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Gregor Dilliard - Ich Konnte Nicht Mehr Priester Sein - Katholisch Kirche Vatikan Papst Rom Glaube Religion Bibel Jesus Christus Gott Maria Engel

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»Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jün-ger in Jerusalem mehrte sich sehr; und eine großeMenge der Priester wurde dem Glauben gehorsam«(Apostelgeschichte 6,7).

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Gregor Dalliard

Ich konntenicht mehr

Priester sein

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Bibelzitate sind der römisch-katholischen ›Jerusalemer Bibel‹ undder ›Revidierten Elberfelder‹ entnommen.

1. Auflage 1998

Gesamtausgabe bisher erschienen unter dem Titel»Ich durfte nicht mehr Priester sein«bei Dynamis, Kreuzlingen© der gekürzten Taschenbuchausgabeby CLV · Christliche Literatur-VerbreitungPostfach 11 01 35 · 33661 BielefeldSatz: CLVUmschlag: Dieter Otten, GummersbachDruck und Bindung: Ebner Ulm

ISBN 3–89397–410–5

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

19. Oktober 1988: Verworfen unddenunziert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

15. August 1988: Die Marienpredigt . . . . . . . 17

28. August 1988: Abflug nach Kenia . . . . . . . 29

13. Oktober 1988: Gespräch um Mariain Saas-Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Exkommunikation de facto festgestellt –Fristlose Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Reaktion in der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . 61

23. Oktober 1988: Pfarreiratssitzung inGrächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Reaktion des Gemeinderates (munizipial)von Grächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

27. Oktober 1988: AußerordentlicheGemeinde- und Burgerratssitzung . . . . . . . . . 75

Reaktion beim Klerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Warum ich Priester geworden bin . . . . . . . . . 81

Bibelabende: »… der ist mein Bruder undmeine Schwester und meine Mutter« . . . . . . . 127

Marianne – meine Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

»Übrigens …« – Die Hetze gegen uns gehtweiter! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Entscheidende Wegweisung . . . . . . . . . . . . . . 153

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

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Vorwort

»Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt …«(Mk 8,38).

Das vorliegende Taschenbuch ist aus einer nicht all-täglichen Begebenheit heraus entstanden. Eine Ex-kommunikation – der Ausschluss aus der röm.-kath.Kirche – war früher ein häufig angewendetes Ver-fahren, um Auffassungen zu bekämpfen, die der röm.-kath. Lehrmeinung widersprachen. In den vergange-nen Jahren haben die Gläubigen der römischen Kir-che kaum mehr etwas davon gehört.

Seit meiner Exkommunikation häufen sich Briefe,Telefonanrufe und Gespräche mit Fragen suchenderKatholiken und Mitglieder der traditionellen Volks-kirchen. Auch das gewöhnliche röm.-kath. Volkscheint, aufgescheucht durch die heute zugänglichenInformationsquellen, nicht mehr gewillt zu sein,blindlings der römischen Hierarchie zu folgen. Daseinfache Volk versucht, die lange Vergangenheit derrömischen Kirche im Lichte Jesu und der Apostel zuprüfen. Heute öffnen sich Türen in das bisher ver-schlossene Labyrinth kirchlicher Geheimnisse. Daskatholische Kirchensystem kann dem Grund- undEckstein Jesus Christus nicht standhalten.

Zu lange und zu weit haben sich die kirchlichenObrigkeiten von Jesus Christus und der Lehre derApostel entfernt und sowohl das einfache wie auchdas gebildete Volk betrogen, als dass Christen denMantel der Ökumene über alles werfen könnten, wasnur eine Jesus-Etikette trägt. Der Menschheit, die in

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einer unermesslichen Ausweglosigkeit steckt, kannnicht durch eine neue ökumenische Religion gehol-fen werden, die jeden mit seiner Lehre akzeptiert,sondern allein die Umkehr zu Jesus Christus und zuseinem Wort kann den Menschen noch helfen. DieLiebe zu Jesus Christus und zu seiner Botschaft dräng-te mich, meinen vielen ehemaligen Glaubensgeschwis-tern aus der römischen Kirche die Bedeutung des teu-er erkauften Sieges Jesu auf Golgatha für unser Le-ben, für Zeit und Ewigkeit näher zu bringen. Mona-telang rang ich im Gebet vor Gott um die Frage: Sollich in Form eines Buches Zeugnis über den Glaubenan Jesus Christus ablegen oder soll ich es lassen? Wiekönnen Katholiken spüren, dass ich nicht über dierömische Instanz richten will noch kann, sondern dasses mir vielmehr um das Aufdecken einiger Ereignissegeht, die – der Bibel zufolge – im Widerspruch zuJesus Christus stehen. Der Apostel Paulus fordert dieChristen auf: »Prüft, was dem Herrn gefällt, und habtnichts gemein mit den Werken der Finsternis, diekeine Frucht bringen, sondern deckt sie auf« (Ephe-ser 5,10-11).

Öffentlich, vor dem Volk, stellte Jesus die wahrenAbsichten der religiösen Obrigkeit bloß, deckte sieauf. Denn Gottes Wille soll überall allen erkennbarsein und immer offen bleiben. Das Volk damals ver-traute blind seiner religiösen Obrigkeit, weil diesesich als Gottes Freunde ausgab.Das Volk liebte Jesusund erkannte mehr und mehr den Unterschied zwi-schen dem Willen Gottes und dem ihrer religiösenFührer. Das Volk pries Gottes Großtaten, währenddie religiösen Führer ihre Posten und Sicherheitengefährdet sahen. Sie beschlossen, Jesus mit allen Mit-teln in der Öffentlichkeit zu denunzieren, zu diffa-

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mieren und zu töten (Johannes 5,18; 7,17.19). Sokonnten sie die religiösen Massen verunsichern.

Jesus prophezeit: »Und ihr werdet um meines Na-mens willen von allen gehasst werden; wer aber biszum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet … EinJünger steht nicht über seinem Meister … wenn manschon den Herrn des Hauses Beelzebul nennt, dannerst recht seine Hausgenossen« (Matthäus 10,22-25).

Mit Geld- und seelischem Druck, mit Drohungenund Versprechungen brachten sie zuletzt – man be-denke – »im Namen Gottes« den Großteil des Volkesgegen Jesus auf (Johannes 9,22; 12,10-11.42; 16,2;Matthäus 28,11-15).

Jesus kam, um den Willen des Vaters zu tun. Wo erdiesen Willen durch religiöse Führer verändert vor-fand, scheute er sich nicht, sie mit harten Wortenzurechtzuweisen. Über die Hohenpriester, Pharisäerund Schriftgelehrten, die vor dem Volk die Wahrheitverdrehten, sie ihm vorenthielten und mit eigenenIdeen und Menschensatzungen ausfüllten, sagte erdeshalb schonungslos: »Ihr seid aus dem Vater, demTeufel« (Johannes 8,44), »Heuchler, blinde Führer,übertünchte Gräber, Totengebein, Schlangen- und Ot-ternbrut« und verhieß ihnen das ewige Gericht, demsie nicht entgehen würden (Matthäus 23 u.a.).

Da ich gegen keinen einzigen Menschen Hass oderVerachtung im Herzen trage, weil ich um die mensch-lichen Unzulänglichkeiten weiß, wäre es mir dennochnicht zu entschuldigen, wollte ich um freundschaft-licher Banden willen Unwahrheiten übergehen oderverschönern. Sicher entspräche es meinem natürli-chen Wesen, mit allen und mit jedem Menschen Frie-den zu haben. Manche Feindschaft und Ablehnungkönnte ich mir und meiner Familie ersparen. Jesus

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lehnt aber jeden faulen Frieden mit der Welt ab. Wasdie Welt und die religiösen Institutionen unter Liebeverstehen, widerspricht oft bei weitem dem, was Je-sus Christus unter Liebe gelehrt und gelebt hat. Ersagt: »Bleibet in meiner Liebe« (Johannes 15,9).

Der Apostel Johannes lehrt: »Wer sich aber an seinWort hält, in dem ist die Gottesliebe wahrhaft voll-endet« (1. Johannes 2,5).

In seiner Liebe zum Vater und zu den Menschenmusste Jesus jene, die den Willen des Vaters zur Han-delsware degradiert hatten, aus dem Tempel werfen.»Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alleaus dem Tempel hinaus …« (Johannes 2,15).

Er nannte Petrus Satan, weil dieser irdische Mensch-lichkeit dem göttlichen Willen vorziehen wollte:»… und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh miraus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denndu hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern wasdie Menschen wollen« (Matthäus 16,23). Von Hero-des sagt Jesus: »Geht und sagt diesem Fuchs …« (Lu-kas 13,32).

Diese Liebe erlaubt keine Kompromisse, wenn esum die Nachfolge Jesu, die Erfüllung seines Willensund die Verkündigung seiner Heilsbotschaft geht. Je-sus Christus fordert uns zum freimütigen Bekenntnisauf, wenn wir in der Stunde unseres Todes nicht vonihm verleugnet werden wollen. Darum sagt er: »Dennwer sich meiner und meiner Worte schämt unter die-sem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, des-sen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen,wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Va-ters mit den heiligen Engeln« (Markus 8,38).

Mörel/Breiten 1991/1997

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19. Oktober 1988:Verworfen und denunziert

Aus der röm.-kath. Gemeinschaft exkommuniziert(ausgeschlossen), verließ ich am 19. Oktober 1988das bischöfliche Palais von Sitten. Was soeben gesche-hen war, hockte noch zutiefst in meiner Seele, alsdass ich mich würdig gefühlt hätte, für den HerrnJesus Christus zu leiden und mich wie einst die Jün-ger Jesu hätte freuen können. Denn ich musste michzwischen dem von mir hochgeschätzten Bischof Hein-rich Schwery, einem Vertreter der altehrwürdigen,mächtigen römischen Kirche, und dem »unbedeuten-den« Jesus von Nazareth entscheiden. Ich entschiedmich für den »Schwächeren«.

Es schien mir, als verlöre ich soeben einen sehrguten Freund, weil Jesus Christus dazwischen getre-ten war. Gerade wegen dieser von Christus Jesus indie Welt gesetzten Tragik, die Menschen auseinan-derreißt, bleiben die Worte der Apostel vor dem pries-terlichen Hohen Rat auch meine Worte: »Petrus aberund Johannes antworteten und sprachen zu ihnen:Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören alsauf Gott, urteilt selbst … Petrus und die Apostel aberantworteten und sprachen: Man muss Gott mehr ge-horchen als Menschen« (Apostelgeschichte 4,19;5,29). Auch der Bischof wird sich zwischen diesenbeiden – dem mächtigen Rom und dem verachtetenJesus von Nazareth – entscheiden müssen! In den fol-genden Tagen riefen mich Priester an und erkundig-ten sich nach meinem Wohlergehen. Als mich ein

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Priester fragte, wie ich mich bei der psychiatrischenBehandlung fühle, fragte ich ihn, worauf er eigent-lich hinaus wolle. Er entschuldigte sich und las mirdie Stellungnahme des bischöflichen Ordinariates vor,die an alle Pfarrämter und Geistlichen der DiözeseSitten und darüber hinaus verschickt worden war.Darin wurde ich gemäß kirchlichem Recht, nachKanon 1044 § 2, für geistesgestört und psychischkrank erklärt.

Das Vorgehen der Kirchenobrigkeit traf mich wieein Dolch ins Herz.

Ein Vertreter des Pfarreirates von Grächen mein-te: »Wenn die in Sitten zu solchem Rufmord fähigsind, werden sie auch fähig sein, dich aus der Welt zuschaffen, ohne dass jemand nur den Gedanken anihre Täterschaft hätte.«

An jenem Morgen in der Frühe rief mich der bi-schöfliche Offizial von Basel an, mit dem ich durchseine Ferienaufenthalte in Zermatt und durch die ka-tholisch-charismatische Bewegung befreundet war. Erteilte mir mit, dass ich exkommuniziert sei. Die Offi-ziale der Schweizerdiözesen trafen sich in Deutsch-land mit anderen europäischen Eherichtern. Bei die-ser Gelegenheit teilte Dr. Paul Werlen, der WalliserEherichter, Dr. Alfred Bölle mit, dass ich vom katho-lischen Glauben abgefallen und in der gegebenen Si-tuation die Exkommunikation notwendig gewordensei. Dr. Bölle versuchte diese Exkommunikation zuverhindern, bat mich aber inständig, von seinem Na-men keinen Gebrauch zu machen, woran ich bis hier-her, zehn Jahre danach, auch festgehalten habe.

Dr. Winfried Blasig, röm.-kath. Theologe, schreibtin seinem Buch »Christ im Jahr 2000«: »Vor allenanderen aber ist Jesus von Nazareth von seinen geist-

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lichen Oberen exkommuniziert und umgebracht wor-den; nach ihm haben die elf getreuen Apostel undPaulus ein ähnliches Schicksal erlitten. Judas entgingder Exkommunkation! Wer des geistlichen Schwer-tes sich bedient, der muss also sehr ernst bedenken,auf wessen Seite er sich stellt.«1 Blasig fährt fort: »Wasdiesen verschiedenen Abweichlern gemeinsam ist,liegt in der Behandlung, die ihnen zuteil wird: dieVerfolgung, die negative Deutung ihrer Lehren undLebensweisen, die Unterdrückung ihrer Wahrheit, dieAbweisung ihres Protests, die moralische Abwertung,die Unterstellung unredlicher Motive oder der Geis-teskrankheit. Angefangen von Jesus, dem man Be-sessenheit vorwarf, bis zu den Abweichlern gegen-über Staatsideologien oder Staatskirchentum … Alldies hat Jesus am eigenen Leib erfahren wie keinZweiter.«2

Zwei Kirchenrechtler hatten mir auf meine Anfra-ge hin die Exkommunikation bestätigt. Ein Kirchen-rechtler, den ich um Rat fragte, forderte mich auf,vom Bischof sofort eine Klarstellung zu Kanon 1044§ 2 zu verlangen. Bis heute ist meine schriftlicheAnfrage (siehe Seite 14) unbeantwortet geblieben!

Was uns alle bestürzte und einen Medienrummelauslöste, war nicht so sehr meine Absicht, die röm.-kath. Kirche demnächst verlassen zu wollen, sonderndie Art und Weise, wie die kirchliche Obrigkeit mich(und damit auch den Laientheologen mit seiner Frauund seinen Kindern, sowie die Pfarrhelferin und dieSekretärin, die finanziell von mir abhängig waren)nach einer Stunde Verhör auf die Straße setzte. Dasganze Vorgehen war kirchenrechtlich unhaltbar.

Die Zahl der Priester, die heute die röm.-kath. Kir-che verlassen, sich ganz unter das Evangelium stellen

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Brief an den Bischof, »Beschlussfassung meiner Exkommunikation«

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und ihr christliches Zeugnis ohne Rom leben, wirdimmer größer. Sie werden suspendiert, das heißt ih-res Amtes enthoben, aber selten exkommuniziert.

Viele fragen sich, warum eine Exkommunikation,warum dieser Rufmord mit Kanon 1044 § 2 und war-um in aller Öffentlichkeit? Das bischöfliche Doku-ment bahnte sich von den Pfarrämtern schnell einenWeg in die Öffentlichkeit.

Durch die Exkommunikation wurde bei unseremstreng katholischen Volk der Verdacht erweckt, dassich mich doch eines schwerwiegenden Deliktes schul-dig gemacht haben müsse und die kirchliche Obrig-keit mich durch ihr Stillschweigen schützen wolle.

Die ganze Situation wurde noch dadurch ver-schärft, dass in den folgenden Tagen weder der Pfar-rei- noch der Gemeinderat von Grächen offiziell vombischöflichen Ordinariat über meinen Ausschluss in-formiert wurden.

Nachdem Protest und Missmut in der Öffentlich-keit zunahmen, geriet das bischöfliche Ordinariat ineine gewisse Verlegenheit. Eine weitere Begebenheitsollte das ganze noch schüren. Das Ordinariat batden Walliser Radiosprecher von DRS-Aktuell und diePresse, den Ausdruck Exkommunikation in der Öf-fentlichkeit nicht zu benutzen. Man solle von Sus-pension reden und schreiben. (Generalvikar Franzis-kus Lehner bestätigte dies bei der außerordentlichenGeneralversammlung des Gemeinde-, Burger- undPfarreirates von Grächen am 27. Oktober 1988 inGrächen. Ebenso bestätigte er vor den Anwesendenmeinen Ausschluss als Exkommunikation.)

Dadurch sollte unter dem Volk das Vorgefalleneverharmlost und die Gemüter beruhigt werden. DieVerwirrung war perfekt.

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15. August 1988:Die Marienpredigt

Jener Montag, der 15. August 1988, sollte zum Aus-löser für viele Stunden sowohl der Betrübnis als auchder Freude werden. An diesem Tag begeht die katho-lische Kirche das Fest der leiblichen Aufnahme Ma-rias in den Himmel (Mariä Himmelfahrt). Im katho-lisch-volkstümlichen Verständnis ist dies zugleich dieAuferstehung Marias, weil Maria den Thron der Re-gentschaft mit dem auferstandenen Herrn Jesus Chris-tus im Himmel teilt. In einer touristischen Regionwie dem Wallis herrscht an den Sommerwochenen-den auch für den Pfarrer Hochbetrieb. Dann balltsich an Familien-, Vereins- und Volksfesten, an Hoch-zeits-, Tauf- und Einsegnungszeremonien ein regel-rechter Messelese- und Weihwasserwettstreit beson-derer Art zusammen.

Ähnlich erging es mir. Am Montag, dem 15. Au-gust, sollte ich also eine Marienpredigt halten. DieHeilige Schrift lässt uns den Kampf Marias zwischender jüdischen Synagoge auf der einen und der Ent-scheidung für Jesus auf der anderen Seite erkennen.Maria ist mir gerade darin ein unentbehrliches, leuch-tendes Beispiel geworden. Wie sollte ich nur den Got-tesdienstbesuchern aufzeigen, wie beispielhaft undnachahmenswert Maria, die Mutter Jesu, handelte,wie verehrungswürdig sie ist nach dem biblischenWort: »Siehe, von nun an preisen mich selig alle Ge-schlechter« (Lukas 1,48)? Wie konnte ich ihnen aberauch die verabscheuenswürdige Anbetungspraxis in

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der katholischen Kirche aufzeigen, die in Wirklich-keit den antiken Himmelsgöttinnen und deren Söh-nen gilt?

Da ich mich für einige Tage auswärts aufgehaltenhatte und in der überkonfessionellen Schule JMEM inWiler bei Biel über die röm.-kath. Kirche sprach, ge-riet ich unter Zeitdruck. Zu Hause angelangt, erwar-tete mich die Sekretärin mit einigen Broschüren »War-um weint Maria?« Diese Broschüren hatten uns un-bekannte Leute im Dorf verteilt. Der Inhalt löste imDorf Fragen aus. Einige Leute erkundigten sich perTelefon, was man wohl davon halten sollte.

Kurzerhand entschloss ich mich, darüber zu predi-gen. Im Beichtstuhl durchstreifte ich den Text und er-kannte, dass dieser wohl weitgehend auf geschichtli-chen Tatsachen beruht. Mit einigen Notizen aus die-sem Büchlein und mit Schrifttexten hielt ich dann ziem-lich spontan die Mariä-Himmelfahrts-Predigt. Nebenden offiziellen Gottesdiensten stand ich an diesem Tagnoch zwei Hochzeiten mit Messe im Nachbardorf St.Niklaus vor. Ich bat die Sekretärin, die Predigt vom17.30-Uhr-Gottesdienst auf Tonband festzuhalten. Einehörbare Unterlage bei diesem heiklen Thema schienmir angebracht. Dieses Predigtthema bietet unter Ka-tholiken wie unter anderen religiösen Gemeinschaf-ten und Christen immer wieder Stoff zu Kontrover-sen. Zudem gab es eine Reihe von interessierten Ein-heimischen und Gästen, die gerne eine Kopie von mei-nen Marienpredigten haben wollten. Hier nun diespontan gehaltene Predigt vom 15. August 1988:

Liebe Brüder und Schwestern!In letzter Zeit hatten viele Leute hier im Wallis einBüchlein zugestellt bekommen mit dem Titel »War-

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um weint Maria?«, mit dem Bild der Madonna vonLa Salette, die da weint. Ich erhielt einige Telefonan-rufe, mit der Frage, ob denn das stimme, was da drinstehe, und auf der Straße hat man mich gefragt, wasman davon halten solle. Ich habe das Büchlein gele-sen und auch im Zusammenhang mit anderen Aussa-gen versuche ich nun aufzuzeigen, was das Büchleinsagt und woher der Unterschied zwischen Maria, derMutter Jesu, und der berühmten Gottesmutterkommt, welches die Kennzeichen der beiden Frauensind. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen dem,wie Gott, der Herr, uns Maria in der Heiligen Schriftzeigt, wie die Zeugen zur Zeit Marias, die mit ihrlebten, uns Maria schildern, und jenen, die 1800 Jah-re später über Maria etwas wissen wollen. Ich glau-be, es leuchtet einem jeden von uns ein, dass jene, diemit einem Menschen leben, ihn besser kennen, als jene,die 300 Jahre später über den Mensch etwas aussa-gen wollen. Ich glaube, dass die Aussagen der Jünger,der Apostel des Herrn, über Maria entscheidend sindund nicht was Menschen nachher darüber sagen.

Maria, die Mutter des Herrn, ist eine große Frau,eine verehrungswürdige Frau. In dieser Broschürewird uns aufgezeigt und geschichtlich fundiert, dasses sich bei der Frau, die viele unwissentlich vereh-ren, nicht um Maria handelt. Es wird hier geschicht-lich aufgezeigt – und das stimmt auch – wie damalsin Babylon, Babylonien, eine satanische »Jungfrau«namens Semiramis die Macht an sich gerissen undsich immer mehr Völkerstämme unterworfen hat:Diese Semiramis war eine tolle Frau und stark; siewar voller Lust und Abenteuer, voller Unzucht undBosheit; sie war grausam, denn sie hatte Freude dar-an, Menschen zu Tode zu quälen.

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Die Menschen hatten eine solche Angst vor ihrerMacht, weil sie eine dämonische Frau war, und sieglaubten, dass Gott in ihr wirke, weil sie so mächtigwar. Darum nannten die Menschen sie schon zu Leb-zeiten »Gottesmutter, Mutter des Himmels, Königin,Allmächtige, der alles unterworfen ist«.

Semiramis war verheiratet mit Nimrod. Er war so-wohl ihr Sohn wie auch ihr Mann. Nimrod starb früh-zeitig. Semiramis verlangte vom Volk göttliche Ehrefür ihren Sohn und Mann. So wurde dem Sohn gött-liche Ehre zuteil und ihr, der Mutter, wurde ebender Name Gottesmutter gegeben. Als Semiramis demTode nahe war, versuchte sie, die Menschen nocheinmal zu knechten und zu unterjochen, damit siesie auch nach ihrem Tode verehren würden. Schonzu Lebzeiten ließ sie dann von sich und ihrem SohnTammuz kleine Statuen machen, die darstellen, wiesie diesen Sohn in den Armen hält. Als sie starb, warganz Babylon, das heutige Arabien und all diese Ge-biete, ihr unterworfen und die Menschen waren soeingeschüchtert, dass sie überall diese Frau verehr-ten – und zwar mit Zittern und Schrecken, denn siehatten die Grausamkeit erlebt. Der Kult dieser Got-tesmutter Semiramis breitete sich von dort über dieganze Welt aus. So hatten auch bald die Germaneneine ähnliche Gottheit wie Semiramis. Ebenso dieMenschen anderer Völker.

In vielen Ländern war die Muttergottheit das größ-te, weil die Frau die Gebärende ist, und so hatte maneine nähere Beziehung zu diesem Wesen.

Wir wollen einmal kurz eine Geschichte hören, alsder Apostel Paulus nach Ephesus kam – das ist eineStadt in der heutigen Türkei – denn diese Stadt warein Wallfahrtsort der Artemis, ähnlich der Semira-

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mis. Aus der ganzen umliegenden Welt kamen dieMenschen und pilgerten zu dieser Frau und brachtenihr Kuchen und Dinge dar, in der Hoffnung, dass sieihnen in allen Belangen helfen würde. Paulus betratnun diese Stadt und verkündete, welch einer Irrlehresie da anhingen, dass eben diese Artemis eine satani-sche Frau sei und dass Christus gekommen wäre, umdie Menschen auf der ganzen Welt von dieser Mut-tergottheit zu befreien. Wir lesen im Kapitel 19 derApostelgeschichte, was in Ephesus geschehen ist; undes ist ganz interessant, wie gebunden die Menschendort waren. Es heißt dort: »In den nächsten drei Mo-naten ging Paulus regelmäßig in die Synagoge.« Erwar ja selbst Jude und wollte dort die Juden zumChristentum bekehren. »Dort verkündigte er ohneScheu, dass Gott durch Jesus Christus seine Herrschaftaufrichtet, setzte sich mit den Einwänden der Zuhö-rer auseinander und suchte sie zu überzeugen. Abereinige der Juden verschlossen sich der Botschaft; siewollten sich nicht überzeugen lassen. Als sie schließ-lich vor allen anderen die neue Lehre über Jesus ver-spotteten, kehrte Paulus ihnen den Rücken; er löstesich von der Synagoge mit jenen, die glaubten. Vonnun an sprach er täglich in einem Saal eines Grie-chen, namens Tyrannus. Volle zwei Jahre lehrte erdort; so konnten die Bewohner der Provinz, Judenwie Griechen, die Botschaft Jesu hören und Gott ließdurch Paulus ganz große Dinge geschehen …«

In dieser Zeit kam es wegen der neuen Lehre (we-gen Jesus) zu schweren Unruhen in Ephesus. Es gabdort nämlich einen Silberschmied namens Demetri-us, der silberne Nachbildungen vom Tempel derGöttin Artemis verkaufte; das brachte ihm und derganzen Stadt und allen, die er beschäftigte, einen schö-

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nen Gewinn ein. Dieser Demetrius rief alle, die indiesem Gewerbe tätig waren, zusammen und sagte:»Männer, ihr wisst, unser ganzer Wohlstand hängtdavon ab, dass wir diese Nachbildungen herstellen.Und ihr werdet erfahren haben, dass dieser Paulusden Leuten einredet: Götter, die man mit Händenmacht, sind ja gar keine Götter. Er hat mit seinenReden nicht nur hier in Ephesus Erfolg, sondern fastüberall in der Provinz Asien. Deshalb besteht die Ge-fahr, dass er nicht nur unseren Handel in Verrufbringt. Stellt euch vor, es würde soweit kommen, dassder Tempel der großen Göttin Artemis seine Bedeu-tung verliert! Stellt euch vor, dass die Göttin selbstin Vergessenheit gerät, die heute überall in unsererProvinz und in der ganzen Welt verehrt wird!« Alsdie Männer das hörten, wurden sie wütend auf Pau-lus und riefen: »Groß ist die Artemis (Muttergottes)von Ephesus!«

Die Unruhe breitete sich in der ganzen Stadt aus.Gaius und Aristarch, die sich Paulus in Mazedonienangeschlossen hatten, wurden von der Menge gepacktund zum Theater geschleppt. Paulus wollte sich derMenge stellen, aber die Brüder ließen ihn nicht ausdem Haus. Auch einige hohe Beamte der Provinz,die ihm freundlich gesonnen waren, warnten Paulusdurch Boten davor, sich im Theater sehen zu lassen.

Unter den dort Zusammengeströmten herrschtegroße Verwirrung. Alle schrien durcheinander unddie meisten wussten nicht einmal mehr, worum esging. Die Juden schickten Alexander nach vorn. Ei-nige aus der Menge erklärten ihm den Anlass. Dawinkte er mit der Hand, und wollte vor dem Volkeeine Verteidigungsrede für die Juden halten. Aber alsdie Leute merkten, dass er Jude war, schrien sie ihn

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nieder und riefen zwei Stunden lang im Chor: »Großist die Artemis von Ephesus!« Nach zwei Stundengelang es dem Sekretär der Volksversammlung, dieMenge zu beruhigen.

Die Geschichte geht dann sehr interessant weiter.Paulus spürte, dass die Männer von dieser mächti-gen Frau abhängig waren. Sie konnten nicht frei wer-den. Paulus musste weiter nach Mazedonien und ließdann Timotheus zurück, damit er die kleine Chris-tengemeinde betreute, die sich für Jesus entschiedenhatte. Aber die Macht gegen Paulus, gegen das Chri-stentum, war sehr stark.

Und nun eine interessante Tatsache, die geschicht-lich auch belegt ist. Ich lese aus dem Büchlein vonRottmann »… und werden den Lehren der Dämo-nen anhangen«: »In Ephesus gab es nach diesem Er-eignis ein klar getrenntes Nebeneinander von Hei-dentum und Christentum«1 – nachdem die erstenChristen in der Stadt waren – »bis der römische Kai-ser Theodosius I.«2 – und das ist für uns Katholikensehr wichtig – »im Jahre 391 das Christentum zurStaatsreligion erhob und alle heidnischen Kulte ver-bot.«3 Bis dahin hatten die Kaiser die Christen grau-sam verfolgt, wie wir das sicher alle wissen. Aber dadas Römische Reich immer christlicher wurde, trotzder grausamen Verfolgungen, kam der Thron in Romins Schwanken und Theodosius entschied sich einesBesseren … Rottmann schreibt dazu: »Für diejeni-gen unter den Ephesern, die bisher ihrer Traditionund dem heidnischen Glauben an Artemis treu ge-blieben waren, kam nun eine schwere Zeit. Sie muss-ten sich dem Glauben an eine Vatergottheit unter-ordnen, obwohl sie im Herzen an der Muttergott-heit festhielten«,4 – der sogenannten Semiramis oder

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Artemis. »Aber nur 40 Jahre später, im Jahre 431,brachte das Konzil von Ephesus eine entscheidendeWende. Zwar wurde die Anbetung der Artemis nichtwieder erlaubt, aber die christliche Kirche bezeich-nete Maria [nicht mehr als Mutter Jesu, sondern alsjene, die Gott geboren hatte] als Gottesgebärerin undbegann sie gleichzeitig als Gottesmutter zu vereh-ren.«5 Damit wurde Maria entwürdigt und zu einerGöttin gemacht, die sie nie war und nie sein wollte.Nun hatten die Epheser wieder ihre Göttin, einenErsatz für die Artemis, denn unzählige Heiden ström-ten zur Zeit des Theodosius in die christlichen Ge-meinden ein und nahmen ihren Götterglauben mit,den sie im Herzen trugen. Maria wurde nun Gottes-mutter, Himmelskönigin, jene Frau, die früher ebendie Artemis war, die Semiramis. »Die Verkündigungdes Dogmas von der Gottesgebärerin wurde von derBevölkerung in Ephesus mit ungeheurem Jubel auf-genommen«6 und der alte Kult wurde nun katholischweitergetragen bis zur heutigen Zeit.

Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir das hö-ren – wir könnten als Vergleich noch viele andereParallelstellen bringen –, dann dünkt uns das allessehr eigenartig und manche könnten meinen: Ja, derPfarrer da vorne, der ist einfach gegen Maria. Aberich glaube nochmals sagen zu müssen: Es ist ein Un-terschied, ob man gegen die Gottesmutter ist odergegen Maria. Eine Gottesmutter gibt es im christli-chen Glauben nicht. Es gibt nur eine Mutter Jesu,jene, die uns Jesus geboren hat. Alles andere ist nichtchristlich. Wir können dies in den Schriften nachle-sen, die uns die Jünger überliefert haben.

Paulus hat dann an Timotheus zwei Briefe geschrie-ben – nach Ephesus – und dort lesen wir, wie Paulus

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Timotheus mahnt, treu zu bleiben – und wie sich zurZeit des Theodosius die Christen gegen dieses Dog-ma zur Wehr setzten: Denn die Christen sagten, dasist das Schändlichste, was ihnen widerfahren kann,denn so werden die Menschen sich nie mehr bekeh-ren. Sie werden das Heil nicht mehr finden, denn siewerden von der uralten Muttergottheit geknechtetsein. Paulus schreibt dann in den Timotheusbriefen:Es gibt keinen Mittler, Fürsprecher und Vermittlerzwischen Gott und den Menschen, einzig Jesus Chris-tus (vgl. 1. Timotheus 2,5). Und er schreibt an eineranderen Stelle: Wenn jemand andere Mittler kenntzwischen Gott und den Menschen außer Jesus Chris-tus und das Wort anders deutet, die Menschen an-ders lehrt, als wie Gott gelehrt hat – er sei verflucht!(vgl. Galater 1,8). Auch die Jünger Petrus und Jo-hannes bekennen einmütig: Es gibt keinen Mittleraußer Jesus Christus. In ihm allein finden die Men-schen das wahre Heil und den Segen für ihr Leben(vgl. Apostelgeschichte 4,12).

Nun etwas ganz Interessantes, was viele Seelsor-ger auch feststellen können. Menschen, die nicht dieMaria, die Mutter des Herrn ehren, sondern eineMuttergottes anbeten, eine Himmelskönigin, bei de-nen tritt eigenartiger Weise immer dasselbe Symptomauf: Diese Menschen finden oft im Glauben keinenFrieden. Es sind sehr oft Menschen, die zwar strengreligiös sind, sich aber sexuellen Ausschweifungenhingeben und ganz gebunden an eine mächtige Frausind. Es sind Menschen, die sich gerne der Unzuchthingeben, aber eben immer wieder von dieser Frauabhängig sind. Es sind Menschen, die auch dem Al-koholismus verfallen sind, die oft schwere Depres-sionen haben. Das heißt aber nicht, dass alle Men-

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schen, die Depressionen haben, hier einzugliedernsind. Es sind Menschen, die oft eine starke Angst vorJesus haben, die sich auch gegen das Evangelium,gegen die Heilige Schrift stellen, weil sie an diesemächtige dämonische Frau gebunden sind. Es sindMenschen, die trotz vieler Gebete keinen Frieden ha-ben und nicht die Kraft finden, sich zu versöhnen,wenn sie beten. Man könnte noch viele Symptomeaufzeigen, die im Laufe der Zeit festgestellt wordensind. Darum möchte ich alle einladen, ihre Beziehungzu überprüfen: Danke ich Gott für Maria, die Mut-ter des Herrn? Bete ich Gott allein an, aber dankeihm für das Beispiel Marias? Ist mir Maria ein leben-diges Beispiel im Glauben, oder bete ich Maria an,das heißt, bete ich zu einer Himmelskönigin? Hiertrennen sich die Christen von einem anderen Glau-ben!

Ich möchte euch sagen, liebe Brüder und Schwe-stern, dass das nicht von mir stammt. Ich denkemanchmal, als Priester hat man eine große Verant-wortung, und vielleicht muss ich demnächst schonvor den Richterstuhl Gottes treten, aber ich möchtenicht zu jenen gehören, die einfach eine uralte Tradi-tion weitergeben, weil sie Angst haben. Ich glaube,wir sollten niemanden fürchten und ehren als Gottallein! Wie viele Menschen – heute – erkennen das?Auch Priester wissen ganz genau, dass sie, wenn sievon einer Himmelskönigin sprechen, im Grunde ge-nommen den alten, alten Geist der Semiramis wei-tertragen; und sie wissen ganz genau, wie viele Men-schen in diesem Glauben unglücklich bleiben, abersie haben nicht die Kraft, Maria in den Mittelpunktzu stellen, im Kontrast zur Himmelsgöttin. Ich möch-te euch sagen, als Priester hat man die Verantwor-

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tung und die Pflicht, das zu lehren, was Gott, derHerr, gelehrt hat. Ich möchte darum bitten, dass nie-mand böse auf mich ist, ich sage nur das, was dieBibel sagt, und die Bibel ist Gottes Wort. Stellt euchvor, ich würde etwas anderes lehren – und das mitpathetischer Begeisterung – was käme da heraus? DieMenschen würden in ihrer Sünde und in ihrem altenLeben festgefahren bleiben und es brächte keinemNutzen und Heil. Darum möchte ich uns einladenunser Glaubensleben zu prüfen und wenn man schonzornig sein will, dann auf Gott direkt, denn er ist derHerr!

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28. August 1988:Abflug nach Kenia

In den Gottesdiensten vom 20. /21. August 1988 teil-te ich der Pfarrgemeinde mit, dass ich nach Kenia flie-gen werde, um meine Lebenssituation vor Gott neu zuüberprüfen – »natürlich mit der Bibel unter dem Arm«,so sagte ich. Die Leute schmunzelten, denn ich war als»Bibeltätscher« bekannt. (Ein »Bibeltätscher« ist einer,der von der Bibel, von Gott und seinem Wort begeis-tert ist und immer wieder darauf hinweist.) Am 27.August 1988 reiste ich mit meiner früheren älterenPfarrhaushälterin Rosa Fux nach Zürich. Am 28. Au-gust 1988 flogen wir nach Kenia zu ihrem Bruder Er-win, der sich dort als Rentner niedergelassen hatte. Inseiner kleinen Buschlandprärie am Indischen Ozean,fernab vom kenianischen Hotel- und Touristenbetrieb,schöpften wir neue Kraft für das Kommende. Ich sahmich in dieser Zeit vor eine wichtige Entscheidunggestellt. Die inneren Kämpfe, denen ich von Jahr zuJahr mehr und mehr ausgesetzt war, verlangten vonmir eine Entscheidung, die unser katholisches Volkwohl nicht verstehen würde. Auf der einen Seite zeig-te mir die Heilige Schrift ganz klar auf, dass das Heilnur in Jesus Christus geschenkt und gelebt wird. Aufder anderen Seite erkannte ich, wie die vielen religiö-sen Bräuche und Kirchenlehren Roms das Volk in ei-ner großen Unwissenheit gefangen halten und von ei-nem befreiten, geheilten und verantwortungsbewus-sten Christenleben abhalten. Mir wurde bewusst, dassmich gute Menschen, die mich bisher wie einen klei-

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nen Gott verehrten, in die Unterwelt fallen lassen wür-den. Die Unkenntnis und die Unwissenheit gerade die-ses einfachen katholischen Volkes und der Schmerz,dem sie durch meine Entscheidung ausgesetzt sein wür-den, hielt mich lange vor weiteren Schritten zurück.

In Kenia, im Oktober 1988, entschloss ich mich,den Bischof in Sitten aufzusuchen, um mit ihm dieMöglichkeit zu besprechen, mich auf Ostern oderSommer 1989, wenn die Pfarrversetzungen in der Di-özese Sitten vorgenommen werden, aus dem Dienstzu entlassen. Meine Absicht war, in aller Stille dasWallis zu verlassen und als Christ nach der biblischenLehre zu leben. Es sollte aber alles anders kommen!

Während meines Aufenthalts in Kenia zirkulier-ten unter den Geistlichen Abschriften meiner Mari-enpredigt. Als ich am 27. September 1988 zurück-kam, informierte mich mein Pfarrvertreter, Pater EdiHorat, dass eine Predigt von mir im Umlauf sei unddass darüber gesprochen werde. Der Nachbarpfar-rer wollte ihm aber die Kopie nicht aushändigen, wasihn skeptisch stimmte.

Was war geschehen? Generalvikar F. Lehner hatteeine Kassette der Marienpredigt erhalten und diesezu Papier gebracht, vervielfältigt und als Hetzkam-pagne gegen mich unter einigen Priestern verteilt.

Kaum war ich von Kenia heimgekehrt, besuchtenmich unabhängig voneinander zwei Personen aus derPfarrei und teilten mir mit, ich sei exkommuniziert.Ich lachte darüber und sagte ihnen: »Wenn ich an-hand dieser Predigt oder irgendeiner Äußerung ex-kommuniziert werden sollte, dann müsste im Ober-wallis beinahe jeder Geistliche unter das päpstlicheHackbrett.« Doch beide bestanden mit Vehemenz aufdem Gesagten.

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13. Oktober 1988:Gespräch um Maria in Saas-Grund

Nach meiner Rückkehr aus Kenia wartete eine Men-ge Arbeit auf mich, sodass ich nicht gleich ein Tref-fen mit dem Bischof vereinbaren konnte. Eines Ta-ges rief Dekan Josef Zimmermann an, der im Deka-nat Visp die Angelegenheiten zwischen Bischof undKlerus vertrat, und lud mich zu einem Gespräch nachSaas-Grund ein. An diesem Gespräch sollten er alsDekan, Rektor Stefan Schnyder, Spezialist für Kirch-recht, Generalvikar Franziskus Lehner und ich teil-nehmen. Thema: Marienpredigt vom 15. August1988. Ich bat den Dekan um eine Unterredung untervier Augen. Er sagte, das sei leider nicht möglich,denn die Angelegenheit habe offiziellen Charakter.Ich fragte ihn: »Weshalb ein so großes Aufgebot?«»Der Bischof will es so haben«, war seine Antwort.Ich willigte ein.

Am Donnerstag, 13. Oktober 1988, fanden wiruns im Pfarrhaus von Saas-Grund ein. Der General-vikar – bemüht, das Unbehagen aufzulockern – sprachlange über die Methode seiner Schlankheitskur. Alsder Dekan dann zu Wort kam und zum eigentlichenThema vorstieß, hüllte sich der Generalvikar für mehrals zwei Stunden in ein mysteriöses Schweigen, dasmich skeptisch stimmte.

Bischof Heinrich Schwery hatte dem gerichtlichenDreigestirn den Auftrag gegeben, mich über die Pre-digt vom 15. August zu hören und meine Haltungprotokollarisch festzuhalten. Mir wurde der Vorwurf

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gemacht, dass ich in dieser Marienpredigt die Gott-heit Jesu geleugnet habe.

Wenn Jesus Sohn Gottes sei, dann sei Maria Got-tesmutter. »Wer nicht bekennt, das Maria Gottesge-bärerin ist, der sei ausgeschlossen«, definiert das Kon-zil von Ephesus im Jahre 431. Wenn ich also Maria,die Mutter Jesu, nicht als Gottesmutter bezeichne,weil ich der Gefahr einer missratenen, unbiblischenTheologie mit verheerenden Auswirkungen in derVolksfrömmigkeit entgegenwirken möchte, so negiereich keinesfalls die Gottheit Jesu. In dieser Marien-predigt habe ich lediglich aufzuzeigen versucht, dassein himmelweiter Unterschied besteht zwischen derMutter Jesu einerseits, wie sie uns die Zeugen ihrerZeit schildern, die Evangelisten und Apostel, und denaltertümlichen Muttergottheiten oder Himmelskö-niginnen, mit Mutter und Sohn dargestellt, anderer-seits. Einige bedeutende Namen dieser Großen Mut-ter sind: in Assyrien Ischtar, die Frau, mit Tammuz,ihrem Sohn; in Ägypten Isis und Osiris; in PhönizienAstarot und Baal oder auch Tammuz; in Griechen-land Aphrodite und Eros; in Rom Venus und Amor.Diese Art der Anbetung wurde in Babel geboren undist sich über die Jahrtausende äußerst ähnlich geblie-ben. Kennzeichnend sind die beiden Mutter- undSohnfiguren. Der Himmelskönigin wurden Kuchengebacken und geweiht. Auch Weihrauchopfer wur-den ihr dargebracht. Die Propheten haben im Auf-trag des Herrn heftig gegen diesen Kult ermahnt. InJeremia 44 erleben wir diese tiefgründige Auseinan-dersetzung zwischen Gott und seinem Volk: »Was dasWort betrifft, das du im Namen des Herrn zu unsgeredet hast, so werden wir nicht auf dich hören,sondern wir wollen bestimmt all das tun, was aus

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unserem eigenen Mund hervorgegangen ist, der Kö-nigin des Himmels Rauchopfer darbringen und ihrTrankopfer spenden, so wie wir es getan haben, wirund unsere Väter, unsere Könige und unsere Obers-

Schwarze Madonna ohne Behang in der Kloster- und Wallfahrtskir-che zu Einsiedeln.

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ten, in den Städten Judas und auf den Straßen vonJerusalem« (Jeremia 44,16.17). In Apostelgeschich-te 19 begegnen wir der gleichen Auseinandersetzung,als Paulus mit dem Artemiskult der Epheser in Kon-flikt gerät.

Ich wollte mit meiner Marienpredigt darauf hin-weisen, dass die röm.-kath. Muttergottesverehrungaus Kulten vorchristlicher Völker stammt und mit derbiblischen Marienverehrung nichts gemein hat. ImNachhinein ist mir wohl bewusst, dass es nicht sehrklug von mir war, auf ein so heikles Thema in einerPredigt von 15–20 Minuten einzugehen. Im röm.-kath. Gottesdienst sollte sich die Predigt im Allge-meinen auf 7–12 Minuten beschränken, was Nicht-katholiken oft erstaunt.

Nach zwei Stunden Unterredung befanden wir unsin einer Verlegenheitssituation, denn was sollten sienun protokollarisch festhalten. Ich teilte ihnen mit,dass ich unter diesen Umständen und nach all mei-nen priesterlichen Erfahrungen die Absicht hege, dieröm.-kath. Kirche zu verlassen, und mich seit andert-halb Jahren immer weniger mit der konservativenWende der kirchlichen Obrigkeit im Vatikan zu vor-konziliaren Zeiten identifizieren könne.

Nun brach der Generalvikar sein Schweigen undmachte mir den Vorwurf, warum ich das dem Bischofnoch nicht mitgeteilt habe. Ich versuchte ihm darzu-legen, dass ich eins ums andere klären müsse, dass esmeine Absicht sei, demnächst mit dem Bischof übermeine Zukunft zu reden. Er fragte mich, ob er fürmich mit dem Bischof ein Treffen organisieren kön-ne, was ich bejahte.

Rektor Schyder stellte die, wie er sagte, diskreteFrage an mich, ob ich womöglich wegen des Zöli-

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bats gehen wolle. Ich konnte diese Frage verneinen,bewegten mich doch grundsätzlichere Glaubensfra-gen als das Problem der verpflichteten Ehelosigkeit.

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Exkommunikation de factofestgestellt – Fristlose Entlassung

Schon in der Frühe des folgenden Tages – nach derVorladung in Saas-Grund – rief der Generalvikar imPfarramt von Grächen an, während ich in der Kirchedas Messopfer feierte. Er teilte mir mit, dass der Bi-schof noch an diesem Freitagnachmittag ein Gesprächwünsche. Ich aber war für diese Zeit mit dem Leiter-team der katholisch-charismatischen Erneuerung inZermatt zu einer Aussprache verabredet.

Laut Generalvikar kam für den Bischof als nächs-tes Datum der Samstagnachmittag in Frage. Am Sams-tag aber sollte ich einer Hochzeitsfeier eines Gräch-ner Ehepaares in Mund vorstehen. Wir einigten unsauf Mittwoch, den 19. Oktober, um 14.00 Uhr.

Mit den besten Wünschen von Pfarreiangehörigenund einigen Leuten aus dem Bibelkreis des Dorfesermutigt, fuhren Rosa Fux, die Stellvertreterin mei-ner Pfarrhelferin und mein Neffe Philippe, der gera-de bei uns in den Ferien weilte, in die Hauptstadt.Vor der Abfahrt hatten wir uns zum Gebet versam-melt und dem Herrn und Haupt der Gläubigen dasGespräch zwischen dem Bischof und mir übergeben.

Ich freute mich über die herangereifte Gesprächs-notwendigkeit. Ich war davon überzeugt, dass der Bi-schof nach einem brüderlichen Meinungsaustausch –bei dem es ja wohl um mehr gehen sollte als bloß umreligiöse Meinungen von zwei Menschen – mit mirzusammen eine vernünftige Lösung finden würde, dieihm als Bischof, der Pfarrei und auch mir einen un-

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auffälligen, friedlichen Werdegang für Frühjahr oderSommer 1989 bringen sollte.

Zwei mir nahestehende Bekannte nötigten michin der Pfarrwohnung, das Gespräch mit dem Bischofauf Band festzuhalten. Es könne mir zum Schutze die-nen. Ich wehrte ab, denn was sollte ich nur fürchten.Ich liebte den Bischof. Er hatte ja viel Eifer für Gott,darin war er mir oft ein Vorbild. Sie beharrten dar-auf.

Unvoreingenommen betrat ich das bischöfliche Pa-lais in Sion. Nachdem ich im Empfangssalon eineViertelstunde gewartet hatte und etwas aufgeregt dasBand in der Jacke in Gang setzte, wurde ich zur Bi-bliothek geladen. Zu meinem großen Erstaunen nahmein mir unbekannter Herr mit einer Schreibmaschi-ne zu meiner Linken Platz. Zuoberst postierte sichder Bischof und mir gegenüber installiert sich derGeneralvikar. ›Der Generalvikar hat mich in eine Fallegelockt‹, so dachte ich! Dies löste bei mir tiefe Be-troffenheit aus und blockierte mich für eine offeneund vernünftige Aussprache, die nach einer Dreivier-telstunde mit der Exkommunikation enden sollte.Anstelle des abgemachten Zwiegespräches mit demBischof zeichnete sich nun ein kirchengerichtlichesSchnellverfahren ab.

Einige wesentliche Begebenheiten möchte ich imFolgenden darlegen:

Bei der Begrüßung warf der Bischof die Arme hochund sagte: »Ich habe viele Anklagen gegen Sie erhal-ten!« Ich wurde gebeten, Platz zu nehmen.

Der Bischof fuhr fort: »Es war vorgesehen, dassauch der Generalvikar und Herr Gillioz anwesendsind, um mir beizustehen, um von diesem Gesprächeventuelle Notizen zu nehmen. Wenn ich richtig in-

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formiert bin, dann ist diese Sache so schwer, dass ichdieses Protokoll brauche … wenn ich alles zusam-menfasse, könnte ich Ihre Homilie vom 15. Augustwie folgt zusammenfassen: ›Ich, Gregor Dalliard, kannMaria nicht den Titel ›Gottesmutter‹ geben, trotz desKonzilbeschlusses von Ephesus [431 n. Chr.] und trotzder Lehre der Kirche, weil ich mich einzig an die Wahr-heiten halten will, die mir explizit [ausschließlich]durch die Bibel vermittelt werden.‹ So habe ich es ver-standen; ist das richtig?«

Ich versuchte den Anwesenden darzulegen, dassich lediglich den Unterschied hervorheben wollte zwi-schen Maria, der Mutter Jesu, im biblisch-christli-chen Sinn und der Muttergottes im heidnischen Sinn,wie er im Kult der katholischen Theologie und Volks-praxis zum Ausdruck kommt!

Der Bischof verlangte von mir ein objektives Jaoder Nein zu dieser Glaubenslehre der Kirche, als defide definitum (unumstößliche, zum Heile notwen-dige Glaubenswahrheit der röm.-kath. Kirche). We-der Jesus Christus noch Petrus und Paulus, nochMaria, noch irgendein biblischer Zeuge spricht voneinem solchen Titel und einem solchen Muttergot-teskult. Darum musste ich mit Nein antworten.

(Auf dem Konzil von Ephesus sollte die GottheitJesu gegenüber der Lehre des Bischofs Nestorius ge-klärt und festgelegt werden. Das Konzil definierte:»Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch.«Aus dieser Definition schufen theologische Speku-lanten die Folgerung: »Wenn Jesus wahrer Gott ist« –was wir ja als Christen glauben – »dann muss MariaGottesgebärerin und damit Gottesmutter sein.« DasKonzil machte diese Aussage zu einer heilsnotwendi-gen Lehre [Dogma]. Im Zusammenhang mit den an-

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tiken Muttergottheiten, ihren jeweiligen Söhnen undderen Bedeutung öffnete diese unbiblische, auf theo-logische Spekulationen beruhende SchlussfolgerungTür und Tor für religiöse Phantasie und gottesläster-lichen Muttergottesfanatismus.

So lehnen die Christen weltweit diesen religiösengotteslästerlichen Muttergotteskult als Irrlehre ab, dervor allem von der katholischen Kirche in ihren un-zähligen Formen der Anbetung in der Volkspraxis,in liturgischen Äußerungen, Zeremonien, Festen undDogmen praktiziert wird. Darum bleiben die Chris-ten Gottes Wort gehorsam und treu. Sie ehren Ma-ria, die Mutter Jesu, als Vorbild des Glaubens undlehnen damit jede theologische Marienspekulationals unbiblisch ab!)

Der Bischof wandte ein: »Das ist Häresie (Irrleh-re)!« Damit entschied er sich nach katholischem Mus-ter gegen Jesus Christus und die Lehre der Apostel.Das tat mir sehr weh!

Mit betonter Stimme hob der Bischof hervor: »Washalten Sie dann vom Lehramt der Kirche? Was kannoder muss die Kirche, die Hierarchie, d.h. die Bi-schöfe, im Lehramt als Glaubenswahrheiten festle-gen, so wie sie die Kirche von der Heiligen Schriftdurch die Tradition erläutert?«

Ich entgegnete: »Ich habe da wie jeder andere auchmeine Bedenken. Es gibt Dinge, die ich annehmenkann, und Dinge bei denen ich ein Fragezeichen set-ze, weil diese Lehren mehr aus den geschichtlichenUmständen herausgewachsen und biblisch nicht fun-diert sind.«

Der Bischof fragte: »Man könnte also Widersprü-che sehen zwischen dem, was die Bibel lehrt und dem,was das Lehramt der Kirche sagt?«

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»Ja.«»Widersprüche?«»Ja, das ist doch nichts Neues; ich meine, dass es

da Widersprüche gibt. Das zeigt uns die Geschichtezu offensichtlich.«

»Das ist Ihre Meinung, nicht die meinige!«, be-merkte der Bischof.

»Ja, meine Meinung«, bestätigte ich.»Aber wie können Sie dann einen solchen Auftrag

im Namen der Kirche ausüben?«»Das weiß ich ja, deshalb habe ich ja dem Herrn

Generalvikar gesagt, dass ich jetzt ohne lange zu dis-kutieren und zu streiten einfach den anderen Weggehen muss.«

(Meine Absicht war, mit dem Bischof allein überdie Widersprüche zwischen dem Lehramt der Kircheund dem, was uns Jesus Christus und die Apostel inder Bibel auftragen, zu sprechen.

Wenn der Bischof mir erlauben würde, im Geisteder kirchlichen Pluralität und im Geiste der Öffnungdes 2. Vatikanischen Konzils nach der biblischen Leh-re zu predigen und praktizieren, dann wäre ich ger-ne Pfarrer von Grächen geblieben.

Jetzt aber, in Anwesenheit des Generalvikars unddes kirchlichen Juristen erschien mir der Bischof wieein ganz anderer Mensch – ein Fremder! Ich emp-fand, dass er mit mir nicht frei umgehen konnte.

Wie die meisten Theologen, so weiß auch der Bi-schof, dass zwischen der Lehre der römischen Kir-che und der Bibel, also der Lehre Jesu und der Apos-tel, sehr viele Widersprüche bestehen. Der Bischofschien mir wie von zwei Beobachtern, Agenten, um-geben. Jetzt begegnete ich einem Funktionär, dessenAufgabe es war, »im Namen Gottes« mit allen Mit-

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teln Gottes Wort, die Autorität Jesu und die der Apos-tel zu untergraben, obwohl ich wusste, dass er imHerzen christlich dachte und fühlte. Das stimmtemich sehr traurig.)

Der Bischof bekundete sodann: »Ja, was das Lehr-amt der Kirche betrifft, haben wir jetzt von Ihnenein Wort, das mehr oder weniger klar ist. Das ge-nügt!«

Wir kamen auf meine Beziehungen zu freienChristen bzw. Freikirchen zu sprechen. Im ökume-nischen Sinn des 2. Vatikanischen Konzils pflegteich Kontakte mit freikirchlichen Christen. Im De-kret über den Ökumenismus ermahnt das 2. Vatika-nische Konzil die Katholiken, mit Eifer am ökume-nischen Werk teilzunehmen: »Daher mahnt diesesHeilige Konzil alle katholischen Gläubigen, dass sie,die Zeichen der Zeit erkennend, mit Eifer an demökumenischen Werk teilnehmen. Unter der ›Öku-menischen Bewegung‹ versteht man Tätigkeiten undUnternehmungen, die je nach den verschiedenarti-gen Bedürfnissen der Kirche und nach Möglichkeitder Zeitverhältnisse zur Förderung der Einheit derChristen ins Leben gerufen und auf dieses Ziel aus-gerichtet sind. Dazu gehört: Zunächst alles Bemü-hen zur Ausmerzung aller Worte, Urteile und Taten,die der Lage der getrennten Brüder nach Gerechtig-keit und Wahrheit nicht entsprechen und dadurchdie gegenseitigen Beziehungen mit ihnen erschwe-ren; ferner der ›Dialog‹, der bei Zusammenkünftender Christen aus verschiedenen Kirchen oder Ge-meinschaften, die vom Geist der Frömmigkeit be-stimmt sind, von wohl unterrichteten Sachverstän-digen geführt wird, wobei ein jeder die Lehre seinerGemeinschaft tiefer und genauer erklärt, sodass das

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Charakteristische daran deutlich hervortritt. Durchdiesen Dialog erwerben alle eine bessere Kenntnisder Lehre und des Lebens jeder von beiden Gemein-schaften und eine gerechtere Würdigung derselben.Von hier aus gelangen diese Gemeinschaften auch zueiner stärkeren Zusammenarbeit in den Aufgaben desGemeinwohls, die jedes christliche Gewissen fordert,und sie kommen, wo es erlaubt ist, zum gemeinsa-men Gebet zusammen. Schließlich prüfen hierbei alleihre Treue gegenüber dem Willen Christi hinsichtlichder Kirche und gehen tatkräftig ans Werk der notwen-digen Erneuerung und Reform …«1 (Hervorhebungdurch den Autor).

»Man darf auch nicht übersehen, dass alles, wasvon der Gnade des Heiligen Geistes in den Herzender getrennten Brüder gewirkt wird, auch zu unserereigenen Auferbauung beitragen kann. Denn was wahr-haft christlich ist, steht niemals im Gegensatz zu denechten Gütern des Glaubens, sondern kann immerdazu helfen, dass das Geheimnis Christi und der Kir-che vollkommener erfasst werde.«2

»Ohne Zweifel müssen die katholischen Gläubi-gen bei ihrer ökumenischen Aktion um die getrenn-ten Christen besorgt sein, indem sie für sie beten,sich über kirchliche Angelegenheiten mit ihnen aus-tauschen, den ersten Schritt zu ihnen tun.«3

»Ihre [der Katholiken] ökumenische Betätigungmuss ganz und echt katholisch sein.«4

… Wenn ich das freikirchliche Engagement der Ju-gendlichen mitverfolge, taucht bei mir immer wie-der die Ohnmacht, das Abseitsstehen der katholischenObrigkeit der Jugend und ihrem Suchen gegenüberauf und wie dieses Engagement auch innerhalb derkatholischen Jugend verhindert wird – aus Angst!

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Ich hatte schon viele Bücher über die Freikirchengelesen und ihr Leben beobachtet, wie sie sich imUnterschied zu den Sekten an die Bibel allein haltenund keine neuen Lehren zu glauben gebieten.

Darum kannte ich auch ihr intensives Gebetsle-ben, Gebetserhörungen und tägliches Leben derNachfolge. Ihre Treue und Versöhnlichkeit in derFamilie und auf dem Arbeitsplatz, ihr Ausharren inleidvollen Zeiten des Lebens beeindruckten mich sehr.Durch die ganze 2000-jährige Geschichte des Chris-tentums haben sie sich weitgehend darin ausgezeich-net. Sie waren – und sind – damit auch ständig demHass und der Verfolgung der Päpste ausgesetzt.

Ich erklärte: »Da ich die Freikirchen gut kenne,weil ich aufgrund ihrer Erfolge ein Interesse an ih-rem Arbeiten und Wirken bekam, hatte ich bisherkeineswegs in böser Absicht mit ihnen Kontakt ge-habt. Diese wenigen Kontakte sind mir in den letz-ten Jahren so ausgelegt worden, als wäre ich sogarMitglied von einer dieser Freikirchen … Ist es nö-tig, wenn wir so viele junge Menschen mit ihrenFragen und Problemen kennen, wie sie innerhalb derröm.-kath. Kirche leben, ist es da nötig, dass ich soviele Lehren und Dogmen mitziehe und immer wie-der mitziehen muss? Ich spüre unter kirchlich enga-gierten jungen Menschen immer wieder so viel Wi-derstand gegen diese unbiblischen Dinge, dass ichmehr und mehr zur Überzeugung gelangt bin, dasalles braucht es nicht: Christus verlangt den Glau-ben an ihn, um selig zu werden. Das andere ist einMittel, um sie gerade im Glauben an Jesus zu hin-dern. So habe ich mich innerlich mehr und mehrvon diesen kirchlichen Hindernissen gelöst, habe miraber immer wieder gesagt, Versuche innerhalb die-

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ser Kirche zu wirken. Nicht in böser Absicht, ummich irgendwann von dieser Kirche zu lösen, son-dern in der Hoffnung, dass sich diese kirchlicheObrigkeit einmal dem Anliegen Jesu ganz öffnenwürde.

In diesem Sommer nun sah ich mich neu vor eineEntscheidung gestellt, nachdem sich in den letztenJahren mehr und mehr eine Entwicklung in der röm.-kath. Kirche abzeichnet, die – statt zu Christus hin –zurück in die Dogmen flüchtet, aus Angst! Vor allemseit zwei Jahren bestätigen verschiedene Erfahrun-gen diese Entwicklung.«

»Gut,« antwortete der Bischof, »diese Serien vonFragen waren für mich eher gut als Versuch, Sie zuverstehen. Ich habe den Eindruck, es ist sehr schnell,zu schnell, entschieden worden.«

Der Bischof kam nun auf die Taufe zu sprechen undsagte: »Sie sprechen von der Praxis, ich habe etwasgehört – stimmt das, oder stimmt das nicht? Sie sindder Meinung, dass ein echter Christ die Kindertaufeablehnen und die Erwachsenentaufe befürwortenmuss?«

Ich antwortete: »Wenn wir die Menschen so seri-enweise taufen, habe ich jedesmal das Gefühl, dasswir eine persönliche grundlegende Entscheidung fürChristus und seine Botschaft verhindern. Die Kin-dertaufe verhindert diese Entscheidung. Ich sehe darinein großes Hindernis. Ich bin von der Praxis her da-von überzeugt, dass wir jenen Menschen, die nur eineoberflächliche Beziehung zu Christus leben, zu die-sem Zustand verleiten und uns damit schuldig ma-chen.

Bei jeder Kindertaufe spürte ich mehr und mehreinen inneren Widerstand gegen diese unchristliche

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Praxis. Wenn Petrus am Pfingsttag den Zuhörern sagt:»Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen aufden Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sün-den und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistesempfangen« (Apostelgeschichte 2,38), ist das jenesäußere Zeichen, das die innere Haltung und Über-zeugung ausdrückt: Jetzt will ich öffentlich zu JesusChristus und zu seiner Lehre stehen. Wie schön wäredas, wenn wir das auch in der röm.-kath. Kirche prak-tizieren könnten. Viele junge Menschen sagen mir,sie wünschten so sehr, sich wirklich vom alten Lebenloszusagen, dies aber auch äußerlich in der Taufe,gemäß der Lehre Jesu und der Apostel, bezeugen zukönnen. Ich habe diesen jungen Leuten bis jetzt im-mer gesagt, dass das nicht geht, weil man römisch-katholisch getauft sei! Sie diskutierten immer wiederüber diese Frage der Taufe und konnten nicht verste-hen, dass wir als Priester nicht das über die Taufeaussagen, wie Jesus und seine Jünger es erwarten –sie einfach belügen. Ich wusste, dass ich ihnen an-hand biblischer Aussagen immer mehr zustimmenmusste. Ich glaube, die Kirche braucht die Zeugnissederer, die sich bewusst zu Christus stellen.«

Der Bischof stellte mir die Frage: »Haben Sie indiesem Zusammenhang persönlich die Absicht, sichwieder taufen zu lassen?«

(Über diese Frage des Bischofs war ich erstaunt,denn es war nur einige Wochen her, dass wir in Bi-belstunden offen über die Glaubenstaufe sprachen.Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dasssich überall Erwachsene aus der röm.-kath. Kircheheimlich nach der urchristlichen Absicht, nach derLehre unserer christlichen Vorväter, im Glauben tau-fen lassen. Sie vollziehen diesen Glaubensakt heim-

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lich, weil sie glauben, sie hätten einen Auftrag inner-halb der katholischen Kirche zu erfüllen und auchaus Angst vor Verfolgung von Seiten der röm.-kath.Obrigkeit. Jesus verlangt ein offenes Bekenntnis, ihnsollen wir damit ehren. Menschenfurcht kommt ei-nem Verrat an Jesus gleich.

Nun fragte mich der Bischof nach meiner Absicht,was mir unweigerlich ein Schmunzeln entlockte.)

»Ja«, antwortete ich ihm, »wenn ich ehrlich seinwill, ja.«

»Das habe ich schon gehört, deshalb frage ich ja«,meinte der Bischof. »Wissen Sie, dass ein solcherSchritt Ihre Priesterweihe tief in Frage stellt? Was istihre Theorie der Sakramente?«

Ich erwiderte darauf: »Die ganze Lehre Jesu undder Apostel ist Sakrament. Die Art und Weise, wiewir sie auslegen und Heilsgaben Jesu einengen undin rein pflichtgemäßen und religiösen Übungen ab-fertigen – abgeschlossen, erfüllt, erledigt – das wi-derspricht Jesu Absicht. Die konkrete Praxis, wie manmit Gottes Willen umgeht, das macht mir zu schaf-fen.

Ich erfahre, wie das Volk offen ist für den WillenJesu, aber von oben verhindern wir diese Offenheit,das zerreißt mich manchmal. Entschuldigen Sie, HerrBischof, aber ich habe immer mehr den Eindruck,dass wir im Grunde genommen unter den Menschen›im Namen Gottes‹ gegen Gott arbeiten. VerzeihenSie diese Offenheit, aber ich kann das auf die Dauermit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren.«

Darauf antwortete der Bischof: »Ja, ich kann schonsehr viel von Ihren Gründen, von Ihrer Motivationverstehen, aber was ich nicht begreifen kann: War-um können Sie nicht sehen, dass diese Kritiken, die

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Sie der Kirche oder der Tradition gegenüber haben,mir nie einen echten Grund geben würden, um mei-nen röm.-kath. Glauben in Frage zu stellen? Ich habeden Eindruck, dass Sie in Ihrem Glauben nicht mehrkatholisch sind.«

»Ich weiß wohl«, antwortete ich dem Bischof, »dassich nicht mehr ganz katholisch bin.«

»Aber sind Sie sich wirklich über das bewusst, wasSie hier sagen?«

»Dies ist ein innerer Kampf, der mir den Wider-spruch der röm.-kath. Lehre von der Lehre Jesu herin einer immer größeren Liebe und Treue zu seinemWort offenkundiger werden ließ. Ich weiß nicht, obLeute, die blind der katholischen Lehre verfallen sind,auf die Dauer einen Pfarrer ertragen, der diese Wi-dersprüche zum Evangelium aufdeckt, vor allem beibesonderen traditionellen Kirchenfesten. Damit stelleich mich nicht gegen Sie persönlich, Herr Bischof. Esist meine persönliche Entscheidung.«

»Finden Sie diese Radikalität des Evangeliums inder traditionellen Kirche nicht? Ist das nicht ein biss-chen utopisch?«

Der Bischof wandte sich Herrn Gillioz, dem Kir-chenrechtler, zu und fragte ihn, ob er noch Fragenzu stellen hätte oder ob das für ihn klar genug sei.Dieser antwortete: »Es ist genug Beweismaterial da.«

»Gut, wir machen keinen Prozess«, fuhr der Bi-schof fort. »Ich möchte nur noch die letzte Fragewissen, sie ist mir wichtig. Sind Sie sich bewusst, dassSie jetzt vor einer Wahl stehen, wo Sie zwischen zweiWegen zu wählen haben: Entweder treu zur Kirche,aber dann muss ich sehr viel Verbesserungen oderKorrekturen dessen, was Sie glauben, verlangen oderSie gehen Ihren eigenen Weg, aber außerhalb der

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katholischen Kirche. Ein Prozess hat keinen Sinn. IstIhre Wahl endgültig, definitiv?«

Ich versicherte: »Ich kann nicht anders, meine Ent-scheidung ist so herangereift. Ich bin der Überzeu-gung, dass mir die Erfahrungen der vergangenen elfJahre dazu verholfen haben. Ich sehe das positiv. Ich

Mittelalterliche Folterszene, als gewaltsame Bekehrung zum römisch-katholischen Glauben von der Kirche »im Namen Gottes« praktiziert.

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bin niemandem böse; im Gegenteil, alles hat seinenSinn und seine Zeit. Es hat so sein müssen und ichbin der Überzeugung, dass es so richtig ist.«

Herr Gillioz las noch bestimmte Notizen als Aus-sagen von mir, wobei ich einige Male Einspruch er-heben musste, damit Aussagen nicht aus ihrem sinn-gemäßen Zusammenhang gerissen würden. Anschlie-ßend fragte der Bischof die beiden Zeugen: »Was ma-chen wir jetzt? Ich habe den Eindruck, dass Sie min-destens in den letzten Monaten Ihre Aufgabe als Pfar-rer missbraucht haben.« Noch einmal kam der Bi-schof auf die Unfehlbarkeit der röm.-kath. Kirchen-lehre zu sprechen, worauf ich ihm mit »teils, teils«antwortete.

(Immer noch in der Hoffnung, dass ich anschlie-ßend an dieses Gespräch mit dem Bischof allein übermeine Zukunft sprechen kann, erkenne ich jetzt vonSekunde zu Sekunde mehr denn je, dass ich auf dieDauer nicht mehr in diesem kirchlichen System wei-terwirken kann. Ich denke aber doch, dass zum Nut-zen aller und vor allem aus meiner Liebe zum Bi-schof die weiteren Schritte miteinander besprochenwerden sollten.)

Auf die direkte Frage des Bischofs: »Was werdenSie dann tun?«, antwortete ich in meiner Verlegen-heit – da ich selbst ja noch nicht wusste, wie es wei-tergehen sollte. »Ich werde Arbeit suchen (im christ-lichen Engagement), indem ich weiterhin Menschenden Weg Jesu aufzeige, sowohl Katholiken wie Re-formierten, zusammen mit den Freikirchen.« Kei-nen Augenblick dachte ich an das, was nun so plötz-lich über mich hereinbrach. Der Herr Generalvikar,der die ganze Zeit über unbeweglich und mäuschen-still den Ablauf dieser Prozedur mitverfolgt hatte,

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wurde nun quicklebendig und suchte in der Biblio-thek aufgeregt nach Büchern. Da wurde Literaturgeholt, Kanones und Paragraphen herunterzitiert,auf lateinisch, französisch und deutsch. Die bischöf-liche Stimme donnerte auf mich ein: »Ab Mitter-nacht sind Sie nicht mehr Pfarrer von Grächen. Ichverbiete Ihnen jegliche Tätigkeit. Wir spielen keinTheater.«

Erstaunt und schockiert fragte ich: »Dann werdeich morgen keine Messe mehr lesen?« Ich dachte da-bei an die Reaktion der Grächner, die durch diesesplötzliche Vorgehen fassungslos sein würden.

Der Bischof fuhr fort: »Verlassen Sie das Pfarrhausso schnell wie möglich. Falls Sie finanzielle Schwie-rigkeiten haben sollten, können Sie sich an mich wen-den. Sollten Sie neben dem Pfarrhaus wohnen undsich irgendwie betätigen, werde ich Maßnahmen ge-gen Sie ergreifen müssen.«

Nach dieser letzten Aussage verlor auch ich dieNerven und antwortete mit großer Verlegenheit:»Dann lassen Sie das wenigstens meine Sache sein!«

Es wurde nun ein Protokoll vorgelesen, das mir,in seiner Abfassung und Formulierung eigenartig undz.T. aus dem Zusammenhang gerissen, vorgelegtwurde.

Der unbekannte Herr zu meiner Linken, Herr Gil-lioz, schien in der deutschen Sprache nicht beson-ders bewandert zu sein. In dieser sehr eigenartigenAtmosphäre wurde ich aufgefordert, das Stück Pa-pier zu unterzeichnen, nachdem es vorgelesen wur-de. Ich befand mich in einem verlegenen Zustandund dachte mir, was dieses Zeug nur sollte. Ich maßihm keine Bedeutung mehr zu und unterschrieb es.Und raus war ich!

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Protokoll der Sitzung vom 19. 10. 1988

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Vor dem bischöflichen Palais blieb ich stehen. Mitdem Rücken zum Palais gelehnt und den Blick zurKathedrale gewandt, fragte ich mich: »Was ist dennsoeben überhaupt geschehen?« Das Buch der Chris-ten, die Bibel, habe ich nicht gesehen. Das Wort Jesuwurde hier nicht zu Rate gezogen. Ja, es wurde ihmunter der Last der vielen röm.-kath. Kirchenrechts-und Gelehrtenbücher schon längst vor langer, langerZeit der göttliche Lebensatem für Zeit und Ewigkeit

Bischof Heinrich Schwery und Generalvikar Franziskus Lehner

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entrissen, obwohl sie alle den Namen Gottes ständigim Mund führen. Weltliche Maßstäbe, in göttlichstellvertretenden Parolen eingehüllt, erwiesen sich bisheute als vorteilhafter und gründlicher.

»Was mache ich jetzt? Wohin gehe ich jetzt?« Füreinige Stunden empfand ich tiefen seelischen Schmerzund fühlte mich einsam und verlassen.

»Wie sollte ich nun vorgehen? Ich muss doch zu-rück nach Grächen. Wie soll ich die Leute über dasVorgefallene informieren? Die Pfarreiangehörigen –viele von ihnen werden verwirrt sein. Die Leute müs-sen doch glauben, ich hätte ein schweres Verbrechenbegangen!« Solche und ähnliche Gedanken schwirr-ten in meinem Kopf herum.

Meine ältere Pfarrhelferin Rosa und mein NeffePhilippe erwarteten mich im Restaurant EPA. Ich trankeine Ovo. Wir fuhren zu meiner Schwester Marianach Siders. Sie glaubte uns nicht und sprach pro-phetisch: »Jesus hat dich nicht exkommuniziert!« Dafiel es mir wie Schuppen von den Augen und Ruhekehrte bei mir ein.

Inzwischen hatte der Generalvikar den Laientheo-logen in Grächen über meine Exkommunikation in-formiert. Als wir bei Nacht nach Grächen zurück-kehrten, befanden wir uns alle in einem Kreis vonEnttäuschten, aber doch auch in jener gottnahen Ge-wissheit, dass der Herr uns in diesen orkanartigenStürmen, die über unsere Gemüter dahinbrausen soll-ten, erhalten würde. Wir erholten uns im Gebet unddie Dinge überstürzten sich.

Am 21. Oktober 1988 schickte Bischofsvikar An-dré Berchtold folgendes Schreiben mit der Exkom-munkationsschrift an alle Pfarrämter und Geistlicheder Diözese Sitten (Sion).

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Exkommunikation de facto mit fristloser Entlassung – Bestätigung

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Bestätigung der Exkommunikation de facto

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Der Gerichtsbeschluss des bischöflichen Ordina-riats lautete:

Kanon 1044 § 2: »An der Ausübung der Weihen ge-hindert ist:1. wer, beim Weiheempfang mit einem Hindernis be-

haftet, die Weihen unrechtmäßig empfangen hat;2. wer an Geisteskrankheit oder einer anderen psy-

chischen Erkrankung … leidet«5 (Hervorhebungdurch den Autor).

Vor allem in den drei Lehrauffassungen bezüglich derMuttergottes, des unfehlbaren Lehramtes in Glau-bens- und Sittenfragen und der Taufe glaubte ich nichtmehr gemäß röm.-kath. Doktrin. Damit habe ich michnach röm.-kath. Lehre de facto – durch mein Verhal-ten – aus der röm.-kath. Gemeinschaft ausgeschlos-sen. War dies aber ein Grund, mich deswegen mitdem Rufmord Kanon 1044 § 2 zu versehen und fürgeisteskrank oder an psychischer Erkrankung leidendzu erklären?

In der Sitzung vom 27. Oktober 1988 in Grächenin Anwesenheit des gesamten Gemeinderates (politi-sche Gemeinde), dem Gemeindeschreiber, den Ver-tretern des Pfarreirates und in Anwesenheit von De-kan Josef Zimmermann hat der Generalvikar aufmeine Frage hin, ob ich eigentlich exkommuniziertsei oder nicht, Folgendes zu Protokoll gegeben. Ichzitierte aus dem Protokoll vom 27. Oktober 1988:»Der Generalvikar antwortet folgendermaßen: HerrDalliard sei nach Kirchengesetz exkommuniziert, derBischof habe jedoch dieses Wort ›offiziell vermeiden‹wollen.«

Der Generalvikar sagte im übrigen mehrmals bei

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Gesprächen, dass nur zwei für mich positive Briefebeim Ordinariat eingegangen seien sowie eine Kas-sette mit der Marienpredigt vom 15. August 1988.Er wüsste von keinen Anklagen gegen mich.

Während der »PLO-Sitzung« (Priester und LaienOberwallis) vom 3. November 1988 äußerte der Ge-neralvikar, »… es bestehe in Sitten auch kein Dossierüber Herrn Dalliard«.

Auch ein Ratsmitglied der Gemeinde Grächenwünschte sich Einblick in mein Dossier in Sitten, dochauch er erhielt die Antwort, dass in Sitten kein Dos-sier über Pfarrer Dalliard bestehe.

Bei der Begrüßung in Sitten beteuerte mir der Bi-schof, dass er viele Anklagen gegen mich erhaltenhabe, doch wurde mir keine vorgelegt!

Die Frage kann nicht ausbleiben: Hat das bischöf-liche Ordinariat wirklich nicht damit gerechnet, dasseine so abrupt vollzogene Handlung mit der Begrün-dung von Kanon 1044 § 2 – ohne psychiatrischesGutachten, ohne vorherige Gespräche, weder mitdem Pfarreirat noch mit dem Gemeinderat von Grä-chen, noch in einer Priesterversammlung – die Um-welt hellhörig werden lässt? Wie sollte die Öffent-lichkeit – und selbst Priester – die Handlungsweiserechtfertigen können, nachdem von Kanon 1044 § 2und anderem die Rede war, das von einer eingehen-den Prüfung und nach röm.-kath. Kirchenrecht voneiner unbedingten Zeitspanne hätte begleitet werdenmüssen?

Wie nimmt das ein Journalist auf, wenn ihm einSprecher des Ordinariates im folgenden Sinn sagt:»Er ist exkommuniziert, aber gebrauchen Sie diesesWort in der Öffentlichkeit nicht?«

Das bischöfliche Ordinariat in Sitten hat sich bis

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heute einer öffentlichen Stellungnahme entzogen. Aufdiese Art und Weise hätte es den Grund seines Han-delns darlegen können. Ich bin nach wie vor von derNotwendigkeit überzeugt, dass schwerwiegende Be-merkungen und Urteile mit ihren Folgen öffentlichgeklärt werden müssten, wenn sich auch eine Parteiaus Gewissensgründen auf die Lehren des Vatikansstützt und danach rechtfertigt, während die anderePartei sich ebenfalls aus Gewissensgründen auf Jesusund die Lehre der Apostel stützt.

Über diese von der Tradition geprägte Handlungs-weise kann nicht einfach die Decke des Schweigensgeworfen werden, um so vor dem Volk den Anscheinzu erwecken, man habe richtig gehandelt.

Was ein einzelner dabei durchstehen muss, darüberscheint sich das bischöfliche Ordinariat kaum Ge-danken zu machen. Herzlosigkeit und fromme Bru-talität lassen sich vom Kirchenrecht her wohl recht-fertigen, nicht aber vom Recht Gottes, Jesu und derApostel!

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Reaktion in der Bevölkerung

In dieser Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1988prüfte ich mich vor Jesus Christus und fragte mich:War ich nicht stets bemüht, im Glauben an Jesus undsein Evangelium vorwärts zu kommen und die Men-schen darin zu unterweisen? Wies der Generalvikar,damals noch Dekan von Stalden, bei der Pfarrinstal-lation am 27. August 1983 in Grächen nicht auf dieabsolute Unterweisung unter das Wort Gottes, dieBibel, hin?

Ich holte das Ernennungsschreiben hervor und lasauf Seite 2 Folgendes:

»Überzeugt von Ihrem guten Willen, die Lehre desEvangeliums standhaft zu bewahren, Ihr Leben in lau-terer Gesinnung unter das Wort Gottes zu stellen …«Habe ich das etwa nicht ständig versucht?

Aber da ist noch der 2. Teil des Abschnittes »…und alle mit Ihrem Amte verbundenen Aufgaben nachden Weisungen der Kirche zu erfüllen, ernenne ichSie zum Pfarrer …«

Hierin wird mir die tragische Zwiespältigkeit derröm.-kath. Kirche noch offenbarer. Auf der einen Sei-te wird die Lehre des Evangeliums, das Wort Gottes,betont, aber auf der anderen Seite betont man dieLehren der Kirche, die gerade aus der Untreue zumWort Gottes entstanden sind und die, einmal dog-matisiert, niemand mehr verändern darf – selbst wennalle wissen, dass sie aus der Sünde des Egoismus ge-boren sind. Welch ein Übel, diese Zwiespältigkeit!

Gleich beim Antritt meines Wirkens als Pfarrer hat-te ich der Grächner Bevölkerung kundgetan, dass ich

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mich nach den Weisungen der Heiligen Schrift aus-strecken und nichts anderes verkünden werde, als das,was Jesus und seine Apostel als Grundsätze für daschristliche Leben gegeben haben. Die Pfarrversetzun-gen sind unter den Priestern nur zu oft von Enttäu-schungen, von unerfüllten und nicht berücksichtig-ten Wünschen begleitet und damit manchmal auchgetragen von Neid und Missgunst. Von einigen Pries-tern aufgewiegelt und verführt, versuchte eine klei-ne Gruppe der Bevölkerung gegen mich zu intrigie-ren. Der Herr aber schenkte mir in der regelmäßigenZwiesprache mit ihm jene Geisteshaltung, die michjenen Menschen gegenüber immer wieder mit Liebeund Achtung begegnen ließ. Ab und zu schenkten mirauch diese Menschen ihr Vertrauen und ließen michan ihren zwiespältigen Glaubenskonflikten teilhaben.Ich kann sie zu gut verstehen, denn einige Priesterflüstern ihnen jene Dinge ins Ohr, nach denen ihreOhren jucken (vgl. 2. Timotheus 4,3). Ihre Ohrenjucken nach dem Festhalten einer alten Lehre, dienie von Christus und den Aposteln gelehrt, sonderneinst von den röm.-kath. Inquisitoren, im Auftrag derPäpste, mit Schwert und Blut für alle Zeit aufgestelltund dogmatisiert worden ist. Wer könnte dann die-sen verführten Menschen böse sein? Ich liebe sie nachwie vor. Gerade jene Priester, die sie glauben ma-chen, ihre besten Freunde zu sein, sind hinterherimstande, sich über deren okkulte und unwissendeGlaubensveranlagung und -überzeugung lustig zumachen, ohne eine Hand der christlichen Aufklärungzu rühren. Nur vor dem Hintergrund dieses klerika-len Doppellebens, das vom engen Sippen- und Cli-quendenken genährt ist, kann man den Widerstandgegen Jesus und die Lehre der Apostel verstehen, und

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damit auch gegen jene, die das volle Evangelium ver-kündigen.

Am folgenden Morgen nach meiner Exkommuni-kation rief ich den Gemeindepräsidenten und Kir-chenrat Herrn Bernhard Brigger in seinem Notari-atsbüro in Visp an. In der Meinung, dass er über dasVorgefallene informiert sei, fragte ich ihn, was erdavon halte. Er wusste von nichts und empörte sichüber den unpassenden Scherz. Als ich auf dem Vor-gefallenen beharrte, kam einiges ins Rollen.

Im Laufe des Tages schrieb ich einen Brief an dieBevölkerung. Von allen Seiten wurde das Pfarrhausvon Besuchern und Telefonanrufen heimgesucht.Leute konnten mir einfach nicht glauben. Verlegen-heit, Unverständnis und Empörung machten sichbreit.

An jedem Tag wird in der Kirche von Grächen Mes-se gelesen. Am Donnerstagabend kam Generalvikar F.Lehner nach Grächen und zelebrierte die Messe um17.30 Uhr. Anschließend las er den bischöflichen Ent-scheid vor, den er mit folgenden Worten umrahmte:

»Liebe Brüder und Schwestern! Im Auftrag des Bi-schofs habe ich folgende Erklärung zu verlesen.« Nunlas er das Schreiben und erklärte: »Meine lieben Brü-der und Schwestern in Christus. Ihr könnt mir glau-ben, es fällt mir wirklich schwer, Euch dieses mitzu-teilen. Aber wir haben den Willen und den Entschlussdes Pfarrers respektiert. Wir wollen ihn begleiten mitunserem Gebet und mit unserer ganzen Liebe. Wirwollen ihm helfen, dass er seinen Weg gehen kann,den er als den rechten sieht. Betet alle für ihn undkommt ihm mit Liebe und Güte entgegen.

Es ist der Wunsch des Bischofs, dass Herr PfarrerDalliard vorläufig hier im Pfarrhaus bleiben kann,

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bis er selbst eine Wohnung gefunden hat, wie er esselbst versprochen hat. [Ich hatte nichts versprochen.]Begegnet ihm in aller Liebe, ich bitte Euch darum,und ich bitte Euch um eins: Geht nicht und klatschtalles Mögliche, gerade gegenüber den Boulevardzei-tungen, denn schon heute morgen habe ich einenAnruf vom ›Blick‹ bekommen, was in Grächen lossei. Ich habe ihm geantwortet, das Ordinariat gibtkeine Auskunft, denn das ist ein Berufsgeheimnis, undwir wollen Sorge tragen, nichts an die große Glockezu hängen – gegenseitig. Es tut uns weh, es tut unsleid. Aber noch einmal gesagt: Wir haben den freienEntschluss eines Menschen zu respektieren.

Morgen und übermorgen wird keine heilige Mes-se sein. Am Samstagabend und am Sonntag findetnormal Gottesdienst statt. In dringenden Fällen mögeman sich an die Pfarrei St. Niklaus wenden.

Ich verspreche Euch – wir haben ja darüber ge-sprochen – dass Ihr möglichst bald einen guten, offe-nen und fröhlichen Pfarrer bekommt.«

Am Freitag erreichte mein Flugblatt per Post alleHaushaltungen. Entrüstung und Trauer prägten dieDorfszene. Die Leute hatten sich bis auf wenige Aus-nahmen an meine Bibelpredigten gewöhnt. Sie hat-ten auch schon längst gespürt und z.T. erkannt, dasszwischen den Lehren des Vatikan und den Lehren Jesuund der Apostel vieles nicht harmoniert. Sie wussten,dass ich eine Pfarrgemeinde nach biblischem Musteranstrebte. Sie wussten, dass ich jeden Sakramentalis-mus ablehnte und bemüht war, gegen jeden Okkul-tismus und Spiritismus in all seinen Manieren offenvorzugehen. Deshalb schien es für sie unfassbar, dassich wegen der Marienpredigt und wegen meiner Wort-treue zum Evangelium nun öffentlich bestraft wurde.

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Für Länder und Staaten mit streng katholischenreligionspolitischen Volkstraditionen, wo sich Christ-liches mit Heidnischem vermischt hat, ist eine Ex-kommunikation das Allerschlimmste, das man einemMenschen antun kann. Exkommunikation bedeutethier so viel wie Exekution. Nach altem katholischemBrauch erwies jeder, der einen Exkommunizierten er-mordete, Gott den größten Dienst und wurde vonder vatikanischen Geheimpolizei, der Inquisition(heute in »Heiliges Offizium« bzw. »Kongregation fürdie Glaubenslehre« umbenannt), mit größten Ehrenund Vorteilen bedacht.

Man spricht heute kaum noch von dieser altenröm.-kath. Praxis. Die Praxis der römischen Hierar-chie hat sich heute wohlweislich auf bessere Metho-den besonnen, um sich solcher Leute zu entledigen.Der seelische Tod kann durch Rufmord und Denun-ziation, eingebettet in den Schein der christlichenWahrheit, unter Umständen langatmiger und gründ-licher sein.

Ein aus der röm.-kath. Kirche Exkommunizier-ter existiert für fromme römische Katholiken ein-fach nicht mehr. Das sollte ich zur Genüge erfahrenmüssen. Wer die gemeinsten Verleumdungen übereinen Exkommunizierten in Umlauf setzten kann,wird bei manchen Klerikern besonderer Anerken-nung gewürdigt.

Einige Grächner, die übrigens nicht an den regel-mäßig durchgeführten Bibeltreffen teilnahmen, in-formierten ohne mein Wissen die Presse, besprachendieses und jenes Vorgehen. Andere machten keinenHehl daraus, ihren Austritt aus der röm.-kath. Kir-che bekanntzugeben. Eine Gruppe Jugendlicher plan-te einen Überfall auf den Generalvikar. Sie wollten

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ihn vor dem nächsten Gottesdienst beim Eingang desDorfes auffangen und ihm den Hintern verhauen.Nur mit großer Mühe konnte ich sie beschwichtigenund davon abhalten. Wieder andere blieben in dieserZeit demonstrativ vom kirchlichen Leben fern.

Gegen das brutale Vorgehen von Sitten sammel-ten Jugendliche auch Unterschriften. Der Pfarreiratplante einen Schweigemarsch im Dorf, der am Sams-tag, dem 23. Oktober, dann auch durchgeführt wur-de. Ich konnte diese Lösung akzeptieren, denn da-durch wurden einige weniger erfreuliche Vorhabenunterbunden. Allerdings musste ich versprechen, dassich am Schweigemarsch teilnehmen und vor denAnwesenden sprechen würde.

Die Reaktionen einiger alter Leute im Dorf ermu-tigten mich in besonderer Weise. Zwei Zeugnissemöchte ich hier festhalten. Nach dem 9.30-Uhr-Got-tesdienst am 1. Sonntag nach meinem Ausschluss hör-te ich vor dem Pfarrhaus das energische Schreien ei-ner Frauenstimme. Von einer kleinen Gruppe beglei-tet, hob sie sich in Richtung Pfarrhaus von der Men-ge ab, die nach dem Gottesdienst den Kirchplatz ver-ließ. Während sie immer wieder ihr Handtäschchenin die Höhe schwang, rezitierte sie einen Vers. Äu-ßerst erregt betrat Ida Ruff, die älteste Grächnerin,das Pfarrhaus und wiederholte die Szene, indem sierief: »Er hat Gott mehr gehorcht als den Menschenund denen da unten [gemeint ist das bischöflicheOrdinariat]. Gott wird es ihm vergelten.« Es war mirfast nicht möglich, die gute alte Ida zu beruhigen.Ich befürchtete einen Herzinfarkt bei ihr. Mit einerGröße, wie sie alten Menschen an Erfahrung undWeisheit zusteht, hatte sie vor dem umstehenden Volkdem diensthabenden Geistlichen die Verkehrtheit der

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kirchlichen Obrigkeit vorgehalten. Diese Frau gehörteübrigens nicht zum Bibelkreis.

Ein ebenfalls an Glaubensjahren gereiftes Bekennt-nis sprach mir zu jener Zeit der älteste Grächner KarlSchlierig zu. Ich besuchte ihn auch nach meiner Ex-kommunikation noch einige Male, obwohl ich ihmdie Sakramente der Beichte und Kommunion nichtmehr »spenden« konnte. Wir lasen aus der Bibel undbeteten miteinander. Er sagte mir immer wieder: »Ver-gessen Sie eines nicht, Herr Pfarrer, Sie gelten jetztbei Gott noch mehr als vorher. Sie stehen jetzt beiGott in noch höherem Ansehen. Ich würde, wennich noch gehen könnte, zu Ihnen zum Abendmahlkommen. Was Sie tun und lehren ist recht vor Gott!«

Ich wies ihn darauf hin, dass ich alles aus meinemröm.-kath. Glauben gestrichen habe, was der LehreJesu, der Apostel und der Evangelisten, also unserenVätern des christlichen Glaubens, widerspricht. Dassich aus Liebe zu Gott das Leben und Werk Jesu allemvorziehe, seine Weisungen in der Heiligen Schrift undauch gehorsam die Heilsforderungen annehme, dieJesus verlangt und schenkt. Dieser alte Mann, der äl-teste von Grächen, hatte erkannt, was Gott von denMenschen will und welche unumstößliche Kraft Jesusund sein Evangelium für das Heil der Menschen ist.

Mir ist aufgefallen und im Beichtstuhl auch oft be-stätigt worden, wie vor allem älteren Menschen dieVerkehrtheit der röm.-kath. Denkweise auf Kostenbiblischer Lehre voll und ganz bewusst ist. Doch ausAngst vor kirchlichem und verwandtschaftlichemDruck nehmen sie äußerlich regelmäßig am kirchli-chen Leben teil.

In jenen Tagen kamen ununterbrochen Pfarreian-gehörige und Auswärtige ins Pfarrhaus und versicher-

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ten mir ihre Anteilnahme und Treue in allem, was dakommen würde. Es war gut gemeint; das wusste ich.Nur wusste ich auch, dass mancher den Mut aus Men-schenfurcht sinken lassen würde, wenn es darauf an-kommen sollte, öffentlich zu Jesus und zu seiner Lehrezu stehen.

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23. Oktober 1988:Pfarreiratssitzung in Grächen

Am 23. Oktober 1988 fand im Pfarrhaus von Grä-chen eine außerordentliche Pfarreiratssitzung statt,an der sozusagen alle Mitglieder teilnahmen.

Ich forderte die Anwesenden auf, das Wort Gottesregelmäßig zu lesen, ernst zu nehmen und es auchanzuwenden. Da sagte eine Frau: »Dann werden wirdie gleichen Dummheiten machen wie Sie!« Es isterstaunlich und bestätigt, dass sich römische Katho-liken Christen nennen, sich aber vor Christus undseinem Wort verstecken müssen. Nun, wir müssenVerständnis für diese vom Vatikan verblendeten Men-schen haben, wurden sie doch ein Leben lang vonder röm.-kath. Geistlichkeit systematisch indoktri-niert!

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Reaktion des Gemeinderates(munizipal) von Grächen

Wie reagierte der Gemeinderat auf das Vorgehen desbischöflichen Ordinariates?

Am 21. Oktober 1988 schrieb die Gemeindever-waltung von Grächen einen Brief an das Ordinariat,der auf der folgenden Seite als Kopie abgebildet ist.

Am 25. Oktober 1988 fand eine Gemeinde- undBurgerratssitzung in Grächen statt. Dieser Brief istauf Seite 73 abgebildet.

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Stellungnahme der Gemeindeverwaltung von Grächen vom 21. 10. 1988

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Protokollauszug der Gemeinde- und Burgerratssitzung vom 25. 10. 1988

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27. Oktober 1988: AußerordentlicheGemeinde- und Burgerratssitzung

Protokoll der außerordentlichen Gemeinde- und Burgerratssitzung vom27. Oktober 1988

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An die Priester der Diözese Sitten vom 28. 10. 1988, »Betrifft: Dekretvom 19. 10. 1988«

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Reaktion beim Klerus

Die Reaktion auf meinen abrupten Ausschluss erreg-te natürlich auch manchen Geistlichen. Während ei-nige Priester und Laientheologen, zwar eine kleineMinderheit, das bischöfliche Vorgehen missbilligten,versuchten andere Priester in Gottesdiensten, Ver-sammlungen und in der Presse frisch fröhlich auf mirherumzuhacken, ohne dass sie dem Vorgefallenen vor-her auf den Grund gingen.

Seit vielen Jahrhunderten ist das katholische Volkvon einer Art Priesterkaste durch päpstliche Meinun-gen und Vorstellungen in Schach gehalten worden.Trotz all dem vielfältigen, selbstlosen und segensrei-chen Wirken mancher Priester und Ordensleute, vorallem in fürsorglichen Bereichen des Lebens, kön-nen wir diese geschichtliche Tatsache nicht leugnen.Der Priester gilt als das Sprachrohr Gottes. Es ist nochnicht lange her, dass das Volk in ihm den Unfehlba-ren sah. Was der Pfarrer im Dorf wollte oder sagte,dem hatten sich alle zu unterwerfen. Dem Pfarrer zuwidersprechen hätte bedeutet, Gott zu widerspre-chen! Wer wollte das? Frustration! Die Tinte vonZeugnissen davon würde wohl Bände füllen.

Wir wollen nicht vergessen, dass die meisten Pries-ter in guter Treue glaubten, Gott wohlgefällig zuhandeln. Die Geschichte zeigt uns, dass sie im tota-len und – unbewusst – im blinden Gehorsam taten,was ihnen von oben herab unter Höllenandrohnungzu lehren und zu tun befohlen war. Das Wort Got-tes diente meistens lediglich dazu, Lehren und Mei-nungen bestimmter Kreise der Kirche zu stützen, an-

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sonsten brauchte man es nicht. Das war vielen Pries-tern zeitlebens nicht bewusst. Darum haben wir auchkein Recht, sie zu verurteilen, obwohl viele Katho-liken heute noch von dieser tiefen religiösen Angstgeprägt und gebunden sind. Diese religiöse Angststeckt, wenn auch unbewusst, in solchen römischenKatholiken, die sich offen geben. Sie hören und tunauf »Nummer sicher« ängstlich das, was ihnen dieGeistlichkeit seit eh und je im Religionsunterrichteingepfercht hat. Sie empfinden Angst vor jeder Öff-nung für das Wort Gottes oder auch vor jeder Er-neuerung innerhalb der römischen Kirche und sindfroh, einen Priester zu finden, der sie in ihrer reli-giösen Angst bestätigt. Auch manche Priester leidenunter diesem von Menschen verursachten Religions-joch. Eine andere Seite von engagierten Katholikenbegnügt sich oberflächlich mit ihrer religiösenPflichterfüllung und ist froh, wenn im liturgischenLeben der katholischen Kirche nichts verändert wird.Durch Änderungen zugunsten der biblischen Wahr-heit würden sie aus ihrer traditionellen Bahn gewor-fen und sie in eine Protesthaltung versetzt. Wir müs-sen diesen Menschen volles Verständnis entgegen-bringen, selbst vielen Priestern. Die volle biblisch-christliche Wahrheit mit ihren Konsequenzen bleibtihnen noch in mancher Hinsicht eine Fremdspra-che.

Was nun Priester mit der oben genannten Haltungunter das Volk bringen, findet auch schnell Aufnah-me in den Herzen dieser Menschen.

Tragischerweise ließen sich manche Priester auf derKanzel, bei Vereinsanlässen, in der Presse und in Ge-sprächen zu Aussagen verleiten, die am Entscheiden-den vorbeigingen. Manche einfache Menschen wur-

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den aber dadurch gegen mich beeinflusst, verführtund zu unüberlegten Handlungen verleitet.

Das Schreiben, das die Priester vom bischöflichenOrdinariat zugestellt bekamen und das die Erklärungaus Kanon 1044 § 2 enthielt, dass ich geistesgestörtund psychisch krank sei, kam einigen ja sehr gele-gen. Diese Äußerungen gaben Anlass zu so vielen Spe-kulationen, dass deren Folgen nicht abzuschätzensind. Einige Priester waren sehr erstaunt, dass sie bisdahin von meinem »Aufenthalt in der Psychiatrie«nichts gewusst hatten und konnten darum die Hand-lung des Ordinariates als besten, geistlichen und bi-schöflichen Beitrag zu meiner Gesundung nicht ver-stehen. Verschiedene Priester innerhalb und außer-halb der Diözese Sitten boten mir in dieser Zeit ihreHilfe an. Der deutsche Weihbischof Heinrich Grafvon Soden bot mir seine Hilfe an und erkundigte sichim bischöflichen Ordinariat Sitten (Sion) nach demeigentlichen Grund meiner Exkommunikation. Erschreibt in seinem Brief vom 12. Januar 1989: »… undhat mich veranlasst, bei der bischöflichen Kanzlei nachden Gründen Ihres Ausschlusses zu fragen. Offen-sichtlich haben Sie Schwierigkeiten mit der Marien-frömmigkeit …« Andere Priester und engagierte Ka-tholiken drangen darauf, das bischöfliche Ordinariatzu einem öffentlichen Widerruf des Kanon 1044 § 2zu verpflichten, durch den meine Ehre und meinName in den Schmutz gezogen wurden. In Anbetrachtder Aussage von Kanon 1044 § 2 erkannte ich dieNotwendigkeit dieses Widerrufs umso mehr, da meinBrief vom 25. Oktober 1988 an das bischöfliche Or-dinariat unbeantwortet blieb. Weil das bischöflicheOrdinariat auf diesen Brief nicht reagierte und auchnicht bereit war, eine öffentliche Richtigstellung die-

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ser Aussage vorzunehmen, wagten es einige Priesterin ihren Predigten und in Gesprächen immer wieder,ihre Missbilligung über das Vorgehen auszudrücken.Sie wussten um meinen Einsatz und hielten den »bi-schöflichen Tritt in den Hintern« nicht für einen idea-len Versuch der Konfliktlösung, weil dadurch zu vielaufs Spiel gesetzt schien.

Ein anderer Priester organisierte einen Gebets-sturm, damit ich zurückfinde zur Wahrheit der ka-tholischen Kirche. An jedem Tag betete eine andereGruppe für mich. Nun, ich bete und hoffe, dass derHerr ihren Gebetseinsatz auch für sie alle als Segengedeihen lässt, damit noch viele, die »die himmlischeGabe geschmeckt haben« (Hebräer 6,4) aufwachenund sich mutig den Lockrufen des Herrn und seinenVerheißungen von Ewigkeitswert anschließen werden.

Verschiedene Priester forderten mich auf, das Walliszu verlassen, damit der religiöse Friede im Lande ge-wahrt bliebe. Einige wenige Priester drohten mir hinund wieder mit Repressalien.

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Warum ich Priester geworden bin

Während meiner Amtszeit als Priester der römischenKirche kam ich mehr und mehr zur der Überzeugung,dass hier anderes gelehrt wird als Gottes Wort. Kanndas katholische Volk diesen Werdegang überhauptverstehen und nachvollziehen?

Fragen wurden etwa so formuliert: »Warum bistdu überhaupt Priester geworden, wenn du nicht andie Kindertaufe als Heilsnotwendigkeit glaubst, wenndu Maria nur achtest, sie aber nicht als Mutter Got-tes verehrst, wenn du an der Unfehlbarkeit des Paps-tes zweifelst, wenn du …«

Diese Fragen wurden von Menschen gestellt, diemich kennen, mit denen ich zusammenlebte, betete,lachte und weinte – kurzerhand Freud und Leid teil-te –, und so drücken sie Schmerz, Traurigkeit undsogar heftige Ablehnung bis hin zur äußersten Ver-achtung aus. Diese Fragen und Gefühlsausbrüche sindfür einen römischen Katholiken wohl berechtigt. Ver-ständlich und nachvollziehbar ist meine Auseinan-dersetzung mit der röm.-kath. Kirche wohl nur vordem Hintergrund einer ehrlichen, echten und tiefenBegegnung mit dem Wort Gottes in der Bibel.

Als ich 1947 als siebtes von zwölf Kindern im Wein-dorf Salgesch geboren wurde, gab es in den meistenkatholischen Gebieten noch keine Alternative zur In-stitution der römischen Kirche. Dass die herrschen-de politische Macht und der römische Katholizismusein und dasselbe waren, daran zweifelte wohl kaumjemand. So wurde z. B. der heute weltberühmte Grün-der des Werkes L’Abri (Obdach), der evangelikale

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Wissenschaftler Francis Schaeffer Ende der 50er Jahreauf Druck des Bischofs von der Behörde aus demWallis vertrieben, obwohl er vielen notleidenden Stu-denten Obdach geboten und den Weg durch die Wis-senschaften hindurch zu Jesus Christus aufgeschlos-sen hatte.

Frau Schaeffer schreibt: »Herr Ex. suchte uns auf;er war ganz bestürzt und berichtete, dass einige Män-ner im Dorf eine Bittschrift einreichen wollten, damitwir bleiben könnten. ›Sie machen sich nicht klar, wel-chen Einfluss die Kirche hat. Wenn der Bischof be-stimmt hat, dass Sie gehen sollen, muss selbst ein libe-ral denkender Jurist aufgeben. Der Druck ist groß.‹«1

Für die katholische Obrigkeit ist die Frage, ob je-mand Christ ist und gemäß der Lehre Jesu und derApostel christlich lebt, niemals vorrangig. Das religi-onspolitische Einheitsdenken herrscht vor, darum dievielen religionspolitischen Kriege wie in Irland, Li-banon, Jugoslawien usw. Es ergibt sich immer wie-der zuerst die Frage: Ist er bzw. sie römisch-katho-lisch? Bei den meisten Katholiken ist die heilsnot-wendige, dogmatische Auffassung verankert, dass nurein römischer Katholik gerettet werden kann.

Bekehren sich Katholiken und finden sie in einerchristlichen Gemeinde durch Jesus Christus Befrei-ung vom Alkohol, von Drogen, von Hurerei, von Be-trügereien oder Ausschweifung irgendwelcher Art,sind die Angehörigen und Priester meistens entsetzt.Sie versuchen mit allen Mitteln, diese Menschen vonder christlichen Gemeinde zu trennen und stürzensie zurück in ihr altes Elend. Es gilt das Motto: Lie-ber in all diesen Sünden zugrunde gehen, doch »ver-sehen mit den Tröstungen unserer heiligen Religion«.Ich könnte Dutzende von Beispielen aufzählen! So

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wird das Volk von der kirchlichen Obrigkeit an sichgebunden, irregeführt und von einer ehrlichen undbefreienden Begegnung mit Jesus Christus im NeuenTestament abgehalten!

Nur via römische Kirche in den Himmel

Nicht nur in den abgeschlossenen Tälern, sondernüberall in der katholischen Welt mussten und müs-sen die Mitglieder der römischen Kirche glauben, dassder Himmel nur durch und über den Vatikan zu er-reichen ist. Als Kinder lernten wir aus dem Katechis-mus: »Die katholische Kirche wird die alleinseligma-chende genannt …«2 Die allgemeine vierte römischeKirchenversammlung im Lateran von 1215 lehrt: »Esgibt nur eine allgemeine Kirche der Gläubigen. Au-ßer ihr wird keiner gerettet.«3 Papst Bonifaz VIII. er-klärte 1302 gegen Philipp den Schönen von Frank-reich: »Außer ihr [der röm.-kath. Kirche] finden wirkein Heil noch Verzeihung der Sünden.«4 Dies bestä-tigte die allgemeine römische Kirchenversammlungzu Florenz im Jahre 1442 gegen die Jakobiten: »…glaubt fest, bekennt und verkündet, dass niemandaußerhalb der katholischen Kirche, weder Heide nochJude noch Ungläubiger oder ein von der Einheit ge-trennter – des ewigen Lebens teilhaftig wird, viel-mehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel undseinen Engeln bereitet ist, wenn er sich nicht vor demTod ihr [der röm.-kath. Kirche] anschließt.«5 Und sogeht das weiter bis zum 2. Vatikanischen Konzil(1962–1965), das besagt: »Denn nur durch die ka-tholische Kirche Christi, die das allgemeine Hilfsmit-tel des Heiles ist, kann man Zutritt zu der ganzenFülle der Heilsmittel haben.«6

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Papst Paul VI. sagte 1968 in seinem Credo: »Wirglauben, dass die [römische] Kirche heilsnotwendigist.«7

In seiner Enzyklika »Ut unum sint« (»Dass sie einsseien«) vom 25. Mai 1995 fordert der Papst alleNichtkatholiken christlichen Bekenntnisses auf, sichder katholischen Kirche unterzuordnen: »An Chris-tus glauben heißt, die Einheit wollen; die Einheitwollen heißt, die [katholische] Kirche wollen … Dasist also die Bedeutung des Gebetes Christi: ›dass sieeins seien‹.«8

Der Papst zitiert das 2. Vatikanische Konzil undbetont: »Es gibt keinen echten Ökumenismus ohneinnere Bekehrung.«9 Was er damit meint, muss blindder Tradition dieses verstümmelten Christentums ent-sprechen. »Es geht in diesem Zusammenhang nichtdarum, das [katholische] Glaubensgut zu modifizie-ren, die Bedeutung der Dogmen zu ändern, wesent-liche Worte aus ihnen zu streichen …«10

»Alles, was die nichtkatholischen christlichen Ge-meinschaften sind und wirken«, (vgl. Ut unum sint,Artikel 11-14) »gehört rechtens zu der einzigen [ka-tholischen] Kirche Christi.«11

Und der Leib Christi, »welchem alle völlig einge-gliedert werden müssen«, ist die katholische Kirche.12

Damit ist ehrlichkeitshalber – Gott sei’s gedankt –jedes ökumenische Streben mit Rom im Vornhereinfruchtlos. Dieser Wirklichkeit müssten sich alle öku-menisch Gesinnten stellen!

Seit dem frühen Mittelalter wird diese Lehre ein-gehämmert, die den politisch Verantwortlichen undden Volksmassen die Macht der Päpste in ihren vie-len kriegerischen und religiösen Auseinandersetzun-gen demonstrieren soll, bis hin zum Höhepunkt des

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religiösen Fanatismus und der Gotteslästerung im Jah-re 1870. Am 18. Juli jenes Jahres setzte sich PapstPius IX. mit seinem Unfehlbarkeitsdogma endgültigund kirchenrechtlich Gott gleich. Sprach der Papst,so sprach Gott.

»Schon 1866 hatte Papst Pius IX. sich so geäu-ßert: ›Ich bin der Nachfolger der Apostel, Stellver-treter Jesu Christi, ich allein habe die Aufgabe, dasSchiff des Petrus zu führen und zu steuern; ich binder Weg, die Wahrheit und das Leben. Wer mit mirist, gehört zur Kirche, wer nicht mit mir ist, ist außerder Kirche und außerhalb des Weges, der Wahrheitund des Lebens.‹ Das war klar genug!«13

Unter »Kirche« und »Heil« verstanden wir, demPapst und seinen Vertretern zu gehorchen, ohne Wennund Aber. Bonifaz VIII. schreibt in seiner Bulle »UnamSanctam« im Jahre 1302: »Dem römischen Papst sichzu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zumHeile notwendig: Das erklären, behaupten, bestim-men und verkünden Wir.«14 Dies ist ein Dogma (Wir= Pluralis majestatis, Ich und Gott, darum 1. PersonMehrzahl). Papst Pius IX. schrieb im Jahre 1862 anden Erzbischof von München Freising: »Die Kirchehat kraft ihrer göttlichen Einsetzung die Pflicht, aufsGewissenhafteste das Gut des göttlichen Glaubensunversehrt und vollkommen zu bewahren und be-ständig mit größtem Eifer über das Heil der Seelenzu wachen. Deshalb muss sie in peinlicher Sorgfaltalles entfernen und ausmerzen, was gegen den Glau-ben ist oder dem Seelenheil irgendwie schaden könnte…«15 Davon waren wir überzeugt!

Als Kinder lernten wir auf die dritte Frage im rö-mischen Katechismus »Wer lehrt uns durch den Mundder Kirche?« antworten: »Durch den Mund der Kir-

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che lehrt uns Christus, unser himmlischer Herr.«16

Im Katechismus stand auf Seite 7 geschrieben: »Gottwill, dass wir auf die Kirche hören. Wir müssen glau-ben, was sie glaubt und uns zu glauben lehrt. Danngehen wir den Weg der Wahrheit und gelangen einstins ewige Leben.«17 Als Merksatz »für mein Leben:Ich will im Glauben der Kirche leben und sterben.«18

Als Untermauerung dieser Lehren war auf Seite 8 un-ter »Wort Gottes« aus dem Brief des Paulus an dieGalater Folgendes zitiert: »Wenn jemand euch ein an-deres Evangelium verkündet, als ihr empfangen habt,so sei er verflucht (Galater 1,9).«19

Wer von uns kam damals auf den Gedanken, dassPaulus diesen Brief um 50 n.Chr. an die Christenvon Galatien geschrieben hatte – und zwar an wie-dergeborene Menschen – und nicht erst 1870 oder1950 oder sonst zu irgendeiner Zeit. Unter diesen

Pius IX.

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Fluch stellt Paulus alle, die dem biblischen Evangeli-um etwas hinzufügen oder etwas wegnehmen.

Der Hölle preisgegeben

Wer von uns hätte damals gedacht, dass man uns inder römischen Kirche schon längst ein anderes Evan-gelium lehrt, ein Gemisch von christlichen Wahrhei-ten und heidnischen Mythologien, ein Wirrwarr vondogmatisierten Lehrsätzen, bestehend aus den päpst-lichen Launen der Jahrhunderte.

Damit niemand auf den Gedanken kommen soll-te, an den römischen Lehren zu zweifeln und sie nichtfür Gottes Lehre zu halten, sorgte Rom auch vor.Wer an einer Aussage oder Lehre der Päpste zweifel-te, war gleich mit dem Bannfluch belegt und der Höllepreisgegeben. Wer wollte das schon? Niemand woll-te sein ewiges Leben in der Hölle verbringen; jederwollte seinen Platz im »Himmel« sicher haben. DieseSicherheiten, so sagten uns die Priester, hätten unsdie Päpste mit ihren Lehren und ihren Sakramentengegeben! Sie seien die Tür zum ewigen Leben. MitBegeisterung lernte ich aus der Schulbibel (eine ge-kürzte Bibelausgabe). Der Katechismus, bestehend auseinzelnen biblischen Aussagen, vermischt mit römi-schen Lehren, mit seiner eigenartigen Philosophie,erschwerte mir manche Lebensstunde und raubte mirnicht selten die Nachtruhe.

Schon als Kind bat ich Jesus, die Mutter Gottes,die Engel, die Heiligen und die verstorbenen Ange-hörigen, mir zu helfen, dass ich doch Priester wer-den könnte. Ich wollte dort sein, wo sich der Menscham allernächsten bei Gott aufhalten kann. Wir glaub-ten, dass die Priester Gott am allernächsten seien.

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Sehr früh nahm ich mir vor, Priester zu werden. VomReligionsunterricht und durch die Heiligenlektürenermutigt, unterwarf ich mich den üblichen Kasteiun-gen, die für den Weg der Heiligkeit unerlässlich wa-ren. Als sündiger Mensch musste ich Gott gegenüberSühne leisten.

So tauschte ich mir einen breiten Gürtel bei einermeiner sieben Schwestern ein, bestickte ihn mit Nä-geln aller Art und schnallte ihn eng um meinen Kör-per. Bei der prallen Sommerhitze verursachte ein sol-ches Arbeiten in den Rebbergen besondere Schmer-zen. Als genugtuendes Sühneopfer für meine Sündenund für die Sünden der Welt, als Beweis meiner Lie-be zu Jesus, fühlte ich mich gestärkt und ermutigt, soauf dem Weg der Heiligkeit voranzuschreiten. Gele-gentlich steckte ich mir Kieselsteine in die Schuh-spitzen. Bei jedem Schritt wurden die Schmerzen er-höht. Wenn die Müdigkeit mich nicht übermannte,betete ich halbe Nächte hindurch den Rosenkranz.Später in meinen Jugendjahren, als ich mir manch-mal meiner Sündhaftigkeit und der meiner Jugend-gefährten besonders bewusst wurde, schlich ich michim Winter aus dem warmen Bett und verbrachte dieNacht auf dem bloßen Fußboden.

In gleicher Weise wie gewisse »Heilige« der römi-schen Kirche und ermutigt durch Missionare, so woll-te auch ich durch regelmäßiges Geißeln des Körpersin der Nachfolge Jesu wachsen.

Meine Mutter durchkreuzte mir manchmal meineVollkommenheitsstrategien. Als sie die Blutflecken inmeiner Wäsche entdeckte, verbot sie mir kurzerhandsolche Kasteiungen.

Wie schmerzte mich das Unverständnis meinerMutter. War sie vielleicht nicht ganz gläubig? Solche

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und ähnliche Fragen erschwerten mein Vollkommen-heitsstreben. Ich musste meiner Mutter gehorchen,so lehrte mich der Katechismus. Kurzerhand hielt ichAusschau nach neuen Genugtuungen. So verzichteteich gelegentlich in der Sommerhitze bei den Rebar-beiten einen ganzen Tag lang auf Getränke oder ichfastete einfach.

Manchmal brachen Zeiten der Weltverbundenheitein. Das religiöse Leben verlief dann schmalspuriger,doch das religiöse Umfeld holte mich immer wiederein. Darüber war ich stets froh. Ich liebte Gott undwollte ihn noch besser kennen lernen.

Mein Werdegang zum Priester

Nach einem 4-jährigen Kollegiumsaufenthalt wollteich Architekt werden. In unseren Gegenden fing manzu dieser Zeit an, die modernen Beschlüsse des 2. Va-tikanischen Konzils schrittweise und mit viel Wider-willen einzuführen. Als ich in einem Architekturbüroarbeitete, schreckte mich Ende der sechziger Jahredie Not der vielen jungen Menschen auf. Ich suchtenoch intensiver nach Gott, denn Sexorgien, Drogen,Homosexualität usw. hielten Einzug in unsere Täler.Im inneren Kampf um die Frage, wie ich Mitmen-schen in solchen Nöten wohl am besten helfen könn-te, drängte sich immer wieder von neuem die Ant-wort auf, dass ich nur als Priester die Not lindernkönnte, denn nur so bist du allgemein akzeptiert. DasZiel aber, Priester zu werden, schien mir weit wegund zu hoch. Zudem schien uns das 2. VatikanischeKonzil (1962– 1965) aus der althergebrachten hei-meligen Mystik, aus allen liturgischen und sakramen-talen Bereichen des kirchlichen Lebens herausgeris-

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sen zu haben. Das stimmte mich sehr traurig. Einelebendige innere Beziehung zu Christus durch denHeiligen Geist fehlte mir damals, wie den meistenrömischen Katholiken, denn unser Gebetsleben wargeprägt von Toten (den »Heiligen«, der »Muttergot-tes«, den verstorbenen Angehörigen) und von Engeln.Eines Tages sah ich ein Gebet in einer katholischenZeitschrift. Dieses Gebet sprach mich direkt an. Ichtippte es auf ein kleines Stück Papier und hüllte es indurchsichtige Klebstreifen ein. Immer trug ich danndieses Gebet auf mir. Fast jeden Morgen vor dem Ar-beitsbeginn im Büro verzog ich mich für einige Au-genblicke und betete inniglich dieses Gebet: »GeistJesu, Geist der Glut, des Lichtes und der Freude, einsthast du am Pfingstfest deine Jünger zu Christen ge-macht. Hell leuchtete ihnen Christi Wahrheit, seineLiebe brannte in ihren Herzen, und in deiner Krafthaben sie die Welt bezwungen. Komm zu mir. Machemein Gewissen klar, dass ich sehe, was ich soll, auchin den Wirrnissen des täglichen Lebens. Mache meinHerz großmütig und stark, damit ich freudig GottesWerk schaffe. Dir ist Christi Reich übergeben. SeineWahrheit lehrest du. Seine Gnade spendest du. SeineGebote verkündest du. Oh, öffne meine Augen, dassich den Herrn sehe! Lass mich erkennen, wer Jesusist und was er von mir will.« Obwohl mir damalsnicht klar war, dass ich nicht zum Heiligen Geist be-ten brauchte, sondern mich direkt an Jesus wendenkonnte, sollten diese Bitten doch eines Tages erhörtwerden: »Oh öffne meine Augen, dass ich den Herrnsehe! Lass mich erkennen, wer Jesus ist und was ervon mir will.« Ja, wer Jesus ist und was er von mirwill! Ich ahnte noch nicht, was er von mir wollte.Denn noch tat ich – ohne es zu wissen – was religiöse

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Menschen von mir wollten, noch richtete ich meinenBlick auf das Leitbild von Menschen, auf tote Heili-ge. Jesus war da und doch nicht, denn sein Wort fehl-te mir, ohne dass ich es wusste.

In der römischen Kirche kennt man das persönli-che Gebet, das Zwiegespräch mit Gott selten. Allesist in feste Formen gepackt: in Rosenkranz-, Gebets-,Mess- und rituelle Formeln. Dadurch ist dem Vati-kan eine kontrollierbare Übersicht gewährleistet. Die-se Übersicht soll die Einheit der römischen Katholi-ken demonstrieren. Es ist Pflicht des römischen Pries-ters darauf zu achten, dass sich das Volk an dieseGebetskategorien hält. So hat der Heilige Geist, derdoch weht und bewegt, wo er will, in dieser Institu-tion nicht mehr viel zu bewegen. Unter dem Groß-teil der römischen Priesterschaft gilt der Heilige Geistals Störenfried. Er droht diese Gebetskategoriendurch das einfache, nach Wahrheit suchende Volkimmer wieder auseinanderzubrechen. Selbst in dencharismatischen Bibelkreisen in der »Erneuerung derkatholischen Kirche aus dem Heiligen Geist« ist derPriesterschaft vom Vatikan her ein besonderer Feu-erwehrdienst auferlegt worden.

Nach fünf Jahren Tätigkeit als Hochbauzeichnerbesuchte uns eines Abends Jean-Marc Bonvin, Vikarin Haute-Nendaz. Er suchte ab und zu meine Mutterauf, um sie über den plötzlichen Tod unseres Vaterszu trösten. Mit ihr zusammen betete und diskutierteer gerne. An jenem Abend geschah eine Wende inmeinem Leben, die meine ganze Zukunft prägen soll-te. Bis dahin hatte ich den Kontakt mit ihm gemie-den. Kam es zu einem kurzen Wortwechsel, versuch-te ich ihn herauszufordern, wobei mich seine Gelas-senheit beunruhigte. Ebenso störte mich seine unkle-

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rikale äußere Aufmachung und sein treues, gütigesBenehmen. All das und manch anderes entsprach nichtder traditionellen klerikalen Art. Das störte mich.

An jenem Abend betrachtete er den Grundriss aufdem Zeichenbrett, an dem ich arbeitete. Eins ergabdas andere und ich sagte zu ihm: »Ich würde heutenoch Priester werden und Jesus folgen, wenn ich dazunicht noch die Matura [das Abitur] nachholen müs-ste.« Er antwortete darauf ganz gelassen: »Es gibt heu-te drei Bildungswege, die die Zulassung zum Pries-terdienst ermöglichen. Du kannst auf dem 2. Bil-dungsweg Priester werden. Vier Jahre Latein, Grie-chisch, ein abgeschlossener Beruf … Melde dich beimBischof in Sitten (Sion) an.«

Eine überwältigende Freude erfüllte mich. Ganzplötzlich öffneten sich mir Türen zu Gott. In jenerNacht suchte ich keinen Schlaf, ich hätte ihn auchnicht gefunden! Im Rosenkranzgebet dankte ich Gott,der »Muttergottes« und allen »Heiligen«. Als ich fest-stellte, dass meine Mutter noch um Mitternacht anihrem gewöhnlichen Platz in der großen Küche imGebet versunken dasaß, ging ich auf sie zu und äu-ßerte ihr mit großer Freude den Wunsch, Priester zuwerden. Sie schaute zu mir hoch – ganz lange – undsagte dann:

»Mach das nicht!«»Aber warum nicht, Mama, freut Ihr euch darüber

nicht?«, erwiderte ich ganz enttäuscht.Sie antwortete: »Gregor, wenn du Priester werden

willst, so bedenke, dass Priester sein heißt, Jesus Chris-tus folgen und sich zu ihm stellen und das kann sehrschwer sein.«

Erstaunt fragte ich zurück: »Gibt es eine andereKirche, die so treu zu Jesus hält und immer das getan

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hat und tut wie es die heilige katholische und apos-tolische Kirche auf vorbildliche Weise tut?«

»Ja, ja,« meinte die Mutter, »du kennst unsere Kir-che schlecht, aber wenn du glaubst, dass Christus dichgerufen hat, dann folge ihm.«

»Ja«, versprach ich der Mutter, »ich werde JesusChristus folgen und mich auch zu ihm stellen.«

Bis tief in die Nacht hinein sprachen wir noch überdies und das. Eines aber ließ mich nicht mehr los:Sollte meine Mutter tatsächlich Zweifel über diekirchliche Obrigkeit hegen? Gab es da wirklich Din-ge, von denen ich nichts wusste? Was wusste sie vonihrem Bruder, der zu jener Zeit bischöflicher Kanz-ler in Bulawayo, Zimbabwe, war und was wusste sievon ihrem Onkel, der als Priester vor wenigen Jah-ren verstorben war? Was von den Nonnen und Mön-chen in der Verwandtschaft?

Einige Tage später kniete ich in der Kathedrale vonSitten (Sion) vor dem Tabernakel. Ich betete zu »Je-sus im Tabernakel« und gab Acht darauf, dass auchdie »Heiligen« nicht zu kurz kamen. Ein Höhepunktmeines Lebens schien gekommen zu sein. Bevor ichmich mit dem ehrwürdigen Bischof Nestor Adam zueinem Zwiegespräch im bischöflichen Palais einfand,wollte ich alles unter den Schutz der »Gottesmutter«stellen. Das letzte Mal stand ich dem Bischof so nahe,als er vor Jahren in Salgesch die Antworten der Firm-kandidaten abgenommen hatte. Als er damals fragte,wer von uns Priester werden möchte, streckte ich zag-haft die Hand hoch.

Im Palais Platz genommen, fragte mich BischofAdam mit seiner einnehmenden Liebenswürdigkeitals erstes: »Und beten Sie auch täglich den Rosen-kranz?«

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»Ja, seit einigen Tagen wieder ganz intensiv«, ant-wortete ich.

Er beglückwünschte mich mit den Worten: »Dannsind sie zum Priester berufen.«

Was er mir nun ins Ohr flüsterte, bestürzte michsehr. »Ich rate Ihnen, gehen Sie bitte nicht ins Walli-ser Priesterseminar nach Fribourg, denn dort wer-den sie unseren Glauben verlieren.«

»Wie bitte?«»Ja, Sie haben richtig verstanden, tun Sie, was ich

Ihnen sage, studieren Sie in einem Kloster Theologieund ich werde Sie dann zum Priester weihen.«

Auf keinen Fall wollte ich den katholischen Glau-ben verlieren. Die Erneuerer schienen schon so vielHeiliges den Hunden preisgegeben zu haben – dasging ja schon zu weit. Wie konnten sie nur die göttli-chen Dogmen in Frage stellen?

Ins Kloster

1971 zog ich zusammen mit Vikar Jean-Marc Bon-vin nach Österreich nach Tirol. In der Klosterkom-munität des Werkes der Heiligen Engel (Opus Sanc-torum Angelorum) erlebte ich eine strenge aber be-friedigende asketisch-kontemplative Zeit. Das be-nediktinische Ora et Labora (bete und arbeite) füll-te die Monate aus. Meine Nebenaufgabe war mitdem Aus- und Umbau des Klosters, einer ehemali-gen Schlossburg, verknüpft; ich durfte Pläne zeich-nen.

Das Theologiestudium sollte ich eigentlich in Romin italienischer Sprache absolvieren. Nach fast einemJahr Klosterleben zog ich es vor, in der Schweiz dasTheologiestudium aufzunehmen.

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Im folgenden Jahr durfte ich an der theologischenHausfakultät im Kloster Einsiedeln mit dem Theolo-gie- und Philosophiestudium beginnen (1972 – 1975).Von den kirchlichen Auseinandersetzungen, die na-türlich durch das 2. Vatikanische Konzil hervorgeru-fen waren, bekamen auch wir mehr und mehr ab.Sehr oft erinnerte ich mich an die Bemerkungenmeiner Mutter, die damals im Januar 1973 verstor-ben war. Das Marienkloster Einsiedeln ist als Wall-fahrtsort vielen Menschen bekannt. Als Kuriosumsticht die schwarze Muttergottesstatue in der soge-nannten Gnadenkappelle ins Auge, die bei regelmä-ßigen Festlichkeiten von Mönchen mit den feierlichs-ten und auserlesensten Roben aus- und eingekleidetwird. Die tägliche Mönchsprozession hin zu dieserStatue bildet mit dem gesungenen »Sei gegrüßt, duKönigin« (Salve Regina) als Höhepunkt eine ergrei-fende Attraktion für Pilger und Touristen.

Besuch meiner Verwandten im Kloster »Opus Sanctorum Angelo-rum« in Tirol, Pfingsten 1972

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Im Priesterseminar

Zu meiner Zeit musste jeder Walliser Seminarist min-destens zwei Semester im Walliser Priesterseminar inFribourg zubringen. So wünschte es Regens Varone.Noch geprägt vom vorkonziliären Glaubensleben undden beiden Klostergemeinschaften im Tirol und inEinsiedeln, begegnete ich in Fribourg einer völlig an-deren röm.-kath. Kirche. Die Gegensätze schienenmir so tiefgründig zu liegen, dass ich eine Zeitlangdrauf und dran war, das Studium aufzugeben.

Was sollte diese massive Kritik an der heiligen, un-fehlbaren Leitung im Vatikan rechtfertigen? Immerwieder wurden Fehler der Päpste aufgetischt. Ich frag-te mich, was die Priester damit wohl bezwecken woll-ten. Konnten sich die Päpste in all ihren Entschei-dungen nicht auf die vollkommene Führung des Hei-ligen Geistes verlassen? Darin wurden wir doch von

An der theologischen Hausfakultät im Kloster Einsiedeln, 1973

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Kindesbeinen an unterwiesen. Wer konnte da wohlvon Fehlern sprechen? War die Entziehung von Lehr-stühlen gewisser Theologen durch Rom nicht gerecht-fertigt? Sollte Rom etwa von Gott abfallen und pro-testantisch werden? Bevor wir jeweils am Freitag nachHause gingen, versammelten wir uns in unseremWohnheim, dem Salesianum, um einen gewöhnlichenTisch. Der Vizeregens Prof. Hermann Venetz feiertemit uns das Messopfer. Er las nicht einfach die Mes-se mit allen einzuhaltenden Formeln und Gesten her-unter. Weil er nicht wie üblich mit der Albe und derStola und all den dazugehörenden liturgischen Ge-wändern bekleidet war, die Ritualgesten des Kanonsnicht einhielt und dazu die Einsetzungsworte bei derKonsekration (Wandlung) in Walliserdeutsch sprachund dies noch auf einem gewöhnlichen Tisch voll-zog, ohne Heiligenreliquien (getrocknete, konservier-te Körperteilchen verstorbener Menschen, die in denAltären eingelassen sind), glaubte ich bei dieser Mes-se nicht an eine geschehene Transsubstantiation, aneine wirkliche Wandlung von Brot und Wein in JesuLeib und Blut. Ich war empört über dieses sakrilegi-sche, unchristliche (d.h. unkatholische) Getue.

So konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren,dass ich Schritt für Schritt die röm.-kath. Heimat ver-lor. Dagegen wehrte ich mich heftig. Die Dozentenoder Verantwortlichen hätten uns mit mehr Verständ-nis und Geduld in die neueren liturgischen und theo-logischen Errungenschaften des 2. Vatikanischen Kon-zils einführen sollen. Viele von uns hätten zu jenerZeit die Bestrebungen der liberalen Theologen bes-ser verstehen können. In vielen ihrer Äußerungen undVerhaltensweisen hätten wir in der Bibel eine recht-fertigende Antwort für ihren Weg der Erneuerung

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gefunden und damit erkannt, dass sie dem Willen Jesunäher stehen, als was wir bis dahin als unfehlbaregöttliche Wahrheit geglaubt hatten. Jedenfalls wollteich mich unter keinen Umständen von den Sicher-heiten lösen, die mir die röm.-kath. Kirche ins Herzgepflanzt hatte. Der Vatikan war für uns die Glucke,aus deren Eiern wir geschlüpft waren und in derenDogmengefieder wir den Himmel zu verdienen glaub-ten. Die Bibel behandelten wir als ein literarischesWerk eigener Prägung. Es war für mich aber nochnicht das Buch, dem so viel Autorität zukommt, dasses für mich die Antwort Gottes auf die Fragen derMenschen von heute hätte sein können. Ich hatte esschlichtweg als Konkurrenz zur röm.-kath. Kircheempfunden, als ein Buch, das schlussendlich nichtszu sagen hat. Und ich war froh, dass der historisch-kritische Hammer jener Zeit die Bibel als ein RedenGottes, Jesu und der Urchristen niederschmetterte.Die Bibel war für mich jenes Buch, mit dem man al-les rechtfertigen konnte, das Buch der Protestantenund der vielen Sekten, die daraus entstanden waren.

Meine ersten Bibelabende

Eines Tages lud mich ein Studienkollege zu einemBibelabend in die Krypta des Kapuzinerklosters einund zwar, wie er mir sagte, zu einem echt katholi-schen Bibelabend. Was sich mir hier bot, konnte ichin keiner Weise dem röm.-kath. Glauben zuordnen.Ich befand mich, wie mir mein Begleiter darlegte –in einem katholisch-charismatischen Kreis (CE, heu-te auch: »Erneuerung aus dem Geist Gottes in derkatholischen Kirche« genannt). Was war das wohlwieder? Die Versammelten sangen ungewohnt herz-

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ergreifende Lieder. Hier und dort erhob jemand sei-ne Stimme zum Gebet, während andere durch Hal-leluja- und Amen-Rufe das Gebet bestätigten. Wie-der jemand legte, wie man mir sagte, sein Glaubens-zeugnis dar. Eine Frau erzählte, wie sie von der Pros-titution frei wurde, als sie Jesus und sein Wort in derBibel kennen lernte. Ich empfand diese Zeugnisbe-richte und die Gebete der Anwesenden als sehrschmuddelige und peinliche Angelegenheit. Ich warentsetzt über das unkatholische »Durcheinander« undkonnte es kaum fassen, dass das hier röm.-kath. seinsollte.

Von Jugend an haben wir gelernt, dass es nur den»Heiligen« zusteht, ihre Erfahrungen und Gefühle mitGott auszudrücken – meistens wurden diese erst nachihrem Tode veröffentlicht! Uns stand das nicht zu.Ich wusste wohl, dass der ursprüngliche christlicheGottesdienst sehr lebendig war, viele Ausdrucksfor-men kannte, und dass er im Laufe der Zeit auf engeRituale zusammengeschnürt worden war. Aber dieDistanz von heute bis zu den Christen der ersten Jahr-hunderte zurück schien mir gewaltig und nicht mehraufholbar.

In der röm.-kath. Messe ist man gewöhnt, in derKirche alles so zu praktizieren, wie alle es tun, sonstfällt man auf. Alle stehen auf, alle setzen sich, alleknien nieder, alle sagen Amen. Nun plötzlich dieseVielfalt im Benehmen und im Beten, das sich katho-lisch-charismatische Erneuerung nannte. Ich lachteüber diese Verrückten und weinte über den ZerfallRoms.

Die Woche darauf wollten mein Kollege und ichins Kino gehen, aber da war alles geschlossen unddunkel. In einer Gartenwirtschaft trösteten wir uns

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mit einem kühlen Bier, während von der Stadtkathe-drale her die 20-Uhr-Glockenschläge an unsere Oh-ren tönten.

Ganz plötzlich und eindringlich lud mich mein Kol-lege ein: »Komm, wir suchen wieder diese lustigenKatholiken auf.« »Nein, ich gehe zurück ins Salesie«,antwortete ich, »denn mit dieser verrückten Sektemöchte ich nichts mehr zu tun haben, ich bin rö-misch-katholisch und dabei bleibt es, basta.« Ich be-tonte das römisch! Vor allem Neuen empfand ichnämlich Angst und große Unsicherheit, was ja imGrunde genommen verständlich war. Mein Kollegeblieb fünf Minuten ruhig, dann lud er mich noch ein-mal ein mitzukommen. Ablehnend wollte ich soebenaufstehen und ins Salesie zurückgehen, als er michanschrie: »Ein typisch sturer, starrköpfiger Walliser,rechts Berge, links Berge, hinten Berge, vorne Ber-ge – Scheuklappen rechts und links, vorne und hin-ten – was darüber hinausgeht ist Sekte, ist verrückt,eine gründliche Auseinandersetzung wird gemieden,aus Angst und Feigheit, hejo!«

Von seinem Gefühlsausbruch ließ ich mich wohlkaum überzeugen, aber aus Liebe zu meinen Lands-leuten willigte ich ein und spülte mit dem letztenSchluck Bier den Ärger hinunter. Als wir gegen 20.15Uhr das Kloster erreichten und gerade in die Kryptahineingehen wollten, umarmte mich ein lieber, groß-gewachsener Pater, Pater Aristid, und küsste mich brü-derlich, und kaum ließ er mich aus seinen großenArmen los, wiederholte sich dieses brüderliche Ritu-al von neuem durch den Leiter der Versammlung,Pater Tilbert. Mir widerstrebte diese Art der Begrü-ßung. Nie hatte mich ein Pfarrer beim Eingang zueiner Kirche geküsst. Diese Art der Begrüßung über-

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forderte meine Gefühle. Zu alledem ergriff mich Pa-ter Tilbert am Arm und setzte mich neben sich in denengsten Kreis der bereits Anwesenden, die mit Lob-liedern und Gebeten die Größe Gottes priesen. Herz-klopfen und Ärger über diese Szenerie schnürten mirdie Gurgel zu. Immer wieder sagte ich mir: »Lass dichnicht erwischen, denn so fängt es an!« Nach einerStunde »Kunterbunt« sprach Pater Tilbert über eini-ge Verse aus der Bergpredigt, Matthäus 5–7. SeineBibelauslegung rührte mein Suchen und meine Notan. Meine Gedanken öffneten sich dem Wort Jesu inder Bergpredigt. Freude zog in mein Herz ein. Aberda war wieder die Last und die Frage um das sonder-bare Benehmen beim Singen und Beten, um dieseskomische, eigenartige Gemurmel, das sich später als»Zungenreden« oder »Reden in Sprachen« heraus-stellte. Gehört das mit zum eigentlichen Glaubensle-ben der Christen, fragte ich mich?

Ein tiefes Gespräch mit Pater Tilbert bahnte sichnach dem Bibelabend an. Er erläuterte mir Geschichteund Sinn der katholisch-charismatischen Erneuerungund wie der Geist Gottes nun über die erstarrten tra-ditionellen Staatskirchen hereinbreche und JesusChristus und sein Wort in ihnen neu wirken würden.Im Laufe der Zeit erklärte er mir auch, dass es derWille des Herrn sei, die Kirchen zu vereinen und dassgerade durch den charismatischen Aufbruch in derröm.-kath. Kirche die getrennten Brüder zurückfin-den würden zum einen Hirten, dem »Heiligen Va-ter« (gemeint war der Papst). Diese seine Äußerun-gen und die Äußerungen anderer charismatischerPriester überzeugten mich und erfreuten mich sehr.Er zeigte mir auf und ich erkannte, dass die katho-lisch-charismatische Erneuerung den getrennten Brü-

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dern ein Brückenschlag zurück zum Schoss der »Hei-ligen Mutter«, der römischen Kirche, sein würde. Beidiesen Gesprächen spielte auch Fatima und die »mys-teriösen« Verheißungen dieser Marienerscheinungeine wesentliche Rolle.

Wort Gottes = Brot des Lebens

Was aber nicht vorauszusehen war, geschah. Dennvon jenem Abend an wurde mir das Wort Gottes, dieBibel, im Gegensatz zum theologischen Bibelunter-richt, entschieden ins Herz gelegt. Das Wort Gotteswurde zur täglichen Speise in all den Fragen undNöten meines Lebens und für das Leben meiner Mit-menschen.

Mehr und mehr konnte ich verstehen, dass Jesusnicht nur damals Prostituierte freisprach und frei-setzte, sondern auch heute dasselbe tut, in der StadtFribourg und überall. Das Wort Gottes wurde mirvon jenem Abend an bis heute zum Brot des Lebens.Ich besuchte nun regelmäßig diese Gebetsversamm-lungen. Manchmal besuchte ich auch die französisch-sprachigen Treffen. Die Bibel wurde mir nun zumBeweisstück für das Leben der Christen. Gesprächemit Verantwortlichen öffneten meinen Blick für Got-tes Absicht. Ganz aufgeregt las ich Bücher über dasWirken Gottes unter den Menschen von heute. Ichbesuchte Bibelkurse und Bibelwochenenden der ka-tholisch-charismatischen Erneuerung. Später besuch-te ich auch überkonfessionelle Treffen im Sinn undGeiste der ökumenischen Bestrebungen der röm.-kath. Kirche.

»Jesus derselbe gestern und heute und in Ewig-keit« (Hebräer 13,8). Solche Sätze trafen mich plötz-

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lich ins Herz, obwohl ich sie früher auch schon oftgehört hatte, aber damals rührten sie weniger meinHerz an, denn ich war wie festgenagelt, voreinge-nommen. Meine große Absicht und Freude lag nunmehr und mehr darin, zusammen mit gleichgesinn-ten Menschen innerhalb der röm.-kath. Kirche dasWirken Jesu sichtbar werden zu lassen. Die Menschenvon heute, die so viele Friedensstrategien entwickelnund immer wieder ein Fiasko erleben, sollten wis-sen, dass Jesus sie liebt. Sie sollten wissen, dass dasEvangelium heute genau so für ihr Leben gilt, wiezur Zeit Jesu. Diese Trennung zwischen dem, was wirin den Evangelien, in der Apostelgeschichte usw. le-sen und dem, was wir als gute, anständige Kirchgän-ger lebten, sollte durch den aufgebrochenen Geistdes 2. Vatikanischen Konzils überwunden werden.Die röm.-kath. Kirche sollte in einem neuen Lichterstrahlen, nach dem Willen Jesu. So glaubte ich esund so glaubten Millionen von röm.-kath. Kirchen-mitgliedern. Dafür war ich bereit, mein Leben einzu-setzen. Nach meinem Aufenthalt in Fribourg mussteich noch das obligatorische Pastorialjahr absolvieren.

Das Pastorialjahr 1976/77 war aufgeteilt in zweiHälften. Eine Hälfte war dem Pastoralkurs im Pries-terseminar St. Beat, Luzern, zugeordnet, die andereHälfte einem Praktikum, das ich in der Pfarrei Müns-ter im Wallis absolvierte.

In Zermatt

Nach meiner Priesterweihe am 19. Juli 1977 ernanntemich Bischof Adam zum Vikar von Zermatt. Ich batBischof Adam in einem Telefonanruf, meinen Mit-bruder P. Zurbriggen, mit dem zusammen ich zum

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S. 102–107: Priesterweihe und Primiz in Salgesch, 19. Juni 1977

Priester geweiht worden war, nach Zermatt zu schi-cken, da er weltgewandter sei. Der Weltkurort Zer-matt war bekannt als ein modernes Sodom und Go-morrah – davor hatte ich Angst! So sagte ich BischofAdam: »Wenn ich in einem halben Jahr nicht mehr

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Priester bin, werde ich Sie verantwortlich machenmüssen.« Der Bischof antwortete: »Ja, das werde ichgerne auf mich nehmen, Gott mit Ihnen« und derHörer war aufgelegt. Zu dieser Zeit existierten imOberwallis noch keine katholisch-charismatischen Bi-

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belhauskreise. An einem Sonntag im Februar 1978lud ich in allen vollbesetzten Gottesdiensten vollerZuversicht zu einem Bibelabend ein, mit den Wor-ten: »Wer das Wort Gottes tiefer kennen lernen undJesus bewusster lieben und folgen möchte, der möge

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doch am 11. Februar um 20.00 Uhr ins Pfarrhauskommen.«

Zwei junge Menschen, die bereits regelmäßig inder Bibel lasen, folgten der Einladung. Von Monat zuMonat wuchs der Bibelkreis. Der Herr segnete uns:

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Frauen begegneten ihren Männern ganz neu; Leutewurden von der Trunkenheit befreit; Drogensüchti-ge wurden frei; Menschen regelten ihre Verhältnisseauf dem Arbeitsplatz; Nachbarn versöhnten sich; Sui-zidgefährdete fanden Heilung und Befreiung …

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Während dieser ersten Zeit als Priester in Zermattstellten mir die Schüler der 3. Real beim Religions-unterricht Fragen über die Bibel. Das unübliche Ver-halten verleitete mich zu der Annahme, dass jemanddiese Schüler beeinflussen müsste. Als ich danach frag-te, reagierten sie mit Schmunzeln und eisernemSchweigen. Das werden wir wohl noch herausbekom-men, dachte ich mir.

Als ich eines Tages beim Unterricht die Wandtafelwendete, sah ich auf der Rückseite einige Bibelverseaufgezeichnet. Sofort war mir klar, dass es sich dabeium den neuen Klassenlehrer Ronald Schmid handelnmusste. Stillschweigend notierte ich mir diese Verseund suchte im Pfarrhaus in der Bibel nach deren Aus-sagen. Es handelte sich um zentrale göttliche Aussa-gen wie Erlösung, Wiedergeburt, Heilsgewissheit u.a.m.

Abends suchte ich Ronald Schmid auf. Strengstensverbot ich ihm, diese Jugendlichen religiös zu beein-

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flussen. Falls er damit fortfahre, könne es sein, dassihm der Lehrdienst fristlos gekündigt werde. Er wiesdarauf hin, dass diese Jugendlichen nun hinaus in dieWelt gehen würden und ein solides Glaubensfunda-ment bräuchten, um bestehen zu können. So verkün-digte er ihnen täglich eine Viertelstunde Gottes Wort.Bei der Diskussion erkannte ich seine Aufrichtigkeit,vermutete aber, er gehöre einer Sekte an. Es kam zuweiteren Streitgesprächen mit ihm. Meistens nachts,denn ich wollte anfänglich nicht, dass ihn jemand insPfarrhaus kommen sah. In manchen Stunden disku-tierten wir über wesentliche Glaubensinhalte der Hei-ligen Schrift. Seine biblisch fundierten Aussagen be-schäftigten mich nachhaltig.

Eine weitere wichtige Person für mich war Bern-hard Dura. Er hatte ein Jahr lang als Schweizer Gar-dist das Diplomatengetümmel des Vatikans aus nächs-ter Nähe erlebt. Was er dort erfuhr, schien ihm imLichte der Lehre des Petrus und der übrigen Jüngerdes Herrn als völlig absurd. Er kündigte den Gardis-tendienst und fand zum Glauben an Jesus Christus.Im »Walliser Bote« erschienen Ende der 80er Jahreregelmäßig Artikel von ihm, die den Widerspruchzwischen der Lehre der Apostel und der Lehre derPäpste aufdeckten. Verständlicherweise versuchte diekatholische Obrigkeit ihn zum Schweigen zu brin-gen. Das mutige Bekennen dieses Mannes beeinflusstemich tiefgreifender, als ich dachte. Ich las seine ver-öffentlichten Artikel regelmäßig und prüfte sie an-hand meiner katholischen Bibel. Ich konnte Bern-hard Dura nur zustimmen, denn er zitierte ja nur das,was Jesus Christus, Petrus, Paulus und die übrigenApostel lehrten. Auch andere Christen meldeten sichzu Worte.

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Christen dürfen keine Diplomaten sein, wie JesusChristus auch keiner war. Gegen ein in den Medienverzerrtes Evangelium müssen wir in aller Ernsthaf-tigkeit reagieren. Wenn die Bibel verfälscht wird, dür-fen wir das nicht einfach stehen lassen. Viele suchen-de Menschen, vor allem auch Katholiken, sind durchdiese veröffentlichten Reaktionen zum Glauben anJesus gekommen. Ich bin dem Herrn zutiefst dank-bar für solch mutige Bekenner auf meinem Glaubens-weg.

Das alles schien in Zermatt wie ein Tropfen aufden heißen Stein zu sein. Doch der Herr sah unserSuchen und unser Bestreben, seinen Willen zu erfül-len und segnete diese Treue, auch wenn uns Fehlerunterliefen.

Angriffe verschiedenster Art sollten uns schwächen,entmutigen und zum Aufgeben zwingen. Vor allemein okkultes Feuer, das durch Beschwörung in mei-ner Pfarrwohnung in Zermatt zweieinhalb Tage langbrannte und ein starkes Beben am folgenden Mon-tag im Versammlungsraum, über dem alten Skischul-büro, sollte zu schlimmen Vermutungen und Verleum-dungen gegen uns führen.

Im Laufe der Zeit bildeten sich auch in anderenDörfern des Oberwallis kleine Bibelhauskreise. AuchBischof H. Schwery, der 1978 sein Amt antrat, un-terstützte die CE. Als vor wenigen Jahren in Randadie Firmung stattfinden sollte, wünschte der Bischofeine öffentliche charismatische Gebetsstunde für dieCE im Tal. Wir staunten darüber, musste er doch miteiner starken Kritik des Klerus rechnen. Zu Beginnder Gebetsstunde sagte der Bischof: »Wir sind beimBeten so kalt wie die Gletscher.« Seinen Mut, sol-ches auszusprechen, erstaunte uns noch mehr.

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Gottesdienst im Freien, Zermatt, Schwerzsee 1980

Mit Zermatter Jugendgruppe auf dem Rimpfischhorn

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Der Bischof hatte bereits nach seinem Amtsantritt,als er sich vor dem versammelten Klerus des Ober-wallis im Bildungshaus St. Jodern in Visp vorstellteund seine Vision vorlegte, gesagt: »Die Kapellen undKirchen im Wallis sind restauriert, aber das Volk istnoch heidnisch.« Damit hatte er sich unter der Geist-lichkeit viele Feinde geschaffen.

Sein Fastenbrief vom 2. Februar 1981 bedeutetefür uns eine Ermutigung besonderer Art. Dieser Brieflehnte sich stark an die Bibel an. Der Bischof undsein Fastenbrief wurde von den meisten Priesternheftig kritisiert und heruntergemacht. Wir fragtenuns: »Wie lange wird unser Bischof diesen mutigenWeg Richtung Jesus Christus gehen können?«

Mein letzter Kampf als römischer Katholik

Wie es in Touristenorten nicht anders möglich ist,kam ich mit sehr vielen Christen aus Freikirchen ausaller Welt in Berührung. Gespräche über Gottes Wortund die Sonder- und Irrlehren von religiösen Gemein-schaften waren unvermeidlich. Das wiederum beweg-te mich mit Freude und Begeisterung, nach der tiefe-ren Wahrheit in der Bibel zu suchen und die vielenLehren meiner Kirche noch intensiver im Lichte derEvangelien und der Briefe der Apostel zu prüfen. Esist offensichtlich, dass heute der Großteil der Pries-ter um so viele Irr- und Sonderlehren der röm.-kath.Religion weiß. Aber die lange Religionstradition hältdie Volksmassen gebunden. Es ist gar nicht so leicht,etwas an dieser Tradition zu ändern, denn religiöseSonder- und Irrlehren haben sich als fromme Volks-gewohnheiten über Generationen hinweg tief insLeben der Massen eingeprägt.

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Pfarrempfang in Grächen am 27. 8. 1983

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Sich der Wahrheit Gottes in der Bibel zu öffnen,birgt für den Vatikan ein zu großes Risiko. Das 2. Va-tikanische Konzil hat im Nachhinein bewiesen, wiegefährlich sich Erneuerungen und Annäherungen anGottes Wort für den Vatikan auswirken können. Weilso viele das röm.-kath. System verlassen, sieht sichder Vatikan neu verpflichtet, den Volksmassen dieIrr- und Sonderlehren zu belassen. Sie sollen ihnenneu als die Wahrheit vorgegaukelt werden. Manglaubt, dadurch doch einige hundert Millionen beider Stange zu halten. Es ist nicht einfach, das, wasman dem Volk einst unter ewigen Höllenandrohun-gen »im Namen Gottes« als Wahrheit und Gottesre-den eingeimpft hat, allmählich unter den Tisch zukehren! Das Volk hat ein Recht auf die volle Wahr-heit. Ohne gründliche Buße und Hinwendung zumWort Gottes kann diese Wahrheit dem Volk nicht ge-geben werden.

Einige Monate bevor ich öffentlich denunziert wur-de – ich war mittlerweile Pfarrer in Grächen –, lasich besonders intensiv im Neuen Testament. Durchmanche Gespräche und die unheilvollen Umständeunter der röm.-kath. Obrigkeit bestärkt, schien es mirdas einzig Richtige zu sein, die Botschaft Jesu undder Apostel an die Menschheit mit kindlich offenemHerzen zu lesen, mit Freude aufzunehmen und Schrittfür Schritt in die Tat umzusetzen. Mir fiel auf, wiesehr Jesus und die Apostel immer wieder dazu auf-fordern, in Jesu Wort und in der Lehre der Apostelzu bleiben, weil hier der Wille des Vaters im Himmelzum Heile der Menschen kundgetan ist! Wer JesuWort nicht glaubt und lebt, stirbt in der Sünde! Werüber die Lehre in den Briefen der Apostel hinaus-geht, ist ein Wolf im Schafspelz! Wer nicht durch die

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Tür, die Jesus Christus ist, ins Reich Gottes hinein-geht, ist ein Dieb und ein Verbrecher! Wer etwas zumWort Gottes hinzufügt, empfängt die Qualen, die inder Offenbarung verheißen sind, und wer etwas vomWort Gottes hinweg nimmt, dem wird der Anteil ander Frucht vom Baum des Lebens und an der heili-gen Stadt weggenommen!

Ich erkannte, in was für ein religiöses Chaos sichvor allem meine röm.-kath. Kirche durch Ungehor-sam im Laufe der Jahrhunderte hineingestürzt hatte.Ich erkannte die schrecklichen Konsequenzen für die-se Kirche, wie sie die Offenbarung vorhersagt. Icherkannte, dass diese mächtige Institution nicht be-reit ist umzukehren! Das 1983 neu herausgegebeneKirchenrecht bestätigte, dass der Vatikan das Gna-denangebot der Reformation wieder einmal ausge-schlagen hat.

Meistens reichte der Tag mit seinen vielen Anfor-derungen zum Bibellesen nicht aus, so dass ich michüber die stillen Nachtstunden im Zwiegespräch mitdem Herrn freute. Diese innige Gemeinschaft mitGott half mir, die inneren Kämpfe in der Auseinan-dersetzung mit seinem Befehl und dem Befehl desVatikans, die immer heftiger wurden, als ein sanftes,nützliches und notwendiges Joch des Herrn zu ertra-gen. Der Konflikt, die Spannung, zwischen dem, wasich als Gottes Wille, Gottes Befehl las, und dem, wasich in der Pfarrei im Widerspruch zur Bibel lehrenund tun musste, spitzte sich von Woche zu Wochezu. Ich stand nun vor einer wichtigen Entscheidung.Vom Verstand her waren mir die Widersprüche zwi-schen Gottes Wort und vielen röm.-kath. Lehren klar,aber ich fürchtete doch die vielen Reaktionen unterden Mitmenschen. Mit Hunderten von Gegenargu-

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menten versuchte ich mich zurückzuhalten. Ich batGott, er möge mir doch auf meine Bedenken, Fragenund Ängste antworten, er möge mir nicht nur vomVerstand her Gewissheit geben, sondern auch imHerzen Ruhe und Gewissheit schenken, damit ichihm in allem die Treue halten könne, wenn Stürmehereinbrächen!

Immer wieder brachte ich Gott meine Einwändevor. »Aber«, so sagte ich, »Gott, Du kannst doch nichtvon mir verlangen, dass ich diese Kirche mit ihrenWidersprüchen verlasse, denn wo gibt es diese Wi-dersprüche nicht? Bedenke, dass in römisch-katholi-schen Gebieten Politik und Kultur, Kirchenfeste undZeremonien, Ämter und Titel das Christentum auf-gesogen haben. Die meisten von uns römischen Ka-tholiken glauben wirklich, dass sie so das wahre Chris-tentum leben und deinen Willen tun! Sie denken dochnicht im Geringsten daran, dass sie irregeleitet sindund den Willen von religiösen Führern tun, anstattdeinen Willen. Kaum jemand von Grächen und nurdie wenigsten von meinen Landsleuten werden michverstehen können, wenn ich allein deiner Botschaftan die Menschheit gehorche und folge! Und all dieFreunde – werden sie nicht zu meinen Feinden? Siewerden überzeugt sein, dass ich vom Glauben abge-fallen bin. Priester werden sie darin bestärken.«

In seinem Wort erhielt ich Antwort: »Wer sich nunvor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werdeauch ich mich vor meinem Vater im Himmel beken-nen« (Matthäus 10,32).

»Aber Herr, du kannst heute doch nicht so engsein im Zeitalter der Ökumene, des New Age unddes religiösen Universalismus? Alle reden von Frie-den und von einer neuen Welt! Sicher widerspricht

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dieses Denken der Gesamtheit deiner Worte, aber waswill ich als kleiner Mensch mich dagegen sträuben?Ich bin der Meinung, dass du nicht so eng und stursein kannst!«

Meine Meinung über Gott entspannte mich. Mitviel Freude stürzte ich mich weiterhin in die pfar-reilichen Verpflichtungen. Für einige Tage hatte ichmeine »Ruhe«. Aber dann sprach mich Gott mit sei-ner Botschaft wieder neu an. Er legte mir dar, dasser heute der gleiche Gott, mit den gleichen Befehlenist und mit den gleichen Erwartungen an die Men-schen von heute herantritt wie zu der Zeit, als JesusChristus auf dieser Erde weilte und seinen Willenkundtat!

»Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erdevergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe desGesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.Wer nur eines von den kleinsten Geboten aufhebtund die Menschen entsprechend lehrt, der wird imHimmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält undhalten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich«(Matthäus 5,18-19).

»Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und inEwigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei fremdeLehren irreführen« (Hebräer 13,8-9).

»Da sagte er zu den Juden, die an ihn glaubten:Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklichmeine Jünger« (Johannes 8,31).

»Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird indas Himmelreich kommen, sondern nur wer den Wil-len meines Vaters im Himmel erfüllt … Wer diesemeine Worte hört und danach handelt, ist wie einkluger Mann, der sein Haus auf Felsen baute« (Mat-thäus 7,21.24).

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»Sie werden mich verachten, schmähen, das alleswerde ich nicht verkraften können!« In Matthäus5,10-12 gab der Herr mir seine Antwort: »Selig, dieum der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; dennihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wennihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und aufalle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euchund jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.Denn so wurden schon vor euch die Propheten ver-folgt.«

»Werde ich nicht in der Öffentlichkeit wie ein Narrdastehen?«

Mir kam Paulus in den Sinn, der den Christen vonKorinth schreibt: »Wir sind Narren um Christi wil-len …« (1. Korinther 4,10). Die Welt hält die Chris-ten für Narren, weil sie Christus ernst nehmen, ihmglauben. Vor allem die christlich-religiösen Menschenkönnen die Christen nicht verstehen, weil die reli-giösen Menschen ja nur den Jesus der Sakramentekennen, den der Katholik in Form eines Stück Broteszu sich nimmt, das vorher von einem bestimmtenMann durch ein Ritual verwandelt worden ist. Daskannten weder Jesus noch die Apostel. Darum kenntder Katholik keine persönliche Jesus-Beziehung, nurdie materiell-magische oder sakramental-mystische.Er bleibt an das Versprechen seiner Kirche gebun-den, ohne den biblischen Inhalt, ohne echte Bußeund Umkehr. Jene, die Jesus Christus gehorsam sind,sind also verrückt, übertreiben, sind fanatisch, ge-hen zu weit!

Ich fragte mich, bist du bereit, ein solcher Narr zusein um Christi willen? Ich las in Matthäus 11,25-26die Worte des Herrn: »In jener Zeit sprach Jesus: Ichpreise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde,

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weil du all das den Weisen und Klugen verborgen,den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, sohat es dir gefallen.«

»Und glückselig ist, wer sich nicht an mir ärgernwird!« (Matthäus 11,6).

»Sie werden mich Teufel und Satan nennen?«»Und ihr werdet um meines Namens willen von

allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende stand-haft bleibt, der wird gerettet … Ein Jünger steht nichtüber seinem Meister und ein Sklave nicht über sei-nem Herrn. Der Jünger muss sich damit begnügen,dass es ihm geht wie seinem Meister, und der Sklave,dass es ihm geht wie seinem Herrn. Wenn man schonden Herrn des Hauses Beelzebul nennt, dann erstrecht seine Hausgenossen« (Matthäus 10,22-25).

Die Aussagen des Herrn schienen mir nicht mehrin das ökumenische New Age, den Religionsuniver-salismus unserer Zeit zu passen. Ich stieß all das vonmir, was ich in der Heiligen Schrift las; denn ich dach-te an all meinen Erfolg, die vielen schönen Erlebnis-se und Zeremonien mit den vielen Freunden und Be-kannten in den Gottesdiensten und im Alltagsleben.In der nächsten Zeit, als ich mich so »wohlfühlte« inmeiner röm.-kath. Kirche, sagte ich zum Herrn: »Aberdas wird viel Streit geben in den Familien. Das isteinfach verrückt. Du bist doch für den Frieden, nichtwahr?«

Nachts erhielt ich die Antwort aus Matthäus 10,34-39: »Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden aufdie Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, umFrieden zu bringen, sondern das Schwert, denn ichbin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zuentzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und dieSchwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die

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Hausgenossen eines Menschen werden seine Feindesein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, istmeiner nicht würdig und wer Sohn oder Tochter mehrliebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nichtsein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist mei-ner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will, wirdes verlieren; wer aber das Leben um meinetwillenverliert, wird es gewinnen.«

Ich sollte also zuerst dem Herrn, meinem Gott,gehorsam sein und aus dieser Verbindung heraus dieMitmenschen und Hausgenossen lieben und nichtumgekehrt, wie es die meisten Menschen tun, ausmenschlicher Rücksicht den Willen Gottes verleug-nen und die kirchlichen Vorschriften von Menschenan vorderste Stelle setzen!

Ich sagte zu Gott: »Du bist hart, mein Gott, abergerade darum bist du uns mit deinem Willen ein Är-gernis in der Welt, denn wir wollen den Frieden mitallen!

Aber, Herr, ich weiß von immer mehr Menschen,auch im Wallis und von Priestern in der ganzen Welt,die dir gehorsam werden und sich von allen christli-chen Scheinlehren distanzieren und lossagen! Sie ha-ben ihr Allerteuerstes, ihre nächsten Angehörigen ver-loren – muss das denn in der Nachfolge sein? AlsPriester bin ich doch von den meisten Menschen ge-achtet und geehrt. Bisher musste ich keine Feindschaf-ten größeren Ausmaßes ertragen. Auch meine Ange-hörigen achten und schätzen mich. Alle sind freund-lich zu mir!«

Aber unweigerlich erhielt ich Antwort in Markus3,20-35: »Jesus ging in ein Haus und wieder kamenso viele Menschen zusammen, dass er und die Jüngernicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehö-

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rigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg,um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten:Er ist von Sinnen. Die Schriftgelehrten, die von Jeru-salem herabgekommen waren, sagten: Er ist von Beel-zebul besessen …« (Markus 3,20-22).

»Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blie-ben vor dem Haus stehen und ließen ihn herausru-fen. Es saßen viele Leute um ihn herum, und mansagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehendraußen und fragen nach dir. Er erwiderte: Wer istmeine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und erblickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn her-umsaßen und sagte: Das hier sind meine Mutter undmeine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der istfür mich Bruder und Schwester und Mutter« (Mar-kus 3,31-35).

Nun verstand ich die Worte Jesu in Markus 10,28ff.Jesus nachfolgen heißt also den Willen des Vaters tun,wie Jesus Christus bereit sein, mit Gott zusammenzu denken, zu reden und zu handeln und nicht mehrso, wie die kirchliche Welt es tut. Petrus lernte dasbei Jesus, darum sagte er: »Siehe, wir haben alles ver-lassen und sind dir nachgefolgt.« Petrus lernte (wiedie übrigen Jünger) mehr und mehr die Absicht undden Willen Gottes in den Vordergrund seines Lebenszu stellen. Damit hatte er alles, was ihm lieb und teu-er war, zurückgestellt, aber nicht vernachlässigt. Dennwer den Willen Gottes tut, kann seine Angehörigenund all das, was ihm anvertraut ist, ganz neu liebenund verwalten. Petrus hat nicht seine Frau und seineSchwiegermutter verlassen. Es wird uns von seinerBerufung in Matthäus 4,18-22 berichtet, später le-sen wir von der Heilung seiner Schwiegermutter inMatthäus 8,14-17. Paulus bestätigt uns in 1. Korin-

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ther 9,5, dass auch er auf seiner Missionsreise dasRecht hat, »eine Schwester als Frau« mitzunehmen,wie die »übrigen Apostel und die Brüder des Herrnund Kephas«. Petrus! Petrus nahm also seine Frau mitauf die Missionsreisen.

Wer Jesus nachfolgt, wird von Christus Jesus miteiner neuen Beziehung zu allen und zu allem be-schenkt. Diese neue Beziehung, die sich von mensch-lichem Scheinchristentum und christlichen Schein-lehren löst und den Willen Jesu in den Mittelpunktdes Lebens stellt, fordert die Umwelt zu Reaktionenheraus. Die röm.-kath. Kirche redet viel von JesusChristus, aber lehrt und tut nicht, was Jesus und dieApostel lehrten und lebten. Mit ihrem frommenSchein kann sie die Massen phantastisch täuschen.Unzählige Katholiken wissen das, aber wegen wirt-schaftlicher, beruflicher und freundschaflicher Bezie-hungen verraten sie lieber Jesus Christus, den Ge-rechten, als dass sie mutig ihren Herrn und Meistermit allen Konsequenzen bekennen! Sie möchten wohlals Christen erscheinen, lehnen aber die Grundlagedes christlichen Glaubens, die Bibel, ab. Sie wissengenau warum, denn dann müsste sich in ihrem Glau-bensleben so vieles verändern. Das wollen sie nicht.Sie lieben das Ansehen bei den Mitmenschen mehrals das Ansehen Gottes, vor dem sie nach kurzemirdischem Leben erscheinen müssen.

Über Monate rang ich mit dem Herrn! EinesNachts schenkte mir der Herr die innere Gewissheit,dass ich nicht mehr länger Diener dieses gottlosen,frommen Systems sein würde und dass ich mich aufdie Loslösung vorbereiten sollte. Ich wollte das Wal-lis in aller Stille verlassen, um Ärger und Spannun-gen unter dem Volk zu vermeiden, denn ich wollte

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immer noch meine Haut vor diesen Auseinanderset-zungen retten.

Ich bat Gott, mir durch einen Menschen, der ihnbrennend liebt, meinen Weg zu bestätigen. Über Wo-chen fragte ich mich bei fast jedem Besuch im Pfarr-haus oder bei sonstigen Bewegungen: »Herr, ist esdieser Mensch, der mir deinen Willen bestätigt?« Im-mer spürte ich gleich nach wenigen Minuten, dasshier das echte Feuer für den Herrn und seinen Wil-len fehlte. In dieser Zeit litt ich unter großer Ein-samkeit!

Ich sagte zum Herrn: »Bestimmt genügen mir dei-ne Verheißungen. Ich glaube dir und folge dir, aberich bin ein Mensch. Eine Bestätigung von einem Men-schen, der mich nicht kennt, könnte mich doppeltsegnen und dich doch nichts kosten?«

Eines Abends lud mich die Pfarreisekretärin, FrauJustine Schlierig-Julen, nach der Bibelstunde für denfolgenden Tag zu einem Gespräch bei einer gläubi-gen Touristenfamilie namens Schroff ein. Die Fami-lienhelferin von Herrn Schroff hatte am Bibelabendteilgenommen. Mit der Bemerkung: »Wer weiß, wasdas wohl wieder für eine Sekte ist« wies ich die Ein-ladung zurück. Justine aber erzählte mir von den Er-fahrungen dieser Familie mit Gott. Dabei horchte ichauf, und willigte ein.

Als wir uns am folgenden Abend trafen, erkannteich sofort, dass Gott mich durch dieses Ehepaar be-stätigen würde. Als wir miteinander beteten, bestä-tigte Martin Schroff, ohne mich und meinen Kampfzwischen dem Willen Jesu und dem Willen des Vati-kans zu kennen, was Gott mir gezeigt hatte. Ich wartief betroffen. Einzig in einem wichtigen Punkt klafftemein Vorhaben mit der Äußerung von Martin aus-

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einander. Ich wollte ja das Wallis still und ohne Auf-sehen verlassen. Martin aber wies im Gebet auf einegroße Auseinandersetzung im Wallis hin, die wegenmeiner Entscheidung für Jesus gegen den Vatikan ent-facht würde. Ich sollte mich auf das Schlimmste vor-bereiten!

Nun, Gott hatte Martin diese Worte und ein geis-tiges Bild für mich geschenkt. Das passte aber nichtzu meinem Naturell. Der Friede mit den Menschenschien mir einfach noch wichtiger zu sein. So dachteich bei mir, hier mag sich Herr Schroff wohl getäuschthaben. Ich bin doch gerade daran, mit Gott ein Ab-kommen zu vereinbaren, das darin besteht, beimnächsten Pfarrwechsel in aller Stille das Wallis zuverlassen. Martin legte mir sein Bild und die Ein-drücke, die Gott ihm gezeigt hatte, noch einmal darund wies auf alles hin, was auf mich zukommen soll-te. Mir schien das alles aber einfach nicht möglich zusein. Doch nach wenigen Monaten wurde ich vombischöflichen Ordinariat ganz plötzlich in eine öf-fentliche Auseinandersetzung hineingezogen. Ich hat-te es mir nicht vorstellen können, aber das RedenGottes durch Martin hatte sich bestätigt!

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Bibelabende:»… der ist mein Bruder und meineSchwester und meine Mutter«

Rückblickend möchte ich nun kurz die Geschichteder Bibelabende aufzeigen. Kurz vor meiner Pfarrein-führung in Grächen 1983 hatte ich den dortigen Pfar-rer besucht. Nach einem intensiven Gespräch, beieiner Flasche Wein, wusste ich, dass ich in Grächennicht sofort mit einem Bibelkreis beginnen durfte.Zu jener Zeit war ich noch sehr an die kirchlichenLehrmeinungen gebunden und zu zaghaft. Es fehltemir noch eine tiefere Erkenntnis der biblischen Wahr-heit. So ließ ich mich manchmal einem faulen Frie-den zuliebe davon abhalten, den Willen des Herrnzu tun. Mein Vorgänger hatte mir mit dem Boykottder Pfarrhelfer gedroht, falls ich, wie in Zermatt, dieLeute um die Bibel scharen sollte.

Gesundheitlich geschwächt und der Auseinander-setzungen mit einigen Priestern und dem kirchlichenLehramt müde, war ich froh um diese Drohung undum die Aufforderung des damaligen GeneralvikarsEdmund Lehner, mich dem Frieden zuliebe für einJahr still zurückzuhalten. Ich sollte mich an die Pra-xis des Vorgängers halten und keine Veränderungenirgendwelcher Art vornehmen.

Nach einigen Monaten Pfarreileben in Grächenbrannte in mir die Sehnsucht nach tieferer biblischerLebens- und Gebetsgemeinschaft mit anderen Gläu-bigen so sehr, dass ich mitten in einer Sonntagspre-

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digt solche, die im Glauben wachsen wollten, zu ei-nem ersten Bibel- und Gebetsabend einlud.

Als ich nach dem Gottesdienst in der Sakristei dieliturgischen Gewänder ablegte, hätte ich mir am liebs-ten die Haare aus dem Kopf gerissen, denn eine un-heimliche Ahnung von dem, was da kommen sollte,stieg in mir auf. Ich bat den Herrn um Kraft und lasin der Bibel ermutigende Worte, die mein Vorhabenbestätigten und mich bestärkten.

Für etwas Neues, das Bequemlichkeit zu verspre-chen scheint, ist der Mensch naturgemäß ansprech-bar. Sobald er sich aber eine Entscheidung mit Kon-sequenzen in der Öffentlichkeit abringen muss, lässter sich oft gar nicht darauf ein.

Für den ersten Bibelabend betete ich öfters zumHerrn, er möge die Herzen einiger Leute öffnen, ermöge ihnen den Zugang zu seinem Wort verschaffen.Mehrere Leute sagten mir in den nächsten Tagen, siewürden so gerne mitmachen, aber sie seien von ihrenAngehörigen bedroht und verspottet worden.

Als wir den ersten Bibel- und Gebetsabend in derkleinen Jakobskapelle abhalten wollten, zeigte sichgleich, dass wir umsiedeln mussten. Rund 50 Perso-nen fanden sich ein, weit mehr als wir erhofft hat-ten. So zogen wir in den sogenannten »alten Teil«der Kirche um. Ich zeigte den Leuten den Sinn dieserBibelabende auf und wies auf den Reichtum und denSegen des Wortes Gottes für ihr Leben hin. Ich machtesie auch auf die Verantwortung und gewisse Konse-quenzen aufmerksam, die der Herr von uns erwar-tet, damit wir Zeugnis für die Welt von heute seinkönnen. Die Leute sollten spüren, dass, wenn sie sichauf Jesus einließen und ihn mutig bezeugten, ihnenauch die Erfahrung der ersten Christen geschenkt sein

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würde. Jesus lädt uns in Matthäus 11,28-30 mit fol-genden Worten ein: »Kommt her zu mir alle ihr Müh-seligen und Beladenen und ich werde euch Ruhe ge-ben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir,denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütigund ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; dennmein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.«

Wir entschlossen uns, jede Woche einmal zum Bi-bellesen und Beten zusammen zu kommen. Beim Le-sen der Bibel wurden sich alle Teilnehmer bewusst,wie wenig wir eigentlich vom Wort Gottes im tägli-chen Leben wussten. Wir litten unter der großen bi-blischen Unwissenheit, unter der deprimierendenUnkenntnis der christlichen Wahrheit in unseremVolk. Aberglauben, Okkultismus, Spiritismus, Alko-holismus, Unzucht, Ehebruch, Wollust, Gemeinhei-ten und Ausschweifungen jeder Art zerstören so vie-le einzelne Menschen und ganze Familien. Manch-mal müssen Menschen in unsagbaren seelischen Nö-ten dahinvegetieren, ohne dass ihnen die angestamm-te Religion Hilfe bringen kann. Im Gegenteil. Diekonfessions- und traditionsversunkene Priesterschafthält Menschen von Jesus und seiner Einladung fern.Sie tut das, indem sie die Errettung durch gute Wer-ke lehrt oder durch religiöse Programme und Wei-terbildungskurse, die einer bestimmten Elite etwasAbwechslung zum Alltag bringen, aber keine wesent-lichen Veränderungen unter dem Volk bewirken. VielePriester und religiöse Räte fühlen sich so als enga-gierte Christen. Natürlich unternehmen viele vonihnen sehr viel – aber welches Unternehmen mussnicht mit allen Mitteln versuchen, die Leute bei derStange zu halten? Dieses Management ist Jesus undseinen Jüngern fremd. Das Volk weiß dies nicht, da

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es die Heiligen Schriften oberflächlich kennt und ihmder Zugang dazu durch philosophische Interpreta-tionen der Schrift mit all den Sonder- und Irrlehrenversperrt bleibt. So begleiten und erfüllen die meis-ten Katholiken die kirchlichen und folkloristischenFestpflichten in guter Absicht. Die Folge ist früheroder später Trauer und das Empfinden von Sinnlo-sigkeit. Wo die persönliche Beziehung zu Jesus Chris-tus fehlt, kann es kein lebendiges, mutiges und überden Sinn des täglichen Lebens hinausweisendes Zielgeben. Oder wenn es dieses Ziel gibt, ist es meistensvon Angst gekennzeichnet.

Viele Katholiken suchen Wahrsager auf oder Pend-ler, Kartenleger, Handleser, Magnetisten etc. und ge-hen trotzdem am Sonntag in die Kirche und zur Kom-munion. Sie sind sich nicht bewusst, dass diese ok-kulten Dinge vor Gott ein Gräuel sind, weil ein Groß-teil der Geistlichkeit und der Ordensleute selbst die-se Dinge treiben oder sie gutheißen. Es fehlt ihnendie Erkenntnis über diese okkulten und spiritistischenHandlungen. Ich habe schon erlebt, dass die Folgenvon okkulten und spiritistischen Handlungen – in gutkatholischer Absicht praktiziert – Menschen in schwe-re seelische Leiden führten oder sogar in zwei mirbekannten Fällen in den Selbstmord trieben.

Als wir einige Jahre zuvor 1978 in Zermatt mitden charismatischen Bibel- und Gebetsversammlun-gen begonnen hatten, war ich oft traurig über diekleine Teilnehmerschaft. Da mehrere Hundert Leuteregelmäßig den Sonntagsgottesdienst besuchten,glaubte ich, es müsste im Volk doch ein tieferes Ver-langen nach Jesus und seiner Lehre, aber auch nachden Texten des 2. Vatikanischen Konzils vorhandensein. Als frisch ordinierter Priester stellte ich jedoch

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bald fest: So wie wir Menschen in der röm.-kath.Lehre erzogen sind, gebrauchen wir die Religion alsMittel zum Zweck. Ich betone: als Mittel zum Zweck.Ich sollte die Erfahrung machen, dass Umkehr undBuße, Glaube an das Evangelium und öffentlichesBekenntnis innerhalb unserer Religion keinen eigent-lichen, biblischen Platz kennen. Was Jugendliche undviele Erwachsene am röm.-kath. Kirchensystem fest-halten lässt, ist die Gewohnheit, die ihre Religiositätin Gang hält. Wer sich beim Gottesdienst sehen lässt,gilt als eifriger Katholik, auch wenn bei ihm wäh-rend der Woche keines der 10 Gebote Gottes einge-halten wird. Die gleiche religiöse Erfahrung machteich mit der animistischen (nuturverehrende) Religi-on in Kenia. Diese Feststellung wurde mir von vielengläubig gewordenen Afrikanern bestätigt.

Wie in Zermatt und anderen Orten versuchten wirauch in Grächen, wöchentlich Bibel- und Gebetstref-fen zu haben. Später trafen wir uns zusätzlich nocheinmal wöchentlich mit einer Gruppe von jungen Leu-ten. Der Herr ließ bei den meisten Umkehr, Bußeund Versöhnung aufbrechen. Die Mehrzahl der Leu-te stellten ihr Leben bewusst in den Dienst ihrer Mit-menschen. Während sich ein Teil des Klerus im Ober-wallis gegen die Erneuerungen des 2. VatikanischenKonzils und damit auch gegen die Bibel- und Ge-betskreise wandte und mit manch übler Rede undhinterhältiger Aufwiegelung gegen uns vorging, konn-ten wir oft die Gegenwart Jesu besser in seinen Ver-heißungen erleben. Wir versuchten vor allem so un-auffällig wie nur möglich Hilfe und Licht in versteckteNöte hineinzubringen. Wie oft mussten wir betrübtunsere Hilfe einstellen, weil der eine oder anderePriester den Leuten durch verlogene Behauptungen

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Misstrauen und Angst gegen uns einflößte, sodass siesich deshalb verwirrt und verängstigt von uns zurück-hielten. Sie zogen sich in ihr altes Elend zurück. Einetiefgreifende Heilung konnten sie nicht erfahren.Diese unlauteren Methoden, die von einigen Pries-tern gezielt praktiziert wurden, spornten uns jedochumso mehr an, uns an Jesus und sein Wort zu halten.Der Herr segnete unser Wirken. Er ließ uns mancheKränkung überwinden.

Bald bildeten sich auch in Grächen kleinere Ge-betszellen, sogenannte Hauszellen. In diesen Gebets-zellen kamen auf eigene Initiative hin etwa zwei, dreioder mehr Leute zum gemeinsamen Gebet zusam-men und besprachen gemeinsam bestimmte Anliegen.Ein Vers oder ein Abschnitt aus der Bibel bildete denLeitfaden.

Als sich diese harmlosen Leute vom Bibelkreis zumgemeinsamen Gebet in ihren Häusern einfanden, ver-stärkte sich die Kritik gegen uns. Es gab allerhand zureden. Nicht lange danach erhielt ich einen Telefonan-ruf vom bischöflichen Ordinariat. Der GeneralvikarEdmund Lehner hatte Beschwerden entgegennehmenmüssen: Die ganze Pfarrei sei wegen des Bibelkreisesdurcheinander. Er wünschte eine Sitzung mit dem Pfar-reirat. Dabei verlangte er, dass 2– 3 Erwachsene undebenso viele Jugendliche aus dem Bibelkreis von ihrerErfahrung mit der Bibel Auskunft geben sollten. Na-türlich war ich einverstanden, denn mehrere Mitglie-der des Pfarreirats nahmen am Bibelkreis teil.

Wir einigten uns auf jenes Wochenende, das wirohnehin für ein »Pfarreiratsweekend« im Bildungs-haus St. Jodern in Visp (katholisches Bildungszen-trum Oberwallis) mit der dortigen Leitung verein-bart hatten, das uns aber aus uns unbekannten Grün-

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den vom geistlichen Leiter, dem Hausdirektor, kurz-fristig abgesagt worden war. Was uns Schaden brin-gen sollte, wurde zum vollen Segen. Das besagteWochenende mit dem Generalvikar Edmund Lehnernahte. Wir beteten mit Freude und Glaubensgewiss-heit, dass die Wahrheit, die Jesus seine Apostel lehr-te, siegen würde. Nach der obligaten Begrüßungsze-remonie und dem Lesen eines Textes aus der Heili-gen Schrift nannte Generalvikar Lehner den Grundseiner Anwesenheit. Die einzelnen gaben Zeugnis vonihrem Glaubensleben, seit dem sie sich mit Jesu Leh-re tiefer auseinandersetzten. Das Verhältnis zu denMitmenschen erfuhr eine positive Wende. Der Ver-treter des Gemeinderates brachte folgenden Einwandvor: Diese Hausbibelkreise können unter Umständenzu falschen Glaubensschlüssen verleiten. Diese Ge-betstreffen müssten doch kontrolliert werden. Zumeiner Überraschung antwortete ihm GeneralvikarLehner, dass die Leute am Sonntag nach der Messein den Wirtshäusern auch über die Predigt diskutier-ten, wer denn da die Garantie gebe, dass sie die rich-tigen Schlüsse ziehen würden. Der Vertreter des Ge-meinderates gab sich mit der Antwort zufrieden undsagte, dass dann auch er nichts mehr gegen die Haus-kreise einzuwenden hätte. Dieses Argument betrafallerdings nicht die öffentlichen Bibelabende, son-dern die kleinen Hausbibelkreise.

Wir beteten und diskutierten. Das Wochenendebrachte den Bibel- und Hauszellen vermehrt Ruheund Geltung. Der Generalvikar verlangte, dass ichmit den üblichen Mitteilungen des Wochenprogram-mes am Schluss eines jeden Sonntagsgottesdienstesauch jedesmal die Bibel- und Gebetszeiten verkün-den sollte, um so dem Eindruck einer abgeschlosse-

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nen, nur für einige Leute zugänglichen Zusammen-kunft entgegenzuwirken. Natürlich nahmen wir mitFreude diese Empfehlung auf. Generalvikar EdmundLehner zeigte sich uns wohlgesinnt. Je nach Saisonnahmen regelmäßig etwa 15–20 Erwachsene, manch-mal um die 50 Personen und etwa 5–15 Jugendlichean den Bibel- und Gebetstreffen teil.

Als ich am 19. Oktober 1988 plötzlich und unvor-bereitet aus dem Dienste vertrieben worden war, frag-ten sich viele, was nun wohl mit ihnen und den Bi-belkreisen geschehen würde. Einige waren über dasVorgehen der Geistlichkeit so betroffen, dass sie sichgleich von der katholischen Kirche lossagten und vonda an den liturgischen Feiern fernblieben.

Während am Sonntag nach meinem Rauswurf ausdem kirchlichen Dienst der 9.30-Uhr-Gottesdienst inder Kirche abgehalten wurde, feierte ich in der Pfarr-hauskappelle mit der Vertreterin meiner Pfarrhaus-hälterin und einer Teilnehmerin aus dem Bibelkreisdas Abendmahl. Das war mein erstes Abendmahl nachdem Willen Jesu und der Lehre der Apostel. Ich hat-te bewusst niemanden zu dieser Feier eingeladen,denn jeder sollte persönlich entscheiden können, jenach Erkenntnis. Eine Teilnehmerin von »Bibel undGebet« fragte im Pfarrhaus an, ob wir am SonntagGebetsgemeinschaft haben würden. So feierten wirzu dritt in schlichter, einfacher Freude das Gedächt-nis des Herrn. Wir lasen die Worte Jesu und der Apos-tel aus der Bibel, die vom Abendmahl handeln, bra-chen das Brot und reichten einander den Kelch. Da-zwischen sangen wir Lob- und Danklieder.

Als unsere schlichte Feier bekannt wurde, schlos-sen sich uns noch einige aus dem Bibelkreis an. Wirfeierten bis nach meinem Umzug, Mitte Dezember,

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Sonntag für Sonntag im Pfarreisaal oder in einer Pri-vatwohnung in schlichter Freude das Mahl des Herrn,so wie es Jesus und die Apostel hielten. Am Dienstaghielten wir mit Erwachsenen und am Freitag mit Ju-gendlichen Bibel- und Gebetsabende.

Einige Tage nach meiner Exkommunikation versam-melten wir uns mit den Erwachsenen zu einem Ge-betsabend in dem fast ausgeräumten Wohnzimmer desPfarrhauses. Wir baten den Herrn, das Haupt der christ-lichen Gemeinde, um Rat. Nach der Gebetszeit erör-terten wir unsere Lage. Ich verhielt mich eher zurück-haltend, denn es sollte jeder persönlich vor Gott ent-scheiden, in welcher Gemeinschaft er zu verbleiben ge-dachte. Ich sagte nur: »Ihr seht, wo ich jetzt stehe, au-ßerhalb der katholischen Kirche, aber in voller Gemein-schaft mit Jesus Christus und seiner Lehre.«

Jesus führt uns zu Entscheidungen, sobald wir ihnehrlichen Herzens suchen und bereit sind, seinen Wil-len in dieser Welt zu tun. Vor einer so wichtigen Ent-scheidung standen nun die einzelnen. »Und er strecktedie Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hiersind meine Mutter und meine Brüder. Denn wer denWillen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist fürmich Bruder und Schwester und Mutter« (Matthäus12,49-50).

Interessanterweise sprachen wir in den Sommer-und Herbst-Bibelabenden tiefgreifender über Jesus.Ist Jesus der Christus?, Was unterscheidet ihn vonReligionsgründern?, Jesus als Eckstein, Grundstein(Matthäus 7,24-27; 1. Petrus 2,6), als Haupt derKirche (Epheserbrief, Matthäus 7,21 u.a.), von derGottesfurcht als dem Anfang aller Weisheit (Psalm110,20; Sprüche 3,13-14 u.a.), vom Sinn und derBedeutung der Glaubenstaufe im Zusammenhang

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mit Glauben und Buße (Markus 16,16; Apg 2,38fund die vielen Zeugnisse in der Apostelgeschichte),vom Heiligen Geist und von der Gabe des HeiligenGeistes.

Bald entwickelte sich eine rege Diskussion. Dieeinen hatten sich entschieden, den Weg Jesu Christiund der Apostel zu wählen. Sie waren der Überzeu-gung, dass man nicht den Weg Jesu und seiner Leh-re gehorsam beschreiten könne und zugleich die rö-mischen Sonder- und Irrlehren länger unterstützenkönne, die Jesus und seiner Lehre entgegenstehen.Nun sei eine Situation gegeben, die eine öffentli-che, mutige Entscheidung mit allen Konsequenzenfür Jesus erfordere. Einige wiesen auf das ZeugnisMarias, der Apostel und der ersten Christen hin,die noch viel Schlimmeres durchstehen mussten, alswir zu erwarten hätten. Andere befürchteten Zeterund Mordio zu Hause, wenn sie jetzt die röm.-kath.Kirche verlassen würden. Sie hätten noch schul-pflichtige Kinder und da in den WalliserdörfernSchule, Religion, Kultur- und Volksleben in eins ver-knüpft sind, sei vorerst ein Austritt aus der römischenKirche nicht denkbar, obwohl sie sich auch künftignicht an deren widersprüchliche Weisungen haltenwürden.

In der folgenden Zeit sagte sich in Grächen und inanderen Orten ein kleiner Kreis von 25 Personen vonder röm.-kath. Kirche los. Einige bekundeten schrift-lich den Kirchenaustritt, andere waren überzeugt, dasssie nie bewusst zur röm.-kath. Kirche gehört hätten.Seit der Sekundarschule hätten sie sowieso nie mehram kirchlichen Leben ernsthaft teilgenommen, au-ßer bei Tauf-, Hochzeits- und Beerdigungszeremoni-en und dies nur ihren Eltern, Angehörigen oder

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Freunden zuliebe. Die Glaubenstaufe nach der LehreJesu und der Apostel würde dem Willen Jesu ent-sprechen, um zum Leibe Christi zu gehören.

Zu meinem Erstaunen erhielt ich in der nächstenZeit laufend Telefonanrufe und auch Briefe von Ka-tholiken aus dem Wallis, die mir bekannten, dass sienur mehr rein äußerlich Katholiken seien. Sie hättennicht die Kraft, sich innerlich loszusagen, wegen derKonsequenzen, aber sie wollten uns innerlich stüt-zen, zu uns stehen, wenn auch nicht öffentlich, sodoch im Geheimen. Auch sie hätten erkannt, dassdas Wort Gottes sich von vielen Lehren Roms klarunterscheide. Zu gegebener Zeit wären auch sie be-reit, den Weg mit Jesus Christus zu gehen.

Seit jenen Tagen versammelten wir uns irgendwoin einem Privathaus oder in einem öffentlichen Raumzu Bibel- und Gebetszeiten oder zum Brotbrechen.Wir brachen gemeinsam das Brot, verkündeten dieBotschaft Jesu und versuchten, einander, so weit esdie Umstände erlaubten, in den täglichen Nöten bei-zustehen. So wie uns der Evangelist Lukas berichtet:»Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen …sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostelund in der Gemeinschaft und im Brotbrechen undim Gebet … und brachen das Brot hier und dort inden Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude undlauterem Herzen und lobten Gott …« (Apostelge-schichte 2,41-42.46). Wer die Lehre Jesu täglich be-trachtet und sich grundlegend dieser befreienden Bot-schaft öffnet, muss mit den Aposteln Petrus und Jo-hannes bekennen: »Wir können es nicht lassen, vondem zu reden, was wir gesehen und gehört haben«(Apostelgeschichte 4,20). »Im Namen Jesu Christi,des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt, den Gott auf-

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erweckt hat aus den Toten – in diesem Namen stehtdieser gesund vor euch. Das ist der Stein, der voneuch, den Bauleuten, für nichts geachtet, der zumEckstein geworden ist. Und es ist in keinem anderendas Heil: denn auch kein anderer Name unter demHimmel ist den Menschen gegeben, in dem wir er-rettet werden müssen [als nur Jesus Christus]« (Apo-stelgeschichte 4,10-12).

Mich selbst erstaunte der Mut dieser einfachenLeute. Wie musste ich an das Zeugnis in Apostelge-schichte 4,13 denken: »Als sie aber die Freimütigkeitdes Petrus und Johannes sahen und bemerkten, dasses ungelehrte und ungebildete Leute seien, verwun-derten sie sich; und sie erkannten sie, dass sie mitJesus gewesen waren.« Der berühmte Grächner Re-formator Thomas Platter wird sich im Himmel dar-über freuen, dass sein biblisches Wirken nach rund400 Jahren in seinem Geburts- und Heimatort nunseine Früchte zeitigt.

Auf Wanderschaft

Im Dezember 1988 zogen meine PfarrhaushälterinElfriede und ich von Grächen weg und bezogen dasKurs- und Ferienhaus Bella-Vista. Einige Zeit späterwuchsen wir zu einer kleinen Hausgemeinschaft zu-sammen. Elfriede reiste am 31. Dezember nach Biel,um dort bei JMEM (Jugend mit einer Mission) diesechsmonatige Schule für Jüngerschaft zu absolvie-ren. Anstelle von Elfriede übernahm Rosa Fux, mei-ne frühere, ältere Pfarrhaushälterin den Haushalts-dienst in der Bella-Vista. Regelmäßig suchten uns Leu-te auf, manche offen, andere auch heimlich und fan-den bei uns Unterschlupf.

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Einmal wöchentlich versammelten wir uns im na-hen Haus von Siegfried Willa zu einem Bibel- und Ge-betsabend. An diesen Treffen beteiligten sich auch In-teressierte aus der Umgebung. Bei diesen Abenden ver-suchten wir die Autorität Jesu, das Wort Gottes, in dieMitte zu stellen, was zu manchen heftigen, aber auchgesunden Diskussionen Anlass bot. »Wie sollen wirdann heil davon kommen, wenn wir Gottes große Ret-tungstat missachten? Sie hat damit angefangen, dassder Herr sie verkündet hat, und sie ist uns bestätigtworden von denen, die ihn gehört haben. Gott selbsthat dazu seine Beglaubigung gegeben durch wunder-bare Zeichen seiner Macht und durch die Gaben desHeiligen Geistes, die er nach freiem Ermessen ausge-teilt hat« (Hebräer 2,3-4). Vor solchen und vielen an-deren Aussagen in der Heiligen Schrift empfinden wirhohe Achtung und erkennen die Verantwortung, diewir Christen Christus gegenüber schuldig sind.

Einige Zeit nach der Exkommunikation besuchteich die Pfingstgemeinde in Brig. Obwohl ich bis da-hin kaum Kontakt zu dieser Gemeinde gepflegt hat-te, wusste ich von einigen Jugendlichen, die durchden Glauben an Jesus von Drogen oder vom Alkoholoder von einem sinnlosen, verkehrten Leben freige-worden waren. Sie luden mich auch ab und zu zumDienst am Wort ein. Bald einmal sollte ich bei einemBeerdigungsgottesdienst der Pfingstgemeinde amWort dienen, was ich gerne tat. Als in der Zeitungdas Danksagungsschreiben an die Beerdigungsteilneh-mer erschien, wurde natürlich auch mein Name ver-öffentlicht. Was zu vermuten war, trat auch ein, dennsofort protestierten einige Leute gegen uns und wie-gelten die Besitzer der »Bella Vista« gegen uns auf,was eine tiefreichende Aussprache zwischen der Fa-

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milie Willa und uns zur Folge hatte. Wir waren nichtbereit, den biblischen Weg aufzugeben und die Fami-lie Willa wäre mit der Zeit dermaßen unter den Ham-mer der Kritik geraten, dass wir alle uns entschlos-sen, weiterzuziehen.

Es fiel uns nicht unbedingt leicht, das prächtig ge-legene Kurs- und Ferienhaus zu verlassen. So zogenwir im April 1989 aus der »Bella-Vista«. Nachdemich etliche Mühe hatte, eine Wohnung in der RegionBrig/Visp zu finden, erhielt ich an einem Samstagdurch eine Annonce gleich drei Angebote. Am Sams-tag lud mich der Posthalter von Eggerberg, WalterZimmermann, zusammen mit seinen Familienange-hörigen zum Mittagessen ein. Er offerierte mir vor-übergehend seine 2-Zimmer-Dachwohnung. Nachzwei Monaten durfte ich einige Häuser weiter in dieäußerst schön gelegene Wohnung seines Sohnes Klausumziehen. Im Sommer 1989 durfte ich dann Mari-anne näher kennen lernen. Sie wurde einige Monatespäter meine Frau. Nach der Heirat mit Marianne,Ende Oktober 1989, blieben wir noch bis Mai 1990in Eggerberg.

Mitte Mai zogen wir um nach Visp. Dieses kleineschmucke Städtchen an der Vispe, das einst demGrächner Thomas Platter für eine kurze Zeit die Mög-lichkeit bot, das volle Evangelium zu lehren, ist zen-tral gelegen und Ausgangspunkt zu weltberühmtenKurorten.

In einem alten Haus bewohnten wir eine 3½-Zim-mer-Wohnung. Gäste, die ich vor allem in Zermattund Grächen kennen lernen durfte, kehrten bei unsein und brachten neue Leute mit. Auch für die Ein-heimischen waren wir leicht erreichbar. Im Herbst1991 sind wir nach Mörel-Breiten umgezogen.

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Marianne – meine Frau

Immer wieder wünschten mir Freunde eine Frau mitder gleichen Glaubens- und Lebenshaltung zur Seite.Der Gedanke, eine Frau mit der gleichen Glaubens-überzeugung und einem mutigen Einsatz für das ReichGottes könnte mir eine Hilfe sein, bewegte mich ge-legentlich. Doch menschliche Überlegungen hieltenmich davon ab. Ich hatte im Augenblick genug zuverkraften und meine Seele hinkte manchmal hinterall dem her. Zudem quälte mich ein äußert unge-wöhnliches Magen-Darmleiden. Ich konnte kaumnoch essen und trinken. Die vielen Anfeindungen undunsachlichen Auseinandersetzungen, zu denen ichmeistens auch keine Stellung beziehen konnte, weilmir diese Möglichkeit kirchlicherseits nicht einge-räumt worden war, drängten mich im wahrsten Sinndes Wortes an den Rand des Grabes. Eine Zeitlangquälten mich Verlassenheit und Einsamkeit, obwohlich immer genug Leute um mich herum hatte. Soverharrte ich länger als sonst im Gebet vor demHerrn. Die Bibel, das Wort Gottes, erwies sich mirals lebendiges Brot für mein Leben und Überleben.Ich bat den Herrn – in jenen Tagen und Nächten –mich sterben zu lassen, wenn ich nicht gemäß desEvangeliums rede und lehre.

Immer wieder stellt uns der Herr auf einer be-stimmten Lebensstrecke bestimmte Leute zur Seite,wie z.B. die Familie Schroff. Ist Sinn und Zweck die-ser Beziehung erfüllt, kann sie wieder lockerer wer-den oder sich gar auflösen.

So auch mit Martin Schroff und seiner Frau Regu-

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la, überzeugte treue Christen, die einen äußerst her-ausfordernden und einen nicht alltäglichen Glaubens-weg hinter sich brachten. Sie besuchten mich gele-gentlich und erkundigten sich in dieser Zeit der Be-drängnis auch telefonisch nach meinem Wohlerge-hen. Sie meinten, es stehe einem Mann in meiner Si-tuation und in meinem Alter nicht zu, ledig zu blei-ben und ohne Partnerin dem Herrn im Glauben zudienen, da ja die Gnadengabe einer echten Ehelosig-keit den Menschen eher selten zuteil werde. Sie be-harrten fest auf dieser Überzeugung. Ich wusste, wiedie meisten römischen Katholiken über dieses The-ma »Priesterehe« dachten, darum versuchte ich einsolches Ansinnen von mir zu weisen. Martin wies aufdas Wort Gottes hin, dass Gottes Wort für mich nunRichtschnur sein müsse, auch in Zölibatsfragen, unddass ich nicht mehr an die Zölibatslehren einer Insti-tution gebunden sei, die sich ja auch in diesen so wich-tigen Lebensbereichen nicht an Gottes Wort halte undmenschliche Weisheit bevorzuge.

Ich war der Überzeugung, dass es für eine Heiratimmerhin zwei Menschen braucht. So winkte ich ab.Anfänglich empfand ich seine Äußerungen diesbezüg-lich als sehr anmaßend und abstoßend. Martin ließnicht locker. Er machte mich auf eine Frau aufmerk-sam, die im Glauben an Gott und an seine Weisun-gen vorbildlich wachse und eine treue Lebensgefähr-tin für mich werden könnte. Er nannte den NamenMarianne, die seit Ende April für einige Monate inseinem Haushalt mithalf, während seine Frau ihrsechstes Kind, den kleinen David, gebar. Über diesedirekte Art von Martin war ich entrüstet. Zu gro-tesk, ja zu mittelalterlich schien mir diese Zuweisung.Es ergriff mich Entsetzen bei dem Gedanken, dass es

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sich bei Marianne gerade um eine Grächnerin han-delt! Warum wohl? Wenn daraus wirklich etwas wer-den sollte, dann würde bestimmt eine große Wellevon Verleumdungen auf Marianne und mich zukom-men. Würden die Leute nicht sagen: »Seht, da habtihr es, die hatten doch schon vorher ein Verhältnismiteinander.« Und übrigens, so sagte ich, ist Liebeetwas, das man nicht planen kann. Würde Mariannemich überhaupt lieben können und meine Lebensge-fährtin sein wollen? Immerhin war ich 18 Jahre älterals sie. Gegenargument um Gegenargument aus ei-ner falschen religiösen Ethik heraus, bereiteten mirschwere Tage und Nächte in der kleinen Mansarden-wohnung in Eggerberg.

Dem röm.-kath. Volk ist die biblische Wahrheitüber Ehe und Zölibat weitgehend unbekannt. Wür-de mich das Volk in seiner Unwissenheit überhauptverstehen können? Wie würden die Eltern von Mari-anne, meine Angehörigen und die vielen Freundereagieren? Die Geistlichkeit würde diese Gelegenheitnutzen und das neueste Ereignis beim Volk sicher zuihren Gunsten ausschlachten, diesen Schritt missbrau-chen und mich verleumden! So sollte es auch kom-men!

Marianne und ich beschlossen am Telefon, bei Fas-ten und Gebet dem Herrn das Anliegen vorzubrin-gen. Was Er uns im Gebet zeigen würde, jedem un-abhängig vom andern, wollten wir als den Willen desHerrn annehmen. Nach zwei Tagen Fasten, Gebetund Lesen der Worte aus der Schrift über Ehe undZölibat schenkte mir der Herr Gewissheit und Frie-den über eine gemeinsame Zukunft mit Marianne,im Dienste des Evangeliums. Marianne hatte diesel-be Gewissheit erlangt. Als Exkommunizierter war ich

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ja an keine römischen Gesetze mehr gebunden, aberumso mehr dem christlichen Glauben verpflichtet.Christus lässt es jedem Menschen, ohne Ausnahme,frei zu heiraten – ob Priester oder nicht.

Wer in der tiefen Glaubensbegegnung mit demHerrn in einem Anliegen Gewissheit empfängt, demkönnen menschliche Vorstellungen nicht mehr so sehrzusetzen. »Wenn ich dich anrufe, so erhörst du michund gibst meiner Seele große Kraft. Denn der Herrist hoch erhaben und sieht auf den Niedrigen. Wennich mitten in der Angst wandle, so erquickst du mich.Der Herr wird meine Sache hinausführen. Herr, dei-ne Güte währt ewig« (Psalm 138,3.6-8). Nach einemTelefongespräch begegneten wir uns am 8. Juni 1989in Lüterswil, wo Marianne arbeitete. Diese erste Be-gegnung ließ mich die Sinnlosigkeit eines solchenVorhabens offenbar werden. Unsere zweite Begeg-nung war dann jedoch von der Absicht geleitet, ge-meinsam für den Herrn, im Dienste am Evangeliumunterwegs zu sein; sie war vor allem vom Zwiege-spräch mit dem Herrn begleitet. Im Laufe des Som-mers 1989 entschieden wir uns, Ende Oktober des-selben Jahres zu heiraten, dies obwohl wir uns kaumkennen lernen konnten.

Nun, wir bauten gemeinsam ganz fest auf denHerrn und seine Weisungen, seine Gebote. Der ge-meinsame Glaube an Jesus ermutigte uns zu diesemSchritt. So wagten wir am 28. Oktober 1989 – aufdem Fundament des christlichen Glaubens – die Eheeinzugehen.

Marianne hatte sich früher im Pfarreileben vonGrächen engagiert. Sie hatte auch an den Bibelaben-den teilgenommen, wobei sie sich immer sehr zurück-hielt oder gerne mal opponierte. Bei einem England-

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aufenthalt im Jahre 1985 lernte sie Christen kennen,die sich an der biblischen Wahrheit orientierten undihr Leben für Christus wagten. Die um sich greifen-de religiöse Sinnlosigkeit und Orientierungslosigkeitvieler Katholiken ermutigte auch sie, mit Gott ernstzu machen und ihr Leben auf ihn auszurichten. Alssich nach meiner Exkommunikation einige Pfarrei-angehörige entschieden, Christus gemäß seiner Leh-re zu folgen, gehörte zu meinem Erstaunen auchMarianne zu ihnen. Auch ihr war wie den anderenbewusst, dass Christus von den Menschen Entschie-denheit abverlangt, dass sich ein leichtfertiges Glau-bensleben sowohl für dieses wie auch für das ewigeLeben als Desaster entpuppen wird.

Im Winter 1988/89 durfte ich Marianne als muti-ge Verteidigerin des christlichen Glaubens kennen ler-nen. Dafür stand sie freimütig ein – Gerede der Leu-te hin oder her. Sie musste dafür manchen Fußtritteinstecken. Auch sie ahnte nicht, was noch alles aufsie zukommen sollte. Doch mit dem Schild ihres Glau-bens hielt sie bis heute alle Brandpfeile ab – darin istsie auch mir zum Vorbild geworden. Nicht umsonstschreibt Paulus den Christen von Ephesus: »Bei alle-dem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihralle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen könnt«(Epheser 6,16).

Als unser Heiratsdatum für den Monat Oktoberbekanntgeworden war, prasselte ein Hagel an Vermu-tungen und Verleumdungen auf uns nieder. Paulussagte den Christen von Ephesus: »Nehmt den Helmdes Heils« (Epheser 6,17). Diesen Helm brauchtenwir jetzt dringend! Wir nehmen es keinem Menschenübel, der uns mit den schlechtesten Gedanken undWorten bewirft. Wie soll jemand, vom weltlichen

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Denken her geprägt, glauben können, Marianne undich hätten nach bloß fünf Monaten Bekanntschaft ein-fach heiraten können? Die meisten Ehepaare lebenJahre vor ihrer Trauung zusammen. Das Denken un-serer Gesellschaft ist von diesen Erfahrungen geprägt.

Taufe von Marianne, die später meine Frau wurde

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Unsere Hochzeitsfeier sollte schlicht und einfachbleiben. Wir wollten niemanden durch eine schriftli-che Einladung in Verlegenheit bringen, so versand-ten wir weder Anzeigen noch Einladungen. Es solltedaran teilnehmen, wer wollte.

Priester erzählten vor versammelten Leuten, aussicheren Quellen wüssten sie, dass Marianne schwan-ger sei und wir nun schnell heiraten müssten. EinePerson erzählte herum, Marianne hätte ihr persön-lich zugegeben, dass wir schon früher heimlich zu-sammengelebt hätten und nun heiraten müssten. Eineandere Person scheute auch nicht davor zurück, über-all bekannt zu machen, ich hätte ihr gesagt, dassMarianne schwanger sei und wir nun heiraten müs-sten. Manche Menschen wühlten in diesem Dreckvon Vermutungen und Verleumdungen herum undschienen dieses Treiben als eine fromme Möglichkeitder Rache zu genießen. Das schien kein Ende neh-men zu wollen und brachte uns manchmal in äußerstschwere Nöte.

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›ÜBRIGENS …‹ –Die Hetze gegen uns geht weiter!

Am 29. März 1990 veröffentliche der bischöflicheSprecher »im Walliserboten« einen Artikel gegen uns,der auf der folgenden Seite abgebildet ist.

Wegen dieses Artikels mussten wir eine Welle vonEmpörung und Hass über uns ergehen lassen: Ano-nyme Briefe, anonyme Telefonanrufe in der Nacht,Drohungen … Marianne wurde während der Schwan-gerschaft bedroht, musste das Haus verlassen usw.

Wir hoffen sehr, dass der kirchliche Sprecher, das,was er uns und unseren Freunden mit diesem Ruf-mord an Leiden angetan hat, vor Gott, der die Her-zen der Menschen kennt, in Ordnung bringen wird.Mögen auch seine geistlichen Ratgeber, die Schreck-liches heraufbeschworen hatten, Jesus Christus undsein Wort allein erkennen. Das ist unsere bleibendeBitte vor Gott!

Im Gebet, im Wort Gottes und im Verweilen beimHerrn und bei Glaubensgeschwistern fanden wir vielTrost und Kraft. Wir baten den Herrn um die Kraftnach Lukas 6,27. Dort sagt Jesus: »Aber euch, die ihrhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, dieeuch hassen; segnet, die euch fluchen; betet für die,welche euch verleumden.«

Wie sollten Marianne und ich uns verteidigen kön-nen bei einer verleumderischen Übermacht, die »imNamen Gottes« ein leichtes Spiel hatte, uns in derÖffentlichkeit zu erledigen. Wir wussten, dass vieleMenschen aus Unwissenheit und Unkenntnis, aus Ver-

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»Übrigens« von Alois Grichting

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führung und Verblendung, aus eigenen schlechten Er-fahrungen im Leben heraus redeten und handelten.

Dann war uns klar, dass Menschen ihre religiösenSicherheiten verteidigen wollten, in die sie hineinge-boren worden waren und in denen sie sich einge-richtet hatten.

Ferner fanden wir tiefen Trost in den Verheißun-gen Gottes, dass am letztem Tag alles vor ihm undvor allen Menschen offen und bloß dastehen wird.Alles wird dann offenbar sein und darüber werdenwir uns freuen dürfen, weil wir gerecht und sauberin die Ehe gegangen sind. Wir lasen in Psalm 33,13:»Der Herr blickt vom Himmel herab, er sieht alleMenschenkinder.« Im Hebräer 4,12-13 tröstete unsGott mit den Worten: »Denn lebendig ist das WortGottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidi-ge Schwert … Es richtet über die Regungen und Ge-danken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpfverborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor denAugen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.«

Zwei Überlegungen

Zwei Überlegungen, die ich anbringen will, scheinenmir von Bedeutung zu sein.

1. Hätte ich unbedingt mit einer Frau zusammen-leben wollen, dann hätte ich mir all das erspart, wasüber mich kommen sollte, denn so weit vermochteich wohl noch zu denken! Genug Gelegenheiten hät-ten sich mir als Priester geboten, wenn ich dieses Zielverfolgt hätte.

2. Hätte ich aus Liebe zu einer Frau unbedingt hei-raten wollen, dann hätte ich wie Tausende von röm.-kath. Priestern mein Amt niedergelegt und geheira-

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tet. Ich wäre wie die meisten von ihnen trotzdemrömischer Katholik geblieben.

Marianne gebar unser erstes Kind, Nathanael, 12Monate und eine Woche nach unserer Hochzeit.Manche Leute waren betroffen und entschuldigtensich bei uns und baten uns um Vergebung, denn siehätten doch nie geglaubt, dass eine kirchliche Obrig-keit solche Verleumdungen aussäen konnte.

Jeder Priester, der mit der röm.-kath. Kirche ausGlaubensgründen nicht mehr Schritt halten kann undgedenkt, diese Institution zu verlassen, muss damitrechnen, dass er in der Öffentlichkeit mit dem Argu-ment »Frau im Spiel« kaputt gemacht wird. Mit die-ser Art von heiliger Rache sind bis heute zahllosePriester von der römischen Geistlichkeit in der Öf-fentlichkeit lebendig begraben worden. Ihnen wurdejegliche Glaubwürdigkeit vor anderen genommen.»Im Namen Gottes« lässt sich vor dem Volk allesrechtfertigen!

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Entscheidende Wegweisung

Von 1991–1995 leitete ich die Pfingstgemeinde Brig.Christliche Gemeinden und Bibelschulen luden michvon Jahr zu Jahr vermehrt zu Diensten ein, so dasssich eine Entscheidung zwischen Gemeindeleitungund vollzeitlichem übergemeindlichen Dienst auf-drängte.

Das letztere entsprach offensichtlich meiner Be-rufung. Seit Januar 1995 bezeichne ich meinen Dienstals HISKA/ INFOKA, was soviel besagt wie: Hilfsdienst-stelle für suchende Katholiken und Informationsstelleüber Katholizismus.

Die internationale Führung der Pfingstgemeindepflegt seit 1975 den offenen Dialog mit der röm.-kath. Führung. Die Vatikanzeitung (L’Osservatore Ro-mano) schrieb am 2. August 1991: »Vertreter der ka-tholischen Kirche und der verschiedenen Gemein-schaften der Pfingstbewegung sind in Venedig zusam-mengekommen … Der südafrikanische Vertreter derPfingstbewegung, François Müller, von der ›Aposto-lic Faith Mission‹ betonte nach dem Treffen, der Dia-log über die biblischen und systematischen Grundla-gen der Evangelisierung sei für beide Seiten frucht-bar gewesen.« Das Resultat dieser vatikanischen Tak-tik: »Die Christen der verschiedenen Pfingstgemein-schaften müssten ihre Einschätzung der katholischenKirche gegenüber in weiten Teilen revidieren«, for-derte Müller.

Eine weitere Erfahrung veranlasste uns 1995, diePfingstbewegung zu verlassen. Die Phänomene desTorontogeistes empfanden wir von Anfang an als ein

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unheimliches, verwirrendes Dämonenmanöver. Wirwaren entsetzt über den Mangel an Geistesunterschei-dung unter den Führenden der charismatischen undpfingstlichen Bewegung.

Doch wir wollten nicht vorschnell entscheiden. Wirhörten uns unzählige Vorträge und Meinungen an, prüf-ten Pro und Kontra. Anhand des Zeugnisses der Apo-stel mussten wir uns von diesem gewaltigen endzeitli-chen Strom des geistliches Irrwahns und Abfalls lösen.

Die Erklärung von New York ›Evangelikale undKatholiken zusammen‹ (›ECT‹) vom 29. März 1994,von prominenten Evangelikalen und Katholiken un-terschrieben, hält an der biblisch unhaltbaren Auf-fassung fest: »Evangelikale und Katholiken sind Brü-der und Schwestern in Christus.« Bill Bright, der Kopfvon ›Campus für Christus‹ ist Mitunterzeichner. Un-ter seiner Verantwortung wurde vom 28. Dezember1997 bis 1. Januar 1998 in Basel der internationaleMissionskongress ›Explo‹ durchgeführt. Eingeladenwaren auch der Hausprediger des Papstes Pater Ra-niero Cantalamessa und andere führende Katholiken.Ihr Motto: »Neuer Wind in alten Kirchen.«

Solange die römisch-katholische Kirche an ihrenzentralen antichristlichen heilsnotwendigen Lehraus-sagen (Dogmen) gegen die errettende Gnade Jesu fest-hält, können Christen keine Gemeinschaft mit Ver-tretern dieses Systems haben. »Wer sagt … die Men-schen könnten durch den Glauben allein von Gottdie Gnade der Rechtfertigung erlangen, der sei ver-flucht«1; »Wer sagt … zur Erlangung der Gnade rei-che der bloßer Glaube an die göttliche Verheißunghin, der sei verflucht.«2

Die Lehre der Apostel hält dagegen fest: »Dennaus Gnade seid ihr errettet durch Glauben, und das

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nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken,damit niemand sich rühme. Denn wir sind sein Ge-bilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken,die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wan-deln sollen« (Epheser 2,8-10).

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Anmerkungen

19. Oktober 1988: Verworfen und denunziert

1 Blasig: Christ im Jahr 2000, Kösel 1984, S. 1502 Ebd., S. 152

15. August 1988: Die Marienpredigt

1 Rottmann: … und werden den Lehren von Dämonen anhan-gen, Schulte + Gerth, S. 87

2 Ebd., S. 873 Ebd., S. 874 Ebd., S. 875 Ebd., S. 876 Ebd., S. 87

Exkommunikation de facto festgestellt –Fristlose Entlassung

1 Rahner-Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Herder, S. 2342 Ebd., S. 2363 Ebd. S. 2354 Ebd. S. 2495 Sämtliche Zitate von Kanons sind dem Codes des kanoni-

schen Kirchenrechtes der katholischen Kirche entnommen(CIC, Codex Iuris Canonici).

Warum ich Priester geworden bin

1 Schaeffer: L’abri, Oncken Verlag, Wuppertal, S. 702 Katholischer Katechismus, Benziger, S. 1063 Neuner-Roos: Der Glaube der Kirche, Pustet, Nr. 3754 Ebd., Nr. 3765 Ebd., Nr. 3881

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6 Rahner-Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium, Herder,Ökumenismus, S. 233

7 P. J. M. Lenz: Papst Paul VI., Credo des Gottesvolkes, S. 138 Johannes-Paul II., Enzyklika »Ut unum sint« (»dass sie eins

seien«), Christiana, 19959 Ebd. Art. 15

10 Ebd. Art. 1811 Ebd. Art. 1212 Rahner-Vorgrimler, a.a.O., S. 23313 Friedrich: Geschichte des Vatikanischen Konzils, S. 37, zit.

in Kuen, Gemeinde nach Gottes Bauplan, S. 3714 Neuner-Roos, a.a.O., Nr. 43015 Ebd., Nr. 38216 Katholischer Katechismus, a.a.O., S. 717 Ebd., S. 718 Ebd., S. 819 Ebd., S. 8

Entscheidende Wegweisung

1 Neuner-Roos, a.a.O., Nr. 509, S. 3552 Neuner-Roos, a.a.O., Nr. 513, S. 356

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Har

dcov

erJames G. McCarthy

Das Evangelium nach Rom

Eine Gegenüberstellung der katholischenLehre und der Heiligen Schrift

444 Seiten,DM 39,80ISBN 3-89397-366-4

Eine ausführliche und gründlicheWiderlegung der Lehren der röm.-kath. Kirche anhand der Bibel. Außer24 Punkten, in denen das »Evangeli-um nach Rom« vom biblischen Evan-gelium abweicht, zeigt der Autor eineFülle von unbiblischen Lehren überdie Messe, Maria und kirchlicheAutorität auf. Zudem werden alleArgumente, mit denen kath. Theolo-gen sich üblicherweise verteidigen,stichhaltig widerlegt. Bei aller Sach-lichkeit und Systematik ist das Buchdennoch interessant und vor allemliebevoll geschrieben.Es kann auch sehr gut als Leitfadenfür Gesprächskreise o. Ä. verwendetwerden.

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Hans-Werner Deppe

Sind Sie auch katholisch?

128 SeitenDM 3,80ISBN 3-89397-785-6

Systematisch werden die Abweichun-gen des katholischen Glaubens vombiblischen Evangelium aufgezeigt undder Leser mit dem Evangelium derGnade Gottes und der Notwendigkeitder Wiedergeburt bekannt gemacht.

Der Autor zitiert viele katholischeQuellen – allen voran den Weltkate-chismus – und stellt dem treffend dieAussagen der Bibel gegenüber. ZweiAnhänge über Wiedergeburt undGemeinde runden das Buch ab.

Ein preiswerter Überblick über dieKonflikte der röm.-kath Kirche mit derbiblischen Lehre.