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Grundgesetz und Steuerreformen Author(s): Friedrich Klein Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 20, H. 1 (1959/60), pp. 115- 132 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909376 . Accessed: 18/06/2014 21:52 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.2.32.89 on Wed, 18 Jun 2014 21:52:25 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Grundgesetz und Steuerreformen

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Grundgesetz und SteuerreformenAuthor(s): Friedrich KleinSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 20, H. 1 (1959/60), pp. 115-132Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909376 .

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Grundgesetz und Steuerreformen von

Friedrich Klein

A

Eines der vielen, schwierigen und vielschichtigen Probleme, die das Grund- gesetz fur die Bundesrepublik Deutschland zur Losung aufgegeben hat und die noch immer nicht gelost sind, ist in der Oberschrift dieser Abhandlung umrissen: Sind Steuerreformen von Grundgesetzes wegen iiberhaupt zuldssig; wennja, in welchem Ausmafl? Die Antwort auf diese Fragen ist nunmehr - vor allem im Hinblick auf die in Angriff genommenen Reformen der Umsatz- besteuerung und des Gemeindefinanzwesens - vordringlich wichtig geworden.

I. In der vom Bundesminister der Finanzen ausgearbeiteten ,,Denkschrift iiber die Moglichkeiten einer Verbesserung der Umsatzbesteuerung" ' die Ende des Jahres 1958 der Offentlichkeit zuganglich wurde, finden sich auf S. 50 unter der Uberschrift ,,H- Verfassungsrechtliche Problematik einer grundsatzlichen Umstellung der Umsatzsteuer" in Ziffer 194 die folgenden Ausf uhrungen :

,,Durch den tJbergang zu einer anderen Besteuerungsform konnten auch ver- fassungsrechtliche Fragen aufgeworfen werden. Artikel 106 Abs. 1 Nr. 3 GG weist den Ertrag der Umsatzsteuer dem Bunde zu. Nach dem BeschluB des Bundesver- fassungsgerichts vom 4. Februar 1958 - 2 BvL 31 und 33/56 (BVerfGE. 7, 244) sind ,f iir die Unterscheidung der verschiedenen Steuerarten nach dem Grundgesetz die maBgebenden Kriterien dem traditionellen deutschen Steuerrecht zu entnehmen; ausdriicklichen gesetzlichen Festlegungen kann hochstens in gewissen zweifelhaften Fallen Bedeutung zukommen'. Diese Auffassung ist auch von der Bundesregierung (in Ubereinstimmung mit Bundestag und Bundesrat) bei verschiedenen Gelegen- heiten vertreten worden. Vereinzelt wird dariiber hinausgehend auch die Auffassung vertreten, daB ,sowohl die Auspragung der einzelnen Steuern in ihrem wesentlichen Charakter wie uberhaupt in ihrem Bestande durch die bisherigen Steuergesetze als auch ihre gegenseitige Relation, da im Grundgesetz in Bezug genommen , in die Ebene des Verfassungsrecht8 erhoben ist. Beider Abandoning wtirde eine Anderung des Grundgesetzes voraussetzen . . .' (so Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, Tubingen, 1950 S. 64; ahnlich Klein, Probleme des Finanzwesens nach dem Bonner Grundgesetz im Steuerberater-Jahrbuch 1950, Koln, S. 49, 52). Die Bundesregierung halt, wie sich aus den vorstehenden Ausf iihrungen ergibt, mit der wohl herrschenden Meinung diese Auffassung 2 nicht f iir zutreffend. Doch wird auch nach der von ihr vertretenen Auffassung3 immerhin zu priifen sein, ob eine unter volkswirtschaft-

1 Deutscher Bundestag, 3. Wahlneriode. Drucksache 730. 2 Sc. die zuletzt wiedergegebene Auffassung von Wacke. 8 Einen sachlich erheblichen Unterschied zwischen ,,maBgebenden Kriterien"

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lichen. und fiskalischen Gesichtspunkten fur erstrebenswert gehaltene neue Steuer- form, die von der ,traditionellen Form deutschen Steuerrechts' 1 in ,maBgebenden Kriterien' abweicht, noch als ,Umsatzsteuer' im Sinne von Artikel 106 Abs. 1 Nr. 3 und Artikel 108 Abs. 1 GG angesehen werden kann. Sollte man im Einzelfall zu einer Verneinung dieser Frage kommen miissen, da die ,mafigebenden Kriterien' eine andere Beurteilung schlechterdings nicht zulassen, so wurde der Steuerertrag u. U. - als Ertrag einer sonstigen Verkehreteuer - nach Artikel 106 Abs. 2 Nr. 4 GG nicht mehr dem Bund, sondern vielmehr den Landern zuflieBen, soweit nicht diese Rechts- folge durch eine ausdriicUiche Verfassungsanderung vermieden werden konnte. Die- ser Fragenkreis wurde insbesondere bei der Sollertragssteuer nach Vorschlag Becker zu behandeln sein."

II. Als im Jahre 1958 der Plan des Bundestagsabgeordneten Dr. Curt Becker (CDU) zur Reform der Umsatzsteuer 2 veroffentlicht wurde und die Kritik sich seiner annahm, machten nach einem Eigenbericht des Handels- blattes vom 31. Januar 1959 aus Diisseldorf 3 zahlreiche Steuersachverstan- dige und Verfassungsexperten u. a. den folgenden Gesichtspunkt dagegen geltend: Der Becker-Y'&n, durch den die Erorterungen iiber die Reform der Umsatzbesteuerung zweifellos einen kraftigen AnstoB und neuen Auftrieb erhalten hatten, sei schon deshalb ,,unausfuhrbar, weil er das bisherige System der Umsatzbesteuerung so stark verandere, daB er ohne Verfassungsanderung gar nicht verwirklicht werden konne".

III. Im Zuge der Beratungen des WissenschafUichen Beirats beim Bundes- ministerium der Finanzen von Mitte des Jahres 1958 bis Mitte des Jahres 1959 iiber die Reform des Gemeindefinanzwesens 4 tauchte immer wieder die Frage auf, welche Grenzen das Grundgesetz der jeweils erorterten und gegebenen- falls vorzuschlagenden einschlagigen MaBnahme gesetzgeberischer oder ver- waltungsmaBiger Art setzt. Immer wieder stellte sich dem Verfassungsjuristen die Frage - oder wurde sie von den nicht juristischen Mitgliedern des Beirats an ihn gerichtet -, ob ohne Anderung des Grundgesetzes eine bestimmte Ge- meindesteuer neu eingeftihrt, ob bestimmte bestehende Gemeindesteuern geandert oder auch beseitigt, ob sonstige steuerliche MaBnahmen zugunsten oder zu Lasten der Gemeinden getroffen werden dtirften.

IV. Einige weitere einschlagige Fragen mogen zusatzlich zu den vor- stehend I bis III beispielhaft aufgefiihrten Rechtsproblemen aufgeftihrt sein und damit eine gewisse vorlaufige Vorstellung von der Fulle von Fragestel- lungen vermitteln, die dem Steuer- und Verfassungsjuristen in dem hier an- gesprochenen Zusammenhang entgegentreten : 1st das deutsche (Gesamt-) Steuersystem im Grundgesetz verfassungskraftigfestgelegt, und zwar speziell als System staatlicher Eingriffsregelungen und auch als System bundesstaat- licher Verteilung der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit ? Darf

(so die Bundeeregierung) und ,,Auspragung der einzelnen Steuern in ihrem wesent- lichen Charakter" (so Wacke), auf die es jeweils ankommen soil, kann ich allerdings nicht finden.

1 Ungenaue Zitierweise! * Tagungsprotokoll Nr. 11 der Aktionsgememschart Soziale Marktwirtscnatt

,,Neuordnung der Finanzpolitik", Ludwigsburg (Verlagsgesellschaft Martin Hoch), S. 57/58. 8 HB. : Kritik am Becker-Plan zur Umsatzsteuer, Mandelsblatt. JJeuteone Wirtschafbs-Zeitung Nr. 13 vom 2. Februar 1959, S. 1.

4 Vgl. das am 11. Juli 1959 abgeschlossene Gutachten des Beirats ,,Zur gegen- wartigen Problematik der Gemeindefinanzenu.

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dieses System speziell als System staatlicher Eingriffsregelungen ohne Ande- rung des Grundgesetzes grundlegend geandert, etwa in derWeise umgestaltet werden, daB das Verhaltnis der steuerlichen Lasten zwischen den direkten und den indirekten Steuern grundlegend verschoben wird ? Darf der ein- fache Bundesgesetzgeber neue Steuern oder Finanzmonopole einfuhren? Gibt es umgekehrt eine grundgesetzliche Bestandsgarantie fxir die einzelnen Steuern, zumindest in ihrem wesentlichen Charakter? 1st etwa die Um- satzsteuer infolge ihrer Inbezugnahme im Grundgesetz in der Ausgestal- tung, die sie im Jahre 1949 hatte, vom Grundgesetz mit der MaBgabe an- erkannt, daB sie grundgesetzgemaB und grundgesetzfest ist? Darf die jetzige kumulative Allphasenumsatzsteuer im Wege des einfachen, nicht grundgesetzandernden Bundesgesetzes zu einer Einphasensteuer, Mehrwert- steuer oder sonstigen Form der Leistungsaustauschsteuer umgestaltet wer- den? Darf die progressive Einkommensteuer ohne Grundgesetzanderung ganz oder teilweise (und durfte sie damit durch die jiingste Einkommen- steuerreform bis 8 000 bzw. 16 000 DM Jahreseinkommen) zu einer pro- portionalen Steuer umgestaltet werden? Darf die derzeitige Einkommen- steuer iiberhaupt beseitigt und durch eine Umsatzsteuer mit hohen Steuer- satzen ersetzt werden ?

Weiter: Ist das deutsche (Gesamt-)Steuersystem als System bundes- staatlicher Verteilung der Gesetzgebungs-, der Verwaltungs- und der Ertragsho- heit von Grundgesetzes wegen mit der MaBgabe gewahrleistet, daB Eingriffe des Bundes in die Finanz- und Steuerhoheit der Lander im Wege des soge- nannten einfachen, d. h. nicht das Grundgesetz andernden, Bundesgesetzes nicht zulassig sind ? Bedarf demgemaB jede Anderung der derzeitigen Finanz- rechtslage von Bund und Landern einer Grundgesetzanderung ?

B

Die Antwort auf die unter A aufgeworfenen Fragen ist im Hinblick u. a. auf die beiden im Gang befindlichen Reformen der Umsatzbesteuerung und des Gemeindefinanzwesens von aktuellstem Interesse. Sie ist nur von der Warte desjenigen aus moglich, der sowohl das Finanz- und Steuerrecht als auch das Staats- und Verfassungsrecht beherrscht, da es sich dabei um schwie- rige und vielschichtige Rechtsfragen handelt, die beide Teilrechtsordnungen angehen.

Das Fachschrifttum hat die Themafrage bisher nicht abschlie/tend ge- kldrt; doch finden sich dazu in ihm einige einschlagige AuBerungen, die zumin- dest einen Ansatzpunkt fur die griindliche Untersuchung des Problems abzu- geben vermogen.

I. In seiner Studie iiber das Finanzwesen der Bundesrepublik aus dem Jahre 1950 spricht Gerhard Wacke1 von der ,,verfassungskraftigen Festlegung

1 Das Finanzwesen der Bundesrepublik. Die Einwirkungen der Finanzfunk- tion auf Gresetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung im Bonner Grundgesetz, Tubingen (Mohr) 1950, S. 62/63 und 64. - Da Wacke das hier zur Untersuchung an- stehende Problem zuerst aufgegrifFen hat und da seine Auffassung dazu eine gewisse MaBgeblichkeit erlangt hat (vgl. unten B II), miissen seine einschlagigen Aus- fiihrungen besonders griindlich beriicksichtigt werden. Vgl. auch unten S. 120 Anm. 5.

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des Steuersystems" im Grundgesetz und fuhxt zu dieser wertenden Aussage aus: ,,Die Art. 105-108 G6. - das Finanzausgleichsrecht - beziehen sich auf aUe wesentlichen Grundlagen des bisherigen Steuersystems. Sie teilen Gesetz- gebung, Ertrag und Verwaltung der bestehenden Steuern auf Bund und Lan- der auf und nennen dabei nicht nur Zolle und Finanzmonopole, sondern auch die einzelnen groften Steuergruppen, wie die Verbrauchsteuern, die Verkehr- steuern, die Steuern von Einkommen und Vermogen und die Realsteuern; im einzelnen wenden sie sich der Umsatzsteuer, der Erbschaftsteuer, den ein- maligen Zwecken dienenden Vermogensabgaben, der Biersteuer, der Grund- erwerbsteuer, der Beforderungsteuer zu und gehen bis zur Aufzahlung der Wertzuwachssteuer, der Feuerschutzsteuer und aller Steuern mit ortlich be- dingtem Wirkungskreis; wenn auch einzelne Steuern von Bedeutung, wie z. B. die Kraftfahrzeugsteuer, Tabaksteuer, Zuckersteuer, Gesellschaftsteuer, Grundsteuer ' nicht ausdriicklich erwahnt werden, so sind sie doch in den vom Gesetz behandelten Gruppen der Verbrauchsteuern, Verkehrsteuern, Real- steuern inbegriffen. . . . Wenn das Grundgesetz aber alle bisherigen Steuern in der. . .Weise auf Bund und Lander nach Gesetzgebung, Ertrag und Verwaltung verteilt und einzeln auffuhrt, so kann es die Begriffe dieser Steuern nur im Sinne der bisherigen Gesetzgebung verstanden haben. Die Grundlagen unseres bisherigen Steuersystems sind damit zumVerfassungsrecht geworden. Sowohl die Ausprdgung der einzelnen Steuern in ihrem wesentlichen Charakter wie iiber- haupt in ihrem Bestande durch die bisherigen Steuergesetze als auch ihre gegenseitige Relation ist, da im Grundgesetz in Bezug genommen, in die Ebene des Verfassungsrechtes erhoben. Beider Abanderung wiirde eine An- derung des Grundgesetzes voraussetzen; einfachen Bundesgesetzen etwa, welche die den Landern iiberlassenen Realsteuern oder die Vermogensteuer oder die Erbschaftsteuer aushohlen wtirden, miifite das Bundesverfassungs- gericht seine Zustimmung versagen ; genauso diirften etwaige auf dem Ge- biete der konkurrierenden Bundesgesetzgebung ja denkbaren Landesgesetze sich nicht an den dem Bunde zustehenden Verbrauchsteuern oder der Um- satzsteuer vergreifen. Das Grundgesetz hat sich damit dem Bilde derjenigen rechtsstaatlichen Verfassungen genahert, die das Steuersystem und die ein- zelnen Steuern selbst festlegen." Zur naheren Konkretisierung und Prazisie- rung seiner Auffassung fiihrt Wacke im unmittelbaren AnschluB an diese soeben wortlich wiedergegebene Stelle weiterhin aus: ,,Abanderungen einzel- ner Steuergesetze, die den Charakter der Steuern im ganzen bestehen lassen und etwa nur Befreiungen, Tatbestande oder Steuersatze modifizieren, kon- nen zwar auch weiterhin durch einfaches Bundesgesetz vorgenommen werden. Grundlegende Steuerreformen, die ganze Steuern beseitigen und das Steuer- system umgestalten, sind aber in Zukunft zugleich Verfassungsreformen; sie bediirfen daher der verfassungandernden Form des Art. 79 GG., insbesondere der ausdriicklichen Anderung des Textes des Grundgesetzes."

Nach der Meinung von Wacke sind also im Wege des einfachen Bundes- gesetzes, d. h. ohne Anderung des Grundgesetzes, zuldssig: ,,Abanderungen

1 Wackes Behauptung, dafi die Grundsteuer im Grundgesetz nicht ausdriicklich erwahnt werde, traf fur den damaligen Zeitpunkt nicht zu (vgl. unten S. 121 zu und in Anm. 4).

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einzelner Steuergesetze, die den Charakter der Steuern im ganzen bestehen lassen und etwa nur Befreiungen, Tatbestande oder Steuersatze modifizie- ren", unzuldssig dagegen: ,,grundlegende Steuerreformen, die ganze Steuern beseitigen und das Steuersystem umgestalten", da erstens ,,die Auspragung der einzelnen Steuern in ihrem wesentlichen Charakter wie iiberhaupt in ihrem Bestande durch die bisherigen Steuergesetze'

' und zweitens ,,ihre gegenseitige Relation" in die Ebene des Verfassungsrechts erhoben worden seien. Fur das, was Wacke unter ,,Steuergesetzen, die den Charakter der Steuern im ganzen bestehen lassen", und unter ,,grundlegenden Steuerrefor- men, die ganze Steuern beseitigen und das Steuersystem umgestalten", ver- steht, gibt er allerdings weder nahere Begriffsbestimmungen oder -um- schreibungen noch Beispiele.

Es ist ohne weiteres klar und verstandlich, daB bei Billigung und Befol- gung dieser Konzeption dem einfachen Bundesgesetzgeber, der bisherige Steuern beseitigen oder neue Steuern einfiihren will, nicht unbetrachtliche Schranken auferlegt werden. Um so groBere Bedeutung erlangt damit die Frage, ob die Wackesche Meinung zutrifft und was sie bejahendenfalls im ein- zelnen bedeutet.

II. In mehreren Referaten, Vortragen und literarischen Veroffentlichun- gen aus den Jahren 1950 bis 1953 * habe ich mich mit derWackeschen Meinung - wenn auch nicht in der Form einer eingehenden Auseinandersetzung - be- faBt und ihr im Ergebnis zugestimmt, ohne daB ich sie jedoch jemals in alien Einzelheiten vorbehaltlos gebilligt hatte. Auch andere, wie etwa Hermann von Mangoldt und Georg Strickrodt sind ihr im wesentlichen - jedoch eben- falls ohne klare Grenzziehung in den Einzelheiten - gefolgt 2. In der im Jahre

1 Referat uber ,,Probleme des Finanzwesens nach dem Bonner Grundgesetz" auf dem zweiten FachkongreB der Steuerberater der Bundesrepublik Deutschland in Koln am 23. September 1950, Steuerberater- Jahrbuch 1950 S. 35-56, S. 48/49: ,,diese unzweifelhaft richtigen Erkenntnisse" und S. 52: ,,die verfassungskraftige Festlegung des Steuersystems in den Art. 105 bis 108 GG."; unveroffentlichter Vbr- trag iiber ,,Die beabsichtigten Lastenausgleichsregelungen in verfassungsrecht- licher Sicht" auf der Tagung des Steuerausschusses des Bundesverbandes der deut- schen Industrie in Bad Durkheim am 13. Oktober 1950; Grenzen gesetzlicher Er- machtigungen zum ErlaB steuerlicher Rechtsverordnungen, Heft 10 der Schriften- reihe des Instituts ,,Finanzen und Steuern" in Bonn, 1951, S. 29/30: ,,diesen gewiB beach tlichen Gedankengangen" und ,,Es fragt sich jedoch, ob Wackes Auffassung nicht unrichtig ist, ob sie nicht mindestens zu weit geht. Ich habe zu dieser schwie- rigen Frage . . . zwar kritisch Stellung genommen, sie damals jedoch offen gelassen und jedenfalls nicht vorbehaltlos bejaht. Auch nach wiederholtem Durchdenken des Problems kann ich mich nach wie vor nicht zu einer einfachen Bejahung jener Frage entschlieBen" ; Von der foderativen zur starker unitarischen Gtestaltung des Finanzwesens in der Bundesrepublik Deutschland, (von mir herausgegebene) Fest- schrift fur Friedrich Giese anlaBlich seines 70. Geburtstages, Frankfurt /Main (Kom- mentator) 1953, S. 61-134, S. 112/113: ,,Die Finanzregelungen des Grundgesetzes einschlieBlich der Grundlagen unseres Steuersystems, und zwar sowohl hinsichtlich des Bestandes der im Grundgesetz einzeln aufgezahlten Steuern als auch ihrer gegen- seitigen Beziehung zueinander, sind verfassungskraftig festgelegt. Es wirft sich des- halb bei jedem Gedanken an eine Veranderung der derzeitigen Aufteilung der Finanz- macht zwischen Bund und Landern sofort und unausweichlich die Frage auf, ob dazu nicht eine entsprechende formliche 'Terfassungsanderung unter den Voraus- setzungen des Art. 79 GG. erforderlich ist."

2 Hermann von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Berlin und .feTanknirt

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1954 erschienenen Festschrift fur Ottmar Biihler hat Heinz Paulick1 zwaran- erkannt, daB der Auffassung von Wacke ,,hinsichtlichderVerfassungskraftdes beim Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes vorhanden gewesenen Steuer- systems" ,,zweifellos ein richtiger Kern" zugrunde liege, jedoch gegen die seines Erachtens ,,bewuBt scharf pointierten Formulierungen" Wackes ,,ge- wichtige Bedenken" angemeldet 2. Da neuerdings Georg Strickrodt in der von ihm neubearbeiteten Auflage des Bandes I des Biihlerachen Steuerrechts- lehrbuchs 3 wiederum der Wackeschen Meinung weitgehend f olgt und sich in der Praxis das Problem mehr und mehr als klarungsbedurftig erweist, er- scheint es angebracht und notwendig, das Problem einmal griindlicher unter die Lupe zu nehmen. Diesem Zweck soil dieser Beitrag dienen.

Die folgenden Ausfuhrungen wollen und konnen angesichts der Schwierigkeit und Vielschichtigkeit des Problems nicht den Anspruch darauf erheben, fertige Er- gebnisse zu bieten; sie sollen nur eine Diskussionsgrundlage sein.

C

Mit Heinz Paulick* kann unbedenklich da von ausgegangen werden, daB der oben B I ausfiihrlich wiedergegebenen Auffassung von Gerhard Wacke ,,ein richtiger Kern" zugrunde liegt5. Um dies naher zu begriinden und ge- nauer darzulegen, miissen sowohl Wackes Ausgangsposition (I) als auch seine Folgerungen daraus (II) im einzelnen iiberprtift werden.

I. Wackes Ausgangsposition ist in dem folgenden Satz enthalten, der schon oben B I Abs. 1 vollstandig wiedergegeben wurde: ,,Wenn das Grund- gesetz aber alle bisherigen Steuern . . . auf Bund und Lander nach Gesetz- gebung, Ertrag und Verwaltung verteilt und einzeln auffiihrt, so kann es die

a. M. (Vahlen) 1953, Vorbem. 3 d Abs. 1 zum X. Abschnitt, S. 557: ,,Das geltende Steuersystem ist ...» sowohl was den Bestand der aufgezahlten Steuern wie ihre gegenseitige Beziehung betrifft, in seinen Grundlagen weitgehend zum Verfassungs- recht erhoben"; Georg Strickrodt, Die Finanzverfassung des Bundes als politisches Problem, Heft 6 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Tubingen (Mohr) 1951 S. 10: „. . . kann sehr wohl anerkannt werden, daB eine Reihe wichtiger Finanz- regelungen des Grundgesetzes, so das Steuersystem als solches, in materielles Ver- fassungsrecht erwachsen und somit der einfachen Gesetzgebung unzuganglich ge- worden sind", und S. 15: ,,Das Steuersystem als solches steht zwar unter Verfassungs- schutz und konnte deshalb auch im Bundestag nur mit qualifizierter Mehrheit ge- andert werden."

1 Der Grundsatz der GleichmaBigkeit der Besteuerung. Sem Inhalt und seme Grenzen, Festschrift fur Ottmar Biihler , von Armin Spitaler herausgegeben unter dem Titel ,,Probleme des Finanz- und Steuerrechts", Koln (Schmidt) 1954, S. 121 bis 184, S. 156-162. 1 A. a. O. S. 158.

8 Ottmar Buhler - Georg Strickrodt, Steuerrecht. GrundriB in zwei Banden, Band I Allgemeines Steuerrecht, 1. Halbband, Wiesbaden (Gabler), 3. Aufl. 1951, S. 94 zu und in Anm. 1, S. 122-126 und S. 138/39. 4 Vgl. oben zu Anm. 1.

5 In einem Schreiben an mich vom 20. Juli 1959 hat mir Prof. Wacke auf meme entsprechende Frage an ihn mitgeteilt, daB er auch nach erneuter tTberpriifung seiner damaligen Ausfiihrungen iiber die verfassungskraftige Festlegung des Steuer- systems im Grundgesetz meine, seine damaligen AuBerungen enthielten ,,im Prinzip einen richtigen Ausgangepunkt".

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Begriffe dieser Steuern nur im Sinne der bisherigen Gesetzgebung verstanden haben."

1. Wiirdigt man diesen flir die Wackeachen T)berlegungen grundlegenden Satz zunachst im ganzen, so fiihrt dies zu der Feststellung, daB der mit den Worten ,,so kann es ..." beginnende Hauptsatz keine schliissige und zwin- gende Folgerung aus dem mit den Worten ,,Wenn das Grundgesetz ..." ein- geleiteten Nebensatz enthalt. Denn auch dann, wenn das Grundgesetz nicht 9)alle bisherigen Steuern . . . einzeln auffiihren" wiirde, konnte es doch sehr wohl die Begriffe der von ihm einzeln aufgefiihrten Steuern ,,nur im Sinne der bisherigen Gesetzgebung verstanden" oder - anders ausgedriickt - sich dieser Begriffe bedient haben. Da jedoch Wackea Folgerung als solche, wenn auch aus anderen Griinden, zutrifft- wie unten Ziffer 3 aufgezeigt werden wird -, soil es hier bei der Feststellung ihrer Unschliissigkeit sein Bewenden haben und soil daraus nichts weiter hergeleitet werden.

2. Wackes Teilformulierung ,,Wenn das Grundgesetz aber aUe bisherigen Steuern * in der oben dargelegten Weise 2 auf Bund und Lander nach Gesetz- gebung, Ertrag und Verwaltung verteilt und einzeln auffiihrt" x enthalt eine Unrichtigkeit, mindestens aber eine Ungenauigkeit : Das Grundgesetz fiihrt nicht ,,alle bisherigen Steuern" ,,einzeln" auf3.

Zu der Zeit, als Wacke seine Monographic fiber das Finanzwesen der Bun- desrepublik verfafite und veroffentlichte, d. h. also in den Jahren 1949/50, gait das Grundgesetz, galten vor allem seine Art. 105 bis 108 noch in der ur- spninglichen Fassung. Damals waren in diesen Vorschriften die folgenden 13 einzelnen Steuern - die hier in ihrer alphabetischen Reihenfolge wiederge- geben werden - namentlich aufgefiihrt: Beforderungsteuer, Biersteuer, Ein- kommensteuer, Erbschaftsteuer, Feuerschutzsteuer, Gewerbesteuer, Grund- erwerbsteuer, Grundsteuer4, Korperschaftsteuer, Schenkungsteuer, Umsatz- steuer, Vermogensteuer und Wertzuwachssteuer. Inzwischen sind infolge der Grundgesetzanderungen vom 23. Dezember 1955 (BGB1. I S. 817) und 24. Dezember 1956 (BGB1. I S. 1077) mindestens drei5 weitere Steuern mit namentlicher Bezeichnung in das Grundgesetz aufgenommen worden: die - noch nicht verwirklichte - Erganzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Korperschaftsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die - inzwischen gemaB Art. 9 des Gesetzes zur Anderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGB1. 1 S. 473) auch fur juristische Personen wieder beseitigte -

Abgabe ,,Notopfer Berlin", so daB sich die Zahl der im Grundgesetz einzeln

1 Hervorhebung von mir. 8 Vgl. oben B I Abs. 1. 8 JKine weitere Unnchtigkeit hat sich nachtraglich dadurch ergeben, dall m-

folge Einbaues der Realsteuergarantie zugunsten der Gemeinden in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG. das Grundgesetz nicht mehr ,,alle j^isherigen Steuern" nur ,,auf Bund und Lander nach . . . Ertrag . . . verteilt".

4 Von dieser behauptet Wacke a. a. O. S. 63 zu Unrecht, daii sie im Grundgesetz nicht ausdriicklich erwahnt werde.

5 Die nunmehr in Art. 106 Abs. 1 JNr. 5 bzw. Art. 106 Abs. 2 JNr. 6 (ili. aulge- fuhrten Abgaben, namlich die ,,einmaligen Vermogensabgaben" und die ,,zur Durch- fuhrung des Lastenausgleichs erhobenenAusgleichsgaben", bzw. die ,, Abgaben von Spielbanken", mussen mangels Konkretisierung auBer Betracht bleiben.

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namentlich aufgefiihrten Steuern auf insgesamt 16 erhoht hat. Demgegen- uber gab es schon in den Jahren 1949/50, und gibt es heute noch immer weit iiber 40 namentlich festliegende Einzelsteuern. Es konnte bzw. kann somit keine Rede davon sein, daB das Grundgesetz in seinen einschlagigen Art. 105 bis 108 ,,alle bisherigen Steuern . . . einzeln auffuhrt".

Nicht namentlich genannt sind dort beispielsweise die Lohnsteuer, die Kapi- talertragsteuer, die Aufsichtsratsteuer - die allerdings samtlich keine besonderen eigenstandigen Steuern, sondern nur Gliedsteuern der Einkommensteuer sind -, die Gesellschafbsteuer, die Wertpapiersteuer, die Borsenumsatzsteuer, die Wechsel- steuer, die Versicherungsteuer, die Rennwett- und Lotteriesteuer, die zahlreichen Verbrauchsteuern aufter der Biersteuer, wie etwa die Zuckersteuer, die Tabak- steuer oder die Mineralolsteuer, ferner die zahlreichen Landes- und Gemeinde- steuern sowie die Kirchensteuer. Richtig ist nur, daB das Grundgesetz vor allem und jedenfalls die finanziell bedeutendsten, weil ertragreichsten Steuern einzeln nament- lich auffuhrt.

3. Dagegen ist die Folgerung, die Wacke - in allerdings nicht schliissiger Weise, wie oben Ziffer 1 dargetan - aus seinem vorstehend Ziffer 2 kritisierten Satzteil in dessen anschlieBender Fortsetzung zieht, fiir sich - d. h. ohne eben diesen Folgerungszusammenhang - betrachtet uneingeschrankt richtig, daB das Grundgesetz ,,die Begriffe dieser (sc. ,,aller bisherigen") Steuern nur im Sinne der bisherigen Gesetzgebung verstanden haben" konne. In dieser Weise hat sich inzwischen auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach geauBert und insoweit bereits eine standige Rechtsprechung entwickelt. So heiBt es im Gutachten des Plenums dieses Gerichts vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 betr. die Zustandigkeit des Bundes zum ErlaB eines Baugesetzes, im beson- deren zur Einflihrung einer Wertsteigerungsabgabe durch Gesetz 1 : ,,Wenn das Grundgesetz den Begriff ,Steuer* verwendet, so ist davon auszugehen, daB es ihn in diesem Sinne (sc. im Sinne von §§ 1 und 8 RAO.) meint. Es kpmmt hin- zu, daB auch die Steuerrechtswissenschaft , Steuern* in dem gleichen Sinne versteht."2 Fast wortlich ebenso wird im BeschluB des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 1958 - 2 BvL 31, 33/56 betr. das Badische Landesgesetz liber die Aufbringung von Mitteln zur Reblausbe- kampfung vom 19. Oktober 1949 (GVB1. S. 472) mit Durchfuhrungsverord- nung vom 30. Januar 1950 (GVB1. S. 99) 3 ausgefuhrt : ,,Wenn das Grundge- setz den Begriff ,Steuer' gebraucht, so muB davon ausgegangen werden, daB es ihn in der Bedeutung meint, die er im deutschen Steuerrecht ausdriicklich erhalten hat. § 1 der Reichsabgabenordnung in der Fassung vom 22. Mai 1931 enthalt eine Definition der Steuer, die gemaB § 8 AO. fiir ,alle Steuern des Reichs, der Lander, der Gemeinden, der Gemeindeverbande und der Reli- gionsgemeinschaften des offentlichen Rechts' gilt. Diese seit Jahrzehnten ein- gebiirgerte Begriffsbestimmung des gemeindeutschen Steuerrechts muB auch den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes zugrunde gelegt werden . . .

1 BVerfGE. 3, 407-439 = JZ. 1954 S. 612/13 (nur Leitsatze; mit Anm. der Redaktion S. 613) = Bd. 5 der Schriftenreihe des Bundesministers fiirWohnungs- bau. Bonn (Domus) 1954.

2 A. a. O. S. 435 bzw. S. 31. 3 BVerfGE. 7, 244-265 (S. 251) = NJW. 1958 S. 625/26 = DVB1. 1958 S. 277 =

KStZ. 1958 S. 84/85.

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Orundgesetz und Steuerreformen 123

Erfullt eine offentliche Abgabe die Begrifismerkmale dieser Definition, so ist sie eine Steuer im Sinne des Grundgesetzes . . . Es steht nicht in der Macht des Bundes- oder Landesgesetzgebers, einer Abgabe, die unter diesen Begriff der Steuer fallt, durch ausdruckliche gegenteilige Bestimmung, also durch ausdruckliche Verneinung der Steuereigenschaft oder durch ausdrtickliche Einreihung in eine andere Abgabenkategorie, diese rechtliche Qualification zu nehmen und dadurch seine Zustandigkeit zu begrunden. Ebensowenig kann es im Belieben des jeweiligen Gesetzgebungsorgans liegen, durch aus- druckliche Festlegung eine Steuer bindend in eine der in Art. 105 GG unter- schiedenen Steuerarten einzureihen, um dadurch die Kompetenz zu retten. Auch fur die Unterscheidung der verschiedenen Steuerarten nach dem Grundgesetz sind vielmehr die maBgebenden Kriterien dem traditionellen deutschen Steuerrecht zu entnehmen. Ausdrucklichen gesetzlichen Fest- legungen in beiderlei Hinsicht kann hochstens in gewissen zweifelhaften Grenzf alien Bedeutung zukommen."

II. Nach der Uberprufung der Ausgangsposition von Gerhard Wacke, die in einem Punkt als unzutreffend, in einem anderen hingegen als zutreffend erkannt werden muBte bzw. konnte, sollen nunmehr seine Folgerungen etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

1. Sie zeichnen sich in seinen Behauptungen ab, daB sich die Art. 105 bis 108 GG. auf ,,alle wesentlichen Grundlagen des bisherigen Steuer systems" be- zogen und daB ,,die Grundlagen unseres bisherigen Steuersystems" infolge der durch diese Vorschriften vollzogenen Aufteilung von Gesetzgebung, Ertrag und Verwaltung aller bisherigen Steuern auf Bund und Lander sowie der namentlichen Auffuhrung der Zolle und Finanzmonopole, der einzelnen groBen Steuergruppen und einzelner Steuern zu Verfassungsrecht geworden seien.

Diese Behauptungen drangen geradezu die Frage auf, was Wacke in die- sem Zusammenhang unter „ wesentlichen Grundlagen des bisherigen Steuer- systems" bzw. „ Grundlagen unseres bisherigen Steuersystems** versteht. Auf diese Frage erhalt man seine Antwort in seiner weiteren Bemerkung, daB ,,8owohl die Ausprdgung der einzelnen Steuern in ihrem wesentlichen Charak- ter wie uberhaupt in ihrem Bestande durch die bisherigen Steuergesetze als auch ihre gegenseitige Relation . . . da im Grundgesetz in Bezug genommen, in die Ebene des Verfassungsrechtes erhoben" seien. Danach zahlt er also anscheinend zu den „ Grundlagen unseres bisherigen Steuersystems*

* bzw. „ wesentlichen Grundlagen des bisherigen Steuersystems**: einmal die Aus- pragung der einzelnen Steuern in ihrem Bestande und wesentlichen Charak- ter durch die bisherigen Steuergesetze, zum andern die Relation dieser ein- zelnen Steuern.

In bezug auf beide Kategorien ist allerdings nicht klar und laBt sich auch nicht einwandfrei feststellen, was Wacke genau meint. Das gilt insbeson- dere ftir die zweite Kategorie, da nicht ersichtlich ist, was Wacke unter Re- lation" der in ihrem Bestande und wesentlichen Charakter durch die bisheri- gen Steuergesetze ausgepragten einzelnen Steuern versteht. Vielleicht meint er dam it auch und vor allem die gegenseitige Abgrenzung der einzelnen Steuergesetze aus ihren verschiedenen Materien, da ja gerade die Steuer-

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124 Friedrich Klein

gesetze das von ihm mehrfach angesprochene Steuersystem bilden. Eine ge- wisse Klarheit lafit sich aus den Wackeschen Ausfuhrungen immerhin hin- sichtlich der ersten Kategorie gewinnen. Zur Abgrenzung des in dieser ange- sprochenen Bereichs darf und muB nannlichW ackes weitere Bemerkung hinzu- genommen werden, daB ,,Abanderungen einzelner Steuergesetze, die den Charakter der Steuern im ganzen bestehen lassen und etwa nur Befreiungen, Tatbestande oder Steuersatze modifizieren" auch weiterhin durch einfaches, nicht grundgesetzanderndes Bundesgesetz vorgenommen werden durfen. Daraus folgt, daB nach seiner Auffassung eine im Grundgesetz einzeln namentlich aufgefiihrte Steuer einerseits weder beseitigt noch iiber die bloBe Modifizierung von Befreiungen, Tatbestanden oder Steuersatzen hinaus der- art verandert werden darf, daB die Auspragung der einzelnen Steuer in ihrem wesentlichen Charakter beriihrt wird, daB aber anderseits bloBe Modifikatio- nen von Steuerbefreiungen, Tatbestanden oder Steuersatzen einfach-gesetz- lich zulassig sind.

2. Schon oben vor I wurde angenommen, daB der Auffassung von Ger- hard Wacke ,,ein richtiger Kern" zugrunde liegt. Dieser Wahrheitskern ist allerdings weder tiberhaupt noch besonders in seinem AusmaB ohne weiteres erkennbar. Zur Auffindung dieses Kerns und Ermittlung seines Umfangs kon- nen auch nicht die beiden folgenden Gesichtspunkte verhelfen, die hier im Interesse der Vollstandigkeit der Untersuchungen angefiihrt seien: Einerseits erkennt Wacke selbst an *, daB Anderungen einzelner Steuergesetze, die nur Befreiungen, Tatbestande oder Steuersatze modifizieren und den Charakter der betreffenden Steuer als solcher bestehen lassen, auch im Wege des ein- fachen, d. h. nicht grundgesetzandernden, Bundes- (oder Landes-)Gesetzes zulassig sind. Anderseits bleibt mit Heinz Paulick2 zu bedenken, daB die oben B I umrissene Auffassung von Wacke zu einer Erstarrung, einer Betonierung des deutschen Finanz- und Steuerwesens ftihren miiBte; diese Erstarrung ,,mtiBte unter allgemeinen staats- und volkswirtschaftlichen Aspekten uner- wiinscht sein, weil sie dem Steuersystem die erforderliche Elastizitat rauben und dem Gesetzgeber die Moglichkeit nehmen wiirde, die Steuergesetzgebung den jeweiligen staatswirtschaftlichen Gegebenheiten und Bediirfnissen anzu- passen, ganz abgesehen davon, daB der einfachen Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete des materiellen Steuerrechts kaum noch eine wesentliche Bedeu- tung zukame."3

3. Der Raum, der fur steuerliche Anderungen durch einfaches, nicht grundgesetzanderndes Bundesgesetz und insoweit in Betracht kommende Steuerreformen verbleibt, kann naher abgesteckt werden unter dem oben A IV angesprochenen Gesichtspunkt der verfassungskraftigen Festlegung des deutschen (Gesamt-)Steuersy stems im Grundgesetz, und zwar speziell als System staatlicher Eingriffsregelungen (a) und auch als System bundesstaat- licher Verteilung der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit (b).

a) Wiirde man der Wackeschen Meinung folgen, daB ,,die Auspragung der einzelnen Steuern in ihrem wesentlichen Charakter wie uberhaupt in ihrem Bestande durch die bisherigen Steuergesetze" ,,in die Ebene des Verfassungs-

1 Vgi.obenBI. 2 A. a. 0. S. 159. 3 A. a. 0. S. 159.

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Orundgesetz und Steuerreformen 125

rechtes erhoben" sei1, daB beide Komponenten dieser Auspragung ,,zum Ver- fassungsrecht geworden" seien2, dann ergabe sich, daB die im Grundgesetz einzeln namentlich aufgefiihrten Steuern als solche und in ihrer hauptsach- lichen Ausgestaltung, namlich so, wie sie sie durch das jeweilige Steuergesetz erfahren haben, durch eben diese Benennung im Grundgesetz zu Bestand- teilen der Verfassung (im materiellen Sinne) und damit zu (materiellem) Ver- fassungsrecht geworden waren. Dies kann jedoch deshalb nicht richtig sein, weil das deutsche Verfassungsrecht im Unterschied zu dem nordamerikani- schen, dem osterreichischen und dem italienischen keine verfassungskrdftigen Gesetze aufierhalb der Verfassungsurkunde kennt und weil jedes Recht auBer- halb der Verfassungsurkunde nur die Rechtsqualitat ,,einfachen" Bundes- (oder Landes-)Rechts hat. Das letztere ergibt sich schliissig und zwangs- laufig aus der formellen Verfassungs-Limitation des Art. 79 Abs. 1 GG., die einerseits zwar das Bestehen jeglichen materiellen Verfassungsrechts auBer- halb des Grundgesetzes ausschlieBt, anderseits aber auch verlangt, daB jeg- liches ma terielles Verfassungsrecht im Grundgesetz selbst erscheint3.

Allerdings bedarf es noch weiterer sorgfaltiger Uberlegungen und For- schungen dariiber, ob die Meinung von Wacke nicht etwa dadurch gerecht- fertigt werden konnte, daB man seine Ausfiihrungen in ahnlicher Weise ver- steht und begriindet wie die Lehre von den Einrichtungsgarantien und den mit ihnen zusammenhangenden immanenten sachlichen Gewahrleistungs- schranken von Grundrechtsbestimmungen in der Theorie der Grundrechte4. Diese Lehre geht dahin, daB immer dann, wenn eine Grundrechtsbestim- mung den Gegenstand ihrer Grundrechtsgewahrleistung aus auBerverfas- sungsrechtlichen Rechtsgebieten entnimmt und mit Begriffen erfaBt, die die- sen Gebieten entstammen, auch die auBerverfassungsrechtliche Rechtsein- richtung (z. B. das Recht vom Eigentum und Erbrecht des Biirgerlichen Rechts) auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben wird, Verfassungskraft erhalt (z. B. Eigentum und Erbrecht in Art. 14 GG.). Mit dieser Rechtsein- richtung ist nicht jede einzelne Regelung des Biirgerlichen Gesetzbuches und der weiteren Rechtsvorschriften iiber das Eigentum und das Erbrecht ver- fassungskraftig geworden, wohl aber sind es die ,,Kernbestimmungen", aus denen sich die Kriterien der im Grundgesetz genannten Begriffe ergeben. Ubertragt man diese Lehre auf den vorliegenden Gegenstand, so ergibt sich die parallele Fragestellung, ob und inwieweit durch die Art. 105 bis 108 GG. fur das deutsche Steuersystem ,,Einrichtungsgarantien" geschaffen werden.

Es fragt sich jedoch, ob eine solche Begriindung den ,,Willen der Ver- fassung" trifft, ob nicht vielmehr eine weitere Differenzierung erforderlich ist, welche die Fragestellung in einen wesentlich veranderten Zusammenhang stellt. Es erscheint namlich moglich, bei der Verpflichtung des Art . 79 Abs. 1

1 Vgl. oben B I Abs. 1. 1 Vgl. oben Ziffer 1 Abs. 1. ° ao scnon Jfneartcn Klein, J^ormeiie irroDieme aes Austunrungsgesetzes zu

Art. 107 GG., DVB1. 1954 S. 37-43, S. 43; ubereinstimmend Heckt, Wilhelm, Der Rechtscharakter des Gesetzes nach Art. 107 GG., DOV. 1953 S.654/55, S. 654: ,,Das Grundgesetz kennt keine verfassungsrechtlichen Nebengesetze." 4 Vgl. dariiber von Mangoldt-Klein a. a. O. Vorbem. B XV 2 a Abs. 5 zum I. Ab- schnitt, S. 124/25 und Anm. IV 1 a Abs. 2 zu Art. 14, S. 429; auch Vorbem. A VI 3 zum I. Abschnitt, S. 83-86, insbesondere S. 86.

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126 Friedrich Klein

Satz 1 GG., jede Anderung des Grundgesetzes durch ein den Wortlaut des Grundgesetzes ausdriicklich anderndes oder erganzendes Gesetz zu bewerk- stelligen, zu unterscheiden zwischen solchen Anderungen, die aus materiell- rechtlichen Griinden erfolgen mussen, und solchen, die aus nur formal-sprach- lichen Griinden notwendig sind. Nach der Auffassung von Wacke soil ja eine Anderung des Grundgesetzes bei bestimmten Anderungen im Steuersystem im wesentlichen deshalb erforderlich sein, weil die namentliche Erwahnung von einzelnen Steuern und von Steuergruppen in den Art. 105 bis 108 GG. gemaB Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG. Anderungen des Grundgesetzes erforderlich machen, sobald die erwahnten Steuern oder (und) Steuergruppen wegfallen oder in ihrem Kern so verandert werden, daB sie einerseits von den bisherigen Benennungen im Grundgesetz nicht mehr erfaBt werden und anderseits andere Benennungen im Grundgesetz erfordern. Hier stellt sich aber die Frage, ob die namentliche Erwahnung von einzelnen Steuern und von Steuergruppen, ob ihre Begriffsbezeichnungen in den Art. 105 bis 108 GG. wirklich auf die Regelungen dieser Steuern und Steuergruppen auBerhalb des Grundgesetzes ,,bezogen" sind, insbesondere ob sie das in gleicher oder ahnlicherWeise sind, wie die tJbernahme auBerverfassungsrechtlicher Rechts- begriffe in das Verfassungsrecht im Falle der Einrichtungsgarantien im Sinne der Grundrechtslehre. DemgemaB muB untersucht werden, ob die nament- liche Erwahnung, die Ubernahme1 der Begriffsbezeichnungen von einzelnen Steuern und von Steuergruppen von auBerhalb des Verfassungsrechts in die Art. 105 bis 108 GG. wirklich eine derart materiell-rechtliche Funktion be- sitzt, ob sie wirklich entsprechend den Einrichtungsgarantien der Grund- rechtslehre den ,,Kernbestimmungen" auBerverfassungsrechtlicher Normen- komplexe den Rang materiellen Verfassungsrechts verleihen soil, oder ob sie nicht nur eine rein formal-sprachliche Funktion besitzt, bestimmte Sachver- halte auBerhalb des Verfassungsrechts abktirzend mit gelaufigen Begriffsbe- zeichnungen zu erfassen, ohne damit irgendwelche Anderungen auBerhalb des Verfassungsrechts aus materiell-rechtlichen Griinden auf den Weg des Art. 79 Abs. 1 und 2 GG. zu verpflichten.

Um diese Unterscheidung zu verdeutlichen, sei auf das sinnfallige Bei- spiel des Art. 23 Satz 1 GG. hingewiesen. In dieser Bestimmung sind als Geltungsbereich des Grundgesetzes die Namen der ursprtinglichen Bundes- lander aufgezahlt. Inzwischen sind im Bestand der Bundeslander jedoch zwei Anderungen eingetreten, in deren Folge diese Aufzahlung nicht mehr stimmt : Die drei ursprtinglichen sudwestdeutschen Lander Baden, Wtirttem- berg-Baden und Wurttemberg-Hohenzollern vereinigten sich zum neuen Lande Baden-Wtirttemberg; das Saarland trat als neues Bundesland der Bundesrepublik bei. Obwohl nach Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG. diese Anderung im Gebietsbestande der in Art. 23 Satz 1 GG. namentlich aufgezahlten Bun- deslander hatte in das Grundgesetz aufgenommen werden mussen, ist dies nicht geschehen, ohne <JaB bisher jemand die VerfassungsmaBigkeit jener Anderungen im Gebietsstande, d. h. die Bildung des Landes Baden-Wurttem- berg und den Beitritt des Saarlandes, wegen Verletzung des Art. 79 Abs. 1

1 Vgl. oben C I 3.

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Orundgesetz und Steuerreformen 127

Satz 1 66. und die dortige Ubernahme des 6rundgesetzes fiir verfassungs- widrig und ungiiltig erklart hatte1. Dies beruht wohl darauf, daB die Auf- zahlung der urspriinglichen Bundeslander in Art. 23 Satz 1 66. keine mate- riell-rechtliche Gewahrleistung einerseits fiir den Bestand dieser Lander, anderseits gegen die Bildung neuer Lander sein sollte, sondern nur die formal- sprachliche Funktion besaB, das 6eltungsgebiet des 6rundgesetzes mit den am Beginn seiner 6eltungszeit zutreffenden kiirzestmoglichen Bezeichnungen festzulegen, anstatt etwa eine geographische Markierung der 6renzlinien anzufiihren 2.

Ahnlich konnte auch die namentliche Aufzahlung von einzelnen Steuern und Steuergruppen in Art. 105 bis 108 66. nur die formal-sprachliche Funk- tion besessen haben, mittels der Begriffsbezeichnungen fur diese einzelnen Steuern und Steuergruppen iiberhaupt in praktikabler Weise die 6esamt- Finanzhoheits-Masse, insbesondere die 6esamt-Finanzertrags-Masse, der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke ihrer Verteilung zwischen Bund und Landern zu erfassen. Dies wiirde bedeuten, daB die in den Art. 105 bis 108 66. aufgezahlten Begriffsbezeichnungen von einzelnen Steuern und Steuergruppen gar nicht fur deren Regelung in den Einzelsteuer-6esetzen, sondern fiir die damals durch diese Einzelsteuer-Regelungen reprasentierten Finanzhoheits-, insbesondere Finanzertragshoheits-Massen stehen, daB sie also nur Bund und Landern den so erfaBten Anteil an diesen Hoheitsmassen mit Verfassungsrang sichern, nicht aber die rechtliche Regelung jener Steuern als solche gewahrleisten sollen. Bei einer Anderung der Struktur, der Rela- tion" oder gar nur der Bezeichnung dieser Massen durch Andern oder Auf- heben oder Neuschaffen von Steuergesetzen bestiinde nach dieser Auffassung nur ein Recht des Bundes und der Lander, die urspriinglich durch die Steuer- Begriffsbezeichnungen in den Art. 105 bis 108 66 erfaBten, auch in Zukunft noch vorhandenen und nur aus 6riinden der allgemeinen Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik im Sinne von staatlicher Eingriffspolitik gegeniiber den Staatsbiirgern, nicht aber aus 6riinden der Hoheitsverteilung zwischen Bund und Landern ,,in Bewegung geratenen" Finanzhoheitsmassen zugun- sten von Bund und Landern zu erhalten. Eine Anderung des 6rundgesetzes ware also bei Steuerreformen nur deshalb und nur insoweit erforderlich, weil und soweit die Finanzhoheitsmassen zum Zwecke ihrer Verteilung zwischen Bund und Landern im 6rundgesetz begrifflich klar und unmiBverstandlich erfaBt sein miissen, nicht aber deswegen, weil bestimmte Regelungen des bis- herigen Steuerrechts als solche durch die Aufzahlung von Steuer-Begriffs- bezeichnungen in Art. 105 bis 108 GG. Verfassungsrang erhalten haben.

Nach dieser Losung konnte also z. B. eine grundlegende, das Wesen der bis- herigen Umsatzsteuer andernde Umsatzsteuerreform nicht dazu fiihren, das Auf-

1 Vgl. von Mangoldt-Klein a. a. O. Anm. Ill 5 zu Art. 23, S. 653. 2 Damit ware allerdings noch nicht die Nichtaufnahme des Saarlandes in den Text des Art. 23 Satz 1 66. ,,entschuldigt", weil dieses am Beginn der Geltungszeit des Grundgesetzes anders als die damaligen drei siidwestdeutschen Lander auBer- halb des Gteltungsbereichs des Grundgesetzes lag. Auch insoweit kann man jedoch die t)bernahme des Grundgesetzes im Saarland nicht wegen Verletzung des Art. 79 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 Satz 1 GG. fiir ungiiltig erklaren.

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128 Friedrich Klein

kommen der ,,Umsatzsteuer-Nachfolge-Steuer" deshalb den Landern zuflieften zn lassen, weil diese neue Steuer nicht mehr von dem Umsatzsteuerbegriff des traditio- nellen deutschen Steuerrechts erfaBt und deshalb als ,,sonstige Verkehrsteuer" be- griflfen werden miiBte1.

b) Auch unter dem Blickpunkt der grundgesetzlichen Verteilung der Zu- stdndigkeiten zwischen Bund und Landern im Bereich des Steuerwesens ergibt sich nur deswegen eine Verengung des Raumes, der ftir Steuerreformen im Wege des einfachen, nicht grundgesetzandernden Bundesgesetzes verbleibt, weil das Grundgesetz in seinen Art. 105 bis 108 die Zustandigkeiten von Bund und Landern im Bereich des Finanzwesens genau festgelegt hat, und zwar in dreifacher Hinsicht: beztiglich der Verteilung der Gesetzgebungs-, der Verwaltungs- und der Ertragshoheit zwischen den beiden Kompetenztragern. Diese Zustandigkeitsverteilung ist verfassungskraftig ; jeglicher Eingriff in sie darf nur im Wege des grundgesetzandernden Bundesgesetzes vorgenom- men werden2 (vgl. auch die vier letzten Absatze von vorstehend a)).

Danach durfte also der Bund in die grundgesetzlich in ganz bestimmter Art und Weise geregelte Verteilung der steuerlichen Gesetzgebungszustdndig- keiten auf Bund und Lander nur im Wege eines Bundesgesetzes eingreifen, das gemaB Art. 79 Abs. 1 GG. den Wortlaut des Grundgesetzes ausdriicklich andert oder erganzt und gemaB Art. 79 Abs. 2 GG. der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates bedarf. Nach Art. 105 GG. sind die Zustandigkeiten zum ErlaB von Steuergesetzen zwischen Bund und Landern dahin aufgeteilt, daB der Bund die ausschlieBliche Gesetzgebung nur uber die Zolle und Finanz- monopole hat, daB in den sonstigen Abgabenbereichen dagegen grundsatzlich die Zustandigkeit zum ErlaB von Gesetzen als sogenannte konkurrierende Zustandigkeit zwischen Bund und Landern aufgeteilt ist. Um einen Eingriff in die Verteilung dieser Gesetzgebungszustandigkeiten von Bund und Landern durch den Bund wiirde es sich nicht nur dann handeln, wenn der Bund die im Grundgesetz in der genannten Art und Weise festgelegte Kompetenzauf- teilung als solche andern wollte, sondern auch schon dann, wenn er im Einzel- fall entgegen jener Aufteilung die Zustandigkeit zum ErlaB eines einschlagi- gen Bundesgesetzes fur sich beanspruchen wiirde.

Das Entsprechende wie fur die steuerliche Gesetzgebungshoheit gilt auch fiir Eingriffe des Bundes in die steuerliche Ertrags- und die steuerliche Verwaltungshoheit der Lander3.

Das praktische Ergebnis dieser Auslegungen des Grundgesetzes ist die- ses : Wiirde der Bund etwa die derzeitige Einkommensteuer, deren Ertrage -

abgesehen von dem Bundesanteil gemaB Art. 106 Abs. 3 und 4 GG. - iiber- wiegend den Landern zuflieBen, im Wege des einfachen, nicht grundgesetz-

1 Vgl. zu diesem Beispiel die oben A I wiedergegebene Stelle aus der Umsatz- steuer-Denkschrifb des Bundesministers der Finanzen.

2 Zu eng Paulick a. a. O. S. 159/60, der nur ,,Eingriffe des Bundes in die Er- trags- und Verwaltungshoheit der Lander" beriicksichtigt. 3 Meine diesbeziighchen Ausfuhrungen in JSteuerberater-Jahrbuch a. a. U. S. 46/47, denen Paulick a. a. O. S. 159 leider unkritisch zustimmt, kann ich nach erneuter tJberprufung nicht aufrechterhalten, da Art. 106 Abs. 2 und 3 GG. nicht durch Art. 105 Abs. 3 GG. geandert werden kann.

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Grundgesetz und Steuerreformen 129

andernden Bundesgesetzes beseitigen und sie durch eine mit hohen Steuer- satzen ausgestattete Umsatzsteuer ersetzen wollen, deren Ertrag gemafi Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG. allein ihm zustehen soil, so wiirde dieses Vorgehen gegen das Grundgesetz verstoBen, weil ein Eingriff in die steuerliche Ertrags- hoheit der Lander vorlage, der mit Art. 106 Abs. 3 und 4 GG. nicht zu verein- baren ware, wonach eben den Landern vom Aufkommen der Einkommen- steuer ein bestimmter prozentualer Anteil (662/3%) zusteht1. DaB das unter- stellte Vorgehen des Bundes auBerdem gegen die verfassunggestaltende Grundentscheidung fur den Bundesstaat (vgl. Art. 20 Abs. 1, 30, 70 und 83 GG.) verstoBen wurde, weil auf diese Weise ein den Landern zustehendes wichtiges Hoheitsrecht bis zur Inhaltslosigkeit ausgehohlt und gegenstands- los gemacht werden konnte2, sei zusatzlich vermerkt.

D

Aus dem Kranz von Fragen, die oben A IV unter dem Gesichtspunkt aufgeworfen und vorstehend C II teilweise wieder aufgegriffen wurden, ob die in ihnen angesprochenen und unterstellten steuerlichen MaBnahmen Grund- gesetzanderungen bedingen, sei die folgende zum Schlusse noch gesondert auch unter anderen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als denjenigen der Wackeschen Argumentation aus den Art. 105 bis 108 GG. gepriift: Diirfte das deutsche (Gesamt-) Steuer system ohne Anderung des Grundgesetzes in der Weise umgestaltet werden, daB das Verhdltnis der steuerlichen Lasten zwischen den direkten und den indirekten Steuern grundlegend verschoben wiirde ? Anders formuliert : Ware eine Verschiebung des derzeitigen Gewichts zwischen den direkten und den indirekten Steuern ohne Grundgesetzanderung zulassig ? Konnte also z. B. der Beckersche Umsatzsteuer-Reformplan, dessen Verwirk- lichung das Verhaltnis zwischen den direkten und den indirekten Steuern wesentlich andern wiirde, im Wege des einfachen, nicht grundgesetzandern- den Bundesgesetzes durchgefuhrt werden? Dabei sei angenommen, daB diese Umstellung nicht schon aus anderen Griinden eine Grundgesetzande- rung bedingt, daB sie insbesondere in ihrer praktischen Auswirkung fur die Lander keine EinbuBe an deren Ertragshoheit und Verwaltungshoheit mit sich bringt, da andernfalls der ganze Vorgang bereits unter dem oben C II 3 b erorterten Gesichtspunkt des Eingriffes des Bundes in diese Hoheits- rechte der Lander fiele und eine Grundgesetzanderung notwendig machen wiirde.

I. In der Zeit derWeimarer Republik wurde die entsprechende Frage an Hand einer besonderen Verfassungsnorm beantwortet : des Art. 134 WRV., der bestimmte: ,,Alle Staatsbiirger ohne Unterschied tragen im Verhaltnis ihrer Mittel zu alien offentlichen Lasten nach MaBgabe der Gesetze bei." In dieser Vorschrift sah Albert Hensel* mit Recht ein Postulat, ,,dessen Verwirklichung

1 Ubereinstimmend Pavlick a. a. O. S. 160. 2 Auch in diesem Punkt iibereinstimmend Pavlick ebenda. 3 Verfassungsrechtliche Bindungen des Steuergesetzgebers. Besteuerung nach

der Leistungsfahigkeib-Gleichheit vor dem Gesetz, Vierteljahresschrift fiir Steuer- und Finanzrecht 4. Jg., 1930, S. 441-493, S. 453.

9 Finanzarchiv N. F. 20. Heft 1

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130 Friedrich Klein

in erster Linie durch das Gesamtsteuersystem eines Staates zu erreichen ist". In ihr waren nach der Auslegung, die sie durch ihren Hauptinterpreten Ott- mar Biihler1 erfuhr, drei Grundsatze enthalten: erstens die Gleichheit aller vor dem Steuergesetz und damit die Unzulassigkeit von Steuerprivilegien, zweitens die Sicherung der Besteuerung nach dem Verhaltnis der Mittel oder - anders ausgedrtickt - nach der Leistungsfahigkeit und drittens die Siche- rung der GesetzmaBigkeit der Verwaltung in Steuersachen. Mit der Formu- lierung ,,im Verhaltnis ihrer Mittel" in Art. 134WRV. war der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit aufgestellt worden, der nur bei direkten Steuern, insbesondere Personalsteuern, allenfalls auch bei Gebiihren und Beitragen, nicht aber bei indirekten Steuern voll durchftihrbar ist a. Dar- aus und aus der Uberlegung, daB nicht angenommen werden kann, daB die Weimarer Reichsverfassung die Erhebung indirekter Steuern habe verbieten wollen, daB also der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit in bezug auf das Gesamtsteuersystem nur mit Einschrankungen gait, ergibt sich ein Weiteres, worauf zuerst Ottmar BiiMerB hinwies: Mit Art. 134 WRV. ware es nicht vertraglich gewesen, wenn das Steuersystem ganz oder iiber- wiegend auf indirekte Steuern (insbesondere solche, die den Massenver- brauch belasten) aufgebaut sein wurde, da dann ja das Gebot der Besteu- rung nach der Leistungsfahigkeit unverwirklicht gewesen ware. Derselben Meinung waren etwa Gerhard Anschutz*, Curt Eberhard Cerutti5 und Gerhard Wacke*.

II. Eine dem Art. 134 WKV. entsprechende Vorschrift gibt es im Bonner Grundgesetz nicht; dieses hat jene allgemeine Lastenverteilungsnorm nicht wieder aufgenommen. Gleichwohl wird allgemein angenommen, daB der In- halt des Art. 134TPjRF. auch heute gilt. So betrachtet insbesondere Ottmar Buh- fer 7 als einer der ersten Interpreten der Art. 105 ff. GG. die drei von ihm dem

1 Artikel 134. Gleichheit in der Lastenverteilung, ,,Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung. Kommentar zum zweiten Teil der Reichs- verfassung", Berlin (Hobbing), Zweiter Band, 1930, S. 313-318.

* Vgl. dazu UutteL, Alfred, GleichmaBige Besteuerung nach der Leistungs- fahigkeit. Inhalt und Bedeutung des Artikels 134 der Reichsverfassung, Dies. Frank- furt Main 1934, insbesondere S. 49-53.

8 A* a. O. S. 316: ,,Art. 134 ist zu unbestimmt gehalten, als daB man in lhm geradezu eine Festlegung dieses unseres jetzigen Steuersystems [tats&chliches Frei- sein groBer Teile der Staatsbiirger von den direkten Steuern; indirekter Beitrag derselben zu den offentlichen Lasten in ihrem An teil an den Verbrauch- und Verkehr- steuern] sehen konnte. Immerhin kann man wohl sagen, daB eine wesentliche Veran- derung dieses Systems dahin, daB unsere offentlichen Einnahmen ganz oder vor- nehmlich auf indirekte Steuern basiert wtirden, mit Art. 134 nicht vereinbar ware."

4 Die Verfassung des Deutechen Keichs vom 11. August 1U1U. .Ein Kommentar furWissenschafb und Praxis, Berlin (Stilke), 14. Aufl. 1933, Anm. 2 zu Art. 134, S. 616/17. 6 Ein Beitrag zur Gleichheit vor dem steuergesetz, Jestschnit zum zehn- j&hrigen Bestehen des Steuer-Instituts an der Handelshochschule Leipzig 19. Juni 1920 bis 19. 6. 1930, Berlin undWien (Spaeth & Linde) 1931 S. 46-61, S. 48 und 50.

6 GesetzmaBigkeit und Gleiohm&ttigkeit. Die drei Arten der Uleicnmaliigkeit als Aufldsung des gesetadichen Tatbestandes, StW. 1947 Sp. 21-66, Sp. 36. 7 lm sog. ISonner Kommentar, Abs. 4 n. aer vorDemerKungen zum a. ADscnnitt (Art. 105 S. GG.).

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Orundgesetz und Steuerreformen 131

Art. 134 WRV. entnommenen, vorstehend I erwahnten Grundsatze als ,,auch unter der neuen Verfassung als rechtens".

Dabei leitet er den ersten Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Steuergesetz und damit der Unzulassigkeit von Steuerprivilegien mit Recht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG her und stiitzt er den dritten Grundsatz der GesetzmaBigkeit der Verwaltung in Steuersachen zutreffend auf die Art. 14, 19 und 20 Abs. 3 GG. ; fur das Gelten des zweiten Grundsatzes, desjenigen der Besteuerung nach dem Verhaltnis der Mittel oder - anders ausgedriickt - nach der Leistungs- fahigkeit, gibt er allerdings keine Begrtindung.

Dieser zweite Grundsatz ist zwar der deutschen Steuerrechtsordnung als oberstes Besteuerungsprinzip fur die direkten Steuern bekannt und insbe- sondere in der progressiven Einkommensteuer verwirklicht, eine dem Art. 134 WRV. entsprechende Norm fehlt aber im Bonner Grundgesetz; auch kann der Grundsatz der Besteuerung nach dem Verhaltnis der Mittel oder nach der Leistungsfahigkeit insbesondere nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. oder dem Gesamtinhalt des Grundgesetzes entnommen werden. Daraus folgt zwangslaufig die Antwort auf die zur Uberpriifung ge- stellte Frage : Unser Gesamtsteuersystem diirfte ohne Anderung des Grund- gesetzes in der Weise umgestellt werden, daB das Verhaltnis der steuerlichen Lasten zwischen den direkten und den indirekten Steuern grundlegend zu- gunsten der indirekten Steuern verschoben werden wiirde; eine solcheVer- schiebung des derzeitigen Gewichts zunschen direkten und indirekten Steuern ware ohne Grundgesetzdnderung zuldssig1.

Nur anmerkungsweise sei noch erwahnt, daB diese Frage entgegengesetzt zu beantworten ware nach den einschlagigen Vorschriften der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 2, der Verfassung des Landes Thuringen vom 20. De- zember 1946 8 und der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 4, da dort jeweils verlangt wird, daB Verbrauchsteuern und Besitz- steuern in einem ,,angemessenen Verhaltnis" zueinander stehen miissen.

III. Dem hier erarbeiteten Ergebnis in dieser letzten der behandelten Fragen konnte der Sozialstaatsgrundsatz des Grundgesetzes entgegengehalten werden. Ob jedoch das in den Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 GG. ent- haltene Bekenntnis zum Sozialstaat fiir sich allein ausreicht, . um einem Steuersystem die VerfassungsmaBigkeit abzusprechen, das nicht mehr oder nicht mehr in dem derzeitigen Umfang die Besteuerung nach der wirtschaft- lichen Leistungsfahigkeit zu seiner Grundlage hat, erscheint bei der Unbe- stimmtheit und sehr schwierigen Bestimmbarkeit des Sozialstaatsbegriffs und der Problematik des Zusammenhanges von Sozialstaat, Leistungs-

1 Ebenso Pavlick a. a. O. S. 160. 2 Art. 123 Abs. 1 und 2: ,,(1) Alle sind im Verhaltnis ihres Einkommens und Vermogens und unter Beriicksichtigung ihrer Unterhaltspflicht zu den oflFentlichen Lasten heranzuziehen. (2) Verbrauchsteuern und Besitzsteuern miissen zueinander in einem ancremessenen Verhaltnis stehen."

8 Art. 68 Abs. 1 : ,,Vermogens-, Einkommens- und Verbrauchsteuern sind in einem angemessenen Verhaltnis zueinander zu halten und nacli sozialen Gesichts- punkten zu stafifeln. Hierbei ist sowohl die Leistungsfahigkeit als auch die Aufrecht- erhaltung einer mittleren Lebenshaltung zu beriicksichtigen." 4 Art. 120 Abs. 2: ,,Vermogens-, Einkommen- und Verbrauchsteuern sind in einem angemessenen Verhaltnis zueinander zu halten und nach sozialen Gesichts- punkten zu staffeln."

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132 Klein, Orundgesetz und Steuerreformen

fahigkeit und Steuerprogression bei arbeitsintensiven Berufen mehr als zwei- felhaft. Die angefuhrten Grundgesetzvorschriften verpflichten zwar die Or- gane der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, bei alien ihren MaBnahmen den MaBstab der sozialen Gerechtigkeit, des sozialen Ausgleichs zwischen den Bevolkerungsschichten, als Anwendungs- und Auslegungsmaxime zu beach ten. Jene Verfassungssatze enthalten aber nur rechtsgrundsdtzliche Zielbestimmungen vines Sozialstaats, keine Vorscnrif- ten, die die geltenden Rechtsnormen unmittelbar andern. Aus der Tatsache, daB das Bonner Grundgesetz der Bundesrepublik den Charakter des sozialen Rechtsstaats beilegt, kann nicht etwa der SchluB gezogen werden, daB nun- mehr kraft Bundesverfassungsrechts jeder Steuerpflichtige einen Rechtsan- spruch auf eine soziale Besteuerung habe, ganz abgesehen davon, daB sich nicht in rechtsstaatlicher und justizstaatlicher Weise bestimmen laBt, was eine solche in Anbetracht der Vielschichtigkeit des modernen Berufs- und Arbeitslebens wirklich genannt werden kann. Aus dem abstrakten Begriff des sozialen Rechtsstaats eine derartig konkrete Folgerung abzuleiten, ginge zu weit, solange einschlagige besondere Rechtssatze wie etwa Art. 134WRV. keinen naheren Hinweis in dieser Richtung geben.

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