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Befürchten Sie einen Eingriff in die Privatsphäre durch den Einsatz von Drohnen? Stimmen Sie online ab unter www.aargauerzeitung.ch www.bzbasel.ch www.basellandschaftliche.ch www.solothurnerzeitung.ch www.grenchnertagblatt.ch www.limmattalerzeitung.ch www.oltnertagblatt.ch «Die Umfrage finden Sie online über die Such-Funktion mit dem Stichwort «Tagesfrage» Das Ergebnis erscheint in der nächsten Ausgabe. Wir haben gefragt: Befinden wir uns in einem Propagandakrieg mit Russland? Dieser Mann stellt den wohl britischsten Weltrekord auf. Ergebnis letzte Tagesfrage Video des Tages www.aargauerzeitung.ch/mediathek/videos Frage des Tages Ja Nein HEUTE 18.11.2016 Wie schwer wiegen die Nebenwirkun- gen des Inländervorrangs? Konkret: Wie gross ist der bürokratische Aufwand für die Firmen bei den vorliegenden Konzepten des Natio- nalrates und der Staatspolitischen Kommission des Ständerates? Dieser Frage geht mein Kollege Jonas Schmid von der Bundeshausredaktion auf Seite 3 nach. Vor allem der Vorschlag der Ständeratskommission wird von den Wirtschaftsverbänden kritisiert. Gut möglich, dass es im Dezember also zu Abstrichen kommt. Spätes- tens dann also, wenn beide Kammern ihre Differenzen bereinigen müssen. Der Blattmacher empfiehlt Andreas Schaffner REZEPT DES TAGES Präsentiert von Annemarie Wildeisen Zutaten für 2 Portionen 2 Beutel Hagebutten-Tee ½Vanillestängel 1 Orange 1 Esslöffel Honig Hagebutten-Vanille-Tee Bestellen Sie jetzt via SMS ein Schnupperabo mit 3 Ausgaben für nur 12 Franken. SMS mit SCHNUPPER + Name und Adresse an 919 (20 Rp./SMS) oder Online-Bestellung unter www.wildeisen.ch/schnupperabo www.wildeisen.ch/suche/rezepte ie acht Syrerinnen und Syrer eilen nach vorne, kaum hat Maria Sacharowa die Frage- stunde beendet, überrei- chen ihr ein Geschenk aus der Heimat und posieren für ein Erinnerungsfoto. Mit einiger Mühe ringt sich die Informationschefin des russischen Aussenministeriums nun ein Lächeln ab. Denn die eigens für die aus aller Welt eingeladenen Journalisten im Alter von 25 bis 35 Jahren veranstaltete Pressekonferenz zuvor ist nicht nach ihrem Gusto verlaufen: Ein tschechischer Repor- ter hat sie in ein minutenlanges Wort- gefecht verwickelt und mit seiner Frage, wie sie den völkerrechtswidrigen Einmarsch auf die ukrainische Halbinsel Krim recht- fertige, beinahe zur Weissglut getrieben. «Die Krim ist und war immer russisch», antwortete Sacharowa. «Nicht weil die russische Regierung das so wollte, son- dern weil die Bevölkerung der Krim die- sen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie ha- ben keine Ahnung, Sie wissen rein gar nichts.» Statt weiterhin an eine Welt je- ner Illusionen zu glauben, die uns westli- che Massenmedien vorsetzten, sollten wir die Augen öffnen und beispielsweise bedenken: «Die USA finanzierten den Terroristen Osama Bin Laden jahrelang, bevor sie ihn bekämpften. Und afghani- sche Drogen wurden während Jahrzehn- ten in ganz Europa konsumiert.» «Putin zu Dank verpflichtet» Dank der Vertreter der – wie wir Journa- listen – von der russischen Regierung nach Moskau eingeflogenen syrischen «Nichtre- gierungsorganisation», die sich als treue Anhänger ihres Präsidenten Baschar al- Assad entpuppen, hat Sacharowa wenigs- tens einen versöhnlichen Abgang. «Wir sind Wladimir Putin und seiner Regierung zu grossem Dank verpflichtet, weil sie uns im Kampf gegen Terroristen und Kriminel- le zu Hilfe geeilt sind», sagen sie. Der Umgang Sacharowas mit kritischen Fragen hat uns an den Vortag erinnert, als wir die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik besuchten und uns deren Ausland- chef Anton Anisimov Red und Antwort stand (Ausgabe von gestern). Auf unsere Frage, wes- halb die «Reporter ohne Grenzen» sein Land auf der alljährlichen Rangliste der Pressefrei- heit heuer lediglich auf Platz 148 von 180 klas- siert hätten, wenn doch seiner Meinung nach alles zum Besten stünde, antwortete er mit ei- ner Gegenfrage: «Wo hat diese Organisation ihren Sitz?» Anisimov gab die Antwort gleich selbst. «In Paris. Sie ist vom Westen finanziert und erstellt entsprechende Gutachten.» Ob bei Sacharowa oder Anisimov: Ihre Strategie ist eine Mischung aus Verschwö- rungstheorie und Argumentationsumkehr – selbst wenn es bei uns Defizite geben soll- te, sind die euren noch viel grösser. Um den Ruf Russlands im Westen zu ver- bessern, hofiert die russische Regierung nicht nur uns Journalisten, die sie im Vier- Sterne-Hotel im Stadtzentrum einquartiert, die Sehenswürdigkeiten rund um den Roten Platz zeigt und ins Ballett einlädt. Ähnliche Workshops gibt es auch für andere Branchen wie etwa Ingenieure. «Wir sind ein Instrument der russischen Aussenpolitik. Mit uns wird versucht, Ziele mittels ‹Soft Power› zu errei- chen», sagt Natalia Eremina, stellvertretende D Leiterin humanitäre Zusammenarbeit und Ju- gendpolitik von Rossotrudnichestvo, einer staat- lichen Abteilung, die man wohl am besten mit Imagebehörde übersetzt. Dass wir beiden Schweizer in unserer Reisegruppe abgesehen von zwei dänischen Radiojournalisten die ein- zigen Westeuropäer sind, sei Zufall, sagt Ere- mina. «Nur US-Amerikaner laden wir nie ein.» «Amerikaner laden wir nie ein» Zur russischen Aussenpolitik gehören nebst Besichtigungstouren auch andere, un- zimperlichere Methoden. Im Frühjahr 2015 enthüllte die Investigativjournalistin Lud- milla Sawtschuk mittels Undercover-Recher- che, wie von einem Bürokomplex in der Millionenstadt St. Petersburg aus versucht wird, die öffentliche Meinung im Westen zu beeinflussen. Rund 400 sogenannte Inter- net-Trolle würden in dieser Zentrale der russischen Online-Propaganda arbeiten, be- richtete sie – ein jeder müsse eine tägliche Quote an Kommentaren auf westlichen Nachrichtenportalen erfüllen. Sie selbst ha- be in einer Abteilung gearbeitet, in der Mit- arbeiter Blogs von fiktiven Personen schrie- ben, erzählte sie damals der «Welt». Darun- ter eine Wahrsagerin, die eine düstere Zu- kunft für Deutschland und die Europäische Union prognostizierte. Nach der Enthüllung sei die Trollfabrik nicht etwa geschlossen worden, berichtete die deutsche Tageszei- tung kürzlich. Sie sei bloss einige Strassen weiter in ein neues Gebäude gezogen. Auch im zurückliegenden Wahlkampf um die US-Präsidentschaft spielte Russland eine Hauptrolle: Das US-Ministerium für Inland- sicherheit jedenfalls ist überzeugt, dass der Kreml hinter den Hackerangriffen gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton stand, die sie beim Duell gegen den Republi- kaner Donald Trump womöglich die entschei- denden Stimmen kosteten. Freilich setzt nicht nur Putin auf Propaganda: In der Hoffnung, vermeintlichen Konsens in ausländischen Onlineforen und auf sozialen Medien herzu- stellen, setzt beispielsweise auch das US-Mili- tär schon seit Jahren auf Bots und Fake- accounts. Und ein Onlineportal wie das Trump nahestehende rechtskonservative Breit- bart News Network ist mit Sputnik und RT zu- mindest dahingehend zu vergleichen, als es vorgibt, eine Alternative zu den «Mainstream- Medien» darzustellen und in seinen Berichten eine Geschichte in aller Regel bloss von einer Seite beleuchtet (siehe Text rechts). Auftrieb für Feindseligkeit Zersetzt wird damit nicht nur der Glaube an die Existenz einer Wahrheit, geschürt wird auch gegenseitige Feindseligkeit. Als das (vom Staat unabhängige) russische Mei- nungsforschungszentrum Lewada 1989 fragte, ob das Land Michail Gorbatschows Feinde habe, antworteten 13 Prozent mit Ja. 24 Jahre später, noch vor Ausbruch des Ukrainekonflikts, antworteten auf die glei- che Frage 78 Prozent der Bürger Putins mit Ja. Gleichzeitig betrachten gemäss einer Umfrage des Instituts Gallup vom vergange- nen Februar 86 Prozent der US-Bürger die militärische Kraft Russlands als Bedrohung. Auch uns 31 Jungjournalisten lässt die viertägige Propagandareise nicht kalt. Wen aus unserer Reisegruppe wir auch fragen: Jede und jeder ist der Ansicht, wir befän- den uns in einem Informationskrieg. Wir alle schauen besorgt in eine Zukunft, in der sich Ost und West wieder so unversöhnlich gegenüberzustehen scheinen wie zu einer Zeit, als wir noch nicht geboren waren. Putins Kampf um die Wahrheit Russlands Regierung lädt Journalisten ein, um ihr Image aufzupolieren – und heizt den Konflikt mit dem Westen an VON DENNIS BÜHLER UND ANTONIO FUMAGALLI, MOSKAU «Sie haben keine Ahnung, Sie wissen rein gar nichts.» Maria Sacharowa Die Informationschefin im russi- schen Aussenministerium zu einem tschechischen Reporter Lesen Sie online: So haben Jungjour- nalisten aus Argen- tinien, Brasilien, Ecuador, Dänemark, Indonesien, Marokko, Tschechien und Südafrika die Propagandareise nach Moskau erlebt. Schauen Sie online: Videoeindrücke unserer Reporter in Moskau und während des dreitägigen Medienworkshops Interview mit Workshop- Veranstalterin Natalia Eremi- na, Projektleiterin «New Generation» bei Rossotrudni- chestvo, der Behörde des russischen Aussendeparte- ments für Kulturaustausch Alternativer Blickwinkel: Die Nachrichtena Wahrheit: Es gibt keine Objektivität, sagt Propagandareise nach Moskau Schweizer Journalisten tauchen in die Parallelwelt Die folgenden drei Schlagzeilen domi- nierten gestern Mittag die Frontseite des deutschsprachigen Ablegers der russischen Nachrichtenagentur Sput- nik: «EU-Politik gegenüber Moskau: ‹So tun, als ob sie nicht im Weissen Haus bestimmt wird›», «Frank-Walter Stein- meier: Wahlhelfer der AfD», «Merkel vor schwerer Wahl: ‹Letzte Soldatin der nationsübergreifenden Kräfte›». Die Auswahl illustriert, was die News- macher meinen, wenn sie ihr Portal mit dem Slogan bewerben, es berichte über Themen, die andere verschwei- gen: einen bunten Mix aus Angriffen gegen das Establishment (Steinmeiers SPD und Merkels CDU), martialischen Tönen («letzte Soldatin») und Ver- schwörungstheorien («Achse Washing- ton-Berlin»). Wer die internationalen russischen Online-News konsumiert, taucht tief ein in eine Parallelwelt. Wir haben das gestern getan. VON DENNIS BÜHLER Gegen Merk agentur Sputnik nimmt für sich in Anspruch, Unerzähltes zu erzählen.. SCREENSHOT SPUTNIK Kursleiter Oleg Dmitriev. Im Fokus: Ecuadorianischer Jungjournalist auf dem Roten Platz. FOTOS: ALEXANDER KOLCHIN/ROSSOTRUDNICHESTVO ein Nach demselben Muster funktioniert «Der fehlende Part», die populärste Sen- dung des TV-Senders RT Deutsch, die bei Youtube jede Woche rund 30 000-mal angeschaut wird. In der aktuellsten Aus- gabe ordnen «Experten» ein, was die Wahl Donald Trumps zum US-Präsiden- ten für das Verhältnis USA-Russland be- deutet. Zu Wort kommen: Alexander Neu, Bundestagsabgeord- neter der Linken, der sein Land aus der «US-Abhängigkeit» befreien und stattdessen eine gemeinsame Sicher- heitspolitik von Lissabon bis Wladiwos- tok etablieren will. Rainer Rothfuss, «geopolitischer Analyst» und ehemaliger Professor der Universität Tübingen, der 2015 als Chef der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte abgewählt wurde, nachdem er sich kritisch zur Rolle der EU und der Nato sowie ukrainisch-fa- schistischer Kräfte im Ukraine-Konflikt geäussert hatte. Hannes Hofbauer, Autor von «Feind- bild Russland», der zur anti-imperialisti- schen Linken Österreichs gezählt wird. Thomas Fasbender, Gründer der Deutsch-Russischen Wirtschaftsnach- richten, dessen Buch «Freiheit statt Demokratie – Russlands Weg und die Illusionen des Westens» 2014 erschien und der regelmässig für die «Welt- woche» schreibt: Lobeshymnen auf Wladimir Putin, Reportagen von der Krim und eigenwillige Analysen des Ukrainekonflikts («Putin ist an allem schuld: In der Ukraine steigen die Spannungen, aber Kiew kann sich weiter auf den blinden Schutz des Westens verlassen»). Unisono sind die «Experten» zuver- sichtlich, dass es mit US-Präsident Trump zu einer Entspannung im Ver- hältnis mit Moskau kommen wird. So sagt etwa Fasbender: «Putin und Trump sind Alphamänner. Sie sind in der Lage, die Sache wie früher in der Sauna und beim Wodka auszuknobeln.» Antiwestliche Kronzeugen Der Einsatz von «Experten», welche die russischen Thesen legitimieren, hat System. Ob sie vom linken oder rech- ten Rand kommen, spielt keine Rolle. Politiker der Linken werden genauso oft in Sendungen eingeladen wie jene der AfD (Vize-Parteichefin Beatrix von Storch wurde gestern mit den Worten zitiert: «Trump ist die grosse Chance für Europa»). Jeder westliche Kritiker, der den Westen kritisiert, taugt zum – scheinbar objektiven – Kronzeugen. Wie gerufen kommt da auch der Ber- liner Filmemacher und Journalist Uli Gellermann, Herausgeber eines obsku- ren Blogs namens «Rationalgalerie». In «Der fehlende Part» wird er befragt, wann immer die Redaktion eine Schelte der «Lügenpresse» wünscht. «Mediale Narrative und Mehrheitspositionen in den Medien entstehen durch galoppie- rende Dummheit», analysiert er in der neuesten Sendung die Gründe, weshalb RT Deutsch seit seiner Gründung vor zwei Jahren kritisch beäugt wird. Eine weitere gängige Methode russi- scher Propaganda ist das Erzeugen von «Informationslärm» («FAZ»): Ein kleiner, unbekannter Blog publiziert eine Nachricht, die erst von weiteren dubiosen Websites wiederholt und dann von einem grösseren Medium wie Sputnik oder RT mit dem Verweis auf Internetquellen aufgenommen wird. Auch eine der eingangs erwähn- ten Schlagzeilen des gestrigen Tages kam so zustande. kel, Europa und das Establishment 3 Ein Chefbeamter schwingt sich zum Politiker auf: Noch bevor der Stände- rat über die Zuwanderungsfrage ent- schieden hat, fährt ihm Bruno Sauter, Vorsteher des Zürcher Wirtschafts- amts, in die Parade. Gegenüber der «NZZ» zerzauste er gestern den ver- schärften Inländervorrang der Stände- ratskommission. Er sieht vor, dass Arbeitgeber in Be- rufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeit und Zuwanderung den Regionalen Ar- beitsvermittlungszentren (RAV) ihre of- fenen Stellen melden. Die RAV sollen der Firma geeignete Kandidaten zu- weisen, die diese zum Bewerbungsge- spräch einladen muss. Eine Nichtan- stellung muss das Unternehmen kurz begründen. Pikant: Architekt des Vorschlags ist ausgerechnet der Aar- gauer FDP-Ständerat Philipp Müller. Er und seine Partei kämpfen in aller Regel gegen die wuchernde Bürokratie. Für Arbeitgeber sei die Lösung «brutal», der Aufwand zu gross, findet Sauter. Er geht zudem davon aus, dass es zu Klagen von Personen käme, die sich diskri- miniert fühlten. Es drohe eine «Flut von Rechtsfällen». Sauter spricht den Wirtschaftsver- bänden aus dem Herzen. Das Konzept bedeute für die Arbeitgeber einen rela- tiv komplizierten Ablauf mit Pflichten, Pflichten und nochmals Pflichten, sagte Roland A. Müller, Direktor des Arbeit- geberverbands. Besonders hart treffen würde es Klein- und Kleinstbetriebe, meint Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands. «88 Prozent der KMU haben weniger als zehn Mitarbei- tende. Das heisst, zusätzliche Bewer- bungsgespräche und die Begründungs- pflicht lasten grösstenteils auf dem Chef.» Grosskonzerne könnten diese Aufgaben hingegen auslagern. «Bis an die rote Linie» Werden die Freisinnigen dem geball- ten Widerstand der Wirtschaft standhal- ten? So sieht es aus. «Die Wirtschaftsver- bände vergessen, dass wir die Verfas- sung umsetzen müssen», sagt der Ap- penzeller FDP-Ständerat Andrea Caroni. Er fühle sich gedrängt, «jedenfalls bis an die rote Linie des Freizügigkeitsabkom- mens zu gehen». Deshalb habe man aus einem «Inländervorrang light» einen «Inländervorrang medium» gemacht. «Einfaches Konzept» Dieser sei keineswegs ein Bürokratie- monster. Im Gegenteil: «Wir haben ein einfaches Konzept für einzelne Berufe entwickelt, bei denen Arbeitslosigkeit und Zuwanderung hoch sind.» Man be- schränke sich auf Problembereiche, be- troffen wären lediglich 1,5 Prozent aller Stellen. Das Nationalratsmodell hingegen beruhe auf einem Schwellenwert. «Die Indikatoren, die diesen definieren sollen, sind kompliziert und nicht durchdacht.» Die teuerste Lösung sei aber der har- te Inländervorrang der SVP. «Diese will das alte System mit Kontingenten und Nachweispflicht für je- den Einzelfall wieder aus der Schublade neh- men.» Dazu die St. Gal- ler FDP-Ständerätin Ka- rin Keller-Sutter: «Als Tochter eines Gewerb- lers weiss ich, was das frühere Kontingentsystem bedeutete. Mein Vater musste nachweisen, dass die Stelle ausgeschrieben, das Bewer- bungsverfahren korrekt durchgeführt und der Arbeitsvertrag ausgestellt wor- den war.» Ein solches Regime für Gesu- che von 60 000 Grenzgängern und 140 000 EU-/Efta-Bürgern sei unglaub- lich bürokratisch. Indem der Ständerat den Inländer- vorrang verschärft, ohne die Freizügig- keit zu verletzen, schafft er eine Diffe- renz zum Nationalrat. «Der politische Prozess wird zeigen, inwieweit diese beiden Konzepte kombiniert werden können», sagt Keller-Sutter kryptisch. Das Parlament könnte noch Abstriche machen, etwa die Begründungspflicht streichen. Gut möglich, dass sich so auch die Wirtschaftsverbände besänfti- gen lassen. Denn auch ihnen ist viel ge- legen an einer raschen, mehrheitsfähi- gen Lösung, die die Freizügigkeit res- pektiert und rechtzeitig die Vorausset- zungen zur Ratifizierung des Kroatien- Protokolls schafft. Zuwanderungsinitiative Wirtschaftsverbände kämpfen auch gegen ständerätlichen «Inländervorrang medium» der FDP VON JONAS SCHMID Wirtschaftsverbände greifen «eigene» Partei an «Die teuerste Lösung ist der harte Inländervorrang der SVP.» Andrea Caroni FDP-Ständerat Google wird aus seinem Innovations- fonds für Medien in der zweiten Runde 24 Millionen Euro an 124 Projekte aus 25 europäischen Ländern ausschütten. Dies wurde gestern bekannt gegeben. Aus der Schweiz erhalten die Projekte von AZ Medien Digital und Le Temps Fördergelder. Sie werden mit insgesamt 245 000 Euro unterstützt. AZ Medien Digital ist der eigenständige Digital- bereich des Medienunternehmens AZ Medien, das unter anderem den Ver- bund der regionalen Tageszeitungen «az Nordwestschweiz» herausgibt. Das geförderte Projekt bei AZ Medien Digital heisst «Kolibri». Es ist eine Plattform, mit welcher – basierend auf einem neuen Programmierstandard – schnell und einfach neue mobile Apps für Smartphones erstellt werden können. «Wir freuen uns natürlich sehr, schon zum zweiten Mal hintereinander zu- sammen mit Google ein Projekt im Rahmen der Digital News Initiative reali- sieren zu können. Das zeigt, dass AZ Medien Digital auch in Sachen digitale Innovation inzwischen zu den führen- den Medienhäusern der Schweiz ge- hört», lässt sich Peter Neumann, Chief Digital Officer der AZ Medien, zitieren. Die Aktion von Google ist Teil der Digital News Initiative (DNI), für die der Konzern einen Fördertopf von 150 Mil- lionen Euro eingerichtet hatte. Insge- samt sollen bislang 51 Millionen Euro ausgeschüttet worden sein. (SDA/ASC) Google fördert erneut ein Medienprojekt der AZ Medien Wir über uns

greifen «eigene» um die Wahrheit · PDF filesen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie ha-ben keine Ahnung, Sie wissen rein gar ... um die Wahrheit Russlands Regierung lädt Journalisten

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Page 1: greifen «eigene» um die Wahrheit · PDF filesen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie ha-ben keine Ahnung, Sie wissen rein gar ... um die Wahrheit Russlands Regierung lädt Journalisten

Befürchten Sie einen Eingriffin die Privatsphäre durch den Einsatzvon Drohnen?

Stimmen Sie online ab unterwww.aargauerzeitung.chwww.bzbasel.chwww.basellandschaftliche.chwww.solothurnerzeitung.chwww.grenchnertagblatt.chwww.limmattalerzeitung.chwww.oltnertagblatt.ch«Die Umfrage finden Sie online überdie Such-Funktion mit dem Stichwort«Tagesfrage»Das Ergebnis erscheint in dernächsten Ausgabe.

Wir haben gefragt: Befinden wiruns in einem Propagandakrieg mitRussland?

Dieser Mann stellt den wohlbritischsten Weltrekord auf.

Ergebnis letzte Tagesfrage

Video des Tageswww.aargauerzeitung.ch/mediathek/videos

Frage des Tages

Ja Nein

HEUTE18.11.2016

Wie schwer wiegen die Nebenwirkun-gen des Inländervorrangs? Konkret:Wie gross ist der bürokratischeAufwand für die Firmen bei denvorliegenden Konzepten des Natio-nalrates und der StaatspolitischenKommission des Ständerates?Dieser Frage geht mein Kollege JonasSchmid von der Bundeshausredaktionauf Seite 3 nach. Vor allem der Vorschlagder Ständeratskommission wird vonden Wirtschaftsverbänden kritisiert.Gut möglich, dass es im Dezemberalso zu Abstrichen kommt. Spätes-tens dann also, wenn beide Kammernihre Differenzen bereinigen müssen.

Der Blattmacher empfiehlt

Andreas Schaffner

REZEPT DES TAGESPräsentiert von Annemarie Wildeisen

Zutaten

für 2 Portionen

2 Beutel Hagebutten-Tee½Vanillestängel1 Orange1 Esslöffel Honig

Hagebutten-Vanille-Tee

Bestellen Sie jetzt via SMS ein Schnupperabomit 3 Ausgaben für nur 12 Franken.SMS mit SCHNUPPER + Name und Adresse an919 (20 Rp./SMS) oder Online-Bestellung unterwww.wildeisen.ch/schnupperabowww.wildeisen.ch/suche/rezepte

ie acht Syrerinnen und Syrereilen nach vorne, kaum hatMaria Sacharowa die Frage-stunde beendet, überrei-chen ihr ein Geschenk ausder Heimat und posieren

für ein Erinnerungsfoto. Mit einiger Müheringt sich die Informationschefin desrussischen Aussenministeriums nun einLächeln ab. Denn die eigens für die ausaller Welt eingeladenen Journalisten imAlter von 25 bis 35 Jahren veranstaltetePressekonferenz zuvor ist nicht nach ihremGusto verlaufen: Ein tschechischer Repor-ter hat sie in ein minutenlanges Wort-gefecht verwickelt und mit seiner Frage,wie sie den völkerrechtswidrigen Einmarschauf die ukrainische Halbinsel Krim recht-fertige, beinahe zur Weissglut getrieben.

«Die Krim ist und war immer russisch»,antwortete Sacharowa. «Nicht weil dierussische Regierung das so wollte, son-dern weil die Bevölkerung der Krim die-sen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie ha-ben keine Ahnung, Sie wissen rein garnichts.» Statt weiterhin an eine Welt je-ner Illusionen zu glauben, die uns westli-che Massenmedien vorsetzten, solltenwir die Augen öffnen und beispielsweisebedenken: «Die USA finanzierten denTerroristen Osama Bin Laden jahrelang,bevor sie ihn bekämpften. Und afghani-sche Drogen wurden während Jahrzehn-ten in ganz Europa konsumiert.»

«Putin zu Dank verpflichtet»Dank der Vertreter der – wie wir Journa-

listen – von der russischen Regierung nachMoskau eingeflogenen syrischen «Nichtre-gierungsorganisation», die sich als treueAnhänger ihres Präsidenten Baschar al-Assad entpuppen, hat Sacharowa wenigs-tens einen versöhnlichen Abgang. «Wirsind Wladimir Putin und seiner Regierungzu grossem Dank verpflichtet, weil sie unsim Kampf gegen Terroristen und Kriminel-le zu Hilfe geeilt sind», sagen sie.

Der Umgang Sacharowas mit kritischenFragen hat uns an den Vortag erinnert, als wirdie staatliche russische NachrichtenagenturSputnik besuchten und uns deren Ausland-chef Anton Anisimov Red und Antwort stand(Ausgabe von gestern). Auf unsere Frage, wes-halb die «Reporter ohne Grenzen» sein Landauf der alljährlichen Rangliste der Pressefrei-heit heuer lediglich auf Platz 148 von 180 klas-siert hätten, wenn doch seiner Meinung nachalles zum Besten stünde, antwortete er mit ei-ner Gegenfrage: «Wo hat diese Organisationihren Sitz?» Anisimov gab die Antwort gleichselbst. «In Paris. Sie ist vom Westen finanziertund erstellt entsprechende Gutachten.»

Ob bei Sacharowa oder Anisimov: IhreStrategie ist eine Mischung aus Verschwö-rungstheorie und Argumentationsumkehr– selbst wenn es bei uns Defizite geben soll-te, sind die euren noch viel grösser.

Um den Ruf Russlands im Westen zu ver-bessern, hofiert die russische Regierungnicht nur uns Journalisten, die sie im Vier-Sterne-Hotel im Stadtzentrum einquartiert,die Sehenswürdigkeiten rund um den RotenPlatz zeigt und ins Ballett einlädt. ÄhnlicheWorkshops gibt es auch für andere Branchenwie etwa Ingenieure. «Wir sind ein Instrumentder russischen Aussenpolitik. Mit uns wirdversucht, Ziele mittels ‹Soft Power› zu errei-chen», sagt Natalia Eremina, stellvertretende

DLeiterin humanitäre Zusammenarbeit und Ju-gendpolitik von Rossotrudnichestvo, einer staat-lichen Abteilung, die man wohl am besten mitImagebehörde übersetzt. Dass wir beidenSchweizer in unserer Reisegruppe abgesehenvon zwei dänischen Radiojournalisten die ein-zigen Westeuropäer sind, sei Zufall, sagt Ere-mina. «Nur US-Amerikaner laden wir nie ein.»

«Amerikaner laden wir nie ein»Zur russischen Aussenpolitik gehören

nebst Besichtigungstouren auch andere, un-zimperlichere Methoden. Im Frühjahr 2015enthüllte die Investigativjournalistin Lud-milla Sawtschuk mittels Undercover-Recher-che, wie von einem Bürokomplex in derMillionenstadt St. Petersburg aus versuchtwird, die öffentliche Meinung im Westen zubeeinflussen. Rund 400 sogenannte Inter-net-Trolle würden in dieser Zentrale derrussischen Online-Propaganda arbeiten, be-richtete sie – ein jeder müsse eine täglicheQuote an Kommentaren auf westlichenNachrichtenportalen erfüllen. Sie selbst ha-be in einer Abteilung gearbeitet, in der Mit-arbeiter Blogs von fiktiven Personen schrie-ben, erzählte sie damals der «Welt». Darun-ter eine Wahrsagerin, die eine düstere Zu-kunft für Deutschland und die EuropäischeUnion prognostizierte. Nach der Enthüllungsei die Trollfabrik nicht etwa geschlossenworden, berichtete die deutsche Tageszei-tung kürzlich. Sie sei bloss einige Strassenweiter in ein neues Gebäude gezogen.

Auch im zurückliegenden Wahlkampf umdie US-Präsidentschaft spielte Russland eineHauptrolle: Das US-Ministerium für Inland-sicherheit jedenfalls ist überzeugt, dass derKreml hinter den Hackerangriffen gegen diedemokratische Kandidatin Hillary Clintonstand, die sie beim Duell gegen den Republi-kaner Donald Trump womöglich die entschei-denden Stimmen kosteten. Freilich setzt nichtnur Putin auf Propaganda: In der Hoffnung,vermeintlichen Konsens in ausländischenOnlineforen und auf sozialen Medien herzu-stellen, setzt beispielsweise auch das US-Mili-tär schon seit Jahren auf Bots und Fake-accounts. Und ein Onlineportal wie dasTrump nahestehende rechtskonservative Breit-bart News Network ist mit Sputnik und RT zu-mindest dahingehend zu vergleichen, als esvorgibt, eine Alternative zu den «Mainstream-Medien» darzustellen und in seinen Berichteneine Geschichte in aller Regel bloss von einerSeite beleuchtet (siehe Text rechts).

Auftrieb für FeindseligkeitZersetzt wird damit nicht nur der Glaube

an die Existenz einer Wahrheit, geschürtwird auch gegenseitige Feindseligkeit. Alsdas (vom Staat unabhängige) russische Mei-nungsforschungszentrum Lewada 1989fragte, ob das Land Michail GorbatschowsFeinde habe, antworteten 13 Prozent mit Ja.24 Jahre später, noch vor Ausbruch desUkrainekonflikts, antworteten auf die glei-che Frage 78 Prozent der Bürger Putins mitJa. Gleichzeitig betrachten gemäss einerUmfrage des Instituts Gallup vom vergange-nen Februar 86 Prozent der US-Bürger diemilitärische Kraft Russlands als Bedrohung.

Auch uns 31 Jungjournalisten lässt dieviertägige Propagandareise nicht kalt. Wenaus unserer Reisegruppe wir auch fragen:Jede und jeder ist der Ansicht, wir befän-den uns in einem Informationskrieg. Wiralle schauen besorgt in eine Zukunft, in dersich Ost und West wieder so unversöhnlichgegenüberzustehen scheinen wie zu einerZeit, als wir noch nicht geboren waren.

Putins Kampfum die WahrheitRusslands Regierung lädt Journalisten ein, um ihr Imageaufzupolieren – und heizt den Konflikt mit dem Westen an

VON DENNIS BÜHLER UNDANTONIO FUMAGALLI, MOSKAU

«Sie habenkeine Ahnung,Sie wissen reingar nichts.»Maria SacharowaDie Informationschefin im russi-schen Aussenministerium zueinem tschechischen Reporter

Lesen Sie online:So haben Jungjour-nalisten aus Argen-tinien, Brasilien,Ecuador, Dänemark,Indonesien, Marokko,

Tschechien und Südafrikadie Propagandareise nachMoskau erlebt.

Schauen Sie online:Videoeindrücke unsererReporter in Moskau undwährend des dreitägigenMedienworkshops

Interview mit Workshop-Veranstalterin Natalia Eremi-na, Projektleiterin «NewGeneration» bei Rossotrudni-chestvo, der Behörde desrussischen Aussendeparte-ments für Kulturaustausch

Alternativer Blickwinkel: Die Nachrichtenagentur Sputnik nimmt für sich in Anspruch, Unerzähltes zu erzählen.. SCREENSHOT SPUTNIK

Wahrheit: Es gibt keine Objektivität, sagt Kursleiter Oleg Dmitriev. Im Fokus: Ecuadorianischer Jungjournalist auf dem Roten Platz. FOTOS: ALEXANDER KOLCHIN/ROSSOTRUDNICHESTVO

Propagandareise nach MoskauSchweizer Journalisten tauchen in die Parallelwelt ein

Die folgenden drei Schlagzeilen domi-nierten gestern Mittag die Frontseitedes deutschsprachigen Ablegers derrussischen Nachrichtenagentur Sput-nik: «EU-Politik gegenüber Moskau: ‹Sotun, als ob sie nicht im Weissen Hausbestimmt wird›», «Frank-Walter Stein-meier: Wahlhelfer der AfD», «Merkelvor schwerer Wahl: ‹Letzte Soldatinder nationsübergreifenden Kräfte›».Die Auswahl illustriert, was die News-macher meinen, wenn sie ihr Portalmit dem Slogan bewerben, es berichteüber Themen, die andere verschwei-gen: einen bunten Mix aus Angriffengegen das Establishment (SteinmeiersSPD und Merkels CDU), martialischenTönen («letzte Soldatin») und Ver-schwörungstheorien («Achse Washing-ton-Berlin»).

Nach demselben Muster funktioniert«Der fehlende Part», die populärste Sen-dung des TV-Senders RT Deutsch, die beiYoutube jede Woche rund 30  000-malangeschaut wird. In der aktuellsten Aus-gabe ordnen «Experten» ein, was dieWahl Donald Trumps zum US-Präsiden-ten für das Verhältnis USA-Russland be-deutet. Zu Wort kommen:

■ Alexander Neu, Bundestagsabgeord-neter der Linken, der sein Land ausder «US-Abhängigkeit» befreien undstattdessen eine gemeinsame Sicher-heitspolitik von Lissabon bis Wladiwos-tok etablieren will.■ Rainer Rothfuss, «geopolitischerAnalyst» und ehemaliger Professor derUniversität Tübingen, der 2015 als Chefder Internationalen Gesellschaft fürMenschenrechte abgewählt wurde,nachdem er sich kritisch zur Rolle derEU und der Nato sowie ukrainisch-fa-schistischer Kräfte im Ukraine-Konfliktgeäussert hatte.■ Hannes Hofbauer, Autor von «Feind-bild Russland», der zur anti-imperialisti-schen Linken Österreichs gezählt wird.■ Thomas Fasbender, Gründer derDeutsch-Russischen Wirtschaftsnach-

richten, dessen Buch «Freiheit stattDemokratie – Russlands Weg und dieIllusionen des Westens» 2014 erschienund der regelmässig für die «Welt-woche» schreibt: Lobeshymnen aufWladimir Putin, Reportagen von derKrim und eigenwillige Analysen desUkrainekonflikts («Putin ist an allemschuld: In der Ukraine steigen dieSpannungen, aber Kiew kann sichweiter auf den blinden Schutz desWestens verlassen»).

Unisono sind die «Experten» zuver-sichtlich, dass es mit US-PräsidentTrump zu einer Entspannung im Ver-hältnis mit Moskau kommen wird. Sosagt etwa Fasbender: «Putin und Trumpsind Alphamänner. Sie sind in der Lage,die Sache wie früher in der Sauna undbeim Wodka auszuknobeln.»

Antiwestliche KronzeugenDer Einsatz von «Experten», welche

die russischen Thesen legitimieren, hatSystem. Ob sie vom linken oder rech-ten Rand kommen, spielt keine Rolle.Politiker der Linken werden genausooft in Sendungen eingeladen wie jeneder AfD (Vize-Parteichefin Beatrix von

Storch wurde gestern mit den Wortenzitiert: «Trump ist die grosse Chancefür Europa»). Jeder westliche Kritiker,der den Westen kritisiert, taugt zum –scheinbar objektiven – Kronzeugen.

Wie gerufen kommt da auch der Ber-liner Filmemacher und Journalist UliGellermann, Herausgeber eines obsku-ren Blogs namens «Rationalgalerie». In«Der fehlende Part» wird er befragt,wann immer die Redaktion eine Schelteder «Lügenpresse» wünscht. «MedialeNarrative und Mehrheitspositionen inden Medien entstehen durch galoppie-rende Dummheit», analysiert er in derneuesten Sendung die Gründe, weshalbRT Deutsch seit seiner Gründung vorzwei Jahren kritisch beäugt wird.

Eine weitere gängige Methode russi-scher Propaganda ist das Erzeugenvon «Informationslärm» («FAZ»): Einkleiner, unbekannter Blog publizierteine Nachricht, die erst von weiterendubiosen Websites wiederholt unddann von einem grösseren Mediumwie Sputnik oder RT mit dem Verweisauf Internetquellen aufgenommenwird. Auch eine der eingangs erwähn-ten Schlagzeilen des gestrigen Tageskam so zustande.

Wer die internationalenrussischen Online-Newskonsumiert, taucht tief einin eine Parallelwelt. Wirhaben das gestern getan.

VON DENNIS BÜHLER

Gegen Merkel, Europa und das Establishment

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Ein Chefbeamter schwingt sich zumPolitiker auf: Noch bevor der Stände-rat über die Zuwanderungsfrage ent-schieden hat, fährt ihm Bruno Sauter,Vorsteher des Zürcher Wirtschafts-amts, in die Parade. Gegenüber der«NZZ» zerzauste er gestern den ver-schärften Inländervorrang der Stände-ratskommission.

Er sieht vor, dass Arbeitgeber in Be-rufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeitund Zuwanderung den Regionalen Ar-beitsvermittlungszentren (RAV) ihre of-fenen Stellen melden. Die RAV sollender Firma geeignete Kandidaten zu-weisen, die diese zum Bewerbungsge-spräch einladen muss. Eine Nichtan-stellung muss das Unternehmen kurzbegründen. Pikant: Architekt desVorschlags ist ausgerechnet der Aar-gauer FDP-Ständerat Philipp Müller.Er und seine Parteikämpfen in aller Regelgegen die wucherndeBürokratie.

Für Arbeitgeber seidie Lösung «brutal»,der Aufwand zu gross,findet Sauter. Er gehtzudem davon aus, dass es zu Klagenvon Personen käme, die sich diskri-miniert fühlten. Es drohe eine «Flutvon Rechtsfällen».

Sauter spricht den Wirtschaftsver-bänden aus dem Herzen. Das Konzeptbedeute für die Arbeitgeber einen rela-tiv komplizierten Ablauf mit Pflichten,Pflichten und nochmals Pflichten, sagteRoland A. Müller, Direktor des Arbeit-geberverbands. Besonders hart treffenwürde es Klein- und Kleinstbetriebe,meint Hans-Ulrich Bigler, Direktor desGewerbeverbands. «88 Prozent derKMU haben weniger als zehn Mitarbei-tende. Das heisst, zusätzliche Bewer-bungsgespräche und die Begründungs-pflicht lasten grösstenteils auf demChef.» Grosskonzerne könnten dieseAufgaben hingegen auslagern.

«Bis an die rote Linie»Werden die Freisinnigen dem geball-

ten Widerstand der Wirtschaft standhal-ten? So sieht es aus. «Die Wirtschaftsver-bände vergessen, dass wir die Verfas-

sung umsetzen müssen», sagt der Ap-penzeller FDP-Ständerat Andrea Caroni.Er fühle sich gedrängt, «jedenfalls bis andie rote Linie des Freizügigkeitsabkom-mens zu gehen». Deshalb habe man auseinem «Inländervorrang light» einen«Inländervorrang medium» gemacht.

«Einfaches Konzept»Dieser sei keineswegs ein Bürokratie-

monster. Im Gegenteil: «Wir haben eineinfaches Konzept für einzelne Berufeentwickelt, bei denen Arbeitslosigkeitund Zuwanderung hoch sind.» Man be-schränke sich auf Problembereiche, be-troffen wären lediglich 1,5 Prozent allerStellen. Das Nationalratsmodell hingegenberuhe auf einem Schwellenwert. «DieIndikatoren, die diesen definieren sollen,sind kompliziert und nicht durchdacht.»

Die teuerste Lösung sei aber der har-te Inländervorrang der SVP. «Diese willdas alte System mit Kontingenten und

Nachweispflicht für je-den Einzelfall wiederaus der Schublade neh-men.» Dazu die St. Gal-ler FDP-Ständerätin Ka-rin Keller-Sutter: «AlsTochter eines Gewerb-lers weiss ich, was das

frühere Kontingentsystem bedeutete.Mein Vater musste nachweisen, dassdie Stelle ausgeschrieben, das Bewer-bungsverfahren korrekt durchgeführtund der Arbeitsvertrag ausgestellt wor-den war.» Ein solches Regime für Gesu-che von 60  000 Grenzgängern und140  000 EU-/Efta-Bürgern sei unglaub-lich bürokratisch.

Indem der Ständerat den Inländer-vorrang verschärft, ohne die Freizügig-keit zu verletzen, schafft er eine Diffe-renz zum Nationalrat. «Der politischeProzess wird zeigen, inwieweit diesebeiden Konzepte kombiniert werdenkönnen», sagt Keller-Sutter kryptisch.Das Parlament könnte noch Abstrichemachen, etwa die Begründungspflichtstreichen. Gut möglich, dass sich soauch die Wirtschaftsverbände besänfti-gen lassen. Denn auch ihnen ist viel ge-legen an einer raschen, mehrheitsfähi-gen Lösung, die die Freizügigkeit res-pektiert und rechtzeitig die Vorausset-zungen zur Ratifizierung des Kroatien-Protokolls schafft.

Zuwanderungsinitiative Wirtschaftsverbände kämpfen auchgegen ständerätlichen «Inländervorrang medium» der FDP

VON JONAS SCHMID

Wirtschaftsverbändegreifen «eigene»Partei an

«Die teuersteLösung ist der harteInländervorrangder SVP.»Andrea Caroni FDP-Ständerat

Google wird aus seinem Innovations-fonds für Medien in der zweiten Runde24 Millionen Euro an 124 Projekte aus25 europäischen Ländern ausschütten.Dies wurde gestern bekannt gegeben.Aus der Schweiz erhalten die Projektevon AZ Medien Digital und Le TempsFördergelder. Sie werden mit insgesamt245 000 Euro unterstützt. AZ MedienDigital ist der eigenständige Digital-bereich des Medienunternehmens AZMedien, das unter anderem den Ver-bund der regionalen Tageszeitungen«az Nordwestschweiz» herausgibt.

Das geförderte Projekt bei AZ MedienDigital heisst «Kolibri». Es ist einePlattform, mit welcher – basierend aufeinem neuen Programmierstandard –

schnell und einfach neue mobile Appsfür Smartphones erstellt werden können.«Wir freuen uns natürlich sehr, schonzum zweiten Mal hintereinander zu-sammen mit Google ein Projekt imRahmen der Digital News Initiative reali-sieren zu können. Das zeigt, dass AZMedien Digital auch in Sachen digitaleInnovation inzwischen zu den führen-den Medienhäusern der Schweiz ge-hört», lässt sich Peter Neumann, ChiefDigital Officer der AZ Medien, zitieren.

Die Aktion von Google ist Teil derDigital News Initiative (DNI), für die derKonzern einen Fördertopf von 150 Mil-lionen Euro eingerichtet hatte. Insge-samt sollen bislang 51 Millionen Euroausgeschüttet worden sein. (SDA/ASC)

Google fördert erneut einMedienprojekt der AZ Medien

Wir über uns

Befürchten Sie einen Eingriffin die Privatsphäre durch den Einsatzvon Drohnen?

Stimmen Sie online ab unterwww.aargauerzeitung.chwww.bzbasel.chwww.basellandschaftliche.chwww.solothurnerzeitung.chwww.grenchnertagblatt.chwww.limmattalerzeitung.chwww.oltnertagblatt.ch«Die Umfrage finden Sie online überdie Such-Funktion mit dem Stichwort«Tagesfrage»Das Ergebnis erscheint in dernächsten Ausgabe.

Wir haben gefragt: Befinden wiruns in einem Propagandakrieg mitRussland?

Dieser Mann stellt den wohlbritischsten Weltrekord auf.

Ergebnis letzte Tagesfrage

Video des Tageswww.aargauerzeitung.ch/mediathek/videos

Frage des Tages

Ja Nein

HEUTE18.11.2016

Wie schwer wiegen die Nebenwirkun-gen des Inländervorrangs? Konkret:Wie gross ist der bürokratischeAufwand für die Firmen bei denvorliegenden Konzepten des Natio-nalrates und der StaatspolitischenKommission des Ständerates?Dieser Frage geht mein Kollege JonasSchmid von der Bundeshausredaktionauf Seite 3 nach. Vor allem der Vorschlagder Ständeratskommission wird vonden Wirtschaftsverbänden kritisiert.Gut möglich, dass es im Dezemberalso zu Abstrichen kommt. Spätes-tens dann also, wenn beide Kammernihre Differenzen bereinigen müssen.

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Andreas Schaffner

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ie acht Syrerinnen und Syrereilen nach vorne, kaum hatMaria Sacharowa die Frage-stunde beendet, überrei-chen ihr ein Geschenk ausder Heimat und posieren

für ein Erinnerungsfoto. Mit einiger Müheringt sich die Informationschefin desrussischen Aussenministeriums nun einLächeln ab. Denn die eigens für die ausaller Welt eingeladenen Journalisten imAlter von 25 bis 35 Jahren veranstaltetePressekonferenz zuvor ist nicht nach ihremGusto verlaufen: Ein tschechischer Repor-ter hat sie in ein minutenlanges Wort-gefecht verwickelt und mit seiner Frage,wie sie den völkerrechtswidrigen Einmarschauf die ukrainische Halbinsel Krim recht-fertige, beinahe zur Weissglut getrieben.

«Die Krim ist und war immer russisch»,antwortete Sacharowa. «Nicht weil dierussische Regierung das so wollte, son-dern weil die Bevölkerung der Krim die-sen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie ha-ben keine Ahnung, Sie wissen rein garnichts.» Statt weiterhin an eine Welt je-ner Illusionen zu glauben, die uns westli-che Massenmedien vorsetzten, solltenwir die Augen öffnen und beispielsweisebedenken: «Die USA finanzierten denTerroristen Osama Bin Laden jahrelang,bevor sie ihn bekämpften. Und afghani-sche Drogen wurden während Jahrzehn-ten in ganz Europa konsumiert.»

«Putin zu Dank verpflichtet»Dank der Vertreter der – wie wir Journa-

listen – von der russischen Regierung nachMoskau eingeflogenen syrischen «Nichtre-gierungsorganisation», die sich als treueAnhänger ihres Präsidenten Baschar al-Assad entpuppen, hat Sacharowa wenigs-tens einen versöhnlichen Abgang. «Wirsind Wladimir Putin und seiner Regierungzu grossem Dank verpflichtet, weil sie unsim Kampf gegen Terroristen und Kriminel-le zu Hilfe geeilt sind», sagen sie.

Der Umgang Sacharowas mit kritischenFragen hat uns an den Vortag erinnert, als wirdie staatliche russische NachrichtenagenturSputnik besuchten und uns deren Ausland-chef Anton Anisimov Red und Antwort stand(Ausgabe von gestern). Auf unsere Frage, wes-halb die «Reporter ohne Grenzen» sein Landauf der alljährlichen Rangliste der Pressefrei-heit heuer lediglich auf Platz 148 von 180 klas-siert hätten, wenn doch seiner Meinung nachalles zum Besten stünde, antwortete er mit ei-ner Gegenfrage: «Wo hat diese Organisationihren Sitz?» Anisimov gab die Antwort gleichselbst. «In Paris. Sie ist vom Westen finanziertund erstellt entsprechende Gutachten.»

Ob bei Sacharowa oder Anisimov: IhreStrategie ist eine Mischung aus Verschwö-rungstheorie und Argumentationsumkehr– selbst wenn es bei uns Defizite geben soll-te, sind die euren noch viel grösser.

Um den Ruf Russlands im Westen zu ver-bessern, hofiert die russische Regierungnicht nur uns Journalisten, die sie im Vier-Sterne-Hotel im Stadtzentrum einquartiert,die Sehenswürdigkeiten rund um den RotenPlatz zeigt und ins Ballett einlädt. ÄhnlicheWorkshops gibt es auch für andere Branchenwie etwa Ingenieure. «Wir sind ein Instrumentder russischen Aussenpolitik. Mit uns wirdversucht, Ziele mittels ‹Soft Power› zu errei-chen», sagt Natalia Eremina, stellvertretende

DLeiterin humanitäre Zusammenarbeit und Ju-gendpolitik von Rossotrudnichestvo, einer staat-lichen Abteilung, die man wohl am besten mitImagebehörde übersetzt. Dass wir beidenSchweizer in unserer Reisegruppe abgesehenvon zwei dänischen Radiojournalisten die ein-zigen Westeuropäer sind, sei Zufall, sagt Ere-mina. «Nur US-Amerikaner laden wir nie ein.»

«Amerikaner laden wir nie ein»Zur russischen Aussenpolitik gehören

nebst Besichtigungstouren auch andere, un-zimperlichere Methoden. Im Frühjahr 2015enthüllte die Investigativjournalistin Lud-milla Sawtschuk mittels Undercover-Recher-che, wie von einem Bürokomplex in derMillionenstadt St. Petersburg aus versuchtwird, die öffentliche Meinung im Westen zubeeinflussen. Rund 400 sogenannte Inter-net-Trolle würden in dieser Zentrale derrussischen Online-Propaganda arbeiten, be-richtete sie – ein jeder müsse eine täglicheQuote an Kommentaren auf westlichenNachrichtenportalen erfüllen. Sie selbst ha-be in einer Abteilung gearbeitet, in der Mit-arbeiter Blogs von fiktiven Personen schrie-ben, erzählte sie damals der «Welt». Darun-ter eine Wahrsagerin, die eine düstere Zu-kunft für Deutschland und die EuropäischeUnion prognostizierte. Nach der Enthüllungsei die Trollfabrik nicht etwa geschlossenworden, berichtete die deutsche Tageszei-tung kürzlich. Sie sei bloss einige Strassenweiter in ein neues Gebäude gezogen.

Auch im zurückliegenden Wahlkampf umdie US-Präsidentschaft spielte Russland eineHauptrolle: Das US-Ministerium für Inland-sicherheit jedenfalls ist überzeugt, dass derKreml hinter den Hackerangriffen gegen diedemokratische Kandidatin Hillary Clintonstand, die sie beim Duell gegen den Republi-kaner Donald Trump womöglich die entschei-denden Stimmen kosteten. Freilich setzt nichtnur Putin auf Propaganda: In der Hoffnung,vermeintlichen Konsens in ausländischenOnlineforen und auf sozialen Medien herzu-stellen, setzt beispielsweise auch das US-Mili-tär schon seit Jahren auf Bots und Fake-accounts. Und ein Onlineportal wie dasTrump nahestehende rechtskonservative Breit-bart News Network ist mit Sputnik und RT zu-mindest dahingehend zu vergleichen, als esvorgibt, eine Alternative zu den «Mainstream-Medien» darzustellen und in seinen Berichteneine Geschichte in aller Regel bloss von einerSeite beleuchtet (siehe Text rechts).

Auftrieb für FeindseligkeitZersetzt wird damit nicht nur der Glaube

an die Existenz einer Wahrheit, geschürtwird auch gegenseitige Feindseligkeit. Alsdas (vom Staat unabhängige) russische Mei-nungsforschungszentrum Lewada 1989fragte, ob das Land Michail GorbatschowsFeinde habe, antworteten 13 Prozent mit Ja.24 Jahre später, noch vor Ausbruch desUkrainekonflikts, antworteten auf die glei-che Frage 78 Prozent der Bürger Putins mitJa. Gleichzeitig betrachten gemäss einerUmfrage des Instituts Gallup vom vergange-nen Februar 86 Prozent der US-Bürger diemilitärische Kraft Russlands als Bedrohung.

Auch uns 31 Jungjournalisten lässt dieviertägige Propagandareise nicht kalt. Wenaus unserer Reisegruppe wir auch fragen:Jede und jeder ist der Ansicht, wir befän-den uns in einem Informationskrieg. Wiralle schauen besorgt in eine Zukunft, in dersich Ost und West wieder so unversöhnlichgegenüberzustehen scheinen wie zu einerZeit, als wir noch nicht geboren waren.

Putins Kampfum die WahrheitRusslands Regierung lädt Journalisten ein, um ihr Imageaufzupolieren – und heizt den Konflikt mit dem Westen an

VON DENNIS BÜHLER UNDANTONIO FUMAGALLI, MOSKAU

«Sie habenkeine Ahnung,Sie wissen reingar nichts.»Maria SacharowaDie Informationschefin im russi-schen Aussenministerium zueinem tschechischen Reporter

Lesen Sie online:So haben Jungjour-nalisten aus Argen-tinien, Brasilien,Ecuador, Dänemark,Indonesien, Marokko,

Tschechien und Südafrikadie Propagandareise nachMoskau erlebt.

Schauen Sie online:Videoeindrücke unsererReporter in Moskau undwährend des dreitägigenMedienworkshops

Interview mit Workshop-Veranstalterin Natalia Eremi-na, Projektleiterin «NewGeneration» bei Rossotrudni-chestvo, der Behörde desrussischen Aussendeparte-ments für Kulturaustausch

Alternativer Blickwinkel: Die Nachrichtenagentur Sputnik nimmt für sich in Anspruch, Unerzähltes zu erzählen.. SCREENSHOT SPUTNIK

Wahrheit: Es gibt keine Objektivität, sagt Kursleiter Oleg Dmitriev. Im Fokus: Ecuadorianischer Jungjournalist auf dem Roten Platz. FOTOS: ALEXANDER KOLCHIN/ROSSOTRUDNICHESTVO

Propagandareise nach MoskauSchweizer Journalisten tauchen in die Parallelwelt ein

Die folgenden drei Schlagzeilen domi-nierten gestern Mittag die Frontseitedes deutschsprachigen Ablegers derrussischen Nachrichtenagentur Sput-nik: «EU-Politik gegenüber Moskau: ‹Sotun, als ob sie nicht im Weissen Hausbestimmt wird›», «Frank-Walter Stein-meier: Wahlhelfer der AfD», «Merkelvor schwerer Wahl: ‹Letzte Soldatinder nationsübergreifenden Kräfte›».Die Auswahl illustriert, was die News-macher meinen, wenn sie ihr Portalmit dem Slogan bewerben, es berichteüber Themen, die andere verschwei-gen: einen bunten Mix aus Angriffengegen das Establishment (SteinmeiersSPD und Merkels CDU), martialischenTönen («letzte Soldatin») und Ver-schwörungstheorien («Achse Washing-ton-Berlin»).

Nach demselben Muster funktioniert«Der fehlende Part», die populärste Sen-dung des TV-Senders RT Deutsch, die beiYoutube jede Woche rund 30  000-malangeschaut wird. In der aktuellsten Aus-gabe ordnen «Experten» ein, was dieWahl Donald Trumps zum US-Präsiden-ten für das Verhältnis USA-Russland be-deutet. Zu Wort kommen:

■ Alexander Neu, Bundestagsabgeord-neter der Linken, der sein Land ausder «US-Abhängigkeit» befreien undstattdessen eine gemeinsame Sicher-heitspolitik von Lissabon bis Wladiwos-tok etablieren will.■ Rainer Rothfuss, «geopolitischerAnalyst» und ehemaliger Professor derUniversität Tübingen, der 2015 als Chefder Internationalen Gesellschaft fürMenschenrechte abgewählt wurde,nachdem er sich kritisch zur Rolle derEU und der Nato sowie ukrainisch-fa-schistischer Kräfte im Ukraine-Konfliktgeäussert hatte.■ Hannes Hofbauer, Autor von «Feind-bild Russland», der zur anti-imperialisti-schen Linken Österreichs gezählt wird.■ Thomas Fasbender, Gründer derDeutsch-Russischen Wirtschaftsnach-

richten, dessen Buch «Freiheit stattDemokratie – Russlands Weg und dieIllusionen des Westens» 2014 erschienund der regelmässig für die «Welt-woche» schreibt: Lobeshymnen aufWladimir Putin, Reportagen von derKrim und eigenwillige Analysen desUkrainekonflikts («Putin ist an allemschuld: In der Ukraine steigen dieSpannungen, aber Kiew kann sichweiter auf den blinden Schutz desWestens verlassen»).

Unisono sind die «Experten» zuver-sichtlich, dass es mit US-PräsidentTrump zu einer Entspannung im Ver-hältnis mit Moskau kommen wird. Sosagt etwa Fasbender: «Putin und Trumpsind Alphamänner. Sie sind in der Lage,die Sache wie früher in der Sauna undbeim Wodka auszuknobeln.»

Antiwestliche KronzeugenDer Einsatz von «Experten», welche

die russischen Thesen legitimieren, hatSystem. Ob sie vom linken oder rech-ten Rand kommen, spielt keine Rolle.Politiker der Linken werden genausooft in Sendungen eingeladen wie jeneder AfD (Vize-Parteichefin Beatrix von

Storch wurde gestern mit den Wortenzitiert: «Trump ist die grosse Chancefür Europa»). Jeder westliche Kritiker,der den Westen kritisiert, taugt zum –scheinbar objektiven – Kronzeugen.

Wie gerufen kommt da auch der Ber-liner Filmemacher und Journalist UliGellermann, Herausgeber eines obsku-ren Blogs namens «Rationalgalerie». In«Der fehlende Part» wird er befragt,wann immer die Redaktion eine Schelteder «Lügenpresse» wünscht. «MedialeNarrative und Mehrheitspositionen inden Medien entstehen durch galoppie-rende Dummheit», analysiert er in derneuesten Sendung die Gründe, weshalbRT Deutsch seit seiner Gründung vorzwei Jahren kritisch beäugt wird.

Eine weitere gängige Methode russi-scher Propaganda ist das Erzeugenvon «Informationslärm» («FAZ»): Einkleiner, unbekannter Blog publizierteine Nachricht, die erst von weiterendubiosen Websites wiederholt unddann von einem grösseren Mediumwie Sputnik oder RT mit dem Verweisauf Internetquellen aufgenommenwird. Auch eine der eingangs erwähn-ten Schlagzeilen des gestrigen Tageskam so zustande.

Wer die internationalenrussischen Online-Newskonsumiert, taucht tief einin eine Parallelwelt. Wirhaben das gestern getan.

VON DENNIS BÜHLER

Gegen Merkel, Europa und das Establishment

3

Ein Chefbeamter schwingt sich zumPolitiker auf: Noch bevor der Stände-rat über die Zuwanderungsfrage ent-schieden hat, fährt ihm Bruno Sauter,Vorsteher des Zürcher Wirtschafts-amts, in die Parade. Gegenüber der«NZZ» zerzauste er gestern den ver-schärften Inländervorrang der Stände-ratskommission.

Er sieht vor, dass Arbeitgeber in Be-rufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeitund Zuwanderung den Regionalen Ar-beitsvermittlungszentren (RAV) ihre of-fenen Stellen melden. Die RAV sollender Firma geeignete Kandidaten zu-weisen, die diese zum Bewerbungsge-spräch einladen muss. Eine Nichtan-stellung muss das Unternehmen kurzbegründen. Pikant: Architekt desVorschlags ist ausgerechnet der Aar-gauer FDP-Ständerat Philipp Müller.Er und seine Parteikämpfen in aller Regelgegen die wucherndeBürokratie.

Für Arbeitgeber seidie Lösung «brutal»,der Aufwand zu gross,findet Sauter. Er gehtzudem davon aus, dass es zu Klagenvon Personen käme, die sich diskri-miniert fühlten. Es drohe eine «Flutvon Rechtsfällen».

Sauter spricht den Wirtschaftsver-bänden aus dem Herzen. Das Konzeptbedeute für die Arbeitgeber einen rela-tiv komplizierten Ablauf mit Pflichten,Pflichten und nochmals Pflichten, sagteRoland A. Müller, Direktor des Arbeit-geberverbands. Besonders hart treffenwürde es Klein- und Kleinstbetriebe,meint Hans-Ulrich Bigler, Direktor desGewerbeverbands. «88 Prozent derKMU haben weniger als zehn Mitarbei-tende. Das heisst, zusätzliche Bewer-bungsgespräche und die Begründungs-pflicht lasten grösstenteils auf demChef.» Grosskonzerne könnten dieseAufgaben hingegen auslagern.

«Bis an die rote Linie»Werden die Freisinnigen dem geball-

ten Widerstand der Wirtschaft standhal-ten? So sieht es aus. «Die Wirtschaftsver-bände vergessen, dass wir die Verfas-

sung umsetzen müssen», sagt der Ap-penzeller FDP-Ständerat Andrea Caroni.Er fühle sich gedrängt, «jedenfalls bis andie rote Linie des Freizügigkeitsabkom-mens zu gehen». Deshalb habe man auseinem «Inländervorrang light» einen«Inländervorrang medium» gemacht.

«Einfaches Konzept»Dieser sei keineswegs ein Bürokratie-

monster. Im Gegenteil: «Wir haben eineinfaches Konzept für einzelne Berufeentwickelt, bei denen Arbeitslosigkeitund Zuwanderung hoch sind.» Man be-schränke sich auf Problembereiche, be-troffen wären lediglich 1,5 Prozent allerStellen. Das Nationalratsmodell hingegenberuhe auf einem Schwellenwert. «DieIndikatoren, die diesen definieren sollen,sind kompliziert und nicht durchdacht.»

Die teuerste Lösung sei aber der har-te Inländervorrang der SVP. «Diese willdas alte System mit Kontingenten und

Nachweispflicht für je-den Einzelfall wiederaus der Schublade neh-men.» Dazu die St. Gal-ler FDP-Ständerätin Ka-rin Keller-Sutter: «AlsTochter eines Gewerb-lers weiss ich, was das

frühere Kontingentsystem bedeutete.Mein Vater musste nachweisen, dassdie Stelle ausgeschrieben, das Bewer-bungsverfahren korrekt durchgeführtund der Arbeitsvertrag ausgestellt wor-den war.» Ein solches Regime für Gesu-che von 60  000 Grenzgängern und140  000 EU-/Efta-Bürgern sei unglaub-lich bürokratisch.

Indem der Ständerat den Inländer-vorrang verschärft, ohne die Freizügig-keit zu verletzen, schafft er eine Diffe-renz zum Nationalrat. «Der politischeProzess wird zeigen, inwieweit diesebeiden Konzepte kombiniert werdenkönnen», sagt Keller-Sutter kryptisch.Das Parlament könnte noch Abstrichemachen, etwa die Begründungspflichtstreichen. Gut möglich, dass sich soauch die Wirtschaftsverbände besänfti-gen lassen. Denn auch ihnen ist viel ge-legen an einer raschen, mehrheitsfähi-gen Lösung, die die Freizügigkeit res-pektiert und rechtzeitig die Vorausset-zungen zur Ratifizierung des Kroatien-Protokolls schafft.

Zuwanderungsinitiative Wirtschaftsverbände kämpfen auchgegen ständerätlichen «Inländervorrang medium» der FDP

VON JONAS SCHMID

Wirtschaftsverbändegreifen «eigene»Partei an

«Die teuersteLösung ist der harteInländervorrangder SVP.»Andrea Caroni FDP-Ständerat

Google wird aus seinem Innovations-fonds für Medien in der zweiten Runde24 Millionen Euro an 124 Projekte aus25 europäischen Ländern ausschütten.Dies wurde gestern bekannt gegeben.Aus der Schweiz erhalten die Projektevon AZ Medien Digital und Le TempsFördergelder. Sie werden mit insgesamt245 000 Euro unterstützt. AZ MedienDigital ist der eigenständige Digital-bereich des Medienunternehmens AZMedien, das unter anderem den Ver-bund der regionalen Tageszeitungen«az Nordwestschweiz» herausgibt.

Das geförderte Projekt bei AZ MedienDigital heisst «Kolibri». Es ist einePlattform, mit welcher – basierend aufeinem neuen Programmierstandard –

schnell und einfach neue mobile Appsfür Smartphones erstellt werden können.«Wir freuen uns natürlich sehr, schonzum zweiten Mal hintereinander zu-sammen mit Google ein Projekt imRahmen der Digital News Initiative reali-sieren zu können. Das zeigt, dass AZMedien Digital auch in Sachen digitaleInnovation inzwischen zu den führen-den Medienhäusern der Schweiz ge-hört», lässt sich Peter Neumann, ChiefDigital Officer der AZ Medien, zitieren.

Die Aktion von Google ist Teil derDigital News Initiative (DNI), für die derKonzern einen Fördertopf von 150 Mil-lionen Euro eingerichtet hatte. Insge-samt sollen bislang 51 Millionen Euroausgeschüttet worden sein. (SDA/ASC)

Google fördert erneut einMedienprojekt der AZ Medien

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