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Straßenzeitung für Berlin & Brandenburg 1,50 EUR davon 90 CT für den_die Verkäufer_in No. 4, Februar - März 2014 MARK BENECKE »13 Monate schiffbrüchig – geht das?« (Seite 4) TRAUMPROTOKOLLE »Hanna Schygullas filmgewor- dene Träume« (Seite 16) BERLINALE »Anderson – Interview mit Annekatrin Hendel« (Seite 26) GUT & BÖSE

Gut & Böse – Ausgabe 04 2014 des strassenfeger

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  • Straenzeitung fr Berlin & Brandenburg

    1,50 EURdavon 90 CT fr

    den_die Verkufer_in

    No. 4, Februar - Mrz 2014

    MARK BENECKE13 Monate schiffbrchig geht das? (Seite 4)

    TRAUMPROTOKOLLEHanna Schygullas filmgewor-dene Trume (Seite 16)

    BERLINALEAnderson Interview mit Annekatrin Hendel (Seite 26)

    GUT & BSE

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 20142 | INHALT

    strassen|feger Die soziale Straenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob obdach-lose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe!

    Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des stras-senfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Mglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie knnen selbst entschei-den, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkufer erhalten einen Verkuferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist.

    Der Verein mob e.V. nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notbernachtung und den sozialen Treff punkt Kaff ee Bankrott in der Storkower Str. 139d.Der Verein erhlt keine staatliche Untersttzung.

    Liebe Leser_innen,kommt Ihnen folgender Satz bekannt vor? Das Gute dieser Satz steht fest ist stets das Bse, was man lsst. Ich bin mir sicher, Sie haben gewusst, dass er von Wilhelm Busch (Die fromme Helene) stammt. Unsere Autoren haben in dieser Aus-gabe des strassenfeger versucht, der Sache mit dem Gut und Bse auf den Grund zu gehen, herauszufi nden, was genau gut bzw. was bse ist. Den Anfang macht eine Betrachtung zum alttestamentarischen Sndenfall (Seite 3), mit dem das Bse ja angeblich auf die Welt kam. Dann haben wir mit dem eloquen-ten Kriminalbiologen Mark Benecke gesprochen, diesmal aber nicht ber Serienmrder etc., sondern ber einen Schiffbrchi-gen (Seite 4). Auerdem beschftigen wir uns mit Zombies, den bsen Nachbarn, einer Giraffe namens Marius, fi esen Unterhal-tungsshows im Fernsehen und anderen bsen Dingen. Aber: Wir in diesem Fall unsere Schlerpraktikantin Laura be-richten auch ber das Gute: Im Rahmen der Spendenkampagne OneWarmWinter haben wir wieder warme Winterkleidung an obdachlose Menschen am Bahnhof Zoo ausgegeben (Seite 14). Relativ gut ist auch das Sozialsystem in Schottland (Seite 13) und natrlich die Tatsache, dass der Comic Superpenner unseren Verkufer_innen beim Verkaufen des strassenfeger sehr geholfen hat (Seite 19)!

    In der Rubrik art strassenfeger berichtet unsere Kulturredak-teurin Urszula Usakowska-Wolff ber Hanna Schygullas fi lm-gewordene Trume ihre Traumprotokolle in der Akademie der Knste (Seite 16). Auerdem in der Ausgabe: Ein Bericht zum erfolgreichen Rckrundenstart der Handballer der Fchse Berlin (Seite 21).

    Last but not least: Wir haben selbstredend auch die 64. Berli-nale besucht und uns unzhlige Filme anschauen drfen. Die Berichte und Interviews dazu fi nden Sie auf den Seiten 24 bis 28.

    Ich wnsche Ihnen, liebe Leser_innen, wieder viel Spa beim Lesen!Andreas Dllick

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    GUT & BSEWiederentdeckung des Sndenfalles

    Dr. Mark Benecke: Mglich oder unmglich?

    Tot oder untot?

    Bse Nachbarn

    Die Giraff e Marius

    Ist Berlin auf einen Blackout vorbereitet?

    Gute Unterhaltung

    Reiner Fiesling oder perfekter Gutmensch

    Zweifelhaft e Gesetze: Absurd oder notwendig?

    Wohnungslosenhilfe in Schott land

    Neue Wrmehalle fr Obdachlose

    OneWarmWinter hilft !

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    TAUFRISCH & ANGESAGTa r t s t r a s s e n fe g e rTraumprotokolle - Hanna Schygullas lm-gewordene Trume in der Akademie der Knste

    Ve re i nDie letzte Nacht in der Notbernachtung

    Ve r k u fe rErfahrungen mit dem Comic Superpenner

    k a f fe e b a n k ro t tGitarre fr den guten Zweck!

    S p o r tHungrig: Die Fchse Berlin

    K u l t u r t i p p sskurril, famos und preiswert!

    B e r l i n a l eEin Mitglied der ELSE-Jury berichtet

    Amnesty lmpreis

    Anderson Interview mit der Regisseurin

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    AUS DER REDAKTIONH a r t z I V - R a t g e b e rLeistungen fr Bildung & Teilhabe (1)

    K o l u m n eAus meiner Schnupft abakdose

    Vo r l e t z t e S e i t eLeserbriefe, Vorschau, Impressum

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 3

    Gut und bseDie Wiederentdeckung des alttestamentarischen SndenfallesB E T R A C H T U N G : B e r n h a r d t

    Das gegenstzliche Begriffspaar gut und bse gehrt in den Bereich der Ethik (Sittenlehre) und damit zur praktischen Philosophie. Fast alle bedeutenden Philosophen der Vergangen-heit und auch der Gegenwart haben sich damit

    beschftigt; geht es doch darum, das menschliche Handeln zu ergrnden, zu bewerten und Regeln zu finden fr das richtige Verhalten innerhalb einer Gesellschaft.

    Der Vorgang des Bewertens erfordert logischerweise und dessen sind sich die meisten Menschen gar nicht bewusst -, ei-nen Mastab, den man an den zu bewertenden Gegenstand an-legt. Ohne einen solchen wre das Bewerten reine Willkr und nicht vernunftmig begrndbar. An sich ist dieser Mastab von der Natur vorgegeben. Alle anderen Lebewesen halten sich grundstzlich daran und wissen instinktiv, was richtig und was falsch ist. Bei Tieren werden sich z. B. Artgenossen nicht untereinander umbringen. Denn oberstes Naturprinzip ist das Leben. Das wissen sie, ohne sich dessen bewusst zu sein.

    Nur bei dem Menschen ist es komplizierter. Als hchst entwi-ckeltes Lebewesen besitzt er Bewusstheit von sich selbst; er wei, dass er wei. Darber hinaus mat er sich in frevelhaf-tem bermut an, selber zu bestimmen, was gut und was bse ist. Damit sagt er sich von der vorgegebenen naturgemen Ordnung und von seinem geistigen Ausgangspunkt los. Von dort sollte er mittels der Empfindung, seiner inneren Stimme, Informationen fr sein Verhalten empfangen. Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist fr die Augen unsichtbar, lsst der franzsische Dichter Antoine de Saint-Exupry den Fuchs zu dem kleinen Prinzen in der gleichnami-gen Erzhlung sagen. Klarer kann man es kaum formulieren.

    Dieses Lossagen von der durch den Schpfer vorgegebenen Ordnung ist nichts anderes als der alttestamentarische Sn-denfall. Dort findet man bereits dieses gut und bse. Es sind die Worte der listigen Schlange, Prinzip des Bsen, die Eva im Paradies berredete, von der verbotenen Frucht am Baum der Erkenntnis zu essen. Gott, der Schpfer des Alls, hatte dies den beiden ersten Menschen ausdrcklich verboten. Aber die Verlockungen der Schlange waren zu verfhrerisch, so dass Eva ihnen erlag, von dem Baume einen Apfel a und auch Adam davon zu essen gab. Die Schlange hatte gesagt, wenn ihr davon esst, werdet ihr sein wie Gott, und ihr knnt selber bestimmen, was gut und bse ist (1. Mose, Kapitel 3, Vers 5). Der weitere Verlauf ist bekannt. Gott trieb die beiden zur Strafe aus dem Paradies und gab ihnen gleich noch eine Hand-voll Verwnschungen mit auf den Weg.

    Was soll uns diese Geschichte lehren? Wie die meisten zen-tralen Aussagen der Bibel ist auch diese symbolisch zu verste-hen. Das Verbot, von einem bestimmten Baum zu essen, ist eine Einzelweisung und steht beispielhaft fr den Willen Got-tes; fr seine allgemein geltenden Gesetze, die den Menschen als Natur- und Schpfungsgesetze entgegentreten und die von ihnen zu ihrem eigenen Nutzen befolgt werden sollen. Hier geht es nicht um Meinen oder Glauben, sondern um exakt von Naturwissenschaftlern nachweisbare und an jedem Ort der

    Erde und des Universums wiederholbare Gesetzmigkeiten und Ablaufmechanismen. Und diese sind vollkommen, wie naturwissenschaftlich belegt ist. Sonst knnten die Menschen beispielsweise nicht zum Mond fliegen. Sonst wrden die Quartzuhren nicht so genau gehen, wie sie es tatschlich tun.

    Diese Anmaung wirkt sich nun deshalb besonders verhee-rend aus, weil der Mensch jetzt seine Entscheidungen allein durch den irdischen Verstand (Intellekt) trifft, der nur ber eine sehr eingeschrnkte Erkenntnisfhigkeit verfgt. Er ist an Raum und Zeit gebunden. Jeder beurteilt einen gegebenen Vorgang aus seiner konkreten subjektiven Situation, macht sich selber zum Ma aller Dinge. Die Verbindung zu seinem geistigen Ursprung mittels Empfindung (Intuition) ist seit dem Sndenfall verschttet. Das Verhltnis zwischen Geist und Verstand hnelt dem zwischen Kapitn und Steuermann. Der Kapitn bestimmt das Ziel, der Steuermann setzt diese Entscheidung in die Tat um unter Beachtung der konkreten Gegebenheiten von Raum und Zeit (Wetterverhltnisse, Str-mungen, Treibstoffvorrat usw.).

    Jeder bestimmt selber, was gut und bse ist. Jeder will recht haben und gern der Grte sein, wird zum Egomanen. Er steht dabei in einem gnadenlosen Wettbewerb mit den an-deren, die Gleiches anstreben. Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen mit all ihren schlimmen Folgen sind vorprogrammiert. Richtig wre, gemeinsam und demtig nach oben in Richtung unserer geistigen Heimat zu schauen und die vorgegebene Ordnung, die Natur- und Schpfungs-gesetze, zu erforschen, um daraus Schlsse fr das richtige Handeln abzuleiten.

    Lucas Cranach d. . - Sndenfall und Erlsung (Nrodn galerie v Praze)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 20144 | GUT & BSE

    Dr. Mark Benecke ist schon recht smart! (Quelle: www.benecke.com)

    Mglich oder unmglich?Die Bewertung meiner Ergebnisse ist Aufgabe der Justiz. Dr. Mark BeneckeI N T E R V I E W : G u i d o F a h r e n d h o l z

    Man mag meinen, gerade auch in der Krimi-nalbiologie, Rechtsmedizin und forensischen Kriminaltechnik ginge es einzig und allein um die beweisfhrende Analyse ber Gut und Bse. Ein weit verbreiteter Irrglaube! Nicht

    zuletzt forciert durch einen medialen berfluss an Kriminal-Serien mit so tollen Namen wie: NCIS, CSI, Bones, Cold Case usw. Dabei hat die Arbeit, beispielsweise von Deutschlands bekanntestem echten Kriminalbiologen, Dr. Mark Benecke, damit so rein gar nichts zu tun. In einem fr-heren Interview mit uns brachte er das Ziel und die Ergeb-nisse seiner Arbeit und Forschungen, kurz und knapp auf den Punkt: Ich versuche herauszufinden was mglich und was unmglich ist. Die Bewertung meiner Ergebnisse ist Aufgabe der Justiz. Auf eindrucksvolle Weise hat er dies am aktuel-len und aufsehenerregenden Beispiel von Jose Salvador Alba-rengo live im strassenfeger radio getan.

    Guido Fahrendholz: Mark, Du kennst die Geschichte dieses Mannes, der dreizehn Monate in einem manvrierunfhigen kleinem Boot, von Mexico bis nordstlich von Australien rund 10 000 Kilometer getrieben sein will.

    Dr. Mark Benecke: Technisch ist alles Mgliche vorstell-bar. Man muss aber unterscheiden, ob jemand tatschlich schon auf hoher See war und hohen Seegang gewohnt ist. Wasser ist immens tckisch. Dann brennt die Sonne uner-bittlich und wird reflektiert. Also fr sich genommen ist diese Geschichte schon mal ganz schn abenteuerlich. Viel inte-ressanter ist die Frage: Ist dieser Mensch in der Lage, sich gengend zu ernhren auf dieser Reise? Da man nicht mehr nachprfen kann, was er so im Einzelnen erzhlt, ist dann auch eine Bewertung schwieriger.

    Albarengo erzhlte, dass er Regenwasser aufgefangen und getrunken hat, aber auch das Blut von gefangenen See-schildkrten?

    Ja, man kann mit dem Blut einer Schildkrte durchaus auch seinen Durst lschen. Das ist wie bei uns Menschen in einer modernen Grostadt. Wir nehmen ja Wasser auch nicht nur durch Getrnke auf wie Tee, Limo oder Bier, sondern auch dadurch, dass wir beispielsweise Joghurt essen oder Salat. Das geht dann auch mit Blut. Ob man aber unter den Bedingun-gen, die auf dem Meer herrschen, wo sehr viel Feuchtigkeit vom Krper abtransportiert wird, eine hohe Sonneneinstrah-lung fr weitere Verdunstung sorgt, das so gut hinkriegt, und auch noch gengend Regenwasser aufzufangen, ist schwer zu testen und nachzuvollziehen. Eine weite Mglichkeit wre auch, mit Hilfe der Sonne Salzwasser zu destillieren, bei-spielsweise an einer Plastikfolie zu kondensieren und dieses halbwegs saubere Wasser aufzufangen. Sehr lange wrde ich dies aber auch nicht machen.

    Was macht die Sonne mit einem Menschen, der ihr solange ausgesetzt ist?

    Die Sonne ist ein sehr groes Problem, weil sie den Kr-per zustzlich erwrmt und ihr UV-Lichtanteil von der Was-

    seroberflche zurckreflektiert wird. Je nachdem wie lange man sich ihr aussetzen muss, bedingt durch die Konstruktion des Bootes und das Tragen von Kleidung, ist die Verdunstung entsprechend stark. Andererseits muss man sich eventuell mehr oder weniger stark krperlich bettigen, auch das kn-nen wir nicht berprfen. Konnte er sich also schtzen, in dem er Schatten aufsuchte, entsprechende Kleidung trug und wenige Anstrengungen leistete, sind die Verdunstung durch die Sonne und Verbrennungen weniger stark. Man sieht dann halt nur aus wie ein gegerbter Seebr, aber das wirkt dann ja auch recht cool nach einer solch langen Seereise.

    Man sieht dann halt nur aus wie ein gegerbter Seebr

    Ist Dir in Deiner langen Laufbahn als Forensiker schon ein-mal ein hnlicher Fall begegnet?

    Das hat jetzt weniger etwas mit Forensik zu tun, aber es gibt sogenannte Yogis, die einen angeblich medizinischen Beweis anstreben und ihre Fhigkeiten, ohne Nahrung und Wasser zu leben, testen lassen wollen. Diese versuchen grund-stzlich alle whrend dieser Tests immer irgendwie an Regen-wasser zu kommen. Beispielsweise unter einem Vorwand wie: Ich bin jetzt stundenlang getestet worden, ich geh jetzt mal eine Zigarette rauchen. Bis dahin haben sie oft viele Tage wirklich nichts gegessen; nicht essen kann man tatschlich ja auch ziemlich lange. Aufflliger Weise gehen diese Yogis aber fast immer dann vor die Tr rauchen, wenn es regnet. Fr ein paar Tage reicht das mit den Haaren oder dem Bart aufge-fangene Wasser dann auch aus. Aber irgendwann schummeln und schmuggeln sie alle Wasser in die Testrume.

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 5

    Tot oder untot das ist hier die Frage!Der Wandel des Zombies vom Totengeist zum MenschenfresserB E T R A C H T U N G : J e a n n e t t e G i e r s c h n e r

    Haben Sie bereits Ihr berlebenspaket fr die Zombie-Apokalypse gepackt? Dazu gehren nicht nur Langzeitnahrung und Wasserfilter, sondern auch Waffen wie Armbrust und Mes-ser. Ein Erste-Hilfe-Set ist ebenso notwendig

    wie Funkgerte und Taschenlampen.

    Jetzt werden Sie wahrscheinlich mit dem Kopf schtteln Zombies sind reine Fantasiegestalten, die in Filmen uerst erfolgreich vermarktet werden. Grundstzlich liegen Sie da richtig, allerdings gibt es viele Menschen, die sich ernsthaft Gedanken machen, wie man sich im Falle eines Falles ver-halten sollte. In einer kanadischen Stadt wurden hchst amt-lich Richtlinien fr eine mgliche Epidemie, die Menschen in Zombies verwandelt, entwickelt und eine Karte mit Risiko-gebieten zusammengestellt. In Las Vegas gibt es den ersten Zombie-Apokalypse-Store, in dem man alles Notwendige fr das berleben findet und Kurse im Zombie-Boot-Camp bu-chen kann. Dort lernt man mit Pfeil und Bogen zu schieen, ohne Supermarkt zu berleben und einen gesicherten Unter-schlupf zu bauen.

    Typisch Amis, meinen Sie? Mitnichten. Die Piraten haben im Berliner Abgeordnetenhaus angefragt, ob Berlin fr den An-griff von Zombies vorbereitet ist, was verneint wurde. Die Antwort berrascht nicht, schlielich ist ein solches Szena-rio schwer vorstellbar. Umweltkatastrophen und Epidemien durch Viren sind schutztechnisch vorbereitet, der Sinn der Anfrage bezog sich auch eher auf die Sensibilisierung der Bevlkerung. Wer auf Zombies vorbereitet ist, bersteht alle anderen Katastrophen.

    Die Angst vor Zombies gibt es nicht erst seit den vielfltigen Verfilmungen. Das Wort Zombie stammt aus der zentralafri-kanischen Sprache Kimbudu (nzmbe) und meint den To-tengeist, der krperlich erscheint und fr erlittenes Unrecht nach Rache sinnt. Lnder wie Haiti, in denen Voodoo betrie-ben wird, gab es schon frh Beschwrungen und Medika-tionen mit Atropin fr nicht gesellschaftsfhige Menschen. Diese verfallen daraufhin als zunbi in einen willenlosen Zustand und knnen so nichts Bses mehr tun. Der Zombie an sich war demnach kein bser Mensch.

    Zombies als Menschenfresser sind eine Erfindung der Film-industrie, die dem Verlangen des Publikums nach Blut und Nervenkitzel erlag. Auch in Computerspielen und Comics wa-ren vom Bluthunger verzerrte und seelenlose Figuren uerst erfolgreich. Eine Erklrung der Verwandlung vom guten Men-schen zum bsen Zombie ist allerdings erst in den letzen Jah-ren Bestandteil von Zombiefilmen und comics. Der Groteil bezieht sich dabei auf naturwissenschaftliche Phnomene wie Virus- und Parasiteninfektionen. Auch der Fokus auf gesell-schaftskritische Inhalte integriert das Phnomen Zombie. Ein Leben und berleben in einer Welt voll Zombies bringt von Selbsterhaltungstrieb gesteuerte Verhaltensmuster hervor, die das eigene Leben und das seiner Verbndeten ber das Leben anderer berlebender stellt. Man ttet nicht nur Zom-bies, sondern auch Menschen, die Nahrung und Sicherheit im Weg stehen. Frei nach Thomas Hobbes der Mensch ist des Menschen Wolf.

    Die Meldungen von Menschen, die zombie-hnlich andere Menschen attackieren und Menschenfleisch essen, haben vielfltige Hintergrnde wie psychotische Strungen, die zum Kannibalismus fhren oder die neue Droge Cloud Nine, auch Zombie-Droge genannt. Das synthetische Rauschmit-tel gehrt zu den sogenannten Badesalzen. Es lsst die Krper-temperatur ansteigen, fhrt zu Halluzinationen und tierischen Verhaltensweisen. In Miami wurde letztes Jahr ein Obdachlo-ser von einem Mann angefallen, der ihm das Gesicht zerbiss.

    Das Grauen der Menschen vor Unbekanntem und Unerklr-lichem wandelte das Ansehen des religisen Zombies, dessen willenloser Zustand bse Menschen vom Handeln abhielt, in menschenfressende Kreaturen, die nichts anderes im Sinn haben als das Bse. Ein Gutes hat die Hysterie die Beschf-tigung mit mglichen Katastrophen, so unwahrscheinlich sie auch sein mgen.Zombie in der 2010 Dragon*con Parade (Foto: cc Brian Garret/flickr)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 20146 | GUT & BSE

    Bse NachbarnMll, Kindergeschrei, wilde Partys Nachbarstreit allerorten B E R I C H T : A n d r e a s P e t e r s

    Ich entsinne mich noch gut an meine Kindertage, als wir mit dem Fuball auf dem Rasen hinterm Haus gebolzt und uns den Unmut des Herrn Polzin zugezogen haben. Fr uns war das damals so ein bser Nachbar, den wir unsererseits mit Klingelstreichen ebenso bse verfolgt

    haben. Wer also war bser? Wir, die wir einfach nur spielen wollten, oder der Herr Polzin, der als Rentner seine Ruhe ha-ben wollte. Eine Antwort darauf fllt mir heute noch schwer. Doch die Grundlage jedes Nachbarschaftsstreits ist damals wie heute die unterschiedliche Interessenlage von Menschen, die nah beieinander leben und trotzdem den Versuch aufein-ander zuzugehen, auslassen.

    Ich hre noch meinem Grovater sinngem sagen: Das war in schwierigen Zeiten, wie zum Beispiel nach dem Krieg, wo die Menschen aufeinander angewiesen waren, anders. Sicher ist, dass Gemeinsamkeiten verbinden. Das Haus, in dem ich wohne, beherbergt viele Familien mit Kindern, und ltere Mieter, die selbst Kinder grogezogen haben. Es stellt deshalb kein Problem dar, wenn mal Kindergeschrei durch den Hausflur schallt, obwohl es schon spt ist, oder der ganze Sand vom Spielplatz sich ber die Treppenstufen im Haus verteilt. Auch Schuhe, die quer ber den Flurabsatz verteilt sind, haben nach meiner Kenntnis noch zu keinem Rechts-streit gefhrt. In anderen Situationen und Husern ist dieses Beispiel Anlass fr jahrelange Fehden und Rechtsstreitigkei-ten, weil einer der Beteiligten meint, stndig ber die Schuhe des Nachbarn zu stolpern.

    ber gute Nachbarn mache ich mir in der Regel allerdings weniger Gedanken, als ber schlechte. Und so kommt es, dass ich seit Monaten beobachte, dass in regelmigen Abstnden im Hinterhof sich Riesenkartons von Haushaltgerten oder auch Riesenfernsehern vor den Papiermlltonnen stapeln. Entweder, weil die Tonnen mit kleineren, aber noch nicht zu-sammengedrckten Kartons berfllt sind, oder einfach nur, weil es demjenigen, der nach Entsorgung der Pappe trachtete, egal ist. Manchmal wird der Verpackungsmll von den Mll-werkern mitgenommen, manchmal aber auch nicht. Dann lie-gen diese Verpackungen oft Wochen herum. Dies gilt ebenso fr Kleinmbel, die, wenn schon nicht in der Tonne, dann neben der Tonne entsorgt werden. Merkwrdigerweise stehen solche Erscheinungen meist im Zusammenhang mit dem Ein-und Auszgen im Hinterhaus. Bei mir im Vorderhaus ist somit klar, wo die Bsen wohnen. Die machen schlielich auch die besten und lngsten Partys mit kostenloser Beschallung bis in die Morgenstunden. Vor kurzem wurde allerdings zu einer dieser Partys doch glatt eine nette Einladung am Vorabend im Hausflur des Vorderhauses ausgehngt.

    Wissenschaftler stellen solche Phnomene in Zusammenhang mit dem anonymen Grostadtleben und den Vernderun-gen im Arbeitsleben. Christoph Mautz, Soziologe an der Uni Mnster betont, dass wo gemeinsame Interessen fehlen, die Nachbarschaft immer mehr an Bedeutung verliert. Dies gilt

    gerade fr junge Menschen, die allein schon aus beruflichen Grnden oft nach kurzer Zeit wieder wegziehen und sich, wenn schon (Haus-) Gemeinschaft, diese bewusster aussu-chen.

    Ich fr meinen Teil bin jedenfalls froh, dass es mich nicht so trifft wie einen Bekannten von mir in Neuklln, der in der Karl-Marx-Strae wohnt. Der frchtete bis vor kurzem, dass der Mll vom Hinterhof ihm die Sicht aus dem Kchenfenster im 2. OG nimmt. Seine Nachbarn jedenfalls entsorgten wie selbstverstndlich ihren Mll unmittelbar direkt aus dem K-chenfenster. Mlltrennung, wie wir sie gemeinhin kultivieren, ist offensichtlich nicht berall blich. Jedenfalls stapelten sich ber mehrere Wochen ausgediente Haushaltsgerte, Mllt-ten, Kartons und Altlfsser vor seinem Fenster. Als ich dieser Tage neugierig geworden meinem Bekannten eine Besuch ab-stattete, war der Mllhaufen bereits entsorgt. Dies geschah so berraschend, dass Fragen bleiben. Hat vielleicht jemand im Haus mit der Total-nett-und-freundlich-Methode (ein ber-reichter Blumenstrau an den vermeintlich bsen Nachbarn) vielleicht zu einem anderen Verhalten motiviert?

    Ganz gleich, wie dieses nachbarschaftliche Problem gelst wurde. Wir halten uns lieber an das greifbar Bse in der Nach-barschaft, statt uns ber Kriege und Verrat in der groen Welt aufzuregen. So wie uns ein guter Nachbar manches Mal mehr Wert ist, als ein Freund in der Ferne.

    Mll im Hinterhof (Foto: Andreas P.)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 7

    Die Giraffe MariusFleisch wchst nicht bei Aldi im RegalB E R I C H T : Ta n n a z

    Die Giraffe Marius ist 18 Monate alt. Wie die meis-ten Jungtiere ist er fr den Zoo in Kopenhagen ein Gewinn und eine echte Attraktion. Auch am 9. 2. 2014 versammeln sich wieder unzhlige Besucher, um Marius zu sehen, darunter viele Kinder. Doch etwas ist anders an diesem Tag: Marius liegt tot auf dem Boden. Er-schossen von seinem Tierarzt.

    Komm her, Marius, hier ist ein wenig Brot fr dich. Ich habe mit einem Gewehr dahinter gestanden und als Marius sich nach vorne gebeugt hat, habe ich ihm in den Kopf ge-schossen. Das klingt brutal, aber es bedeutet auch, dass Ma-rius nicht wusste, was auf ihn zukommt. Der Pfleger steht neben dem getteten Tier und erklrt den Zuschauern, wie sich alles ereignet hat. Unter den Zuschauern sind auch viele Kinder. Einige hren mit Spannung zu, ein Mdchen zieht ihre Jacke ber ihren Kopf. Gleich wird er vor den Augen der Besucher das Tier obduzieren und anschlieend den Lwen im Zoo zum Fressen geben. Aufgrund einer Inzuchtgefahr habe der Tierarzt das Tier erschieen mssen. Von Marius Art gab es zu viele im Kopenhagener Zoo, deswegen musste er sterben.

    In solchen Fllen werden eigentlich andere Zoos benach-richtigt, diese konnten Marius aufgrund seiner hufig auftre-tenden Rasse auch nicht bei sich aufnehmen. Sie alle htten Giraffen, die mit Marius verwandt seien. Der Zoo ist Teil der Europischen Zoo-und Aquarienvereinigung (EAZA), und unterliegt dabei einem strengen Zuchtprogramm. Und weil den rzten und Tierpflegern die genetische Vielfalt und das Vorbeugen einer Inzuchtgefahr, die ja auch Krankheiten mit sich tragen wrde, wichtiger scheint, als das Leben eines Individuums, bleibt dem Zoo Kopenhagen nur eine Wahl: Marius muss sterben.

    U n d p l t z l i c h h a g e l t e s K r i t i k

    Im Vorfeld war eine Onlinepetition erschaffen worden, wo viele versuchten, den Eingriff aufzuhalten. Vergebens. Wh-rend auch nach dem Vorfall unzhlige Tierschtzer und ent-setzte Besucher ihrer Wut freien Lauf lassen und der Tierarzt sogar mit Todesdrohungen zu kmpfen hat, scheinen andere weniger berrascht zu sein. Denn, der Fall ist legitim und das Tten von Tieren in Zoos geschieht tagtglich, auch bei uns in Deutschland. Nicht nur in den Zoos, auch bei unserem Kon-sum von Nutz und Schlachttieren werden etliche Tiere gettet und keiner schreit auf.

    Kritisiert wurde auch, warum Giraffen dann nicht ein Verhtungsmittel bekommen. Die sei aber gesundheitsschd-lich, so Encke. Doch die eigentliche Kritik ist, dass das Tier gettet und ffentlich zur Schau gestellt wurde. Doch auch das rechtfertigt der Zoo in Kopenhagen und Peter Dolliner, Geschftsfhrer des Verbands Deutscher Zoodirektion sagt, wie unter anderem dem Tagesspiegel zu entnehmen war: Menschen sollten wissen, wie ein Tier geschlachtet wird, denn Fleisch wchst nicht bei Aldi im Regal.

    Wa r u m d e r Fa l l d i e M e n s c h e n s o b e w e g t

    Der Nachrichtenagentur dpa berichtete Dag Encke, der Di-rektor des Nrnberger Zoos, warum wir solche Probleme mit dem Fall haben. Weil es um eine Giraffe geht. Das sind die groen Charismatiker unter den Tieren. Da schlucken die Menschen natrlich erst einmal. Aber eine Giraffe zu verft-tern, ist im Grund nichts anderes, als ein Schwein zu keulen. Die Leidensfhigkeit der beiden Tiere ist identisch. Das zeigt, dass viele Menschen diesen Themen rein emotional begegnen. Wir Zoos sind auch dazu da, um den Menschen zu zeigen: Das ist etwas ganz Natrliches, auch eine Giraffe wird gefressen.

    Der Fall zeigt: ber die Ablufe und das Ende der jungen Giraffe gibt es verschiedene Meinungen. Was fr die einen ethisch nicht vertretbar ist, ist fr die anderen ein normaler Fall, der einfach nur durch Marius ein Gesicht bekommen hat.

    Fest steht, dass der Zoo in Kopenhagen seit dem in der Kritik steht und fraglich bleibt, ob beim nchsten Mal, was sicherlich kommen wird, wieder die Medien und dutzende Zuschauer das Prozedere begleiten werden.

    Doch die eigentliche Frage ist, wie viele Menschen die Geschichte von Marius heute, drei Wochen nach den Ge-schehnissen noch bewegt und wie viele von denen, die am Anfang noch den Zeigefinger richteten, bald einen Tag im Zoo verbringen und den Giraffen beim Leben zuschauen.

    Diese Giraffen werden hoffentlich nicht von Lwen verspeist! (Foto: Andreas Dllick VG Bild-Kunst)

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    strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 20148 | GUT & BSE

    Wenn die Lichter ausgehenIst Berlin auf einen Blackout vorbereitet?B E T R A C H T U N G : M a n f r e d W o l f f

    Wir hatten zuhause immer ein Schwein im Stall. Das wurde regelmig gefttert und sauber gehalten. Immer wieder durfte es aus seinem Stall lustige Ausflge in den Garten unternehmen. Das Schwein ge-

    hrte zur Familie, und ich denke, das Schwein sah das auch so. Es hatte keinerlei Anlass, sich um sein Leben Sorgen zu machen. Es ging mit uns genauso freundlich um wie wir mit ihm. Aber dann kam der Tag, wo am Morgen die Stalltr ge-ffnet wurde, es jedoch nicht in den Garten ging. Drauen wartete der Hausschlachter mit dem Bolzenschussgert und dem Messer. Das Schlachtfest war in der Lebensplanung des Schweins nicht vorgesehen, wohl aber der geplante Abschluss seines Lebens von den Menschen.

    E s w i rd s c h o n g u t g e h e n

    Menschen verhalten sich meist ebenso. Sie halten das gute und sichere Leben fr normal und selbstverstndlich. Katast-rophen sind nicht eingeplant. Wir halten es fr selbstverstnd-lich, dass wir jederzeit und berall mit Elektrizitt versorgt werden. Wir haben unser ganzes Leben auf der Elektrizitt aufgebaut, daran gefesselt. Licht und Wrme, Kommunika-tion und Verpflegung, Sicherheit und Versorgung, Gesund-heit und Unterhaltung, nahezu die gesamte Warenproduktion und Warenverteilung alles klappt nur mit Elektrizitt. Das ist unser Komfort im 21. Jahrhundert, aber wer es will, kann wissen, dass das alles an einem seidenen Faden hngt. Keine Elektrizittsgesellschaft kann und will garantieren, dass der Strom immer fliet. Zu viele Faktoren knnen zu Strungen in der Versorgung fhren. Wetter, menschliches Versagen oder technische Mngel knnen das System zusammenbre-chen lassen. Die Stromproduzenten haben ein engmaschiges Netz von Sicherheitsmanahmen geknpft, die dafr sorgen, dass Ausflle nicht vorkommen, schnell kompensiert werden und die Folgen eines solchen Ereignisses gering bleiben.

    Das Elektrizittssystem baut auf einem Verbund von Grokraftwerken und zahlreichen kleineren verbraucher-nahen Einheiten auf, die europaweit zusammengeschaltet

    sind. Schon diese kontinuierliche und tech-nisch steuerbare Produktion ist immer wieder stranfllig. Wenn nun diese Elektrizittswerke durch umweltfreundliche Alternativen ersetzt werden, die nicht so berechenbar sind, wchst die Wahrscheinlichkeit groer und schwerwie-gender Ausflle und Strungen. Der Wind lsst sich nicht steuern, er weht, wann er will. Pho-tovoltaik funktioniert nur bei Sonnenschein. Die weiten Transportwege von der Kste bis nach Bayern und Baden-Wrttemberg erh-hen ebenso das Risiko wie die dezentralisierten Kleineinspeiser auf den Dchern. Computer sollen menschliches Versagen bei der ber-wachung des Netzes ausschlieen, aber es gibt auch Softwarefehler, die nur in Extremsituatio-nen wirksam werden. Wo ein Computer steht, dahin richtet sich auch die Begehrlichkeit der Hacker. Sei es eine feindliche Absicht oder nur der Ehrgeiz eines Nerds, ein Mausklick gengt, um unsere elektrische Zivilisation zusammen-brechen zu lassen. Noch ist es immer wieder gut gegangen, die Strungen trafen kleine Einhei-ten oder waren schnell behoben. Aber es kann auch bse enden.

    B e r l i n i m B l a c ko u t

    Wenn Berlin von einem totalen Stromausfall ge-troffen wird, bleibt es erstmal dunkel. Aber das ist nur der harmloseste Effekt. Da knnten Haus-haltskerzen helfen, doch wer hat davon gen-gend bei sich? Mit der Beleuchtung fllt auch die Wrme aus. Auch zentrale Gasheizungen brau-chen Strom. Fernsehen, Radio und Festnetztele-fon fallen aus. Wir erfahren nicht, was um uns herum passiert. Die Akkus der Handys reichen auch nicht lange. Dass Waschmaschinen und Staubsauger still stehen, ist nicht so schlimm.

  • 01 Warnzeichen vor Hochspannungs-leitungen (Quelle: Wikipedia/3268zauber)

    02 Arbeiten an einer Hochspannungs-leitung (Quelle: Wikipedia/Holger.Ellgaard)

    03 Das rot-blaue Modell in Berlin. Im Auftrag der Feuerwehr beseitigt das THW in Berlin eine lspur. (Quelle: Wikipedia/ Peter Lohmann)

    04 Kernkraftwerk Grafenrheinfeld 2013 (Quelle: Wikipedia/Avda)

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    strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 9

    Aber wie steht es um die Ernhrung? Gekocht werden kann jedenfalls nicht, es sei denn, man hat einen Gasherd, der auch mit einem Streichholz gezndet werden kann. Sind gengend kalt essbare Lebensmittel fr eine Woche vorhanden? Einkau-fen geht nicht, denn die automatischen Tren und elektroni-schen Kassen der Supermrkte funktionieren nicht.

    Wen der Blackout nicht zuhause erwischt, der wird stun-denlang in Bahnen festsitzen, in Aufzgen auf Befreiung war-ten, in Megastaus auf den Straen stehen, denn die Ampeln sind ja auch auer Betrieb. Polizei, Feuerwehr und THW haben da kaum Chancen, an ihre Einsatzorte zu kommen. Notstrom-aggregate, die lokale Pannen berbrcken sollen, brauchen Diesel, den gibt es aber nicht, weil die Tankstellen auch auer Betrieb sind. Kranke erreichen ihre rzte nicht, die medizini-schen Einrichtungen sind handlungsunfhig. Kommt es durch den unachtsamen Umgang mit den Kerzen zu einem Feuer, wird die Feuerwehr erst davon erfahren, wenn die Flammen schon auf weitere Huser bergegriffen haben. Ein Blackout wird hunderte, wenn nicht tausende Menschenleben fordern.

    D e r B l a c ko u t i s t a u c h e i n m e n s c h l i c h e s P ro b l e m

    Neben den technischen Problemen werden Ereignisse im so-zialen zwischenmenschlichen Leben schnell anwachsen. In solchen Situationen neigen viele zur Aggression, andere zu angsterfllter Panik. Da ist sich jeder selbst der Nchste und sucht das Beste fr sich und seine Familie zu ergattern. Es wird zu einem rasanten Anstieg der Kriminalitt kommen, Ge-schfte werden geplndert. Vielleicht knnte das Schlimmste verhindert werden, wenn die Menschen untereinander Soli-daritt ben und sich gegenseitig helfen. Wer kennt schon die 36 Familien, mit denen er zusammen in einem Haus wohnt? Welchen seiner Nachbarn kann er ein groes Vertrauen entge-genbringen, wenn es gilt, gemeinsam die Schwierigkeiten zu meistern? Auf Verwandtschaft kann man auch nicht bauen, wenn sie in einem entfernten Kiez wohnt.

    Nicht nur die einzelnen Brger sind vom Blackout be-troffen. Das Wirtschaftsleben wird total darniederliegen. Die

    Verluste steigen stndlich um eine Million Euro. Das wiederum wird sich auf das Steueraufkom-men auswirken. Noch Jahre danach mssen die Grtel enger geschnallt werden. Kurzum: Ein Blackout ist eine Katastrophe, die Menschen-leben fordert und unermessliche Schden ver-ursacht. Und was tut die Politik, um mit dieser Katastrophe fertig zu werden?

    D i e Po l i t i k i s t g e f r a g t

    Als ich neulich einen Politiker danach fragte, zuckte er mit den Schultern und verwies grin-send auf den Babyboom nach dem New Yorker Sechs-Stunden-Blackout. Wir haben in Berlin Vorkehrungen fr alle mglichen Ereignisse, die das Leben der Stadt und ihrer Brger be-eintrchtigen knnen. In jedem Winter ist das Streuen der Brgersteige ein groes Thema. Fr die grte anzunehmende Katastrophe, die die Stadt treffen kann, gibt es keine Plne. Die Br-ger sind nicht vorbereitet und informiert, damit sie halbwegs unbeschadet da herauskommen. Die Spree wird nicht ber die Ufer treten und die halbe Stadt in eine Lagune verwandeln, ein Erd-beben wird nicht den Fernsehturm fllen, aber ein Blackout kann sehr schnell geschehen und er kommt ohne Vorankndigung. In sterreich hat man sich des Themas angenommen und arbeitet daran. Das sollten wir in Berlin auch tun, sonst wird unser gutes Leben wirklich bse enden.

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 201410 | GUT & BSE

    Wortspiele im Colbert Report als Ohrenschmaus: the buckle-deductible

    Zum Abgewhnen: das Rumgeschrei in der heute-show

    Gute Unterhaltung! Das deutsche Unterhaltungsfernsehen steckt in der Krise. Was wir von den Amerikanern lernen knnen.K R I T I K : B o r i s T V - J u n k i e N o w a c k

    Das alte Samstagabend-Flaggschiff des ZDF, Wet-ten, dass...?, inzwischen zu einer abgetakelten Fregatte vergammelt, steht unter Beschuss, ebenso sein Moderator Markus Lanz. Auslndische Show-gste machen sich ber deutsches Fernsehen lustig und der Zuschauer tut dank Foren, Twitter und Co. immer fter sei-nen Unmut ber Unleistungen des teuer bezahlten ffentlich-rechtlichen Programms kund.

    Wenn immer Schauspieler erfolgreichen Serien den R-cken kehren, wie zuletzt Dominic Raacke, der scheinbar ohne Motiv den Berliner Tatort verlsst, erfhrt man ber In-dizien, woran unser Programm krankt: An den aufgeblhten, streng hierarchischen und uralt verkncherten Strukturen im RR. Je hher ein Programmentscheidungstrger sitzt, desto weniger scheint er zu wissen, was das Publikum wirklich will.

    So kommt es, dass Deutsches Fleisch ins jugendliche neo-ZDF-Programm eingekauft wird. Eine Comic-Serie, die lustig und zeitgem sein will und doch so unzeitgem ge-zeichnet ist von Lippensynchronitt keine Spur und ohne hintersinnig witzige Dialoge oder intelligent bissige Kommen-tare auskommt. Dennoch jubeln die Feuilletons landauf, landab und vergleichen sie gar mit dem amerikanischen Family Guy, einer sehr erfolgreichen, politisch unkorrekten Comic-Famili-enserie. Kritik lieber nicht, denn wir haben ja sonst nichts zu bieten. berhaupt wird hufig das amerikanische Fernsehen als Mastab herangezogen und dabei vllig falsch angesetzt.

    D i e h e u t e - s h o w i s t a u c h s o e i n Fa l l

    Vorbild ist die Daily Show von und mit Jon Stewart, einem professionellen Komiker. Die Sendung wird fnfmal die Wo-che ausgestrahlt, dauert jeweils 20 Minuten und besteht aus drei durch Werbung unterbrochenen Segmenten. In den ers-ten beiden werden aktuelle politische oder gesellschaftliche Themen behandelt, nicht selten wird der ultrakonservative Sender Fox-News auf den Arm genommen. Im dritten gibt es einen Studiogast aus Politik, Unterhaltung oder Wissen-schaft, meist mit einem neuen Buch oder Film. Ebenso auf Comedy Central ausgestrahlt wird der Colbert Report mit Stephen Colbert, einem frheren Korrespondenten der

    Daily Show. Colbert mimt den konservativen Patrioten und nimmt durch geschickte Wortspiele und kluge Argumenta-tion die kruden, verkrusteten Ansichten meist konservativer Politiker und Journalisten aufs Korn. Mit seinem verfeiner-ten Humor und der konservativ-hflichen Attitde ist der Colbert Report gewissermaen die Steigerung zur Daily Show. Es macht Spa, diese Sendungen anzuschauen, denn der Zuschauer sprt, wie viel Mhe sich die Produzenten und Autoren fr diese 20 Minuten geben. Gsten ist es eine Ehre, in die Show zu kommen.

    Und bei uns? Die heute-show sendet einmal die Woche und hat selten Gste. Aber nicht, weil niemand Zeit htte oder sich nicht traut, weil die Sendung so bissig wre, wie es Moderator Oliver Welke gerne behauptet. Sondern weil sie schlicht albern ist.

    K e i n R e s p e k t v o r d e n Zu s c h a u e r n

    Die Sendung ist selten eine Reihe von intelligenten Witzen und Wortspielen sondern besteht meist aus Rumschreien und Beleidigungen. Keine Sendung vergeht, ohne dass fnf-mal das Wort Scheie vorkommt, gerne auch ficken und Arschloch. Fkalsprache hat in der Comedy seine Bedeu-tung, aber sie sollte sparsam und sinnvoll eingesetzt werden und nicht fr billige Lacher wie im Kindergarten.

    Unschn ist Hans-Joachim Heist alias Gernot Hassknecht als Pendant zu Lewis Black in der Daily Show. Sein Rum-geschrei bewahrheitet jedes Vorurteil, das Auslnder ber Deutsche und ihren angeblich mangelnden Humor und die unschn hart klingende Sprache haben.

    Absolut unverzeihlich jedoch ist, dass regelmig gegen das oberste Gebot der Unterhaltung verstoen wird: Beleidige niemals dein Publikum. NIEMALS! Dumme Zuschauer, verdammte Inselaffen, bekackte Englnder, arrogante Spanier, alles schon gehrt in der heute-show.

    Will sagen: Neben kreativen Ideen mangelt es den Pro-grammmachern an Respekt vor den Zuschauern. Und so lange das so ist, kann man sich nur den Spruch von Lwenzahns Peter Lustig zu Herzen nehmen: Nicht vergessen, abschalten!

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 11

    Unberechenbarer MenschWarum es den reinen Fiesling oder den perfekten Gutmenschen nicht geben kannB E T R A C H T U N G : D e t l e f F l i s t e r

    Der Mensch ist eine vielfltige Le-bensform auf nahezu allen Ge-bieten und ein vielschichtiges, kompliziertes Wesen, das auf emotionaler und emotionaler Ba-

    sis nur sehr schwer zu verstehen ist. Der Mensch kann einerseits Trost spenden, ist hilfsbereit und einfallsreich, andererseits ist er unter bestimm-ten Voraussetzungen taktlos, kann eiskalt seine Artgenossen tten und qulen, total destruktiv und zerstrerisch sein. Warum ist das so? Wie wird man gut oder bse? Wodurch wird es beeinflusst? Gibt es das reine Gute oder das reine Bse?

    W i d e r s p r c h l i c h e s Ve r h a l t e n

    Man stelle sich einfach mal zwei Situationen vor: Sie sind in einem Raum zusammen mit drei anderen Menschen, die Sie eigentlich sehr mgen. Eine der Damen steht im gerade statt-findenden Gesprch voll unter Druck. Sie habe die Gruppe hintergangen und gegen ihre Inte-ressen verstoen. Sie allein wissen, dass das nicht so war und die Angeklagte sich stets fr die Gruppe eingesetzt und viele persnliche Opfer fr diese gebracht hat. So war es auch in vorliegendem Fall. Die anderen ziehen voll vom Leder und greifen sie total an, beleidi-gen sie aufs belste. Alles spitzt sich zu und es kommt schlielich zur Abstimmung, ob die Frau weiterhin an der Gruppe teilnehmen darf oder diese verlassen muss. Alle sind gegen diese Frau. Auch sie heben dafr die Hand wider bes-seres Wissen. Vor zwei Wochen haben sie sich auf die Seite der Dame gestellt. Kennen Sie so ein Verhalten von sich? Wenn ja, warum haben Sie sich in einer hnlichen Situation so verhal-ten. Warum waren sie in diesem Fall bse ge-genber einem Menschen, der Ihnen eigentlich wichtig ist?

    Der zweite Fall: Ein Bekannter von Ihnen schaut den ganzen Tag frchterlich traurig drein und weint viel. Sie gehen zu ihm und reichen ihm die Hand, umarmen ihn. Sie geben ihm Trost und machen ihm Mut, obwohl sie in den letzten Wochen an ihm gezweifelt haben. Ihnen gelingt es, den Mann wieder zum Lachen zu bringen. Letzte Woche hat in einem hnlichen Fall Frau Mller um Ihre Untersttzung gebe-ten. Sie waren aggressiv und abweisend und ha-ben noch dazu heftig mit ihr geschimpft und ihr die Schuld an ihrer Situation gegeben. Warum haben Sie in hnlichen Situationen unterschied-liche Verhaltensweisen gezeigt? Warum verhiel-ten Sie sich derart widersprchlich?

    Schauen wir uns die oben genannten Vor-

    flle doch einmal genau an und ziehen unsere Schlsse daraus. Warum kann sich ein Mensch derart bse verhalten, wie im ersten Fall? Hier spielt das Thema soziale Zugehrigkeit eine Rolle. Die genannte Person hatte das Problem, dass sie allein mit ihrer Meinung stand und ihr die Gruppe sehr wichtig ist. Die Angst, alleine zu stehen und von der Gruppe nicht mehr ak-zeptiert zu werden, hat zu diesem scheinbar un-verstndlichen Verhalten gefhrt. Man kann an diesem Beispiel deutlich sehen, dass sowohl die gerade aktuelle Situation, als auch unser Stan-ding in der Gruppe unsere Entscheidung, wie wir uns verhalten, bestimmt. Das kann den ein-zelnen Menschen beeinflussbar machen und zu Verhaltensweisen fhren, die man nicht von ihm erwartet. Gutherzige Menschen kippen um in ih-rer Meinung, zeigen Verhaltensweisen, die sie in hnlichen Situationen nicht zeigen wrden.

    U m g e b u n g u n d S i t u a t i o n u n d E r fa h r u n g p r g e n u n s e r Ve r h a l t e n

    Der zweite Fall untermauert oben genannte Er-kenntnis zustzlich. Er zeigt, dass man in hn-lichen Fllen unterschiedlich entscheiden kann. Ein anderes Handeln kann von der eigenen Stim-mung als auch von der Sympathie oder Antipa-thie gegenber verschiedenen Personen abhn-gig sein. Ein solches Verhalten ist natrlich nicht gerecht, lsst sich aber nicht vermeiden, weil die eigene psychische und physische Situation nun einmal eine groe Rolle spielt. Wer Schmerzen hat oder eine schlechte Stimmung wird nicht so offen sein, wie jemand anders, der einen perfek-ten Tag erwischt hat.

    Auch die Erfahrungen prgen den Menschen. Ein Mensch, der immer Hilfe in der Not bekom-men hat, wenn es fr ihn kritisch wurde, wird eher bereit sein, die Probleme anderer zu erfassen und andere untersttzen. Wer immer abgewiesen wurde und sein Leben lang um Anerkennung kmpfen musste, wird erwarten, dass der andere sich ebenfalls alleine durchbeit. Der Satz: Mir hat damals auch keiner geholfen! wird dann Mastab fr sein Verhalten sein. Aber selbst diese Regel ist nicht immer bindend. Oft sind Leute hilfsbereit denen man bse und bel mitgespielt hat. Sie entwickeln dann fr sich den Anspruch es besser zu machen und den Drang anderen zu hel-fen, gerade weil sie erkannt haben, wie schlimm es ist, wenn man alleine steht. Das ist die Lehre, die sie aus ihren Erfahrungen ziehen.

    Wir sehen auch aus oben genannten Be-spielen: Das reine Gute oder das reine Bse kann es nicht geben. Zu viele Faktoren beein-flussen das Verhalten des Menschen und ma-chen es unberechenbar.

    Frres Limbourg Trs Riches Heures du duc de Berry - chutedes anges rebelles Google Art Project (Quelle: Wikipedia)

    Karikatur: OL

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 201412 | GUT & BSE

    Gurkenverordnung...Zweifelhafte Gesetze: Absurd oder notwendig?B E R I C H T : A s t r i d

    Gesetze gibt es wahrscheinlich seit es Menschen gibt. Du sollst nicht tten das steht ja schon in der Bibel und anderen religisen Bchern. Wer dagegen verstt, wird von vielen als bse bezeichnet. Aber auch fr dieses Gesetz scheint

    es eine Ausnahme zu geben. Krieg, da sieht man darber schon mal hinweg. Genug von diesen Haarspaltereien, es gibt gute Gesetze.

    Nehmen wir mal das Gesetz der Schwerkraft. Ist doch gut, dass alles wegen dieses Naturgesetzes runterfllt. Oder die Erde htte schnere Ringe wie der Saturn von all den Dingen, die um sie kreisen wrden. Aber, es gibt auch andere Gesetze. Nur bse oder schlecht wrde ich die nicht nennen.

    Murphys Gesetz: Alles was schiefgehen kann, wird schiefge-hen. Stimmt leider nur zu oft. Und dann meckern wir. Nimmt man die Straenverkehrsordnung auch als Mini-Gesetz, dann heit es dort: Man soll beim berqueren der Fahrbahn im-mer nach links und rechts schauen. Mache ich mich jetzt strafbar, wenn ich das in einer Einbahnstrae nicht tue?

    Dann kommen wir doch mal zu den Gesetzen und Verordnun-gen, die uns berlegen lassen, was die Leute, die sie geschrie-ben haben, sich dabei gedacht haben. Sollte Spa machen. Gibt es berall, auch in Deutschland. Oder wussten Sie, dass es erlaubt ist, nackt ein Auto zu fahren? Nicht? Gut, aber stei-

    gen Sie nie aus oder Sie zahlen wegen Erregung ffentlichen rgernisses 50 Euro! Noch ein Beispiel aus Deutschland? Eine Frau, die ihren Mann erschiet, darf keine Witwenrente kassieren.

    Glauben sie nicht? Oh doch, man kann z. B. den Tod nicht als dauernde Berufsunfhigkeit geltend machen. Makaber? Es geht aber auch etwas leichter zu im Behrdendschungel. Hes-sen hat immer noch die Todesstrafe, die wurde aber vom Bun-desgesetz auer Kraft gesetzt. Puh, noch mal Glck gehabt.

    Weltmeister in skurrilen Gesetzen sind die Amerikaner, aber Europa holt auf. Nicht zuletzt wegen der EU. ber die Gur-kenverordnung der EU, wie gerade die zu sein hat, haben wir ja alle mal gelacht. Besonders wenn man sich vorstellt, wie ein Polizist einer Gurke auf dem Feld ihre Rechte vorliest, bevor er sie verhaftet. Tja, totaler Unsinn, was manchem Politiker so einfllt, wenn er Langeweile im Parlament hat.

    Was den Politikern vergangener und gegenwrtiger Zeiten zur Krperpflege eingefallen ist? Man berlegt schon, wie die dar-auf kamen. Jeder Tag oder einige Jahreszeiten sind in irgendei-nem Land verpnt, da darf man nicht baden oder schwimmen gehen. Singen in Duschen oder Badewannen gefiel auch eini-gen Gesetzesmachern nicht. Na ja, den Nachbarn manchmal auch nicht. Aber deswegen ein Gesetz erlassen?

    Dass man das Monster von Loch Ness unter Naturschutz setzte, kann man ja noch verstehen. Viel besser, in einer Stadt in Australien, darf nur ein geprfter Elektriker eine Glh-birne wechseln. Aber es geht immer noch besser, wiederum in Deutschland: Nach 328 StGB Absatz 2.3 kann man mit fnf Jahren Haft rechnen, wenn man eine Atombombe zn-det. Oder man bekommt eine Geldstrafe. Aber das Basteln einer Atombombe ist erlaubt, ich fand zumindest kein Gesetz, das das verbietet.

    Da fragt man sich doch, was haben die getrunken oder ge-raucht, als sie diese Gesetze erlassen haben? Aber diese Gesetze sind gltig, man kann bestraft werden, wenn man gegen sie verstt. Jetzt frage ich mal: Meine Fahrgelegen-heit kommt, ich springe ohne Fahrschein zu kaufen rein und werde erwischt. Gleiches Szenario, nur ich fahre extra ohne Fahrschein. Beide Male bin ich schuldig, aber bin ich mehr schuldig beim zweiten Mal, das erste war ja nur ein Versehen. Also kann man nicht unbedingt sagen, wer gegen ein Gesetz verstt, der ist bse.

    Zum Schluss mal etwas, was mich daran zweifeln lie. In Flo-rida ist es verboten, mit einem Stachelschwein Sex zu haben. Ja, sie haben richtig gelesen. Mir schossen drei Dinge fast gleichzeitig durch den Kopf: Wer? Mnner oder Frauen? Um so ein Gesetz zu erlassen, muss das ja mal jemand getan haben. Ein Irrer! und Da bekommt die chinesische Art der Akupunktur eine ganz neue Bedeutung! Dann landete mein Kopf vor Lachen auf dem Tisch.

    Gewhnliches Stachelschwein Hystrix cristata (Quelle: Wikipedia/Drew Avery)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 13

    Die Grundtvig-PartnerschaftEinblicke in das System der Wohnungslosenhilfe von SchottlandB E R I C H T : J a n M a r k o w s k y

    Ich war unlngst zu Besuch in Glasgow. Glasgow ist nach Berlin, Toulouse und Belgien die vierte Station der Grundtvig-Lernpartnerschaft Partizipation von Obdachlosen. Der schottische Partner, die Glasgow Homelessness Network (GHN), hat vor etwa einem

    Jahr ein Toolkit vorgestellt, der mit den Wohnungslosen in Glasgow erarbeitet worden war. Er zeigt Mglichkeiten zur Teilhabe der Wohnungslosen. Als ich dann hrte, die schotti-sche Regierung stnde hinter dem Kit, wusste ich, in Schott-land wird mit wohnungslosen Menschen anders umgegangen als in Deutschland. Whrend unserer Reise wurde mir das dann besttigt.

    D a s S o z i a l s y s t e m i n S c h o t t l a n d u n d d e r t ro s t l o s e A u s g a n g s p u n k t

    Marion Gibbs, in der schottischen Regierung fr Obdachlo-sigkeit zustndig, berichtete in Glasgow ber das Sozialsystem in Schottland. Sie erzhlte uns, dass die Situation in Glasgow vor ein paar Jahren verheerend war. Glasgow war damals eine Arbeiterstadt mit Schwerindustrie. In den 1970er und 1980er Jahren wurden Kohleminen, Stahlwerke und Motorenwerke geschlossen. Was folgte war der Verfall der Gebudesubstanz, die Bildung von Slums; Kriminalitt und Gewalt brachen aus, viele Menschen verloren ihre Wohnungen. Die Lsung schien die Unterbringung in groen Obdachlosenheimen. Doch dort waren die obdachlosen Menschen auf sich allein gestellt. Die Heime wurden nach Gewaltskandalen geschlossen, und es wurde nach Alternativen gesucht. Zuerst in Glasgow, jetzt in ganz Schottland.

    Mittlerweile unternimmt die schottische Regierung ernsthafte Anstrengungen zur Bekmpfung der Obdachlo-sigkeit. Es ist ihr ausdrcklicher Wille, dass Obdachlosigkeit gar nicht erst entsteht. Fr das Soziale ist auch in Schottland in erster Linie die Kommune verantwortlich. Die Regierung setzt die Rahmen. In Schottland hat jeder Brger das Recht auf eine Wohnung. Ein Mensch, der gefhrdet ist, seine Woh-nung zu verlieren, erhlt die notwendige Untersttzung, um ihn in der Wohnung zu halten. Fr Marion Gibbs ist Ob-dachlosigkeit Ausdruck einer Krise. Ist es so weit gekommen, dann greift das Recht auf vorbergehende Unterbringung. Die schottische Regierung hat nach Auskunft von Marion Gibbs deshalb auch Obdachlose nach dem Grund des Woh-nungsverlustes befragt. Die meisten mussten wegen ver-schiedenster Konflikte im sozialen Umfeld (Familie, Nach-barschaft) die Wohnung verlassen.

    Pe e r - M e n t o r i n g : U n t e r s t t z u n g i m s o z i a l e n U m fe l d s t a t t S a n k t i o n e n

    Schottland lsst es brigens nicht dabei bewenden, einem woh-nungslosen Menschen zu einer neuen Wohnung zu verhelfen. Er soll in sein neues Umfeld integriert werden. Peer-Mentoring heit das Zauberwort. Dem wohnungslosen Menschen wird ein Mentor zur Seite gestellt, der seine Sprache spricht und die persnlichen Probleme aus eigenem Erleben kennt. Die

    Untersttzung wird allerdings nicht ohne Vorbehalt gewhrt. Wer selbst verschuldet seine Wohnung verliert, hat keinen Anspruch auf die Untersttzung. Die Kommunen haben hier einen groen Ermessungsspielraum. Immerhin werden sieben Prozent aller Antrge auf Untersttzung abgelehnt. Ich erin-nere mich in diesem Zusammenhang an die Geschichte eines wohnungslosen Punks in Berlin, der groen Horror vor sei-ner Sachbearbeiterin im Sozialamt hatte. Wer erlebt hat, wie schwer sich viele Wohnungslose tun, ihre Rechte durchzu-setzen, wird jeden Spielraum fr Willkr verhindern wollen.

    Peer-Mentoring hilft den Menschen wesentlich nachhal-tiger als kurzfristige MAE-Massnahmen. Allen Befrwortern der Sanktionspraxis in Jobcenter empfehle ich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Methode. Keine Sanktion ver-hindert Ausgrenzung der Menschen in prekren Lebenslagen. Inklusion sieht anders aus. Die Miete ist in der Untersttzung nicht enthalten. Zustzlich muss Wohngeld beantragt werden. In Schottland soll das Wohngeld die Kosten fr Unterkunft und Heizung abdecken. In Deutschland ist das eher Almosen. Der Wohnungsmarkt in Glasgow wandelt sich, dieser Wandel ist im Stadtbild sichtbar. Die Wohnungen werden knapper und teurer. In Glasgow gibt es Sozialwohnungen, in der Regel in den Bestnden kommunaler Gesellschaften.

    Pe e r - M e n t o r i n g i n d e r S u c h t h i l fe

    Sucht ist auch in Glasgow ein ganz groes Problem. An ers-ter Stelle wurde immer wieder Alkohol genannt. Bei jngeren Wohnungslosen spielt auch Heroin eine groe Rolle. Durch einen ehrenamtlichen Mitarbeiters habe ich erfahren, dass leider auch die teuflische Droge Crystal Meth in Glasgow an-gekommen ist. Das birgt aber ein Potenzial, dass im Gegen-satz zu den Verhltnissen in Berlin in Glasgow systematisch genutzt wird. Ein trockener Alkoholiker untersttzt beispiels-weise einen Alkoholiker bei seinem Kampf gegen den Suff. Peer ist hier ein Ebenbrtiger.

    Ein obdachloser Verkufer der Staenzeitung Big Issue in Glasgow (Quelle: Big Issue)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 201414 | GUT & BSE

    60 Notschlafpltze bietet die neue Notunterkunft (Foto: Jutta H.)

    Ungewhnliche SchlafsttteAm Innsbrucker Platz ist eine Wrmelufthalle errichtet worden. Bis zum Ende des Winters bietet sie zustzliche Notschlafpltze fr Obdachlose. Dass der Sponsor der Halle ein umstrittener Unternehmer ist, gibt dem Projekt einen unschnen BeigeschmackB E R I C H T : J u t t a H .

    Wir werden das versuchen und unsere Erfahrungen mit dem Zelt machen, sagt Hans-Georg Filker, Direk-tor der Berliner Stadtmission. Schon seit einigen Jah-ren stoe man mit der Notunterkunft in der Lehrter Strae an die Kapazittsgrenzen. Zurzeit gebe es dort eine berbelegung von hufig bis zu 100 Prozent. Seit ber einem Jahr suche man nach einer geeigneten zustzlichen Immobi-lie fr die Kltehilfe, doch einen geeigneten Ort zu finden, hat sich als unglaublich schwierig erwiesen. Mit der geschaf-fenen mobilen Notunterkunft gehe man neue Wege, man sehe das Projekt auch als Test fr Lsungen in der Zukunft. Anfang Februar hatte die Berliner Stadtmission das Angebot des Unternehmers Martin Kristek angenommen, in Berlin eine sogenannte Wrmelufthalle zu errichten. Eine Firma aus Sddeutschland wurde beauftragt, das Zelt zu errichten. In der Nacht zum 19. Februar bernachteten die ersten Obdach-losen im Inneren des Wrmezeltes.

    K e i n e g e e i g n e t e n I m m o b i l i e n

    Das silbern schimmernde, futuristisch anmutende Zelt ist nahe dem Innsbrucker Platz im Kopfsteinpflaster verankert. Das Gelnde gehrt der Deutschen Bahn. In unmittelbarer Nhe befinden sich die Bahngleise, auf denen die Ringbahn vorbeirattert. Das Wrmezelt ist gut 1 000 Quadratmeter gro und etwa neun Meter hoch. Permanent arbeitende Luft-pumpen halten das Zelt aufrecht. Die Beheizung des Inneren erfolgt durch Flssiggas, mit dem die Temperatur bei konstan-ten 18 Grad Celsius gehalten wird.

    60 Mnner und Frauen pro Nacht werden in dem Zelt bis Ende Mrz Platz finden. Der Kltebus wird allabendlich Schlafgste der Notbernachtung in der Lehrter Strae hierher fahren, um dort Entlastung zu schaffen. Das Zelt kann von ob-dachlosen Menschen aber auch eigenstndig aufgesucht wer-den. Geschlafen wird auf einfachen Feldbetten. Ein Theken-bereich ist geschaffen worden, an dem warme Mahlzeiten und Getrnke ausgegeben werden. Sanitre Einrichtungen stehen im Inneren des Zeltes zur Verfgung.

    Mit der Errichtung dieser mobilen Notunterkunft steigt die Zahl der Kltehilfebetten in Berlin auf ber 500. Sozial-senator Mario Czaja hatte seit September finanzielle Zusa-gen fr 500 Pltze gemacht, doch die Zahl war nicht erreicht worden es waren keine geeigneten Immobilien gefunden worden. Ende Januar hatte der Sozialsenator 40 zustzliche Kltehilfebetten ab dem ersten Februar angekndigt, eine In-formation, die sich als als Fehlmeldung entpuppte.

    Anlsslich der Inbetriebnahme des Wrmezeltes Mitte Februar reiste auch der Sponsor des Projektes an. Seinen weien Sportwagen parkte er direkt neben dem Zelt. Fr mich ist es selbstverstndlich, dass ich helfe, wenn ich hel-fen kann, sagte Martin Kristek, ein 41-jhriger Mann mit gepflegtem Bart. Kristek ist Geschftsfhrer und Besitzer des Billig-Stromanbieters Care Energy. In einer Presse-mitteilung von Anfang Februar bezeichnet sich das Unter-nehmen als Energiedienstleister mit dem Herz am rechten Fleck. Auf den Philippinen statte man gerade ein kleines Bergdorf mit Strom aus, in der Hochwasserhilfe 2013 in Deutschland sei man als Privatinitiative nahezu im Allein-gang ttig gewesen. Nun habe man das Wrmezelt zur Un-terbringung von Obdachlosen erworben und ber 200 000 Euro dafr ausgegeben.

    Zu r N a c h z a h l u n g v o n s i e b e n M i l l i o n e n E u ro v e r u r t e i l t

    Gibt man den Namen Martin Kristek im Internet in die Suchmaschine Google ein, erfhrt man schnell, dass der kostromanbieter nicht unumstritten ist. Bundesnetzagen-tur, Bundeskartellamt und Bundesamt fr Justiz haben schon ermittelt gegen Kristek und seine Firma. Die Verbraucherzen-trale warnt Kunden vor Care Energy. 2013 wurde das Un-ternehmen zu einer Nachzahlung von ber sieben Millionen Euro nicht gezahlter EEG-Umlage (EEG: Erneuerbares Ener-gien Gesetz) an drei Netzbetreiber verurteilt. Experten halten das Geschftsmodell der Firma Care Energy fr nicht trag-fhig. Wenn alles mit Rechten Dingen zugehe, knne niemand so gnstig Strom anbieten, sagen sie, Strom aus erneuerbaren Quellen schon gar nicht.

    Der Hintergrund ihres Sponsors sei den Verantwortli-chen der Stadtmission durchaus bewusst, sagt einer ihrer Mit-arbeiter. Man habe sich dennoch entschieden, das Angebot, das Zelt in Anspruch nehmen zu knnen, anzunehmen. Der Sache wegen. Herr Kristek stelle das Zelt zur Verfgung, habe aber mit dem laufenden Betrieb der Notunterkunft nichts zu tun. Fr den sei allein die Berliner Stadtmission zustndig.

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 GUT & BSE | 15

    One Warm WinterAusgabe warmer Winterkleidung am Vertriebswagen des strassenfegerB E R I C H T : L a u r a M a r i a H h l ( S c h l e r p r a k t i k a n t i n )

    Ob schmal oder breit, gro oder klein, alt oder jung. Mnner mit Bart oder ohne, dafr erstaunlich wenige Frauen. Am 6.02.2014 traf ich all diese Menschen am Vertriebswagen des stras-senfeger vor der Bahnhofsmission am Zoo in der Jebensstrae, die auf uns warteten. Die Aufre-gung unter diesen Menschen sprte ich deutlich, als ich mit Mara Fischer, Spendenbeauftragte des Vereins, und Guido Fahrendholz, Chef vom strassenfeger radio und strassenfeger tv, in dem mit gespendeter, warmer Kleidung gefllten Lie-ferwagen des Vereins mob e.V. ankam. Sie alle warteten gespannt in ein paar Meter Entfernung des Vertriebswagens auf die bevorstehende Klei-dungsausgabe. Mglich wurde diese durch die Spendenaktion One Warm Winter, die in en-ger Zusammenarbeit mit der Kreuzberger Wer-beagentur DOJO und dem Verein mob ob-dachlose machen mobil e.V. seit nunmehr drei Jahren durchgefhrt wird.

    Als wir dann gemeinsam mit Daniel Uppenbrock und Felix Lyss (DOJO und Friends For Bene-fits) begannen, die Kisten auszuladen, drngten sich die Menschen in einem Halbkreis an den Lieferwagen. Manche waren ganz still und beob-achteten uns nur voll Neugier, andere wiederum fingen an, voller Spannung durcheinanderzure-den. Eine Frau mittleren Alters schien es ganz besonders eilig zu haben. Nichts entging ihrem scharfsinnigen Blickfeld. Ihr ganz besonderer Fokus lag auf einem warmen Schlafsack. Was habt ihr denn da, fragte sie uns ganz forsch. Um keinen Preis wollte sie bei der Ausgabe leer aus-gehen. Ich begriff schnell: Diese Menschen wa-ren wirklich dringend auf warme Kleidung fr den Winter angewiesen, denn sie waren obdach-los, viele von ihnen arm.

    Wie das nun einmal so ist: Wenn es etwas umsonst gibt, dann entbrennt auch schnell mal ein Streit zwischen zwei Parteien, die ein- und dieselbe Sache haben wollen. So war es unvermeidlich, dass wir auch einige kleine Reibereien schlichten mussten. Was mir besonders auffiel: Diese Men-schen haben uns nicht nur nach den passenden Gren, sondern auch nach Farben gefragt! Das zeigte mir, dass auch obdachlose Menschen sehr wohl den Wunsch verspren, modische Klei-dung zu tragen. Es war brigens richtig schwer, zu Wort zu kommen. Denn alle redeten kreuz und quer durcheinander und scherzten mitein-ander. Ich sprte, dass eine wirklich angenehme Atmosphre in der Luft lag, fhlte, dass die Men-schen richtig Spa hatten und sich gerne bei uns aufhielten. Ein Mann fragte mich sogar, scher-zend, ob wir nicht auch Parfm fr ihn htten. Und keiner dachte nur an sich selbst. Fr einen

    jungen, groen Mann schien es in erster Linie wichtiger zu sein, ein passendes Mitbringsel fr seine Freundin zu suchen als fr den eigenen Bedarf. Wir gaben natrlich unser Bestes, um all unsere Kunden ihre Wnsche nach unseren Mg-lichkeiten zu erfllen. Wir suchten eifrig nach den passenden Kleidungsstcken in den zahllosen Umzugskisten, die sich vor uns und neben uns bereinander stapelten.

    Man kann wirklich ganz klar sagen, dass es sich bei dieser Aktion fr alle Beteiligten um eine Win-Win-Situation ge-handelt hat. Die Menschen bekamen Socken, Unterhosen, T-Shirts, Taschen, Pullover, Mtzen, Schals und noch viele andere wichtige Dinge von uns. Dafr beschenkten sie uns mit jeder Menge strahlenden Lachens an diesem wunder-schnen, kalten Februartag. Mehr als die Sonne uns wrmen konnte, erwrmte uns diese Freude. Eine junge, schmale Frau freute sich ganz besonders, als ich es schaffte, fr sie passende Handschuhe in einem knalligen Pinkton aufzutrei-ben. Ich muss sagen, sie passten wirklich toll zu ihr. Und auch ein etwas sdlndisch wirkender Mann fand schnell, was ihm gefiel: eine warme Mtze in Form eines Panda-kopfes. Diese probierte er sofort an und prsentierte sie mit einem stolzen Lcheln allen anderen. Bei der Verteilung der kuschlig warmen Unterwsche wurden alle Hnde nur so nach vorne gestreckt, denn jeder wollte eine Packung haben. Nach circa zwei Stunden war hatten wir fast alles verteilt und sogar noch die Zu-spt-Kommer befriedigt, einzig eine rosa Wolldecke blieb brig. Die wollte anscheinend kei-ner haben. Macht nichts, die nehmen wir bei der nchsten Ausgabe gespendeter Kleidung aus der Aktion One Warm Winter unbedingt wieder mit!

    Dichtes Gedrnge bei der OneWarmWinter-Kleidungsausgabe am Bahnhof Zoo (Foto:Guido Fahrendholz)

  • I N FO

    Hanna Schygulla Traumprotokolle noch bis zum 30. Mrz in der Aka-demie der Knste am Pariser Platz 4, 10117 Berlin

    Geffnet Dienstag bis Sonntag 11 19 Uhr, Eintritt frei: Dienstag 15 19 Uhr und fr Besucher bis 18 Jahre an allen Tagen

    Veranstaltung Donnerstag, 6. Mrz 2014, 19 Uhr Von Fassbinders Muse zum Star des europischen Films (Max Moor im Gesprch mit Hanna Schygulla), Eintritt 5/3 Euro www.adk.de

    BuchtippHanna Schygulla Wach auf und trume (Die Autobiographie), Schirmer/Mosel, Mnchen, 2013 Preis 19,80 Euro

    strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 201416 | TAUFRISCH & ANGESAGT a r t s t r a s s e n fe g e r

    01 Hanna Schygulla auf der Terrasse der AdK am Pariser Platz, 31.01.2014 (Foto: Urszula Usakowska-Wolff)

    02 Klaus Staeck, AdK-Prsident mit Hanna Schygulla whrend der Aus-stellungserffnung in der AdK (Foto: Urszula Usakowska-Wolff)

    03 Terrorist Star, 1979/2005 (Filmstill Hanna Schygulla)

    TraumprotokolleHanna Schygullas filmgewordene Trume in der Akademie der KnsteB E T R A C H T U N G : U r s z u l a U s a k o w s k a - W o l f f

    Hanna Schygulla wird mit vielen Namen ge-schmckt: Ikone und Legende des Neuen Deutschen Films, Diva, Diseuse und die ein-zige deutsche Schauspielerin ihrer Generation, die Weltruhm erlangte. Dabei wird immer wie-

    der darauf hingewiesen, sie sei Muse und Weggefhrtin von Rainer Werner Fassbinder gewesen, der sie entdeckte und dem sie ihren internationalen Erfolg verdankt. Das ist alles zur Genge bekannt, beschrieben, dokumentiert. Das wird jetzt alles in Erinnerung gebracht, weil die Mimin und Sn-gerin am ersten Weihnachtstag des vorigen Jahres 70 gewor-den ist. Der runde Geburtstag einer illustren Persnlichkeit ist ein willkommener Anlass fr eine Ausstellung, die ihr Le-benswerk Revue passieren lsst. So gesehen knnte man sich Hanna Schygullas schon lange berfllige Retrospektive in einem Film- oder historischen Museum vorstellen: mit Plaka-ten, Filmstills und Fotos an den Wnden, mit Filmen auf den Bildschirmen, Manuskripten, Einladungen und Zeitungsaus-schnitten sowie anderen wichtigen Papieren in den Vitrinen. Das wre die herkmmliche Form, um der Grande Dame der darstellenden Kunst eine museale Gunst zu erweisen. Doch Hanna Schygulla hatte anderes im Sinn und fand eine Partne-rin, die bereit war, ihr Ausstellungskonzept zu verwirklichen.

    V i e r l a u fe n d e M e t e r

    2006 wurde in der Akademie der Knste Berlin das Hanna-Schygulla-Archiv eingerichtet, dem die Schauspielerin einen Groteil der Zeugnisse ihres langen Berufslebens bergab: ein riesiger Fundus mit mehr als eintausend Fotografien, darunter viele Portrts und Fotoserien, gemacht von solchen Berhmt-heiten wie Helmut Newton, Peter Lindbergh, Gisle Freud und Alice Springs, mit 120 AV-Medien und hunderten von Bchern, mit persnlichen und dienstlichen Briefen. Diese Sammlung ist ein Schriftgut mit einer Lnge von man kann es kaum glauben vier Metern, sodass es die Quelle einer um-fangreichen Ausstellung werden knnte. Doch Hanna Schy-gulla hat sich fr etwas anderes entschieden. Von der Idee einer Personale in der AdK war sie zwar begeistert, lehnte aber eine Archivschau ihres Oeuvres ab. Es gibt so einen Drang in mir, das zu tun, was gegen den Strich geht, sagt sie. Das, was einen Tabubruch hat, wirkt mehr als das, was nur brav ausgefhrt wird. Wenn es gewisse Regeln gibt, die vor-schreiben, dass in einem Archiv etwas Vergangenes gezeigt werden muss, habe ich sofort den Antrieb, etwas zu machen, was ins Zuknftige geht.

    R u m e f r Tr u m e

    Aus diesem Antrieb entstand Hanna Schygullas Ausstellung Traumprotokolle in den Slen der Akademie der Knste

    am Pariser Platz. Ihre filmgewordenen Trume flimmern in vier Rumen und zeigen, dass die bekannte Schauspielerin eine hierzulande noch recht unbekannte Videoknstlerin der ersten Stunde ist. Dass sie bereits 1979 selbst zur Ka-mera griff, war die Folge eines gescheiterten Projekts. Im Mai 1978, nach der Premiere des Films Despair, den Fassbinder Antonin Ar-taud, Unica Zrn und Vincent van Gogh wid-mete, sagte ihr Rainer Werner: Diesmal ma-chen wir etwas ganz anderes. Den nchsten Film machen wir wirklich zusammen, du wirst nicht nur Darstellerin sein. Lies zur Vorbereitung das Buch Der Mann im Jasmin von Unica Zrn. So entdeckte Hanna Schygulla die 1916 in Berlin geborene Lyrikerin und Malerin, eine Frau, die ihre Trume aufschrieb und seltsame Geschpfe und Gesichter zeichnete. 1953 lernte sie Hans Bellmer kennen und zog zu ihm nach Paris. Die an Schizophrenie erkrankte Knstlerin wurde immer wieder in psychiatrischen Kliniken be-handelt. 1970 nahm sie sich das Leben. Fr Fassbinder war der Mann im Jasmin so interes-sant, weil es sich dabei um einen Text handelte, den Unica Zrn in einem schizophrenen Schub aufgeschrieben hat. Bei diesem Schub hat sie ge-sprt, dass sie schwanger wird, und zwar nicht mit einem Kind, sondern mit dem wiederverei-nigten Berlin. Das war auch deshalb auerge-whnlich, weil sie es so lange vor dem Mauerfall schrieb. Das war also die Metapher, um die es in diesem Film ging.

    B e f re i t v o n f re m d e n B l i c ke n

    Doch aus dem Filmprojekt Der Mann im Jas-min wurde nichts, denn am 31. Mai 1978 beging der Schauspieler Armin Meier, Fassbinders Ge-liebter, Selbstmord, und der Regisseur musste den Film In einem Jahr mit 13 Monden machen, um diese Katastrophe zu verarbeiten. Als Hanna Schygulla, die damals in der Knstlerkolonie im Alten Pfarrhof in Peterskirchen bei Mnchen lebte, davon erfuhr, fiel sie in ein schwarzes Loch. Das merkten ihre Nachbarn und empfah-len ihr, eine Videokamera zu kaufen. Die lste bei ihr einen enormen Kreativittsschub aus, denn sie konnte jetzt zugleich Regisseurin, Dreh-buchautorin und Schauspielerin sein. Weil sie schon vorher oft ihre Trume notierte, entschied sie sich, einige davon zu drehen. So entstanden

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 TAUFRISCH & ANGESAGT | 17 a r t s t r a s s e n fe g e r

    binnen vier bis fnf Wochen wie im Fieber sie-ben Filme ber sieben Trume. Ich habe diese sieben Trume ausgewhlt, weil ich dachte, dass es Schlsselbotschaften an mich selbst sind. Ich habe sie mit offenen Augen vor meiner laufenden Kamera noch einmal erlebt, und zwar ganz allein. Ich habe mich von fremden Blicken ganz befreit; ich wollte keinen, der mir dabei zuguckt, der mich beobachtet, der mir sagt, was ich tun soll. Ich habe es nicht gemacht, um es hier zu zeigen, obwohl ich es schon im Gefhl hatte, dass das spter sicher interessant sein wird. Dann habe ich auch diese Videoarbeiten in die Kisten gepackt und bin damit 20 Jahre oder sogar noch etwas ln-ger von Wohnung zu Wohnung umgezogen. Erst als das Museum of Modern Art in New York ihr 2005 eine Retrospektive ausrichten wollte und ihr sagte, sie knne etwas Unbekanntes zeigen, lie sie das Material zu Kurzfilmen schneiden. Fertig waren die Traumprotokolle.

    N e u a n fa n g m i t s i e b z i g

    Jetzt knnen die Traumprotokolle, die um zwei neuere Arbeiten Traumtunnel und Hanna Hannah ergnzt und von der fr die AdK-Ausstellungstechnik verantwortlichen Simone Schmaus zu einer beeindruckenden Bild- und Soundinstallation angeordnet wurden, gesehen und gehrt werden. Es lohnt sich, eine Reise in das Ich und das Unterbewusstsein der Hanna Schygulla zu unternehmen. Nicht nur deshalb, weil sie uns an ihren Sehnschten, Angstfreu-den und Zweifeln teilhaben lsst. Man merkt: Morpheus war gestern, die heutige Gttin des Traumes heit Morphhanna. Abgesehen von den Traumlandschaften, von denen die meisten im Kopf der Knstlerin entstanden und eine Mi-schung aus Surreal-Realem sind, protokollieren sie auch ihr Gesicht und ihren Krper im Wandel der Zeit. Vor dem Fluss der Zeit scheint Hanna Schygulla auch im wahren Leben keine Bange zu haben. Sie hat viele Koffer in ihrer neuen Wohnung am Savignyplatz und ist schon fast eine Berlinerin. Manche denken, dass ich eine Wahnsinnige bin, denn ich will mit 70 ein neues Leben anfangen, schmunzelt sie. In Berlin gibt es diese etwas aufgeraute Art von Herzlichkeit und eine Offenheit, die mir gefllt. Nach 35 in Paris verbrachten Jahren fhlt sie sich reif fr ei-nen Ortswechsel, sie mchte nach Berlin ziehen,

    denn von hier ist es nher in den Osten, und die Polen meinen immer, ich bin eine der ihren.

    S e l b s t i ro n i s c h u n d p o e t i s c h

    Hanna Schygulla, geboren 1943 in Knigshtte (heute Chorzw) unweit von Auschwitz, Flcht-lingskind, Mnchnerin aus Oberschlesien und Wahlpariserin, ist in Berlin bereits gut angekom-men. Davon zeugen die Massen, die zu ihren Ver-anstaltungen strmen. Zuletzt am 7. Februar zur Lesung aus ihrer Autobiographie Wach auf und trume im Kulturhaus Dussmann. Den Men-schen, die seit 17 Uhr in einer langen Schlange ausharrten, um kurz vor 19 Uhr in die Kultur-Bhne eingelassen zu werden und die berhmte Diva zu sehen und zu hren, sagte sie, dass sie

    dieses Buch selbst schreiben musste, sonst htten das aus Anlass ihres 70. Geburtstag andere ge-tan. Das mit Fotos reich bestckte und knapp 200 Seiten zhlende Buch lsst uns ungeschminkte Einblicke in das Leben einer auergewhnlichen Frau gewhren, fr die Karriere und Erfolg nie ein Selbstzweck waren. Nchtern, hufig selbst-ironisch und meistens sehr poetisch beschreibt sie ihr Bedrfnis, anders zu sein, die angespannte Situation in ihrem Elternhaus und den daraus re-sultierenden Entschluss, nie heiraten zu wollen, ihren unerfllten Kinderwunsch und den Weg von Glamour zur Altenpflege ihrer Eltern, die ihr und ihnen am Ende doch noch viele un-verhoffte Glcksmomente bescherte. Wenn das eine Diva ist, dann bitte mehr davon. Hoch lebe Hanna! Sto lat dla pani Hani! Viva Diva!

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  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 201418 | TAUFRISCH & ANGESAGT Ve re i n

    Es schmerzt!Bei eisiger Klte muss die Notbernachtung von mob e.V. schlieenB E R I C H T : S a m y r & K a r l & E d g a r

    Am Samstagmorgen, den 25.01.2014, musste die Notbernachtung des Vereins mob e.V. in der Prenzlauer Allee 87 mit insgesamt 17 Pltzen ihre Tren fr immer schliessen. Die Notber-nachtung war seit 2002 dort beheimatet und hat

    in dieser Zeit ca. 5 000 Menschen ohne Bleibe ein Dach ber den Kopf geboten. Das Team der Notbernachtung machte Hilfsangebote, die im Gesprch mit den Betroffenen gem ihrer individuellen Problemlage entwickelt wurden. Hilfe zur Selbsthilfe das war unser Motto.

    Als wir an diesem Freitagabend unseren letzten Spt-dienst begannen, war unter den Mitarbeiter_innnen und Schlafgsten die bedrckende Stimmung deutlich zu spren. Einen Teil der weiblichen Gste hatten wir zuvor in andere Frauen-Notbernachtungen vermitteln knnen, mit denen wir deswegen schon Tage vorher Kontakt aufgenommen hat-ten. So war in der letzten Nacht nur noch Ute H. einziger weiblicher Gast. Ute war schon seit Tagen wegen der bevor-stehenden Schlieung sehr deprimiert, am Morgen des Aus-zugs schien sie regelrecht verzweifelt. Ich wei nicht, wo ich jetzt hin soll, bei dieser Klte. Zum Schutz zog sie sich drei Hosen bereinander an. Auch ihren Oberkrper verhllte sie mit mehreren Lagen Hemden und Pullovern. Ute erklrte uns dabei, das sei das Zwiebelprinzip fr Bekleidung bei der Klte. Unsere mnnlichen Gste konnten wir leider nicht in andere Einrichtungen vermitteln, da die Situation im Hilfe-system Berlins gerade fr Mnner ohnehin sehr angespannt ist. Dadurch mussten dann einige Menschen bei Eisesklte drauen bernachten. Krzysztof berichtete uns spter: Wir haben in einem nicht beheizbaren Bauwagen geschlafen.

    D i e S c h l a f p l t z e v o n m o b e .V. fe h l e n !

    17 Schlafpltze, die nicht nur Schutz vor der Klte in der Nacht boten, sondern auch einen Ruhepunkt im harten Leben

    auf der Strae darstellten, fehlen nun! Am Sonntag nach der Schlieung mussten wir mit der Rumung unseres Quartiers beginnen. Dabei halfen nicht nur viele ehrenamtliche Mitar-beiter_innen der Notbernachtung. Auch ehemalige Gste untersttzten uns tatkrftig. Krzysztof T. und Sebastian P. schleppten Umzugskartons und blaue Scke ohne Ende die Treppe herunter, whrend Johann G. mit einem unserer Mit-arbeiter die Betten auseinanderschraubte. Sebastian ist seit vielen Jahren in Deutschland und mchte wie Krzysztof hier arbeiten und sich eine sichere Existenz aufbauen. Ist doch normal, dass wir mit anpacken. Ihr habt uns geholfen, jetzt hel-fen wir Euch. Drei Tage lang haben sie krftig mit angepackt. Hier zeigte sich klar die Verbundenheit unserer Gste mit der Einrichtung und den Mitarbeiter_innen. brigens: Einige Mit-arbeiter_innen waren selbst Gste der Notbernachtung.

    Tr a u e r, S c h m e r z , Zo r n u n d E m p r u n g !

    So haben alle Mitarbeiter_innen und vor allem unsere Gste diese erzwungene Schlieung der Notbernachtung mit Trauer und Schmerz erlebt. Aber auch mit Zorn und Emp-rung angesichts der Unttigkeit der politisch Verantwortli-chen in der Stadt und im Bezirk. Es scheint sich niemand fr die Situation von obdachlosen und wohnungslosen Menschen zu interessieren. Die Not und die Probleme, die Obdachlosig-keit hervorbringt, werden schlicht nicht zur Kenntnis genom-men. Es gibt zwar immer wieder Beteuerungen des Verstnd-nisses und des Helfen-Wollens. Aber es wird nicht gehandelt. Dies lsst uns vermuten, dass eine nderung der Situation nicht gewollt wird. Fr viele Gste der Notbernachtung war die N zeitweilige Heimstatt. Nun sind die Betten abgebaut, die Rume wurden besenrein bergeben. Zurck bleibt ein weiterer seelenloser Ort, der fr viele Obdachlose eine Zu-flucht war. Die Notbernachtung war eine Insel im seelenlo-sen Meer. Dieser Ort war Zuflucht, ein Ort des Helfens und damit ein Ort der Hoffnung. Eine Chance, den rmsten der Armen zu helfen, wurde vertan. Der Prenzlauer Berg ist br-gerlich geworden. Die brgerliche Gesellschaft verwahrlost zunehmend sozial. Die Politiker haben Schwierigkeiten zu er-kennen, dass es den politischen Armutsbekmpfern bei ihren Bemhungen wirklich ernst ist.

    W i r m a c h e n w e i t e r !

    Das Team der Notbernachtung wird trotz der eigenen Obdachlosigkeit weiterarbeiten und sich an Aktionen be-teiligen, die direkt auf die Situation obdachloser Menschen zielen. So werden sich Mitarbeiter an aufsuchender Arbeit teilnehmen und z. B. Essen und warme Kleidung direkt an Betroffene verteilen. Darber hinaus wird es im neuen Objekt des Vereins mob e.V. in der Storkower Strae 139d wieder die Sozialberatung durch Mitarbeiter der N, aber auch die Beratung von obdachlosen Menschen aus Osteuropa durch die Frostschutzengel geben. Wir werden auch weiterhin mterbegleitung anbieten, aber auch Hilfe in Behrdenange-legenheiten. Dazu wird in der Storkower Strae 139d noch ein Aushang zu den Sprechzeiten gemacht.

    Kleine Atempause (Foto: Andreas Wilke)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 TAUFRISCH & ANGESAGT | 19 Ve r k u fe r

    Ein neuer Freund und HeldMeine Verkaufserfahrungen mit dem Comic SuperpennerB E R I C H T : C a D a ( V e r k u f e r d e s s t r a s s e n f e g e r )

    Der Januar ist immer der Monat im Jahr, wo sich die soziale Straenzeitung strassenfeger oft nur sehr schwer ab-setzen lsst. Das liegt daran, dass alle ihre Jahresrechnungen bezahlen mssen, dass Weihnachten gerade vorbei und der Winter-schlussverkauf gerade in vollem Gange ist. Da ist es um das liebe Geld bei vielen Menschen eher schlecht bestellt. In den vergangenen drei Jahren habe ich schon fter mal berlegt, was man im Januar im Verkauf anders machen knnte, um die potenziellen Kufer_innen denn doch zum Erstehen eines strassenfeger zu bewegen.

    Doch bevor mir wirklich etwas Tolles eingefallen war, besuchten uns Ende des vergangenen Jahres ein paar Mitarbeiter der Werbeagentur Scholz & Friends im Kaffee Bankrott. Im Gepck hatten sie einen Comic, den sie in mehr als zwei-jhriger Arbeit erstellt hatten. Allerdings war das noch nicht das endgltige Magazin, sondern eine auf A3-Format gedruckte Ausgabe. Sie baten uns Verkufer um unsere Meinung zu diesem Comic. Einige Verkufer waren zuerst der Ansicht, es handele sich nur um eine Meinungsumfrage zu diesen Bildern. Doch als sie dann erfuhren, dass es sich um einen Comic handelt, den wir zur regulren Ausgabe unseres Magazins mit verkaufen sollten, sthnten sie. Das klang nach Mehrbelastung. Was meistens der Fall ist, wenn meine Kollegen mal etwas mehr Lesestoff ver-kaufen sollen bzw. knnen. Am Anfang erkannte also niemand den groen Mehrwert des Comics. Na ja, ich gebe ehrlich zu, auf manchen Verkaufs-pltzen, macht sich das Verkaufen von zwei Hef-ten gleichzeitig durchaus schwerer.

    Als der Comic dann fertig gedruckt war, wurde er in einer Werbeaktion vorgestellt, zu der die schreibende Presse, das Radio und das Fernse-hen eingeladen waren. Bei dieser Werbeaktion haben zwei Verkufer einer war ich (!), der an-dere mein Kollege Thomas, vorher einem ARD-Fernsehteam gezeigt, wie wir den strassenfeger verkaufen, diesmal natrlich mit dem Comic. Der Umgang mit Presse und anderen Medien ist mir nicht neu, man kennt mich auch als Kptn Kotti (Chefstratege des verruchten Lifestyle-Modelabels Muschi Kreuzberg!), darum hatte ich mich auch schnell bereit erklrt, daran teilzu-nehmen. Nachdem wir die Auenaufnahmen fr das Fernsehen erledigt hatten, begann, wie ich es mal nennen mchte, der gemtliche Teil.

    In den nchsten drei Stunden haben wir beide etwa zwei- bis dreihundert Ausgaben der Aus-gabe des strassenfeger mit dem dazu gehrigen Comic Superpenner verkauft. Schon dort zeigte sich, dass viele Kunden gleich mehrere

    Ausgaben auf einmal kauften. Das lag ganz sicher nur an dem Comic, der ja nur mit einer Ausgabe der Zeitung zusammen abgegeben wurde. Schon bei dieser Veranstaltung ahnte ich, dass es einen reienden Absatz geben wrde. Ich persnlich habe in den ersten drei Tagen des Verkaufs dieser Ausgabe doppelt so viele Zeitungen abgesetzt als an meinen besten Verkaufstagen! Fr mich persnlich hat sich dieses Experi-ment der Redaktionsleitung des strassenfeger und der Agen-tur Scholz & Friends mehr als gelohnt. Was fr mich eigent-lich noch wichtiger war: Es hat dieses Mal sogar richtig Spa gemacht! Zum allerersten Mal in fnfzehn Jahren, seitdem ich diese soziale Straenzeitung verkaufe, musste nicht ich den potenziellen Kunden hinterherrennen, sondern sind mir die Kunden hinterher gerannt. Fr mich war das eine ganz neue Erfahrung und zwar eine uerst angenehme.

    Bei vielen Verkaufsgesprchen wurde ich von den Kunden gefragt, ob es eine Fortsetzung gibt. Ich konnte nur sagen, es wre schn und denkbar, aber mehr sei mir noch nicht be-kannt. Von einigen jngeren Kufern, die sonst eher selten sind, wurden mir auch schon Ideen vorgeschlagen, welche Themen im nchsten Comic bearbeitet werden knnten.

    brigens: Ich knnte auch jetzt noch Exemplare dieser Aus-gabe des strassenfeger verkaufen, wenn noch Comics vorhan-den wren. Schade, dass es so schnell nicht noch einen Super-penner geben wird! Aber ich habe gehrt, dass das nchste Heft vom Superpenner fr Januar 2015 in Planung ist.

    Carsten freut sich ber den Comic Superpenner (Foto: Andreas Dllick VG Bild-Kunst)

  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 201420 | TAUFRISCH & ANGESAGT k a f fe e | b a n k ro t t

    01 Rainer Schallert

    02 Christian Haase

    03 The Wake Woods

    04 Nadja in Noodt

    Gitarre fr den guten Zweck!strassenfeger radio versteigert ein auergewhnliches InstrumentB E R I C H T : G u i d o F a h r e n d h o l z | F O T O S : S i m o n e B i r k e l b a c h

    Zu meiner Schande muss ich gestehen: Ich kannte Rainer Schallert bis zu unserer ersten Begegnung anlsslich des 70. Geburtstags von Jimi Hen-drix nicht. Dabei ist der Mann Musiker, genau genommen einer der prgenden Bassisten der Berliner Beat-Szene in den 1960er Jahren mit seiner Band The Allies und seit vielen Jahren Endorser verschiedener Gitarren- und Bassher-steller. Er spielte in allen groen Konzertslen und hallen der damaligen Zeit in unserer Stadt. Er kannte die Musiker um Steve Winwood der Band Traffic persnlich, musizierte mit Jimi Hendrix und war einer der letzten Musiker, die im Rahmen der Berlin Beat Allstars noch mit dem im letzten Jahr verstorbenen Werner Krabbe gemeinsam auf der Bhne standen. In-zwischen sind wir richtig gute Freunde gewor-den und Rainer hat seit dem keine Live-Auf-zeichnung mehr von strassenfeger unplugged und kaffee bankrott verpasst.

    Rainer ist es auch, der vor einigen Wochen mit einer ungewhnlichen, aber wunderbaren Idee auf mich zukam. Lass eine Gitarre von Deinen Gsten signieren und versteigere diese am Jahresende meistbietend zu Gunsten des strassenfeger! Ich dachte erst einmal, ich hre nicht richtig und fragte ihn auch prompt, wie er sich das vorstellt. Aber Rainer ist ein Mann der Tat und nahm die Umsetzung seiner Idee in die eigenen Hnde. Ein paar Tage, Telefonate und E-Mails spter, mitten in der Aufbauphase zu einer neuen Aufzeichnung von kaffee bankrott, stand ein grinsender Rainer Schallert mit einem riesen Paket vor mir. Na nun mach schon auf! Fr einen Moment stockten die Aufbauarbeiten. Die gesamte Crew versammelte sich um das Pa-ket. Ich ffnete es und zum Vorschein kam eine nagelneue helle Westerngitarre inklusive Gurt und gepolsterten Gitarren-Bag. Gesponsert von der Firma Hfner mit den besten Wnschen zu einem mglichst hohen Auktionserls, war

    noch ein knackiger Kommentar von Rainer, be-vor er sich die Gitarre auf den Scho nahm und das gute Stck fr seinen ersten ffentlichen Auftritt stimmte.

    A m J a h re s e n d e w i rd e i n e G i t a r re v o l l e r A u t o g r a m m e v e r s t e i g e r t

    Inzwischen haben die Knstler der disjhrigen Aufzeichnungen unseres TV-Formats kaffee ban-krott Nadja in Noodt, Haase & Band sowie der The Wake Woods die ersten Signaturen da-rauf hinterlassen. In den kommenden Tagen wer-den noch die Autogramme von Torsten Goods, Jocelyn B. Smith, Volker Schlott, Jimmy Gee und Tino Eisbrenner die Gitarre vervollstndigen. Und alle zuknftigen Acts von kaffee bankrott in diesem Jahr werden sich ebenfalls darauf ver-ewigen. Somit wird dieses an sich schon schne Instrument ein unverwechselbares Unikat.

    Wie es mit dem Instrument weiter geht, wann die Versteigerung beginnt, aber auch weitere Aufzeichnungs- und Ausstrahlungstermine der Sendung kaffee bankrott findet Ihr unter: www.facebook.com/kaffeebankrott, in den kommenden Ausgaben des strassenfeger und im regelmigen Newsletter, wenn sie diesen unter der E-Mailad-resse [email protected] bei mir anfordern.

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  • strassenfeger | Nr. 4 | Februar - Mrz 2014 TAUFRISCH & ANGESAGT | 21 S p o r t

    Die Jagd geht weiter!Handballer der Fchse Berlin wieder in der ErfolgsspurB E R I C H T : A n d r e a s D l l i c k

    Diese Fchse haben ordentlich Biss! Vier Spiele vier Siege, so lautet die Bilanz der Fchse Ber-lin seit dem Start in die Rckrunde der DKB-Handball-Bundesliga und in die Gruppenphase des EHF-Pokals. Der Lohn: Derzeit steht Berlin

    noch vor Flensburg auf Platz 4 der Liga und ist in Schlagdis-tanz zu den Rhein-Neckar Lwen und dem HSV! Englische Wochen sind derzeit angesagt bei den Fchsen. Erst gelang auswrts gegen Frisch Auf! Gppingen ein uerst knapper, dafr umso wichtigerer Auswrtssieg (26:24). Auch internati-onal lieen die Hauptstdter nichts anbrennen: Gegen die star-ken Franzosen von Chambry Savoie Handball gelang mit 30:27 (14:13) ein schwer erkmpfter Heimsieg im ersten Spiel der Gruppenphase. Obwohl Chambry gerade in der zwei-ten Hlfte immer wieder durch schnelle Gegentore verkrzen konnte insbesondere der frisch gebackene Europameister Alix Kevynn Nyokas machte den Berlinern das Leben schwer hielten die Berliner dem Druck letztlich souvern stand. Dem erst 20-jhrigen Jaron Siewert gelang bei seinem Debut im EHF-Cup der Schlusstreffer. Manager Bob Hanning freute sich dabei ber ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk: Fchse-Trainer Dagur Sigurdsson hatte kurz vor Schluss mit Fabian Wiede, Paul Drux, Jonas Thmmler und Jaron Siewert vier Berliner Jugendspieler im Rckraum auf der Platte. Dazu kam noch Colja Lffler. Diese Aufstellung begeisterte Bob Han-ning sehr und machte ihn auch richtig stolz.

    H e i u m k m p f t e s O s t - D e r b y

    Danach konnten die Berliner Handballer im heimischen Fuchsbau auch gegen den SC Magdeburg punkten. Vor 8 447 Zuschauern siegten sie mit 27:24, nachdem sie gleich zu Beginn mit 5:0 in Fhrung gingen und zur Halbzeit schon mit sechs Toren vorn lagen. Garant des Erfolges im Ost-Derby war wieder einmal Torwart Silvio Heinevetter. Ihm gelangen berragende 20 (!) Paraden gegen die Magdebur-ger. Geradezu rekordverdchtig: Heine hielt innerhalb von einer Minute zwei Siebenmeter, insgesamt parierte er vier! In der zweiten Hlfte kamen die Magdeburger besser ins Spiel, agierten entschlossen und zupackend in der Ab-wehr. Eine Unterzahl der Berliner nutzten die Gste, um auf 15:18 zu verkrzen. Das Spiel drohte zu kippen, doch dank einer couragierten Leistung des Berliner Ausnahmetalents Paul Drux er machte drei Treffer innerhalb weniger Mi-nuten hielten die Fchse die Brdestdter auf Abstand. In den letzten fnf Minuten wurde es noch mal eng: Magde-burg spielte eine offensive Abwehr und konnte eine Minute vor Schluss auf 23:25 verkrzen. Kapitn Iker Romero be-siegelte schlielich mit einem Tor den Sieg. Trainer Dagur Sigurdsson nach dem Sieg: Ich bin sehr zufrieden, unsere erste Halbzeit war Weltklasse!

    We i t e r u n g e s c h l a g e n i m E u ro p a p o k a l

    Im zweiten Gruppenspiel des EHF-Cups siegten die Fchse dann mit 33:27 (18:11) beim slowakischen Vize-meister HC S