Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Euroscheine und griechische

    Euromünzen

    Griechische Staatsschuldenkrise

    aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

    Die griechische Staatsschuldenkrise ist eine Haushalts- und Staatsschuldenkrise derRepublik Griechenland, die spätestens seit 2010 auch in der breiten Öffentlichkeitwahrgenommen wird. Offiziell hat Griechenland im Februar 2015 über 300 Milliarden

    Euro Staatsschulden; zudem hat das Land noch "Neben-Kredite" in Höhe von etwa 115Milliarden Euro, darunter Kredite im Rahmen des Zahlungsverkehrssystems TARGET2.[1]

    Sie war bis 2009 von dem damaligen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis bzw. seinerRegierung (bis 2007 Regierung I, ab dann Regierung II) verschleiert worden, indem man

    Wirtschaftsdaten bzw. Statistiken schönte bzw. verfälschte.[2] Die griechischeSchuldenkrise wirkt sich neben Griechenland auch auf die Eurozone der EuropäischenUnion aus (siehe Eurokrise).

    Der Staatshaushalt Griechenlands weist strukturell ein krisenhaft hohes jährliches Defizit(Nettoneuverschuldung) auf. Der Staat gibt also mittel- oder langfristig deutlich mehr aus als er einnimmt. Das Haushaltsdefizitüberschreitet seit vielen Jahren deutlich den in den EU-Konvergenzkriterien vereinbarten Grenzwert von maximal drei Prozent

    des Bruttoinlandsprodukts (BIP).[3]

    Der Schuldenstand lag schon 2001 beim Beitritt zur Eurozone mit einem Wert von 103,7 % über dem in den EU-Konvergenzkriterien vereinbarten Grenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und stieg von 100,0 Prozent im Jahr 2005

     jedes Jahr weiter an.[4]

    Im April 2010 verdichteten sich die Anzeichen, dass es der Regierung nicht gelingen würde, fällige Kredite zurückzuzahlen. Umeinen Staatsbankrott zu vermeiden, beantragte Griechenland am 23. April 2010 offiziell EU-Hilfe und sagte im Gegenzug Spar-und Konsolidierungsbemühungen zu.

    Griechenland befindet sich seit dem Jahr 2008 in einer Rezession und hat bis Ende 2012 ungefähr 19,5 % seiner Wirtschaftskraft

    (realer BIP) verloren.

    [5]:5

    Zur Reduzierung der Schuldenquote erließen die Gläubiger im März 2012 Griechenland im Rahmen eines Schuldenschnitts einenTeil der Schulden (siehe „zweites“ Hilfspaket).

    Ende 2012 hatte Griechenland laut Eurostat einen Schuldenstand in Höhe von 156,9 % des BIP. Italien, Portugal, Irland undDeutschland wiesen folgende Werte auf: 127,0 %, 123,6 %, 117,6 % und 81,9 % des BIP. Am Ende des Vorjahres 2011 hatteGriechenland einen Schuldenstand in Höhe von 170,3 % des BIP (2. Platz Italien 120,8 %, 3. Platz Portugal 108,3 %, 4. PlatzIrland 106,4 % und 9. Platz Deutschland 80,4 %). In absoluten Zahlen ausgedrückt, wuchs der Schuldenstand von 299,68 Mrd.Euro (2009) über 329,51 Mrd. Euro (2010) auf 355,65 Mrd. Euro (2011) an. 2012 sank der Schuldenstand auf 303,91 Mrd. Euro.Ein Schuldenerlass aus dem März 2012 in Höhe von 107 Mrd. Euro im Rahmen des „zweiten“ Hilfspakets trug zur Senkung des

    Schuldenstandes bei.[6]:5 [7]:5

    2012 betrug die Nettoneuverschuldung des Staates 19,3 Mrd. Euro (entsprach 10,0 % des BIP). Im Vorjahr 2011 betrug sie 19,8Mrd. Euro (entsprach 9,5 % des BIP); 2010 waren es 23,7 Mrd. Euro (10,7 %); 2009 36,1 Mrd. (15,6 %) und 2008 22,9 Mrd. Euro

    (9,8 %).[6]:5 [7]:5

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    Bonitätsbewertung Griechenlandslangfristiger Verbindlichkeiten (Auszug)

    Datum Fitch S&P Moody’s Quelle

    8. Dez. 2009 BBB+ [8]

    16. Dez. 2009 BBB+ [9]

    22. Dez. 2009 A2 [10]

    27. Apr. 2010 BBB− BB+/B A3 [11]

    14. Juni 2010 Ba1 [12]

    7. Mär. 2011 B1 [13]

    30. Mär. 2011 BB− [14]

    9. Mai 2011 B [15]

    20. Mai 2011 B+ [16]

    1. Juni 2011 Caa1 [17]

    14. Juni 2011 CCC [18]

    13. Juli 2011 CCC [19]

    25. Juli 2011 Ca[20]

    27. Juli 2011 CC [21]

    22. Feb. 2012 C [22]

    27. Feb. 2012 SD [23]

    3. Mär. 2012 C [24]

    9. Mär. 2012 RD [25][26]

    13. Mär. 2012 B- [27]

    2. Mai 2012 CCC [28]

    17. Mai 2012 CCC [29]

    6. Dez. 2012 SD [30]

    18. Dez. 2012 B- [31]

    14. Mai 2013 B- [32]

    29. Nov. 2013 Caa3 [33]

    Inhaltsverzeichnis

    1 Entstehung und Verlauf 1.1 Bis zum Regierungswechsel 2009

    1.2 Vom Regierungswechsel bis zum Ausbruch der Krise1.3 Drohende Zahlungsunfähigkeit und Hilferuf an IWF und EU1.4 Parlamentswahlen Mai 20121.5 Parlamentswahl 17. Juni 20121.6 Parlamentswahl 25. Januar 2015

    2 Ursachen2.1 Innergriechische Ursachen

    2.1.1 Während des Beitritts zur Eurozone2.1.2 Hohe Staatsausgaben2.1.3 Geringe Staatseinnahmen

    2.2 EU-basierende Ursachen2.3 Weltweite Ursachen2.4 Sich gegenseitig verstärkende Ursachen2.5 Diskussion um deutsche Lohnstückkosten

    3 Maßnahmen zur Krisenbewältigung3.1 Maßnahmen der EU und des IWF3.1.1 Rechtliche Grundlage der EU- und IWF-Hilfen3.1.2 Erstes Rettungspaket von EU und IWF – Mai 20103.1.3 Zweites Rettungspaket von EU und IWF – Juli 2011 bis Februar / März 2012

    3.1.3.1 EU-Gipfel am 26. Oktober 20113.1.3.2 IWF-Bericht Dezember 2011

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    Finanzierungssaldo des Staates in %

    des Bruttoinlandsprodukts, nach

    Ameco-Daten

    Differenz der Zinssätze ab 1998 zu

    deutschem Zinssatz nach Eurostat

    3.1.3.3 Ratifizierung des „Zweiten“ Hilfspaketes im Februar und März 20123.2 Maßnahmen der Europäischen Zentralbank3.3 Maßnahmen der griechischen Regierung

    3.3.1 Der Schuldenschnitt3.3.2 Erstes Sparpaket – März/April 20103.3.3 Zweites Sparpaket – Mai 20103.3.4 Drittes Sparpaket – Juni 20113.3.5 Ankündigung eines weiteren Sparpakets – September 20113.3.6 Rücktritt der Regierung Papandreou – November 20113.3.7 Viertes Sparpaket – Februar 20123.3.8 Fünftes Sparpaket – November 2012

    3.3.9 Sechstes Sparpaket – April 20133.3.10 Reform der Öffentlichen Verwaltung3.3.11 Bekämpfung der Korruption und Schattenwirtschaft3.3.12 Reduzierung der Militärausgaben

    3.4 Wirkung der Sparmaßnahmen4 Folgen

    4.1 Ratingagenturen und Finanzmärkte4.2 Folgen in Griechenland4.3 Finanzielle Folgen für die Gläubiger4.4 Stimmen in Deutschland

    5 Literarische Verarbeitung6 Siehe auch7 Literatur8 Weblinks9 Einzelnachweise

    Entstehung und Verlauf 

    Bis zum Regierungswechsel 2009

    Griechenland trat der Eurozone am 1. Januar 2001 bei. Eurostat stellte 2004 in einemBericht fest, dass die von Griechenland übermittelten statistischen Daten nicht stimmenkönnten. Zurückgeführt wurde dies darauf, dass das Statistische Amt Griechenlands(ESYE) die ihm vorliegenden Daten falsch ausgewertet habe, und die Behörden undMinisterien dem Amt verfälschte Daten geliefert hätten. Vor diesem Hintergrund

    veröffentlichte Eurostat im November 2004 einen Bericht über die Revision dergriechischen Defizit- und Schuldenstandszahlen, demzufolge in den Jahren vor 2004 in elf 

    Einzelfällen falsche Zahlen gemeldet wurden.[34][35]

    Nach einem Bericht der New York Times vom 13. Februar 2010 hatten US-Banken wieGoldman Sachs und JP Morgan Griechenland in den letzten zehn Jahren dabei geholfen,das Ausmaß seiner Staatsverschuldung zu verschleiern. Neu aufgenommene Kredite warenals Währungsgeschäfte verbucht worden. Im Gegenzug waren künftig zu erwartendeEinnahmen, zum Beispiel aus Flughafengebühren und Lotteriegewinnen, abgetreten

    worden.[36]

    Vom Regierungswechsel bis zum Ausbruch der Krise

    Bei den Parlamentswahlen am 4. Oktober 2009 gewann die sozialdemokratische ParteiPASOK mit einem Stimmenanteil von 43,9 Prozent die absolute Mehrheit derParlamentssitze. Zwei Tage später wurde Giorgos Papandreou als neuer Ministerpräsident

    vereidigt.[37] Die den Wählern zuvor durch die PASOK versprocheneAusgabenerhöhungen im Sozialbereich konnten nicht finanziert werden. Bereits am 20.Oktober 2009 erklärte der neue Finanzminister Giorgos Papakonstantinou, dass das Haushaltsdefizit 2009 nicht – wie von derVorgängerregierung angegeben – rund 6 Prozent des BIP betrage, sondern bei voraussichtlich 12 bis 13 Prozent liege und damit

    die vereinbarte Schuldengrenze der EU-Konvergenzkriterien um ein Vielfaches übersteige.[38][39] Die Zusage der griechischenRegierung vom April 2009 im Rahmen eines laufenden Defizitstrafverfahrens, ihr Staatsdefizit 2009 auf 3,7 % (des BIP)zurückzuführen, konnte daher nicht eingelöst werden.

    Die Regierung in Athen erhielt die Auflage, alle zwei bis drei Monate in Brüssel über ihre Einsparungserfolge Bericht zuerstatten. Als ehrgeiziges Ziel wurde festgelegt, dass Griechenland die Netto-Neuverschuldung bis 2012 unter die im Stabilitäts-

    und Wachstumspakt vorgesehene Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken solle.[40]

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    Bruttoinlandsprodukt (BIP),

    Staatsverschuldung in Mrd. Euro undim Verhältnis zum BIP. Eigene

    Berechnungen nach Ameco-

    Datenbank.

    Auf einem EU-Sondergipfel am 11. Februar 2010 in Brüssel wurde der griechische

    Ministerpräsident Papandreou zu einer drastischen Sparpolitik aufgefordert, um den

    Staatsbankrott abzuwenden.[41] Die Erwartung der Gipfelteilnehmer, dass

    Solidaritätsbekundungen mit Griechenland zur Beruhigung der Finanzmärkte ausreichen

    würden, erfüllte sich nicht. Nach langen Kontroversen um die Ausgestaltung der

    Hilfsmaßnahmen einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten Ende

    März 2010 darauf, Griechenland finanziell zu unterstützen.[42]

    Drohende Zahlungsunfähigkeit und Hilferuf an IWF und EU

    Nachdem die Risikoaufschläge für langfristige griechische Staatsanleihen neue

    Rekordwerte erreichten, beantragte die griechische Regierung am 23. April 2010 offiziell

    Finanzhilfe. EU, EZB und IWF einigten sich am 1./2. Mai 2010 mit der griechischen

    Regierung auf ein finanzielles Hilfsprogramm (Kreditbürgschaften) im Umfang von

    insgesamt 110 Milliarden Euro unter der Auflage, dass Griechenland ein rigoroses Austeritätsprogramm umsetzt. An den 80

    Milliarden der Eurozone betrug der deutsche Anteil 28 Prozent, also ca. 22,4 Milliarden Euro in drei Jahren.[43]

    Auf juristische Kritik sind sowohl die Bestimmungen der Kreditabkommen als auch die Form ihrer Implementierung gestoßen.

    Eine Beteiligung des Parlaments – die griechische Verfassung sieht für die Ratifizierung derart weitreichender internationaler

    Verträge eine Dreifünftel Mehrheit vor – erfolgte eingeschränkt. Mit einfacher Mehrheit wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach

    die Verträge ab ihrer Unterzeichnung gültig sind. Nach Auffassung des Staatsrechtlers Giorgos Kassimatis stellt dieses Vorgehen

    einen Verfassungsbruch dar. Durch die Kreditabkommen werden nach seiner Auffassung die in der griechischen Verfassunggesicherten demokratischen und sozialen Grund- und Eigentumsrechte griechischer Bürger sowie die staatliche Souveränität

    verletzt, etwa durch die vollständige Bindung des gesamten griechischen Staatsvermögens.[44] Ein im Auftrag mehrerer

    europäischer Gewerkschaftsorganisationen von dem Bremer Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano erstelltes Gutachten

    problematisiert vor allem die mangelnde Rechtsbindung der Organe der EU beim Abschluss der Kreditverträge.[45] Der

    Staatsrechtler Kostas Chrysogonos kritisiert, dass im Zuge der Umsetzung der Bedingungen der Kreditabkommen Gesetze

    zunehmen per Dekret erlassen werden und bei Arbeitskämpfen Notstandsrecht zur Anwendung kommt.[46]

    Um Banken zu stützen, die griechische Staatsanleihen halten, akzeptiert die Europäische Zentralbank seit dem 3. Mai 2010

    griechische Staatsanleihen in vollem Nennwert als Kreditsicherheit, obwohl deren Bonität von den Rating-Agenturen als niedrig

    eingestuft wird.[47]

    Die für Griechenland beschlossenen Hilfen reichten jedoch nicht aus, um die Märkte dauerhaft zu beruhigen. Die

    Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen stiegen weiter.[48] Angesichts dieser Entwicklungen einigten sich die

    europäischen Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen (7. bis 10. Mai 2010) auf die Einrichtung der Europäischem

    Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), der im Bedarfsfall die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedstaates der Eurozone

    verhindern soll.

    Die Wirtschaftslage verschlechterte sich in der Folge; Insolvenzen im privaten Bereich und die Arbeitslosenzahl (Quotenanstieg

    von 8,5 auf 12 Prozent) nahmen zu. Die Investitionen, das BIP und somit auch die darauf basierenden Steuereinnahmen gingen

    zurück.[49][50] Die am Finanzmarkt ermittelten Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen stiegen wieder an und erreichten

    im September 2010 fast wieder das Niveau des Höhepunktes der Krise im Mai.[51]

    In Griechenland schrumpfte 2010 die Wirtschaftsleistung um 4,5 Prozent (Rezession).[52] Um dem entgegenzuwirken, bat die

    griechische Regierung die Europäische Kommission darum, bestimmte Fördermittel für Griechenland aus den EU-Strukturfonds

    vereinfacht freizugeben. Diese Fördermittel in Höhe von 15,3 Milliarden Euro konnten von Griechenland zuvor nicht abgerufen

    werden, da das Land infolge der Sparmaßnahmen den dafür notwendigen Eigenanteil nicht aufbringen kann.[52]

    In der ersten Jahreshälfte 2011 mehrten sich in Griechenland die Proteste gegen die beschlossenen Sparmaßnahmen. Die damals

    größte Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) sowie mehrere kleinere weitere Oppositionsparteien wandten sich gegen die

    Verkleinerung des Staatsdienstes und angekündigte Privatisierungen von Staatsbetrieben.[53] Bereits im November 2010 führte

    dies zu einer Abspaltung von der ND, bei der reformbereite Parteimitglieder die neue Partei Dimokratiki Symmachia gründeten.

    Auch innerhalb der Regierungsfraktion der PASOK kam es zu Konflikten über den Sparkurs, den einige Abgeordnete nicht weiter

    mittragen wollten. Am 27. Mai lehnte das griechische Parlament in einer Abstimmung einen Regierungsvorschlag über weitere

    Sparmaßnahmen ab.[53] Die EU forderte daraufhin einen überparteilichen Konsens des griechischen Parlaments zum

    Schuldenabbau und machte weitere Hilfen davon abhängig, dass das griechische Parlament ein neues Sparpaket beschließe. Auch

    die Europäische Volkspartei erhöhte den Druck auf ihre Mitgliedspartei ND.[54]

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    Ende Juni 2011 bildete der griechische Ministerpräsident Papandreou sein Kabinett um und ernannte unter anderem den

    bisherigen Verteidigungsminister Evangelos Venizelos zum Minister für Wirtschaft und Finanzen.[55] Am 29. Juni stimmte das

    griechische Parlament gegen die Stimmen der meisten ND-Abgeordneten einem neuen Sparpaket zu, das die Mitgliedstaaten im

    Europäischen Rat als Voraussetzung für weitere Hilfsmaßnahmen benannt hatten.[56]

    Auf einem Sondergipfel am 21. Juli 2011 einigten sich die 17 Euroländer auf ein zweites Rettungspaket für Griechenland. An

    direkten Krediten wurden 109 Milliarden Euro vom EFSF und dem IWF bis zum Jahr 2014 zugesagt.[57] Private Banken und

    Versicherungen beteiligen sich mit weiteren 37 Milliarden Euro an der Griechenland-Hilfe.[58]

    Im ersten Halbjahr 2011 betrug die griechische Neuverschuldung knapp 14,7 Milliarden Euro – geplant für das ganze Jahr 2011

    waren rund 16,7 Milliarden Euro. Griechenland hatte zu dieser Zeit Schulden in Höhe von mehr als 350 Milliarden Euro.[59] Ende

    2010 betrugen die griechischen Staatsschulden 142,8 Prozent des BIP; Ende 2011 werden sie nach EU-Schätzungen etwa 157,7

    Prozent des BIP betragen.[60]

    Parlamentswahlen Mai 2012

    Am 6. Mai 2012 fanden in Griechenland vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die beiden großen Volksparteien Nea Dimokratia

    (ND) und die sozialdemokratische Panellinio Sosialistiko Kinima (PASOK) mussten starke Stimmenverluste hinnehmen; beide

    hatten gemeinsam keine absolute Mehrheit bzw. Regierungsmehrheit im Parlament. Erstmals zog die neonazistische und

    rassistische Chrysi Avgi ins Parlament ein, ebenso die rechtspopulistischen Anexartiti Ellines und die linke Dimokratiki Aristera.

    Die radikale Linke SYRIZA wurde überraschend zweitstärkste Partei.[61][62] Tsipras' Versuch scheiterte;[63] danach bekam

    Evangelos Venizelos, Vorsitzender der PASOK und Finanzminister, den Auftrag.[64] Auch sein Versuch scheiterte.

    Parlamentswahl 17. Juni 2012

    Andonis Samaras bildete kurz nach der Parlamentswahl vom 17. Juni eine neue Regierung (Kabinett Samaras). Sie wurde bis Juni

    2013 von drei Parteien (Konservative (ND) Sozialisten (Pasok) und Dimokratiki Aristera) getragen; ab dann von ND und

    PASOK.

    Im Dezember 2014 gelang es der Regierung Samaras nicht, im Parlament einen neuen Staatspräsidenten wählen zu lassen: der

    Kandidat erhielt in keinem von drei Wahlgängen die erforderliche Mehrheit (Näheres hier). Nach dem Scheitern des dritten

    Wahlganges (29. Dezember) musste der Staatspräsident das Parlament binnen 10 Tagen auflösen und eine Parlamentswahl

    ausschreiben.[65] Die Wahl fand am 25. Januar 2015 statt.

    Parlamentswahl 25. Januar 2015

    Die vorgezogene Parlamentswahl 2015 gewann die linksradikale Partei SYRIZA unter dem Parteichef Alexis Tsipras mit einem

    überraschend hohen Stimmanteil von 36,34%[66] (2012: 27,77%). Nachdem sich Tsipras mit Panos Kammenos auf eine

    Koalitionsregierung zwischen SYRIZA und ANEL einigen konnte (Kabinett Tsipras), wurde er am Tag nach der Wahl als

    griechischer Ministerpräsident vereidigt.

    →  Hauptartikel: Grexit#Erneute Diskussionen ab Dezember 2014

    UrsachenInnergriechische Ursachen

    Als Ursachen der griechischen Finanzkrise, die sich maßgeblich auf das Verhalten von Regierungen und Institutionen oder auf 

    Geschehnisse in Griechenland selbst zurückführen lassen, werden genannt:

    Während des Beitritts zur Eurozone

    Griechenland gehörte zu jenen Staaten, welche die EU-Konvergenzkriterien „im Entscheidungsjahr“ 1999 mit 3,07 %Staatsdefizit des BIP und einer Schuldenquote von ungefähr 100 % nicht erfüllten; da bei einer Näherung an den

    Referenzwert bei „hinreichend rückläufiger" Entwicklung eine Teilnahme möglich war,[67] wurde es im Jahr 2001 in die

    Eurozone aufgenommen.

    [68][69]

     Das hatte für Griechenland erhebliche Folgen. Einerseits durch Festlegung eines hohenWechselkurses, andererseits durch die Aufgabe einer nationalen Geldpolitik, mit der es die geringere Wettbewerbsfähigkeit

    seiner Wirtschaft im Zweifelsfall hätte ausgleichen können.[70][71]

    Entgegen dem Vertrag von Maastricht, nach dem ein Euro-Land auch nach der Einführung des Euros sowohl das jährlicheHaushaltsdefizit als auch den Staatsschuldenstand in Richtung Grenzwert abbauen muss, gelang Griechenland dieReduzierung der überschrittenen Kriterien nicht. Da das Haushaltsdefizit des Landes jedes Jahr erneut schuldenfinanziert

    werden musste, stieg die Staatsverschuldung fast jedes Jahr weiter an.[72]:107

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    Zinslastquoten ausgewählter Länder

    Entwicklung der Staatsverschuldung

    mehrerer europäischer Staaten in %

    des BIP 2000−2011

    Die Zinslastquote (staatlicher Zinsaufwand im Verhältnis zum BIP) ging zwarzurück, lag aber weiterhin über derjenigen anderer Euroländer. Da Griechenlandweder Haushaltsdefizit noch Staatsverschuldung zurückführte, stieg derZinsaufwand wieder an.[70][71]

    Hohe Staatsausgaben

    Überdurchschnittlich expansive Haushalts- und Wirtschaftspolitik : Nach derEinführung des Euro zum 1. Januar 2002 wurde eine expansive Haushalts- undWirtschaftspolitik betrieben, indem die Ausgaben weiter stiegen.[73]

    Überdurchschnittliche Lohnerhöhungen: 2002 wurden die Löhne im privaten undöffentlichen Bereich um 12 bis 15 Prozent erhöht.[73]

    Überdurchschnittlicher Konsum und unterdurchschnittliche Investitionen:Griechenland erhöhte seine Staatsschulden seit Einführung des Euro 2002 von 152auf inzwischen zirka 330 Mrd. Euro (2010). Obwohl Griechenland damit in neunJahren zusätzliche schuldenfinanzierte Ausgaben in Höhe von mehr als 170 Mrd.Euro getätigt hatte, die zur Überschuldung Griechenlands führten, gingen dieInvestitionen seit der Euro-Einführung mit Ausnahme des Jahres 2003 jedes Jahrgegenüber dem Wert vor dem Währungsbeitritt zurück.[73] Insbesondere vor demHintergrund der in Griechenland unterdurchschnittlich ausgebauten Infrastruktur mithohem Investitionsbedarf hat sich Griechenland damit die Chance genommen, dieBasis dafür zu legen, die Schulden aus eigener Kraft zurückzahlen zu können.

     Intransparenz der Staatsausgaben: Ungenügende Kontrollmechanismen beiAuftragsvergaben des Staates ermöglichten Korruption. Große intransparente

    Projekte wurden initiiert und teilweise realisiert.Überdimensionierter und ineffizienter Staatsapparat : Traditionell verschaffen die jeweils Regierenden den Mitgliedern ihrer Partei Arbeitsplätze in der Verwaltung, wodurch der Staatsapparat personellaufgebläht und nicht nach Kompetenz besetzt ist. Eine erstmals im Juli 2010 durchgeführte Zählung aller staatlichenAngestellten ergab die Zahl 768.009.[74] Somit waren 2010 rund 17,49 % aller 4,389 Mio. Erwerbstätigen beim Staatangestellt (zu den Zahlen siehe Abschnitt Wirkung der Sparmaßnahmen). Der Wirtschaftsprofessor Panajiotis Petrakis gingim Jahr 2010 davon aus, dass bis zu 24 Prozent aller Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor beschäftigt waren. Die Hälftedavon hatte allerdings nur Zeitverträge ohne Beamtenstatus.[75] 2011 sprechen andere Quellen von etwa 1,1 Mio.Staatsbediensteten.[76] Das General Accounting Office (GOA) (zu deutsch etwa: Oberster Rechnungshof ) schätzt für 2012die Zahl der Angestellten auf 727.458.[77]:231 Das entsprach 2012 rund 19,33 % aller 3,763 Mio. Erwerbstätigen. DieStaatsbediensteten genossen viele finanzielle Vorteile beispielsweise 14 Monatsgehälter.[78]

    Phantomrentner: Ein häufig genanntes Beispiel für die Ineffizienz des griechischen Behördenapparates ist die Auszahlungvon Renten über den Tod der Empfänger hinaus („Phantomrentner“). Im Herbst 2010 begannen die Behörden, solche zu

    suchen;[79] im November 2011 teilten sie mit, dass es bislang vermutlich fast 21.000 Phantomrentner gibt.[80] Diegriechische Rentekasse stoppte Anfang 2012 die „Überweisungen an 63.500 angebliche Ruheständler“ und spart dadurch450 Mio. Euro jährlich.[81]

     Hohe Militärausgaben: Wegen der Spannungen mit der Türkei sind diese bezogen auf das BIP größer als die der anderenEU-Länder. Auch die Truppenstärke von fast 130.000 Soldaten ist überproportional hoch. Rüstungsgüter wurdeninsbesondere in den USA, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Russland gekauft.[82] Mehr Informationenfinden sich im Abschnitt Reduzierung der Militärausgaben.

    Geringe Staatseinnahmen

    Griechenland hatte in den Jahren vor der Krise einige Steuern gesenkt, was zu einer Verringerung der Staatseinnahmenführte. 2007 lagen die Steuern auf Einkommen aus Gewinnen und Vermögen in Griechenland bei 15,9 Prozent, inDeutschland bei 24,4 Prozent; den Höchstwert in der EU gibt es im Vereinigten Königreich mit 42,7 Prozent.[83][84]

    Griechenland lässt eine überdurchschnittlich große Schattenwirtschaft von geschätzten 40 Prozent des BIP (Schätzung fürDeutschland: 15 Prozent) zu und verliert damit jedes Jahr Steuereinnahmen zwischen (geschätzt) 12 und 30 MilliardenEuro. Obwohl alleine die Eindämmung der Steuerhinterziehung einen Haushaltsüberschuss erzeugen würde und damit diegriechische Finanzkrise hätte verhindern können, wurden die steuerpflichtigen Bürger von den Finanzbehörden nichtintensiver kontrolliert.[85][86][87][88]

    Im Dezember 2011 organisierte die griechische Denkfabrik Hellenic Foundation for European and Foreign Policy eineKonferenz zum Thema Steuerhinterziehung. Dort wurde der Schaden bzw. Einnahmeausfall durch Steuerhinterziehung auf 13Mrd. Euro jährlich geschätzt. Diomidis Spinellis sagte dort, bei der griechischen Steuerhinterziehung spiele das System „40Prozent – 40 Prozent – 20 Prozent“ aus seiner Sicht eine entscheidende Rolle: 40 Prozent dürfe der Steuersünder behalten, 40Prozent bekamen die korrupten Kontrolleure, der Staat bekomme 20 Prozent der Steuern, die für dieses Steuerdelikt eigentlich

    bezahlt werden sollten.[89]

    Es wird geschätzt, dass die griechische Staatskasse durch Benzinschmuggel in den letzten 20 Jahren ca. 25 Mrd. Euroverloren hat. Ähnlich liegen die Probleme, was den Zigarettenschmuggel angeht. Der griechische FinanzministerVaroufakis hat in einem Brief an Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem bekräftigt, dass die neue griechische Regierungmöglichst schnell durch Unterdrückung des Schmuggels die Staatseinnahmen erhöhen will.[90][91]

    EU-basierende Ursachen

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    Als Ursachen der griechischen Finanzkrise, die sich vor allem auf das Verhalten von Regierungen und Institutionen oder auf 

    Geschehnisse im Bereich der Mitgliedsstaaten der EU und der EU selbst zurückführen lassen, werden genannt:

    Unzureichende Sanktionsmechanismen bei Vertragsverletzungen: Automatische Sanktionen gegen Haushaltssünder wurdenin den 1990er Jahren diskutiert, aber nicht als Teil der Verträge verabschiedet. Kurzfristig dürfen EU-Länder denHaushaltssaldo und Schuldenstand übermäßig ausweiten, ohne Konsequenzen seitens der EU fürchten zu müssen. Als seitetwa 2003 die beiden wirtschaftlich größten Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich die Maastricht-Kriterienverletzten, konnten sie durch den Einwand, dass eine baldige Rückkehr zu den Grenzwerten bevorstehe, oder durch ihreStimmenmehrheit Sanktionen gegen sich abwenden. Langfristig können Mitgliedsstaaten darauf hoffen, dass sich später beieiner krisenhaften Entwicklung andere EU-Staaten an der Schuldenrückzahlung beteiligen. Das im Vertrag von Maastricht

    festgelegte Verbot der Haftungsübernahme für Schulden (No-Bailout-Klausel) ist damit ausgehöhlt.[92][93] Insgesamtwurde so das Risiko einer Finanzkrise in der Währungsunion durch unsolide Fiskalpolitik von Mitgliedsstaaten erhöht.Unzureichende Durchsetzung der Verträge: Die EU-Behörden haben trotz frühzeitiger Kenntnis der wirtschaftlichkritischen Lage von Ländern wie Griechenland über Jahre hinweg weder in wirksamer Weise das Verfehlen der Kriterien

    thematisiert, noch Gegenmaßnahmen gefördert.[94]

    Unzureichende Eingriffsmöglichkeiten in die Fiskal- und Haushaltspolitik der Euro-Länder: Bei vertragswidrigenAbweichungen von einer soliden Fiskalpolitik einzelner EU-Länder können die EU-Institutionen kaum direkt durchMaßnahmen eingreifen.

    Weltweite Ursachen

    Als Ursachen der griechischen Finanzkrise, die sich im Schwerpunkt auf das Verhalten von Regierungen und Institutionen oder

    auf globale Geschehnisse zurückführen lassen, werden auch folgende Sachverhalte genannt:

    Trotz hoher Staatsverschuldung erhielt der griechische Staat lange Zeit zu fast denselben Bedingungen Kredite wie EU-Staaten mit deutlich niedrigerer Staatsverschuldung. Die Finanzmärkte erzwangen so keinen Kurswechsel der griechischenFinanzpolitik. Demnach bestand entgegen den EU-Verträgen die Erwartung eines Bail-outs durch andere EU-Staaten. MitAusbruch der Finanzkrise ab 2007 erschienen diese Erwartungen unwahrscheinlich und in hochverschuldeten EU-Ländern

    wie Griechenland begannen die Risikoprämien auf staatliche Schuldpapiere zu steigen.[95][96]

    Die im Zuge der weltweiten Finanzkrise ab 2007[97] ergriffenen Maßnahmen zur Bankenrettung werden als weitereUrsache der griechischen Finanzkrise gesehen. Nach Irland war Griechenland am stärksten von einem angeschlagenenBankensektor betroffen. Um Banken vor einem möglichen Bankrott zu retten, wandelte Griechenland Kreditrisiken derGeldhäuser in staatliche Risiken um. Durch das gestiegene staatliche Ausfallrisiko wurde es für den griechischen Staat

    aufgrund höherer Risikoprämien teurer, auf den Finanzmärkten Kapital zu leihen.[98]

    Sich gegenseitig verstärkende Ursachen

    Die regelmäßigen Haushaltsdefizite führten zu einer stetigen Erhöhung der Staatsverschuldung, diese wiederum zu immerungünstigeren Kreditkonditionen, zu denen Gläubiger noch bereit waren, frisches Geld zu verleihen. Sowohl die zunehmende

    Staatsverschuldung (Tilgungslasten) als auch die steigenden Zinsen belasteten den griechischen Staatshaushalt. Als die

    Leistungsfähigkeit der griechischen Wirtschaft und die Staatsverschuldung durch die Rating-Agenturen immer schlechter

    bewertet wurden, beschleunigte sich die Entwicklung hin zu immer höheren Kapitalkosten.

    Diskussion um deutsche Lohnstückkosten

    Bereits wenige Jahre nach Einführung des Euro wurden Stimmen laut, die darauf hinwiesen, dass ökonomische Problemeder südeuropäischen Staaten auch von der ökonomischen Entwicklung Deutschlands bedingt seien. Laut Heiner Flassbeckwürde Deutschland dauerhaft die von der Zielinflationsrate vorgegebene Entwicklung der Lohnstückkosten unterschreiten,da das Verhältnis von Reallöhnen und Produktivität in Deutschland sinke, was sich in einer Veränderung der Terms of Trade mit Partnerländern niederschlage. Da innerhalb des Euroraums jedoch kein Ausgleich durch eine Veränderung der

    nominalen Wechselkurse mehr bestehe, würden diejenigen Mitgliedsländer der Währungsunion, die bereits übereingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit verfügten und deren Lohnstückkosten sich entsprechend der Zielinflation nach obenentwickelten, in ein hohes Außenhandelsdefizit und somit langfristig in ein Haushaltsdefizit gedrängt. In diesemZusammenhang wurde den niedrigen Lohnsteigerungen in Deutschland und in diesem Zusammenhang auch denMaßnahmen zur Arbeitsmarktflexibilisierung eine Ursache an den ökonomischen Problemen im Euroraum zugeschrieben.[99][100]

    Der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso wies die Vorwürfe, Deutschland habe wegen seinerExportstärke die ökonomischen Probleme der EU verursacht, zurück. Verantwortlich für die makroökonomischenUngleichgewichte in der Eurozone seien vielmehr die Länder, die über ihre Verhältnisse gelebt und die Haushaltsregeln des

    Stabilitätspaktes nicht respektiert hätten.[101]

    EU-Kommissar László Andor fordert Lohnsteigerungen in Deutschland. Er fordert eine Abkehr vom deutschen Modell,sich auf Export zu konzentrieren und die Löhne moderat zu halten, um international zu konkurrieren. „Die Kommission rätDeutschland, die heimische Nachfrage durch höhere Löhne anzuregen und auf breiter Basis Mindestlöhne einzuführen.“[102]

    Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft widerspricht der Darstellung, dass die Lohnstückkosten inDeutschland zu niedrig seien. Im internationalen Vergleich habe Deutschland mit die höchsten Lohnstückkosten und

    wichtige Mitbewerber wie die USA oder Japan produzierten sogar um ein Viertel günstiger.[103]

    Georg Erber wies darauf hin, dass die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands aufgrund eines geringerenLohnstückkostenanstiegs nicht zu einem überproportionalen Anstieg der Exporte Deutschlands in den Euro-Raum geführthat. Stattdessen hätten Deutschlands Exporte gegenüber den Ländern außerhalb der Eurozone deutlich stärker zugenommen

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Hilfspakete für Griechenland(ursprüngliche Planungen sind kursiv)

    Bezeichnung Zeitpunkt Umfang der Kredite

    Erstes Hilfspaket April 2010 rund 107,3 Mrd. Euro(davon wurden 73,0 Mrd. Euro ausgezahlt)

     Zweites Hilfspaket (geplant)

     Juli 2011 109 Mrd. Euro

    Zweites Hilfspaket(ratifiziert)

    Februar / März 2012130 Mrd. Euro(zusätzlich soll der EFSF die verbliebenenrund 34,3 Mrd. Euro aus dem ersten Hilfspaket auszahlen)

    Σ (ohne geplante Zahlungen) April 2010 bis ? 237,3 Mrd. Euro

    als innerhalb der Eurozone. Nicht die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, sondern die Spezialisierung der deutschenWirtschaft auf Investitionsgüter und langlebige Konsumgüter (z. B. Automobile) sowie hohe Qualitätsstandards undInnovationsfähigkeit seien als Wettbewerbsfaktoren entscheidend.[104]

    Maßnahmen zur Krisenbewältigung

    Maßnahmen der EU und des IWF

    Nachdem Griechenland offiziell im April 2010 EU-Hilfe beantragt hatte, wurden von der EU-Staaten und dem IWF zwei

    Hilfspakete beschlossen. Diese enthielten Hilfen in Form von Krediten, Beihilfen und einem Schuldenerlass.

    Nach Angaben der EU-Kommission im April 2012 erhielt Griechenland während der Krise insgesamt vom Ausland Hilfen inHöhe von 380 Mrd. Euro in Form von Beihilfen, Krediten und Schuldenerlass durch private Gläubiger. Der Betrag entspräche

    177 % des Bruttoinlandprodukts oder 33.600 Euro je Einwohner.[105]

    Globalisierungskritiker warfen den für die Konzipierung und die Durchführung der Hilfspakete Verantwortlichen vor, „HunderteMilliarden an öffentlichen Geldern eingesetzt [zu haben], um Banken und andere Finanzakteure und vor allem deren Eigentümer

    vor den Folgen der von ihnen verursachten Finanzkrise zu retten“.[106] Anstatt der griechischen Bevölkerung zu helfen, würden

    die Maßnahmen vielmehr Finanzinstituten und Spekulanten zugutekommen.[107] Eine 2013 von Attac Österreich durchgeführte

    Recherche ergab, dass aus dem Rettungsprogramm für Griechenland "mindestens 77,12 % der Programmmittel direkt (überBankenrekapitalisierung) oder indirekt (über Staatsanleihen) an den Finanzsektor" geflossen waren.[108]

    Rechtliche Grundlage der EU- und IWF-Hilfen

    Die Nichtbeistands-Klausel der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), des Art. 125 AEU-Vertrag schließt dieautomatische Haftung der Europäischen Union sowie der Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten aus. DieNichtbeistandsklausel schließt jedoch, wenigstens nach aktueller Deutung, nicht die freiwillige Übernahme von Schulden durch

    andere Staaten (Bailout) aus.[109]

    Der Internationale Währungsfonds IWF mit Sitz in Washington hat die Aufgabe die internationalen Finanzmärkte zu stabilisieren.[110]

    Erstes Rettungspaket von EU und IWF – Mai 2010

    Nachdem Ratingagenturen die Kreditfähigkeit Griechenlands weiter herabgestuft und die Risikoaufschläge für langfristigegriechische Staatsanleihen erste Rekordwerte erreicht hatten, beantragte die griechische Regierung am 23. April 2010 offiziellFinanzhilfe.

    Die Europäische Union (EU), die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) einigten sich am1./2. Mai 2010 mit der griechischen Regierung auf ein auf drei Jahre angelegtes finanzielles Hilfsprogramm (Kreditbürgschaften)im Umfang von insgesamt 110 Milliarden Euro. Der griechische Schuldenhaushalt sollte im Gegenzug binnen drei Jahren

    konsolidiert werden, sodass das Haushaltsdefizit bis 2014 auf unter 3 Prozent gesenkt werden sollte.[111]

    Von den zugesagten 110 Milliarden übernahm der IWF 30 Milliarden, die Eurozone 80 Milliarden (als bilaterale Kreditzusagen).Maßgeblich für die Festlegung der Quoten der einzelnen Euro-Staaten an den 80 Milliarden der Eurozone war der jeweiligeKapitalanteil am Kapital der EZB, der wiederum alle fünf Jahre nach dem jeweiligen Anteil eines Landes an derGesamtbevölkerung und Wirtschaftsleistung der EU festgelegt wird. Der deutsche Anteil an der Bürgschaft in Höhe von 80

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Milliarden betrug 28 Prozent, also zirka 22,4 Milliarden Euro in drei Jahren.[43] Der Betrag von 80 Mrd. Euro wurde um 2,7 Mrd.Euro auf 77,3 Mrd. Euro reduziert, nachdem die Slowakei beschlossen hat nicht an der Darlehensfazilität für Griechenland (GLF)teilzunehmen. Irland und Portugal beteiligten sich ebenfalls nicht, da sie selbst Finanzhilfen beantragten oder bereits erhielten.

    Im Jahr 2010 fielen davon für Deutschland 8,4 Milliarden Euro an, in den folgenden beiden Jahren sollten nochmals 14 Milliarden

    Euro folgen.[112][113][114][115]

    Am 7. Mai 2010 stimmten der Deutsche Bundestag[114] sowie der Deutsche Bundesrat[116] der Griechenland-Hilfe zu undverabschiedeten das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz (BGBl. I S. 537 (http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?

    startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl110s0537b.pdf)).[117]

    Die Auszahlung der Kredite an Griechenland ist im Zeitraum vom Mai 2010 bis zum Juni 2013 geplant. Die Überweisung dervierteljährlichen Tranchen ist an die Einhaltung der im Sanierungspaket verabredeten Maßnahmen geknüpft. Diese muss jeweilsdurch gemeinsame Berichte der sog. Troika, also der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der

    Europäischen Kommission, bestätigt werden.[118]

    Übersicht der Auszahlungen an Griechenland[77]:53 [119]

    Zeitraum

    Euro-Gruppe(Darlehensfazilität

    fürGriechenland, 

    GLF)

    IWF Insgesamt Anmerkungen Fälligkeit derKrediteFälligeZinsen

    18./12. Mai 2010 14,5 Mrd. Euro 5,5 Mrd.Euro20,0 Mrd.Euro

    1. Tranche des ersten Hilfspakets(überwiesen)[120]

    13./14.September 2010 6,5 Mrd. Euro

    2,5 Mrd.Euro

    9,0 Mrd.Euro 2. Tranche (überwiesen)

    19. Januar 2011/21. Dezember2010

    6,5 Mrd. Euro 2,5 Mrd.Euro9,0 Mrd.Euro 3. Tranche (überwiesen)

    16. März 2011 10,9 Mrd. Euro 4,1 Mrd.Euro15,0 Mrd.Euro 4. Tranche (überwiesen)

    15./13. Juli 2011 8,7 Mrd. Euro 3,3 Mrd.Euro12,0 Mrd.Euro 5. Tranche (überwiesen)

    14./7. Dezember2011 5,8 Mrd. Euro

    2,2 Mrd.Euro

    8,0 Mrd.Euro 6. Tranche (überwiesen)

    Σ 52,9 Mrd. Euro 20,1 Mrd.Euro73,0 Mrd.Euro

    Bis dato sind 73,0 Mrd. Euro an Griechenland überwiesen worden. Die restlichen, rund 34,3 Mrd. Euro „sollen über den Euro-Rettungsschirm EFSF ausgezahlt werden, über den auch die Finanzierung des zweiten Griechenland-Hilfspakets laufen wird“.[121]

    Siehe dazu auch den Abschnitt Finanzielle Folgen für die Gläubiger.

    Zweites Rettungspaket von EU und IWF – Juli 2011 bis Februar / März 2012

    Nachdem sich das erste Rettungspaket als nicht ausreichend erwiesen hatte, wurde ein „zweites“ Rettungspaket für Griechenland

    auf einem EU-Gipfeltreffen der 17 Euroländer am 21. Juli 2011 beschlossen.[57] Das Hilfspaket hatte ein Volumen von insgesamt109 Milliarden Euro und kann von der neu geschaffenen EFSF, einer Einrichtung der beteiligten Staaten, und dem InternationalenWährungsfonds bis zum Jahr 2014 ausgezahlt und zu dem niedrigen Zinssatz von 3,5 Prozent verliehen werden. Für dieRückzahlung sämtlicher vom Rettungsfonds zur Verfügung gestellten Mittel wurde Griechenland eine Laufzeitverlängerung von

    siebeneinhalb auf 15 Jahre gewährt.[122]

    Erstmals wurde zudem eine Beteiligung des privaten Finanzsektors auf freiwilliger Basis vereinbart ( freiwilliger Schuldenschnitt ).[123][124] Der Nettobeitrag von Banken und Versicherungen zur Griechenland-Unterstützung soll bis 2014[veraltet] zusätzliche 37

    Milliarden Euro umfassen.[58] Weiterhin wurde auf dem EU-Gipfel ein Wiederaufbauplan für Griechenland angekündigt, um

    wirtschaftliches Wachstum zu fördern.[122] Die EU-Kommission setzte eine „Task Force für Griechenland“ ein.[125]

    Der Deutsche Bundestag hatte am 29. September 2011 einer Ausweitung der EFSF zugestimmt.[117]

    EU-Gipfel am 26. Oktober 2011

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    In der Nacht vom 26. zum 27. Oktober entwarfen die Euroländer – nach einem vorbereitenden Treffen einige Tage zuvor und

    nach einer Abstimmung im Bundestag am 26. Oktober 2011[117] – einen Plan, durch den Griechenland langfristig – bis 2020 –wieder ohne Finanzhilfen aus dem Ausland auskommen soll. Grundlegendes Ziel dabei ist, den Schuldenstand des Landes vonheute 160 Prozent auf 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu drücken. Die privaten Gläubiger verzichteten nachintensivem politischen Druck auf 50 Prozent bzw. 100 Milliarden Euro ihrer Forderungen an Athen (Schuldenschnitt ).

    Die Kreditgeber sollen ihre Staatsanleihen dazu im Januar in neue Anleihen umtauschen. Die dem Euro-Währungsgebiet

    angehörenden Mitgliedstaaten werden einen Beitrag von bis zu 30 Mrd. Euro zur Beteiligung des Privatsektors leisten.[126] Die‚Schlagkraft der EFSF‘ soll durch einen ‚Hebel‘ auf eine Billion Euro erhöht werden.

    Kritik wurde unter anderem am späten Schuldenschnitt geübt, der zuvor von der Politik ausgeschlossen wurde. Profiteur einesSchuldenschnitts im Oktober 2011 gegenüber einem früheren Schuldenschnitt (etwa bereits 2009) seien die privaten Banken, dieihre griechischen Staatsanleihen abstoßen konnten, die großteils von der EZB gekauft worden sind. Die Kosten trügen nun die

    Steuerzahler der Eurozone.[127]

    Im Hinblick auf die Unsicherheit der innenpolitischen Entwicklung in Griechenland wurde die beschlossene Auszahlung zunächstausgesetzt, nachdem Regierungschef Papandreou am 1. November 2011 eine Volksabstimmung über die Beschlüsse des Euro-Gipfels ankündigte; Papandreou ließ diesen Plan zwar nach zwei Tagen wieder fallen, musste danach aber die Bildung einerneuen Regierung ankündigen, um eine Vertrauensabstimmung zu überstehen. Als Ministerpräsident folgte ihm am 11. November2011 Loukas Papadimos nach; er bildete eine Übergangsregierung.

    Standpunkte der EU-Kommission vom Oktober gibt das 'Occasional Paper 87/2011' wieder.[128]

    IWF-Bericht Dezember 2011

    Am 14. Dezember wurde der 'IMF Country Report No. 11/351' bekannt.[129] In dem umfangreichen Bericht schließt der IWFzusätzliche Finanzhilfen für die nähere Zukunft aus.

    „Nach Gesprächen der Troika mit der griechischen Regierung sagte der Chef der IWF-Mission für Griechenland,Poul Thomsen, die IWF-Vertreter seien nicht nach Athen gereist, um über ein ‚neues Programm‘ zu diskutieren. Es

    gebe eine Unterstützungszusage aus dem Mai 2010 über 30 Milliarden Euro. Mehr sei derzeit nicht zu erwarten.[130]“

    Der IWF übt ähnliche Kritik wie die OECD in der Vorwoche. Die OECD hatte alle 14 Ministerien untersucht und kam in einer

    Studie zu dem Schluss, es gebe weder eine Vision über das Reformziel noch eine Kontrolle für die Umsetzung, kaumKommunikation innerhalb der Behörden und ein kompliziertes administratives Beziehungsgeflecht ohne jegliche Koordination.[130] Der einzige Ausweg sei eine „Big-Bang-Reform“ im gesamten Regierungsapparat – also radikale Einschnitte.[131][132][133]

    Ratifizierung des „Zweiten“ Hilfspaketes im Februar und März 2012

    Die Finanzminister der Eurozone einigten sich im Februar 2012 auf ein „zweites“[134] Hilfspakets für Griechenland, darunter

    Kreditzusagen in Höhe von 130 Mrd. Euro (ursprünglich 109 Mrd. Euro[135]). Im Gegenzug muss Griechenland mehr Kontrollenhinnehmen und einen Teil seiner Budgethoheit abgeben. Zu den Auflagen gehört auch ein Sperrkonto. Der Zinssatz für dieKredite aus dem ersten Hilfspaket wurde rückwirkend für die gesamte Laufzeit auf 150 Basispunkte über dem Euribor gesenkt.

    Der Deutsche Bundestag stimmte dem Hilfspaket am 27. Februar 2012 zu.[136]

    Anfang März 2012 gab die griechische Regierung bekannt, sich mit 85,5 Prozent der Privatgläubiger auf einen freiwilligenSchuldenerlass in Höhe von über 100 Mrd. € geeinigt zu haben, wobei die anvisierte Zahl von 90 Prozent knapp verfehlt wurde.Da dieser nicht mit Zustimmung aller Anleihegläubiger erfolgte, stellte am 9. März 2012 die ISDA den Zahlungsausfall

    Griechenlands fest.[137] Unwillige Investoren sollen zu einem Verzicht gezwungen werden.[138] Der Schuldenschnitt betrugletztendlich 107 Mrd. Euro.

    Der Internationale Währungsfonds (IWF) gewährte am 15. März 2012 eine Kredithilfe von 28 Mrd. Euro (PM Nr.12/85).

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Darstellung des Volumens des

    Sparpaketes, der Schattenwirtschaft,

    des BIP und der Staatsverschuldung

    in einem Balkendiagramm

    bersicht der Auszahlungen an Griechenland(zukünftige Zahlungen sind kursiv)[77]:53-55 [139]:47-49

    Zeitraum EFSF IWF Insgesamt Anmerkungen

    12. März bis 28. Juni2012

    74,0 Mrd.Euro

    1,6 Mrd.Euro

    75,6 Mrd.Euro

    Die erste Auszahlung im Rahmendes zweiten Programms erfolgte in sieben Tranchen(überwiesen).

    Dezember 2012 bisMai 2013

    49,1 Mrd.Euro

    3,24 Mrd.Euro

    52,34 Mrd.Euro

    Die Höhe der zweite Auszahlung betrug bis Mai 2013insgesamt52,34 Mrd. Euro (EFSF 49,1 Mrd. Euro und IWF 3,24 Mrd.Euro)

    und erfolgte über die folgenden vier Tranchen:

    Dezember 201216. Januar 2013

    34,3 Mrd.Euro

    3,24 Mrd.Euro

    37,54 Mrd.Euro

    1. Tranche (überwiesen)

    Januar 20139,2 Mrd.Euro

    -9,2 Mrd.Euro

    2. Tranche (überwiesen); davon 7,2 Mrd. € zurRekapitalisierung der Banken

    28. Februar 20132,8 Mrd.Euro

    -2,8 Mrd.Euro

    3. Tranche (überwiesen)

    3. Mai 20132,8 Mrd.Euro

    -2,8 Mrd.Euro

    4. Tranche (überwiesen)

    Mai/Juni 2013 bis ?? ??,? Mrd.

    Euro

     ??,? Mrd.

    Euro

     ??,? Mrd.

    Euro

    Die Höhe der dritten Auszahlung betrug bis Juni 2013insgesamt9,23 Mrd. Euro (EFSF 7,5 Mrd. Euro und IWF 1,73 Mrd.

    Euro)und erfolgte bisher in zwei Tranchen.[140][141]

    2013 x,x Mrd. Euro

    - x,x Mrd. Euro

     x. Tranche (geplant)

     April bis Juli 20148,3 Mrd.

     Euro3,5 Mrd.

     Euro11,8 Mrd.

     Euro  x. Tranche (geplant)[142]

    Σ (ohne geplanteZahlungen)

    130,6 Mrd.Euro

    6,62 Mrd.Euro

    137,2 Mrd.Euro

    Der finanzielle Bedarf und die damit verbundenen finanziellen Hilfszahlungen werden von 2012 bis 2014 auf insgesamt

    163,9 Mrd. Euro geschätzt. Davon würden die EU 144,7 Mrd. Euro und der IWF 19,1 Mrd. Euro tragen.[77]:55 [139]:49

    Maßnahmen der Europäischen Zentralbank

    Im Mai 2010 kaufte die Europäische Zentralbank griechische Staatsanleihen in Höhe von 25 Milliarden Euro.[143] Die EZB gab

    bekannt, griechische Anleihen unabhängig von deren Ratingstatus als Sicherheit zu akzeptieren.[144] Auch im Jahr 2011 setzte sie

    den Kauf griechischer Staatsanleihen fort.

    Im Rahmen ihres „Securities Markets Programme“ (SMP) kaufte die EZB in der Zeit von Mai 2010 bis etwa Februar 2012 für 220

    Milliarden Euro Anleihen von Euro-Staaten, die ihre Schulden am Kapitalmarkt nicht mehr problemlos refinanzieren konnten,

    darunter Griechenlandanleihen im Nominalwert von schätzungsweise 50 Milliarden Euro. Dafür wurde sie gerade in Deutschland

    massiv kritisiert.[145]

    Schließlich kann die Griechische Notenbank als Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken Liquiditätshilfe im Notfall(Emergency Liquidity Assistance) gewähren.[146]

    Maßnahmen der griechischen Regierung

    Der Schuldenschnitt

    Griechenland war Ende 2011 mit 375 Milliarden Euro verschuldet. Dies waren 160 % der

     jährlichen Wirtschaftsleistung. Durch eine Neubewertung der Anleihen verloren die

    privaten Anleihegläubiger nominal 53,5 Prozent ihrer Forderungen. Durch die faktisch

    niedrigeren Zinssätze der neuen Papiere jedoch noch mehr.

    Der Schuldenschnitt sollte die griechische Schuldenlast insgesamt um 107 Mrd. Euroverringern. Das entspricht rund der Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes.

    Obgleich viele Gläubiger im Vorfeld dem Umtausch zustimmten, blieb ihnen nach griechischem Gesetz, das alternativ einen

    Zwangstausch nach „Collective Action Clauses“ vorsah, auch keine Wahl. Auch die Ratingagenturen hatten kaum einen Einfluss

    auf den griechischen Beschluss.

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

    12/28

    Für die neuen entwerteten Anleihen, für die Griechenland jetzt noch bürgt, gilt englisches Recht, was einem weiterenSchuldenschnitt vorbeugen soll. Dieses Konstrukt ist jedoch mehr formaler Natur. Sofern es das griechische Parlament beschließt,können auch in Zukunft noch Schuldenschnitte erfolgen, insbesondere auch für die nach dem Schuldenschnitt bereits wieder neugewährten Hilfen durch die EFSF-Kredite (ehemals durch die nahezu gleich konzipierten Eurobonds vorgesehen).

    Mehrere Milliarden musste mit dem Schuldenschnitt auch die deutsche Hypo Real Estate abschreiben, die griechische Anleihenim Wert von ca. 8 Milliarden Euro hielt, die Lasten trägt durch die Verstaatlichung der Bank 2009 nun der deutsche Steuerzahler.

    Erstes Sparpaket – März/April 2010

    Am 3. März 2010 wurde die Mehrwertsteuer mit Wirkung vom 15. März 2010 von 19 Prozent auf 21 Prozent erhöht und eine

    Kürzung der Beamtengehälter beschlossen. Dadurch sollen jährlich 4,8 Milliarden Euro eingespart werden.[147]

    Am 28. April 2010 wurde vom Kabinett der Kallikratis-Plan beschlossen, wonach Verwaltungsausgaben von 1,8 Milliarden Euro

     jährlich eingespart werden sollen. Geplant ist, das 13. und 14. Monatsgehalt der Beamten permanent zu streichen.[148]

    Zweites Sparpaket – Mai 2010

    Am 2. Mai 2010 beschloss die griechische Regierung ein mit IWF und EU ausgehandeltes Maßnahmenpaket. Durch folgende

    Maßnahmen sollen bis 2013 etwa 30 Milliarden Euro eingespart werden:[149]

    Einfrierung der Beamtengehälter über 2000 EuroReduzierung der Verwaltungsebenen von fünf auf dreiReduzierung der Stadtverwaltungen von derzeit über 1000 auf 370Streichung des 13. und 14. Monatsgehalts bzw. der Monatsbezüge im öffentlichen Dienst[150]

    Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst: Nur jede fünfte Stelle, die im öffentlichen Dienst frei wird, soll neu besetztwerden. Im Herbst 2011 sollen weitere Stellen gestrichen werden.[151]

    Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters von 61,3 auf 63,4 Jahre[150]

    Anhebung der Mehrwertsteuer von 21 Prozent auf 23 Prozent sowie Erhöhung der Steuern auf Tabak, Spirituosen undKraftstoff [150]

    Das griechische Parlament verabschiedete das Sparpaket am 6. Mai 2010.[152]

    Drittes Sparpaket – Juni 2011

    Das griechische Parlament stimmte dem dritten Kürzungspaket der Regierung am 29. Juni 2011 zu. 155 der insgesamt 300Abgeordneten stimmten in der namentlichen Abstimmung dafür, 138 votierten dagegen, 5 enthielten sich und 2 nahmen an derAbstimmung nicht teil. Bis 2015 will die Regierung Papandreou damit rund 78 Milliarden Euro einsparen (rund 28 MilliardenEuro durch Leistungskürzungen und Steuererhöhungen, 50 Milliarden durch Privatisierungen und Verkauf staatlicher

    Immobilien).[153] Die Verabschiedung des Sparpakets war die entscheidende Voraussetzung für die Freigabe einer weiteren,fünften, Tranche aus dem 110 Milliarden Euro schweren ersten Rettungspaket durch EU und IWF. Ungeachtet derEntscheidungen im Parlament rechnen zahlreiche Wirtschaftsexperten mittelfristig mit einer Umschuldung Griechenlands.

    Hauptpunkte des dritten Pakets:[154]

    Steuern: Die Vermögensteuer wird angehoben ebenso wie die Mehrwertsteuer für verschiedene Bereiche. Zudem wird eine„Solidaritätssteuer“ eingeführt, Steuerbefreiungen sollen wegfallen.Löhne: Bis 2015 soll die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst um 150.000 reduziert werden, die verbleibendenBeamten müssen länger arbeiten.Sozialleistungen: Die Vermögen von Leistungsbeziehern sollen überprüft und eine Reihe von Leistungen gekürzt werden.Verteidigung: Im kommenden Jahr will das Land bei der Rüstung 200 Millionen Euro sparen, von 2013 bis 2015 sollen esdann jährlich 333 Millionen Euro sein.Gesundheitssystem: 2011 sollen 310 Millionen Euro und weitere 1,43 Milliarden bis 2015 gekürzt werden – etwa durcheine Absenkung der staatlich festgesetzten Preise für Medikamente.Investitionen: In diesem Jahr sollen 700 Millionen Euro weniger fließen, die Hälfte dieser Summe soll auf Dauer wegfallen.Privatisierungen: Viele Staatsbetriebe sollen in private Hand wechseln. Zu diesem Zweck wurde am 1. Juli 2011 einePrivatisierungsgesellschaft mit dem Namen Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADF) eingerichtet werden.[155] Unsicher ist, ob in der derzeitigen Lage angemessene Preise für die Unternehmen erzielt werden können.[156]

    Anfang 2012 wurde bekannt, dass die Privatisierung kaum nennenswerte Fortschritte macht und die von Griechenland für 2012versprochenen Erlöse von 11 Milliarden Euro unrealistisch erscheinen.[157]

    Ankündigung eines weiteren Sparpakets – September 2011

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Am 21. September 2011 gab die griechische Regierung neue Sparmaßnahmen bekannt. So werde der Steuerfreibetrag von bislang8000 Euro auf 5000 Euro gesenkt. Weiterhin sollen 30.000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Beamte und andereStaatsbedienstete sollen in eine sogenannte „Arbeitsreserve“ geschickt werden. Sie erhalten für maximal zwölf Monate 60 Prozentihres Einkommens, ehe eine unabhängige Behörde über die Weiterbeschäftigung bzw. Entlassung entscheidet. Es wurde

    abgelehnt.[158]

    Rücktritt der Regierung Papandreou – November 2011

    Der damalige Ministerpräsident Papandreou kündigte am 1. November 2011 eine Volksabstimmung über die mit weiteren

    drastischen Sparauflagen verbundenen Beschlüsse des Euro-Gipfels in Brüssel zur Griechenlandhilfe an, ließ diesen Plan aberbereits am 3. November wieder fallen, nachdem die anstehende Kreditauszahlung von acht Milliarden Euro („Rettungshilfen“) anGriechenland im Hinblick auf die Unsicherheiten der innenpolitische Entwicklung in Griechenland ausgesetzt worden war.Papandreou stellte am 4. November im Parlament die Vertrauensfrage und erhielt nach der Ankündigung, eine

    Übergangsregierung unter Einbindung der oppositionellen Nea Dimokratia bilden zu wollen, die Mehrheit.[159][160] Eine von demparteilosen Loukas Papadimos im November 2011 gebildete neue Regierung, der neben einem Großteil der bisherigen PASOK-Minister zwei Minister der Nea Dimokratia und einer der LAOS angehören, verpflichtete sich zur Erfüllung der Sparauflagen.Ende 2011 stecken die Verhandlungen in der großen Koalition in einer tiefen Krise. Selbst die dringendsten Reformen sind ins

    Stocken geraten.[161]

    Bis Oktober 2011 wurde der HRADF gesetzlich legitimiert und war somit voll einsatzbereit.[128]

    Im Jahr 2011 wurden statt der erwarteten 400 Mio. Euro insgesamt 946 Millionen Euro an Steuerschulden eingetrieben. Dies wird

    auf die Einrichtung einer zentralisierten Struktur der Finanzbehörden zurückgeführt, sowie auf vermehrte Betriebsprüfungen.[162]

    Viertes Sparpaket – Februar 2012

    Im Februar 2012 wurde ein weiteres Sparpaket verabschiedet.[163]

    Absenkung des Mindestlohns auf 586 EuroAbsenkung des Mindestlohns für unter 25-Jährige auf 525 EuroKürzung der Gehälter bestimmter Berufsgruppen im öffentlichen Dienst rückwirkend zum 1. Januar 2012 um 20 ProzentKürzung des Arbeitslosengeldes auf 322 EuroKürzung der Renten um 10 bis 15 Prozent

    Erhöhung der Selbstbeteiligung bei MedikamentenKürzung der Medikamentenkosten staatlicher KlinikenEinsparungen bei Überstunden der ÄrzteKürzung der Zuschüsse für Städte und GemeindenSofortige Entlassung von 15.000 Staatsangestellten; bis 2015 150.000Privatisierung von StaatsbetriebenSchließung von 200 kleinen, ineffizienten Steuerämtern und Einstellung 1000 neuer SteuerkontrolleureKürzung der Militärausgaben um 600 Millionen Euro bis 2015

    Über den aktuellen Umsetzungsstand der Privatisierung gibt die Abhandlung „The Second Economic Adjustment Programme for

    Greece“[164] Auskunft bzw. der HRADF. Es werden neben Immobilien und Grundstücken auch öffentlicheVersorgungseinrichtungen, Straßenbetreibergesellschaften und Lottolizenzen veräußert. Zahlreiche deutsche Unternehmenbegleiten den Verkaufsprozess. Die geplante Plattform für Ausschreibungen der öffentlichen Hand ist seit 28. August 2013 aktiv.

    [165]

    →  Hauptartikel: Hellenic Republic Asset Development Fund 

    Fünftes Sparpaket – November 2012

    Im November 2012 hat das griechische Parlament ein erneutes Sparpaket in Höhe von 13,5 Milliarden Euro gebilligt, welchesKürzungen bei Renten, Gehältern, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie Streichungen von Kinder- und Weihnachtsgeld

    vorsieht.[166]

    Renten von 1.000 Euro aufwärts werden um 5 bis 15 % gesenktWeihnachtsgeld für Rentner wird abgeschafft

    Das Rentenalter wird für alle von 65 Jahre auf 67 Jahre angehobenAbfindungen für entlassene Arbeitnehmer werden gesenktStreichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für StaatsbediensteteKürzung Löhne und Gehälter um 6 bis 20 % für StaatsbediensteteBis Ende 2012 sollen 2.000 Staatsbedienstete in die Frühpensionierunghöheren Eigenbeiträge beim Kauf von MedikamentenKrankenhausreform

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

    14/28

    Angleichung Gehälter der Angestellten öffentlich-rechtlicher Betriebe an denen der Staatsbedienstetenkeinen Anspruch auf Kindergeld bei mehr als 18.000 Euro Familieneinkommen pro Jahr

    Sechstes Sparpaket – April 2013

    Die Regierungskoalition in Griechenland hat sich im April 2013 auf neue Sparvorschläge im Rahmen ihrer Reformvorhaben

    geeinigt.[167][168]

    Reform der Öffentlichen Verwaltung (englisch: public administration reform)die Personalplanung (englisch: staffing plan) sieht vor, eine große Zahl an Staatsbediensteten zu entlassen:

    bis Ende 2013 sollen im öffentlichen Dienst 4.000 Stellen (kumuliert) gestrichen werdenbis Ende 2014 sollen insgesamt 15.000 Beamte (kumuliert) gehendieses Reformvorhaben soll durch Evaluierung (englisch: evaluation), eine vernünftige Umverteilung desPersonals durch dessen Mobilität (englisch: rational reallocation of personnel through mobility) und einequalitative Erneuerung durch Entlassungen (englisch: quality renewal through exits) erreicht werden. Kriterienfür etwaige Entlassungen und konkrete Planwerte finden sich auf den Seiten 130 und 231f. der Abhandlung„The Second Economic Adjustment Programme for Greece – Second Review May 2013“[77]:130, 231f..

    es soll „eine neue Grundbesitzsteuer erhoben werden“

    Über den aktuellen Umsetzungsstand gibt die Abhandlung „The Second Economic Adjustment Programme for Greece – Third

    Review July 2013“ Auskunft.[139] Der HRADF hat bis Ende 2014 insgesamt 14 Grundstücke und Immobilien veräußert, darunterGebäude in Rom, London, Brüssel und Taschkent. Das Gebäude in Rom brachte 6 Mio. EUR und das in London 22 Mio. EUR.[169] [170]

    Reform der Öffentlichen Verwaltung

    Als Minister der Regierung Samaras plante Antonis Manitakis, die Verwaltung zu reformieren. Auf Rat von Experten aus denanderen Euro-Staaten („Task Force“) sollten nach individueller Prüfung „die Unfähigen oder Korrupten“ entlassen werden.Nachdem im Frühjahr 2013 der öffentliche Dienst bereits ohne Massenentlassungen auf 70% der Angestellten geschrumpft war,forderte Poul Mathias Thomsen, Leiter der Troika-Delegation des IWF, ultimativ die Entlassung von 15.000 Angestellten, davon4.000 sofort. Daraufhin wurden der staatliche Rundfunk geschlossen, Lehrer, Ärzte und Schulinspektoren kollektiv entlassen. Die

    Verwaltungsreform wurde dagegen nicht weiter verfolgt, und Manitakis trat zurück.[171][172]

    Im September 2013 wurde mitgeteilt, dass der Sonderurlaub für Beamte, die mehr als fünf Stunden pro Tag an einem Computersitzen, abgeschafft werde. Durch diese 1989 eingeführte Regelung bekamen Beamte alle zwei Monate einen Tag Sonderurlaub.Zuvor wurden auch Boni für das regelmäßige Erscheinen bei der Arbeit und die Weiterzahlung der Pensionen verstorbener Väter

    an ihre unverheirateten Töchter aufgehoben.[173][174] Seit 2014 müssen die Patienten der staatlichen Krankenhäuser 25 Euro pro

    Behandlung zahlen.[175]

    Bekämpfung der Korruption und Schattenwirtschaft

    Auf jährlich 65 Milliarden Euro wurde das Volumen der griechischen Schattenwirtschaft laut dem griechischen StatistikamtESYE und der OECD im Jahr 2009 beziffert; laut Recherchen der Athener Zeitung „Kathimerini“ werden allein 20 Milliarden

    Euro an Steuern hinterzogen.[176] Eine schnelle Steigerung der Einnahmen des Staates erweist sich als schwierig, da dieUmstrukturierung der Steuerbehörden und Gesetzesänderungen allenfalls langfristig Erfolg zeigen werden.

    Als Beispiel für Korruption in Griechenland wurde um das Jahr 2010 insbesondere von nichtgriechischen Medien das Fakelaki

    thematisiert, die Zuwendung von Bargeld per Briefumschlag.[177] Laut der griechischen Abteilung von TransparencyInternational (TI) lag 2009 „der Umfang bei etwas über 13 Prozent“ aller Privathaushalte. Diese hätten 2009 insgesamt 787 Mio.Euro Schmiergelder bezahlt. Der Anteil der Schattenwirtschaft am BIP lag bei 25 % des BIP, ein Wert der im Euroraum „von

    keinem anderen Land“ übertroffenen würde. In Deutschland lag die Rate bei ungefähr 15 %.[178]

    Der Generalinspektor für öffentliche Verwaltung,[179] Leandros Rakintzis, setzte Mitte 2010 eine Online-Zählung von Beamtenan. Im Zusammenhang mit der Zählung wurden mehrere Straftaten aufgedeckt, unter anderem eine nicht existierende

    Gesundheitsbehörde.[180]

    Im Mai 2010 wurden Namen von Steuersündern im Internet veröffentlicht, angefangen wurde mit Ärzten, die teilweise zuvor

    Einkommen unter dem Existenzminimum deklarierten.[181] Ebenso wurde eine Steuerreform beschlossen: Ab dem 1. Januar 2011

    wurde unter anderem die Pflicht des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bei Beträgen über 1.500 Euro eingeführt.[182][183]

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Eine neu gegründete Sondereinheit der griechischen Polizei kümmert sich ausschließlich um Steuervergehen. Der damaligegriechische Finanzminister Evangelos Venizelos setzte säumigen Steuerzahlern kurz nach seinem Amtsantritt im November 2011ein Ultimatum. Er rief alle Personen, die dem Staat mehr als 150.000 Euro schulden, auf, sich bis zum 24. November bei denSteuerbehörden zu melden und ihre Schulden zu regeln. Andernfalls werde er ihre Namen veröffentlichen. Am 22. Januar 2012wurde die Liste mit 4.152 Namen veröffentlicht und 3 Monate später waren 185 Steuerschuldner in Haft. Insgesamt schuldeten

    die Personen auf der Liste dem griechischen Staat 14,8 Mrd. Euro.[184][185]

    Am 6. September 2012 fror die Abteilung für die Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen (SDOE) Konten von 121 mutmaßlichenSteuerbetrüger ein und beschlagnahmte Luxusimmobilien, Aktien der Börsen in Athen und New York sowie Investitionen bei

    Versicherungsunternehmen.[186] Es wurden Ermittlungen gegen 32 Politiker wegen Korruptionsverdachts aufgenommen. Dabeihandelte es sich um aktive und ehemaligen Politiker sowie Bürgermeister und Beamte.[187]

    Eine im Jahr 2010 überreichte Steuerdaten-CD mit rund 2.000 Konteninhabern wurde im September 2012 erneut aufgespürt und

    von dem Chef der Finanzpolizei, Stelios Stasinopoulos, dem Sonderstaatsanwalt übergeben.[188]

    Am 3. Oktober 2012 wurde die ehemalige Führungskraft im Verteidigungsministerium Giannis Sbokos verhaftet, weil er sich beieinem Deal mit Tor M1 Raketen und einem Rüstungsgeschäft mit Typ 214 U-Booten der Howaldtswerke-Deutsche Werft

    bereichert hat.[189] Anfang März 2013 musste Ex-Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos wegen Steuerhinterziehung acht

    Jahre[190] und der ehemalige Bürgermeister der Stadt Thessaloniki, Vasilis Papageorgopoulos, wegen Veruntreuung

    lebenslänglich in Haft.[191] Anfang Dezember 2014 wurde der Präsident des griechischen Nationalen Jugendsportzentrums in

    Agios Kosmas verhaftet, weil er 800.000 Euro aus der Kasse des Zentrums unterschlagen haben soll.[192]

    Wegen der Vorbeugung von Schattenwirtschaft, dürfen Parteien ihre Einnahmen nur noch auf bis zu drei Bankkonten auf 

    griechischen Kreditinstituten haben.[193]

    Reduzierung der Militärausgaben

    Die Höhe der griechischen Militärausgaben stand seit Beginn der Krise in der Kritik von Öffentlichkeit und Politik (sieheAbschnitt Hohe Staatsausgaben). Vor allem der Umgang und der Standpunkt der Troika zur Erfüllung und Neuverhandlung

    bestehender Waffenkaufverträge in Zeiten der Finanznot erntete großes Unverständnis.[78][194][195][196] Unter anderen, kritisierteauch Daniel Cohn-Bendit, Co-Vorsitzender der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz im Europaparlament, im Mai

    2010 in einem SPIEGEL-Interview, die französische und deutsche Regierung forderten, die Verträge über Waffenkäufe dergriechischen Vorgängerregierung nicht anzutasten.[197] Die Zeit zitiert ihn mit den Worten: „Von außen greifen die EU-Länder inpraktisch alle Rechte Griechenlands ein. … Nur beim Verteidigungshaushalt heißt es plötzlich, das sei ein souveränes Recht des

    Staates. Das ist doch surreal.“[195]

    Das Occasional Paper 123 der Europäischen Kommission aus dem Dezember 2012 widerspricht der Einschätzung, dass beimMilitärhaushalt kaum gespart würde: seit der Umsetzung der Sparpläne gab es bereits große Kürzungen bei den Militärausgaben.Seit 2009 sinken die Ausgaben für Waffenimport und Militärausgaben allgemein. 2010 sank der Anteil für Verteidigung um1,2 % auf 2,2 % des BIP. 2011 sank dieser Anteil nochmals um 0,5 %. Von 2011 bis 2016 sind weitere Kürzungen imMilitärhaushalt geplant. Der Anteil an militärischen Beschaffungen (englisch: military procurement ) ist von über 3 Mrd. Euro

    (2009) auf ungefähr 500 Mio. Euro (2012) gesunken.[198]:26

    Militärausgaben Griechenland[199]

    nach Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI)

    Militärausgaben 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005

    in Mrd. Euro 4,472 4,604 5,128 6,164 7,660 7,219 6,235 6,064 5,652

    in Relation zum BIP 2,4 2,3 2,4 2,7 3,3 3,1 2,8 2,9 2,9

    in Relation zu gesamten Staatsausgaben 5,2 4,7 4,7 5,4 6,1 6,1 5,9 6,4 6,6

    Laut dem Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) waren 2010 von den Haushaltskürzungen die griechischenMilitärausgaben überproportional betroffen, so dass ihr Anteil an den gesamten Staatsausgaben, der 2008 und 2009 noch bei6,1 % gelegen hatte, im Folgejahr auf 5,4 % sank. Insgesamt ist in der Tabelle "Militärausgaben Griechenland" ein Trend zuweniger Ausgaben im Militärbereich erkennbar. In Relation zum BIP sanken die Militärausgaben von jährlich durchschnittlich

    3,0 % (2000 bis 2009) und erreichten 2013 mit geschätzten 2,4 % des BIP einen niedrigen Stand.[200]

    Um die Militärausgaben weiter zu drosseln, fordert die EU – laut Süddeutscher Zeitung – die drei defizitären Rüstungsfirmen im

    Staatsbesitz EAS, ELVO und Larco, zu liquidieren.[201] Die griechische Regierung feuerte bereits in 2012 den Geschäftsführer

    von Larco, da dieser die Gehälter der Angestellten nicht senkte.[202]

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Athex Composite Share Price Index

    1974–2012

    Kursverlauf einer griechischenStaatsanleihe zwischen Januar 2007

    und August 2011

    Wirkung der Sparmaßnahmen

    Nachdem es in den Jahren 2008 und 2009 zu einer drastischen Vergrößerung des Haushaltsdefizits (negativer Haushaltssaldo)kam, sank es 2010 und 2011 wieder, lag aber 2011 immer noch über dem bereits sehr hohen Wert des Jahres 2007. Auch derPrimärsaldo, das heißt der Haushaltssaldo ohne Berücksichtigung von Zinsenausgaben für den bestehenden Schuldenstand, war2011 noch negativ. Ähnlich bestimmen sich die Primärausgaben als die Staatsausgaben ohne Berücksichtigung vonZinsenausgaben für den bestehenden Schuldenstand.

    Entwicklung der Staatseinnahmen und -ausgaben

    (geschätzte Zahlen sind kursiv)[203]:67 [139]:97 f. [6]:5 [7]:5

    2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

    Nominales BIP (nominal GDP) (Mrd. Euro) 222,77 232,92 231,64 222,15 208,53 193,74 183,51

    Staatseinnahmen (total revenue) (% des BIP) 40,8 40,7 38,3 39,7 42,4 44,1 43,2

    Staatsausgaben (total expenditure) (% des BIP) 47,6 50,6 53,8 50,2 51,8 50,4 47,4

    Primärausgaben ( primary expenditure) (% des BIP) 42,8 45,5 48,3 44,6 43,4 41,7 43,3

    Haushaltssaldo (budget balance/ net lending) (% des BIP) - 6,8 - 9,8 -15,6 -10,7 - 9,5 -10,0 - 4,1

    Primärsaldo ( primary balance/ net lending) (% des BIP) - 2,0 - 4,9 -10,4 - 5,0 - 2,3 - 1,3 0,0

    Nettoverschuldung (net debt ) (Mrd. Euro) 239,36 262,32 299,68 329,51 355,65 303,91 322,2

    Entwicklung des Arbeitsmarktes

    (geschätzte Zahlen sind kursiv)

    [203][204]

    2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

    Bevölkerung (in Mio.) 11,172 11,214 11,260 11,305 11,310 11,290 11,256 

    Erwerbstätige (in Mio.) 4,510 4,559 4,509 4,389 4,091 3,763 3,623

    Arbeitslosenquote 8,276 % 7,654 % 9,461 % 12,531 % 17,653 % 24,238 % 26,986  %

    Die Gehälter im öffentlichen Dienst sanken von 2009 bis 2011 um 30 Prozent, die Renten um 10 Prozent. Die Gesamtzahl derStaatsbediensteten sank auf 712.157 im Februar 2012, im Jahr 2010 waren 768.009 beim Staat beschäftigt gewesen.

    EU-Angaben zufolge konnte im Zeitraum 2010 bis 2011 die Hälfte des von 2000 bis 2009 entstandenen Wettbewerbsrückstandes

    wieder aufgeholt werden.[205] Die seit 2009 beschlossenen Sparmaßnahmen haben zu einem Einbruch der Wirtschaftskraft desLandes geführt, die folglich sprunghaft angestiegene Schuldenquote (von 129 % im Jahr 2009 auf 164 % im Jahr 2011) ließ eineUnabhängigkeit des Landes von nichtprivater Stützung in weite Ferne rücken.

    Laut einem Bericht der Weltbank von 2012 gehörte Griechenland zu den zehn Staaten weltweit, die im vergangenen Jahr dieGeschäftsbedingungen für Unternehmen am meisten verbessert hatten, nur sieben Staaten hatten größere Anstrengungenunternommen. Zwar seien dringende Reformen angepackt und große Fortschritte erzielt worden, weitere Reformen müssten

     jedoch in den nächsten Jahren umgesetzt werden.[206]

    Während sich einige Handelsunternehmen aus dem Land zurückzogen, wurden andere Aktivitäten ausgebaut, wie die Produktion

    von 110 verschiedenen Produkten für den Export durch Unilever[207] und das neue Hewlett-Packard-Distributionszentrum fürEuropa, Afrika und den Nahen Osten in Piräus zeigen.

    FolgenRatingagenturen und Finanzmärkte

    Bereits vor Beginn der griechischen Haushaltskrisewar Griechenland als Schuldner bei denRatingagenturen nicht mit Bestnoten bewertet. Diedrei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s,Fitch Ratings und Moody’s senkten im Verlauf derKrise ihre Ratingcodes sukzessive undsignalisierten damit den Finanzmärkten einerhöhtes Ausfallrisiko für Kredite und

    Staatsanleihen Griechenlands.[208]

    Am 14. Juni 2011 senkte die RatingagenturStandard & Poor’s die Bewertung für langfristige

    griechische Staatsanleihen um drei Stufen auf CCC.[18] Griechenland hatte somit seit Juni

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Entwicklung der Arbeitslosigkeit in

    Griechenland seit 2004

    Demonstration in Patras 2011

    2011 das schlechteste Rating aller bewerteten Länder der Welt.[209]

    Im März 2012 wurde Griechenland sowohl von den Ratingagenturen als auch von der ISDA als zahlungsunfähig eingestuft.

    Im Verlauf der Finanzkrise verlor der Athex Composite Share Price Index, der Leitindex der Athener Börse massiv an Wert. Der

    Leitindex fiel im Mai 2012 auf unter 500 Punkte, den tiefsten Stand seit 20 Jahren.[210] Ab Juni 2012 setzte eine allmähliche

    Erholung ein, der Index stieg bis zum Februar 2013 auf über 1.000 Punkte. Anfang Mai 2013 hatte der Index 970 Punkte.[211]

    Am 18. Dezember 2012 stufte Standard&Poors Griechenland um mehrere Stufen auf B- bzw. B (lang- bzw. kurzfristige

    Staatsanleihen) herauf.[31] Am 14. Mai 2013 bewertete Fitch die langfristigen griechischen Staatsanleihen mit B-, die kurzfristige

    Staatsanleihen bekamen ein B.[32]

    Folgen in Griechenland

    In Umfragen unmittelbar vor Abstimmung des Sparpakets im Mai 2010 hatte sich eine

    Mehrheit der Griechen dafür ausgesprochen.[212] Im November 2010 gewann dieregierende sozialistische Partei PASOK die zweite Runde der Kommunalwahlen, darunter

    erstmals nach 20 Jahren wieder die Rathäuser von Athen und Thessaloniki.[213] Trotzdemkam es zu Demonstrationen im Stadtzentrum und anderen Protesten: es wurden zumBeispiel Banner an der Steilwand der Athener Akropolis angebracht. Diese friedlichen

    Aktionen wurden vornehmlich von Gewerkschaften und Kommunisten getragen. Dagegensetzten Autonome bei Demonstrationen gegen die Sparpläne am 5. Mai 2010 ein

    Bankgebäude mit Brandsätzen in Brand, wodurch drei Menschen ums Leben kamen.[212]

    Im Verlauf der Sparmaßnahmen gewannen die Proteste zunehmend an Schärfe. So kam es2011 zu zahlreichen Demonstrationen, die wiederholt zu Konfrontationen mit der Polizei

    führten,[214] sowie im Juni 2011 zu einer mehrwöchigen Besetzung des Syntagma-Platzes

    vor dem Athener Parlamentsgebäude.[215] Außerdem gab es von Januar bis Juni 2011 vier

    teils mehrtägige Generalstreiks gegen die Sparmaßnahmen.[215]

    Die ursprünglich durch die Finanzkrise ab 2007 ausgelöste Rezession wurde durch die

    geringen Investitionen und die harte Einsparpolitik verlängert[3][216] und dauert nun dasfünfte Jahr infolge an. Griechenland hat von 2008 bis 2011 etwa 15,3 % seiner

    Wirtschaftskraft verloren.[217] Die Arbeitslosigkeit stieg von 7,4 % im Juli 2008 auf 

    27,2 % im Januar 2013.[218] Die Krise trifft insbesondere die sozial Schwächeren. AlsSparmaßnahme sind die Renten gesenkt worden. Viele Bürger Griechenlands haben nichts zu essen und sind obdachlos. Da auchSchwerkranke und völlig mittellose Patienten mit chronischen Krankheiten einen Teil der Kosten für Medikamente selbst

    bezahlen müssen, ist ihre medizinische Versorgung gefährdet. Parteien vom linken und vom rechten Rand haben Zulauf.[219]

    Vielfach sind die Apotheker seit Monaten von den staatlichen Krankenkassen nicht mehr bezahlt worden. HunderttausendeVersicherte der größten Krankenkasse Eopyy müssen ihre Medikamente bar in den Apotheken bezahlen und sich anschließend

    mit der Quittung an die Krankenkasse wenden.[220]

    Seit Ausbruch der Krise haben viele Griechen ihre Guthaben bei inländischen Banken verringert, um sie als Bargeld zu haltenoder ins Ausland bzw. zu ausländischen Banken zu transferieren („Kapitalflucht“). Mögliche Motive sind Angst vor Besteuerung,

    das Erwarten einer Währungsreform oder die Angst vor einer Insolvenz der kontoführenden Bank[221] oder Angst vor einer

    Staatspleite.[222]

    Seit Beginn der Wirtschaftskrise ist die Zahl der Landwirte innerhalb von zwei Jahren um 40.000 gestiegen.[223]

    Infolge der Wirtschaftskrise stieg die vergleichsweise niedrige Suizidrate auf das Doppelte an. Sie war in den ersten fünf Monaten

    des Jahres 2011 40 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.[224] Aufsehen erregte der Freitod des 77 Jahre alten ApothekersDimitris Christoulas, der sich am 4. April 2012 auf dem Syntagma-Platz erschoss. Er hinterließ einen Abschiedsbrief: „DieBesatzungsregierung Tsolakoglou hat die Möglichkeit meines Überlebens ausgelöscht, welche sich auf eine menschenwürdige

    Rente stützte, für die ich 35 Jahre lang ohne jeglichen Zuschuss vom Staat eingezahlt habe. Da ich ein Alter erreicht habe, bei demich nicht mehr in der Lage bin, aktiv zu intervenieren (ohne jedoch auszuschließen, dass wenn ein Grieche eine Kalaschnikowergriffen hätte, ich dann der zweite gewesen wäre), finde ich keine andere Lösung als ein würdiges Ende, bevor ich die

  • 8/17/2019 Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia

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    Ort des Suizids von Dimitris

    Christoulas (8. April 2012)

    Mülltonnen durchwühle, um mich zu ernähren. Ich glaube, dass die zukunftslose Jugend

    eines Tages die Waffen ergreift, und am Platz der Verfassung die nationalen Verräter mit

    dem Kopf nach unten aufzuhängen, wie es die Italiener 1945 mit Mussolini taten.“

    (DIMITRIS CHRISTOULAS: Abschiedsbrief [225])

    Im Januar 2012 kündigte die Stavros Niarchos Foundation an, 130 Mio. Euro

    aufzuwenden, um Projekte zu unterstützen, die der Bewältigung der Folgen der Krise

    dienen.[226]

    Im Juni 2013 gibt der IWF zu, die desaströsen Folgen seines Sparprogramms für diegriechische Wirtschaft massiv unterschätzt zu haben.[227]

    Finanzielle Folgen für die Gläubiger

    Im ersten Hilfspaket vom Mai 2010 hatten der IWF 30 Mrd. Euro und die anderen Euro-Länder 77 Mrd. Euro (davon Deutschland

    15,17 Mrd. Euro) an Hilfsdarlehen gewährt. Bis Ende 2011 hatte Griechenland für fällige Kredite 380 Millionen Euro Zinsen an

    Deutschland überwiesen.[121]

    Im zweiten Hilfspaket aus dem Februar / März 2012 wurde Griechenland von der EZB insgesamt ungefähr 130 Mrd. Euro

    geliehen. Die EZB hielt zu diesem Zeitpunkt griechische Staatsanleihen im Wert von 56,5 Mrd. Euro. Bei Fälligkeit der Anlagen

    erhält die EZB neben der Tilgung auch Zinsen. Im März, Mai und August 2012 überwies Griechenland insgesamt rund 11,1 Mrd.

    Euro zur Schuldtilgung an die EZB. Für das Jahr 2012 wurden Zinsen von 2,5 Mrd. Euro erwartet, bis zum Jahr 2026 werden 12,7Mrd. Euro Zinsgewinne zusammenkommen. Die Gewinne werden anteilig nach der Größe der EZB-Kapitalgeber an die Euro-

    Länder ausgeschüttet. Der größte EZB-Kapitalgeber, die Deutsche Bundesbank, erhält dementsprechend auch den größten Anteil

    der Zinsen von der EZB.

    Im Vergleich dazu müssen die Nehmerländer für Kredite, welche aus dem EFSF stammen, geringere Zinsen zahlen. Sie setzen

    sich zusammen aus der Kreditaufnahmegebühr des EFSF und den Verwaltungskosten (siehe auch Abschnitt Zweites

    Rettungspaket von EU und IWF – Juli 2011 bis Februar / März 2012).[228][229][230]

    Stimmen in Deutschland

    Im April 2010 lehnte die Mehrheit der Deutschen eine Unterstützung Griechenlands in der Finanzkrise ab.[231] Im Juni 2011

    äußerten 63 Prozent der befragten Bürger bei der Umfrage ARD-Deutschlandtrend  Verständnis, dass Griechen gegen die

    einschneidenden Sparmaßnahmen protestieren.

    Verfassungsbeschwerden der Wissenschaftler Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm

    Nölling, des Managers Dieter Spethmann und des Politikers Peter Gauweiler (CSU) gegen die deutsche Beteiligung am

    Europäischen Stabilisierungsmechanismus zur Unterstützung von Griechenland in der Finanzkrise hat das

    Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Urteil vom 7. September 2011 zurückgewiesen.[232] Der Zweite Senat befand, dass

    die Maßnahmen zur Rettung des Euro mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Bundesrepublik Deutschland darf demnach der

    Republik Griechenland mit Kreditgarantien helfen und sich am künftigen Euro-Rettungsschirm EFSF beteiligen. Allerdings

    wiesen die Richter das deutsche Parlament an, bei weiteren Euro-Hilfen auf seinem Recht zu beharren, finanzpolitische

    Entscheidungen zu fällen. Es dürfe keinen Automatismus für Zahlungen geben, der die Rechte der Abgeordneten aushebelt. Die

    Hilfspakete müssten klar definiert sein und den Parlamentariern die Möglichkeit zur Kontrolle und zum Ausstieg geben.

    Ende Februar 2012 plädierte Innenminister Hans-Peter Friedrich als erstes deutsches Regierungsmitglied öffentlich für einen

    Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone: „Außerhalb der Währungsunion sind die Chancen Griechenlands, sich zu regenerieren

    und wettbewerbsfähig zu werden, mit Sicherheit größer, als wenn es im Euro-Raum verbleibt.“[233] Zwei Tage später wies der

    EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider darauf hin, dass Europa mehr sei als ein „Handelsplatz, auf dem man gute Geschäfte

    machen kann“ und die Gewährung der Hilfskredite „eine Frage der Solidarität ist“.[234]

    Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, sieht Deutschland als größten Profiteur der griechischen Finanzkrise in

    der Pflicht, einen Plan für den wirtschaftlichen Aufbau für Griechenland zu initiieren.[235]

    Laut einem Bericht „Griechenlandkrise: Das Märchen vom deutschen Zahlmeister“ des ARD-Fernsehmagazins Monitor

    (gesendet 1. März 2012) hat der deutsche Staat bei konservativer Rechnung durch niedrige(re) Zinsen bei seiner Kredit-Neuaufnahme 45 Mrd. € gespart. Direkt gezahlt hat die staatliche KfW-Bank bis zum Sendetermin 15,2 Milliarden Euro an

    Griechenland.[235] Allerdings haftet Deutschland durch Bürgschaften im Rahmen von EFSF und ESM, als Teil der EZB und als

    Mitgliedsland im IWF mit hohen dreistelligen Milliardensummen.

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    Laut Gustav Horn sind durch eine auf die griechische Finanzkrise zurückzuführende Geringer-Bewertung des Euro die ExporteDeutschlands um 50 Milliarden Euro gestiegen, was 2 % des BIP entspricht, diese Mehreinnahmen haben auch zu nominell

    höheren Steuereinnahmen geführt (wobei der Euro allerdings an Wert verloren hat).[235]

    Einen Tag vor der Wahl in Griechenland am 17. Juni 2012 verlangte Merkel mit „ungewöhnlich scharfen Worten“, so der Focus,

    ein Bekenntnis der Griechen zu den getroffenen Vereinbarungen.[236] Im August 2012 sagte der bayrische Finanzminister Markus

    Söder „Schuld an den Problemen in Griechenland sind die Griechen und sonst keiner“[237] und forderte an dem Land „ein

     Exempel zu statuieren“.[238]

    Der deutsche EU-Kommissar für Energie Günther Oettinger (EVP) hat sich am 10. August 2013 dafür ausgesprochen, denInternationalen Währungsfonds (IWF) an künftigen Hilfsprogrammen für überschuldete Euro-Länder nicht mehr zu beteiligen undstattdessen sollte die EU und Europäische Zentralbank (EZB) künftig allein die Programme stemmen. Zur Begründung sagte er, esgebe beim IWF viele kritische Stimmen, „die zu recht die Frage stellen, warum ausgerechnet das „reiche“ Europa derzeit 60Prozent der IWF-Hilfen erhält“.

    Die Deutsche Bundesbank befürwortet eine einmalige Vermögensabgabe für Krisenländer der Eurozone.

    „ In jedem Fall ist es unverfroren, unbeteiligte Dritte um Hilfe zu bitten, bevor der eigene Notgroschen nicht zum Einsatz gebracht worden ist.“

     – CDU-FINANZEXPERTE KLAUS-PETER WILLSCH ZUM THEMA FINANZPAKETE FÜR GRIECHENLAND[239]

    Literarische Verarbeitung

    Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass verarbeitete die griechische Finanzkrise und die Reaktionen der Staaten der

    Europäischen Union auf die Krise in seinem im Mai 2012 erschienenen Gedicht Europas Schande.[240]

    Siehe auch

    Finanzkrise ab 2007ELSTATEurokriseGrexit

    Literatur

    Detlef Hartmann, John Malamatinas: Krisenlabor Griechenland . Assoziation A, Berlin und Hamburg 2011, ISBN 978-3-86241-405-5.Georg Erber: Staatsverschuldung und Financial Engineering. In: Wochenbericht des DIW Berlin. Nr. 36, 2011, S. 11–19(PDF, 208 kB (http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.378372.de/11-36-3.pdf)).Aristos Doxiadis: Griechische Wirtschaft. Kleinunternehmer, Rentiers, Opportunisten – Institutionen, Mentalitäten. In:

     Lettre International. LI 94, Herbst 2011 (Auszüge online (http://www.lettre.de/archiv/94-doxiadis)).Heinz A. Richter: Athener Klientelismus. Die politische Kultur Griechenlands und die Wurzel der Schuldenkrise. In: Lettre

     International. LI 96, Frühjahr 2012 (Auszüge online (http://www.lettre.de/beitrag/richter-heinz_athener-klientelismus)).

    Weblinks

     Commons: Unruhen in Griechenland (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:2010_Greek_riots?uselang=de) –Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Eine Analyse der Krise bei Das Dossier, 8. Mai 2011 (http://www.dasdossier.de/magazin/geopolitik/strategien/griechen-am-pranger)Barnaby Phillips: The Greek Resistance(http://www.aljazeera.com/programmes/aljazeeracorrespondent/2012/11/2012111262426515410.html) (Hintergründe derFinanzkrise, engl.)

     Debatte über Euro-Zukunft – Sollen wir Griechenland pleitegehen lassen? (http://www.spiegel.de/wirtschaft/debatte-ueber-euro-zukunft-sollen-wir-griechenland-pleitegehen-lassen-a-786233.html) – Spiegel-Online-Artikel vom 15. September2011 mit Meinungsbekundungen von vielen kompetenten SeitenInternet-Präsenz des HRADF (http://www.hradf.com/) (griechisch / englisch)Publications of the Directorate General for Economic and Financial Affairs(http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/)

    Einzelnachweise

    1. Patrick Bernau: Schuldenkrise. (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/der-langsame-bank-run-in-griechenland-griechen-heben-ab-13428224.html) Die Griechen holen Milliarden von den Banken. In: FAZ.net.14. Februar 2015, abgerufen am 4. März 2015.

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    2. Europäische Kommission: Bericht zu den Statistiken Griechenlands über das öffentliche Defizit und den öffentlichenSchuldenstand. (http://ec.europa.eu/eurostat/documents/4187653/6406122/COM_2010_bericht_Griechenland.pdf/)Europäische Kommission – Januar 2010. In: eurostat. 8. Januar 2010, abgerufen am 31. Januar 2015 (PDF; 168 kB).

    3. Sebastian Görß, Finanz- und Schuldenkrise verstehen, ISBN 978-3-8482-1043-5, Seite 32, 334.  Bruttoverschuldung des Staates. (http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/refreshTableAction.do?

    tab=table&plugin=1&pcode=teina225&language=de) jährliche Daten. In: Tables, Graphs and Maps Interface (TGM).eurostat, 2013, abgerufen am 22. April 2013.

    5. Greece. (https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2013/cr1320.pdf) First and Second Reviews Under the ExtendedArrangement Under the Extended Fund Facility, Request for Waiver of Applicability, Modification of Performance Criteria,and Rephasing of Access. In: IMF Country Report No. 13/20. International Monetary Fund, 17. Januar 2013, abgerufen am23. April 2013 (PDF; 2.823 kB, englisch).

    6.  Bereitstellung der Daten zu Defizit und Verschuldung 2011 – zweite Meldung.(http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/2-22102012-AP/DE/2-22102012-AP-DE.PDF) Öffentliches Defizitim Euroraum und in der EU27 bei 4,1 % bzw. 4,4 % des BIP. In: Pressemitteilung euroindikatoren 149/2012. eurostat,22. Oktober 2012, abgerufen am 16. April 2013 (PDF; 378 kB).

    7.  Bereitstellung der Daten zu Defizit und Verschuldung 2012 – erste Meldung.(http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/2-22042013-AP/DE/2-22042013-AP-DE.PDF) Öffentliches Defizitim Euroraum und in der EU27 bei 3,7 % bzw. 4,0 % des BIP. In: Pressemitteilung euroindikatoren 63/2013. eurostat,22. April 2013, abgerufen am 22. April 2013 (PDF; 769 kB).

    8.  Rating-Agentur Fitch: Griechenland büßt an Kreditwürdigkeit ein. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rating-agentur-fitch-griechenland-buesst-an-kreditwuerdigkeit-ein-a-665890.html) In: Spiegel Online. 8. Dezember 2009,abgerufen am 1. Juli 2011.

    9. Kreditwürdigkeit: Weitere Ratingagentur stuft Griechenland herunter.(http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kreditwuerdigkeit-weitere-ratingagentur-stuft-griechenland-herunter-a-667548.html) In: Spiegel Online. 16. Dezember 2009, abgerufen am 1. Juli 2011.

    10. Griechenland Kredit-Rating: Moody’s stuft das Land auch herab (auf A2). (http://www.boersennotizbuch.de/griechenland-kredit-rating-moodys-stuft-das-land-auch-herab-auf-a2.php) In: B�