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Grundzüge der Volkswirtschaftslehre von Nicholas Gr. Mankiw, Mark P. Taylor 4., überarbeitete und erweiterte Auflage Grundzüge der Volkswirtschaftslehre – Mankiw / Taylor schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Wirtschaft Schäffer-Poeschel Stuttgart 2008 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 7910 2787 6 Inhaltsverzeichnis: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre – Mankiw / Taylor

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Grundzüge der Volkswirtschaftslehre

vonNicholas Gr. Mankiw, Mark P. Taylor

4., überarbeitete und erweiterte Auflage

Grundzüge der Volkswirtschaftslehre – Mankiw / Taylor

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Thematische Gliederung:

Wirtschaft

Schäffer-Poeschel Stuttgart 2008

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 7910 2787 6

Inhaltsverzeichnis: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre – Mankiw / Taylor

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Kapitel 1Zehn volkswirtschaftliche Regeln

Das Wort Volkswirtschaft (Ökonomie) lässt sich von einem griechischenWort ableiten, das jemanden bezeichnet, der einen Haushalt führt. Auf denersten Blick mag dieser Ursprung recht speziell erscheinen. Doch tatsäch-lich haben Haushalte und Volkswirtschaften vieles gemeinsam.

Ein Haushalt steht vielerlei Entscheidungen gegenüber. Er muss ent-scheiden, welche Haushaltsmitglieder welche Aufgaben erledigen und wieviel jedes Haushaltsmitglied dafür bekommt: Wer kocht das Essen? Wermacht die Wäsche? Wer bekommt die überzählige Nachspeise? Wer darfdas Fernsehprogramm auswählen? Kurzum, der Haushalt muss seine knap-pen Mittel auf die verschiedenen Mitglieder verteilen und dabei die Fähig-keiten, Anstrengungen und Wünsche eines jeden berücksichtigen.

Wie ein Haushalt, so muss sich auch eine Gesellschaft zahlreichen Ent-scheidungen stellen. Eine Gesellschaft muss darüber entscheiden, welcheArbeiten von wem getan werden. Sie braucht Leute, um Nahrungsmittel zuerzeugen, um Kleidung herzustellen und wieder andere zur Erstellung vonPC-Programmen. Sobald die Gesellschaft einmal die Arbeitskräfte (wie imÜbrigen auch Boden, Gebäude und Maschinen) den verschiedenen Auf-gaben zugeordnet hat, muss sie auch die damit erzeugten Waren undDienstleistungen verteilen. Sie muss darüber entscheiden, wer Kaviar isstund wer Kartoffeln. Sie muss entscheiden, wer einen Porsche fährt und werden Bus nimmt.

KnappheitDie begrenzte Naturgesellschaftlicher Res-sourcen.

Die Bewirtschaftung der gesellschaftlichen Ressourcen ist wichtig, weilRessourcen knapp sind. Knappheit bedeutet, dass die Gesellschaft wenigeranzubieten hat, als die Menschen haben wollen. So wie ein Haushalt nichtjedem Mitglied alles geben kann, was er wünscht, kann auch eine Gesell-schaft nicht jedem Individuum den höchsten von ihm angestrebten Lebens-standard gewähren.

VolkswirtschaftslehreDie Wissenschaft vonder Bewirtschaftungknapper gesellschaftli-cher Ressourcen.

Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft von der Bewirtschaftung derknappen gesellschaftlichen Ressourcen. In den meisten Gesellschaftenwerden die Ressourcen nicht durch einen einzigen zentralen Planer zuge-teilt, sondern durch die kombinierten Aktivitäten von Millionen Haushaltenund Unternehmungen. Nationalökonomen befassen sich deshalb mit demmenschlichen Entscheidungsverhalten: Wie viel die Leute arbeiten, was siekaufen, wie viel sie sparen und wie sie ihre Ersparnisse anlegen. Volkswirtestudieren auch, wie die Menschen untereinander zusammenwirken. Bei-spielsweise wollen sie klären, wie die Massen der Käufer und Verkäufereines Guts gemeinsam den Preis finden, zu dem das Gut in einer be-stimmten Menge gehandelt wird. Schließlich untersuchen die Volkswirtedie Triebkräfte und Trends einer Volkswirtschaft im Ganzen, einschließlichdes Wachstums des Durchschnittseinkommens, des Bruchteils der Bevölke-rung ohne Arbeit und der Preissteigerungsrate.

Obwohl das Studium der Volkswirtschaftslehre viele Facetten hat, wirddas Arbeitsfeld durch mehrere Leitvorstellungen verbunden. In diesem

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Kapitel betrachten wir zehn volkswirtschaftliche Regeln. Diese Prinzipien,die im Buch immer wieder vorkommen, werden hier eingeführt, um einenÜberblick über das Gebiet der Volkswirtschaftslehre zu geben.

Wie Menschen Entscheidungen treffen

VolkswirtschaftEine Gruppe vomMenschen, die beiihrer Lebensgestaltungzusammenwirken.

Es ist nichts Geheimnisvolles darum, was eine »Volkswirtschaft« ist. Ob wirüber die Volkswirtschaft von München, von Deutschland, Österreich undder Schweiz oder der Welt reden – stets ist eine Volkswirtschaft nichtsweiter als eine Gruppe von Menschen, die bei ihrer Lebensgestaltungzusammenwirken. Weil das Verhalten einer Volkswirtschaft das Verhaltender Individuen spiegelt, die die Volkswirtschaft ausmachen, beginnen wirunser Studium der Volkswirtschaften mit vier Regeln bei Einzelentschei-dungen.

Regel Nr. 1: Alle Menschen stehen vor abzuwägenden Alternativen

Die erste Lektion über Entscheidungsprozesse ist in dem bekannten Spruchzusammengefasst: »There is no such thing as a free lunch« – Es gibt nichtsumsonst. Um etwas zu bekommen, was wir haben wollen, müssen wirgewöhnlich etwas anderes hingeben, das wir ebenfalls schätzen. Entschei-dungen zu treffen, erfordert die Abwägung von Alternativen oder dieLösung von Zielkonflikten.

Denken wir an eine Studentin, die ihre wertvollste Ressource verteilenmuss – ihre Zeit. Sie kann all ihre Zeit für das Studium der Volkswirt-schaftslehre aufwenden, sie kann alle Zeit für das Studium der Psychologieeinsetzen, oder sie kann ihre Zeit auf beide Fächer verteilen. Währendjeder Stunde, in der sie ein Fach studiert, verliert sie eine Stunde, in der siedas andere Fach hätte studieren können. Und mit jeder ihrer Studier-stunden verzichtet sie auf eine Stunde, in der sie ruhen, Rad fahren,fernsehen oder ein wenig Taschengeld verdienen könnte.

Oder denken wir an die Eltern der Studenten, die über die Verwendungihres Familieneinkommens entscheiden. Sie können Nahrungsmittel, Klei-dung oder einen Ferienaufenthalt kaufen. Oder sie können einiges vondem Familieneinkommen für den Ruhestand oder die Ausbildung der Kin-der zurücklegen. Sofern sie sich dafür entscheiden, einen zusätzlichen Eurofür eines dieser Güter auszugeben, haben sie einen Euro weniger fürirgendwelche anderen Güter.

Wenn die Menschen zu Gesellschaften gruppiert werden, müssen sieverschiedenen Alternativen oder Zielkonflikten ins Auge sehen. Die klassi-sche Alternative lautet »Kanonen oder Butter«. Je mehr wir für die natio-nale Verteidigung ausgeben (»Kanonen«), umso weniger können wir fürden Konsum der privaten Haushalte und die Steigerung des Lebensstan-dards aufwenden (»Butter«). Von Bedeutung ist in modernen Gesellschaf-

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ten auch der Zielkonflikt zwischen sauberer Umwelt und hohem Ein-kommensniveau. Gesetzliche Vorschriften, die Unternehmungen zur Ver-minderung der Luftverschmutzung verpflichten, erhöhen die Produktions-kosten für Waren und Dienstleistungen. Wegen der höheren Kosten er-geben sich für die Unternehmungen niedrigere Gewinne, niedrigere Lohn-zahlungen, höhere Preisforderungen oder irgendwelche Kombinationendieser drei Komponenten. Während also Vorschriften für die Luftreinhal-tung zum Nutzen einer sauberen Umwelt und damit besserer Gesundheitführen, »kosten« sie verminderte Einkommen der Kapitaleigner, Arbeiterund Kunden.

EffizienzEigenschaft einerGesellschaft, so vielwie möglich aus ihrenknappen Ressourcenherauszuholen.

Ein weiterer Zielkonflikt der Gesellschaft besteht zwischen Effizienz undGerechtigkeit. Effizienz bedeutet, dass die Gesellschaft aus ihren knappenRessourcen das meiste herausholt.

GerechtigkeitEigenschaft einerGesellschaft, die wirt-schaftliche Wohlfahrtfair auf die Mitgliederzu verteilen.

Gerechtigkeit bedeutet, dass die Nutzungen aus jenen Ressourcen fairunter den Bürgern verteilt werden. Mit anderen Worten: Effizienz betrifftdie Größe des ökonomischen Kuchens, Gerechtigkeit die Verteilung desKuchens. Diese beiden Ziele stehen bei staatlichen Maßnahmen zumeist imKonflikt.

Schauen wir uns z.B. die politischen Maßnahmen an, mit denen maneine gleichmäßigere Verteilung der wirtschaftlichen Wohlfahrt erreichenwill. Einige dieser politischen Bereiche, wie etwa Sozialversicherung oderArbeitslosenunterstützung, suchen jene Gesellschaftsmitglieder zu unter-stützen, die eine Hilfe am dringendsten benötigen. Andere, wie etwa diepersönliche Einkommensbesteuerung, verlangen von den wirtschaftlich Er-folgreichen, mehr an den Staat abzugeben als die anderen. Obwohl derar-tige politische Regelungen gerecht sind, haben sie Opportunitätskosten inForm verringerter Effizienz. Wenn die Regierung Einkommen von denReichen zu den Armen umverteilt, senkt sie die Entlohnung für harteArbeit, weshalb die Leute wiederum weniger arbeiten und weniger Güterproduzieren. Einfach gesagt: Versucht die Regierung den ökonomischenKuchen in gleichmäßigere Stücke zu schneiden, wird der ganze Kuchenkleiner.

Wenn wir uns bewusst sind, dass die Menschen Zielkonflikten ausgesetztsind, wissen wir damit noch nicht, welche Entscheidungen sie treffen odertreffen sollten. Eine Studentin sollte das Studium der Psychologie nichteinfach aufgeben, damit die verfügbare Zeit für das Volkswirtschaftsstu-dium größer wird. Die Gesellschaft sollte nicht deshalb mit dem Umwelt-schutz aufhören, weil umweltpolitische Maßnahmen den materiellen Le-bensstandard senken. Die Armen sollten nicht einfach deshalb ignoriertwerden, weil die Sozialhilfe Anreize zur Arbeit zerstört. Gleichwohl ist dieBerücksichtigung der Zielkonflikte im Leben wichtig, weil die Menschendann eher gute Entscheidungen treffen, wenn sie wählbare Alternativenklarer sehen.

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Regel Nr. 2: Die Kosten eines Guts bestehen aus dem, was man für den Erwerb eines Guts aufgibt

Weil die Menschen Zielkonflikten ausgesetzt sind, erfordern Entscheidun-gen einen Vergleich von Kosten und Nutzen alternativer Aktionen. Invielen Fällen sind die Kosten einer Aktivität jedoch nicht so offensichtlich,wie es zunächst erscheinen mag.

Betrachten wir z.B. die Entscheidung für oder gegen das Studium. DerNutzen besteht in der intellektuellen Bereicherung und in lebenslangenbesseren Anstellungsmöglichkeiten. Aber worin bestehen die Kosten? Umdiese Frage zu beantworten, könnte man versucht sein, alle geldlichenKosten des Studiums zu addieren. Aber diese Summe zeigt nicht wirklich,worauf man für ein Studienjahr verzichtet.

Die erste Schwierigkeit einer Antwort besteht darin, dass in der SummeDinge enthalten sind, die keine wirklichen Studienkosten sind. Auch ohneStudium hat man Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung. Zuveranschlagen sind nur die studiumsspezifischen Unterschiede in diesenPosten. Es kann sogar sein, dass die Kosten für eine Unterkunft im Studen-tenwohnheim und die Verpflegung in der Mensa geringer sind als dieAusgaben für Miete und Essen außerhalb der Universität. Unter diesenUmständen stellen die eingesparten Kosten im Falle eines Studiums einenzusätzlichen Nutzen dar. Ein zweites Problem bei der Zusammenrechnungder Kosten besteht darin, dass sie den größten Kostenfaktor des Studiumsgar nicht enthält – die Zeit. Wenn man ein Jahr damit verbringt, Vor-lesungen zu hören, Lehrbücher zu lesen und Hausarbeiten zu schreiben,kann man diese Zeit nicht für eine Berufsarbeit verwenden. Für die meistenStudenten besteht der größte Einzelposten der Kosten des Studiums in demmit der Bildung verknüpften Lohnverzicht.

OpportunitätskostenWas aufgegeben wer-den muss, um etwasanderes zu erlangen.

Die Opportunitätskosten einer Gütereinheit bestehen in dem, was manaufgibt, um die Einheit zu erlangen. Bei jedweder Entscheidung solltensich die Entscheidungsträger der Opportunitätskosten bewusst sein, diejede mögliche Aktion begleiten. In der Regel haben Entscheidungsträgerdieses Problembewusstsein. Spitzensportler im Studienalter, die bei Auf-gabe des Studiums Millionen verdienen könnten, haben eine sehr klareVorstellung über die Opportunitätskosten eines Studiums. Es ist nicht wei-ter verwunderlich, dass sie oft zu dem Ergebnis kommen, der Nutzen einesStudiums lohne die Kosten nicht.

Regel Nr. 3: Rational entscheidende Leute denken in Grenzbegriffen

Rationale MenschenMenschen, die syste-matisch und zielstrebigalles geben, um ihreZiele zu erreichen.

Ökonomen gehen in der Regel davon aus, dass sich die Menschen rationalverhalten. Rationale Menschen setzen unter den gegebenen Möglichkeitensystematisch und zielstrebig all ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten ein, umihre Ziele zu erreichen. In der Volkswirtschaftslehre werden sie Unter-nehmungen kennen lernen, die vor der Entscheidung stehen, wie vieleArbeitskräfte sie einstellen sollen und wie viel sie produzieren sollen, umihren Gewinn zu maximieren. Sie werden Konsumenten begegnen, die

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versuchen, mit ihrem Einkommen unter Berücksichtigung der gegebenenPreise das Bündel an Gütern und Dienstleistungen zu kaufen, das ihnenden höchstmöglichen Nutzen verschafft.

MarginaleVeränderungenAbwandlungen einesbestehenden Aktions-plans durch kleineSchritte.

Rationale Menschen sind sich bewusst, dass die Entscheidungen imLeben nicht nur schwarz oder weiß sind, sondern gewöhnlich irgendwodazwischen. Zum Abendbrot besteht die Entscheidung nicht darin, zufasten oder sich den Bauch vollzuschlagen, sondern darin, noch ein StückPizza mehr zu essen oder nicht. Wenn die Prüfungen vor der Tür stehen,werden Sie nicht vor der Entscheidung stehen, die Prüfungen komplettsausen zu lassen oder 24 Stunden am Tag zu lernen, sondern vor der Wahlstehen, noch einmal eine Stunde in ihre Unterlagen zu schauen oderstattdessen den Fernseher anzuschalten. Viele Entscheidungen im Lebenrichten sich darauf, bestehende Pläne in kleinen Schritten abzuwandeln.Nationalökonomen nennen dies marginale Veränderungen. Rationale Men-schen treffen ihre Entscheidungen in der Regel dadurch, dass sie denmarginalen Nutzen (Grenznutzen) und die marginalen Kosten (Grenzkos-ten) miteinander vergleichen.

Betrachten wir beispielsweise, wie Fluggesellschaften die Ticketpreisefür Last-Minute-Flüge festlegen. Angenommen, ein Flugzeug mit 200 Plät-zen kostet eine Fluggesellschaft beim Hin- und Rückflug über eine be-stimmte Distanz € 100.000, also pro Platz € 500. Es wäre falsch zu sagen, dieGesellschaft sollte niemals einen Flugschein unter € 500 verkaufen. Wennvor dem Abflug noch 10 Plätze frei sind und einige Leute in letzter Minute€ 300 bezahlen würden, sollte man sie mitnehmen, da die zusätzlichenKosten für die Mitnahme eines weiteren Passagiers minimal sind. Obwohldie durchschnittlichen Kosten für den Transport eines Passagiers bei € 500liegen, bestehen die marginalen Kosten oder Grenzkosten lediglich in einerTüte Erdnüsse und einer Dose Cola, die der zusätzliche Passagier kon-sumiert. Solange ein Last-Minute-Passagier mehr bezahlt als die Grenz-kosten, ist der Ticketverkauf rentabel.

Mit der Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Grenzbegriffenlassen sich auch einige rätselhafte ökonomische Phänomene erklären. Dasbetrifft zunächst die klassische Frage: Warum ist Wasser so billig, währendDiamanten so teuer sind? Die Menschheit braucht Wasser zum Überleben,Diamanten sind dafür unnötig. Trotzdem sind die Menschen bereit, vielmehr für einen Diamanten als für ein Glas Wasser zu bezahlen. Die Erklä-rung dafür liegt darin begründet, dass sich die Zahlungsbereitschaft einerPerson an dem Nutzen einer zusätzlichen Einheit des Guts orientiert. Undder Grenznutzen hängt wiederum davon ab, wie viele Einheiten des Gutsdie betreffende Person schon konsumiert hat. Obwohl Wasser lebenswich-tig ist, ist der Grenznutzen eines zusätzlichen Glases Wasser gering, weilWasser im Überfluss vorhanden ist. Im Gegensatz dazu braucht niemandDiamanten um zu überleben, aber weil Diamanten so selten sind, sehen dieMenschen den Grenznutzen eines zusätzlichen Diamanten als so groß an.

Ein rationaler Entscheidungsträger entscheidet sich dann und nur dannfür eine bestimmte Aktion, wenn der Grenznutzen der Aktion die Grenz-kosten übersteigt. Dieses Prinzip erklärt, warum Fluggesellschaften Ticketszu einem Preis unter den Durchschnittskosten verkaufen und warum die

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Menschen bereit sind, für einen Diamanten viel mehr zu bezahlen als fürWasser. Es bedarf ein wenig Zeit, um sich mit der Logik des Denkens inGrenzbegriffen vertraut zu machen, aber das Studium der Volkswirtschafts-lehre wird Ihnen genügend Gelegenheiten zum Üben geben.

Regel Nr. 4: Die Menschen reagieren auf Anreize

AnreizEtwas, das eine Personzum Handeln bewegt.

Ein Anreiz (wie z.B. die Aussicht auf eine Belohung oder eine Bestrafung)ist etwas, das eine Person zum Handeln veranlasst. Da rationale Menschenihre Entscheidungen durch einen Vergleich von Grenznutzen und Grenz-kosten treffen, reagieren sie auf Anreize. Wir werden sehen, dass Anreizeeine zentrale Rolle im Studium der Volkswirtschaftlehre spielen. Ein Öko-nom ging sogar so weit zu behaupten, dass man die gesamte Volkswirt-schaftslehre mit der Aussage »Die Menschen reagieren auf Anreize. Allesandere sind nur Erläuterungen.« zusammenfassen kann.

Anreize sind entscheidend für die Analyse, wie Märkte funktionieren.Wenn z.B. der Preis eines Apfels steigt, werden sich die Leute dafürentscheiden, mehr Birnen und weniger Äpfel zu essen, weil die Kosteneines Apfels höher sind. Gleichzeitig werden die Apfelplantagen mehrArbeitskräfte einstellen und mehr Äpfel ernten wollen, weil der Stückge-winn aus dem Verkauf eines Apfels höher ist. Wie wir im weiteren Verlaufdes Buchs noch erfahren werden, ist die Wirkung des Preises eines Guts aufdas Verhalten von Käufern und Verkäufern in einem Markt – in diesem Fallder Markt für Äpfel – von zentraler Bedeutung für das Verständnis, wie dieVolkswirtschaft knappe Ressourcen aufteilt.

Auch Politiker sollten sich stets der Wirkung von Anreizen bewusst sein,denn eine Vielzahl der politischen Maßnahmen verändert den Nutzen unddie Kosten, denen sich die Menschen gegenübersehen und beeinflusstdamit ihr Verhalten. Die Mineralölsteuer veranlasst die Menschen bei-spielsweise dazu, kleinere und benzinsparende Pkw zu kaufen. Aus diesemGrund fahren auf den Straßen in Deutschland, wo es eine hohe Mineralöl-steuer gibt, kleinere Pkw als in den USA, wo die Mineralölsteuer niedrigist. Die Mineralölsteuer bringt die Menschen auch dazu, verstärkt auföffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und in die Nähe ihrer Arbeitsstättezu ziehen. Wäre die Mineralölsteuer noch höher, würden die Menschenirgendwann anfangen, mit Hybridautos zu fahren oder auf Elektroautosumzusteigen. Wenn die Politiker nicht in der Lage sind, die von staatlichenMaßnahmen ausgelösten Verhaltensänderungen richtig abzuschätzen,können sich die Maßnahmen in nicht beabsichtigter Art und Weise aus-wirken.

Betrachten wir die für Sicherheitsgurte und die Autosicherheit ergriffe-nen Maßnahmen als Beispiele. Während der 1950er-Jahre hatten erst sehrwenige Autos Sicherheitsgurte. Heute sind alle Personenkraftwagen ent-sprechend ausgerüstet, und die Ursache dafür ist in politischen Maßnah-men zu sehen. Der bekannte US-Verbraucherschützer Ralph Nader hatte inden späten 1960er-Jahren mit seinem Buch »Unsafe at Any Speed« dasöffentliche Bewusstsein auf die mangelhafte Autosicherheit gelenkt. Da-

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durch kam es in vielen Ländern schließlich zu gesetzlichen Vorschriftenüber Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit einschließlich einer Stan-dardausrüstung mit Sicherheitsgurten in allen Neuwagen.

Wie beeinflusst eine gesetzliche Vorschrift für Sicherheitsgurte die Pkw-Sicherheit? Der unmittelbare Effekt ist ganz offensichtlich. Wenn alle AutosSicherheitsgurte haben und eine gesetzliche Gurtpflicht besteht, wird dieWahrscheinlichkeit steigen, dass die Menschen schwere Unfälle überleben.In diesem Sinn vermögen Sicherheitsgurte Leben zu retten. Das war dieMotivation des Gesetzgebers.

Um jedoch die Auswirkungen der gesetzlichen Vorschriften gänzlich zuverstehen, muss man die Anreize zu menschlichen Verhaltensänderungennäher betrachten. In diesem Fall handelt es sich hauptsächlich um die vomFahrer gewählte Geschwindigkeit und Vorsicht. Langsam und vorsichtig zufahren ist kostspielig, weil Zeit und Kraft des Fahrers beansprucht werden.Beim Entschluss, langsamer zu fahren, vergleichen rational entscheidendeLeute den Grenznutzen und die Grenzkosten des langsameren Fahrens.Solange der Grenznutzen des langsameren Fahrens höher ist, werden dieLeute immer langsamer fahren. Das erklärt auch, dass man auf vereistenStraßen langsamer fährt als auf trockenen Straßen.

Überlegen wir nun, wie eine Anschnallpflicht die Kosten-Nutzen-Rech-nung eines vernünftigen Autofahrers beeinflusst. Sicherheitsgurte senkendie Kosten eines möglichen Unfalls für den Fahrer, weil sie die Wahrschein-lichkeit von Verletzung und Tod senken. Auf diese Weise reduziert eineAnschnallpflicht den Nutzen des langsamen und vorsichtigen Fahrens. DieMenschen reagieren auf Sicherheitsgurte in derselben Weise, wie sie aufeine Verbesserung der Straßenverhältnisse reagieren würden – durchschnelleres und weniger vorsichtiges Fahren. Das Endergebnis einer An-schnallpflicht sind deshalb höhere Unfallzahlen.

Wie beeinflusst die Anschnallpflicht die Zahl der Verkehrstoten? Beiangelegtem Sicherheitsgurt überleben Fahrer einen jeden Unfall mit höhe-rer Wahrscheinlichkeit, aber sie sind öfter in Unfälle verwickelt. Der Netto-effekt ist nicht eindeutig. Überdies hat die tendenzielle Verringerung dessicheren Fahrens eine deutlich negative Wirkung auf Fußgänger (und Fah-rer ohne Gurte). Sie sind durch die gesetzlichen Vorschriften Gefährdungenausgesetzt, weil sie öfter in Unfälle verwickelt und dabei nicht durch Gurtegeschützt sind. So hat eine Anschnallpflicht Tendenzen, die Todesfälle vonFußgängern ansteigen zu lassen.

Auf den ersten Blick mag eine Diskussion der Verhaltensanreize vonSicherheitsgurten als müßige Spekulation erscheinen. Aber in einem Auf-satz von 1975 hat der Wirtschaftswissenschaftler Sam Peltzman gezeigt,dass gesetzliche Vorschriften zur Verbesserung der Verkehrssicherheit desAutos tatsächlich vielerlei derartige Effekte hatten. Nach Peltzmans Be-funden führen die Vorschriften zu weniger Verkehrstoten pro Unfall und zumehr Unfällen. Das Nettoresultat ist eine unerhebliche Veränderung derZahl toter Fahrer und ein Anstieg der Zahl toter Fußgänger.

Peltzmans Untersuchung ist nur ein Beispiel für den allgemeinen Grund-satz, dass Menschen auf Anreize reagieren. Viele der von Ökonomenuntersuchten Anreizwirkungen sind offensichtlicher als die der Gurtpflicht

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für Autofahrer. So wird z.B. niemand überrascht sein, dass eine Steuer aufÄpfel die Menschen veranlassen würde, weniger Äpfel zu kaufen. Wie aberdas Beispiel mit den Sicherheitsgurten zeigt, haben politische Maßnahmenbisweilen Wirkungen, die im Voraus nicht absehbar sind. Wenn man ir-gendwelche politischen Maßnahmen untersucht, muss man nicht nur diedirekten Effekte, sondern auch die indirekten Effekte beachten, die auf-grund von Anreizen zu Stande kommen. Wenn die Politik Anreize verän-dert, wird sie die Leute dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern.

Schnelltest Geben Sie eine Aufzählung und kurze Erklärung der vier Regeln in-dividuellen Entscheidungsverhaltens.

Wie Menschen zusammenwirken

Die ersten vier Regeln haben sich auf das Entscheidungsverhalten derMenschen gerichtet. Im Verlauf des Lebens beeinflussen unsere Entschei-dungen nicht nur uns selbst, sondern ebenso gut andere Menschen. Dienachfolgenden drei Regeln betreffen das Zusammenwirken der Menschenuntereinander.

Regel Nr. 5: Durch Handel kann es jedem besser gehen

Vielleicht haben Sie davon gehört, dass die Japaner unsere Konkurrentenauf dem Weltmarkt sind. In gewisser Weise ist das wahr, denn deutsche undjapanische Unternehmungen produzieren tatsächlich viele ähnliche Güter.BMW und Toyota konkurrieren auf dem Weltmarkt für Automobile umdieselben Kunden. Siemens-Fujitsu und Toshiba bearbeiten die gleichenMarktsegmente auf dem PC-Markt.

Aber beim Nachdenken über den Wettbewerb zwischen nationalenVolkswirtschaften kann man leicht in die Irre gehen. Der Handel zwischenDeutschland und Japan ist nicht mit einem sportlichen Wettkampf zu ver-gleichen, bei dem eine Seite gewinnt und die andere verliert. Tatsächlichgilt etwas anderes: Handel zwischen zwei Ländern kann meist dazu führen,dass es jedem Land wirtschaftlich besser geht.

Um das zu verstehen, können Sie überlegen, wie der Handelsaustauschihre Familie beeinflusst. Wenn eines Ihrer Familienmitglieder eine Stellesucht, konkurriert er oder sie mit den Mitgliedern anderer Familien, diesich nach einer neuen Stelle umtun. Die Familien konkurrieren auch unter-einander, wenn sie Einkaufen gehen, weil jede Familie die besten Warenzum niedrigsten Preis haben will. Auf diese Weise steht gewissermaßenjede Familie einer Volkswirtschaft mit allen anderen Familien im Wett-bewerb.

Ungeachtet dieses Wettbewerbs würde es Ihrer Familie nicht bessergehen, wenn sie sich von allen anderen Familien abkapselte. Wenn sie es

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machen wollte, müsste Ihre Familie ihre eigenen Nahrungsmittel anbauen,die Kleidung herstellen und selbst ein Haus bauen. Offensichtlich profitiertIhre Familie viel von dem Austausch mit anderen. Handel ermöglicht esjedem, sich auf seine beste Befähigung zu spezialisieren – ob das nun derAckerbau, das Nähen oder der Hausbau ist. Durch den Handel mit anderenkönnen die Menschen eine größere Vielfalt an Waren und Dienstleistungenzu niedrigeren Kosten erwerben.

Die Volkswirtschaften haben ebenso Vorteile vom Handel untereinanderwie die Familien. Der Handel macht es für die nationalen Volkswirtschaftenmöglich, sich auf das zu spezialisieren, was sie am besten können und sichauf diese Weise einer größeren Bandbreite an Waren und Dienstleistungenzu erfreuen. Die Japaner wie die Franzosen, die Niederländer, die Ame-rikaner oder die Brasilianer sind ebenso unsere Partner in der Weltwirt-schaft wie sie unsere Konkurrenten sind.

Regel Nr. 6: Märkte sind gewöhnlich gut für die Organisation des Wirtschaftslebens

Der Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und in Ost-europa war wohl die bedeutendste Veränderung der Welt in den letztenfünfzig Jahren. Kommunistische Länder arbeiteten unter der Prämisse, dasszentrale Planer der Regierung bestens befähigt wären, die Volkswirtschaftzu leiten. Die Planer entschieden, welche Waren und Dienstleistungenproduziert wurden, wie viel davon hergestellt wurde und wer diese Güterproduzierte und konsumierte. Hinter der Zentralplanung stand eine Theo-rie, wonach nur die Regierung volkswirtschaftliche Aktivitäten auf eine Artund Weise organisieren konnte, die der sozialen Wohlfahrt des Landesinsgesamt dienlich war.

MarktwirtschaftEine Volkswirtschaft,die ihre Ressourcendurch die dezentrali-sierten Entscheidungenzahlreicher Unterneh-mungen und Haushaltezuteilt, die zu diesemZweck auf Märkten fürGüter und Produkti-onsfaktoren (Arbeitund Kapital) zusam-menwirken.

Heutzutage haben die meisten Planwirtschaften das System abgeschafftund den Versuch unternommen, Marktwirtschaften zu werden. In einerMarktwirtschaft werden die Entscheidungen der zentralen Planungsbe-hörden durch Millionen Einzelentscheidungen von Unternehmungen undHaushalten ersetzt. Unternehmungen entscheiden, welche Leute sie ein-stellen und was sie produzieren. Haushalte oder Familien entscheidendarüber, wo sie arbeiten und was sie mit ihren Einkommen kaufen wollen.Diese Unternehmungen und Haushalte wirken auf den Märkten zusam-men, wobei sie durch Preise und Eigeninteressen bei ihren Entscheidungengeleitet werden.

Auf den ersten Blick ist der Erfolg von Marktwirtschaften rätselhaft. Manhat zunächst den Eindruck, die dezentralen Entscheidungen von Millionenvon Haushalten und Unternehmungen würden im Chaos enden. Dies istjedoch nicht der Fall. Marktwirtschaften haben sich als bemerkenswerterfolgreich bei der Aufgabe erwiesen, Volkswirtschaften zu organisierenund zugleich die soziale Wohlfahrt zu fördern.

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Eine gelungeneZusammenschau derwichtigsten Werke derÖkonomie bietet dasvon Dietmar Herz undVeronika Weinbergerherausgegebene»Lexikon ökonomi-scher Werke«.

INFORMATION Die unsichtbare Hand des Markts

Es mag Zufall sein, dass Adam Smiths bedeutendes Werk »The Wealthof Nations« ausgerechnet im Jahr 1776 veröffentlicht wurde – dem Jahrder Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung durch die amerika-nischen Revolutionäre. Aber beide Werke spiegelten eindrucksvoll diedamals herrschende Meinung wider: Die Menschen sollten selbststän-dig über ihr Dasein bestimmen, nicht gegängelt und überwacht von derstarken Hand einer Regierung. Diese philosophische Grundhaltungschuf die Basis für die freie Marktwirtschaft – und für eine freie Gesell-schaft im Allgemeinen!

Warum funktionieren dezentrale Marktwirtschaften so gut? Etwa weilsich Menschen wegen gegenseitiger Zuneigung und Liebe so gut auf-einander verlassen können? Nicht einmal ansatzweise! Hier folgt AdamSmiths Beschreibung der Zusammenarbeit in einer Marktwirtschaft:

Man has almost constant occasion for the help of his brethren, and itis vain for him to expect it from their benevolence only. He will be morelikely to prevail if he can interest their self-love in his favor, and showthem that it is for their own advantage to do for him what he requires ofthem … It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or thebaker that we expect our dinner, but from their regard to their owninterest …

Every individual … neither intends to promote the public interest, norknows how much he is promoting it. … He intends only his own gain,and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand topromote an end which was no part of his intention. Nor is it always theworse for the society that it was no part of it. By pursuing his owninterest he frequently promotes that of the society more effectually thanwhen he really intends to promote it.

Smith erläutert, wie die »unsichtbare Hand des Markts« den Ego-ismus des Einzelnen in wachsenden Wohlstand für die Allgemeinheittransformiert.

Viele von Smiths Erkenntnissen stehen auch heute noch im Zentrumder modernen ökonomischen Theorie. Unsere analytische Arbeit in dennächsten Kapitel wird Smiths Schlussfolgerungen deutlicher herausar-beiten, sodass wir die Stärken und Schwächen der unsichtbaren Handgenauer erkennen können.

In seinem 1776 erschienenen Buch »The Wealth of Nations« machte AdamSmith die berühmte und höchst bedeutsame Aussage: Haushalte und Un-ternehmungen wirken auf Märkten zusammen, als ob sie von einer »un-sichtbaren Hand« zu guten Marktergebnissen geführt würden. Eines un-serer Ziele mit dem vorliegenden Buch besteht darin, verständlich zu ma-chen, wie die unsichtbare Hand ihren Zauber entfaltet. Beim Studium derVolkswirtschaftslehre werden Sie begreifen, dass Preise die Instrumentesind, mit denen die unsichtbare Hand die wirtschaftliche Aktivität dirigiert.Die Preise spiegeln beides: den gesellschaftlichen Wert eines Guts und die

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sozialen Kosten der Produktion. Weil Unternehmungen und Haushalte beiihren Kauf- und Verkaufsentscheidungen auf die Preise achten, berück-sichtigen sie bei ihren Entscheidungen unbewusst soziale Nutzen undKosten ihrer Aktivitäten. Preise führen die individuellen Entscheidungs-träger zu Ergebnissen, die in vielen Fällen auch die soziale Wohlfahrtmaximieren.

Es gibt eine logische Folgerung aus der Leistungsfähigkeit der unsicht-baren Hand bei der Selbststeuerung der Volkswirtschaft: Wenn die Regie-rung die Preise daran hindert, sich auf natürliche Weise an Nachfrage undAngebot anzupassen, behindert sie die Koordination der Millionen Einzel-entscheidungen von Haushalten und Unternehmungen, die eine Volkswirt-schaft ausmachen. Dies erklärt auch die noch viel größeren Schäden, dieeine direkte staatliche Preispolitik verursacht – etwa bei Pacht und Zins.Und es erklärt das Scheitern der kommunistischen Zentralverwaltungswirt-schaft. In den kommunistischen Staaten wurden die Preise von oben dik-tiert. Die Planer konnten gar nicht die Informationen haben, die in freienMarktpreisen stecken. Die Zentralplaner versuchten, die Volkswirtschaft zubetreiben, indem sie eine Hand auf dem Rücken festbanden – die unsicht-bare Hand des Markts.

Regel Nr. 7: Regierungen können manchmal die Marktergebnisseverbessern

EigentumsrechteDas Recht eines Indivi-duums, Eigentum anknappen Ressourcenzu besitzen und dar-über zu verfügen.

Wenn die unsichtbare Hand so wunderbar funktioniert, wozu brauchen wirdann die Regierung? Nun, eine Aufgabe der Regierung besteht geradedarin, die unsichtbare Hand zu schützen. Märkte werden nur dann richtigfunktionieren, wenn die Eigentumsrechte durchgesetzt werden. Kein Bauerwird Getreide anbauen, wenn er damit rechnen muss, dass seine Erntegestohlen wird. Kein Restaurant wird Speisen servieren, wenn nicht sicher-gestellt ist, dass der Gast vor dem Verlassen auch dafür bezahlt. Wir alleverlassen uns darauf, dass staatliche Institutionen wie z.B. die Polizei unddie Gerichte unsere Rechte über die Güter sichern, die wir produzieren.

Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, warum wir die Regierungbenötigen. Obwohl Märkte gewöhnlich gute Mechanismen für die Steue-rung ökonomischer Aktivitäten sind, gibt es einige wichtige Ausnahmenvon dieser Regel. Es gibt zwei wichtige Gründe für eine Regierung, in derMarktwirtschaft zu intervenieren: zur Steigerung der Effizienz und zurFörderung der Gerechtigkeit. Die meisten politischen Maßnahmen zielenalso darauf ab, entweder den wirtschaftlichen Kuchen zu vergrößern oderseine Aufteilung in Stücke zu verändern.

MarktversagenEine Situation, in deres einem sich selbstüberlassenen Marktnicht gelingt, die Res-sourcen effizientzuzuteilen.

Die unsichtbare Hand bringt Märkte gewöhnlich dazu, die Ressourceneffizient zu verteilen. Dessen ungeachtet gibt es mehrere Gründe dafür,dass die unsichtbare Hand manchmal nicht funktioniert. Die Ökonomenverwenden den Begriff Marktversagen für eine Situation, in der ein Marktalleine es nicht schaffen würde, die Ressourcen effizient zuzuteilen. Einmöglicher Grund von Marktversagen sind externe Effekte oder so ge-

Zehn volkswirtschaftliche Regeln Kapitel 1 13