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GWA Jahrbuch Healthcare

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Fachbeitrag von Michael Schulz zum Community Building

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Diana, 37, leidetunter Beziehungs-problemen, weil ihrFreund Holger, 41,zu viel arbeitet, des-wegen kaum nochmit ihr kuschelt undsich zusehends als

Macho aufführt. Dianas beste FreundinDoro, 34, kann das nachempfinden.Sie selbst sucht nach einem Mann, dernicht nur Sex von ihr will, sondern diewahre Liebe. Und dann sind da nochFlorian, ein 27-jähriger Praktikant ausDoros Agentur, der eine Schwäche fürreifere Frauen hat, und Jürgen, derdicke Schwager von Diana, mit Erek-tionsstörungen.

Das klingt nach dem Plot einer her-kömmlichen Daily Soap. Ist es abernicht. Mit „Rettet-die-Liebe“ hat BayerHealthCare bereits 2006 gezeigt, wiedie alltagsnahe Vermittlung erklärungs-bedürftiger Inhalte mittels neuerMedien zu beachtlicher Resonanzführen kann: „In den ersten dreiMonaten haben über 200 000 Besu-cher die Seite angeklickt. Das sind180 000 mehr als wir erwartet haben“,erläuterte Kathrin Statz, ihrerzeit Pro-jektleiterin von Bayer HealthCare, dieBesucherzahlen.

Stefan Simons, auf Agenturseite für dietechnische Produktion der „ersten

Online-Novela Deutschlands“ verant-wortlich, war völlig überrascht vomintensiven Dialog zwischen Nutzernund der Autorin Beatrice Poschen-rieder: „Rund 2000 User haben sichfreiwillig registriert und regelmäßig Bei-träge zum Inhalt verfasst.“ So schriebetwa die Benutzerin „Engelchen“:„… ich hatte schon zwei freunde miterektionsproblemen … die tipps, wieman mit einem mann über seineerektionsprobleme reden sollte, findeich gut. die hätte ich auch brauchenkönnen.“

Seltsamerweise scheint sich die Idee,Betroffene und Interessierte aktiv amDialog zu beteiligen, in der Healthcare-Kommunikation bislang kaum herum-gesprochen zu haben.

Dabei sind die technischen Voraus-setzungen heute kein Hindernis mehr:Hohe Bandbreiten, einfach zu bedie-nende Software und neue Program-miertechniken sind weithin verfügbar.Sie ermöglichen Internetusern heute,zum Beispiel mit Weblogs, Podcastsund Wikis ohne großen Aufwand undVorwissen ihre „eigenen“ Inhalte imInternet so zu veröffentlichen, dass sieauch für die Allgemeinheit zugänglichwerden.

Der Unterschied liegt vor allem darin,dass Inhalte „user generated“ sind und

H A B E N S I E A U C H P R O B L E M E I M B E T T ?

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Michael Schulz

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nicht mehr zwangsläufig von Publizis-ten oder Unternehmen vorgegebenwerden.

Die Bedeutung von Internetplattformenmit „user-generated content“ lässt sichnicht mehr leugnen. Die bekanntestenBeispiele solcher Online-Angebote sinddas etablierte Online-Lexikon Wikipediaoder YouTube mit Millionen von – oftselbstproduzierten – Videoclips.

Im Jahre 2005 investierte der bekannteMedienunternehmer Rupert Murdoch580 Millionen US-Dollar beim Kauf vonmyspace.com, einem Portal, bei demsich Online-Bekanntschaften über ge-meinsame Interessen austauschen.

Daneben existiert eine kaum zuüberblickende Vielzahl sogenannterBlogs, also Webseiten, in denen Userihre Ansichten zu den verschiedenstenThemen publizieren und öffentlichdiskutieren.

Die durch dieses Engagement vonVerbrauchern entstehenden Communi-ties (Interessengemeinschaften) beein-flussen dabei auch in immer stärkeremMaße den Informations-, Meinungs-bildungs- und Kaufentscheidungspro-zess von Kunden: „Mundpropaganda“wird publizier- und nachschlagbar – mitenormen Auswirkungen auf die Wil-lensbildung der lesenden Verbraucher

ebenso wie auf die Imagebildung rundum Marken und Produkte. Allein dasShopping-Portal Ciao wird eigenenAngaben zufolge monatlich von mehrals 38 Millionen Verbrauchern besucht,um die Berichte anderer Verbraucherzu lesen.

Für Healthcare-Anbieter entstehen ausdiesen neuen RahmenbedingungenChancen ebenso wie Herausforde-rungen. Weblogs, Podcasts, Video-blogs, Communities & Co. bieteninteressante Perspektiven: Für dasFinden und Binden von Kunden (zumBeispiel Selbsthilfe-Portale), für dasMarketing, die Schaffung von Kaufan-reizen und -gelegenheiten (zum Bei-spiel Online-Apotheken) sowie für dieMarkenführung. Denn die aktive Betei-ligung von Experten, Betroffenen undInteressierten am Austausch unterein-ander wird die klassischen Wege derWahrnehmungsgestaltung in Zukunftimmer stärker ergänzen.

Unternehmen treten in den direktenDialog mit ihren Kunden ein: ObInternet, Handy oder andere mobileEndgeräte: Healthcare-Unternehmenkönnen Betroffene und Interessiertedirekter ansprechen als je zuvor. Undihnen damit professionelle Unterstüt-zung bei der selbstbestimmten Aus-einandersetzung mit Gesundheits-themen liefern.

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Empfehlung von Kunde zu Kunde

Ein gutes Beispiel für Marketing mitHilfe der eigenen Kunden bietetAmazon: Der US-Handelskonzern stei-gert seine Verkaufszahlen, indem erseinen Kunden gestattet, den Produkt-beschreibungen eigene Leserkom-mentare hinzuzufügen. Der Kunde lädtseine persönliche Wertung zu Pro-dukten als Kommentar auf dieWebseite und macht sie anderenAmazon-Kunden zugänglich. DieseProduktbeurteilungen anderer Käufergenießen bei Kaufentscheidungenhöheres Vertrauen als werblich for-mulierte Aussagen der Verkäufer.

Location-based Services

GoogleEarth und GoogleMaps werdendurch die Mitarbeit der User, diezusätzliche Informationen in das Kar-tenmaterial eintragen, immer mehr zueinem leistungsstarken Marketingtool:Apotheken, Notfallpraxen oder beson-dere Gesundheitsangebote vor Ortkönnen ihre Kontaktdaten überGoogleEarth/GoogleMaps direkt anden Nutzer der Software weitergeben:Wer zum Beispiel bei einer Städtereiseam Wochenende von Zahnschmerzenüberrascht wird, findet schnell diePraxis mit erweiterten Öffnungszeitenoder die nächste Notfall-Apotheke mitschmerzstillender Präparaten.

Blogs

Manche Anbieter nutzen Blogs bereits,um ihr Sortiment von den Kundenbewerten zu lassen. Frosta, Anbietervon Tiefkühlware, lässt seine Mitar-beiter in einem Blog öffentlich über dieFirma und ihre Produkte diskutieren,um so „authentischer“ über die Markezu berichten und aktuelle Themen zuadressieren, wie zum Beispiel Ideen fürdie Zubereitung von Menüs mit Pro-dukten aus dem Frosta-Sortiment.

Ein gefährlicher Ansatz ist das Kaufenvon Erwähnungen in Blogs: In den USAgibt es Agenturen, die BloggernPrämien bezahlen, wenn sie bestimmteProdukte oder Firmen in ihren Kom-mentaren erwähnen. Solches ProductPlacement wird von Lesern, denpotenziellen Konsumenten, oft nichtals Werbung wahrgenommen undwirkt sich zudem positiv auf dieRankingergebnisse in Suchmaschinenaus, da diese die Verlinkung vonWebseiten untereinander mit bewertenund Blogs in der Regel besonders starkverlinkt sind.

Wer solche Manipulationsversuche un-ternimmt gefährdet die Glaubwürdig-keit der Inhalte und muss mit schwerenReputationsschäden rechnen. Ratsamist vielmehr, für Betroffene und Inter-essierte den eigenen Kompetenzbe-

Haben Sie auch Probleme im Bett?

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reich als professionelle Plattform mitpraktischem Nutzen im Alltag anzu-bieten. Echte Hilfe, die das Maß anSelbstbestimmung und Autonomie imLeben der Menschen erhöht und damitdie Voraussetzungen für eine vertrau-ensvolle Beziehung schafft.

Zu Schluss noch sieben Tipps, umBetroffene und Interessierte erfolgreicham Dialog mit Ihrer Healthcare-Kommunikation zu beteiligen:

1. Vermitteln Sie Ihre Inhalte alltagsnahund leicht verständlich!

2. Geben Sie Nutzern eine Plattform,um deren Erfahrungsaustausch unter-einander zu stimulieren!

3. Lassen Sie auch Spielraum für eigeneMeinungen und sachliche Kritik, damitSie glaubwürdig bleiben!

4. Legen Sie die Empfehlung vonKunde zu Kunde als Maßstab für IhrenKommunikationserfolg fest!

5. Geben Sie Ihren Kunden direkt undunmittelbar Feedback zu allen Fragenund Anregungen!

6. Platzieren Sie Ihre Botschaften undLinks zu eigenen Inhalten dort, woInteressierte, Betroffene und Expertensich tatsächlich austauschen!

7. Bieten Sie Menschen praktischenNutzen!

Michael Schulz

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Michael Schulz ist Partner von Neuhaus Schulz – Beratung für Marken und Kommunikation. DerDiplom-Sozialwissenschaftler war als Strategieberater bei Unternehmen der Grey-Gruppe und beiDeekeling Arndt Advisors tätig, bevor er 2007 Neuhaus Schulz mitbegründete. Weitere Stationenseiner Laufbahn waren die Agenturen Bates in Barcelona sowie Bartle Bogle Hegarty in London.