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LACKIERROBOTER Gut abgedichtet und lackiert Bei Volvo sorgen Roboter fur eine perfekte Lackierung und applizie- ren daruber hinaus vibrations- senkende Abdichtmaterialien. n semern schwedischen Werk in Goteborg produziert Volvo die Modelle V 70, S 80 und XC 90. 1m bel- gischen Gent wird neben dem V 70 auch der sportliche S 60 gefertigt. Um das Gewicht und das Innengeriiusch dieser Modelle weiter zu reduzieren, investierte Volvo an beiden Standorten in vollautomatische Applikationsanla- gen fur Scheibenflansche und neue vibrationssenkende Abdichtungsmate- rialien. Bei der Auftragsvergabe fur die Lie- ferung der modernen Abdichtungssta- tionen legte Volvo groBen Wert darauf, mit einem einzigen Generalunterneh- mer und Systempartner fur Steuerun- gen, Mechanik, Fordertechnik sowie Applikationstechnik und Engineering zusammenzuarbeiten. Auf Grundlage technischer Entscheidungen von Volvo sollten bereits im Vorfeld umfassende Losungen und maBgeschneiderte An- lagen und Komponenten entwickelt werden. 1m November 2000 entschied sich der schwedische Automobilher- steller fur eine Zusammenarbeit mit ABB. Neben der Lieferung der Anlagen und Komponenten erhielt ABB den Auftrag fur das gesamte Engineering. Die entsprechenden Applikationsanla- gen fur Scheibenflansche, NVH -(N oise Vibrating Harmonization) und Roof- Ditch-Material wurden gemeinsam mit kompetenten Partnern entworfen, gepriift, getestet und installiert. Bereits in der Entwicklungsphase setzte man dabei Konzepte wie FMEA (Failure Mode Effect Analysis) im Prozess- und Anlagendesign ein. Das komplette Applikationspaket, aile mechanischen Komponenten und Forderbander so- wie die Prozesssteuerung wurden vor der Installation der Roboter-Zellen ausgiebigen Tests unterzogen. Roboter mit Spezialpistolen Der erste Teil des Gesamtauftrags bestand aus zwei automatischen Be- schichtungsstationen zum Auftrag von PVC auf definierte Scheibenflansche in den Werken Goteborg und Gent. Eine mechanische Fixierstation stellt dabei die priizise Positionierung der Rohkarosserien in einer reproduzierba- ren Arbeitsposition sicher. Zwei auf einer 5 m langen Verfahrachse montier- te Roboter vorn Typ IRB MOOR sind mit Spezialpistolen zum PVC-Auftrag ausgestattet und applizieren den Kunststoff jeweils parallel auf festge- legte Bereiche der Karosserie. Definierte Funktionspakete, instal- liert an den Vertikal- und Horizontalar- men der Roboter, garantieren den kon- stanten Materialauftrag bei variablen Geschwindigkeiten und einer Taktzeit von 40 Sekunden. Aufgrund der Ka- rosseriegroBen der Modelle V 70 und S 60 wurde dieses Konzept am Stan- dort Gent mit zwei IRB-4400-Robo- tern realisiert, die ebenfalls auf einer Verfahrachse montiert sind. Hohe VerfUgbarkeit durch Backup-Konzepte Bereits in der Engineeringphase entwickelte ABB ein N otfallkonzept fur beide Anlagen. Fallt einer der Roboter aus, wird dieser am Bedienpult abgewiihlt und der vollautomatische Materialauftrag fur die gesamte Karos- serie von einem Roboter alleine fortge- setzt. Die VerfUgbarkeit der Anlage betriigt damit 99,6 %. Der zweite Teil des Auftrags bestand aus der Lieferung einer Roboter-Station fur das Werk Goteborg, die ein klassisches Abdicht- verfahren mit der Applikation des neuartigen NVH-Materials verbindet. Beide Verfahren werden wechselweise im Inneren und im Unterbodenbereich der Karosserie eingesetzt. Das Gesamtkonzept "Abdichtung und NVH" ist in ein festes Portal inte- griert. Zwei hiingend installierte Robo- ter vom Typ IRB 2400 dichten die Karosserie jeweils im Innen- und AuBenbereich abo Zeitgleich applizie- ren drei weitere IRB-2400-Roboter das NVH-Material am Unterboden. Um eine moglichst hohe Flexibilitat sicher- zustellen, sind die fnnf Roboter jeweils auf externen Verfahrachsen montiert. Da fur die gesamte Applikation nur 40 Sekunden zur VerfUgung stehen, arbeiten aile funf Roboter parallel. Die Schlauchpakete und Schaltventile der IRB 2400 sind daher so montiert, dass Kollisionen mit der Peripherie ausge- schlossen sind. Der Neubau der Statio- nen umfasste neben der Installation der Roboter inklusive der Stations- steuerung und Visualisierung auch den kompletten Stahlbau mit der dazu- gehorigen Sicherheitstechnik. Reibungsloser Produktionsanlauf Aile Prozessabliiufe wurden in Vor- aufbauten und Applikationsversuchen mit den entsprechenden Funktionspa- keten und Originalmaterialien getestet, um von Anfang an einen reibungslosen Produktionsablauf mit den neuen Applikationen, Konzepten und Back- up-Strategien sicherzustellen. Schon beim Engineering wurden dazu die Konstruktionszeichnungen der Schei- benflansch-Stationen und Abdich- tungs-NVH-Stationen in 3D-Simulati- onsmodelle umgesetzt. Anhand dieser dynamischen Modelle untersuchte man die Aufteilung der Nahte und das Applikationskonzept in Relation zur Zykluszeit und erstellte erste Produk- tionsprogramme fur die Roboter. Basierend auf den Voraufbauten und Applikationsversuchen wurden diese Programme mit den Originalpa- rametern ergiinzt - so standen bereits zur Inbetriebnahme der Anlagen Pro- gramme mit hoher Genauigkeit zur VerfUgung. Dariiber hinaus bietet die Moglichkeit der Offline- Editierung und Offline-Programmierung der Ro- JOT 12 12002

Gut abgedichtet und lackiert

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Page 1: Gut abgedichtet und lackiert

LACKIERROBOTER

Gut abgedichtet und lackiertBei Volvo sorgen Roboter fur eine

perfekte Lackierung und applizie­

ren daruber hinaus vibrations­

senkende Abdichtmaterialien.

n semern schwedischen Werk in

Goteborg produziert Volvo die

Modelle V 70, S 80 und XC 90. 1mbel­

gischen Gent wird neben dem V 70

auch der sportliche S 60 gefertigt. Um

das Gewicht und das Innengeriiusch

dieser Modelle weiter zu reduzieren,

investierte Volvo an beiden Standorten

in vollautomatische Applikationsanla­

gen fur Scheibenflansche und neue

vibrationssenkende Abdichtungsmate­

rialien.

Bei der Auftragsvergabe fur die Lie­

ferung der modernen Abdichtungssta­

tionen legte Volvo groBen Wert darauf,

mit einem einzigen Generalunterneh­

mer und Systempartner fur Steuerun­

gen, Mechanik, Fordertechnik sowie

Applikationstechnik und Engineering

zusammenzuarbeiten. Auf Grundlage

technischer Entscheidungen von Volvo

sollten bereits im Vorfeld umfassende

Losungen und maBgeschneiderte An­lagen und Komponenten entwickelt

werden. 1m November 2000 entschiedsich der schwedische Automobilher­

steller fur eine Zusammenarbeit mitABB.

Neben der Lieferung der Anlagen

und Komponenten erhielt ABB den

Auftrag fur das gesamte Engineering.

Die entsprechenden Applikationsanla­gen fur Scheibenflansche, NVH-(N oise

Vibrating Harmonization) und Roof­

Ditch-Material wurden gemeinsam mit

kompetenten Partnern entworfen,gepriift, getestet und installiert. Bereitsin der Entwicklungsphase setzte man

dabei Konzepte wie FMEA (FailureMode Effect Analysis) im Prozess­

und Anlagendesign ein. Das komplette

Applikationspaket, aile mechanischen

Komponenten und Forderbander so­wie die Prozesssteuerung wurden vorder Installation der Roboter-Zellen

ausgiebigen Tests unterzogen.

Roboter mit Spezialpistolen

Der erste Teil des Gesamtauftragsbestand aus zwei automatischen Be­

schichtungsstationen zum Auftrag von

PVC auf definierte Scheibenflansche

in den Werken Goteborg und Gent.

Eine mechanische Fixierstation stellt

dabei die priizise Positionierung der

Rohkarosserien in einer reproduzierba­

ren Arbeitsposition sicher. Zwei auf

einer 5 m langen Verfahrachse montier­

te Roboter vorn Typ IRB MOOR sind

mit Spezialpistolen zum PVC-Auftrag

ausgestattet und applizieren den

Kunststoff jeweils parallel auf festge­

legte Bereiche der Karosserie.

Definierte Funktionspakete, instal­liert an den Vertikal- und Horizontalar­

men der Roboter, garantieren den kon­

stanten Materialauftrag bei variablen

Geschwindigkeiten und einer Taktzeit

von 40 Sekunden. Aufgrund der Ka­

rosseriegroBen der Modelle V 70 und

S 60 wurde dieses Konzept am Stan­dort Gent mit zwei IRB-4400-Robo­

tern realisiert, die ebenfalls auf einer

Verfahrachse montiert sind.

Hohe VerfUgbarkeit

durch Backup-Konzepte

Bereits in der Engineeringphase

entwickelte ABB ein N otfallkonzeptfur beide Anlagen. Fallt einer derRoboter aus, wird dieser am Bedienpult

abgewiihlt und der vollautomatischeMaterialauftrag fur die gesamte Karos­

serie von einem Roboter alleine fortge­setzt. Die VerfUgbarkeit der Anlagebetriigt damit 99,6 %. Der zweite Teildes Auftrags bestand aus der Lieferungeiner Roboter-Station fur das Werk

Goteborg, die ein klassisches Abdicht­verfahren mit der Applikation desneuartigen NVH-Materials verbindet.

Beide Verfahren werden wechselweiseim Inneren und im Unterbodenbereich

der Karosserie eingesetzt.Das Gesamtkonzept "Abdichtung

und NVH" ist in ein festes Portal inte-

griert. Zwei hiingend installierte Robo­

ter vom Typ IRB 2400 dichten die

Karosserie jeweils im Innen- und

AuBenbereich abo Zeitgleich applizie­

ren drei weitere IRB-2400-Roboter dasNVH-Material am Unterboden. Um

eine moglichst hohe Flexibilitat sicher­

zustellen, sind die fnnf Roboter jeweils

auf externen Verfahrachsen montiert.

Da fur die gesamte Applikation nur

40 Sekunden zur VerfUgung stehen,

arbeiten aile funf Roboter parallel. Die

Schlauchpakete und Schaltventile der

IRB 2400 sind daher so montiert, dass

Kollisionen mit der Peripherie ausge­schlossen sind. Der Neubau der Statio­

nen umfasste neben der Installationder Roboter inklusive der Stations­

steuerung und Visualisierung auch den

kompletten Stahlbau mit der dazu­

gehorigen Sicherheitstechnik.

Reibungsloser

Produktionsanlauf

Aile Prozessabliiufe wurden in Vor­

aufbauten und Applikationsversuchen

mit den entsprechenden Funktionspa­

keten und Originalmaterialien getestet,um von Anfang an einen reibungslosenProduktionsablauf mit den neuen

Applikationen, Konzepten und Back­up-Strategien sicherzustellen. Schon

beim Engineering wurden dazu dieKonstruktionszeichnungen der Schei­benflansch-Stationen und Abdich­

tungs-NVH-Stationen in 3D-Simulati­

onsmodelle umgesetzt. Anhand dieser

dynamischen Modelle untersuchte

man die Aufteilung der Nahte und dasApplikationskonzept in Relation zur

Zykluszeit und erstellte erste Prod uk­tionsprogramme fur die Roboter.

Basierend auf den Voraufbauten

und Applikationsversuchen wurden

diese Programme mit den Originalpa­rametern ergiinzt - so standen bereits

zur Inbetriebnahme der Anlagen Pro­

gramme mit hoher Genauigkeit zurVerfUgung. Dariiber hinaus bietet dieMoglichkeit der Offline-Editierung

und Offline-Programmierung der Ro-

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Page 2: Gut abgedichtet und lackiert

LACKIERROBOTER

boterzellen den Vorteil, dass neue

Karosserien einfach und schnell bei

laufender Produktion integriert wer­

den konnen.

Internationale Projektteams

Internationale Teams aus Ingenieu­

ren und Inbetriebnahme-Spezialisten

aus den ABB-Niederlassungen III

Schweden und Belgien betreuten das

Projekt bei Volvo gemeinsam. Die

technische Koordination der Teams

erfolgte zentral vom hessischen Fried­

berg aus. MaBgeblich fur den Erfolg

des Projekts war auBerdem die enge

partnerschaftliche Zusammenarbeit

Tests im Automobil-Labor bei DuPont in

Wuppel1al stellten sicber, dass seton bei

Produktionsanlauf SerienqualiUiI erreicht

werden konnte

zwischen ABB und Volvo. Die einzel­

nen Abdichtungs-Applikationen und

Funktionspakete wurden vorab spezi­

ell an die Volvo-Standards angepasst,

was kurze Engineering- und Realisie­

rungsphasen errnoglichtc.

Roboter sparen Lack

1m schwedischen Torslanda setzt

Volvo bereits seit August 2000 Roboter

von ABB in den beiden Grundierungs­

stationen des Werks ein. Vier Roboter

vom Typ IRB 5400 mit G'l-Zerstau­

bern tibernehmen dort die komplette

Basis- Lackierung der Karosserien der

Modelle V 70 und S 80. Vor der

Umstellung auf die roboterge­

stiitzte Losung wurden die

Karosserien von einer Maschi­

ne mit drei oberhalb der Karos­

se installierten Zerstaubern

und sechs weiteren, seitlich

angebrachten Zerstaubern

lackiert. Nach der Installation

der neuen Anlage zeigte sich

schnell, dass die Roboter die

Zerstauber wesentlich effizien­

ter einsetzen konnen als die

maschinenbasierte Losung.

Nach Inbetriebnahme der

ersten neuen Stationen redu­

zierte sich der Lackverbrauch

um 10 %.

[e ein Roboter auf jeder Seite tragt

in den zwei neuen Stationen die Grun­

dierung in horizontalen Bewegungen

auf die Karosserie auf. Vorher geschah

dies durch je drei seitlich platzierte

Zerstauber mit vertikalem Lackauf­

trag. 1m Vergleich zeigte sich, dass die

Roboter den Basislack wesentlich

gleichmaBiger auftragen - ein ent­

scheidender Vorteil, gerade bei den

aufwandig gestylten Karosserielinien

der beiden Volvo-Modelle. Schichtfeh­

ler durch einen zu dicken oder zu dun­

nen Lackauftrag geharen damit der

Vergangenheit an.

Funfter Roboter garantiert

VerfUgbarkeit von 99 %

Zusatzlich zu den vier Robotern in

den Lackieranlagen wurde ein funftcr

IRB 5400 tiber dem Eingang der acht

Meter langen Lackierzone installiert.

Ein prazise ausgearbeitetes Backup­

Konzept, das auf diesen Roboter im

N otfall zurtickgreift, crrnoglicht so,

den Grundierungsprozess auch bei

Totalausfall eines Roboters ohne Pause

bis zur nachsten planmafligen Produk­

tionsunterbrechung weiterzufUhren.

Auf diese Weise ist fur die Karroserie­

Grundierung eine VerfUgbarkeit von

tiber 99 % sichergestellt.

Der Neubau der Lackierstationen

beinhaltete neben der Installation der

insgesamt funf Roboter auch eine neue

Prozesssteuerung, die auf dem

"Advant Controller" von ABB basiert.

AuBerdem wurden die Lackierkabinen

komplett neu gebaut und mit Schienen

fur die Roboter versehen. Ftir die ge­

samten U mbauarbeiten standen in­

klusive der Demontage der Altanlage

nur drei Wochen wahrend der Werks­

ferien zur VerfUgung. Danach arbeite­

ten die neuen Anlagen bereits mit ihrer

vollen Kapazitat von 56 Karosserien

pro Stunde.

Optimierung der Anlage schon

vor der Installation bei Volvo

1m schwedischen Volvo-Werk Torslanda applizieren Roboter nicht nur den

Basislack, sondern seit Sommer 2002 eucn den Fuuer

Die schnelle und reibungslose Um­

stellung der Grundierungsanlage auf

die Robotertechnik war moglich, da aile

JOT 1212002

Page 3: Gut abgedichtet und lackiert

Prozessschritte vorab in emer Test­

installation bei Volvo detailliert gepriift

wurden. Wahrend der zweimonatigen

Pre-Installationsphase erfolgte zugleich

die Schulung des Bedienpersonals im

Umgang mit der neuen Anlage.

Neben den Prozessschritten, der

Programmierung und den Schnittstel­

len wurde wahrend dieser Zeit auch

der Farbauftrag optimiert und perfekt

an die Originalfarbtiine der laufenden

Produktion angepasst. Dazu wurdendie Feineinstellungen fur die GI-Zer­

stauber in Zusammenarbeit mit dem

Lacklieferanten DuPont aus Wupper­

tal durchgefUhrt und in die Steue­

rungsprogramme und das Roboter­

Setup integriert.

Aufgrund der positiven Erfahrun­

gen, die man bei diesem Projekt ge­

macht hat, wurde mittlerweile auch diezweite Lackierlinie fur den Fiillerauf-

JOT 12 12002

trag im Werk Torslanda modernisiert.

Wahrend der Werksferien 2002 ersetz­

te ABB die alte Station mit ihren 18

Zerstiiubern durch eine neue Losung

mit insgesamt acht Robotern.

LACKIERROBOTER

Bei der

Au6enhaut­

Lackierung

sorgen die

Roboter fUr

eine gleich­

ma6ige

Schichl­

dicke

Der Autor: Andreas Hoffmann ,

ABB Manufacturing & Consumer

IndustriesGmbH, Friedberg,

Tel. 0 60 31 /8 53 3D, e-mail :

[email protected]