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39 Giftschlangen scheinen einen besonderen Reiz auf viele Menschen aus- zuüben. Hört man in den Terrarienabteilun- gen der zoologischen Gärten den Gesprä- chen der Besucher zu, so wird man schnell feststellen, dass es viele Leute in- teressiert, ob die jeweiligen Schlangen gif- tig seien. Manche Eltern antworten auf die entsprechenden Fragen ihrer Kinder: „Ja, die Schlange ist bestimmt giftig, denn sie ist grün“ oder „Ich weiß nicht. Aber die blickt so böse drein, die ist bestimmt giftig“. Wenn man als Reptilienhalter mit Bekannten über sein Hobby spricht, so wird man mit großer Wahrscheinlichkeit nach wenigen Sätzen bereits gefragt, ob man auch Giftschlangen halten würde. Falls die Antwort „Ja“ lautet, so dürfte das Gesprächsthema des Abends festge- legt sein. Was sind Giftschlangen? Weltweit kennt man bisher, je nach Quel- le, zwischen 2600 und 3000 Schlangen- arten. Die meisten sind ungiftig und – ab- gesehen von den großen Riesenschlangen – für den Menschen im Normalfall harm- los. Giftschlangen machen nur 10–15 % aller Schlangenarten aus (GOLAY et al. 1993; MATTISON 1992; RAGE 1998). Schlangen mit Giftzähnen gibt es in den folgenden fünf Familien: • Erdvipern (Atractaspididae): Mehrheit- lich unterirdisch lebende Wühlschlangen aus Afrika und Vorderasien. Die Giftzäh- ne sind bei manchen Arten recht lang und können auch bei geschlossenem Maul seitlich nach unten ausgeklappt werden. Die Giftdrüsen sind insbesonde- re bei Atractaspis sehr groß. Schwere Bissfälle, vereinzelt sogar mit Todesfol- gen, sind bekannt. Grundlagen der Giftschlangenhaltung Text und Fotos von Beat Akeret Naja naja 39-55_Giftschlangehnhaltung 28.01.2004 18:26 Uhr Seite 39

Grundlagen der Giftschlangenhaltung - skn-reptilien.ch · 39-55_Giftschlangehnhaltung 28.01.2004 18:27 Uhr Seite 43. 44 Giftschlangenterrarien sollte man so aufstellen, dass die Tiere

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Giftschlangen scheineneinen besonderen Reizauf viele Menschen aus-zuüben. Hört man inden Terrarienabteilun-

gen der zoologischen Gärten den Gesprä-chen der Besucher zu, so wird manschnell feststellen, dass es viele Leute in-teressiert, ob die jeweiligen Schlangen gif-tig seien. Manche Eltern antworten aufdie entsprechenden Fragen ihrer Kinder:„Ja, die Schlange ist bestimmt giftig, dennsie ist grün“ oder „Ich weiß nicht. Aberdie blickt so böse drein, die ist bestimmtgiftig“. Wenn man als Reptilienhalter mit

Bekannten über sein Hobby spricht, sowird man mit großer Wahrscheinlichkeitnach wenigen Sätzen bereits gefragt, obman auch Giftschlangen halten würde.Falls die Antwort „Ja“ lautet, so dürftedas Gesprächsthema des Abends festge-legt sein.

Was sind Giftschlangen?

Weltweit kennt man bisher, je nach Quel-le, zwischen 2600 und 3000 Schlangen-arten. Die meisten sind ungiftig und – ab-gesehen von den großen Riesenschlangen– für den Menschen im Normalfall harm-

los. Giftschlangen machen nur 10–15 %aller Schlangenarten aus (GOLAY et al.1993; MATTISON 1992; RAGE 1998).Schlangen mit Giftzähnen gibt es in denfolgenden fünf Familien:•Erdvipern (Atractaspididae): Mehrheit-lich unterirdisch lebende Wühlschlangenaus Afrika und Vorderasien. Die Giftzäh-ne sind bei manchen Arten recht langund können auch bei geschlossenemMaul seitlich nach unten ausgeklapptwerden. Die Giftdrüsen sind insbesonde-re bei Atractaspis sehr groß. SchwereBissfälle, vereinzelt sogar mit Todesfol-gen, sind bekannt.

Grundlagen der Giftschlangenhaltung

Text und Fotos von Beat Akeret

Naja naja

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•Echte Nattern (Colubridae): Außer derAntarktis weltweit verbreitet. Die meis-ten Arten sind ungiftig. Nur ein kleinerTeil besitzt Giftzähne im hinteren Teil desOberkiefers. Meist fasst man dieseSchlangen unter dem Begriff „Trugnat-tern“ zusammen. Für den Menschen ge-fährlich sind Boomslang (Dispholidus),Vogelnattern (Thelotornis) und Wasser-nattern der Gattung Rhabdophis. Aberauch eine Reihe weiterer Trugnatternkönnen ernste Vergiftungen verursachen(SCHMIDT 1998). Von manchen giftzahnlo-sen Arten wie Strumpfbandnattern(Thamnophis) sind ebenfalls Vergiftun-gen bekannt geworden (HALLMEN &CHLEBOWY 2001).•Seeschlangen (Hydrophiidae). Bis aufzwei Arten aus Seen und Flüssen Südost-asiens leben alle in tropischen und subtro-pischen Gebieten des Indischen und desPazifischer Ozeans von Afrika über Asienbis an die Westküsten des amerikani-schen Doppelkontinents. Ihr Gift ist sehrpotent.•Giftnattern (Elapidae). Außer in Europaund auf Madagaskar weltweit in gemä-ßigten bis tropischen Gebieten verbreitet.Viele Arten sind sehr schnell, besitzen

hochwirksame Gifte und sind sehr ge-fährlich.•Vipern und Grubenottern (Viperidae).Außer in Australien, Madagaskar und derAntarktis weltweit verbreitet in nahezuallen Lebensräumen. HochentwickelterGiftapparat mit teilweise sehr gefährli-chen Giften.

Weshalb werden Giftschlangengehalten?

Als Giftschlangenhalter wird man immerwieder mit dem Vorwurf konfrontiert,dass man diese Tiere ausschließlich ausGeltungssucht halten würde. Selbst in se-riösen Terrarienbüchern wird die Gift-schlangenhaltung verdammt oder allen-falls wissenschaftlichen Institutionen zu-gestanden. Im Gespräch mit Nicht-Terra-rianern tauchen oft Bilder von ungepfleg-ten, tätowierten Typen auf, die ihre Min-derwertigkeitskomplexe mit der Haltungmöglichst gefährlicher Gift- und Riesen-schlangen kompensieren müssen unddiese Tiere jedem Besucher prahlerischvorführen. Sicher gibt es diesen Typ vonGiftschlangenhalter. Die meisten mir be-kannten Terrarianer, die giftige Schlangen

pflegen, sind dagegen ausgesprochen seri-ös, zurückhaltend und hängen ihr Hobbynicht an die große Glocke. Neben demWohl der Tiere steht die Sicherheit imZentrum.

Doch weshalb werden Giftschlangengehalten? Hierfür kann es mehrere Grün-de geben: •Viele Vipern und Grubenottern bleibenrelativ klein und können deshalb auch ineher kleinen Terrarien mit 80–100 cmLänge gehalten werden.•Vipern und Grubenottern sind Lauerjä-ger. Sie sitzen die meiste Zeit in einer De-ckung oder auf einem Ast und wartendort auf Beute. Sie durchwühlen nichtständig das Terrarium und bringen dieEinrichtung deshalb auch nicht durchein-ander, d. h. man kann ästhetisch anspre-chende Terrarien gestalten, ohne dass ei-nem immer wieder die Pflanzen zer-drückt und ausgegraben werden oder derganze Bodengrund durch die Belüftungs-schlitze aus dem Becken geschaufeltwird.•Als Lauerjäger flüchten die meisten Vi-pern und Grubenottern nicht, wenn manan das Terrarium herantritt. Bei mancherEchten Natter wird man dagegen oft dieErfahrung machen, dass sie sich blitz-schnell zurückzieht, wenn sie einen Men-schen sieht. Ein befreundeter Terrarianer,der seine Giftschlangen aus gesundheitli-chen Gründen weggeben musste und sei-ne großen, naturnah eingerichteten Frei-landterrarien anschließend mit verschie-denen Kletternattern (Elaphe) besetzte,erzählte mir vor einiger Zeit frustriert,dass er die Tiere nie sehen würde. Die zu-vor gepflegten Vipern (Vipera, Daboia)konnte er dagegen bei gutem Wetter täg-lich beobachten.•Fast alle Vipern und Grubenottern,aber auch viele Giftnattern können pro-blemlos mit Mäusen und Ratten ernährtwerden. Unter den Echten Nattern gibt esdagegen einige Futterspezialisten, die nurmit ihrer Vorzugsnahrung (z. B. Fröschenoder Echsen) langfristig gesund bleiben.•Viele Giftschlangenarten haben interes-sante Verhaltensweisen. So sind einigewüstenbewohnende Giftschlangen (Ce-rastes, Crotalus cerastes, Bitis peringu-eyi) in der Lage, sich seitenwindend fort-zubewegen.

Crotalus cerastes

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•Große Giftnattern wie Mambas (Den-droaspis) oder Kobras (Naja, Ophiopha-gus) faszinieren durch ihre imposante Er-scheinung.•Die meisten Vipern und Grubenotternsind lebendgebärend und deshalb oftrecht einfach zu züchten.

Voraussetzungen für dieHaltung von Giftschlangen

Wer Giftschlangen halten will, muss voll-jährig sein und in jedem Fall über einemehrjährige Erfahrung in der Haltung un-giftiger Schlangen verfügen. Es reicht kei-nesfalls aus, dass man zwei oder drei Jah-re lang eine Kornnatter (Pantherophis[bzw. Elaphe] guttatus) oder eine Königs-natter (Lampropeltis) in einem Terrariumgepflegt hat. Bevor man sich eine Gift-schlange anschafft, muss man in der Lagesein, auch mit verschiedenen ungiftigenund bissigen Arten umzugehen, ohneständig blutige Finger zu haben. Wer esnicht schafft, seine ungiftigen Schlangenso zu halten, dass sie nicht immer wiederaus dem Terrarium ausbrechen, für dengilt in jedem Fall: Hände weg von Gift-schlangen!

Bei der Giftschlangenhaltung müssenzwei Aspekten allerhöchste Priorität ein-geräumt werden. Einerseits müssen, wiebei jeder Tierhaltung, die biologischenBedürfnisse erfüllt werden, d. h. jede

Schlange muss artgerecht gehalten wer-den. Sie muss in einem adäquat einge-richteten und klimatisierten Terrarium le-ben und mit geeignetem Futter versorgtwerden. Andererseits muss aber jederzeit

Atheris ceratiphoris

Vipera aspis

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die Sicherheit des Pflegers wie auch sei-ner Umgebung gewährleistet sein.

In vielen Ländern bestehen gesetzlicheVorschriften für die Haltung von Gift-schlangen. Bevor man sich solche Tiereanschafft, muss man sich über die ent-sprechende Gesetzeslage informierenund allenfalls ein Gesuch einreichen.Auch wenn nicht vom Gesetzgeber vorge-schrieben, sollte man eine Haftpflichtver-sicherung abschließen, die auch Unfällemit Giftschlangen umfasst.

Weiter sollte man sich über die Giftwir-kung der gepflegten Tiere informieren(GOPALAKRISHNAKONE & CHOU 1990;JUNGHANSS & BODIO 1996; TRUTNAU 1998)sowie ein Notfallmerkblatt schreiben undim Giftschlangenraum gut sichtbar, aberabnehmbar aufhängen. Darauf werdenvermerkt:•Adresse und Telefonnummer eines Arz-tes mit Erfahrungen in der Behandlungvon Schlangenbissen, des nächstgelege-nen Notfallspitals, einer Rettungszentrale(Hubschrauberbasis, Rettungswagenbasis)sowie eines oder mehrerer Serumdepots.•Angaben zur eigenen Person: Name,Adresse, Blutgruppe, bekannte Allergien,frühere Bissfälle, bisherige Serumgaben.•Adressen und Telefonnummern vonVerwandten und weiteren Personen, diezu benachrichtigen sind.

•Da leider viele Ärzte ungenügendeKenntnisse in der Behandlung vonSchlangenbissen besitzen, sollte manauch eine Therapieanleitung auf das Not-fallblatt schreiben.

Giftschlangenterrarien

Ein Giftschlangenterrarium muss stabilund ausbruchsicher gebaut sein. AlleGlasscheiben sollten, je nach Terrarien-grösse, mindestens 4–6 mm dick sein.Lüftungsbleche müssen so befestigt wer-den, dass die Tiere sie weder verschiebennoch aufdrücken können. Es dürfen keineLöcher oder Spalten vorhanden sein,durch die die Schlangen entweichenkönnten. Bei Terrarien mit Schiebeschei-ben muss der Spalt zwischen den beidenFrontscheiben so abgedichtet werden,dass auch hier keine Schlange – auchkein frisch geborenes Jungtier – hin-durchkriechen kann. Kleine, schlanke In-dividuen zwängen sich manchmal auchoberhalb der Frontscheibe durch das Füh-rungsprofil und können so entweichen!Am Besten testet man das Becken vorgän-gig mit Jungtieren einer kleinen, ungifti-gen Art.

Giftschlangenterrarien sollten in einemabschließbaren Raum untergebracht wer-den, der für unbefugte Personen nicht zu-gänglich ist. Alle Fensteröffnungen sindmit einem feinen Drahtgeflecht zu si-chern. So kann verhindert werden, dass

Das Terrarium für Hornvipern (Cerastes cerastes) muss übersichtlich sein.

Die Bepflanzung eines Bambusotternterrariums (Trimeresurus albolabris) darf nicht zu dicht sein,damit sich die Tiere nicht vollständig verstecken können.

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eine trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ausdem Terrarium entwichene Schlange dasGebäude verlassen kann. Weiter solltenalle Giftschlangenterrarien abschließbarsein oder eine andere Sicherheitseinrich-tung aufweisen, die verhindert, dass dieTüren unabsichtlich geöffnet werdenkönnen.

Aus Sicherheitsgründen sollte man gif-tige Schlangen in tiefen Terrarien pflegen.Als Mindesttiefe ist 50 % der Gesamtlän-ge der Schlange wenn möglich nicht zuunterschreiten. In einem Terrarium mitden Grundmaßen 100 x 50 cm sollteman nur Tiere halten, die maximal 100cm lang werden. Dadurch entsteht ein Si-cherheitsabstand, der in vielen Fällen ver-hindert, dass man von einer Schlange ge-bissen wird, wenn diese versucht zuzu-schlagen. Aus dem gleichen Grund dür-fen Giftschlangenterrarien nicht nur übereinen schmalen Korridor zugänglich sein.Ausreichend Platz zum Hantieren vordem Terrarium erhöht die Sicherheit we-sentlich. Als minimale Korridorbreite isthier die 1,5-fache Gesamtlänge der größ-ten in diesem Bereich gepflegten Schlan-ge zu wählen, wobei aber 1 m Breitenicht unterschritten werden sollte.Mambaterrarien (Dendroaspis viridis) müssen übersichtlich eingerichtet sein und sollten einen von

außen verschließbaren Schlupfkasten besitzen.

Bei der Haltung von Lanzenottern (Bothriechis schlegelii) haben sich künstliche Pflanzen bewährt, da sie weniger Pflege benötigen als echte.

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Giftschlangenterrarien sollte man soaufstellen, dass die Tiere sich nicht aufBrust- oder gar Kopfhöhe des Pflegers be-finden. Die Becken bodenbewohnenderArten stellt man vorzugsweise auf denZimmerboden oder wenig darüber. Beibaumbewohnenden Arten hat es sich da-gegen bewährt, die Terrarien hoch anzu-ordnen. So können sich die Tiere mög-lichst weit in Richtung Zimmerdecke zu-rückziehen. Einerseits sind die Schlangenso besser sicht- und damit kontrollierbar.Andererseits dürften sie sich auch siche-rer fühlen, da sie wie in der Natur vonoben auf den Pfleger herunterblickenkönnen und diesen vermutlich wenigerals Gefahr erachten. Gerade bei einer sol-chen Anordnung ist aber auf einen ausrei-chend großen Sicherheitsabstand zu ach-ten. Und grundsätzlich sollte man dasTerrarium erst öffnen, nachdem man alleSchlangenköpfe geortet hat.

Unterschiedliche Giftschlangenartendürfen nie zusammen in einem Terrariumgepflegt werden. Jedes Becken muss be-schriftet sein mit der darin lebendenSchlangenart (wissenschaftlicher Gat-tungs- und Artname), der Anzahl der Tie-re und einem Hinweis, dass diese giftigsind. Die Beschriftungen sollten leicht ab-nehmbar sein. Bei einem Unfall wird dasSchild mitgenommen und ermöglicht An-gaben über die Artzugehörigkeit derSchlange, auch wenn der Gebissene be-wusstlos oder verwirrt ist.

Seit vielen Jahren habe sich von außenverschließbare, aus einem lichtundurch-lässigen Material gebaute Schlupfkästenbewährt (AKERET 1992; NIETZKE 1978).Von außen bedienbare Schlupfkästenwerden heute in der Schweiz bei der Hal-tung großer Giftnattern (Dendroaspis,Ophiophagus, Oxyuranus, Pseudohaje)sowie für Boomslangs (Dispholidus) sogarzwingend vorgeschrieben. Die Schlupf-kästen werden von den Schlangenaußerhalb ihrer Aktivitätszeit als willkom-mene Versteckplätze aufgesucht. EinigeArten setzen regelmäßig ihren Kot hier abund verschmutzen dadurch das Terra-rium weniger. Crotalus enyo bringt beimir regelmäßig seine Jungen im Schlupf-kasten zur Welt. Obwohl nicht alle ArtenSchlupfkästen akzeptieren, gehören sietrotzdem in jedes Terrarium mit bodenbe-

Mit einem Schieber kann das Einschlupfloch im Mambaterrarium (Dendroaspis viridis) von außenverschlossen werden.Von außen verschlossenes Einschlupfloch des Schlupfkastens im Mambaterrarium (Dendroaspisviridis).

Durch den Plexiglasdeckel auf der Schlupfkastenschublade kann die Mamba (Dendroaspis viridis)nicht entweichen.

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wohnenden Giftschlangen. Aber auchbaumbewohnende Giftnattern wie Mam-bas (Dendroaspis) halten sich häufig imSchlupfkasten auf, wenn dieser an derTerrariendecke angebracht ist, und beob-

achten durch die Öffnung ihre Umge-bung.

Bei großen, schnellen Giftnattern wieMambas (Dendroaspis) lohnt es sich, dasTerrarium so zu konstruieren, dass es in

zwei Hälften geteilt werden kann. EineMöglichkeit ist, dass eine vertikale Schei-be von außen durch einen normalerweisegeschlossenen Spalt ins Terrarium gescho-ben und dieses so unterteilt werdenkann. So können in der abgetrennten,schlangenfreien Terrarienhälfte die nöti-gen Pflegearbeiten gefahrlos durchgeführtwerden. Im Exotarium des FrankfurterZoos werden hierfür die Mambas durcheinen von oben herunterlassbaren Rollla-den in einem Teil des Terrariums abge-trennt. Mit einem weiteren, gleichartigenRollladen unmittelbar hinter der Front-scheibe kann das Becken verschlossenwerden, wenn die Scheibe auf der Innen-seite gereinigt werden muss.

Einrichtung

Grundsätzlich kann man ein Giftschlan-genterrarium ähnlich einrichten wie ei-nes für ungiftige Schlangen. Wichtig istaber, dass die Einrichtung übersichtlichist und die Tiere sich nicht in uneinsehba-re Winkel zurückziehen können, auchnicht in Lampenkästen oder hinter ir-gendwelche Verstrebungen. Bei fels- undsandbewohnenden Arten dürfte dies kein

Schlupfkästen erhöhen die Sicherheit in Giftschlangenterrarien.

Schlupfkasten

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Problem darstellen. Ein paar Steine undallenfalls 1–2 Äste reichen meist aus, umein Biotop nachzubilden. Unter einer vonvorne einsehbaren Steinplatte oder einemRindenstück können sich die Tiere zu-

rückziehen und sind trotzdem jederzeitsichtbar.

Schwieriger wird die Sache bei Baum-bewohnern. NIETZKE (1978) schreibt da-zu: „Nur wer Meister in seinem Hand-

werk ist, sollte sich daran wagen, seinenbaum- und gebüschbewohnenden Gift-schlangen ein biotopgerechtes Terrariumzu bieten“. Trotzdem darf man bei derHaltung baumbewohnender Arten wieAtheris, Trimeresurus oder Bothriechisnicht auf Kletteräste und Pflanzen ver-zichten. Nur so können sich die Tiereausreichend tarnen. Viele in kahlen Ter-rarien bissige Individuen werden ruhiger,wenn sie sich zwischen Pflanzen zurück-ziehen können. Aber auch hier muss manauf Übersichtlichkeit achten. LebendePflanzen müssen rechtzeitig zurückge-schnitten werden, um zu verhindern,dass das Terrarium zuwuchert und dieGiftschlangen nicht mehr kontrollierbarsind. Bevor man allerdings solche Eingrif-fe durchführt, muss man alle Tiere ausdem Becken entfernen und zwischenzeit-lich ausbruchsicher unterbringen. Als Al-ternativen haben sich auch künstlichePflanzen bewährt.

Umgang mit Giftschlangen

Grundsätzlich gilt: Giftschlangen fasstman nie mit bloßen Händen an! Auch

Eine Grüne Mamba (Dendroaspis viridis) beobachtet die Umgebung von oben aus dem Einschlupflochdes Schlupfkastens.

Das Mambaterrarium (Dendroaspis viridis) kann durch eine eingeschobene Plexiglasscheibe in zwei Hälften geteilt werden.

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eingewöhnte und ruhige Individuen kön-nen aus nicht vorhersehbaren Gründenerschrecken und zubeißen. Weiter darfman die Tiere nie unnötig stören, insbe-sondere nicht nachts, und keinesfalls imBereich des Kopfes Kot entfernen, Wasserwechseln oder andere Arbeiten durchfüh-ren.

Bevor man sich eine Giftschlange an-schafft, muss man sich eine Reihe vonWerkzeugen kaufen oder selber her-stellen. Die drei wichtigsten Geräte sind:•Schlangenhaken zum Umsetzen derTiere. Schlangenhaken sollten mindes-tens 1,5-mal so lang wie die Schlangesein. Für Jungtiere kann dies ein rund 30cm langer, dicker und vorne umgebo-gener und rundgeschliffener Draht sein.Für größere Giftschlangen benötigt manentsprechend längere Haken. In gut sor-tierten Reptilien-Fachgeschäften kannman solche kaufen. Kostengünstiger sindaber z. B. zweckmäßig zugeschnitten undgebogene, dünne, rostfreie Stahlstangenoder Ähnliches. Gerade bodenbewohnen-de Schlangen kriechen oft sehr schnellvom Haken, wenn man nur einen be-

nutzt. Besser ist es, die Tiere mit je einemHaken im vorderen und einem im hinte-ren Körperdrittel anzuheben.•Pinzetten und Zangen zum Füttern undHantieren im Terrarium. Für Jungschlan-gen reichen meist 30 cm lange Pinzetten.Für größere Individuen können die Pin-zetten kaum lang genug sein, insbesonde-re wenn man damit Futtertiere anbietet.Hier sollte man sich 50–60 cm lange„Riesenpinzetten“ kaufen. Mit langen,stabilen Greifzangen kann man gefahrlosGegenstände umstellen oder aus demTerrarium entfernen.•Langstielige Löffel zum Entfernen vonKot, Harnsäure, Häutungsresten usw. Be-währt haben sich bei kleinen Giftschlan-gen Löffel mit 50–60 cm langen Stielen,wie sie zum Grillieren [= Grillen aufHochdeutsch – Anm. d. Red.] verwendetwerden. Oder man montiert sich einenSuppenlöffel an einen Stock. Bei sandbe-wohnenden Arten kann Kot auch mit ei-nem stabilen Teesieb, das ebenfalls an ei-nem langen Stock befestigt wird, entferntwerden. Der nicht verschmutzte, loseSand rieselt dabei durch die Maschen

und wird nicht unnötigerweise wegge-worfen.

Je nachdem, welche Giftschlangenman pflegen will, können auch dicke Le-derhandschuhe mit langen Stulpen oderspezielle Lassostöcke mit breiten, zusam-menziehbaren Schlaufen nützlich sein.MARA (1993) verwendet eine vorne an ei-nem Stock befestigte und rechtwinkligumgebogene Acrylglasscheibe, um sichvor Bissen zu schützen. Bei Arbeiten imTerrarium wird die Scheibe mit demStock vor die Schlange gehalten, und dienötigen Arbeiten können gefahrlos durch-geführt werden.

Ebenfalls wichtig ist ein medizinischesErste-Hilfe-Set für Giftschlangenbisse.

Fütterung von Giftschlangen

Gerade bei Giftschlangen ist es in vielenFällen angebracht, die Tiere einzeln inspeziellen Boxen zu füttern. Kommt esbei der Haltung von mehreren Tieren imgleichen Terrarium zu Futterstreitigkei-ten, so ist es sehr gefährlich für den Pfle-ger, hier einzugreifen. Weiter besteht

Schlangenhaken, große Pinzetten, langstielige Schaufeln und Siebe sowie Greifzangen sind wichtige Werkzeuge bei der Haltung von Giftschlangen.

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auch die Gefahr, dass sich die Tiere ge-genseitig beißen. Giftschlangen sind kei-neswegs immun gegen das eigene Gift.Bisse von Artgenossen können deshalbauch für Giftschlangen tödlich enden.

Beim Separieren setzt man immer erstdie Schlange in die Futterbox. Anschlie-ßend wird das Futtertier mittels einer lan-gen Pinzette hinzugegeben. Bei Giftnat-tern sollte man eine transparente Box ver-wenden und das Futtertier durch einekleine, verschließbare Zusatzöffnung hin-eingeben. Öffnet man zur Fütterung denDeckel, so besteht immer die Gefahr, dassdie zum Teil sehr wendigen und schnel-len Tiere entweichen, zumal sie meistnoch vom Geruch des Futters angelocktwerden.

Ob man Giftschlangen mit lebendenoder toten Futtertieren füttern soll, wirdmancherorts kontrovers diskutiert. Oftwird als Argument für eine Lebendfütte-rung ins Feld geführt, dass das Gift derSchlangen als Enzymgemisch die Verdau-ung fördere (MARTINETZ 1982; MEBS

2000). Im lebenden Beutetier wird dasGift über den Blutstrom besser im Körperverteilt und die Nahrung dadurch leichter

verdaut (THOMAS & POUCH 1979). BODIO

(1987) konnte dagegen nur geringe Un-terschiede in der Verdauungsgeschwin-digkeit von durch die Giftschlange selbstgetöteten bzw. durch den Pfleger abgetö-teten Futtertieren ermitteln.

Ein besonderes Problem bei Giftschlan-gen ist die Zwangsfütterung. Insbesonde-re Jungtiere vieler Arten verweigern imTerrarium in den ersten Wochen bis Mo-naten die üblicherweise zur Verfügungstehenden Babymäuse, da sie sich in derNatur von kleinen Echsen oder Fröschenernähren. Diese stehen jedoch im Nor-malfall für die Aufzucht der Schlangennicht zur Verfügung. Bei der Zwangsfüt-terung müssen die Giftschlangen fixiertwerden und der Pfleger muss in unmittel-barer Nähe der Giftzähne das Futter inden Schlund stoßen. Dabei sieht manselbst bei erfahrenen Giftschlangenhal-tern immer wieder sowohl für den Pfle-ger als auch für die Schlange sehr risiko-reiche Techniken.

KRATZER (1965) beschreibt eine Zwangs-fütterungsmethode für junge Vipern, beider das Verletzungsrisiko für Schlange undMensch stark reduziert werden kann. Er

hebt die Schlange mit einem Schlangen-haken hoch und legt sie in eine zu einerV-förmige Rinne gefalteten Schaum-stoff-matte. Anschließend lässt er sie nach vor-ne kriechen und fixiert sie, sobald derKopf über den Rand des Schaumstoffshinausragt, indem er das Schaumstoff-Vzuklappt. Die Finger befinden sich dabeieinige Zentimeter hinter dem Vorderranddes Schaumstoffstreifens. Versucht dieSchlange zu beißen, so erreicht sie bloßden weichen Schaumstoff. Mit dem klei-nen Finger wird der Hinterleib derSchlange fixiert, sodass sie nicht aus demSchaumstoff herauskriechen kann. DieSchaumstoffmatte muss der Größe derSchlange angepasst sein. Bei Jungschlan-gen kleinerer Arten reichen meist rund 1cm dicke, 5–8 cm breite und 20–25 cmlange Stücke, die in der Mitte gefaltetwerden. Bei größeren Tieren müssen dieMatten entsprechend größer und dickersein, oder man nimmt mehrere LagenSchaumstoff. Durch das weiche Materialbesteht auch keine Gefahr, dass dieSchlange im Bereich des empfindlichenNackens gequetscht wird oder man ihrals Folge eines zu kräftigen Zupackens gar

Utensilien für die Zwangsfütterung einer jungen Lanzenotter (Bothriechis schlegelii)

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Mit einem gebogenen Draht wird die kleine Schlange ins Schaumstoff-Vgelegt.

Sobald der Kopf die Kante des Schaumstoffs erreicht hat, wird sie fest-gehalten.

Mit einer feinen Magensonde wird ein Futterbrei verabreicht.

Bei der Zwangsfütterung mit einer nestjungen Maus wird die kleine Bambusotter (Trimeresurus albolabris) mit einem Schaumstoffstück fixiert.

0,5–1 ml a/d Diätfutter für Katzen werden der jungen Schlange mit einerSpritze eingeflößt.

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Rippen bricht. Dem fixierten Tier kannman nun das Futter gefahrlos verabrei-chen. Zur Zwangsfütterung eignen sichabgetötete und angefeuchtete Babymäu-se, Teile einer Maus oder eines Kükens,Herzmuskelstreifen oder ein speziellerFutterbrei. Sehr gute Erfahrungen bei derAufzucht sehr kleiner Jungschlangenkonnten mit „a/d Diätfutter“ für Katzengemacht werden, das in wenig Wasseraufgeschlämmt und mittels einer Nähr-sonde verabreicht wurde. „a/d Diätfut-ter“ bekommt man beim Tierarzt. FesteNahrung wird mit einer vorne abgerun-deten Pinzette der Schlange in den Mundgebracht. Anschließend stößt man dieNahrung mit der Pinzette oder einemschmalen, gerundeten Spatel vorsichtig inden Schlund.

Anschaffung einer Giftschlange

Bevor man sich eine Giftschlange ins Ter-rarium holt, sollte man unbedingt einpaar Bücher zum Thema lesen, sich einpaar Bilder von Giftschlangenbissen anse-

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Giftschlangen darf man Futtertiere nur mit langen Pinzetten oder langen Zangen anbieten (Schildnasenkobra, Aspidelaps lubricus).

Die meisten ausgewachsenen Giftschlangen fressen problemlos Kleinsäuger wie Mäuse oder Ratten(Schildnasenkobra, Aspidelaps lubricus).

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hen und sich von erfahrenen Giftschlan-genpflegern beraten lassen. Oft könnendiese mit weiteren Tipps und Tricksschmerzhafte Erfahrungen verhindern.Und wenn man sich seine Giftschlangevon einem Züchter kauft, so kann manneben wertvollen Kontakten auch gleichsehen, wie dort die Tiere gehalten wer-den.

Die ersten Erfahrungen im Umgang mitgiftigen Schlangen sollte man möglichstmit kleinen bis mittelgroßen Vipern oderGrubenottern sammeln. Empfehlenswertsind z. B. Ammodytesvipern (Vipera am-modytes), Aspisvipern (Vipera aspis),Hornvipern (Cerastes cerastes), Kupfer-köpfe (Agkistrodon contortrix), kleineKlapperschlangen (z. B. Crotalus ceras-tes, C. enyo, C. lepidus, Sistrurus) oderBuschvipern (Atheris squamiger), Weiß-lippen-Bambusottern (Trimeresurus albo-labris) und Schlegels Lanzenottern (Bo-triechis schlegelii). Es sei jedoch deutlichdarauf hingewiesen, dass mehrere derhier aufgeführten Arten sehr potente Gif-te besitzen, die durchaus zu schwerenVergiftungen führen können. Die Emp-fehlungen basieren mehr auf der Größeund z. T. dem Verhalten als auf der Toxi-zität der erwähnten Schlangen. Auf gar

keinen Fall sollte man sich gleich an gro-ße Vipern (Daboia, Macrovipera), großeKlapperschlangen (Crotalus), Lanzenot-tern (Bothrops), Sandrasselottern (Echis)oder gar Kobras (Naja) und Mambas(Dendroaspis) heranwagen, auch wennvon diesen Schlangen oft Jungtiere fürwenig Geld angeboten werden.

Zusammensetzung vonSchlangengiften

Alle Schlangengifte sind mehr oder weni-ger komplex zusammengesetzte Gemi-sche unterschiedlicher Enzyme und ande-rer, kleinerer Moleküle wie freie Amino-säuren, Zucker, Fette sowie Metallionen.Das Gift hat einerseits die Aufgabe, einBeutetier zu töten. Andererseits soll esaber auch die Verdauung desselben er-leichtern (MARTINETZ 1982; MEBS 2000).Darüber hinaus kann es auch zur Abwehreines Feindes eingesetzt werden.Die wichtigsten Substanzen im Gift vonSchlangen sind (BECKER et al. 1994):•Neurotoxine: führen zu Lähmungen•Cardiotoxine: verursachen Reizlei-tungsstörungen im Herzen•Phospholipasen: zerstören Blutzellen(Hämolyse)

•Antikoagulantien: hemmen die Blutge-rinnung•Koagulin: fördert die Blutgerinnung•Hyaluronidasen: beschleunigen die Dif-fusion des Giftes im Gewebe•Hämorrhagische Faktoren: führen zuBlutungen•Proteasen: zerstören Eiweiße und füh-ren dadurch zum lokalen Absterben vonGewebe (Nekrosen)•Acetylcholin-Esterasen: beeinflussendie Übertragung von Nervenreizen•Aminosäure-Oxidasen: schädigen Ami-nosäuren•Phosphatasen: spalten Phosphate ab.Schädigen dadurch z. B. energiereicheSubstanzen wie ATP.•Protease-Inhibitoren: wirken hemmendauf eiweißabbauende Enzyme und kön-nen so den Abbau des Schlangengiftesverlangsamen•Nucleasen: schädigen DNA und/oderRNA

Wirkung von Schlangengiften

Bei einem Biss durch eine im Terrariumgehaltene Giftschlange besteht einerseitsdie Möglichkeit, dass sich das Tier vertei-digen wollte. Andererseits kommt es aber

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Agkistrodon contorbrix

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auch immer wieder zu Bissen, weil dieSchlange die Hand des Pflegers mit einemBeutetier verwechselt: Bei der Fütterungriecht es im Schlangenraum überall nachMäusen oder Ratten. Viele der hungrigenReptilien warten nervös auf ihr Futter. Sobraucht es dann nur noch eine unvorsich-tige Bewegung in Reichweite der Gift-schlange, und der Terrarianer hat einenFutterbiss abbekommen.

Der Giftcocktail, der bei einem Gift-schlangenbiss in das Opfer injiziert wird,kann auf sehr unterschiedliche Art undWeise wirken (JUNGHANSS & BODIO 1996).

Es ist im Rahmen dieses kurzen Über-blicks nicht möglich, auf alle bekanntenEffekte von Schlangengiften einzugehen.Trotzdem soll eine stark vereinfachteÜbersicht gegeben werden:•Lokale Gifteffekte: Viele Schlangenbis-se, insbesondere von Vipern und Gruben-ottern, sind ausgesprochen schmerzhaft.Ein Terrarianer, der von einer Ammody-tesviper (Vipera ammodytes) in den Fin-ger gebissen worden war, formulierte esfolgendermaßen: „Meine Hand fühltesich an, als ob sie auf einem glühend hei-ßen Amboss läge und jemand mit einemschweren Hammer in regelmäßigen Ab-ständen (bei jedem Pulsschlag) auf dieFinger schlagen würde“. Insbesondere Vi-

pern- und Grubenotterngifte zerstörenzusätzlich das Gewebe im Bereich derBissstelle, sodass Nekrosen (lokales Ab-sterben von Gewebe) entstehen. Dadurchwird die Verteilung des Giftes im Organis-mus gefördert. Besonders stark nekro-tisch wirken die Gifte der südamerikani-schen Lanzenottern (Bothrops).•Blutzerstörende Gifte: Die Wirksub-stanzen im Gift von Vipern, Grubenot-tern, aber auch mancher Giftnatternschädigen Blutzellen. Dadurch können, jenachdem, welchen Effekt das jeweiligeGift besitzt, Blutgerinnsel entstehen oder

aber auch die Blutgerinnung vermindertwerden. Mir ist ein Fall eines Hornvipern-bisses (Cerastes cerastes) bekannt, beidem im Spital keine Blutgerinnungsfähig-keit mehr gemessen werden konnte. Ineinem solchen Fall besteht die akute Ge-fahr, dass der Patient bei der geringstenVerletzung – äußerlich oder innerlich –verblutet.•Blutgefäßzerstörende Gifte: Insbeson-dere Vipern- und Grubenotterngifte zer-stören die Wände der Venen und Arte-rien. Dadurch tritt Blut ins Gewebe ausund führt zu blutunterlaufenen Stellen(Ödeme). Oft bilden sich große, flüssig-keitsgefüllte Blasen. Darin kann derDruck so stark ansteigen, dass die Zellen

des um die Blase liegenden Gewebes ge-quetscht werden. Schwere, innere Blu-tungen können tödlich enden.•Nervengifte: Die Gifte von Seeschlan-gen und Giftnattern enthalten Kompo-nenten, die in erster Linie das periphereNervensystem schädigen. Neurotoxinan-teile sind aber auch von einigen Vipern(Vipera berus bosniensis) und Grubenot-tern (Crotalus durissus, C. scutulatus, C.tigris) bekannt. Diese Gifte verhinderndie Übertragung oder Weiterleitung vonNervensignalen. Als Folge kommt es zuLähmungen: Augenlider fallen zu, Seh-störungen, Sprachstörungen, Schluckstö-rungen, Lähmungen an Armen und Bei-nen, Atemlähmungen usw. Manchmalkann es auch zu einer veränderten Wahr-nehmung kommen.•Muskuläre Gifteffekte: Einige australi-sche Giftnattern, Seeschlangen und dieSchreckensklapperschlange (Crotalusdurissus) besitzen Giftbestandteile, diezu Muskelschmerzen, Muskellähmungenoder Muskelzittern führen können. Inte-ressanterweise können diese Muskel-schädigungen jedoch innerhalb von 3–4Wochen regenerieren.•Herzschädigende Gifteffekte: Die To-xine diverser Vipern (Vipera, Echis colo-ratus, Bitis arietans, B. gabonica) undvon Monokelkobras (Naja naja kaouthia)schädigen das Nervensystem des Herzensund/oder den Herzmuskel. Dies kann zuHerzrhythmusstörungen, Herzdurchblu-tungsstörungen oder gar zu Herzversagenführen.•Nierenschädigende Gifteffekte: Die Gif-te von Puffottern (Bitis arietans), Ketten-vipern (Daboia russelli) und evtl. auchvon Hornvipern (Cerastes cerastes) schä-digen das Nierengewebe, im Extremfallbis zum Nierenversagen.•Autopharmakologische Gifteffekte: Frei-setzung oder Bildung körpereigener Sub-stanzen (Autakoide). Diverse Bestandteileim Gift von Vipern und Kobras (Naja)führen u. a. zu starken Histaminausschüt-tungen. Die Folgen einer Autakoidaus-schüttung können von leichten, lokalenRötungen und Geschwulsten bis zu ei-nem anaphylaktischen Schock reichen.•Verzögerte Giftwirkung: Nicht bei je-dem Giftschlangenbiss stellen sich bereitsunmittelbar nach der Toxinapplikation

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Sistrurus m. miliarius

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klinische Symptome ein. So kann es nacheinem Boomslangbiss (Dispholidus typus)mehrere Stunden dauern, bis erste Gewe-beblutungen auftreten. Diese verstärkensich immer mehr, bis schließlich Blut ausden Augen, dem Mund, dem After, derHarnröhre und unter den Finger- und Ze-hennägeln hervorquillt und man langsamverblutet. Ebenfalls tückisch sind Sandras-selotterbisse (Echis), denn das Gift dieserTiere wirkt sehr langsam. Die in der Na-tur stellenweise sehr häufigen, kleinen,attraktiven, aber ausgesprochen bissigenVipern erscheinen auf den ersten Blick alsgeeignete Terrarientiere. Sandrasselotternbesitzen aber wahrscheinlich die stärk-sten Viperngifte überhaupt.

Erste Hilfe

Grundsätzlich muss man mit allen Mit-teln versuchen, Giftschlangenbisse zuvermeiden. Jeder Schlangenbiss kannschwerwiegende Komplikationen nachsich ziehen, auch wenn die betreffendeArt als relativ wenig giftig gilt.

Wird man trotz aller Vorsichtsmaßnah-men dennoch gebissen, so ist es wichtig,dass man sich richtig verhält. Als erstesdarf man auf keinen Fall in Panik geraten,denn jede unnötige Aktivität beschleunigtdie Verteilung des Giftes im Körper. Beieinem Biss einer Art mit hämostatischwirkendem Toxin wird die betroffene Ex-tremität ruhig gestellt. Hierfür kann derArm in eine einfache Schlinge gelegt wer-den, oder man fixiert die Hand oder dasBein mit einem Stock oder Stab und einerBandage. Dabei ist zu beachten, dass kei-ne Druckstellen entstehen. Durch das Ru-higstellen können die Resorption und derTransport bestimmter Giftbestandteileverzögert werden. Die Verteilung nieder-molekularer Giftkomponenten, wie siebei vielen Nervengiften vorkommen, kön-nen so aber nicht beeinflusst werden(BARNES & TRUETA 1941).

Zur weiteren Behandlung des Giftbis-ses muss zwischen mehrheitlich neuroto-xisch wirkenden und anderen Giften un-terschieden werden. Bei vielen Giftnat-tern (Acanthophis, Aspidelaps, Bunga-rus, Dendroaspis, Hemachatus, Micrope-chis, Micrurus, Naja, Notechis, Ophio-phagus, Oxyuranus, Pseudechis, Pseudo-

naja, Tropidechis) sowie bei Seeschlan-gen (Hydrophiidae) hat sich die Kompres-sions-Immobilisations-Methode sehr gutbewährt (JUNGHANSS & BODIO 1996). Hier-zu wird an der gesamten vom Biss betrof-fenen Extremität mit einer breiten, elasti-schen Binde ein Kompressionsverbandangelegt. Zusätzlich wird die Extremitätwie oben beschrieben immobilisiert. Ex-perimentelle Untersuchungen zeigten,dass durch den Druckverband Giftresorp-tion und -transport verzögert werdenkönnen. Mit dem Druckverband wird derPatient anschließend möglichst schnell zueinem Arzt mit Erfahrungen in der Be-handlung von Giftschlangenbissen ge-bracht.

Auf gar keinen Fall dürfen Kompres-sionsbinden bei Giften angewandt wer-den, die voraussichtlich zu Weichteilnek-rosen führen, wie die meisten Vipern-und Grubenotterntoxine. Durch denDruckverband kann das Gift lokal sostark wirken, dass es zu dramatischen Ge-webezerstörungen kommt. Eine weitereGefahr besteht, wenn das Gewebe unterdem Verband stark anschwillt. Einerseitskann dies zu außerordentlich starkenSchmerzen führen. Andererseits bestehtdie Gefahr, dass durch den Druck die

Durchblutung so stark abgeschnürt wird,dass weitere Gewebeschäden die Folgesein können.

Problematisch sind Stauungsverbände,wie sie oft empfohlen werden. Sie bergendie Gefahr, dass die Extremität zu langeabgebunden und so zu wenig mit Blutversorgt wird. GOPALAKRISHNAKONE &CHOU (1990) zeigen das Bild eines Armes,der nach einem Malayenotterbiss (Callo-selasma rhodostoma) für mehr als dreiStunden mit einem Fahrradschlauch ab-gebunden wurde. Hand und Unterarmsind schwarz und verdorrt, und im Be-reich der Abbindestelle sieht man die bei-den Unterarmknochen (Elle und Spei-che). Durch eine Stauung können ober-flächlich verlaufende Nerven geschädigtwerden, lokale Gifteffekte wie Nekrosenkönnen sich verstärken, oder es kann zustarken, fibrinolytischen Effekten kom-men (Beeinträchtigung der Blutgerin-nung). Auch das regelmäßige Lösen derStauung kann problematisch sein, denndadurch kann es plötzlich zu vehementeinsetzenden Vergiftungssymptomenkommen.

Ein Gerät zur Behandlung von Vipern-und Grubenotternbissen ist der Raster-schießapparat „Venomex“. Dieses recht

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Trimeresurus vogeli

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umstrittene Gerät besitzt einen 1 x 2 cmgroßen Messerkopf mit sechs gegeneinan-der versetzten, bezüglich ihrer Eindring-tiefe verstellbaren Klingen, die gespanntund mittels einer starken Feder abge-schossen werden können. Damit werdendie Weichteile im Bereich der Bissstellegerastert. Vorsicht ist auf der Oberseiteder Finger, bei Gelenken oder in anderenRegionen mit oberflächennahen Knochengeboten, um diese nicht zu verletzen.Nach dem Rastern der Bissstelle wird mit-tels einer Saugglocke Blut, Gewebeflüs-sigkeit und Gift aus den Schnitten abge-saugt. Analysen der abgesaugten Flüssig-keit zeigten, dass auch tatsächlich Giftentfernt werden kann. JUCKER (1987) be-merkt, dass bei 13 von ihm untersuchtenSchlangenbissen, die mit dem „Veno-mex“ behandelt wurden, in keinem Fallernsthafte Störungen des Allgemeinzu-standes, der Blutgerinnung, des Nerven-systems und keine lokalen Nekrosen be-obachtet werden konnten. VergleichbareBisse hätten bei einer traditionellen Be-handlung erheblich schwerere Folgen ge-habt und die Patienten hätten mit Spät-schäden rechnen müssen. Gemäß ande-rer Studien können mit dem „Venomex“nur unbedeutende Giftmengen entfernt

werden (TRUTNAU 1998). Besonders pro-blematisch sind die vielen Schnitte, dieleicht zu schweren Sekundärinfektionenführen können.

Ein weiteres Gerät zum Entfernen vonGift ist der französische „Extractor“. Eshandelt sich hierbei um eine einhändigbedienbare Saugpumpe. Damit wird einTeil des Giftes durch den Bisskanal ausdem Gewebe gesogen. Mit einer dreimi-nütigen Extraktionsdauer sollen durch-schnittlich 23 % des Giftes entfernt wer-den können. Wird während 30 Minutengesogen, so kann die entfernte Giftmengeauf 34 % erhöht werden (BRONSTEIN et al.1985).

Serum

Eine wichtige Behandlungsmethode vonGiftschlangenbissen sind spezifische Se-ren. Es handelt sich hierbei um Blutbe-standteile von Tieren, denen über einenlängeren Zeitraum immer höhere Giftdo-sen injiziert wurden. Meist nimmt manhierfür Pferde, da diesen pro Zeiteinheitmehr Blut abgenommen werden kann alskleineren Arten wie Schafen oder Kanin-chen. Das Immunsystem der Tiere rea-giert auf das Gift mit der Bildung von An-

tikörpern. Diese müssen nach der Blutge-winnung möglichst gut von den restli-chen Blutbestandteilen getrennt werden.Da dies mit einem sehr großen Aufwandverbunden ist, sind hochreine Seren teu-er. Wird dem Patienten nach einemSchlangenbiss Serum gespritzt, so bindendie Antikörper an die verschiedenen Gift-bestandteile und machen sie im Idealfallunschädlich. Da dem Patienten mit demSerum komplexe, körperfremde Substan-zen appliziert werden, besteht immer dieGefahr, dass es zu heftigen Immunreakti-onen kommt; insbesondere, wenn bereitsfrüher schon mal Serum verabreicht wur-de oder keine hochreinen Seren verwen-det werden. Im Extremfall erleidet derPatient einen anaphylaktischen Schock.Dieser ist die Folge einer heftigen Im-munreaktion mit übermäßiger Ausschüt-tung von Antikörpern (Immunglobuline)und äußert sich in heftigen Hautrötun-gen, Erbrechen, einer Verengung derBronchialmuskulatur (Atembeschwer-den), Blutungen im Nasen-Rachen-Be-reich und evtl. einem tödlich verlaufen-den Gefäßkollaps.

Schlangenseren sollte man nur beischweren Bissfällen einsetzen, da das Ri-siko von schweren Nebeneffekten rechthoch ist. In vielen Fällen reicht es aus,den Patienten mit anderen Methoden zustabilisieren. SPAWLS & BRANCH (1995)empfehlen, bei afrikanischen Giftschlan-gen Seren wenn möglich erst beim Auf-treten eines oder mehrerer der folgendenSymptome einzusetzen:– wenn die betroffene Extremität bereitszwei Stunden nach dem Biss um mehr als15 cm angeschwollen ist oder die Schwel-lung beim Biss in einen Finger über denEllbogen, beim Biss ein einen Fuß überdas Knie hinaus reicht– wenn Blut im Speichel vorhanden ist

oder es zu äußerlichen Blutungenkommt

– wenn der Blutdruck absackt oder sehrunstabil ist

– wenn die Blutgerinnung stark verlang-samt ist

– wenn Muskellähmungen auftreten– wenn es bei Speikobrabissen innerhalb

von sechs Stunden zu SchwellungenkommtSeren sollten nur durch einen Arzt ver-

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Vipera ammodytes

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abreicht werden. Gerade in Mitteleuropagibt es aber nur wenige Ärzte mit um-fangreichen Schlangenbisserfahrungen.Dies führt dazu, dass die Serumtherapiemeist als einzige Behandlungsmethodeauch bei leichten Fällen eingesetzt wird.Von Giftschlangenhaltern hört man im-mer wieder, dass sie nach einem Biss beider Notaufnahme erst mal das medizini-sche Personal beruhigen mussten und esihnen nur mit großen Schwierigkeiten ge-lang zu verhindern, dass bei leichten undmittelschweren Vergiftungen Seren appli-ziert wurden.

In den letzten Jahren haben verschie-dene Serenhersteller ihre Produktion ein-gestellt. So hörte man vor ein paar Jahren,dass das Institut Pasteur in Paris keineWestafrikaseren mehr produzieren wer-de, weil der Umsatz zu gering sei. DieBauern, die bei der Feldarbeit gebissenwerden, können sich das Serum nichtleisten, und wer es sich leisten könnte,wohnt in den Städten und wird kaum jegebissen. Große Probleme hatte auch dieUS-amerikanische Firma Wyeth. Als Er-satz wird in den USA heute meist dashochreine, aus Schafsblut gewonnene„CroFab“ (Crotalidae Polyvalent ImmuneOvine-Fab) der Firma Protherics Inc. inNashville (TN, USA) eingesetzt. DiesesSerum wird so stark aufgereinigt, dass alsaktive Substanz nur noch der für die The-rapie notwendige Fab-Teil das Immunglo-bulins G (IgG) vorhanden ist (CONSROE etal. 1995). „CroFab“ wurde hergestellt zurBehandlung von Bissen durch Texasklap-perschlangen (Crotalus atrox), ÖstlicheDiamantklapperschlangen (C. adaman-teus), Mojave-Klapperschlangen (C. scu-tulatus) und Wassermokassinotter (Agki-strodon piscivorus). Aufgrund von Tier-versuchen soll es auch wirken bei Wald-klapperschlangen (Crotalus horridus),Prärieklapperschlangen (C. viridis hel-leri), Schwarzschwanz-Klapperschlangen(C. m. molossus), Kupferköpfen (Agkis-trodon c. contortrix) und Zwergklapper-schlangen (Sistrurus miliarius barbouri),wobei für C. m. molossus und insbeson-dere für C. viridis helleri hohe Dosen nö-tig sind. Detailliertere Informationen fin-den sich im Internet unterhttp://www.protherics.com/CroFab_PI_0301.pdf.

Wie interessant und attraktiv Giftschlan-gen als Terrarientiere auch sein mögen,jeder Terrarianer, der sich eine solchesReptil anschafft, soll sich darüber imKlaren sein: Es gibt keine harmlosen Gift-

schlangen. Es gibt höchstens Arten, beidenen man eine Chance hat, dass ein Bissnicht fatal endet! Selbst ein Bienenstichkann tödlich sein. Und Giftschlangen sinderheblich gefährlicher als Bienen!

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Bitis arietans

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