andererseits nur für ernsthaft studie-rende Okkultisten und Forscher.

    Für die Befolgung der angegebenen Weisungentragt der Schüler selbst voll und ganz die Verant-wortung für sein Karma.

    Dem Wissenden gilt keine Grenze.

    G R E G O R A . G R E G O R I U S

  • EINFÜHRUNG

  • VORWORT

    Die Kultur macht heute eine Fülle von Krisen aufeinmal durch. Während die soziale Struktur derMenschenwelt bis in die letzten Fu^en erbebt, undniemand von uns sicher davor ist, selbst von demtosenden Strudel der Ereignisse auch noch nach über-standenem Weltkrieg mitvernichtet zu werden, erhebensich ebenso auf rein geistigem Gebiet Zeichen, -wie dieeines Weltunterganges. Ueber der wissenschaftlichenGesamtweltanschauung der Neuzeit leuchtet bereitsdas Abendrot. Alles wandelt sich. Die wissenschaft-liche Arbeit der letzten drei Jahrhunderte hat sich alseinseitig und unvollständig herausgestellt- Sie ging'aus vom Studium der Bewegungsvorgänge in derNatur: Copernicus, Kepler, Galilei und Newton habensie begonnen. Aber die Bewegungsvorgänge dertoten Natur, welche sie studierten, sind nur ein Teildes Weltgeschehens, der unmöglich als Repräsentantdes ganzen Geschehens gelten kann.

    Die Erweiterung des geistigen Horizontes, die Berück-sichtigung noch anderer Teile der Wirklichkeit hatbereits tiefgreifende Veränderungen des mechanischen

  • Weltbildes zur Folge gehabt. Schon auf dem Gebietder toten Natur führt sie zu Umgestaltungen, — esgenügt an den Zerfall der Elemente und das Relativi-tätsprinzip zu erinnern - noch viel grundsätzlicheraber sind die Veränderungen, die die Einbeziehungdes Psychischen und der Organismenwelt für die Welt-anschauung zur Folge hat/'

    Diese Abschnitte aus der Einleitung Oesterreichs zuseinem Werk: „Der Okkultismus im modernen Welt-bild" dürfen mit Fug und Recht wegen ihrer prägnantenCharakterisierung der metaphysischen Struktur dersich langsam neu bildenden Weltanschauung- der Zu-kun f t das Vorwort auch dieser kleinen Schrift er-öffnen.

    In der Tat wären vor dem Weltkriege — in der deut-schen Literatur wenigstens — Bücher über praktischeAlchymie ein Unding gewesen. Was dann die Nach-kriegsjahre, gleichsam als Entschädigung, an Bro-schüren Über Alchymie brachten, hatte, wie FriedrichSchwickert witzig sagte, mit Alchymie meist nur den„alchymistischen Schwefel" gemeinsam.

    Da positive Kenntnisse fehlten, arbeitete man inpseudowissenschaftlicher Weise mit theosophischenAllegorien und ähnlichen Phantastereien, so daß esden Anschein hatte, als ob die Alchymie — wie schonso oft im Laufe ihrer Geschichte - wieder einmal derTummelplatz von Narren und Hochstaplern werdensollte.

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  • Während also einerseits die exakte Wissenschaft, z. B.hinsichtlich der Atomzertrürmnerung und der Trans-mutationsmöglichkeit der Elemente, uralte Spekulati-onen der wahren Alchymie neu „entdeckt", bestehtanderseits die Gefahr, daß gerade die Gebildetendurch die Albernheiten der falschen Alchymie vonder theoretischen und praktischen Durchforschungdieses so wunderbar interessanten Gebietes abgehaltenwerden.

    An dieser geistigen Zeitenwende erscheint das vor-liegende Buch. Es möchte versuchen, Wegweiser zusein in einem Labyrinthe, dessen innerste Windungenauch nach mehr als zweitausendjähriger Forschungnoch in geheimnisvollem Dunkel liegen. Es möchtenicht die Sisyphus-Arbeit des Ueberzeugen-Wollensunternehmen; vielmehr wendet es sich an die, welchebereits in der Alchymie mehr als einen mittelalter-lichen Aberglauben sehen.

    Das Buch erhebt auch keinen Anspruch auf Origina-lität; denn sie ist stets verdächtig, wenn das Mühenzahlloser Generationen, in gewaltigstem Ausmaße fest-gelegt, erst zum kleinsten Teile verarbeitet ist.

    Der Kenner der Fachliteratur weiß, daß dies in derTat die Sachlage ist. Die Geschichtswerke vonSchinieder, Kopp und Lippmann bringen Bibliogra-phien, die nicht nur zum Teil veraltet sind, sondernschon deshalb unvollständig sein müssen, weil vieleOriginale verloren gingen oder noch in Bibliothekenschlummern. Und wer die alchymistische Literatur

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  • selbst studiert hat, der weiß, wie viel oder wie wenigmit diesen meist absichtlich dunkel gehaltenen Hin-weisen anzufangen ist. Jedes Buch enthält unter vielSpreu ein Goldkorn und nur die Summe der durchumfassende Forschungen allein zu gewinnenden Ar-beitsvorschriften ermöglicht ein Experimentieren aufwissenschaftlicher Grundlage,

    In den folgenden Blättern werden daher nach einereinleitenden Einführung in die I d e e d e r A l c h y -mie nur solche Anweisungen gegeben werden, dieohne geheimnistuerisc'he Allegorik verständlich undmit einfachen Hilfsmitteln wirklich ausführbar sind.R e z e p t e a u s d e r P r a x i s f ü r d i e P r a x i s .

    Wenn auf Grund dieserAnlage der vorliegende lO.Briefder bei allen Geheimwissenschaftlern bekanntenSammlung der „ M a g i s c h e n B r i e f e " auch nurzur Klärung der Vorfragen, zum erleichterten Studiunider hermetischen Klassiker und zur kritischen Nach-prüfung der alten metachemischen Rezepte beiträgt, sohat er seinen Zweck erfüllt.

    B e r l i n , den l. J a n u a r 1950.

    H a n s E r m e n d o r f f .

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  • EINLEITUNG

    D ieser Band der Magischen Briefe will versuchen,den suchenden und forschenden Schuler in dieElemente der spagyrischen Chemie einzuführen. In derPraxis der Geheimwissenschaft spielt sie eine so wich-tige Rolle, daß die Kenntnis wenigstens ihrer Elementeunentbehrlich ist. Es ist nicht gleichgültig, wie man dieverschiedenen Essenzen, Tinkturen, Räucherungen,Philtren, sympathetischen Mittel, Aphrodisiaka undAnaphrodisiaka usw. bereitet, die in der zeremoniellenund praktischen Magie so große Bedeutung haben.Denn ein an sich sehr gutes und bewährtes Rezeptkann praktisch wertlos sein, wenn die verborgene Dy-namik, das innere Leben der Bestandteile nicht ge-weckt wird. Diese Dynamisierung der latenten Poten-zen der Materie kann nur durch spagyrische Verfahrengeschehen. Allerdings ist zu bemerken, daß die modernebzw. offizielle Chemie mit Magie wenig zu tun hat.

    Wie wichtig diese Chemie für Wissenschaft und Tech-nik auch immer sein mag, deren Kenntnis auch für denSpagyriker eine conditio sine qua non ist, so sehen dochdie Spagyriker darin nur das Studium der materiellen

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  • Hüllen — „Cortices" nennen sie die Kabbalisten — dieWissenschaft des allgemeinen Caput mortumn.

    Heute rechnet der Chemiker im allgemeinen nur mitder t o t e n Materie, wenigstens arbeitet er mit derFiktion, daß sie tot wäre. Das Leben, die Seele, diegestaltenden und beseelenden Kräfte der Dinge mußer notwendig ignorieren. So beobachtet z. B. der Mine-raloge die Phänomene der Kristallisation; er erforschtdie geometrischen Formen der verschiedenen Kristalleund die Umstände, bei denen sie entstehen; aber dasinnere Agens, das die wahre Ursache ist, das latenteLeben, die mineralische Seele, entzieht sich seiner For-schung.

    Ein wertvoller Besitz der Hermetiker ist das tiefereWissen um das Leben in allen seinen Stufen und Er-scheinungsformen. Sie studieren die Materie in ihrerGeburt; einmal erzeugt, wird sie mit großer Vorsichtals l e b e n d behandelt, um sie nicht durch unrichtigeBehandlung zu töten. Sie kennen und benutzen dieverborgenen Kräfte und latenten Zustände der Materie,Kräfte und Zustände, die, wie gesagt, der offiziellenChemie unbekannt sein müssen.

    Man suche in diesem Buch nicht das Geheimnis derKöniglichen Kunst, das Elixier des Goldes und desewigen Lebens; denn das Große Arkanum des Werkesder Sonne ist unübertragbar. Wenn eine Enthüllungdieses Geheimnisses möglich wäre, so würde dies dieErarbeitung des Steins noch lange nicht ermöglichen.

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  • Doch die Enthüllung dieses Geheimnisses wäre auchvollkommen zwecklos, denn Jede tiefe Erkenntnis istpersönlich, und niemand wird sie anders als durch sichselbst erreichen. Die verschleierte Isis ist nicht -beiden Kupplern käuflich. Sie gibt sich im Innersten desMysteriums dem, den sie durch Prüfung erwählt hat.

    Es werde hier niemand zum Suchen dieses Geheim-nisses ermutigt. Der Weg ist schwer und lang und ihnzu finden ist nicht Jedem beschieden. Es sind aberauch praktische Seiten der Alchymie vorhanden, diezwar nicht leicht, aber immerhin erreichbar sind; zuihnen will dieses Buch den Weg bahnen. Doch darfman nicht vergessen, daß man dabei, wenn auch ein-fache, so doch Alchymie treibt und damit auch denungemein wichtigen Grundsatz nicht außer Acht lassendarf;

    „Wenn du nicht den Körpern ihren körperlichen Zu-stand nimmst, und wenn du die körperlichen Substan-zen nicht in Körper umbildest, so wirst du nicht er-reichen, was du erwartest."

    jede Magie beruht auf diesem Grundsatz, und auchAlchymie ist Magie.

    Denn was ist Magie?

    Magie ist die Kunst, die Zusammenhänge zwischen dersichtbaren und unsichtbaren Welt zu einem bestimmtenZweck zu benutzen.

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  • So einfach die in diesem Buch beschriebenen Operatio-nen auch sind., sie sind doch magischer Art, denn siewirken aufs Unsichtbare, Körperlose.Alchymie ist Metaphysik der Chemie; einfacher:Metachemie.

    Dieses Buch ist gemäß den Prinzipien der hermeti-schen Wissenschaften dreigeteilt.

    Im ersten Teil, der THEORIE, werden kurz die grund-legenden Gedanken der hermetischen Philosophie skiz-ziert; kurz deshalb, weil dieser Teil des alchymistischenWissensgebiets in der einschlägigen Literatur ausführ-lich behandelt wird. (Siehe Literaturnachweis.)

    Dagegen wurde im zweiten Teil der PRAXIS ein brei-ter Raum gewidmet, da über diese fast nie geschriebenworden ist.

    Der dritte Teil, die ANWENDUNG, bringt verschiedeneRezepte und Vorschriften.

    Bei dieser Arbeit wurden hauptsächlich benutzt dieWerke des alten Meisters Rupescissa und die seinesmodernen Schülers G. Phaneg, die über die Praxis rela-tiv am klarsten berichten.

    Nun begrüßen wir unsere Schüler im Zeichen der Hei-ligen Wissenschaft und geben ihnen als Geleit, Weg-weiser und höchstes Gesetz die unsterblichen Worteunseres Meisters und königlichen Vaters:

    DIE TABULA SMARAGDINA DES HERMESTRISMEGISTOS.

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  • VERBA SECRETORUM HERMETISVERUM SINE MENDACIO, CERTUM ET VERISSI-MUM: QÜOD EST INFERIÜS, EST SICUT QUOD ESTSÜPERIUS, ET QUOD EST SUPERIUS, EST SICÜTQUOD EST INFERIUS, AD PERPETRANDA MIRA-CULA REI UNIUS.

    ET SICUT OMNES RES FUERUNT AB UNO, MEDI-ATIONE UNIUS, SIC OMNES RES NATAE FUERUNTAB HAC UNA RE, ADAPTATIONE.

    PATER EIUS EST SOL, MATER EIUS LUNA; POR-TAVIT ILLUD VENTUS IN VENTRE SUO; NUTRIXEIUS TERRA EST.

    PATER OMNIS TELESMI TOTIUS MUNDI EST HIC.

    VIS EIUS INTEGRA EST. SI VERSA FUERIT INTERRAM.

    SEPARABIS TERRAM AB IGNE, SUBTILE ASPISSO, SUAVITER, CUM MAGNO INGENIO.

    ASCENDIT A TERRA IN COELUM. ITERUMQUEDESCENDIT IN TERRAM ET RECIPIT VIM SÜPERI-ORUM ET INFERIORÜM.

    SIC HABEBIS GLORIAM TOTIUS MUNDI. IDEOFUGIET A TE OMNIS OBSCURITAS.

    HIC EST TOTIUS FORTITUDINIS FORTITUDOFORTIS; QUIA VINCET OMNEM REM SUBTILEM,OMNEMQUE SOLIDA PENETRABIT.

    Magische Briefe X. I 17

  • diese Weltanschauung laßt sich in noch ältere Zeiten zurückver-folgen. In neuester Zeit hat Dr. Liedtke in der Saturn-Gnosis.Band 6 nachgewiesen, daß sich die kosmologisAen Vorstellun-gen und die alchymistisciien Vorschriften der Tabula Smaragdinabereits in» altägyptischen Schrifttum S a t z f ü r S a t z nach-weisen lassen. Die U r f o r m d e r T a b u l a S m a r a g d i n ai s t d e r P y r a m i d e n t e x t 211 ff. Die Tabula Smaragdinaist damit als uraltes Wissensgut erwiesen, als ein wahrer Schlüsselzum All. Ihre Gedanken findet man wieder in den hellenistischenMysterienreligionen, die schon in ihrer Sprache mit den alchy-mistischen Kunstausdrücken übereinstimmen (Reitzenstein), manfindet sie in der christlichen wie in der mohammedanischen Gnosis,in mannigfacher religiöser und philosophischer Verbrämung innen Texten des Mittelalters (F. Maack), ja sogar im chinesischen„Tao".

    Es muß dem Leser überlassen bleiben, sich in das eine oder andereGebiet selbständig hineinzuarbeiten, JC nach Vorkenntnissen, Be-gabung und Liebhaberei. Das am Schlüsse des Buches beigefügteLiteraturverzeichnis wird dabei gute Dienste leisten können. Ausder ungeheuren Literatur der Originalwerke konnte natürlich nurein Auszug gegeben werden; gewöhnlich ist die älteste bzw. diebeste Ausgabe angezeigt, ferner moderne, leicht zuerstellende Neu-drucke. Wer fiir umfassende historische Studien die veraltetenAngaben der Werke von Schmieder und Kopp benutzt, kann siein vieler Hinsicht durch die Angaben von John Ferguson in seiner„Bibliotheca Chemica", Glasgow 1906, ergänzen. Dieses zweibändigeNachschlagewerk ist nicht nur „a catalogue of alchemical. chemicaland pharmaceutical books", sondern bringt auch Biographien dereinzelnen Alchymisten sowie Literatur über sie.

    D e r V e r l a g

  • THEORIE

  • Nach den Theorien der Hermetiker schuf Gott dieNatur aus dem Nichts, das heißt, aus der meta-physischen, immateriellen Substanz seiner Wesenheit.Die Welt wurde aus einem nebelartigen Dampf ge-formt, der sich zu einem chaotischen Wasser konden-sierte. Dieses Wasser barg einen unsichtbaren Geistin sich, das unerschaffene Feuer, das, auf dieses wir-kend, das Universum bildete.

    Alles ist in Allem, dieser Geist ist in allen Dingen derNatur verteilt, die aus ihm geboren sind und nach ihrerAuflösung sämtlich in ihn zurückkehren.

    Im Anfang war dieses universale chaotische Wasserkristallinisch, klar, durchsichtig, und ohne Bewegung;alle Elemente waren darin vermischt. Infolge des darinenthaltenen unsichtbaren Geistes bzw. durch dessenWirkung begann es aber bald zu garen, wurde trüb,gebar eine Erde und verweste.

    Dann wurden die subtilen Teile von den gröberen nachGraden gesondert. Die subtilsten bildeten den Him-mel oder das Feuer; darauf folgte die Luft, das Wasser,die Frde. Aber diese vier Elemente unterscheiden sichnur nach ihrem größeren oder geringeren Subtilitäts-

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  • grad; es ist stets die gleiche Materia Prima, die sichunter der Einwirkung des zeugenden Feuers sozusagenklassifizierte. Jede dieser Formen des Ürelementsemaniert dauernd eine sementielle Kraft, und aus die-sen vereinigten Kräften wird ein Wasser von gleicherNatur wie das chaotische Wasser geboren, dem allesPhysische entstammt. Dies ist die Erschaffung derzweiten Welt, der astralen Ebene. (Diese Bezeichnungist dem paracelsischen Sprachgebrauch entnommen undentspricht der kabbalistischen „Jezirah"-Welt; sie istnicht identisch mit dem ähnlichen theosophischen Aus-druck.)

    Die Emanationen des Himmels, der Luft, des Wassersund der Erde zeugen durch ihre Vereinigung den SemenMundi, den universalen Samen. Der Himmel wirktzuerst auf die Luft; das Wasser auf die Erde, aus ihrerVereinigung wird endlich das zweite chaotische Wasser(der Astral-Plan) geboren, aus dem alle physischenDinge stammen, erhalten, zerstört und wiedergeborenwerden. Der Himmel und die Luft sind also die akti-ven, das Wasser und die Erde die passiven Bestandteileder primordialen Substanz.

    Das Feuer wirkt auf die Elemente auf verschiedeneWeise ein. Je subtiler die Materie, desto schneller er-hält sie die Impulsion des Feuers. Das Feuer (Element)als das höchste und beweglichste wird also als erstes inBewegung gesetzt; dann wirkt es auf die Luft, diese aufdas Wasser und das letzte endlich auf das gröbste vonallem, auf die Erde.

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  • Untersuchen wir naher, wie sich diese Wirkung offen-bart. — Nach der Separation des universalen Chaos(des Tohu-wa-Bohu der Genesis) ist der Aether, dasFeuer, zum subtilsten und höchsten Wesen geworden.Es ist das erste Agens, der Vater aller Dinge, der männ-liche Samen.

    Das Feuer als das beweglichste der Elemente erhitztesich infolge der dauernden Bewegung, entzündete sichund emanierte alles, was es zur Erhaltung seiner We-senheit nicht mehr benötigte. Diese Emanationen sin-ken bis zur nächsttieferen Sphäre, zur Luft (als demgasförmigen Prinzip) und, da sie dort eine weder zudichte noch zu subtile Materie vorfinden, werden sieangezogen, mischen und koagulieren sich mit den sub-tilsten Teilen und zirkulieren, bis sie sich, vereinigt,den niederen Emanationen nähern können. Durchdiese ständigen Emanationen verliert aber der Aethernichts von seiner Kraft; die emanierten Partikel wer-den aus den subtileren Dämpfen der Luft ersetzt. Dasnötige Quantum wird absorbiert, assimiliert, das üeber-flüssige ausgeschieden.

    Die nächste, weniger subtile Materie, die Luft, sam-melt und kondensiert diese Partikel, wobei dieunbrauchbaren zu einem Tau gelöst werden. Dieserfällt wieder zur niedrigeren Materie, zum Wasser. DasWasser sondert nun die dichtesten Partikel ab undüberläßt sie der Erde, welche sie sammelt, die über-flüssigen wieder zu Dampf auflöst, der zur Luft steigt,und so weiter ad infinitum.

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  • Erst bei Beobachtung dieser Vorgänge verstehen wirdas „Superior et Inferior Hermetis", die Aurea CatenaHomeri und den Annulus Platonis. — So ist also dieMaterie eins in ihrem Prinzip und eins in ihren irdi-schen Manifestationen. Alle Dinge haben in ihr ihrenUrsprung und kehren zu ihr zurück. Alle irdischenWesen besitzen also eine Seele, die vom Chaos stammt,einen vom regenerierten Chaos kommenden Astralkör-per und einen von der Erde gebildeten physischenKörper.

    Die vorhergehenden Theorien beziehen sich auf diezwei ersten Welten; die Charaktere der Elemente undZustände der Materie auf dem physischen Plan be-schreibt Agrippa wie folgt:

    „Alle Körper sind nicht durch Anhäufung, sonderndurch innige Verbindung zusammengesetzt, das heißt,die verschiedenen Zustände der Materie in einem Kör-per sind nicht übereinander geschichtet, sondern siedurchdringen sich. Alle Zustände der Materie sind in-einander verwandelbar. Die feste Materie kann durchDissolution in Flüssigkeit und diese wieder durchWärme in Gas verwandelt werden. Aus dem überhitz-ten gasförmigen Zustand bildet sich die Aggregatstufeder strahlenden oder ätherischen Materie, doch dadiese erloschen, das heißt einer inneratomistischenTransformation unterworfen ist, kehrt sie zum gas-förmigen. nachher zum flüssigen und festen Zustandzurück.

    Jeder materielle Zustand hat zwei spezifische Eigen-

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  • schaften, von denen die erste seine eigene, die zweitedas Bindeglied zum nächsten Zustand ist.

    In strahlendem Zustand ist die Materie warm undtrocken und besitzt die Eigenschaft des Feuers, dasLicht.

    Die feste Materie ist trocken und kalt. Sie hat dieEigenschaften der Erde, die Festigkeit und die Härte.Die flüssige Materie ist kalt und feucht und hat damitdie Eigenschaft des Wassers, nämlich die Beweglichkeit.Die gasförmige Materie endlich ist feucht und warmund wie die Luft durchsichtig."

    Durch diese verschiedenen Eigenschaften ist Jeder Zu-stand der Materie einem anderen entgegengesetzt.Plato gibt dem strahlenden Zustand drei Eigenschaften:Die Subtilitat, das Maximum der vibratorischen Be-wegung und die Helligkeit; dem festen Zustand dieDichtigkeit, das Minimum der vibratorischen Bewegungund die Dunkelheit; dem gasförmigen Zustand zweivom strahlenden geliehene Eigenschaften, die Subtili-tat und das Maximum der vibratorischen Bewegung;dem flüssigen Zustand zwei Eigenschaften des festen,nämlich die Dunkelheit und die Dichtigkeit und außer-dem eine des strahlenden Zustands: Das Maximum dervibratorischen Bewegung.

    Diese Kenntnis der Zustände der Materie und ihrerWechselbeziehungen ist für die Spagyrik von größterWichtigkeit. Die alten Hermetiker, die man bisherrecht gering schätzte, besaßen ohne Zweifel tiefes

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  • Wissen um manche Zustände der Materie, das heutefast völlig verloren gegangen und nur zum kleinstenTeil wiedergefunden worden ist. Man lese z. B. dieseBeschreibung vom Aether, die von Dionysios vonApollonia,1) einem antiken Meister der Hermetik,stammt:

    „Der Aether wirkt in Allem und durch Alles. Er ist inallem leuchtend und zugleich verborgen und unbe-kannt: an und für sich, wenn er mit keiner Materie inBerührung kommt, an der er seine spezifische Aktivitätoffenbart, ist er unsichtbar und unbegrenzt. Er istmächtig in seiner Wirkung, beweglich, er ergreift allesin seine Nähe kommende, er erneuert, ist ein Wächterder Natur, erleuchtend, hell, zurückstrahlend, nachoben strebend, scharf vordringend, stets in Bewegung,aus sich selbst in verborgener Weise hervorwachsend,aktiver Natur, überall unsichtbar gegenwärtig, unfaß-bar und mannigfaltig."

    Dies waren die Lehren der alten Philosophen über dieErschaffung des Kosmos und den Ursprung der Materie.Man wird darin leicht die okkulte Doktrin der dreiWelten erkennen; das göttliche, das astrale und dasphysische Reich oder die Ebenen der Prinzipien, derGesetze und der Tatsachen.

    Wir kommen nun zur Putrefaktion, die sich direkt andie Ideen der Hermetiker anschließt- sie kannten und

    *) Vgl. über Dionysius von Apollonia, den genialen Physiker undArzt; Diels, Fragmente der Vorsokratiker, Berlin 1906, Bd. I, Frag-ment 2. Wilh. Nestle, Die Vorsokratiker. Jena 1908, S. 156 ff.

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  • benutzten den „Kunstgriff der Natur", die Körper durchdie Putrefaktion zu vernichten und zu regenerieren.Dieses außerordentlich wichtige Faktum wird auch füralle spateren Ueberlegungen von größter Bedeutungsein.

    Alle alten Hermetiker folgen nur den Gesetzen derspagyrischen Wissenschaft, wenn sie die vorherige Pu-trefaktion — von ihnen „Clavis Naturae" genannt —empfehlen. Freilich ist heute eine solche Putrefaktionwegen ihrer Langwierigkeit schwer durchzuführen;daruni besitzen auch die meisten pharmazeutischenProdukte nicht entfernt die innere Dynamik der spagy-risch bereiteten Elixiere. Eine kurze Zusammenfassungiiber das Wesen der Putrefaktion könnte folgender-maßen lauten:

    In reinem Zustand ist der Aether unverderblich; dochverwest er alsbald nach seiner Mischung mit den Ele-menten, um in den unteren (in der mineralischen, vege-tabilischen und animalischen Materie) seinesgleichenzu schaffen. Die materiellen Körper können ohne Putre-faktion weder geboren noch vernichtet werden. IhrPutrefaktionsvermögen ist sehr groß bei den Anima-lien, kleiner bei den Vegetabilien und kaum merkbarbei den Mineralien.

    Durch die Putrefaktion werden die Mineralien zuPflanzen, diese zu Tieren. Sie verwandelt das Feste inFlüssiges, dieses in ein Gas, das Gas in einen Aetherund umgekehrt. Bei Jeder Putrefaktion ist ein Agenswirksam das man als Dissoziationskraft bezeichnen

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  • könnte; sie sondert das Reine vom Unreinen, verbindetund koaguliert die Molekühle bis zur Vollkommenheit;darauf putrefiziert sie diese, löst und sondert sie.Dieses Agens ist also der Schöpfer, Erhalter, Zerstörerund Wiederhersteller aller Dinge.

    Im Prinzip ist er unsichtbar und unfühlbar; steigt eraber in einen Körper hinab, so materialisiert er sichzum Teil. Dann wird er sichtbar und fühlbar und er-scheint in Form einer schneeweißen, kristallinischen,durchscheinenden Masse. Nach Phaneg ist er kalt undin großen Mengen explosiv. „Er ist die Ursache derErdbeben — sagt ein alter Hermetiker — er ist in allenWesen verbreitet und der Lebensspender aller Dinge.£r ist das nie ruhende Prinzip der Geburt, der Zerstö-rung und der Wiederherstellung."

    Riplaeus definiert die Putrefaktion als den Tod derKörper, die sie zur Korruption führt und zur Zeugungbefähigt. Die Putrefaktion wird durch die innereWärme der Körper bewirkt, die ihrerseits kontinuier-lich, unabhängig von einer von außen wirkendenWärme besteht. Man muß also bei der Anwendungäußerlicher Wärme sehr vorsichtig sein, da sonst beiUeberschreitung einer gewissen Maximaltemperaturdie Materie, statt schwarz zu werden, zu einer trocke-nen, rötlichen Asche wird.

    Die Putrefaktion folgt gewöhnlich der Solution undwird oft mit der Digestion und Zirkulation verwech-selt. Man betrachtet gewöhnlich die Putrefaktion alsden vierten Grad des großen Werkes, obwohl sie der

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  • erste ist. „Aber die Ordnung und das Mysterium ver-langen es, daß man ihr diesen Platz gebe", sagt Para-celsus. „Sie ist von wenigen gekannt; und diese Grade*',fügt er im VII. Buche der Natura Rerum hinzu,„müssen einander wie die Ringe einer Kette, wie dieSprossen einer Leiter folgen; wenn man eine übergeht,wird das Werk unterbrochen und der Gefangene ent-flieht. Damit ist das Werk mißlungen."

    „Die Putrefaktion schafft einen neuen Körper; allesLebende stirbt, alles Tote wird zu neuem Leben er-weckt. Die Putrefaktion nimmt den Salzen jede korro-sive Schärfe, sie läßt das Reine aufsteigen und schlägtdas Unreine nieder. Die physische Putrefaktion einesKörpers ist die Purgation der Radialfeuchtigkeit, desAstralkörpers, durch die natürliche und spontane Fer-mentation der reinen und homogenen Prinzipien mitden unreinen und heterogenen."

    Wenn man also auf einen Körper wirken will, so mußman ihn zunächst putrefizieren. So wird er geöffnetund einer Verwandlung, einer Evolution, ausgesetzt,weil das der Weg ist, den die Natur selbst verfolgt.

    Wir kommen nun, einigen alten Hermetikern folgend,zu drei symbolisch-philosophischen Experimenten, dieder Demonstration der besprochenen spagyrischenTheorien dienen. Obwohl ausführbar, erheben sie kei-nen Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit undsollen nur in allegorischer Form drei hermetischeMaximen veranschaulichen.

    Magisch« Briefe. X. 33

  • Das erste ist, daß die Natur Körper stets unter Berück-sichtigung ihres Subtilitätsgrades mischt.

    Das zweite, wichtigste Experiment zeigt, daß im Taualle Elemente und die drei Reiche der Natur enthaltensind.

    Durch das dritte Experiment wird die sichtbare Formder Anima Mundi dargestellt, wie sie auf der physi-schen Ebene auftritt.

    Auf dieses Mysterium wird auch in dem TetragrammI. N. R. I. angespielt, und umgekehrt ist auch diesesdritte Experiment nur ein Symbol des Großen Arka-nums von der dritten Stufe der hermetischen Ein-weihung.

    Erstes Experiment.

    Nimm Erde, wirf sie in Wasser und zerreibe sie gut;lasse dann die zwei Substanzen zusammen ruhen. Diegröberen Erdteilchen schlagen sich nieder und dasWasser nimmt die subtilsten Teile, das Salz, das Binde-glied zwischen Geist und Körper dieser Erde, denAstralkörper, an sich.

    Wenn nun die groben Teile der Erde weggenommenwerden, kann das Wasser nicht mehr auf den Rest derErde wirken, da es zu schwach geworden ist. Man mußalso diese schwächere Erde, die es noch enthält, durcheine Destillation zu Wasser reduzieren. Dann erhältdas Wasser wieder die Kraft, aus dem Rest der Erde

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  • die subtilen Partikel von den gröberen zu trennen, siezu wiederum auf die Erde wirkendem Wasser zu redu-zieren, und so fort ad infinitum.

    Zweites Experiment.

    Nimm Tau, Regen, Schnee, Reif oder Eis. Am bestennimmst du Regenwasser, besonders wenn es geblitztund gedonnert hat. Tue es in ein reines Holxgefaß undfiltriere es. Du hast dann ein kristallklares, durch-sichtiges Wasser, das keinen besonderen Geschmackhat und dem Brunnenwasser ähnelt. Stelle es an einenbedeckten lauwarmen Ort, so daß weder Sonne nochMond. weder Wind noch Regen es erreichen können.Decke es zu, lasse es in diesem Zustand einen Monatlang, ohne es zu berühren. Du wirst in dieser Zeit einegroße Veränderung in seiner Natur merken. Es wirdbald in Bewegung gesetzt durch den darin enthaltenenGeist, es wird lauwarm, erhitzt sich unmerkbar, putre-fiziert sich, wird übelriechend und trübe.

    Man sieht, daß der Geist oder Archaeus dort eine Son-derung des Subtilen vom Groben, des Klaren vom Dich-ten bewirkt. Es wird sich nämlich eine Erde empor-heben, die an Masse zunimmt, schwer wird und zuletztzu Boden fällt. Diese vom Archaeus gesonderte Erdeist braun, schwammig, beim Betasten so fein wie diefeinste Wolle, klebrig, zähe und ölig. Das ist der wahreuniversale Gur, Limus, Gluten.

    Du wirst also zwei sinnlich wahrnehmbare Elementesehen, das Wasser und die Erde, in denen der Himmel

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  • und die Luft verborgen sind. Der Himmel ist unsicht-bar, doch können wir die Luft in ihrem Element fest-stellen. Hier aber ist sie, ebenso wie der Himmel, zuWasser reduziert.

    Wenn wir also zuerst ein flüssiges Wasser hatten, soist Jetzt durch die Putrefaktion die Erde sichtbar ge-worden. Den Himmel und die Luft müssen wir aufeinem anderen Wege suchen.

    Wenn das Regenwasser sich so getrübt hat, rühre esgut um, tue es in einen kupfernen Kolben und stellees zwecks Verdampfung des Wassers auf das Feuer.Dann siehst du aus dem Kolben einen Nebel, eineWolke emporsteigen: So erhältst du die Luft, die denHimmel in sich schließt. Willst du nun den mit demWasser verbundenen Himmel zu Wasser reduzieren,so setze auf den Kolben einen Helm mit Rezipienten.Der Dampf wird sich im Helm kondensieren und inder Vorlage als ein kristallklares Wasser niederfallen.Destilliere auf diese Weise den vierten Teil desWassers, das sich im Kolben befindet, so wirst du dieLuft und den Himmel zusammen vom Wasser undder Erde in Form eines schönen Wassers gesonderterhalten. Du wirst dort den Himmel durch seinenlichten Schein unterscheiden können, denn wenndieses Wasser gut rektifiziert wurde, ist es viel glän-zender als zuvor.

    Nachdem du den Himmel und die Luft auf diese Weiseerhalten hast, stelle sie beiseite und fahre in derDestillation fort, bis du zu einer Masse von honig-

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  • ähnlicher Konsistenz gelangst. Doch lasse es nichtbis zur Trockenheit kommen, sonst würdest du diesezarte Jungfräuliche Erde verbrennen, die noch nichtihre höchste Fixitat erreicht hat. Stelle dieses zweiteDestillationsresultat beiseite, es ist das dritte Element.Der im Kolben gebliebene, noch etwas feuchte Restist die Erde. Nimm sie vorsichtig heraus, und setzesie in einer Glasschüssel den Strahlen der Sonne aus.um sie vollkommen zu trocknen, bis du sie mit demFinger in ein feines Pulver reduzieren kannst. Sowirst du die vier Elemente vor Augen haben.

    Es bleibt noch zu beweisen, daß alle sublunaren Dingehier ihren Ursprung haben. Du mußt also untersuchen.ob dieses vierfache Wasser uns die drei Reiche derNatur erzeugen kann.

    Nimm also diese Erde, und wenn du daraus ein Mineralerzeugen willst, so befeuchte sie in einem Kolben einwenig mit ihrem Wasser und setze den Kolben derSonnenwärme, doch nicht unmittelbar ihren Strahlenaus- Wenn sie trocken wird, befeuchte sie wieder mitihrem Wasser (doch nicht mit dem, das Himmel undLuft enthält). Wiederhole diese Befeuchtungen undVertrocknungen so oft, bis du das Ganze in eine mine-ralische Erde reduziert hast. Du wirst finden, daßdiese Erde schwer und sandig ist. Merke, daß derKolben mit Papier zugestopft werden muß, doch nichtso fest, daß der Luftzutritt verhindert wird!

    Wenn du nun siehst, daß diese Erde in Sand reduziertist, hast du das Mineral. Wenn du eine größere Mengft

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  • dieses Sandes hast, wirst du Gold- und Silberspurendarin finden.

    Willst du eine Pflanze erzeugen, so nimm zu dieserpulverisierten und von der Sonne getrockneten Erdezwei Teile Wasser und Je einen Teil Himmel und Luft,mische dies zusammen, befeuchte die Erde, setze sieder Luft und nicht der Sonne aus, so wirst du nacheiniger Zeit kleine Pflanzen wachsen sehen. So hastdu die vegetabilische Zeugung.

    Wenn du ein animalisches Wesen erlangen willst,nimm diese Erde, erweiche sie mit einem Teil Wasserund je zwei oder drei Teilen des verbundenen Him-mels und der Luft, gieiie soviel dazu, bis die ganzeErde eine klare honigartige Konsistenz erreicht. Dannstelle das Ganze an einen lauwarmen Ort, aber nichtin die unmittelbare Sonnenglut. Du wirst dann ineinigen Tagen kleine Tierchen bemerken. Wenn dieFeuchtigkeit abnimmt, so gieße mit der gleichenMischung nach, so daß stets die honigartige Konsistenzerhalten bleibt. Nach und nach werden die erstenTierchen verschwinden, andere werden geboren undalle suchen sich gegenseitig aufzufressen.

    Du hast aus diesem Experiment gesehen, wie dasRegenwasser und die darin enthaltene Erde die dreiReiche hervorbringen konnten. Du kannst also über-zeugt sein, daß dort der universale Samen verborgenist, aus dem man alle Dinge erzeugen kann, wie sie imAnfang aus dem Chaos erzeugt wurden.

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  • Wenige kennen aber die Ursache der Fruchtbarkeitdes Regenwassers. Wohl wirkt eigentlich der darinenthaltene Geist; doch ist er zu volatil, um etwas ohneKörper schaffen zu können. Sehr wenige kennen denUrsprung dieses konzentrierten und kondensiertenSamens, welcher in seiner durchsichtigen und kri-stallinischen Form wirklich der Weltgeist ist.

    Es ist ein trockenes Wasser, das die Hände nicht netzt,eine wässrige und feurige Erde, ein koaguliertes Feuer.Wir kommen nun zur Materialisation dieses koagulier-ten Feuers.

    Drittes Experiment.

    Gieße aus dem oben erwähnten Holzgefäß putrefizier-tes Regenwasser in ein gläsernes Gefäß, verdampfees auf dem Feuer bis auf ein Drittel und lasse es biszur Lauwärme auskühlen. Dann filtriere es gut ineinem Glas- oder Zinnkolben von allen Faeces undtauche den Kolben in kaltes Wasser.

    Am nächsten Tage wirst du den Weltgeist in zweiFormen sehen. In der einen ist er kristallinisch, klar,durchsichtig und heftet sich an die Seiten des Gefäßes.In der anderen Form bleibt er am Grunde in Gestalteiner bräunlichen Masse. Nimm das an den Seitengebliebene gesondert und hebe es sauber auf; dasandere am Grund gebliebene spüle mit Wasser aus undtrockne es gut in der Sonne oder an gelindem Ofen-feuer. Wende dich mit ihnen zum hinkenden Vulcan;er wird dir sagen, wer sie sind und wie sie heißen.

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  • Wirf das erste auf glühende Kohlen; seine sofortigeEntzündung verrät, daß es das Nitrum ist. Das zweitegibt auf glühenden Kohlen ein Geräusch, an dem dudas Salz erkennst.

    Diese drei einfach anmutenden, aber recht schwierigauszuführenden Experimente und die vorhergehendenDarlegungen dürften für unsere Zwecke als theo-retische Basis der Alchymie genügen.

    Wir kommen nun von der Theorie zur Praxis. Zu-nächst beschreiben wir das Laboratorium der altenHermetiker, darauf seine moderne Form.

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  • PRAXIS

  • Das Laboratorium der alten Hermetiker.

    Im vorhergehenden Teil wurden einige Haupttheoriender Alchymisten zusammengefaßt und einige typischspagyrische Experimente angeführt. Dies geschahnicht, um zu ihrer Nachahmung aufzufordern, wasauch nicht gerade leicht sein würde, sondern um zudemonstrieren, was für Resultate die Hermetik außerdem Stein der Weisen zeitigen kann; und um verständ-lich zu machen, daß für die altere hermetische Wissen-schaft die Experimente, die Tatsachen, von sekundäremBelang waren, da sie iu erster Linie die Prinzipienund Gesetze betrachtete. Es konnte daher auch, wiesich ein ausgezeichneter Kenner der Hermetik —Dr. Ferdinand Maack — ausdrückt, die „alchemiapractica" nie mit der „alchemia speculativa" Schritthalten.

    Bevor wir das einfache, moderne Laboratorium be-schreiben. sollen zuvor die Einrichtungen und Instru-

    mente des alten Laboratoriums geschildert werden.

    Zunächst einige Einzelheiten über die Oefen.

    Die Alchymisten hielten Einzelheiten über ihre Oefenstreng geheim) es gibt nur wenige, die darüber emiger-

    43

  • der letzten eingesetzt und mit einer Glas- oder besserGlimmertür versehen, um die Farben der Materiewährend der Operationen verfolgen zu können. Dadie Gefäße mit der Materie auf einen in die Mitte derPlatte zu stellenden Dreifuß gesetzt werden sollen,bringe man oben eine abnehmbare Kuppel an. Nachdem Aufbau dieser Anordnung setzt man die Kuppelauf den Ofen und lutiert sorgfältig' alle Oeffnungen,damit das Ganze gleichsam einen Körper bildet.Zwecks Vermeidung von Wärmeverlusten sind auchalle kleinen Fenster und Oeffnungen gin zu ver-schließen."

    Philaletha gibt eine fast ähnliche Beschreibung..,Wenn auch die Chymisten den Ofen sehr geheim-nisvoll beschreiben, von dem ich gesprochen, so ist erdoch nicht das, was man den geheimen Ofen nennt."Die Alchymisten verstehen darunter oft das Feuer derNatur, „das in den Bergwerken die Metalle formt1',oder noch öfter ihr „Himmlisches Wasser" oder ihrenMercurius. Darum sagt Philaletha auch: „Wir habennur ein Gefäß, ein Feuer, einen Ofen und dies ist allesnur ein Ding, nämlich unser Wasser." (Föns chymiaephilosophicae.)

    Ein anderer Autor sagt:

    -.Wenn die hermetische Chemie wahr ist, so irren alle,die den Stein in Gefäßen der gewöhnlichen Chemieerreichen zu können glauben, wie auch jene, die fiirjede Operation verschiedene Oefen benutzen: etwaeinen fiir die Sublimationen, einen anderen fiir die

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  • Kalzinationen, einen dritten und vierten für die Re-verberationen und Digestionen und noch andere fürdie verschiedenen Destillationen."

    Alle hermetischen Philosophen sind darin einig, daßnur ein Ofen nötig ist, in dem alle Operationen ineinem Gefäß vorgenommen werden können. Darumsagt der Kosmopolit;8) „Wenn Hermes, der Vater derPhilosophen, auferstände, der subtile Geber, und dertiefe Raymundus Lullus, so würden sie von unserenChymisten gar nicht als Philosophen betrachtet wer-den. Nicht einmal als Schüler würden sie würdig er-scheinen, da sie doch diese vielen Destillationen,Zirkulationen, Kalzinationen und all die anderen un-zähligen Verfahren nicht kennen, die unsere Chymistenaus falschverstandenen Allegorien der Alten ab-leiteten."

    Der Athanor, auch philosophischer Ofen genannt, hatals Hauptzweck die Erhaltung eines ständigen Feuers.Wichtig dabei ist, daß das Feuer keine direkte Be-rnhrnng mit dein Gefäß hat. in dem der Stein derWeisen bereitet wird. Aus der außerordentlich großenZahl von Entwürfen zu diesem Ofen folgt eine Be-schreibung, die allen Anforderungen gerecht wirdund einen der besten der bekannten Oefen darstellt.(Siehe Fig. l.)

    Man baut eine ungefähr 50 cm hohe Mauer (A) undläßt vorn zur Entfernung der Asche eine Oeffnung (B).

    a} d. i. Setonius: Cosmopolitae, Novum lumen chymicum de lapidephilosophorum, Prag 1604.

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  • Darauf errichtet man ein Gitter und darüber einenkleinen Turm, dessen Umfang oben kleiner als untenist (D). Ueber dem Gitter ist noch eine kleine Oeff-nung anzubringen, durch die man die Kohlen mittels

    eines Eisenstabes ordnen kann (C). Dieser Turm wirdbis oben mit Kohle gefüllt und mit einem irdenenDecke! (E) bedeckt. Gegenüber der Oeffnung C seinoch eine Oeffnung (F), die der Wärme den Zutritt zu

    4.7

  • dem Ofen gestattet. Diese Oeffnung kann durch eine„Register" genannte Platte geschlossen werden, diehochzuziehen und niederzulassen ist.

    An diesen Turm baut man einen seitlichen Ofen an,den eigentlichen Athanor. Man errichtet eine etwa45 cm hohe Mauer (I) genau an der Rückwand desTurms. Auf diese Mauer baut man einen kuppelartiggeformten, runden, oben mit einer talergroßen Oeff-nung (L) versehenen Ofen (K). Die Oeffnung gibt derin der Kuppel zirkulierenden und reverberierendenWärme den Weg in den oberen Ofen frei. Auf dieserunteren Kuppel errichtet man noch eine höhere Mauer(M), die wiederum mit einer Kuppel (N) abschließt.Diese besitzt eine weitere Oeffnung (0). An der Mittedieses oberen Ofens ist eine größere Oeffnung anzu-bringen, durch welche die Gefäße hineingebracht wer-den. Denn in diesem Teil des Athanors ist der Stand-ort des Gefäßes, in dem das Große Werk bereitet wird.Diese letzte Oeffnung muß durch eine sehr gut schlie-ßende Tür versperrt werden, um den Luftzutritt un-möglich zu machen. Fünf Zentimeter oberhalb derzweiten Kuppel sind vier Luftlöcher mit entsprechen-den Verschlüssen anzubringen, die der Wärmeregu-lierung dienen (P). Der ganze Ofen wird dann mit derdritten Kuppel (Q) geschlossen.

    Wir kommen nun zu den anderen Geräten, deren Formabsichtlich meist menschen- oder tierähnlich ist. Sieentsprechen den verschiedenen Wärmegraden desFeuers.

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  • Die folgende Aufzählung- erhebt keinen Anspruch aufVollständigkeit. Es soll eben nur eine Auslese aus denvielen Apparaten sein, die von den alten Alchymistengebraucht wurden. Näheres darüber findet sich in derChemie des Lemery und in den Werken von Planis-Campy.

    Die Phiole (Phiola) ist ein rundes irdenes oder gläser-nes Gefäß, mit langem und dünnem Hals, oft bei Solu"tionen und Coagulationen gebraucht. (Fig. 2.)

  • Das Zirkulatorium ist ein Glasgefäß, das den darinenthaltenen Flüssigkeiten eine auf- und absteigende,dauernd rotierende Bewegung gestattet. Man ge-braucht es bei Sublimationen und Zirkulationen inverschiedenen Ausführungen, von denen hier nur zweisehr oft gebrauchte Formen, nämlich der Pelikan unddas Dyota, erwähnt seien. Der Pelikan (Fig. 5) ahmt

    die Haltung des gleichnamigen Vogels nach, in der ersich, um seine Jungen zu nähren, die Brust öffnet.Dieses Gefäß hat einen großen Bauch, der in einenlangen Hals übergeht und dann wieder ins Gefäßmündet. Durch einen unten befindlichen Kanal wirddie Flüssigkeit eingegossen und vor Beginn der Ope-ration hermetisch abgeschlossen.

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  • Das Dyota (Fig. 4) ähnelt einem seine Arme in dieHüften stemmenden Menschen. Der untere Teil bestehtaus einem Kolben, auf dem ein Helm mit einem Kanal

    zur Einleitung der Flüssigkeit sitzt. Hier treffen sichdie zwei gebogenen Arme, welche die im Helm konden-sierte Flüssigkeit wieder in den Kolben zurückführen.

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  • Die folgenden Figuren ? und 6 zielten ein Zirkula-torium und eine Retorte dar, die ihre eigentümlicheForm ebenfalls der organischen Welt entlehnt haben.

  • Das moderne Laboratorium.

    Ziel und Zweck dieses Werkes dürften genau genug'angegeben sein; aber es sei noch einmal betont,daß hier nicht die Bereitung des Steins der Weisengelehrt werden soll, denn das ist unmöglich. Um diesesMagisterium zu vollbringen, müßte der Jünger dasnachmachen, was sein Meister Thoth-Hermes selbst ihmvorgemacht hat*) Für uns handelt es sich nur darum,festzustellen, daß es für den wahren Adepten aufalchymistischem Gebiet einzig und allein die Vor-schrift gibt:

    SEI GOTT HERMES!

    Man muß mit diesen Kräften geboren werden, wie esJohann von Tetzen, ein böhmischer Mönch, zu Anfang,des 15. Jahrhunderts, im „Processus de lapide Philo-sophorum" poetisch ausgedrückt hat:

    Lapis candens fit ex tribus.Nulli datur nisi quibusDei fit spiramine.Matris ventre quos beavit,Hanc ad artem destinavitSacroque sancimine.

    „Der glanzvolle Stein entsteht aus drei Prinzipien undwird nur denen gegeben, die mit dem Heiligen Geistebegnadet sind, die Gott schon im Mutterleibe gesegnet

    *) „Die ägyptische Urform des Tabula Smaragdina", Saturn-Gnosis.Band 6.

    ^

  • und mit heiliger Weihe (nämlich mit der Feuertaufedes Geistes!) zu dieser Kunst bestimmt hat! — —li5)

    Das Laboratorium kann sehr einfach sein: ein großerHolztisch für die Kolben, Retorten, Rohren usw., einanderer für den Gasofen; ein kleiner, verschließbarerSchrank für die gefüllten Flaschen, ein Bunsenbrenner,fließendes Wasser. Das ist beinahe alles. Man kannes kaum zu einfach machen; vielleicht kommt mangerade so dem Transzendenten am nächsten.

    Rupescissa ist der gleichen Meinung. Wenn er mehrereBeschreibungen desselben Prozesses gibt, ist immer das

    •'') Das erste Prinzip ist das positiv-aktiv-männliche des segnendenGottvaters, des Spermaticos-Logos, das zweite das negativ-passiv-weibliche der „Mutter Gottes", die Werk und Schöpfer des Werkesin ihrem Leibe austrägt, das dritte ist das „spiramen", der HeiligeGeist, das mannweibliche hebräische „Ruach". Aus dieser Dar-stellung, die ja nur eine Verchristlichung des Inhaltes der TabulaSmaragdina bedeutet, ergibt sich, daß derjenige n i c h t von derroten Tinktur träumen möge, in dessen Horoskop sich Mond undMerkur schlecht gestellt befinden und womöglich noch ungünstigeAspekte bilden. Denn der Mond ist ja die „Mutter" der sublunareuund Merkur der „Geist" der höheren Welten. Aber das wäre erstdie e i n e Vorbedingung! Die andere bestände, gemäß dem herm-aphroditischen Charakter des „Ruach". in der Auswägung dermarsisch-venusischen Spannungen und in der Ueberwindung derMond-, Mars- und Venuskräfte überhaupt durch die heiligendeMacht des S a t u r n ! Wenn in Dir der Geist des Saturn schwingt.dieser furchtbarsten geistigen Zentral isation von Kräften, die wirMenschen überhaupt kennen, dann hast Du die Schlüssel zu öffnen(Atomzertrümmerung) und zu schließen (synthetische Neu-schöpfung. Transmutation)! So verlangt die wahre Alchymie dieE x p a n s i o n des I c h aus irdischer Gebundenheit in dieSphären des Saturn. Die Magia metachemica ist in dieser Hinsichtdie organische Fortsetzung der Magia cosmosophica; darum schließtsie sich auch als Brief zehn an jenen neunten Brief an und wirmüssen den Wißbegierigen auf diesen verweisen. Der V e r l a g

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  • Billigste das Beste. So empfiehlt er z. B. zuerst denbesten Wein zu nehmen, schließlich sagt er aber, mankönne auch verdorbenen Wein benutzen. Wenn mansich an das über die Putrefaktion gesagte erinnert,versteht man sofort, warum dies letztere wirklich dasbeste Verfahren ist.

    Dus Laboratorium kann also nach diesem Grundsatzeingerichtet werden. Es folgen nun verschiedeneEinzelheiten über die Heizung, die Feuergrade, dasLutieren der Kolben, die notwendigen Geräte undendlich einige Winke für die praktische Arbeit.

    Die Heizung.

    Im allgemeinen kann man bei den elementarenOperationen alle Oefen durch den einfachen Gasofenersetzen.

    Bei Gas kann man mit einen kleinen Feuergrad an-fangen und ihn allmählich bis zur größten Hitzesteigern. Es ist aber eine Unannehmlichkeit dabei.Wenn es sich z. B. um eine Arbeit handelt, bei der einsehr mildes, aber zehn bis fünfzehn Tage lang un-unterbrochenes Feuer notwendig ist, so kann man denGasofen ohne Gasomeier nicht unbeaufsichtigt lassen;denn der kleinste Luftzug kann die Flamme auslöschenund auf diese Weise durch Explosion schwere Un-glücksfälle verursachen, von der vergeblichen Müheganz zu schweigen.

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  • Für diese Arbeiten ist am besten der Oelofen (Fig. 7),den man gefahrlos unbeaufsichtigt lassen kann. Manhat nur die kleinen Dochte Jeden Morgen zu wechselnund Oel nachzufüllen, damit das Flüssigkeitsniveaukonstant bleibt. Um Jede Verringerung der Wärmeauszuschließen, dürfen die Dochte selbstverständlich

    nur einzeln ausgetauscht werden. Man reguliert denFeuergrad, indem man mit sechs Dochten anfängt undbis zu zehn steigert. Als Brennöl ist gereinigtes Oliven-öl oder das im Anhang 5. 116 beschriebene zu benutzen.Mit diesem Gerät und dem langhalsigen Kolben (Fig. 8)kann man bei der Digestion des Alkohols und des ausder Putrefaktion von Vegetabilien und Animalienstammenden Saftes sehr wertvolle Resultate erzielen.

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  • Wenn aber tagsüber gearbeitet werden kann und dieOperation nur einige Stunden dauert, ist Gas auf jedenFall vorzuziehen.

    Fig. 8 E i n f a c h e D i g e s t i o n s v o r r i c h t u n g .Em Kolben mit darauflutierter Glasrohre Die Flüssigkeit wirdin den kälteren Teilen der Rohre verdampft und fallt zuruck.

    Die Röhre muß gut verschlossen sein.

    Die Temperaturskala der Vorrichtungen umfaßt siebenGrade, die natürlich noch in sich untergeteilt werdenkönnen. Die folgende Tabelle gibt Aufschluß über

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  • die Feuergrade, ihre hermetische Natur und ihre Eig-nung fiir die verschiedenen Operationen.

    Verschiedene alte Alchemisten erwähnen noch den aufchemischem Wege erzeugten Feuergrad des putrefi-zierten Pferdemistes oder des ungelöschten Kalks (Calxviviva). Dieser Feuergrad kann als Vorstufe des erstenangesehen werden.

  • In vielen Fällen ist eine gelinde, aber konzentrierteWärme nötig; doch bedarf es dazu nicht immer einesAthanors. Es gibt ein sehr einfaches und billiges Ver-fahren. Auf den Gas- oder Oelofen setze man einhinreichend großes Eisengefäß für das Sandbad, dorthinein einen langhalsigen Kolben und um das Ganzeeine Art Lampenschirm aus Metall, der an den Seitendes Gefässes befestigt wird. Diesen Lampenschirmumhüllt man mit einer dicken Decke. Auf diese Weisewird die in dem Kolben enthaltene Flüssigkeit einersehr konzentrierten Wärme ausgesetzt,

    Verschlüsse.

    Wir kommen nun zu den Verschlüssen, die der her-metischen Abdichtung der Kolben und Retorten dienen.Sie müssen zähe und dehnbare Ueberzüge sein, dienach dem Austrocknen fest werden.

    Ein gutes Verschlußmittel ist folgendes: 2500 GrammSand, ebensoviel pulverisierter Ton (Bolus alba) undje 135 Gramm Kot, Glasstaub und Kochsalz werdenmit hinreichend Wasser zu einem Teig von zähflüssigerKonsistenz angerührt. Damit verschließt man dieGefäße und läßt die Masse im Schatten trocknen. —Dieser Teig kann auch zum Verschluß der Retorte undder Vorlage gebraucht werden; doch muß man ihn vorder Oeffnung des Verschlusses gut befeuchten, da erim trockenen Zustand sehr hart ist.

    Zur Herstellung eines leicht lösbaren Verschlussesverreibt man gut gesiebte Asche mit Wasser zu einem

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  • Teig. Dieser Verschluß zeichnet sich durch großePorosität aus.

    Zum Verschluß für Kolbenverbindungen bedient mansich gewöhnlichen Leims mit Papier, oder einer mitLeim befeuchteten Blase. Wenn euch diese nicht stand-hält, greift man zum folgenden, Lutium Sapientiae ge-nannten Verschluß.

    Man mische Je 52 Gramm Mehl und gelöschten Kalkund 16 Gramm pulverisierten Bolus alba. Dann schlageman ein wenig Eiweiß mit etwas Wasser gut zu einemSchaum, den man mit der Masse mischt.

    Der beste Verschluß ist naturlich die Verschmelzungder Glasränder.

    Geräte.

    Aufzählung der notwendigsten Geräte:Destillierkolben; 250 bis 1000 Gramm.Kochflaschen.Phiolen.Reagenzgläser.Erlenmeyerkolben.Langhalsige Kolben aus Glas, Porzellan und Eisen.Kolben zur fraktionierten Destillation.Porzellantiegel.Glastrichter.Glasstäbe.Laboratoriums thermometer bis 200 Grad C.Kork- und Gummistöpsel.Filtrierpapier.

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  • In der Praxis merkt man das Fehlende am schnellsten!Die auf den Tafeln abgebildeten Geräte sollen wenigerals Modell als vielmehr der Demonstration dienen

    Fig. 9, A t h a n o r.Wird aus feuerfester Erde aus drei Teilen A, B, C verfertigt.Der Teil A dient als Kuppel, und besitzt einen halbkugel-förmigen Reflektor, welcher die Wärme auf das Ei konzentriert.Teil B enthält das Sandbad und das Ei; in D-E ist eine durch-IdAerte Metallp^tte befestigt; durch die Oeffnung F tauchtein Thermometer ins Sandbad hinein. Man kann auch ein

    kleines Fenster zur Beobachtung des Eies anbringen.

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  • Fig. 10. K o l b e n z u m f r a k t i o n i e r t e n D e s t i l l i e r e n .Dient zur Sammlung von Dämpfen, welche- sich bei

    verschiedener Temperatur kondensieren,

    Die Praxis ist auch hier, wie immer, die beste Lehr-meisterin.

    Die vorhergehenden und folgenden Anweisungen sindzwar elementar, doch ausreichend. Aber auch sie sindfür die späteren Betrachtungen von Wichtigkeit.

    Am schwersten ist es, dem geistigen Weg der einge-weihten Philosophen zu folgen. Dies ist der einzigeWeg; ein einfacher Versuch, auf diesen Grundsätzenberuhend, ist erfolgreicher als langwieriges, reinempirisches Arbeiten. Die folgenden Experimente sind,wie gesagt, elementarer Art, doch brauchen sie darumnoch keineswegs sofort beim ersten Mal zu gelingen.Ein Sprung im Kolben, das Erlöschen des Feuers, sogareine unsichtbare Ursache kann in letzter Minute allesvereiteln. Entmutigung und Ungeduld sind zu ver-

    62

  • meiden; auch hier wird nichts gelingen wenn mannicht ruhig bleibt.

    Für die Chemie des Alltags sind die behandeltenKörper tot; die schnellen Verfahren werden den lang-samen vorgezogen, die Destillationen den Zirkulationen.Aber man bedenke, daß alles lebt! Darum wiederholeman eine Destillation etwa zehnmal, denn ihre wahreBedeutung liegt im Vorgang der Zirkulation. Dadurchgeschieht eine automatische Aufschließung des Körpersdurch das in ihm latente natürliche Feuer. Man be-nutze also lieber den langhalsigen Kolben (Fig. 8) alsden Kolben mit Vorlage (Fig. 7), der natürlich trotzdemin gewissen Fällen unentbehrlich ist.„Das Flüchtige", — sagt Pernety — „nimmt und laßtdas Fixe mit sich aufsteigen; dieses letzte laßt dasFlüchtige wieder niedersinken und diese Zirkulationsetzt sich im hermetisch geschlossenen Gefäß ohnekünstliches Feuer und ohne weitere Arbeit auto-matisch fort."Auf diese Worte von Pernety sei besonders aufmerk-sam gemacht. Danach erhält man also die günstigstenResultate, wenn man den Kolben dem Sonnenlicht aus-setzt, nachdem man ihn mit zuvor öfters destilliertemAlkohol oder mit putrefiziertero Saft von animalischeroder vegetabilischer Substanz gefüllt hat. So ist es einwichtiger Schlüssel zur Kunst, die Stoffe durch ihrlatentes inneres Feuer allein digerieren zu lassen.Zwecks besserer Zirkulationsmöglichkeit empfiehltsich die Benutzung möglichst langhalsiger Gefäße(Fig. 2 und 8).

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  • Die Präparation des Alkohols.

    Die Quintessenz des Alkohols ist als eine ideale an-zusehen; sie ist unverderblich, nicht warm nochtrocken wie das Feuer; nicht feucht, noch kalt wie dasWasser, nicht warm, noch trocken wie die Luft, undauch nicht kalt, noch trocken wie die Erde." — DieseEigenschaften, die natürlich nicht wörtlich zu nehmensind und nur symbolisch verstanden werden dürfen,werden aus folgenden Ueberlegungen verständlich.Der rektifizierte Weingeist brennt, er ist also wederkalt noch feucht, denn das elementare Wasser brenntnicht. Er ist weder warm, noch feucht wie die Luft,die am schnellsten verdirbt, während dieser unver-derblich ist. Auch ist er weder kalt, noch trocken wiedie feste Materie, denn er ist äußerst aktiv. Endlichist er weder warm, noch trocken wie das Feuer, denner kühlt alle Entzündungskrankheiten.

    Dieser Alkohol ist die Basis aller Präparationen. Mankann an ihn, wie wir noch sehen werden, sogar dieHeilkräfte des Goldes und anderer Metalle binden.Natürlich handelt es sich hier um hochkonzentriertenWeingeist, den man allerdings am besten aus verdorbe-nem Wein durch mehrmaliges Destillieren bei gelindemFeuer auf dem Sandbad selbst herstellt.

    Es ist natürlich einfacher, wenn man von vornhereinabsoluten Alkohol nimmt, doch da es sich hier umAlchymie handelt, erzielt man die besten Resultateimmer noch durch Aufwand von viel Zeit und Geduld.Es ist also vorzuziehen, den Alkohol mehrmals zu

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  • destillieren; man erhält so ein stärker dynamisiertes,lebendigeres Produkt, einen „Himmel", wie es diealten Meister nannten.

    Man setzt den wiederholt destillierten Alkohol in einemlanghalsigen, lutierten Kolben (Fig. 8) wahrend einesSommermonats den Strahlen der Sonne aus. Wennman ihn öffnet, muß ihm ein sehr lieblicher, durch-dringender Geruch entsteigen. Ein anderes Zeichen derVollkommenheit ist eine über der Flüssigkeit schwe-bende bläuliche Wolke. Wer auf dem Lande wohnt,kann sich eine kleine Grube herrichten, deren Wändemit feuchter Asche bestrichen werden; darauf fülltman sie mit gut gestampften animalischen Exkrementenund stellt den Kolben so in die Mitte, daß der Halsherausragt. So bleibt der Hals stets kalt, die subtilenEmanationen des Alkohols steigen auf, kondensierensich in ihm und fallen wieder nieder. In der Stadtkann man die Grube durch den Oelofen ersetzen, derwährend mehrerer Monate ununterbrochen brennenkann.

    Komplizierter, aber natürlich zu besseren Resultatenführend ist folgendes Verfahren; Man destilliert Rot-oder Weißwein auf gewöhnliche Art. Der so erhalteneWeingeist ist noch wasserhaltig; ein damit befeuch-tetes Leinen fängt zwar Feuer, verbrennt aber nicht.Durch wiederholte Rektifikationen wird der Weingeistso stark, daß das Leinen sofort von der Flamme ver-zehrt wird. Nach weiteren Destillationen fängt manden subtileren Teil auf, wechselt den Rezipienten und

    Magische Briefe. X. 65

  • destilliert das bei der ersten Destillation noch einwenig Weingeist enthaltende Phlegma und bewahrt eszu späterem Gebrauch auf.

    Den Geist digeriert man nun bei 56° C., bis sich auf derOberfläche ein außerordentlich wohlriechendes Oelbildet. Das ist die Quintessenz. Lullus erhielt es inblauer, andere in gelber Farbe. Nach der Transfor-mation des Weingeistes und des Phlegmas durch dieDestillation bleibt als letzter Rückstand eine pech-ähnliche schwarze Masse, die man mit dem Phlegmader ersten Destillation völlig entfärben kann. Diegefärbten Teile sind zusammen zu destillieren, darausentsteht ein öliger Rückstand. Dieser Rückstand sollkalziniert werden, was auf verschiedene Weise ge-schehen kann. Nach gewissen Anweisungen wirddieser Paickstand durch Kalzination mit dem Phlegmaweiß, aber es bleibt meist selbst nach Behandlung mitSpiritus ardens ein schwarzes Pulver übrig.

    Der so präparierte Rückstand ist noch mehrmals unterverschiedenen Umständen mit Spir. ardens zu destil-lieren und zu digerieren, bis er, vollkommen saturiert,weiß wird und der Weingeist verschwindet. Charakte-ristisch für dieses Resultat ist die Tatsache, daß eineWenigkeit davon auf einer glühenden Metallplattenicht verraucht. Man muß den Rückstand mit Spir.ardens weiter destillieren, bis er so volatil wird, daßer auf der glühenden Platte sofort evaporiert.

    Wenn die Präparation bis zu diesem Grade vorge-schritten ist, sublimiert man. Das Produkt ist dann

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  • völlig klar und glänzend. Es dient zur Säuerung desSpiritus vini philosophici. Zu diesem Zweck muß esnoch einige Male mit Spir. vini destilliert werden,während das volatile Salz evaporiert. Das Destillati-onsprodukt soll 60 Tage lang digeriert werden; dannverwandelt es sich in die duftige Quintessenz, diewegen ihrer außerordentlichen Klarheit kaum sichtbarist. Charakteristisch ist die Bildung eines Nieder-schlages am Boden.Man muß aber Jetzt, wie Rupescissa sagt, „unserenHimmel schmücken." Das geschieht dadurch, daß manihm mittels des Goldes noch vitale Energie zuführt.Man nimmt ein kleines Goldblech oder einfach einStück Gold, das man auf einer Eisenplatte bis zumGlühen erhitzt und in einem glasierten, mit gutemgewöhnlichem Alkohol gefüllten Tongefäß ablöscht.Dies wiederhole man so lange, bis die Menge desAlkohols merklich abnimmt. Dann stellt man ihn bei-seite und nimmt ein anderes Gefäß mit anderemAlkohol, in dem man die Operation wiederholt. Nach-her gießt man den Inhalt der beiden Gefäße zusammen.Wegen, der großen Volatilität der Quintessenz darf mandie Goldstücke natürlich nicht unmittelbar darin ab-kühlen. Man mischt den so erhaltenen Alkohol mitder Hälfte der Quintessenz und stellt ihn beiseite.Die offizinalen Kräfte des Goldes sind nicht dieeinzigen auf die Quintessenz übertragbaren; vielmehrkann man mit allen anderen Metallen, also mit Silber,Kupfer, Eisen, Zinn, Blei auf ähnliche Art verfahren.Das Gold ist das solare und synthetische Metall, das

    5' 67

  • der Quintessenz die allgemeine Regenerationskraft desmenschlichen Körpers verleiht.

    Die Heilkräfte der Metalle können nach den astrolo-gischen Analogien bestimmt werden; doch bedarfdieses Gebiet noch eingehender Klarstellung nicht nurauf der spekulativen, sondern auch auf der exaktenBasis einer möglichst weitgreifenden Statistik.

    Selbstverständlich dürfen alle in diesem Buch an-gegebenen Heilmittel nur auf Verordnung und unterKontrolle eines sowohl akademisch wie auch spagy-risch durchgebildeten Arztes angewandt werden.

    Mineralische Quintessenzen,

    Die erste Operation, der die Materie unterworfenwird, wenn man daraus die Quintessenz ziehenwill, ist nicht die Zerstörung, sondern die Oeffnungfür die Putrefaktion. Die alten Weisen stellten diefolgenden Gesetze fest, nach denen in der Natur dieUmwandlung der animalischen, vegetabilischen undmineralischen Materie geschieht.

    Die Natur, sagen die alten Hermetiker, hat zur Zer-störung der Mineralien ein Feuer zur Verfügung, dassie von der Sonne nimmt; dieses Feuer erhitzt dieSteine und die Felsen; danach kommt die Kälte unddas Wasser, das die Steine befeuchtet und absplitternläßt. Die wiederholten Angriffe zerstückeln die Steine,die mehr und mehr zerbröckeln und zu feinem, all-mählich verwesendem Staub werden. Dieser wirddann salzig und bekommt einen anderen Charakter,

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  • der sich dem vegetabilischen nähert, bis er schließlichin diesen übergeht.

    Die Kunst arbeitet schneller als die Natur. Wenn maneinen Stein bis zur Rotglut erhitzt und dann mit Salz-wasser ablöscht, zerbricht er. Diese Operation wieder-holt man so lange, bis der Stein zu feinem Pulver undweiter zu einem Wasser reduziert ist, das verdampftund durch Kondensation wieder zum Wasser wird. Soführt die Natur die Metalle je nach ihrer Art in ihrenursprünglichen Zustand zurück. Dies ist auch die ersteOperation, wenn man die Quintessenz erhalten will.Es folgen einige Verfahren, durch die man sehr gutemineralische Quintessenzen, obwohl nicht die voll-kommene Quintessenz der Mineralien, gewinnen kann,da diese nur nach ihrer Radikalsolution durch dasMenstrunm universale, den Alkahest, erfolgen kann.

    Doch dessen Herstellung geht weit über die Grenzendieses Ruches hinaus: sie gehört zum Grollen Werk,zum Suchen des Absoluteil, des Lapis Philosophorum.Doch sei Folgendes gesagt; Ks g-ibt verschiedene alchy-mistische Schriften, in denen das Rezept zur Bereitungdes Alkahest enthalten ist; von diesen sei die Vor-schrift des Paracelsus mitgeteilt. Dieses Rezept ist, wiealle veröffentlichten Rezepte und überhaupt „Rezepte"über das Magnum Opus, fast wertlos; doch sind darin,wie überall, einige Wahrheiten enthalten, die manvielleicht durchaus gebrauchen kann; abgesehen davonist das Resultat auch sonst recht demonstrativ. DieseBemerkung kann und soll voll und ganz auch auf denAnhang dieses Buches bezogen werden.

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  • Rezept des Paracelsus zur Herstellung des Alkahest.

    In einer Retorte wird Alkohol auf reinen Aetzkalkgegossen. Dann wird so lange destilliert, bis derRückstand in der Retorte vollkommen trockengeworden ist. Nun wird das Destillat wieder aufden Rückstand gegossen und wieder destilliert.Dieser Vorgang wird etwa zehnmal nacheinanderdurchgeführt. Man bemerkt bereits nach der zweitenDestillation einen knoblauchartigen Geruch desAlkohols, Dieser Geruch ist während der weiterenDestillationen verschiedenen Variationen unterworfen.erreicht nach der nennten Destillation sein Maximum.läßt aber gegen Schluß der Operation an Intensitätnach. Während dieser Destillationen ist der Alkoholklar und weist nur während der siebenten Destillationeine Trübung auf, die aber zum Ende der Operationverschwindet. Nun mischt man fünf Teile Kalk undeinen Teil reiner Pottasche mit ungefähr 65 Grammabsolutem Alkohol derart, daß die feste Mischung indie Retorte, der Alkohol aber in die Vorlage gegehenwird. Bei Erhitzung des Gemenges in der Retorte ent-wickelt es weiße Dämpfe, die vom Alkohol in der Vor-lage sofort absorbiert werden. Die Erhitzung wirdso lange fortgesetzt, wie die weißen Dämpfe aufsteigen.Hierauf wird der Alkohol in eine Schüssel gegossenund entzündet. Er verbrennt bis auf einen Rückstand,der rotbraune Farbe hat und bei Erwärmung gelb oderweiß wird. Das ist der A l k a h e s t .Nach den Alchymisten besteht die Wirkung der mine-ralischen Quintessenzen im allgemeinen darin, daß sie

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  • aus den Metallen, besondere aus dein Golde, demSilber und dem Antimon eine Panacee extrahieren.Sie hat die Fähigkeit, im Körper ein Licht zu ver-breiten, ein Leben, das die Wehrkraft seiner Zellen ver-vielfacht. Ihr Zweck ist, in den unerschöpflichen undunendlichen Quellen der Natur die Energie zu suchen,die den als Gesundheit bezeichneten Gleichgewichts-zustand herstellt.

    Die Warnung vor der laienhaften Anwendung der an-gegebenen Arzneimittel sei noch einmal wiederholt.Ganz besonders gilt sie für die folgenden, denn es gibtKonstitutionen, die metallische Medikamente nichtvertragen.

    Die Quintessenz des Goldes, das Aurum Potabile.

    Feines, dünngeschlagenes Blattgold zerschneidet manin kleine Stücke und erwärmt es in einem Tiegel biszur Glut, während man im anderen Tiegel die sechs-fache Menge gereinigtes Quecksilber erhitzt.

    Wenn das Gold zu glühen und das Quecksilber zurauchen beginnt, gießt man das letztere auf das Goldund vermischt es gründlich zu einein Amalgam. Dannwäscht man dieses Amalgam mit heißem Salzwasserund drückt es zur Befreiung von dem überflüssigenQuecksilber durch ein Hirschleder. Das zurück-gebliebene Amalgam verreibt man mit zweimal sovielSchwefel zwei Stunden in einem Mörser und fülltdann das Ganze in einen Tiegel, der mit einem in derMitte durchlochten Deckel versehen ist. Man erwärmt

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  • es dann auf mäßigem Feuer, der Schwefel und dasQuecksilber verdampfen; das Gold bleibt am Grundin Form eines staubförmigen und kaum fühlbarenPulvers. Durch das Reverberierfeuer Öffnet man diesenGoldkalk zur eigentlichen Operation.

    Man füllt ihn in einen Kolben, übergießt ihn vierFinger hoch mit destilliertem Essig und setzt ihn denStrahlen der Julisonne aus. (Ende Juli, die Sonne mußsich im Löwen befinden.) Die sich bald an der Ober-fläche bildende ölige Substanz nimmt man behutsamab und bewahrt sie in einem halb mit Wasser gefüll-ten Gefäß auf. Wenn sich kein Oel mehr bildet, läßtman das Wasser auf gelindem Feuer verdampfen underhält im Kolben die Quintessenz des Goldes, die manmit der Quintessenz des Alkohols mischt. DiesesAurum Potabile ist ein wirkungsvolles Roborans. —Man kann auch ein wenig sehr feines Blattgold ineinem Glasgefäß einen Monat lang mit Leinöl dige-rieren lassen; nachdem das Oel extrahiert ist, findetman am Grund ein Pulver, das man mit Honig mischt.

    Quintessenz anderer Metalle.

    Man kann die Quintessenz des Silbers auf ähnlicheWeise herstellen, doch gibt es noch ein anderes Ver-fahren. Man füllt eine Phiole bis zur Hälfte mit gutemdestilliertem Essig und setzt ein wenig guten kalzi-nierten Weinstein und Ammoniaksalz hinzu. Dazugibt man noch ein wenig Silberkalk, verschließt denKolben hermetisch und setzt ihn 8—10 Tage in den

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  • Oelofen, dessen Feuer ununterbrochen erhalten wer-den muß. Darauf destilliert man wie gewöhnlich aufeinem Sandbad, wobei zuerst der Essig', dann dieQuintessenz des Silbers übergeht,

    Um die Quintessenz des Eisens zu erhallen, mischt manEisenspäne, Kochsalz und guten destillierten Essig.Den geschlossenen Kolben setzt man der Sonne ausoder läßt ihn mehrere Tage im Oelofen stehen, bissich auf der Oberfläche eine Haut, die gesuchte Quint-essenz, bildet.

    Für die Quintessenz des Kupfers gebraucht man da'-gleiche Verfahren, wobei nur statt des Eisens Kupfer-späne benutzt werden. Alle diese Quintessenzen sindmit spagyrtschem Alkohol zu mischen.

    Nach dem Aurum Potabile ist von allen mineralischenQuintessenzen die folgende die beste, da sie tatsäch-lich bei langen Krankheiteil und Rekonvaleszenzen vonaußerordentlicher Wirkung ist und auch auf die Ver-dauungswege günstig einwirkt; auch ist sie appetit-anregend und blutreinigend. Im gesunden Zustandgenommen ermöglicht sie große physische und psy-chische Anstrengungen.

    Dieses Elixier wird auf folgende Weise hergestellt.

    Man gebe gut pulverisiertes Antimon in sehr gut destil-lierten Essig, bis dieser sich rot färbt; dann gießt manihn ab, stellt ihn beiseite, gießt anderen Essig auf dasAntimon und setzt dies fort, bis keine Rotfärbung mehreintritt. Bevor man den Essig das zweite Mal auf"

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  • gießt, muß man das Pulver ein wenig erwärmen. Dar-auf destilliert man den Essig auf einem Sandbad, wobeizuerst der Essig, dann tropfenweise ein blutrotesElixier übergeht. „Dann hast du ein Ding", sagtRupescissa, „mit dem alle Schätze der Erde nicht zuvergleichen sind."

    Man kann die guten Eigenschaften des Elixiers nocherhöhen, indem man es 40 Tage im Zirkulatorium aufdem Oelofen stehen läßt.

    Es ist möglich, daß man beim ersten Male die roteFarbe nicht sofort erreicht; doch hat das Elixier auchmit goldgelber Farbe eine ausgezeichnete Wirkung.Zur Entfernung des Säuregeruchs mische man dasElixier mit hermetischem Alkohol und destilliere vonneuem- Das Endstadinm ist erreicht, wenn die Flüssig-keit einen angenehmen, nicht mehr an Essig erinnern-den Wohlgeruch besitzt. — Uebrigcns muß das Feuerverstärkt werden, sobald die ersten roten Tropfen derTinktur erscheinen.

    Ein anderes Antimonrezept ist folgendes:

    Man füllt in einen langhalsigen Kolben (Fig. 8) 1000 grdestillierten Essig. 250 gr Kaliumkarbonat, etwa 200 grfeingepulvertes Antimon, erwärmt das Ganze beigelindem Feuer auf einem Sandbad ununterbrochen4—5 Tage bei öfterem Umschütteln, laßt dann aus-kühlen und filtriert. Die Hitze darf nicht so starkwerden, daß ein Anfassen des Kolbens mit den Händenunmöglich ist. Gegen Ende des Prozesses verliert di»s

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  • Metall seinen Glanz und nimmt eine dunkelgraueFarbe an.

    Ks folgen nun einige Rezepte von Nicolas Lemery,einem Chemiker, dessen Hauptwerk: ..Cours de chy-mie" im Jahre 1675 erschien. Auch sie können rechtdemonstrative Resultate zeitigen . Man beachte dieSubtilität der alchymistischen Operationen gegenüberdem relativ groben, jetzt folgenden rein chemischenProzeß.

    Antimontinktur.

    Diese Operation besteht in der Solution der starkverdünnten Partikel des Schwefels und Antimons inWeingeist.

    Man schmilzt bei starkem Feuer 270 gr Weinstein undgibt dazu löffelweise 200 gr pulverisiertes Antimon,das schmilzt und sich mit dem Weinstein verbindet.Nun bedeckt man den Tiegel und läßt die Mischungeine halbe Stunde lang schmelzen. Nach erfolgterAbkühlung zerreibt mau die Masse iu einem Mörserzu Pulver, das man in einen Kolben füllt und darübervier Finger hoch Alkohol gießt. Dann stellt mandurch Befestigung eines zweiten umgekehrten Kolbensauf dem ersten ein Zirkulatorium her und verschließthermetisch alle Oeffnungen. Man digeriert die Materiebei schwachem Feuergrad zwei bis drei Tage oder biszur Rotfärbung des Alkohols. Darauf entfernt manden oberen Kolben, filtriert die Tinktur und bewahrtsie gut verschlossen auf.

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  • Das Resultat ist ein gutes, physisch und psychisch wir-kendes Mittel. Es sind 20—40 Tropfen in Wein, Wasseroder Honig einzunehmen.

    Antimonazeton.

    Man löst fein pulverisiertes Antimon in Salpetersäure,präzipitiert es danach und wäscht den Rückstand, dermit destilliertem Essig 40 Tage in einem Wasserbadbis zum Erscheinen einer blutroten Farbe digeriertwird. Man nimmt den klaren Teil ab, gießt wiederEssig auf und digeriert nochmals 40 Tage. DieseOperation wird viermal wiederholt und der Rückstanddann entfernt. Darauf mischt man die Lösungen ineinem Kolben und destilliert den Essig ab. Solltedieser zu schwach sein, so gießt man reinen hinzu unddestilliert von neuem. Der Rückstand wird bis zumVerschwinden aller Säurereste mit Wasser gewaschen,die tiefrote Masse an der Sonne oder bei schwachemFeuer getrocknet.

    Dieses rote Pulver setzt man mit gut rektifiziertemSpir. vini 4 Tage im Wasserbad einem Solutionsprozessaus. Danach gießt man die Lösung in einen Kolbenmit Vorlage und destilliert bei schwachem Feuer denwieder zurückzugießenden Spiritus ab. Man wieder-holt diese Operation so lange, bis der Spiritus im Helmverschiedene Farben annimmt. Darauf wird das Feuerverstärkt und der Spiritus geht als ein blutrotes Oeltropfenweise in die Vorlage über. — Dies war einstreng geheimgehaltenes Verfahren der alten Alchy-

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  • misten zur Herstellung des berühmten Antimonöls,das sehr stark und äußerst wohlriechend ist.

    Das Destillationsprodukt, die Mischung von Oel undWeingeist, wird in einem Kolben im Wasserbad vonden Resten des Weingeistes befreit. Indessen birgtdieser Spiritus noch recht große latente Energien. ImKolben selbst findet man das rote Oel, das phosphores-ziert und in der Alchymie zur Veredelung der Metalledient.

    Der Weingeist der Antimontinktur ist ein sehr gutesHeilmittel. Man nehme 5 Tropfen im Wein auf nüch-ternem Magen; am zweiten Tage erfolgt heftigerSchweißausbruch und oft schon am dritten große Er-leichterung.

    Quintessenz des Quecksilbers.

    Im langhalsigen, hermetisch geschlossenen Kolben sub-limiere man auf einem Sandbad Quecksilber, Kupfer-sulfat und Kochsalz, wobei die Quintessenz desQuecksilbers aufsteigt und die des Kupfersulfates mitsich zieht.

    Da der sublimierte Merkur aber noch brennbare Teileenthält, ist er mit einer Mischung von Schwefelsäureund Salpetersäure zu behandeln, wodurch er zu einemAmalgam und zu einem Wasser wird. Dies ist solangefortzusetzen, bis er sich vollkommen in Wasser ver-wandelt hat. Dieses destilliert man auf schwachemFeuer im Digestorium. Zuerst steigt das korrosive

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  • Wasser auf, danach die schneeweiße Quintessenz desQuecksilbers, während am Grunde des Kolbens eineausgebrannte Masse zurückbleibt. Dieser Vorgang istso oft zu wiederholen, bis kein Rückstand mehr bleibt;das heißt also, daß man das Destillat zurückzugiefienund von neuem zu destillieren hat,

    Quintessenz des Schwefels.

    Die bei gewissen Krankheiten in homöopathischenDosen genommene Quintessenz des Schwefels wirdauf folgende Weise hergestellt:

    Etwa zwei Handvoll sehr feine Schwefelblumen wer-den in einem großen geschlossenen Kolben mit destil-liertem Essig übergossen und die Mischung bis zurFärbung des Essigs auf schwachem Feuer im Sandbaderhitzt. Der gefärbte Essig wird vorsichtig abgefülltund neuer aufgegossen, bis keine Färbung mehr ein-tritt. Darauf läßt man den ganzen Essig auf gelindemFeuer evaporieren; die Quintessenz des Schwefelsbleibt am Grund des Kolbens. Etwa auf der Oberfläche-•ich zeigende Unreinheiten sind vorher vorsichtig ab-zunehmen.

    Herstellung der wahren Lac virginis.

    Man gießt die Quintessenz des Jeweilig zu behan-delnden Metalls in eine kleine Phiole, die manzuschmilzt und in den auf Sei^e 44 beschriebenen

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  • Kolben mit seinem metallenen Lampenschirm so auf-hängt, daß sie seine Wände nicht berührt. Daraufwird auf Sandbad acht Tage mit einem Feuergraddigeriert, der ein Berühren des Kolbens mit denHänden gestattet. Dann wird die Phiole geöffnet undder darin befindliche Rückstand im Mörser zu einemstaubfeinen Pulver verrieben. Dieses wird so oft aufeinem Wasserbad destilliert, daß der Kolben das heißeWasser nicht berührt.

    War das Pulver vorher genügend philosophisch kalzi-niert, so wird es sich wieder in Wasser verwandeln.Das Resultat ist eine Quintessenz, die wahre Lac vir-ginis. — Nochmals sei darauf hingewiesen, daß derVerschluß der Kolben und Phiolen absolut hermetischsein muß.

    Es sei nunmehr die Herstellung eines energischenL ö s u n g s m i t t e l s für viele Körper beschrieben.Ein Teil sublimiertes Quecksilber, ein Teil Kochsalz,ein Teil Kupfersulfat und ein Teil Ammoniumchlorürwerden zu einein feinem Pulver zerrieben und wäh-rend einer Nacht der Luft in einem kühlen Keller aus-gesetzt. Dann verwandelt sich das Pulver in einWasser, das in einem dickwandigen Gefäß aufzube-wahren ist.

    Dieser Abschnitt über die mineralischen Quintessenzenwerde mit dem folgenden Rezept beschlossen, dessenResultat Rupescissa ein sehr starkes, außergewöhnlichwirksames Wasser nennt.

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  • Gut kalzinierter weißer Weinstein wird in einemGlaskolben mit der Quintessenz des Alkohols über-gossen und destilliert. Es geht dann ein sehr schwacherWeingeist über, der zu entfernen ist; dann zieht derWeinstein das aktive Prinzip der Quintessenz an sichund wird dadurch in seiner Wirkung außerordentlichgekräftigt. Darauf wird der Weinstein im Reverbe-rierofen kalziniert. Dieser Ofen dient der unmittel-baren Erhitzung durch die Flamme, welche die Retorteständig umspült. Dann wird Alkohol aufgegossen,destilliert und kalziniert, wonach der Weinstein Jedes-mal an Kraft zunimmt. Da das Zerbrechen der Gefäßezu erwarten ist, ist es vorteilhaft, mehrere davon zurHand zu haben. Man nimmt dann diesen Weinstein,pulverisiert ihn und stellt ihn in den Keller. Er ver-wandelt sich in ein Wasser, das in sehr dickwandigemGlasgefäß aufbewahrt werden muß.

    Dieses Wasser heilt in entsprechender DosierungHautaffektionen.

    Vegetabilische Quintessenzen.

    Nach der von den Alten gebrauchten Ordnungkommen wir nun zum vegetabilischen Reich. DieseOrdnung ist durchaus logisch, da die Pflanze nach obendas animalische, nach unten das mineralische Reichberührt.

    Die Quintessenz kann erhalten werden:l. Aus den weicheren Teilen der Pflanzen, wie aus

    den Blättern, Früchten, Säften, Harzen usw.

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  • 2- Aus den härteren Teilen, wie aus den Stengeln,der Wurzel usw.

    Es sei hier darauf hingewiesen, daß sowohl beimSammeln wie beim Verarbeiten die astrologischenSignaturen, Sammelzeiten und Entsprechungen zu be-achten sind. Der Raum verbietet deren genaue An-gabe, so daß wir uns mit einem Hinweis auf die sehrumfangreiche, einschlägige Literatur und das Literatur-verzeichnis8) begnügen müssen; mancherlei Hinweisegibt auch 6. Mag. Brief, Sympathie Magie.

    Im allgemeinen sollen die Quintessenzen aus f r i -schen. Pflanzen bereitet werden; doch da dies nichtimmer möglich ist, muß die Aufbewahrung der Pflan-zen in sehr sorgfältiger Weise geschehen, die Je nachPflanzenart und Verwendung verschieden ist- Auchdarüber gibt die Literatur Aufschluß. Im allgemeinenkann das folgende Verfahren Vallots1) empfohlenwerden.

    Die Pflanzen sind zwischen ihrer Blüte- und Reifezeitbei Sonnenaufgang und trockenem Wetter zu sammeln.Die Pflanzen sind dann, nach Arten getrennt, inSteingutkrügen aufzubewahren und dort mit leichtem

    a) Vgl. neben den alten Quellen (Lemery, Tabernaemontanus,Thurneysser, Rupescissa, Sala u. a.) besonders die Schriften vonBerg, Eberhardt, Gessmann, Hofmann, Marcell, Maveric, Retschlag,Surya, ZEmpel- Das neueste Werk ist: J. Maveric: La medecmeherm6tique des plantes ou l'extraction des quintessences par arlspagyrique. Paris 1929.7) Joseph Vallot: Recherches physico-chüniques sur la terrevegetale. Paris 1885.

    Malische Briefe. X. 6 8l

  • Druck zusammenzupressen. Die Oeffnung der Krügesoll höchstens 10 cm betragen und durch einen inheißes Wachs getauchten Korkstopfen verschlossenwerden, der mit Teer, Pech oder Asphalt abzudichtenist. Bei solcher Aufbewahrung sind Pflanzen auflange Zeit zu konservieren, was sich sogar wegen derdamit verbundenen automatischen Fermentation emp-fiehlt, welche die beste Vorbereitung für die Destilla-tion ist. Einige alte Autoren empfehlen, auf den Bodendes Gefäßes eine Messerspitze Salpeter zu streuen.

    Der Prozeß ist im allgemeinen für alle Pflanzengleich, nur muß man auf die Proportionen achten, dain manchen Pflanzen die volatilen, in anderen diefixen Teile überwiegen.

    Auch bei den vegetabilischen Quintessenzen ist dieLehre der hermetischen Philosophie zu beachten, nachder kein Körper ohne Verwesung aufgeschlossen wer-den kann. Diese erst läßt das ätherische, heilkräftigePrinzip eines Stoffes frei werden. Daher werden voader Spagyrik alle Heilpflanzen in Verwesung über-geleitet, das heißt einer Putrefaktion unterworfen.

    Man nimmt also aus irgendeiner Pflanze die weichenund reifen Teile (Blätter, Früchte) mit dem Saft, zer-stößt sie sorgfältig in einem Mörser und gießt daraufputrefiziertes, gesalzenes Regenwasser, bis das Ganzein eine klare Flüssigkeit übergeht; dann gießt man esin ein Holzgefäß und stellt es zwecks Mazeration aneinen lauwarmen Ort, wo man es ungefähr drei

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  • Wochen stehen läßt, bis der scharfe Verwesungs-geruch bemerkbar wird. Darauf wird die Mischungin einem Kolben auf Sandbad bei sehr schwachemFeuer destilliert, wobei man nur die volatilsten Par-tikel libergehen läßt. Der Rückstand wird in einemanderen Kolben mit Vorlage destilliert, wodurch manzuerst ein trübes Wasser, dann eine saure Flüssigkeitund nachher ein dichtes Oel erhalt; am Grunde bleibtdabei eine ausgebrannte, kohlenartige Masse. Dieseund die übrige Substanz wird gut pulverisiert, dasResultat in einen langhalsigen Kolben gegossen undmit den zuerst gewonnenen volatileo Partikeln zweiTage auf Wasserbad digeriert. Danach ist eine lang-same Destillation vorzunehmen, wobei eine volatileFlüssigkeit übergeht, dann wird diese zurückgegossenund auf ein Aschenbad gesetzt. Nachher ist nochmalszwei Tage lang zu digerieren und auf Aschenbad zutrocknen. Das Resultat ist die Quintessenz.

    Zur Herstellung der Quintessenz aus härteren Teilen,z. B. den Wurzeln, pulverisiert man sie, gießt putrefi-ziertes Regenwasser, Wein oder Salzwasser darauf,mazeriert oder kocht sie bis zum Weichwerden; imübrigen verfährt man wie bei den anderen Teilen. DieDestillation ist so lange fortzusetzen, bis die Quint-essenz klar und von angenehmem Geruch ist. —Die Alchymisten kannten vier Zustände der Materie.die sie mit den Namen der vier Elemente bezeich-neten. Durch verschiedene Operationen kann manJedes dieser Elemente aus der Quintessenz extra-hieren.

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  • Die folgende, etwas komplizierte Operation sei mehrals Beispiel angeführt; Jedenfalls erprobe man sie nurnach längerer spagyrischer Praxis.

    Dieses Verfahren kann man in neun Abschnitte ein-teilen:

    1. Irgendeine animalische, vegetabilische oder mine-ralische Quintessenz, z. B. die des Blutes, wird aufWasserbad in einem Kolben mit Vorlage erhitzt.Das übergehende klare Wasser, das Wasser derQuintessenz, wird in einer gut verschlossenenPhiole aufbewahrt.

    2. Dieses Wasser gießt man zu den am Grund desKolbens verbleibenden drei Elementen, der Luft,dem Feuer und der Erde.

    3. Darauf läßt man das Ganze in einem langhalsigenKolben (Fig. 2 oder 8) sieben Tage zirkulieren.

    4. Das Ganze wird in einem Kolben mit Vorlage aufein Aachenbad gestellt; darauf geht daß die ele-mentare Luft in sich schließende Wasser sehr klarin Form eines goldgelben Oels über.

    5. Dieses Oel, das die elementare Luft darstellt, wirdauf Wasserbad vom Wasser geschieden; dabei gehtdas Wasser über und die Luft bleibt als goldgelbesOel am Grund. Man hat also jetzt zwei Elemente,Luft und Wasser.

    6. Auf den verbleibenden Rest wird das Wasser imVerhältnis 4 : l gegossen, worauf man es sieben

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  • Tage in einem langhalsigen Kolben auf Wasserbadzirkulieren läßt,

    7. Dann destilliert man in einem Kolben mit Vorlageauf sehr starkem, progressiv zunehmendem Feuer.Das übergehende rote Wasser, wie die im Kolbenverbleibende Erde, werden gesondert aufbewahrt.

    S. Das rote Wasser wird auf Sandbad destilliert,wobei ein klares Wasser übergeht und ein rotesGel, das elementare Feuer der Quintessenz, alsRest verbleibt.

    9. Die unter 7. genannte Erde ist sieben Tage langJeweilig ein wenig zu kalzinieren.

    ,Man erhält also:

    Das Feuer in Gestalt eines roten Oels.Die Luft in Gestalt eines goldgelben Oels,Das Wasser in Gestalt eines kristallinischen Was-

    sers.

    Die Erde in Gestalt einer schwärzlichen Substanz.

    Diese Präparation ist ziemlich schwer, doch zweck-mäßig, wenn auch für die Erhaltung einer guten Quint-essenz nicht unbedingt notwendig. Auch die durcheinfache Verfahren erhaltenen, nicht elementarischseparierten Quintessenzen sind sehr gut, besonders beilanger Zirkulation uud öfterer Destillation. Damithaben wir also die Möglichkeit, die vegetabilischeQuintessenz zu erhalten und die Qualitäten desAlkohols zu potenzieren und zu variieren.

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  • Die auf spagyrischem Wege erhaltene, durch das Goldgestärkte Quintessenz des Alkohols ist an sich schonein kräftiges Roborans. Der hermetische Alkohol wirdz. B. ein natürliches Heilmittel der Obstipation sein.wenn man ihn mit der Quintessenz von laxativenVegetabilien mischt.

    Vegetabilische Quintessenzen sind mit der des Alkoholsim Verhältnis 2 : l zu mischen, falls medikamentöseApplikation beabsichtigt ist.

    Animalisdie Quintessenzen.

    Ohne Anwendung der Putrefaktion ist bekanntlichaus keiner Substanz mehr als ein schwaches Was-ser zu extrahieren. Erst durch sie entwickeln sich alleKräfte und nur durch sie ist der Geist oder die Quint-essenz eines Stoffes zu erhalten.

    Die besten Teile beim Tier für die Gewinnung derQuintessenz sind: Blut, Urin, Hörner, Nägel, Knochenund Schuppen. Durch Anwendung gewisser, denpenetranten Putrefaktionsgeruch eliminierender Ver-fahren können auch Leber, Herz und Nieren ausge-zeichnete Resultate ergeben. — Doch sagt ein Alchy-mist: „Bei der Arbeit mit frischem Blut gibt es gewisseUnannehmlichkeiten. Bei der Destillation der fixenTeile ist es mir vorgekommen, daß die gespenstischeGestalt des betreffenden Tieres erschien. Das mensch-liche Blut erzeugt ein Geräusch, als ob Gespenster im

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  • Laboratorium seien."a) Diese Anspielung auf dieMysterien der Palingenesis ist nicht unwesentlich.

    Man kann im allgemeinen sagen, daß sich die Prozessebei der Herstellung von animalischen Quintessenzenebenfalls auf der spagyrischen Dreiheit aufbauen(Putrefaktion, Zirkulation, Destillation). Am Anfangsteht auch hier die Putrefaktion. Es handelt sich alsozunächst daruni, die zu bearbeitenden animalischenTeile, wie Blut, Urin, Kot, Knochen, Haut, Hörner,Klauen, Herz, Nieren, Leber, Gehirn, Milz, Schuppenusw. für die dann folgenden Operationen vorzu-bereiten.

    Dies geschieht am besten dadurch, daß man die Stoffein entsprechendem Mischungsverhältnis und bei an-gemessener Temperatur einem Verwesungsprozeßunterwirft. Zu diesem Zweck werden die animalischenTeile entweder mit Wein, Fluß- oder Regenwasser, ge-schmolzenem Schnee oder mit Salzlösung zusammenlängere Zeit putrefiziert.

    Das Resultat wird zwecks Klärung filtriert und danachin das Zirkulatorium Hermetis gesetzt. Es ist indessenzu beachten, daß dieses Verfahren einwandfreie Re-sultate für gewöhnlich nur dann zeitigt, wenn derZirkulationsprozeß nicht durch das gemeine Feuer der,,kohlevergeudenden Sudclköche", wie ein mittelalter-licher Ausdruck die Pseudoalchymisten nannte, son-dern „per ignem naturae" bewirkt wird.

    8) Vgl. über Blut in der Mapie, Mag. Brief 8, Sexualmagie, S. 79.

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  • In gewissem Sinne gilt dies übrigens auch für dasVerfahren der Putrefaktion. — Ein intensives Studiumläßt den ernsthaft suchenden Schüler der hermetischenWeisheit bald das wahre, natürliche Feuer finden,dessen überaus subtile und doch durchdringende Wir-kung für die Mehrzahl aller spagyrischen und alcny-mistischen Operationen von nicht zu unterschätzenderWichtigkeit ist.

    Die zeitliche Dauer der Zirkulation ist in allgemein-gültiger Form nicht anzugeben; vielmehr ist sie durch-aus variabel und bildet eine Funktion der zur Ver-wendung gelangenden Materialien, der Lösungsflüssig-keit und ihrer Zusammensetzung, des JeweiligenMischungsverhältnisses und endlich auch der allge-meinen und speziellen kosmischen Tageskonstellati-onen. Dasselbe kann auch von der Zahl der nun fol-genden Destillationen gesagt werden, die der aufspagyrischem Gebiet Arbeitende am besten aufempirisch-induktivem Wege feststellt.

    Nach endgültiger Durchführung der genannten dreiProzesse erhält man bei richtig ausgeführter Arbeitund genauer Beobachtung aller Versuchsanordnungeneine klare Flüssigkeit von intensivem Wohlgeruch.Zum Zwecke offizinaler Anwendung ist sie mit derQuintessenz des spagyrisch bereiteten Alkohols imVerhältnis l : l zu mischen und in entsprechenderDosierung innerlich zu nehmen.

    Der hier beschriebene Werdegang einer animalischenQuintessenz ohne nähere Signifikation der gebrauch-

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  • ten Substanzen wird wegen seiner außerordentlichenZweckmäßigkeit von den meisten Praktikern bevor-zugt. Es möge aber ausdrücklich hervorgehoben wer-den, daß hiervon irgendwie abweichende Meinungenverschiedener Autoren ebenfalls zum