Grüne Gentechnik - Fakten und Mythen

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    Steffen Hentrich

    Grne Gentechnik Fakten und Mythen

    Einfhrung

    Die Grne Gentechnik ist in Deutschland und Europa ein umstrittenes Thema.Umweltorganisationen laufen Sturm gegen jede neue Zulassung gentechnisch vernderten

    Saatguts, die Konsumenten sind verunsichert und die Bauern sind sich uneinig, ob sie die neuenMglichkeiten der Grnen Gentechnik nutzen wollen.

    Nach Ansicht von Umweltorganisationen wie Greenpeace sind Gen-Pflanzen, einmal in derUmwelt freigesetzt, nicht mehr rckholbar. Sie befrchten eine Gefhrdung des kologischenGleichgewichts und eine Gefhrdung der Gesundheit. Bereits heute wrde der Anbau vongentechnisch vernderten Pflanzen zu einem hheren Pestizidverbrauch, der Entstehung vonSuperunkrutern, einer Schdigung von Ntzlingen, der Verdrngung traditioneller Pflanzenartenund damit einer Gefhrdung unserer Artenvielfalt fhren. Die europischen Verbraucher reagierenauf derlei alarmierende Nachrichten mit einer Ablehnung von Lebensmitteln aus gentechnischvernderten Pflanzen und Futtermitteln. Die europischen Landwirte befrchten zudem, dass der

    zunehmende Konkurrenzdruck von Produzenten transgener Pflanzen und daraus hergestellterLebensmittel ihnen die Wettbewerbsfhigkeit und damit die wirtschaftliche Grundlage raubt.

    Die Politik hat darauf mit einer sehr vorsichtigen und restriktiven Zulassungspraxis fr dasInverkehrbringen gentechnisch vernderter Organismen (GVO) in der Landwirtschaft reagiert. Ohneeinen aufwendigen Zulassungsprozess drfen weder gentechnisch vernderte Pflanzen angebautnoch daraus hergestellte Produkte auf dem Markt angeboten werden. Mit dem seit 2004 in allen27 Mitgliedsstaaten der EU gltigen Rechtssystem soll ein Hchstma an Sicherheit undWahlfreiheit fr Konsumenten und Landwirte gewhrleistet werden. Zwar ist die Anwendunggentechnisch vernderter Organismen in der Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung

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    grundstzlich erlaubt, doch steht dies unter dem Vorbehalt, dass Sicherheit, Wahlfreiheit undKoexistenz gesichert bleiben. Durch eine Kennzeichnungspflicht und Rckverfolgbarkeit dergentechnischen Vernderung auf jeder Verarbeitungsstufe soll Wahlfreiheit der Konsumentengewhrleistet bleiben. Je nachdem, ob es sich bei einem landwirtschaftlichen Produkt um GVO frden landwirtschaftlichen Anbau oder um die Verwendung von GVO in Lebens- und Futtermittelnhandelt, wird das Inverkehrbringen mit der Freisetzungs-Richtlinie bzw. Verordnung fr genetischvernderte Lebens- und Futtermittel reguliert. Die hohen Anforderungen an das Inverkehrbringenvon GVO in der Landwirtschaft und in der Nahrungsmittelindustrie fhren bis heute zu einer

    extrem langsamen Markteinfhrung der Grnen Gentechnik in Europa.

    Wie in anderen Fragen der Umweltschutz- und Nachhaltigkeitspolitik sind es vor allemInformationsdefizite, die zu der starken Polarisierung der Diskussion und der stark vonUnsicherheit und Angst bestimmten ffentlichen Wahrnehmung fhren. DiesesArgumentationspapier soll daher einen kurzen berblick ber Potenziale und Probleme der GrnenGentechnik geben und damit zur Versachlichung der Debatte beitragen.

    Warum werden gentechnisch vernderte Organismen in der Landwirtschaft verwendet?

    Der Grund fr den Einsatz von GVOs ist recht einfach. Er erhht die landwirtschaftlicheProduktivitt, indem die Pflanzen mit Toleranz bzw. Resistenz gegenber biotischem undabiotischem Stress ausstattet werden und durch Herbizidtoleranz die Bekmpfung von Unkruternerleichtert wird. Darber hinaus lsst sich der wirtschaftliche Wert landwirtschaftlicher Produktesteigern, weil die Qualitt pflanzlicher Nahrungs- und Futtermittel zunimmt, pharmazeutischrelevante Inhaltsstoffe produziert werden knnen und die Nutzung von Pflanzen als industriellerund energetischer Rohstoff erleichtert wird. Das hat nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondernentlastet die Umwelt und hilft, wertvolle Naturrume vor dem Zugriff des Menschen zu bewahren.

    Beispiele fr die Erhhung der landwirtschaftlichen Produktivitt durch Stresstoleranz undResistenz sind vielfltig. So macht man sich die aus der kologischen Landwirtschaft bekanntetoxische Wirkung des Bacillus thuringiensis (Bt) gegen Fraschdlinge zunutze und stattet diePflanzen (z.B. Bt-Mais) selbst mit der Fhigkeit aus, diese Toxine zu bilden. Whrend Bt-Prparateaufgrund des schnellen Abbaus der Toxine schnell unwirksam werden und damit der richtigeZeitpunkt fr die Anwendung nur schwer abzupassen ist, ermglicht die gentechnische

    Vernderung eine gezielte Anreicherung in besonders vom Fra betroffenen Pflanzenteilen. ImPraxiseinsatz zeigte sich, dass die Pflanzen nicht nur vor den eigentlichen Fraschdlingengeschtzt werden, sondern auch der zerstrerischen Wirkung von sog. Sekundrschdlingen, dieFrastellen befallen, weniger ausgesetzt sind. Dadurch wird beispielsweise der Bt-Mais wenigervon Fusarium-Pilzen befallen, die fr Menschen und Tiere hochgiftige Mykotoxine produzieren.

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    Neben den verminderten Pflanzenverlusten leistet dieses Verfahren damit auch einen Beitrag zumGesundheitsschutz. Obwohl derzeit auch am Schutz gegen abiotischen Stress wie Trockenheit odersalzige Bden durch gentechnische Verfahren im Pflanzenbau geforscht wird, sind die Erfolge hierbislang weniger stark ausgeprgt als bei der Strkung der Resistenz gegen Schadinsekten und

    Viren.

    Auch der erfolgreiche Kampf gegen die Konkurrenz von Wildpflanzen ist eine wichtigeVoraussetzung fr die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivitt. Mit Hilfe der Gentechnik

    ist es gelungen, die Nutzpflanzen selbst unempfindlich gegen eine Reihe vonUnkrautbekmpfungsmitteln zu machen. Dadurch ist es mglich, die cker flchendeckend mitnichtselektiven Herbiziden zu behandeln. Auf diesem Weg knnen die chemischen Mittel sehrkonzentriert und gezielt eingesetzt werden, was insgesamt zu einer Verminderung desArbeitsaufwandes bei der Unkrautbekmpfung und auch zur Reduzierung des Herbizideinsatzesfhrt. Die Toleranz gegen Herbizide ist heute die am hufigsten eingesetzte gentechnische

    Vernderung bei Nutzpflanzen.

    Verbesserte Pflanzeneigenschaften und Lebensmittelqualitt sind insbesondere vor demHintergrund der zuknftigen Ernhrung einer wachsenden Erdbevlkerung von nicht zuunterschtzender Bedeutung. Besonders wichtig ist hier die Anreicherung von Wirkstoffen inPflanzen, die fr den Menschen lebensnotwendig sind oder die eine gesundheitsfrdernde Wirkungversprechen. Hierzu zhlen etwa die zur Synthese des Pro-Vitamin A fhige Reispflanze GoldenRice oder die gentechnische Anreicherung anderer Vitamine in Soja, Mais, Hirse, Salat undTomaten. Aber auch die Aufkonzentration von sog. sekundren Pflanzenstoffen, die antibiotische,entzndungshemmende und krebsvorbeugende Wirkung zeigen knnen, ist mit gentechnischen

    Verfahren in Pflanzen mglich. Zwar liegen diese Vorteile fr uns Europer angesichts des ppigenNahrungsangebots nicht unmittelbar auf der Hand, doch in den Entwicklungslndern, in denennach wie vor breite Bevlkerungsschichten unter ernhrungsbedingten Mangelerscheinungenleiden, erlauben derartige Pflanzeneigenschaften eine schnellere Problemlinderung. WeitereMglichkeiten bestehen etwa in der Vernderung der Zusammensetzung pflanzlicher Fettsuren,die einen hheren Anteil cholesterinsenkender ungesttigter Fettsuren oder einer Anreicherungmit bestimmten Omega-3-Fettsuren ermglichen. Hierdurch lassen sich nicht nur aufkostengnstigem Wege vorbeugende Wirkungen gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzielen,sondern auch von der berfischung bedrohte Seefischarten, die herkmmliche Quelle von Omega-3-Fettsuren, schonen. Zuknftige Potenziale werden auch in der Abschaltung bestimmter, beimanchen Menschen Allergien auslsender Allergene gesehen. Hier wird derzeit an Verfahrengearbeitet, einzelne Gene im Genom von Kulturpflanzen abzuschalten, um damit die Produktionbestimmter Allergien auslsender Proteine zu verhindern. Auf diese Weise knnten nicht nurbestimmte pflanzliche Lebensmittel fr Allergiker vertrglich gemacht, sondern auch andere Stoffewie Gluten, Koffein oder Nikotin aus den Pflanzen entfernt werden. Das wrde nicht nur zu einer

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    Erleichterung der Situation von Allergikern und Betroffenen der Glutenunvertrglichkeit (Zliakie)fhren, sondern auch die Notwendigkeit von kosten- und energieaufwendigen

    Veredlungsverfahren reduzieren. Schlielich lassen sich die Futtermitteleigenschaften von Pflanzenmit gentechnischen Verfahren verbessern. Beispielsweise lsst sich die Phosphatverfgbarkeit inGetreide fr die Geflgelmast erhhen. Da Phosphate in konventionellen Futterpflanzen in einervon Geflgel nicht metabolisierbaren Form enthalten sind, mssen in der Geflgelmast Phosphatedem Futter hinzugefhrt werden. Gentechnische Verfahren erlauben einen Zusatz von Phytasen,wodurch sowohl der Phosphat- und Mineralstoffmangel im Futter, als auch der hohe, die Umwelt

    belastende Phosphatanteil im Geflgelkot reduziert werden kann.

    Gentechnische Verfahren knnen auch dazu beitragen, in der Pflanzenmedizin weitere Forschrittezu machen. Hierzu versucht man Pflanzen zur Produktion pharmazeutisch nutzbarer Proteineanzuregen. Dabei lsst sich ein deutlicher konomischer und qualitativer Vorteil der Synthese vonPharmazeutika in Pflanzen gegenber anderen biotechnischen Herstellungsverfahren, etwa mitHilfe von Mikroorganismen und Insektenzellen, nutzen: Pflanzen knnen organische Biomasseallein unter Nutzung von Sonnenenergie und anorganischen Substanzen bilden, so dass durchdiese direkten Verfahren eine Senkung der Produktionskosten mglich ist. Zudem liee sich durcheine direkte Verwendung transgener Pflanzen als essbare Vakzine auch eine Vereinfachung von

    Impfungen bei gleichzeitiger Reduzierung des Infektionsrisikos erreichen. Insbesondere inEntwicklungslndern mit schlecht entwickelter und ausgestatteter Gesundheitsversorgung drftesich damit eine kostengnstigere und sicherere Durchimpfung der Bevlkerung realisieren lassen.

    Die politisch gewollte verstrkte stoffliche und energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffegert zunehmend in Konkurrenz um knappe landwirtschaftliche Nutzflchen mit der globalenNahrungsmittelproduktion, aber auch mit natrlichen kosystemen. Diese Situation lsst sichlangfristig nur durch eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Bodennutzung ohne zustzlichekologische Belastungen entspannen. Hilfsmittel kann auch hier die Grne Gentechnik sein,erlaubt sie es doch, Gene mit positivem Einfluss auf den Pflanzenertrag schneller und gezielt inzchterisch interessante Sorten einzubringen. Daneben lassen sich aber auch interessanteSubstanzen fr die industriell-stoffliche Nutzung von Pflanzen gewinnen. Zum einen lsst sich derGehalt schon heute genutzter pflanzlicher Rohstoffe steigern, zum anderen macht die Gentechnikes mglich, Stoffe in Pflanzen zu produzieren, die sonst nur in anderen, schwer kultivierbarenPflanzenarten, Bakterien oder Pilzen vorkommen. Ein Beispiel hierfr ist etwa die gentechnischeHerstellung einer Kartoffelsorte, die vor allem fr die industrielle Nutzung interessanteStrkebestandteile produziert. Damit liee sich der technisch aufwendige und umweltbelastendeTrennungsprozess der Strkekomponenten Amylose und Amylopektin vereinfachen.

    In vielen Fllen sind diese Potenziale noch Zukunftsmusik, weil Forschung und praktischeErprobung noch ganz am Anfang stehen. Andere Entwicklungen haben ihre Einsatztauglichkeit in

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    der Praxis schon bewiesen und gehren international bereits zum Stand der landwirtschaftlichenAnbautechnik. Fr andere Verfahren wiederum ist mit der Markteinfhrung aufgrund derumfangreichen Prf- und Zulassungsverfahren erst in einigen Jahren zu rechnen. Die politischeOpposition und die ablehnende Haltung der Verbraucher in Europa erschweren diesen Prozessderzeit erheblich.

    Zur globalen Bedeutung der Grnen Gentechnik in der Landwirtschaft

    Trotz der europischen Zurckhaltung gewinnt der Anbau gentechnisch vernderter Pflanzenzunehmend an Bedeutung. Gegenwrtig werden weltweit auf einer Flche von rund 134 MillionenHektar gentechnisch vernderte Pflanzen angebaut. Das entspricht rein flchenmig knapp 78Prozent der EU-weit bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzflchen. Whrend der Zuwachs imletzten Jahr in den Industrielndern nur 3 Prozent (zwei Millionen Hektar) betrug, legten dieEntwicklungslnder mit 13 Prozent (sieben Millionen Hektar) zu. Vor allem in Brasilien undBurkina Faso war der Zuwachs der mit GVO bestellten landwirtschaftlichen Nutzflchen besondersgro. Inzwischen werden weltweit 77 Prozent des Soja-Anbaus mit gentechnisch verndertenSorten bestritten, bei der Baumwolle betrgt der Anteil 49 Prozent. GVO haben darber hinausbeim Anbau von Mais, Raps und Zuckerrben eine groe und zunehmende Bedeutung.

    Tabelle 1: Weltweite Anbauflche in Mio. ha.

    Kultur Flche (Mio. ha) Flche GVO (Mio. ha) Anteil GVO (Prozent)

    Soja 90 69 77

    Mais 158 42 26

    Baumwolle 33 16 49

    Raps 31 6,4 21

    Zuckerrbe 4,4 0,5 9

    Quelle: ISAAA 2009

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    Tabelle 2: Bedeutung der Grnen Gentechnik in ausgewhlten Anbaulndern

    Land Landw. Nutzflche(Mio. ha)

    Flche GVO(Mio. ha)

    Anteil GVO(Prozent)

    Kultur

    USA 170,4 64 37,6 S,M,B,R, ZR,Squash, Papaya

    Brasilien 59,5 21,4 35,9 S,M,B

    Argentinien 32,5 21,3 65,8 S,M,B

    Indien 158,6 8,4 5 B

    Kanada 45,1 8,2 18 R, M, S, ZR

    China 140,6 3,7 3 B, Pappeln, Papaya,Tomaten, SweetPepper, Petunie

    Paraguay 4,3 2,2 0,5 S

    Sdafrika 14,5 2,1 14,4 M,S,B

    Uruguay 1,3 0,8 61 S, M

    Bolivien 3,6 0,8 22 S

    Philippinen 5,1 0,5 10 M

    Burkina Faso 5,2 0,1 2 B

    Mexiko 24,5 0,1 0,4 B,S

    Chile 1,3

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    Wirtschaftliche, soziale und kologische Aspekte der Grnen Gentechnik

    Die Grne Gentechnik trgt in ihren Anbaugebieten schon heute zur preisgnstigen und sicheren Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln bei. Steigende Hektarertrge und sinkendeProduktionskosten versprechen sprbare wirtschaftliche Vorteile dieser neuen Verfahren. Aufgrundgeringerer Flcheninanspruchnahme, weniger Aufwand fr die Bodenbearbeitung und einemverminderten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln konnten in gut einem Jahrzehnt weltweit rund51,9 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet werden, wobei jeweils rund die Hlfte der Gewinne durch

    eine Steigerung der Ertrge und eine Reduzierung der Produktionskosten erzielt wurden. Allein frdie vier wichtigsten gentechnisch modifizierten Anbaupflanzen Soja, Mais, Baumwolle und Rapsbelief sich der zustzliche Ernteertrag auf 29,6 Millionen Tonnen, fr die bei der Verwendungtraditioneller Pflanzen ein Flchenmehrverbrauch von 10,5 Millionen Hektar ntig gewesen wre.Angesichts der durchschnittlichen jhrlichen Abholzungsrate der globalen Wlder von rund 7,3Millionen bedeutet dies auch eine erhebliche kologische Entlastung. Im Zeitraum von 1996 bis2008 summierten sich die Ertragsgewinne auf 167 Millionen Tonnen, was bei den Erntemengendes Jahres 2008 einer Reduktion der Flcheninanspruchnahme gegenber konventionellenKulturen von 62,6 Millionen Hektar entspricht. Die kologische Bedeutung einer derartigenFlcheneinsparung lsst sich bemessen, wenn man sich vergegenwrtigt, dass diese Flche etwa

    der Hlfte der gesamten europischen Forstflche oder 70 Prozent der Flche der WaldbedeckungIndonesiens entspricht.

    Besonders bemerkenswert sind die Einsparungen bei der Ausbringungsmenge vonPflanzenschutzmitteln. Insgesamt wurden im Zeitraum von 1996 bis 2008 knapp 360.000 Tonnenvon aktiven Wirkstoffen der Pflanzenschutzmittel weniger als beim Anbau konventionellerPflanzen eingesetzt, was einer Reduktion von 8,4 Prozent entspricht. Fr das Jahr 2008 alleinbetrug die Reduktion von aktiven Pflanzenschutzwirkstoffen knapp 35.000 Tonnen oder 9,6Prozent. Umgerechnet in das international verwendete Ma fr die Umweltwirkung desPflanzenschutzes (Environmental Impact Quotient [EIQ]) bedeutet das eine Verminderung von 16,1bzw. 18,2 Prozent. Hervorzuheben ist ebenfalls der Beitrag der Grnen Gentechnik zur

    Verminderung der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Allein im Jahr 2008 wurdendurch den verminderten Treibstoffeinsatz aufgrund des geringeren Pflanzenschutzbedarfs 1,2Millionen Tonnen weniger Treibhausgasquivalente weniger emittiert. Zudem konnten durchschonende Bodenbearbeitung weitere 13,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Boden gebundenwerden. Insgesamt wurde damit allein in einem Anbaujahr eine weltweite Emissionsminderungvon 14,4 Millionen Tonnen Kohlendioxidquivalenten mglich, eine Menge, die etwa demdoppelten der jhrlichen Kohlendioxidemissionen der deutschen Landwirtschaft oder denTreibhausgasemissionen von knapp 7 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr entspricht.

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    Fr einzelne Kulturpflanzen knnen diese Ersparnisse bzw. Umweltentlastungen noch deutlichhher ausfallen. So war etwa in Spanien durch den Einsatz von Bt-Mais eine Einsparung von rund63 Prozent gegenber der blichen Insektizidmenge mglich. In Mexico lie sich Bt-Baumwollesogar mit einem 77 Prozent geringeren Insektizideinsatz anbauen (siehe Tabelle 3). DieseEinsparungen schlagen sich in aller Regel auch in Ertragszuwchsen und sprbarenwirtschaftlichen Vorteilen nieder. Vor allem in den Entwicklungslndern verspricht die Anwendungder Grnen Gentechnik erhebliche wirtschaftliche und kologische Vorteile.

    Tabelle 3: Effekte von Bt-Pflanzen auf betrieblicher Ebene

    Land Reduktion in derInsektizidmenge (%)

    Anstieg im effektivenErtrag (%)

    Zusatzgewinn (US$/ha)

    Bt-Mais

    Argentinien 0 9 20

    Philippinen 5 34 53

    Spanien 63 6 70

    Sdafrika 10 11 42

    USA 8 5 12

    Bt-Baumwolle

    Argentinien 47 33 23

    Australien 48 0 66

    China 65 24 470

    Indien 41 37 135

    Mexiko 77 9 295

    Sdafrika 33 22 91

    USA 36 10 58

    Quelle: DFG 2010

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    Die Einfhrung neuer Pflanzensorten in der Landwirtschaft bleibt wie jede andere neueTechnologie nicht ohne Folgen fr das Einsatzverhltnis der in der Landwirtschaft genutztenProduktionsfaktoren. Davon ist natrlich auch der Faktor Arbeit betroffen. Rationalisierungendurch Gentechnik in der Landwirtschaft gehen dabei in aller Regel auch mit einem geringerenBedarf an Arbeitskrften einher. Diese Freisetzungen werden jedoch unter gnstigenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder durch eine einkommensbedingte Steigerung derNachfrage nach anderen Gtern und Dienstleistungen ausgeglichen. Diese Verschiebung derArbeitsnachfrage kann innerhalb der Landwirtschaft, aber auch in andere Sektoren einer

    Volkswirtschaft hinein erfolgen. Die Geschichte der Industrialisierung zeigt, dass der Prozess derMechanisierung und Automatisierung erst zu einer Sekundiarisierung (Industrialisierung) undspter zu einer Tertirisierung (Dienstleistungskonomie) der Wirtschaft gefhrt hat, dabei jedochkeineswegs einen Rckgang der gesamtwirtschaftlichen Beschftigung verursachte. Die von derGentechnik getriebene Rationalisierung zieht nicht zwangslufig Arbeitsplatzverluste in derLandwirtschaft nach sich. Vielmehr kann eine Zunahme der Produktivitt in Teilen dieses Sektorsauch zu einer Ausweitung der sektoralen Gesamtproduktion und damit der Beschftigung fhren.So hat beispielsweise die Einfhrung von gentechnisch vernderter Bt-Baumwolle in Indien zwarden Arbeitskrftebedarf im Pflanzenschutz reduziert, doch die gesteigerte Produktion anBaumwolle schuf im Gegenzug mehr Beschftigung in der Ernte. Ebenso expansiv wirkt dieses

    Mehrangebot auf die Arbeitsnachfrage in der Verarbeitung des Textilrohstoffs. Sozial bedeutsameVerteilungseffekte knnen auch durch den Einfluss der Gentechnik auf die optimale Betriebsgreentstehen, wobei sich hier jedoch keine eindeutige Entwicklungsrichtung ausmachen lsst.Befrdert etwa der Einsatz von herbizidresitenten Pflanzen durch die komplementreUnkrautbekmpfung die Entwicklung hin zu greren Betriebseinheiten, lassen sich insektizideSorten wie die Bt-Baumwolle in Gro- und Kleinbetrieben gleichermaen gut anbauen. Zudem istzu bercksichtigen, dass die moderne Gentechnik in der Landwirtschaft positive Wirkungenhinsichtlich der Arbeitsbedingungen nach sich ziehen kann. Weniger chemischer Pflanzenschutzbedeutet auch, dass die Beschftigten in der Landwirtschaft weniger den Risiken teilweise hochtoxisch wirkender Pflanzenschutzmittel ausgesetzt sind. Das betrifft vor allem kleinbuerliche

    Betriebe in den Entwicklungslndern, in denen industrielle Sicherheitsstandards im Pflanzenschutznur vergleichsweise schwer implementierbar sind.

    Berechtigte und berflssige Sorgen der Verbraucher

    Die mglichen Risiken transgener Pflanzen werden in der ffentlichkeit kontrovers diskutiert.Daher sind sie Gegenstand eines extrem langwierigen und sorgfltigen Prfungs- undBewertungsprozesses. In Verkehr drfen genetisch modifizierte Pflanzen erst dann gebrachtwerden, wenn festgestellt werden kann, dass die Pflanze keine ber die bisher genutzte

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    Ausgangspflanze hinausgehenden Risiken fr Mensch und Umwelt in sich birgt. Dabei gehen diePrfungen bis heute weit ber das Ma hinaus, dass fr die Anerkennung konventioneller Sortenblich ist.

    Wichtige kologische Risiken sind: Auskreuzungs- und berdauerungspotenzial in kosystemenber vertikalen und horizontalen Gentransfer, negative Auswirkungen auf Nichtzielorganismen(Ntzlinge), Entstehungen von Resistenzen und mgliche gesundheitliche Auswirkungen auf die

    Verbraucher. Das Auskreuzungs- und berdauerungspotenzial ist in erster Linie von der jeweiligen

    Kultur und ihren neuen Eigenschaften abhngig. Bestehen etwa fr nichtheimische Kulturartenwie den Mais in Europa keine heimischen kreuzbaren Wildformen ist der vertikale Gentransferdurch Auskreuzung von vornherein unterbunden. Aber auch so besitzen auf Hochleistunggetrimmte Kulturpflanzen auerhalb der geschtzten Kulturumgebung auf dem Feld nur geringeberlebenschancen, so dass ihr Auskreuzungspotenzial natrlichen Schranken unterliegt. Frheimische Kulturpflanzen besteht zwar durchaus das Risiko, dass sich neue Pflanzeneigenschaftenauch in naturnahen kosystemen durchsetzen, doch zielen die gentechnischen Vernderungen inder Regel nur auf Eigenschaften ab, die erst durch eine komplementre Behandlung durch denMenschen Vorteile bewirken. So bringt eine Herbizidtoleranz in natrlicher Umgebung keinerlei

    Vorteil, da dort ohnehin kein Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln durch den Menschen erfolgt.

    Anders ist dies fr Insektenresistenzen, weshalb der Einsatz transgener Pflanzen stets unterBercksichtigung der konkreten Umgebung zum Einsatz gebracht werden muss. Dabei wirdinsbesondere berprft, ob kreuzbare Wildformen vorkommen und zur gleichen Zeit wie dieKulturpflanzen blhen.

    Transgene Pflanzen mit Insektenresistenz wurden gerade mit dem Ziel der Reduzierung desGebrauchs von Insektiziden eingefhrt, deren Wirkung sich oft nicht allein auf Schdlingebeschrnkt, sondern auch Ntzlinge betrifft. Hierdurch konnte gerade der Einfluss auf natrlichekosysteme reduziert werden. Bei der Einfhrung von Bt-Mais machte man sich beispielsweiseeine bereits aus dem Biolandbau bekannte insektizide Eigenschaft eines Gens aus dem Bazillusthuringiensis zunutze und vernderte die Pflanze so, dass die Pflanzen selbst das fr Raupen desMaisznslers toxische Bt-Protein ausbilden und damit ausschlielich diese Fraschdlingeabtten. Langzeituntersuchungen der Biosicherheitsforschung besttigten, dass sich die insektizideWirkung des gentechnischen Verfahrens ausschlielich auf die Schadinsekten beschrnkte.

    Horizontaler Gentransfer ber Artengrenzen hinweg hat sich in der Evolution des Lebens alsbesonders vorteilhaft fr die rasche Anpassung an vernderte Umweltbedingungen herausgebildet.Einige Viren und Bakterien besitzen die Fhigkeit, artfremde Erbinformationen aufzunehmen undzu bertragen, so dass sich die Befrchtung breit gemacht hat, dass Vernderungen am Genomeiner Kulturpflanze auf Bakterien bertragen und damit zum Teil des bakteriellen Genpoolswerden. Bislang sind diese berlegungen im Zusammenhang mit transgenen Kulturpflanzen und

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    ihren praktischen Einsatzbedingungen rein hypothetischer Natur und konnten empirisch nochnicht nachgewiesen werden. Dennoch gehen sie in die Risikobewertung ein und werden damit zueinem stndig zu prfenden Zulassungskriterium.

    Hufig werden der Grnen Gentechnik jedoch auch Wirkungen zur Last gelegt, deren Auftretennicht spezifisch fr die Gentechnik ist, sondern auch in der konventionellen und kologischenLandwirtschaft problematisch sind. Ein Beispiel hierfr sind Schdlingsresistenzen, die in dermodernen Landwirtschaft durch die wiederholte Anwendung gleicher Wirkprinzipien gegen

    Schdlinge ausgelst werden. Das zur Prvention von Resistenzen notwendigeResistenzmanagement muss daher sowohl in der konventionellen und biologisch-organischen, alsauch in der transgenen Landwirtschaft zum Einsatz kommen. So mssen beim Bt-MaisRefugienflchen mit konventionellen Pflanzen angebaut werden, damit sich der Selektionsdruckresistenter Schdlinge reduziert und sich sensitive Schdlinge vermehren knnen. Ebenso wenigkann das Entstehen herbizidtoleranter Unkruter der Gentechnik angelastet werden. Ganz imGegenteil liegt die Zahl der Unkrautarten mit Toleranzen gegenber konventionellen Herbizidendeutlich ber der Anzahl der Unkruter, die resistent gegenber Glyphopsat, dem komplementrenWirkstoff zur gentechnisch erzeugten Herbizidtoleranz, geworden sind. Weder im konventionellenoder kologischen Landbau als auch bei der Anwendung der Grnen Gentechnik kann auf

    integrierte Pflanzenschutzkonzepte verzichtet werden. Ein Argument gegen den Einsatz derGentechnik in der Landwirtschaft ergibt sich daraus jedoch nicht.

    Mgliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher beschrnken sich nach derzeitigemWissensstand im Wesentlichen auf das Allergiepotenzial und mgliche Unvertrglichkeiten vonStoffen in gentechnisch vernderten Pflanzen. Obwohl theoretisch jedes Protein eine allergischeReaktion auslsen kann, geschieht dies in der Praxis nur, wenn es in der Nahrung in ausreichenderMenge vorkommt, im Magen-Darm-Trakt lang genug fr eine Schleimhautbertragung in denBlutkreislauf stabil bleibt und seine Bestandteile die Produktion von Antikrpern auslsen. Bei

    Vorhandensein solcher Antikrper knnen bereits kleinste Dosen des Proteins eine allergischeKrperreaktion auslsen. Neue Proteine mssen aus diesem Grund sowohl in der klassischenPflanzenzucht als auch in der Gentechnik auf ihre Konzentration, Stabilitt und hnlichkeit mitbekannten Allergenen untersucht werden, bevor die aus ihnen hergestellten Lebensmittel in

    Verkehr gebracht werden. Tatschlich hat es in der Vergangenheit zwei potenziell gefhrliche FlleAllergien auslsender Proteine durch gentechnische Vernderungen gegeben. Jedoch wurdenallergische Reaktionen in beiden Fllen (bertragen eines Gens der Paranuss auf die Sojabohne zurErhhung des Anteils essenzieller Fettsuren, bertragung eines Gens der Bohne in die Erbse)rechtzeitig erkannt, die Entwicklung abgebrochen und auf ein Inverkehrbringen verzichtet. DieseBeispiele sind weniger ein Beleg fr das Gefahrenpotenzial der Gentechnik, als vielmehr ein Belegfr die Effektivitt des bestehenden Systems der Begleitforschung. Auch in der konventionellen

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    Zchtung knnen Proteinvernderungen vorkommen, wenn Bastarde aus verwandtenPflanzenarten erzeugt werden.

    Fazit

    Die Grne Gentechnik ist besonders in Europa zu Unrecht in Verruf geraten. Viele Bedenken stellensich bei nherer Betrachtung als Folge unzureichender Information, wenn nicht gar bewussterFehlinformation heraus. Hierbei lsst sich hufig nicht trennen, ob die durchUmweltorganisationen und landwirtschaftliche Branchenverbnde geschrte Angst tatschlich nurden Verbraucherinteressen dienen soll oder auch ein willkommener Vorwand fr einewirtschaftliche Abschottung gegenber der immer produktiver werdenden globalen Konkurrenz inder Landwirtschaft ist. Die Kritik an der Gentechnik durch Umwelt- und

    Verbraucherschutzverbnde war in der Vergangenheit in ihrem Ausma nicht auf Europabeschrnkt, hat jedoch nur dort derartig tiefgreifende politische Folgen ausgelst. StrikteEinfuhrkontrollen der EU fr landwirtschaftliche Produkte und die uerst restriktiveZulassungspolitik spielen auch in die Hnde europischer Landwirte. Ein durch sie verursachtesgeringeres Marktangebot und geringerer Wettbewerb bedeuten zumindest kurz- bis mittelfristig

    den Erhalt gesicherter Gewinne auf dem ohnehin schon durch Subventionen und andereMarktinterventionen verzerrten europischen Agrarmarkt. Diesem Interessengruppendruck ist dieAussicht der europischen Verbraucher auf kostengnstigere landwirtschaftliche Produkte undeine verbesserte Umwelt zum Opfer gefallen. Darber hinaus blockiert die europische

    Verweigerungshaltung gegenber dem gentechnischen Fortschritt auch dieEntwicklungsmglichkeiten von Bauern und Produzenten agrarischer Produkte in Entwicklungs-und Schwellenlndern. Angesichts dieser Defizite kann von vorsorgender Politik im Zusammenhangmit der Grnen Gentechnik nicht die Rede sein.

    Quellen und weiterfhrende Literatur:

    Deutsche Forschungsgemeinschaft (2010): Grne Gentechnik, Wiley-VCH Verlag, Weinheim(>http://www.transgen.de/wissen/service/downloads/broschueren/www.transgen.de

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