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Grimms Märchen Illustriert von Valerie Guhra

Grimm Obstructions

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Grimms Märchen werden mit verschiedenen gestalterischen Einschränkungen und Vorgaben modifiziert - Entstehung eines neuen kreativen Anspruches.

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Grimms MärchenIllustriert von Valerie Guhra

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Grimm ObstructionsIllustration SchwerpunktprojektValerie GuhraDozent: Florian Bayer 6. Semester/Sommer 2012Fachhochschule Gestaltung Würzburg/Schweinfurt

GRIMM OBSTRUCTIONS

Valerie Guhra

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Der dänische Regisseur Lars von Trier versuchte in seinem Film „5 Obstructions“ ein Experiment: Er forderte den Filmemacher Jørgen Leth heraus seinen Film „Der perfekte Mensch“, welcher ein Lieblingsfilm von Lars von Trier ist, mehrmals neu zu verfilmen.

Durch Einschränkungen und Vorgaben (formal, inhaltlich, moralisch) wollte er seinen ehemaligen Lehrer zum Scheitern zwingen. „Eine Hauptper-son taucht nicht auf“; „Dreh den Film als Anima-tion!“; „Verwende einen anderen Drehort!“ - Leth lies sich darauf ein und statt zu scheitern, drehte er im engen Korsett der aufgesetzten Regeln fünf weitere Filmperlen. Was dem damit unterle-genen Lars von Trier ganz und gar nicht in den Kram passte, aber uns hingegen ein wertvolles Prinzip aufzeigt:

Das Prinzip des Widerstandes - ein Rahmen aus Vorgaben und Veränderungen - führt nicht gleichzeitig zu künstlerischer Einschränkung und Scheitern, sondern zum Erlangen von mehr künstlerischer Freiheit.

Virtuos findet Leth immer wieder einen Weg, den er wohl sonst nicht gegangen wäre. „Grimm Obstructions“ stellt ein illustriertes Buch mit personenspezifischen Obstructions dar, wel-che auf den einzelnen Studenten zugeschnit-ten sind und dabei nicht wie bei von Trier als Gemeinheit und Pflichterfüllung gedacht, son-dern zur Festigung der eigenen künstlerischen Position eingesetzt werden.

Anlässlich des Grimm-Jahres (200 Jahre) be-dienen wir uns dabei unter anderem aus dem vielfältigen Materialberg der Grimmschen Märchen. Abwechslungsreich und in den un-terschiedlichsten Facetten picken wir uns haarsträubende Details, Erzählstrukturen und unbekannte Anektdoten der Brüder heraus.

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GRIMM OBSTRUCTIONS # 1

Mit dem sogenannten Siebdruckver-fahren soll das Grimmsche Märchen „Das tapfere Schneiderlein“ dargestellt werden. Dabei sind zwei Farben erlaubt. Alles handgemacht.

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Das tapfere Schneiderlein

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GRIMM OBSTRUCTIONS # 2

Präsentiere fünf Orte, die du für beson-ders hälst. Davon wird ein Ort für dich auserwählt und mit einem von zwei zur Verfügung stehenden Grimmschen Märchen kombiniert.

In meinem Falle müssen sich der Wolf und die sieben Geislein durch ein Ghet-to voller dunkler Straßen und übler Ge-stalten kämpfen. Da wird ein in der Bar arbeitender Bock schnell mal zum Dro-gendealer für ein Stück Kreide...

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Der Wolf und die sieben Geislein

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Es war einmal eine alte Geiß mit sieben junge Geißlein, und hatte sie lieb, wie eine Mutter ihre Kinder lieb hat. Eines Tages wollte sie in den Wald gehen und Futter holen, da rief sie alle sieben herbei und sprach: „Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald, seid auf der Hut vor dem Wolf! Wenn er hereinkommt, frisst er euch alle mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich ost , aber an der rauen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn schon erkennen.“

Die Geißlein sagten: „Liebe Mutter, wir wol-len uns schon in acht nehmen, du kannst ohne Sorge fortgehen.“ Da meckerte die Alte und machte sich getrost auf den Weg.

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Es dauerte nicht lange, so klopst e jemand an die Haustür und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch was mitgebracht!“ Aber die Geißlein hörten an der rau-en Stimme, dass es der Wolf war. „Wir machen nicht auf“, riefen sie, „du bist unsere Mutter nicht, die hat eine liebliche Stimme - du bist der Wolf!“ Da ging

der Wolf zu einem Krämer und kaust e ein Stück Kreide, die aß er und machte damit seine Stimme fein. Dann kam er zurück und rief: „Macht auf, eure Mutter ist da und hat jedem von euch was mitgebracht.“ Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster ge-legt, das sahen die Kinder: „Wir machen nicht auf, un-sere Mutter hat keinen schwarzen Fuß - du bist der Wolf.“

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Nun ging der Bösewicht zur Tür und sprach: „Macht mir auf, euer liebes Mütterchen ist gekommen und hat euch was aus dem Walde mitgebracht.“ Die Geißer-chen riefen: „Zeig‘ uns erst deine Pfote, damit wir wissen, dass du unser Mütterchen bist.“ Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen, dass sie weiß war, glaub-ten sie, es wäre wahr und machten auf. Da kam der

Wolf herein. Sie erschraken und versteckten sich. Eins sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünst e in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand alle; eins nach dem anderen schluckte er runter; nur das Jüngste im Uhrenkasten fand er nicht.

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Dann legte er sich auf die grüne Wiese und fi ng an Dann legte er sich auf die grüne Wiese und fi ng an Dann legte er sich auf die grüne Wiese und fi ng an zu schlafen. Endlich kam die Mutter und sah das Endlich kam die Mutter und sah das Endlich kam die Mutter und sah das Unglück. Sie ging in ihrem Jammer hinaus und das Unglück. Sie ging in ihrem Jammer hinaus und das Unglück. Sie ging in ihrem Jammer hinaus und das jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, so jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, so jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, so lag da der Wolf an dem Baume und schnarchte, dass lag da der Wolf an dem Baume und schnarchte, dass lag da der Wolf an dem Baume und schnarchte, dass die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten und sah, dass sich in seinem angefüllten Bauch und sah, dass sich in seinem angefüllten Bauch und sah, dass sich in seinem angefüllten Bauch etwas regte und zappelte. „Ach Gott“, dachte sie, „soll-etwas regte und zappelte. „Ach Gott“, dachte sie, „soll-etwas regte und zappelte. „Ach Gott“, dachte sie, „soll-ten meine armen Kinder, die er zum Abendbrot hin-ten meine armen Kinder, die er zum Abendbrot hin-ten meine armen Kinder, die er zum Abendbrot hin-untergewürgt hat, noch am Leben sein?“ Da musste untergewürgt hat, noch am Leben sein?“ Da musste untergewürgt hat, noch am Leben sein?“ Da musste das Geißlein nach Hause laufen und Schere, Nadel das Geißlein nach Hause laufen und Schere, Nadel das Geißlein nach Hause laufen und Schere, Nadel und Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm denund Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm denund Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm den

Wanst auf, und kaum hatte sie einen Schnitt ge-Wanst auf, und kaum hatte sie einen Schnitt ge-Wanst auf, und kaum hatte sie einen Schnitt ge-tan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus, tan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus, tan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus, und als sie weiter schnitt, sprangen alle sechse he-und als sie weiter schnitt, sprangen alle sechse he-und als sie weiter schnitt, sprangen alle sechse he-raus und waren noch alle am Leben und hatten raus und waren noch alle am Leben und hatten raus und waren noch alle am Leben und hatten nicht einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm nicht einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm nicht einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm hatte sie in der Gier ganz hinuntergeschluckt. Die hatte sie in der Gier ganz hinuntergeschluckt. Die hatte sie in der Gier ganz hinuntergeschluckt. Die Alte sagte: „Jetzt geht und sucht Wackersteine, damit Alte sagte: „Jetzt geht und sucht Wackersteine, damit Alte sagte: „Jetzt geht und sucht Wackersteine, damit wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch füllen, so-wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch füllen, so-wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch füllen, so-lange es noch im Schlafe liegt.“

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GRIMM OBSTRUCTIONS # 3

Das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ soll ohne Menschen dargestellt werden. Dafür darf die Geschichte ty-pografisch und mit abstrakten Formen gelöst werden.

Den in dem Märchen immer wieder vor-kommende Spruch „Mantje mantje Tim-pe te, buttje buttje in der See - meine Frau die Ilsebill, will nicht so wie ich es will“ impliziert den steigenden Herrschafts-willen und Machthunger der Frau Ilsebill. Das Meer schäumt und wird von Mal zu Mal dunkler. Den Spruch brannte ich mit-hilfe eines Lasers auf Papier und rieb ihn entsprechend intensiv mit Kohle ein.

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Es war einmal ein Fischer und seine Frau, die wohnten zusammen in einem alten Topfe, dicht an der See, und der Fischer ging alle Tage hin und angelte und angelte. So saß er auch einst und sah immer in das klare Wasser hinein; und er saß und saß. Da ging die Angel auf den Grund, tief hinunter, und als er sie heraufholte, zog er ei-nen großen Butt heraus. Der Fisch sprach zu ihm: „Hör‘ ein, Fischer, ich bitte dich, lass mich leben, ich bin ein

verwünschter Prinz. Was hilft es dir, wenn du mich tot-machst? Ich würde dir doch nicht recht schmecken; set-ze mich wieder ins Wasser und lass mich schwimmen.“ - „Nun“, sagte der Mann, „du brauchst nicht so viele Worte zu machen; einen Fisch, der sprechen kann, hätte ich so schon schwimmen lassen.“ Damit setzte er ihn wieder ins klare Wasser; da ging der Fisch auf den Grund und zog einen langen Streifen Blut nach sich.

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noch einmal hin und rufe ihn; sag‘ ihm, wir möch-ten gern eine kleine Hütte haben, er tut es gewiss.“ - „Ach“, sagte der Mann, „was sollt‘ ich noch einmal hingehen?“ - „Ei“, sagte die Frau, „du hattest ihn doch gefangen und hast ihn wieder schwimmen lassen, er tut es gewiss. Geh‘ gleich. hin.“ Der Mann wollte noch nicht recht, wollte aber seiner Frau nicht zu-wider sein und ging hin an die See. - Als er dort ankam, war die See ganz grün und gelb und gar nicht mehr so klar. So stellte er sich hin und sagte:

Nun stand der Fischer auf und ging zu seiner Frau in den Topf. „Mann“, sagte die Frau, „hast du heute nichts gefangen?“ - „Nein“, sagte der Mann, „ich fing einen Fisch, der sagte, er wäre ein verwünschter Prinz, da hab‘ ich ihn wieder schwimmen lassen.“ - „Hast du dir denn nichts gewünscht?“ fragte die Frau. „Nein“, sagte der Mann, „was sollt‘ ich mir wünschen?“ - „Ach“, sagte die Frau, „das ist doch schlimm, hier immer so im Topfe zu wohnen; es ist eklig und stinkt. Du hättest uns doch eine kleine Hütte wünschen können. Geh‘

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Da kam der Fisch angeschwommen und sagte: „Na, was will sie denn?“ -“Ach“, sagte der Mann, „ich hatte dich doch gefangen gehabt, und mei-ne Frau sagt, ich hätte mir auch etwas wünschen sollen. Sie mag nicht mehr in einem Topfe woh-nen, sie möchte gern eine Hütte haben.“ - „Geh‘ nur hin“, sagte der Fisch, „sie hat sie schon.“

Da ging der Mann hin, und seine Frau saß nicht mehr in einem Topfe, aber eine kleine Hütte stand da, und seine Frau saß vor der Tür auf einer Bank.

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Dem Mann war sein Herz so schwer, und er wollte nicht; er sagte bei sich selber: „Das ist nicht recht“; er ging aber doch hin. Als er an die See kam, war das Wasser ganz violett und dunkelblau und grau und dick, und gar nicht mehr so grün und gelb, doch war es ruhig. Da stellte er sich hin und sagte:

So ging das wohl acht oder vierzehn Tage, da sagte die Frau: „Höre, Mann, die Hütte ist doch gar zu eng, und der Hof und der Garten sind gar so klein; der Fisch hätte uns auch wohl ein grö-ßeres Haus schenken können. Ich möchte gern in einem großen steinernen Schlosse wohnen.

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„Na, was will sie denn?“ fragte der Fisch. „Ach“, sagte der Mann halb betrübt, „sie will in einem großen steinernen Schlosse wohnen.“ - „Geh‘ nur hin, sie steht vor der Tür“, sagte der Fisch.

Da ging der Mann hin und da stand dort ein großer, steinerner Palast, und seine Frau stand oben auf der Treppe.

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“Mann“, sagte sie, „wach‘ auf, geh‘ hin zum Fisch, ich will werden wie der liebe Gott.“ Der Mann meinte, er hätte sich verhört.

Draußen aber ging der Sturm und brauste, dass er kaum auf den Füßen stehen konnte. Die Häuser und die Bäu-me wurden umgeweht, und der Him-mel war pechschwarz, und es donnerte und blitzte, und die See ging in hohen schwarzen Wellen und hatten oben eine weiße Krone von Schaum auf. „Nun, was will sie denn?“ fragte der Fisch.“ Ach“, sagte der Mann, „sie will werden wie der liebe Gott.“ „Geh‘ nur hin, sie sitzt schon wieder im alten Topfe.“

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GRIMM OBSTRUCTIONS # 4

Das liebe Aschenputtel soll ausschließ-lich durch Klatschzeitschriften zum Le-ben erweckt werden. Je mehr zusam-mengeklebt, übereinander geschichtet, verschnitten, übermalt und abstrakter es wird, desto besser.

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Aschenputtel

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Einem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank, und als sie fühlte, daß ihr Ende herankam, rief sie ihr einziges Töchterlein zu sich ans Bett und sprach »liebes Kind, bleibe fromm und gut, so wird dir der liebe Gott immer beistehen, und ich will vom Him-mel auf dich herabblicken, und will um dich sein.« Darauf tat sie die Augen zu und verschied. Das Mäd-chen ging jeden Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinte, und blieb fromm und gut. Als der Winter kam, deckte der Schnee ein weißes Tüchlein auf das Grab, und als die Sonne im Frühjahr es wieder herab-gezogen hatte, nahm sich der Mann eine andere Frau.Die Frau hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, die schön und weiß von Angesicht waren, aber garstig und schwarz von Herzen. Da ging eine schlimme Zeit für das arme Stiefkind an. »Soll die dumme Gans bei uns in der Stube sitzen!«sprachen sie, »wer Brot essen will,

muß es verdienen: hinaus mit der Küchenmagd.« Sie nahmen ihm seine schönen Kleider weg, zogen ihm einen grauen alten Kittel an, und gaben ihm hölzerne Schuhe. »Seht einmal die stolze Prinzes-sin, wie sie geputzt ist!« riefen sie, lachten und führten es in die Küche. Da mußte es von Morgen bis Abend schwere Arbeit tun, früh vor Tag auf-stehn, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Obendrein taten ihm die Schwestern alles ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hat-te, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

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Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen sollte. »Schöne Klei-der, « sagte die eine, »Perlen und Edelsteine,« die zweite. »Aber du, Aschenputtel,« sprach er, »was willst du haben?« »Vater, das erste Reis, das Euch auf Eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab.« Er kaufte nun für die beiden Stief-schwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stief-töchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch.

Aschenputtel dankte ihm, ging zu seiner Mut-ter Grab und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß die Tränen darauf nieder-fielen und es begossen. Es wuchs aber, und ward ein schöner Baum. Aschenputtel ging alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und alle-mal kam ein weißes Vöglein auf den Baum, und wenn es einen Wunsch aussprach, so warf ihm das Vöglein herab, was es sich gewünscht hatte.

Es begab sich aber, daß der König ein Fest an-stellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn eine Braut aussuchen möch-te. Die zwei Stiefschwestern, als sie hörten, daß sie auch dabei erscheinen sollten, waren guter Dinge, riefen Aschenputtel und sprachen »kämm uns die Haare, bürste uns die Schuhe und mache uns die Schnallen fest, wir gehen zur Hochzeit auf des Kö-nigs Schloß.« Aschenputtel gehorchte, weinte aber, weil es auch gern zum Tanz mitgegangen wäre, und bat die Stiefmutter, sie möchte es ihm erlauben. »Du Aschenputtel,« sprach sie, »bist voll Staub und Schmutz, und willst zur Hochzeit? du hast keine Kleider und Schuhe, und willst tanzen!« Als es aber mit Bitten anhielt, sprach sie endlich »da habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast, so sollst du mitgehen.«

Das Mädchen ging durch die Hintertür nach dem Garten und rief »ihr zahmen Täubchen, ihr Turtel-täubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir lesen, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.«

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Es tanzte, bis es Abend war, da wollte es nach Haus gehen. Der Königssohn aber sprach »ich gehe mit und begleite dich,« denn er wollte sehen, wem das schöne Mädchen angehörte. Sie entwischte ihm aber und sprang in das Taubenhaus. Nun wartete der Königssohn, bis der Vater kam, und sagte ihm, das fremde Mädchen wär in das Taubenhaus gesprungen. Der Alte dachte »sollte es Aschenputtel sein?« und sie mußten ihm Axt und Hacken bringen, damit er das Taubenhaus entzweischlagen konnte: aber es war niemand darin. Und als sie ins Haus kamen, lag Aschenputtel in seinen schmutzigen Kleidern in der Asche, und ein trübes Öllämpchen brannte im Schornstein; denn Aschenputtel war geschwind aus dem Taubenhaus hinten herabgesprungen, und war zu dem Haselbäumchen gelaufen: da hatte es die schönen Kleider abgezogen und aufs Grab gelegt, und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Küche zur Asche gesetzt.

Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, ging Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach »Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.« Da warf der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann über seine Schönheit. Der Kö-nigssohn aber hatte gewartet, bis es kam, nahm es gleich bei der Hand und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er »das ist meine Tänzerin.«

Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein, und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nie-der. Und die Täubchen nickten mit den Köpfchen und fi ngen an pick, pick, pick, pick, und da fi ngen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körnlein in die Schüssel. Kaum war eine Stunde herum, so waren sie schon fertig und fl ogen alle wieder hinaus.

Da brachte das Mädchen die Schüssel der Stiefmut-ter, freute sich und glaubte, es dürfte nun mit auf die Hochzeit gehen. Aber sie sprach »nein, Aschenput-tel, du hast keine Kleider, und kannst nicht tanzen: du wirst nur ausgelacht.« Darauf kehrte sie ihm den Rücken zu und eilte mit ihren zwei stolzen Töch-tern fort. Als nun niemand mehr daheim war, ging Aschenputtel zu seiner Mutter Grab unter den Hasel-baum und rief »Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.« Da warf ihm der Vogel ein golden und silbern Kleid herunter und mit Seide und Silber ausgestickte Pantoffeln. In aller Eile zog es das Kleid an und ging zur Hochzeit. Sei-ne Schwestern aber und die Stiefmutter kannten es nicht und meinten, es müsse eine fremde Königstoch-ter sein, so schön sah es in dem goldenen Kleide aus. An Aschenputtel dachten sie gar nicht und dachten, es säße daheim im Schmutz und suchte die Linsen aus der Asche. Der Königssohn kam ihm entgegen, nahm es bei der Hand und tanzte mit ihm. Er wollte auch sonst mit niemand tanzen, also daß er ihm die Hand nicht losließ, und wenn ein anderer kam, es aufzufordern, sprach er »das ist meine Tänzerin.«

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Als es nun Abend war, wollte es fort, und der Kö-nigssohn ging ihm nach und wollte sehen, in welches Haus es ging: aber es sprang ihm fort und in den Gar-ten hinter dem Haus. Darin stand ein schöner großer Baum, an dem die herrlichsten Birnen hingen, es kletterte so behend wie ein Eichhörnchen zwischen die Äste, und der Königssohn wußte nicht, wo es hingekommen war. Er wartete aber, bis der Vater kam, und sprach zu ihm »das fremde Mädchen ist mir ent-wischt, und ich glaube, es ist auf den Birnbaum gesprungen.« Der Vater dachte »sollte es Aschen-puttel sein?« ließ sich die Axt holen und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und als sie in die Küche kamen, lag Aschenputtel da in der Asche, wie sonst auch, denn es war auf der andern Seite vom Baum herabgesprungen, hatte dem Vogel auf dem Haselbäumchen die schönen Kleider wieder-gebracht und sein graues Kittelchen angezogen. Am dritten Tag, als die Eltern und Schwestern fort waren, ging Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab und sprach zu dem Bäumchen »Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.« Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig und glänzend, wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden.

Als es in dem Kleid zu der Hochzeit kam, wuß-ten sie alle nicht, was sie vor Verwunderung sa-gen sollten. Der Königssohn tanzte allein mit ihm. «Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm, daß er nicht folgen konnte. Der Kö-nigssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen: da war, als es hinabsprang, der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn hob ihn auf, und er war klein, zierlich und ganz golden.

Am nächsten Morgen ging er damit zu dem Mann und sagte zu ihm »keine andere soll meine Gemahlin wer-den als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh paßt.« Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hat-ten schöne Füße. Die älteste ging mit dem Schuh in die Kammer und wollte ihn anprobieren, und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach »hau die Zehe ab: wann du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.« Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiß den Schmerz und ging heraus zum Königssohn.

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Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Sie mußten aber an dem Grabe vorbei, da saßen die zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen und riefen

»rucke di guck, rucke di guck,Blut ist im Schuck (Schuh):Der Schuck ist zu klein,die rechte Braut sitzt noch daheim.«

Da blickte er auf ihren Fuß und sah, wie das Blut herausquoll. Er wendete sein Pferd um, brachte die falsche Braut wieder nach Hause und sagte, das wäre nicht die rechte, die andere Schwester solle den Schuh anziehen. Da ging diese in die Kammer und kam mit den Zehen glücklich in den Schuh, aber die Ferse war zu groß. Da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach »hau ein Stück von der Ferse ab: wann du Königin bist, brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.« Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab, zwängte den Fuß in den Schuh, ver-biß den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeika-men, saßen die zwei Täubchen darauf und riefen

»rucke di guck, rucke di guck,Blut ist im Schuck (Schuh):Der Schuck ist zu klein,die rechte Braut sitzt noch daheim.«

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Die Stiefmutter und die beiden Schwestern er-schraken und wurden bleich vor Ärger: er aber nahm Aschenputtel aufs Pferd und ritt mit ihm fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbei-kamen, riefen die zwei weißen Täubchen

»rucke di guck, rucke di guck,kein Blut im Schuck:Der Schuck ist nicht zu klein,die rechte Braut, die führt er heim.«

Und als sie das gerufen hatten, kamen sie beide herabgeflogen und setzten sich dem Aschenputtel auf die Schultern, eine rechts, die andere links, und blieben da sitzen. Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden, kamen die falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und teil an seinem Glück nehmen. Als die Braut-leute nun zur Kirche gingen, war die älteste zur rechten, die jüngste zur linken Seite: da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus. Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit Blindheit auf ihr Lebtag bestraft.

Er blickte nieder auf ihren Fuß und sah, wie das Blut aus dem Schuh quoll und an den weißen Strümpfen ganz rot heraufgestiegen war. Da wen-dete er sein Pferd und brachte die falsche Braut wieder nach Haus. »Das ist auch nicht die rech-te,« sprach er, »habt ihr keine andere Tochter?« »Nein,« sagte der Mann, »nur von meiner ver-storbenen Frau ist noch ein kleines verbuttetes Aschenputtel da: das kann unmöglich die Braut sein.« Der Königssohn sprach, er sollte es herauf-schicken, die Mutter aber antwortete »ach nein, das ist viel zu schmutzig, das darf sich nicht sehen lassen.« Er wollte es aber durchaus haben, und Aschenputtel mußte gerufen werden. Da wusch es sich erst Hände und Angesicht rein, ging dann hin und neigte sich vor dem Königssohn, der ihm den goldenen Schuh reichte. Dann setzte es sich auf ei-nen Schemel, zog den Fuß aus dem schweren Holz-schuh und steckte ihn in den Pantoffel, der war wie angegossen. Und als es sich in die Höhe richtete und der König ihm ins Gesicht sah, so erkannte er das schöne Mädchen, das mit ihm getanzt hatte, und rief »das ist die rechte Braut.«

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GRIMM OBSTRUCTIONS # 5

Dieses relativ unbekannte Grimms Mär-chen handelt von einem Soldaten, der nach Kriegsende nicht fair bezahlt wor-den war und sich am rachgierigen Kö-nig rächen will. Auf seinem Weg trifft er auf allerhand Folgschaft, die sich durch besondere Fähigkeiten auszeichnen.

Die Geschichte soll mit aktuellen Nachrichten verknüpft werden – hier mit dem arabischen Frühling. Nach dem Motto: Zusammen ist man stark, entstanden illustrative Aquarellarbei-ten verbunden mit Zitaten, die mit der Revolution durch die Bevölkerung und Politik einhergingen.

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Sechse kommen durch die ganze WeltSechse kommen durch die ganze Welt

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„Arabiens Stunde

der Wahrheit. Die eigentliche Auseinandersetzung

kommt noch.“

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Es war einmal ein Mann, der verstand aller-lei Künste er diente im Krieg und hielt sich brav und tapfer, aber als der Krieg zu Ende war, bekam er den Abschied und drei Heller Zehrgeld auf den Weg. „Wart“, sprach er, „das lasse ich mir nicht gefallen finde ich die rechten Leute, so soll mir der König noch die Schätze des ganzen Landes herausgeben.

Da ging er voll Zorn in den Wald und sah einen darin stehen, der hatte sechs Bäume ausgerupft, als wären‘s Kornhalme. Sprach er zu ihm: „Willst du mein Diener sein und mit mir ziehen ?“ „Ja, antwortete er, „aber erst will ich meiner Mutter das Wellchen Holz heimbringen“, und nahm einen von den Bäumen und wickelte ihn um die fünf an-dern, hob die Welle auf die Schulter und trug sie fort. Dann kam er wieder und ging mit seinem Herrn, der sprach: „Wir zwei sollten wohl durch die ganze Welt kommen.“

Und als sie ein Weilchen gegangen waren, fanden sie einen Jäger, der lag auf den Knien, hatte die Büchse angelegt und ziel-te. Sprach der Herr zu ihm: „Jäger, was willst du schießen ?“ Er antwortete: „Zwei Meilen von hier sitzt eine Fliege auf dem Ast ei-nes Eichbaumes, der will ich das linke Auge herausschießen.“ „Oh, geh mit mir‘, sprach der Mann, „wenn wir drei zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.“

„Die Quelle des Bösen in der Welt ist das Menschliche Herz und darum brauchen wir eine Revolution, einen neuen Frühling, eine neue Geburt!“

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Der Jäger war bereit und ging mit ihm, und sie kamen zu sieben Windmühlen, deren Flügel trie-ben ganz hastig herum, und ging doch links und rechts kein Wind. Als sie zwei Meilen fortge-gangen waren, sahen sie einen auf einem Baum sitzen, der hielt das eine Nasenloch zu und blies aus dem andern. „Mein ! Was treibst du da oben?“ fragte der Mann. Er antwortete: „Zwei Meilen von hier stehen sieben Windmühlen, seht, die bla-se ich an, daß sie laufen.“ „Oh, geh mit mir“, sprach der Mann, „wenn wir vier zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen !“

Da stieg der Bläser herab und ging mit, und über eine Zeit sahen sie einen, der stand da auf einem Bein und hatte das andere abgeschnallt und neben sich gelegt. Da sprach der Herr: „Du hast dir‘s ja bequem gemacht zum Ausruhen.“ „Ich bin ein Läufer“, antwortete er, „und da-mit ich nicht gar zu schnell springe, habe ich mir das eine Bein abgeschnallt.“ „Oh, geh mit mir, wenn wir fünf zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen !“

Da ging er mit, und gar nicht lang, so begeg-neten sie einem, der hatte ein Hütchen auf, hatte es aber ganz auf dem einen Ohr sitzen. Da sprach der Herr zu ihm: „Manierlich ! Häng deinen Hut doch nicht auf ein Ohr, du siehst ja aus wie ein Hansnarr.“ „Ich darf‘s nicht tun“, sprach der andere, „denn setz‘ ich meinen Hut gerad, so kommt ein gewaltiger Frost, und die Vögel unter dem Himmel erfrieren und fallen tot zur Erde.“ „Oh, geh mit mir“, sprach der Herr, „wenn wir sechs zusammen sind, sollten wir Wohl durch die ganze Welt kommen !“

„Wir werden sehr autoritäre Systeme haben, einen Go� esstaat sehe ich nirgends entstehen.“

Page 53: Grimm Obstructions

„Das Volk will den Präsidenten hängen!“

Page 54: Grimm Obstructions

„Scheitert der Arabische Frühling, wird das

nicht zu neuen Diktaturen führen, sondern

eher zu einem Tsunami der Wut.“

„Die Armee weigerte sich bisher, auf das eigene Volk zu schießen.“

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Es war aber bestimmt, daß wer am ersten Was-ser aus einem weit abgelegenen Brunnen brächte, der sollte Sieger sein. Nun bekam der Läufer einen Krug und die Königstoch-ter auch einen, und sie fingen zu glei-cher Zeit zu laufen an; aber in einem Augenblick, als die Königstochter erst eine kleine Strecke fort war, konnte den Läufer schon kein Zuschauer mehr sehen. In kurzer Zeit langte er bei dem Brunnen an, schöpfte den Krug voll Wasser und kehrte wieder um. Mitten aber auf dem Heimweg überkam ihn eine Müdigkeit, da setzte er den Krug hin, legte sich nieder und schlief ein.

Nun gingen die sechse in eine Stadt, wo der König hatte bekanntmachen lassen, wer mit seiner Tochter in die Wette laufen wollte und den Sieg davontrüge, der sollte ihr Gemahl werden; wer aber verlöre, müßte seinen Kopf hergeben. Da meldete sich der Mann und sprach: „Ich will aber meinen Diener für mich laufen lassen.“ Der König antwortete: „Dann mußt du auch noch dessen Leben zum Pfand setzen.“ Als das verabredet und festgemacht war, schnallte der Mann dem Läufer das andere Bein an und sprach zu ihm: „Nun sei hurtig und hilf, daß wir siegen !“

„Das Volk will das

Ende des Regimes!“

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„Unser Blut ist Treibsto� für unsere Revolution!“

Er hatte aber einen Pferdeschädel der da auf der Erde lag, zum Kopfkissen gemacht, damit er hart läge und bald wieder erwache. Indessen war die Königstochter, die auch gut laufen konn-te, bei dem Brunnen angelangt und eilte mit ihrem Krug voll Wasser zurück; und als sie den Läufer da liegen und schlafen sah, war sie froh und sprach: „Der Feind ist in meine Hände gegeben“, leerte seinen Krug aus und sprang weiter. Nun wäre alles verloren gewesen, wenn nicht zum guten Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mitangesehen hätte. Da sprach er: „Die Königstochter soll doch gegen uns nicht aufkommen“, lud seine Büchse und schoß so ge-schickt, daß er dem Läufer den Pferdeschädel unterm Kopf wegschoß, ohne ihm weh zu tun. Da erwachte der Läufer, sprang in die Höhe und sah, daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit voraus war. Aber er verlor den Mut nicht, lief mit dem Krug wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser und war noch zehn Mi-nuten eher als die Königstochter daheim. „Seht ihr“, sprach er, „jetzt hab ich erst die Beine auf-gehoben, vorher war‘s gar kein Laufen zu nennen.“

Den König aber kränkte es und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedank-ter Soldat davontragen sollte; sie ratschlag-ten miteinander, wie sie ihn samt seinen Ge-sellen los würden. Da sprach der König zu ihr: „Ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sollen nicht wieder heimkommen.“ Und sprach zu ihnen: „Ihr sollt euch nun zu-sammen lustig machen, essen und trinken“, und führte sie zu einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen, und die Türen waren auch von Eisen. In der Stube war eine Tafel mit köst-lichen Speisen besetzt, da sprach der König zu ihnen: „Geht hinein und laßt euch wohl sein !“

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„Wir lassen uns nichtvom Regime unterdrücken!“

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Und wie sie darinnen waren, ließ er die Türe verriegeln. Dann ließ er den Koch kommen und befahl ihm, ein Feuer unter die Stube zu ma-chen, dass das Eisen glühend würde. Das tat der Koch, und es ward den sechsen in der Stu-be, während sie an der Tafel saßen, ganz warm und als sie hinaus wollten, Tür und Fenster aber verschlossen fanden, da merkten sie, daß der König Böses im Sinne gehabt hatte.„Es soll ihm aber nicht gelingen“, sprach der mit dem Hütchen, „ich will einen Frost kommen lassen, von dem sich das Feuer ver-kriechen soll.“ Da setzte er sein Hütchen gerade, und alsobald fiel ein Frost, daß alle Hitze verschwand. Als nun ein paar Stunden herum waren und der König glaubte, sie wären in der Hitze verschmachtet, ließ er die Türe öffnen. Aber wie die Türe aufging, standen sie alle sechse da, frisch und gesund und sagten, es wäre ihnen lieb, daß sie heraus könnten, sich zu wärmen, wegen der großen Kälte in der Stube. Da ging der König voll Zorn hinab zu dem Koch und fragte, warum er nicht getan hätte, was ihm wäre befohlen worden. Der Koch aber antwortete: „Es ist Glut genug da, seht selbst.“ Er sah es und merkte, daß er den sechsen auf diese Weise nichts anhaben konnte. Nun sann der König aufs neue, wie er die bösen Gäste los würde, ließ den Meister kommen und sprach: „Willst du Gold nehmen und dein Recht auf meine Toch-ter aufgeben, so sollst du haben, soviel du willst.“ „Oh ja, Herr König“, antwortete er, „gebt mir soviel, als mein Diener tragen kann, so verlange ich Eure Tochter nicht.“

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Dann huckte er ihn auf den Rücken und ging mit seinen Gesellen fort. Als der König ihn sah, ward er zornig und ließ seine Reiter auf-sitzen, die sollte ihnen nachjagen. Sie holten sie bald ein und riefen ihnen zu: „Legt den Sack mit dem Gold weg oder ihr werdet zusammen-gehauen !“ „Was sagt ihr ?“ sprach der Bläser, „eher sollt ihr in der Luft herumtanzen“, hielt das Nasenloch zu und blies die Regimenter an, da fuhren sie auseinander über alle Berge weg. Der Bläser sprach zu einem: „Nun geh heim zum Kö-nig und sag, er sollte nur noch mehr Reiterei schicken, ich wollte sie alle in die Luft bla-sen.“ Der König, als er den Bescheid vernahm, sprach: „Laßt die Kerle gehen, die haben etwas an sich.“Da brachten die sechse den Reichtum heim, und lebten vergnügt bis an ihr Ende.

Da war der König zufrieden, und sprach wei-ter: „So will ich in vierzehn Tagen kommen und es holen.“ Darauf rief er alle Schnei-der aus dem Reich herbei, die mußten vier-zehn Tage lang sitzen und einen Sack nähen. Und als er fertig war, mußte der Starke ihn zu dem König nehmen. Da erschrak der Kö-nig und dachte: Was wird der für Gold weg-schleppen. „Warum bringt ihr nicht gleich mehr, das deckt ja kaum den Boden“, sprach der Starke. Da ließ der König nach und nach seinen ganzen Schatz herbeitragen, und der Sack ward davon noch nicht zur Hälfte voll. Da mußten noch siebentausend Wagen mit Gold in dem ganzen Reich zusammenge-fahren werden, die schob der Starke samt den vorgespannten Ochsen in seinen Sack.

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„Wir haben eine neue arabische Jugend kennen gelernt.“

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Ende

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