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A us den zahlreichen neuen Entwick- lungen des vergangenen Jahres im Bereich der basiswissenschaftlichen For- schung in der Rheumatologie lassen sich exemplarisch vier Schwerpunkte her- ausheben. Diese Schwerpunkte betreffen den Bereich molekularbiologische Techniken, die Entschlüsselung neuer Stoffwechselwege, die Entwicklung neuer experimenteller Strategien und die Umsetzung der basiswissenschaftli- chen Entwicklungen in die präklinische und klinische Therapie. Molekularbiologische Techniken Im Bereich der molekularbiologischen Techniken ist es inzwischen möglich, durch eine hochauflösende molekulare Analyse spezifische Gewebekomparti- mente mittels eines an ein Mikroskop gekoppelten Lasers auszuwählen, auszu- schneiden (sog. Laser-Mikrodissektion) und das so gewonnene Gewebestück mit wenigen Zellen direkt in die mole- kulare Analyse zu überführen [1–4]. Hierbei können bereits bekannte Gene mittels einer Real-Time-Polymerase- Kettenreaktion (PCR) direkt quantifi- ziert werden, oder es können mittels eines RNA-Fingerprints bisher noch unbekannte Gene isoliert und nachfol- gend identifiziert werden. Die dritte Möglichkeit ist die Darstellung von Gen- expressionsprofilen mittels ausgewählter cDNA-Array-Systeme. Neben der Ana- lyse auf RNA-Niveau lässt sich diese Strategie auch mittels einer differentiel- len Proteinanalyse unter Verwendung von 2-D-Gelelektrophoresen auf Pro- teinebene durchführen [4–6]. Molekulare Bildgebung Weitere dynamische Neuentwicklungen betreffen die molekulare Bildgebung [7]. Hier konnte u.a. gezeigt werden, dass inbesondere stoffwechselaktive Zellen in entzündeten Gelenken im Tiermodell Albumin selektiv anreichern, so dass dieser entzündliche Prozess mittels fluo- ZUSAMMENFASSUNG Neue Entwicklungen in der basiswissenschaftlichen Forschung in der Rheu- matologie finden sich vor allem in den Bereichen molekularbiologische Tech- niken, Stoffwechselwege, experimentelle Strategien sowie bei der Umsetzung in die präklinische Therapie. Im Bereich der molekularbiologischen Techni- ken können mittels einer hochauflösenden molekularen Analyse kleinste Ge- webekompartimente unter Verwendung der Laser-Mikrodissektion selektiv untersucht werden. Die molekulare Bildgebung ist inzwischen in der Lage, u.a. mittels albuminmarkierter Moleküle und sog. intelligenter Sonden, stoff- wechselaktive Zellen und Effektormoleküle in entzündeten Gelenken selek- tiv in Echtzeit nachzuweisen. Die detaillierte Analyse des Effekts von Mikro- partikeln, welche bei der Zellaktivierung oder der Apoptose aus Zellmem- branen freigesetzt werden, zeigte einen nachhaltigen Einfluss auf die Destruk- tion und Entzündung im rheumatischen Gelenk. Als Schlüsselmoleküle des Einflusses der angeborenen Immunität im rheumatischen Gelenk konnten bestimmte Toll-like-Rezeptoren identifiziert werden, welche ebenfalls Ent- zündung und Destruktion signifikant beeinflussen können. Seitens der erwor- benen Immunität konnten neue Stoffwechselwege bezüglich der autoreaktiven Plasmazellen nachgewiesen werden. Ein Teil von diesen kann langfristig im Organismus überleben und bestimmt möglicherweise das Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie. Im Bereich der sog. „targeted therapy“ konnten zahlreiche neue Angriffspunkte aus der molekularen Pathophysiolo- gie erarbeitet werden. Dies betraf im Besonderen die Psoriasisarthropathie und die rheumatoide Arthritis sowie den Einsatz von Ribozymen in verschiedenen Tiermodellen. Erste präklinische Erfolge konnten auch bei gentherapeutischen Studien der rheumatoiden Arthritis des Menschen sowie bei der Prothesen- lockerung erzielt werden. Schlüsselwörter: Rheumatologie · Rheumatoide Arthritis · Molekular- biologie · Laser-Mikrodissektion · Molekulare Bildgebung · Gentherapie · Angeborenes Immunsystem Med Klin 2005;100:390–3. DOI 10.1007/s00063-005-1051-z Grundlagenwissenschaftliche Neuigkeiten in der Rheumatologie 2004/2005 Ulf Müller-Ladner 1 1 Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim. Eingang des Manuskripts: 21. 4. 2005. Annahme des Manuskripts: 22. 4. 2005. 390 HOT TOPIC 2005;100:390–4 (Nr. 7), © Urban & Vogel, München

Grundlagenwissenschaftliche Neuigkeiten in der Rheumatologie 2004/2005

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Aus den zahlreichen neuen Entwick-lungen des vergangenen Jahres im

Bereich der basiswissenschaftlichen For-schung in der Rheumatologie lassen sich exemplarisch vier Schwerpunkte her-ausheben. Diese Schwerpunkte betreffen den Bereich molekularbiologische Techniken, die Entschlüsselung neuer Stoffwechselwege, die Entwicklung neuer experimenteller Strategien und die Umsetzung der basiswissenschaftli-chen Entwicklungen in die präklinische und klinische Therapie.

Molekularbiologische Techniken

Im Bereich der molekularbiologischen Techniken ist es inzwischen möglich, durch eine hochauflösende molekulare Analyse spezifische Gewebekomparti-mente mittels eines an ein Mikroskop gekoppelten Lasers auszuwählen, auszu-schneiden (sog. Laser-Mikrodissektion) und das so gewonnene Gewebestück mit wenigen Zellen direkt in die mole-kulare Analyse zu überführen [1–4]. Hierbei können bereits bekannte Gene mittels einer Real-Time-Polymerase-Kettenreaktion (PCR) direkt quantifi-ziert werden, oder es können mittels eines RNA-Fingerprints bisher noch unbekannte Gene isoliert und nachfol-gend identifiziert werden. Die dritte Möglichkeit ist die Darstellung von Gen-expressionsprofilen mittels ausgewählter cDNA-Array-Systeme. Neben der Ana-lyse auf RNA-Niveau lässt sich diese Strategie auch mittels einer differentiel-len Proteinanalyse unter Verwendung von 2-D-Gelelektrophoresen auf Pro-teinebene durchführen [4–6].

Molekulare Bildgebung

Weitere dynamische Neuentwicklungen betreffen die molekulare Bildgebung [7]. Hier konnte u.a. gezeigt werden, dass inbesondere stoffwechselaktive Zellen in entzündeten Gelenken im Tiermodell Albumin selektiv anreichern, so dass dieser entzündliche Prozess mittels fluo-

ZUSAMMENFASSUNG

Neue Entwicklungen in der basiswissenschaftlichen Forschung in der Rheu-matologie finden sich vor allem in den Bereichen molekularbiologische Tech-niken, Stoffwechselwege, experimentelle Strategien sowie bei der Umsetzung in die präklinische Therapie. Im Bereich der molekularbiologischen Techni-ken können mittels einer hochauflösenden molekularen Analyse kleinste Ge-webekompartimente unter Verwendung der Laser-Mikrodissektion selektiv untersucht werden. Die molekulare Bildgebung ist inzwischen in der Lage, u.a. mittels albuminmarkierter Moleküle und sog. intelligenter Sonden, stoff-wechselaktive Zellen und Effektormoleküle in entzündeten Gelenken selek-tiv in Echtzeit nachzuweisen. Die detaillierte Analyse des Effekts von Mikro-partikeln, welche bei der Zellaktivierung oder der Apoptose aus Zellmem-branen freigesetzt werden, zeigte einen nachhaltigen Einfluss auf die Destruk-tion und Entzündung im rheumatischen Gelenk. Als Schlüsselmoleküle des Einflusses der angeborenen Immunität im rheumatischen Gelenk konnten bestimmte Toll-like-Rezeptoren identifiziert werden, welche ebenfalls Ent-zündung und Destruktion signifikant beeinflussen können. Seitens der erwor-benen Immunität konnten neue Stoffwechselwege bezüglich der autoreaktiven Plasmazellen nachgewiesen werden. Ein Teil von diesen kann langfristig im Organismus überleben und bestimmt möglicherweise das Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie. Im Bereich der sog. „targeted therapy“ konnten zahlreiche neue Angriffspunkte aus der molekularen Pathophysiolo-gie erarbeitet werden. Dies betraf im Besonderen die Psoriasisarthropathie und die rheumatoide Arthritis sowie den Einsatz von Ribozymen in verschiedenen Tiermodellen. Erste präklinische Erfolge konnten auch bei gentherapeutischen Studien der rheumatoiden Arthritis des Menschen sowie bei der Prothesen-lockerung erzielt werden.

Schlüsselwörter: Rheumatologie · Rheumatoide Arthritis · Molekular-biologie · Laser-Mikrodissektion · Molekulare Bildgebung · Gentherapie · Angeborenes Immunsystem Med Klin 2005;100:390–3.

DOI 10.1007/s00063-005-1051-z

Grundlagenwissenschaftliche Neuigkeiten in der Rheumatologie 2004/2005Ulf Müller-Ladner1

1 Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim.

Eingang des Manuskripts: 21. 4. 2005.Annahme des Manuskripts: 22. 4. 2005.

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reszenzbasierter Methoden visuell in Echtzeit nachgewiesen werden konnte. Die wichtigste technische Neuentwick-lung in diesem Bereich sind sog. „smart probes“ (intelligente Sonden), die durch eine spezifische Enzymaktivität gespal-ten werden und somit die Präsenz z.B. eines gelenkdestruierenden Enzyms am Ort des Geschehens direkt nachweisen können. Ein Beispiel hierfür ist die in-frarotaktivierbare Kathepsin-B-Sonde. Kathepsin B ist eines der wichtigsten gelenkdestruierenden Enzyme sowohl im murinen als auch im humanen Or-ganismus. Die Kathepsin-B-Sonde be-steht hierbei aus einem Poly-L-Lysin-Gerüst mit einer Lys-Lys-Schnittstelle, welche durch Kathepsin B spezifisch gespalten wird. Die in diesem Molekül vorher nicht aktive (gequenchte) Ak-tivität des gekoppelten Fluorchroms wird so freigesetzt und kann dann mit-tels einer Infrarotwellenlänge von 680 nm sichtbar gemacht werden. Durch diese Technik kann die Aktivität von Kathepsin B direkt in Zellen eines ent-zündeten Gelenks im Tiermodell nach-verfolgt und so eine exakte Zelllokali-sation bei der kollageninduzierten Ar-thritis nachgewiesen werden. Des Wei-teren war es mittels dieser Strategie

möglich, auch von außerhalb des Or-ganismus ein Monitoring antientzünd-licher Therapien durchzuführen. So konnte ebenfalls bei der kollagenindu-zierten Arthritis nachgewiesen werden, dass die Applikation von Methotrexat nicht nur klinisch, sondern auch auf molekularer Bildgebungsebene zu ei-nem deutlichen Rückgang der Kathep-sin-B-Aktivität führte. Optisch war dies an einem starken Rückgang der Infra-rotfluoreszenz an den unter Therapie rückläufig entzündeten Pfoten nachzu-weisen [8, 9].

Mikropartikel

Im Bereich der neu nachgewiesenen Mechanismen und Stoffwechselwege konnte gezeigt werden, dass Mikropar-tikel, welche insbesondere beim Zellab-bau oder bei der Apoptose aus Zell-membranen freigesetzt werden, einen nachhaltigen Einfluss auf die Destruk-tion und Entzündung im rheumatischen Gelenk bzw. in aktiv destruierenden Zellen in arthritischen Prozessen haben können. So ließ sich nachweisen, dass Mikropartikel, welche aus Jurkat-Zellen gewonnen wurden, eine dosisabhängige massive Steigerung der Matrixmetallo-

proteinase-1 (Kollagenase-1) in verschie-denen Fibroblasten, u.a. auch Fibroblas-ten von Patienten mit rheumatoider Arthritis und Osteoarthritis, induzieren konnten und dadurch möglicherweise zur destruktiven Aktivität im rheumati-schen Gelenk beitragen. Auch ein ent-zündungssteigernder Effekt konnte durch diese Mikropartikel induziert wer-den. Hier ließ sich mittels aus U 937-Zellen gewonnener Mikropartikel eine ausgeprägte Induktion des Chemokins MCP-1 in Fibroblasten von Patienten mit rheumatoider Arthritis und Osteo-arthritis induzieren. Dieser Effekt könn-te vor allem in der frühen Phase der Arthritis als Rekrutierungsmechanismus für nachfolgende Entzündungszellen dienen [10].

Toll-like-Rezeptoren

Ein weiterer Stoffwechselweg, der zu-nehmend an Bedeutung auch in der Rheumatologie gewinnt, sind die durch Toll-like-Rezeptoren (TLR) gesteuer-ten proinflammatorischen und zellakti-vierenden Prozesse. TLR gehören zu den Basismechanismen der angebore-nen Immunität. Sie werden in der Re-gel durch bakterielle Abbauprodukte, Lipopolysaccharide und CpG-Oligo-nukleotide stimuliert. Nach Bindung an die entsprechenden Rezeptoren (derzeit sind neun TLR bekannt) kommt es zu einer Kaskade an intrazel-lulären Signalwegen, die vor allem die Faktoren MyD88, intrazelluläre Signal-kinasen und insbesondere NF-κB in-duzieren. Nachfolgend kommt es zu einer ausgeprägten Produktion von pro-inflammatorisch wirkenden Zytokinen, Chemokinen und Interferonen mit Ak-tivierung des Immunsystems, erhöhter Zellproliferation und einer Apoptose-dysregulation. Da im Gelenk von Pati-enten mit rheumatoider Arthritis TLR-stimulierende bakterielle Peptidogly-kane nachgewiesen werden konnten, ergab sich hieraus der direkte Hinweis auf eine Beteiligung der sog. „innate immunity“ an der Invasionszone des Synovialgewebes bzw. der synovialen Fibroblasten in den anliegenden Knor-pel und Knochen. Es konnte hierbei gezeigt werden, dass via TLR 2 eine ausgeprägte Hochregulierung der Zy-tokine Interleukin-(IL-)1 und Tumor-Nekrose-Faktor-(TNF-)α, der Chemo-kine IL-8 und RANTES („regulated

ABSTRACT

Advances in Basic-Science Rheumatology Research 2004/2005

Major advances in basic-science rheumatology research have been achieved in various fields including molecular techniques, signaling pathways, experi-mental strategies, and in several bench-to-bedside approaches. Using laser-mediated microdissection, small areas of interest in a given diseased tissue can be analyzed in a high-resolution setting. Molecular imaging, especially the combination of labeled molecules such as albumin that are metabolized by active cells together with smart probes, can be used to visualize key mechanisms in rheumatoid synovial tissue in a real-time setting. Recently discovered mi-croparticles and Toll-like receptors have been found to be dominant players in innate immunity-driven inflammation and destruction in the rheumatoid joint. Moreover, long-lived plasma cells appear to be a major factor in resistance to immunosuppressive drugs in autoimmune disease. With regard to bench-to-bedside strategies, various targeted therapies including various gene trans-fer strategies yielded promising preclinical results.

Key Words: Rheumatology · Rheumatoid arthritis · Molecular biology · Laser microdissection · Molecular imaging · Gene therapy · Innate immunity · Tar-geted therapy

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on activation, normal T-cell expressed and secreted“) sowie der Matrixmetal-loproteinasen MMP-1 und MMP-3 erfolgte [11–14].

Autoreaktive Plasmazellen

Im Bereich der erworbenen Immunität konnten neue Stoffwechselwege bezüg-lich der autoreaktiven Plasmazellen nach-gewiesen werden. Hier ergab sich auch eine direkte Bindung zu immunsuppres-siven Therapien. Die kontinuierliche Aktivierung des Immunsystems, welche letztendlich in einer Autoimmunerkran-kung unter Vermittlung von T- und B-Zellen, insbesondere Plasmazellen, resul-tiert, ist offensichtlich durch Immunsup-pressiva nicht komplett therapierbar. Hier konnte gezeigt werden, dass insbesonde-re langlebige Plasmazellen unter immun-suppressiver Therapie überleben, so dass die Rezidive oder eine Resistenz von Immunphänomenen selbst unter klinisch zunächst erfolgreicher immunsuppressi-ver Therapie auf diese Mechanismen zurückzuführen sind [15].

Neue Therapiestrategien

„Targeted Therapy“

Im Bereich der neuen Therapiestrate-gien kristallisierten sich viele Entwick-lungen auf dem Gebiet der sog. „tar-geted therapy“ (gezielte Therapie) bei bisher nur wenig bearbeiteten Krank-heitsbildern heraus. Insbesondere die Psoriasisarthritis bot hierbei zahlreiche neue Angriffspunkte, die aus der mo-lekularen Pathophysiologie erarbeitet werden konnten. Dies betraf im Be-sonderen den Bereich TNF-α, die In-teraktion zwischen T-Zellen und Stromazellen via LFA-1, die generelle Aktivität von T-Zellen sowie die Her-unterregulierung von Adhäsionsmole-külen. Eine Umsetzung dieser Patho-physiologie in ein klinisch verwertba-res Ergebnis zeigte u.a., dass nach Therapie mit Methotrexat immunhis-tochemisch nicht nur eine deutliche Reduktion der Zellzahl und der Ent-zündungszellen einschließlich Makro-phagen, CD4-Zellen und CD8-Zellen nachgewiesen werden konnte, sondern dass sich auch spezifische Adhäsions-moleküle wie VCAM („vascular cell adhesion molecule“), ICAM („inter-cellular adhesion molecule“) und E-

Selectin in ihrer Expression deutlich vermindern ließen. Daneben zeigte sich in einem weiteren Therapieansatz, dass unter Anwendung des TNF-Hemmers Infliximab über 8 Wochen nicht nur Entzündungsparameter, sondern auch immunhistologisch darstellbar die Ge-fäßneubildung (Angiogenese) ausge-prägt reduziert werden konnten. Dies betraf vor allem die immunhistoche-misch darstellbaren Marker wie VEGF („vascular endothelial growth factor“), den VEGF-Rezeptor, Ang-1 und auch stark chemotaktisch wirkende Mole-küle wie z.B. SDF-1. Um die Inter-aktion von T-Zellen mit interagieren-den Zellen zu unterbinden, wurde des Weiteren eine Therapiestudie mit Ale-facept (LFA-3-IgG-Fusionsprotein) über 6 Monate durchgeführt. Hier konnte gezeigt werden, dass die Zell-dichte der Makrophagen und T-Zel-len massiv reduziert wurde, aber auch Fibroblasten in ihrer Zellzahl deutlich vermindert waren. Besonders eindrück-lich wurde diese Studie dadurch, dass begleitende arthroskopische Untersu-chungen durchgeführt wurden, die auch optisch einen ausgeprägten Rück-gang der entzündlichen Aktivität und der Zottendichte im Gelenk nachwei-sen konnten [16–18].

Ribozyme

Molekularbiologisch konnten deutliche Erfolge im Bereich der Ribozyme erzielt werden. Ribozyme sind natürlich vor-kommende, katalytisch wirksame RNA-Moleküle, welche nach Bindung an komplementäre RNA diese an spezifi-schen Stellen schneiden und somit die Überschreibung in ein funktionsfähiges Protein verhindern. In einem genthe-rapeutischen Ansatz konnte mit dieser Technik gezeigt werden, dass die Re-duktion der Synthese von Kathepsin L mittels eines spezifischen Ribozyms die Synthese dieses matrixabbauenden En-zyms deutlich verminderte und so die Invasion der aktivierten Fibroblasten im SCID-Mausmodell der rheumatoiden Arthritis substantiell reduziert werden konnte [19]. Ähnliche Erfolge ließen sich durch Verwendung eines MMP-1-(Kollagenase-1)-spezifischen Ribozyms erzielen. Hier konnte der Invasionsgrad der aggressiv wachsenden Fibroblasten im SCID-Mausmodell um > 50% ver-mindert werden [20].

Gentherapiestudien

Nachdem zahlreiche Gentherapiestudien durch die z.T. dramatischen Nebenwir-kungen im Bereich der X-SCID-Kinder unter retroviraler Gentherapie mit nach-folgender Entwicklung von Leukämien zeitweise gestoppt wurden und erst im Jahr 2004 eine Wiederaufnahme erfolgen konnte, ist es bezüglich neuer Strategien im Bereich der Gentherapie in der Rheu-matologie in einem „bench-to-bedside“-Ansatz umso erfreulicher, dass inzwischen wieder neue Studien bei der humanen rheumatoiden Arthritis begonnen wurden. Ein Beispiel ist eine „Etanercept nach-ahmende“ Gentherapie, die unter Ver-wendung von adenoassoziierten Viren (AAV), welche den löslichen TNF-Re-zeptor kodieren, zur lokalen Gentherapie im Kniegelenk vor kurzem durch die Firma Targeted Genetics in Seattle, WA, USA, initiiert wurde. Weiter in der Ent-wicklung ist die In-vivo-Gentherapie bei Prothesenlockerung an der Universität Leiden, Niederlande. In diesem Ansatz wird versucht, durch einen Gentransfer von Nitroreductase, welcher durch das Adenovirus CTL102 kodiert wird, das Prodrug CB19154 in ein toxisches Agens umzuwandeln, das dann nachfolgend transduzierte und umgebende Zellen in einem „Bystander-Effekt“ abtötet. Hier soll bei Patienten mit einer gesicherten Prothesenlockerung versucht werden, durch diese gekoppelte Gentherapie eine Reduktion der entzündlichen Aktivität im Lockerungsschaft zu erreichen [21].

SCHLUSSFOLGERUNG

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durch die Entwicklungen in der molekularen Rheumatologie, verbun-den mit einer intensiven Zusammenar-beit mit der klinischen Immunologie, zahlreiche neue therapeutische Ansätze inzwischen die Phase der klinischen Prüfung erreicht haben. Hierzu gehör-ten die Zytokine IL-11, IL-15, IL-18, der lösliche IL-6-Rezeptor, das CTLA4-Immunglobulin (Abatacept), der Anti-CD20-Antikörper (Ritu-ximab), das Osteoprotegerin, der Anti-RANKL-Antikörper, verschiedene p38-MAP-Kinase-Hemmer und der antiangiogenetische Antikörper Beva-cizumab (http://clinicaltrials.gov). Lang-fristig ist anzustreben, dass zum einen auf der molekularen Analyseseite dieje-

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Grundlagenwissenschaftliche Neuigkeiten in der Rheumatologie 2004/2005Med Klin 2005;100:390–3 (Nr. 7)

nigen Patienten herausgefiltert werden, welche selektiv durch eine spezifische Therapie behandelt werden können, und andererseits das entsprechende Mo-nitoring ebenfalls parallel durch eine molekulare Analyse erfolgt, um auch hier rasch Responder von Nonrespon-dern unterscheiden zu können.

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KorrespondenzanschriftProf. Dr. Ulf Müller-LadnerLehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologieder Justus-Liebig-Universität GießenAbteilung für Rheumatologie und Klinische ImmunologieKerckhoff-KlinikBenekestraße 2–861231 Bad NauheimTelefon (+49/6032) 996-2101Fax -2104E-Mail: [email protected]