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42 politik&kommunikation | Februar 2009 Große Aufgaben 2009 muss die EU ihre Handlungsfähigkeit beweisen: Zweiter Anlauf für den Reformvertrag, Parlamentswahl, neue Kommission, Rezepte gegen die Wirtschaftskrise. Ein Ausblick. Auch im tschechischen Parlament steht die Abstimmung zur Ratifizierung noch aus. Das wird allem Anschein nach nicht nur eine Formalität sein. Einige tschechische Abgeordnete gedenken, den Lissaboner Vertrag zunächst noch einmal auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Danach kann sich der euros- keptische Präsident Vaclav Klaus dann immer noch an das tschechische Verfas- sungsgericht mit seinen Vorwürfen wen- den, was die Ratifizierung noch weiter in die Zukunft verschieben könnte. Das verleiht der tschechischen Präsident- schaft eine gewisse Pikanz. Bei der anstehenden Wahl des Euro- päischen Parlaments ist es wahrschein- lich, dass die Mitte-Rechts-Mehrheit bestätigt wird, auch wenn europaskep- tische Abtrünnler das Lager möglicher- weise schwächen werden. Am Ende wird es wahrscheinlich sein, dass, wie schon in früheren Europaparlamenten, die Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischen Demokraten und die Sozialisten den Parlamentsvorsitz unter sich teilen werden. Es ist abzusehen, dass der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten, International D as Jahr 2009 wird ein politi- sches Schlüsseljahr, ein Super- wahl- und ein Superkrisenjahr. Gesucht wird das richtige Mittelmaß zwi- schen politischer Konstanz und dem Mut zu Wandel und Reformen. Die Public- Affairs-Abteilungen werden sich auf ein turbulentes Jahr vorbereiten können. Viele der wirtschaftlichen und politi- schen Themen sind grenzüberschreitend. Das wird mehr denn je die Handlungsfä- higkeit der EU auf den Prüfstand stellen. Ist die EU bereit für 2009? Entscheidung über Reformvertrag Eine Kernfrage ist, ob es gelingen wird, den Vertrag von Lissabon erfolgreich zu ratifizieren. Das irische „Nein“ vom Juni 2008 hat eine Schockwelle durch die EU geschickt. Nach Sondergarantien für die Iren erwartet man nun, dass ein erneutes Referendum zügig durchgeführt wird. Dieses wird voraussichtlich im Herbst stattfinden, so dass die Europäischen Parlamentswahlen im Juni noch unter den bestehenden Regelungen der Nizza- er Verträge stattfinden werden. Martin Schulz, die zweiten zweieinhalb Jahre der Legislatur übernehmen wird. Er wird damit vermutlich auf den polnischen Ex-Premier Jerzy Buzek folgen. Buzek wäre der erste Osteuropäer, der den Vor- sitz des Europaparlaments übernähme. Eine neue Kommission Mit der Wahl des neuen Kommissions- präsidenten – hier stehen alle Zeichen auf eine weitere Amtszeit für José Ma- nuel Barroso – stünde nach dem beste- henden Vertrag von Nizza auch die Re- duzierung der Kommissare an. Zurzeit ist jedoch unklar, ob eine solche Redu- zierung vorgenommen wird. Für den Fall, dass der Vertrag von Lissabon um- gesetzt wird, haben die Staats- und Re- gierungschefs bereits zugesagt, die Zahl der Kommissare unverändert bei einem Kommissar pro Land zu belassen. Die Diskussion über die möglichen neuen Kommissare ist bereits in vollem Gange. Was Deutschland betrifft, wird Günter Verheugen nicht in eine neue Amtszeit gehen. Bundeskanzlerin Mer- kel will Peter Hintze ins Rennen um die Nachfolge schicken. Außenpolitik Mit der Amtseinführung Barack Obamas verknüpft sich die europäische Hoffnung eines revitalisierten Dialogs mit den USA. Es ist aber nicht nur das Verhält- nis zu den USA, sondern auch der nicht unkomplizierte Dialog mit Russland und Das EU-Parlament in Straßburg

Große Aufgaben

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Ausblick zu zentralen Herausforderungen für die EU im Jahr 2009 in "Politik & Kommunikation"

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Page 1: Große Aufgaben

42 politik&kommunikation | Februar 2009

Große Aufgaben2009 muss die EU ihre Handlungsfähigkeit beweisen: Zweiter Anlauf für den Reformvertrag, Parlamentswahl, neue Kommission, Rezepte gegen die Wirtschaftskrise. Ein Ausblick.

Auch im tschechischen Parlament steht die Abstimmung zur Ratifizierung noch aus. Das wird allem Anschein nach nicht nur eine Formalität sein. Einige tschechische Abgeordnete gedenken, den Lissaboner Vertrag zunächst noch einmal auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Danach kann sich der euros-keptische Präsident Vaclav Klaus dann immer noch an das tschechische Verfas-sungsgericht mit seinen Vorwürfen wen-den, was die Ratifizierung noch weiter in die Zukunft verschieben könnte. Das verleiht der tschechischen Präsident-schaft eine gewisse Pikanz.

Bei der anstehenden Wahl des Euro-päischen Parlaments ist es wahrschein-lich, dass die Mitte-Rechts-Mehrheit bestätigt wird, auch wenn europaskep-tische Abtrünnler das Lager möglicher-weise schwächen werden. Am Ende wird es wahrscheinlich sein, dass, wie schon in früheren Europaparlamenten, die Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischen Demokraten und die Sozialisten den Parlamentsvorsitz unter sich teilen werden. Es ist abzusehen, dass der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten,

International

Das Jahr 2009 wird ein politi-sches Schlüsseljahr, ein Super-wahl- und ein Superkrisenjahr.

Gesucht wird das richtige Mittelmaß zwi-schen politischer Konstanz und dem Mut zu Wandel und Reformen. Die Public-Affairs-Abteilungen werden sich auf ein turbulentes Jahr vorbereiten können.

Viele der wirtschaftlichen und politi-schen Themen sind grenzüberschreitend. Das wird mehr denn je die Handlungsfä-higkeit der EU auf den Prüfstand stellen.Ist die EU bereit für 2009?

Entscheidung über Reformvertrag

Eine Kernfrage ist, ob es gelingen wird, den Vertrag von Lissabon erfolgreich zu ratifizieren. Das irische „Nein“ vom Juni 2008 hat eine Schockwelle durch die EU geschickt. Nach Sondergarantien für die Iren erwartet man nun, dass ein erneutes Referendum zügig durchgeführt wird. Dieses wird voraussichtlich im Herbst stattfinden, so dass die Europäischen Parlamentswahlen im Juni noch unter den bestehenden Regelungen der Nizza-er Verträge stattfinden werden.

Martin Schulz, die zweiten zweieinhalb Jahre der Legislatur übernehmen wird. Er wird damit vermutlich auf den polnischen Ex-Premier Jerzy Buzek folgen. Buzek wäre der erste Osteuropäer, der den Vor-sitz des Europaparlaments übernähme.

Eine neue Kommission

Mit der Wahl des neuen Kommissions-präsidenten – hier stehen alle Zeichen auf eine weitere Amtszeit für José Ma-nuel Barroso – stünde nach dem beste-henden Vertrag von Nizza auch die Re-duzierung der Kommissare an. Zurzeit ist jedoch unklar, ob eine solche Redu-zierung vorgenommen wird. Für den Fall, dass der Vertrag von Lissabon um-gesetzt wird, haben die Staats- und Re-gierungschefs bereits zugesagt, die Zahl der Kommissare unverändert bei einem Kommissar pro Land zu belassen.

Die Diskussion über die möglichen neuen Kommissare ist bereits in vollem Gange. Was Deutschland betrifft, wird Günter Verheugen nicht in eine neue Amtszeit gehen. Bundeskanzlerin Mer-kel will Peter Hintze ins Rennen um die Nachfolge schicken.

Außenpolitik

Mit der Amtseinführung Barack Obamas verknüpft sich die europäische Hoffnung eines revitalisierten Dialogs mit den USA. Es ist aber nicht nur das Verhält-nis zu den USA, sondern auch der nicht unkomplizierte Dialog mit Russland und

Das EU-Parlament in Straßburg

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International

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die Konfliktlösungskompetenz im Na-hen Osten und im Kaukasus, die zwin-gend notwendig machen, dass die EU ihre Außenpolitik ordnet.

Die Erfahrungen aus dem Gasstreit und dem Nahost-Konflikt zeigen, wie schwierig dieses Vorhaben ist. Während die EU oft noch unkoordiniert und we-nig durchsetzungsstark auftritt, erzielen nationale Vorstöße eine größere Auf-merksamkeit – und sind letztlich meist erfolgreicher. Ein EU-Außenminister könnte hier etwas ändern, fraglich ist nur, wie flexibel und durchsetzungsfähig ein Außenminister handeln kann, der den Konsens zwischen Mitgliedsländern mit teils sehr unterschiedlichen Agenden wahren muss.

Wirtschaft und Finanzen

Die Union sieht sich mit einer Finanzkri-se konfrontiert, die alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen betrifft. Die tschechische Regierung hat öffentlich verlauten las-sen, dass sie auf der Angebotsseite den Hebel mit Kosten- und Steuersenkun-gen und einem flexibleren Arbeitsmarkt ansetzen wolle. Mit zusätzlichen 200 Milliarden Euro, die vornehmlich in die Haushaltsposten Transport, Telekommu-nikation und Energienetze gehen, soll auf der Nachfrageseite ein Stimulus er-zeugt werden.

Die aktuelle Wirtschafts- und Finanz-krise hat aber auch gezeigt, wie wichtig eine verbesserte Regulierung und Auf-sicht der europäischen Finanzunterneh-men ist. Die Staats- und Regierungschefs haben klar signalisiert: Diese Frage muss höchste Priorität genießen.

Die jüngsten Rückschläge bei der Sol-vabilität-II-Richtlinie setzen dem Vorha-ben enge Grenzen. Das fortschrittlichste der bislang vorgelegten Modelle wurde von den Finanzministern gekippt. Die Hoffnungen stützen sich nun auf die im Oktober 2008 eingesetzte Gruppe unter dem Ex-IWF-Chef Jacques de Larosière. Diese wird beim Europäischen Rat im März einen Bericht mit ersten Empfeh-lungen vorlegen.

Klima und Energie

Die Europäische Union setzt momen-tan eine große Zahl an legislativen und regulativen Maß-nahmen um mit den Zielen, den Klimawandel zu bekämpfen, die Energieversorgung zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in den EU-Ländern zu schützen – drei Foto

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Henry Werner, Volker Wendt, Michal Donath

Burson-Marsteller Berlin, Brüssel und Prag

Kontakt: Marco Hardt

Managing Director Public AffairsBurson-Marsteller, [email protected]

Prioritäten, die sich immer wieder in einem Zielkonflikt zueinander befinden.

Zwei Pakete sind geschnürt worden: Das Klimawandel-Paket mit seinem 20-20-20-Ziel (bestehend aus der Er-neuerbaren Energie-, Emissionshandels- und CCS-Richtlinie) wurde erst jüngst im Dezem-ber 2008 verabschiedet. Der nächste Schritt wird darin bestehen, diese Zielsetzungen in nationales Recht umzu-setzen – die politischen Herausforderungen, die hiermit verbunden sein werden, zeichnen sich bereits ab. Das zweite Paket widmet sich der Energiesicherheit (Bin-nenmarkt, Energieef-fizienz, Infrastruktur). Im Dezember vorge-legt, wird dieses Paket die Energieagenda der kommenden Monate diktieren. Die jüngste Gaskrise hat deutlich gezeigt, wie wichtig ein Engagement in diesem Bereich ist.

Energiesicherheit, so hat die tschechische Präsidentschaft bereits Anfang Januar unter-strichen, sei auch ein Gebot der politischen Stabilität in der Uni-on. Damit erhalten die aktuellen, teilweise umstrittenen Infra-strukturprojekte Rückenwind. Entschei-dend wird jedoch sein, ob es der Präsi-dentschaft gelingen wird, die hierfür not-wendigen Rechtsgrundlagen zu schaffen.

Die tschechische Präsidentschaft

Die tschechische Regierung ist im Vor-feld der Präsidentschaft bestrebt ge-wesen, unter dem Schlagwort „Europa ohne Grenzen“ die besondere politisch-geographische Funktion des Landes als Scharnier zwischen West und Ost hervorzuheben. Die ersten Wochen der Präsidentschaft zeigen jedoch, dass sich die tschechische Regierung den zahlrei-chen tagespolitischen Herausforderun-

gen beugen muss: Der Gaskonflikt, der Konflikt im Nahen Osten und die Kon-sequenzen der Finanzkrise dominieren die europäische Politik ohne geographi-sche und zeitliche Grenzen. Diese The-men sind anders als die erträumte Visi-on. Anpassung und Krisenmanagement werden letztlich wohl das Gesamtbild prägen.

Wichtige EntscheidungenWelche EU-Termine müssen Unternehmen 2009 im Auge behalten? p&k listet sie auf.

Bei der Finanz- und Versicherungsaufsicht geht es darum, einen konsensfähigen Vorschlag zur grenzübergreifenden Finanzaufsicht vorzulegen. Wegmarken sind:

• Rat „Wirtschaft und Finanzen“: 10. Februar, 5. Mai und 9. Juni • G7-Treffen der Finanzminister: 13. – 14. Februar • Eurogroup-Sitzung: 9. März, 4. Mai und 8. Juni• Die Larosière-Gruppe legt ihren Bericht im März vor• G20-Gipfel in London: 2. April• Informelles Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister: 3. – 4. April

Wichtige Fragen der Energiesicherheit betreffen die nationalen Netze, Gasimporte und den Neubau von Pipelines:

• European Sustainable Energy Week: 9. – 13. Februar• Rat „Energie“: 19. Februar und 12. Juni• Rat „Umwelt“: 2. März und 25. Juni• Nuklearforum 2009: 28. – 29. Mai• Informelles Treffen der Umweltminister: 12. – 14. Juni• Uno-Klimagipfel COP-15: 7. – 18. Dezember

„Kreativität und Innovation“ ist 2009 das Motto der EU. Bil-dung und Innovationsförderung sowie der Schutz des geisti-gen Eigentums und des Urheberrechts stehen auf der Agenda:

• Konferenz „Europäisches Jahr der Kreativität und Innovation“: 2. – 3. März• Konferenz „Creative Industries: a driver of growth, employment

and innovation”: 18. – 19. März• First European SME Week: 6. – 14. Mai

Die EU legt mit Maßnahmen zu höherer Lebensmittelsicherheit und einem neuen Verbraucherrecht einen Schwerpunkt auf Verbraucherfragen:

• Rat „Landwirtschaft und Fischerei“: 25. Februar• Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherfra-

gen“: 9. – 10. März und 8. – 9. Juni• Präsidentschaftssitzung des Europäischen Komitees für Ecolabel-

ling: 11. – 12. Mai