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Hält Gehirntraining jung?

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Herausgeber: Westdeutscher Rundfunk Köln; verantwortlich: Öffentlichkeits-arbeit; Text: Ilka aus der Mark, Mike Schäfer, Susanne Steffen, Ismeni Walter;Redaktion: Tilman Wolff; Copyright: wdr, Juni 2008; Gestaltung: DesignbureauKremer & Mahler, Köln

Bildnachweis: alle Bilder Freeze wdr 2007 außer S. 1 großes Bild – Rechte:Mauritius, S. 1 kleines Bild r. – Rechte: dpa

Wer rastet, der rostet! Das gilt nicht nur für den Körper, sondern auch für das Gehirn. Bis zumEnde des 20. Jahrhunderts waren Wissenschaftler davon überzeugt, dass Nervenzellen nichtnachwachsen und im Alter auch keine neuen Verbindungen zwischen den Zellen geknüpft wer-den. Heute gilt die Devise: Gebrauche dein Gehirn oder Du verlierst deine mentalenFähigkeiten – und eine ganze Industrie widmet sich der Entwicklung immer neuerDenksportaufgaben.

Das so genannte Gehirnjogging soll den Verfall der menschlichen Denkfabrik im Kopf aufhal-ten. Aber funktioniert das auch? Quarks & Co hakt nach, stellt die großen Studien zum Themavor und erklärt, was man tun sollte, um auch im hohen Alter geistig fit zu bleiben.

Außerdem zeigt Quarks & Co, wie Ausdauersport das mentale Vermögen fördert, welcheAuswirkungen Klavierspielen auf das alternde Gehirn hat, wie Senioren und Kindergarten-kinder gemeinsam die kleinen grauen Zellen trainieren und wie Unternehmen von denFähigkeiten der Senioren profitieren können. Schließlich macht Quarks & Co den Test undlässt Alt gegen Jung zum Gehirntraining antreten

4 Ab 20 geht’s bergab

8 Alt gegen jung

12 Gehirnjogging am Computer: Funktioniert das?

15 Sport hält Gehirn jung

18 Klavier lernen mit 70

21 Der Sozialfaktor

24 Der Verstand isst mit

Weitere Informationen, Lesetipps und interessante Links finden Sie auf unseren Internetseiten. Klicken Sie uns an: www.quarks.de

InhaltInhalt GehirntrainingHält Gehirntraining jung?

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Das Gehirn verändert sich im Laufe eines Lebensstärker als jedes andere Organ – und damit ändernsich auch seine Fähigkeiten. In Sachen Wahr-nehmung und bildhaftem Denken sind Kinder un-schlagbar. Die Fähigkeit zu abstraktem und logi-schem Denken hat dagegen mit etwa 20 Jahrenihren Höhepunkt. Aber irgendwann werden dieAlterungsprozesse im Gehirn immer schneller zuund machen sich vor allem durch eines bemerk-bar: Alles wird langsamer.

Ein älteres Gehirn braucht deutlich mehr Zeit fürdie Informationsverarbeitung. Deshalb haben alteMenschen Schwierigkeiten, unter Zeitdruck etwasNeues zu lernen oder Wissen abzurufen. DerGrund ist nicht, wie landläufig angenommen, dassimmer mehr Gehirnzellen absterben und nichtersetzt werden können. Vielmehr gehen im Gehirnimmer mehr Kontaktstellen zwischen Nervenzellen(die sogenannten Synapsen) verloren. Und ohneSynapsen geht gar nichts im Gehirn, denn hierwird Information von einer Zelle auf die andereübertragen. Durch die Bildung von Synapsen for-

mieren sich Zellen in den verschiedensten Hirn-regionen zu Netzwerken. Nur so können sie Infor-mationen aufnehmen, verarbeiten und als Ge-dächtnisinhalt abspeichern.

Von Geburt an herrscht im Gehirn ein reger Auf-und Abbau dieser Synapsen. In sehr aktiven Netz-werken werden sie vermehrt, auf wenig benutztenPfaden werden sie abgebaut. Dabei sind Synapsengrundsätzlich keine Gebilde für die Ewigkeit. Auchin sehr aktiven Netzwerken werden sie ständigabgebaut und durch neue ersetzt. Mit zunehmen-dem Alter verschiebt sich dabei das Gleich-gewicht: Es werden mehr Synapsen abgebaut alsaufgebaut – und dadurch wird die Gesamtzahl derSynapsen im Gehirn immer kleiner.

Ab 20 geht’s bergab

Der Verlust von Synapsen beginnt schon im jungenAlter: Bereits mit 20 Jahren verliert das Gehirn allezehn Jahre, je nach Hirnregion, bis zu zehn Prozent

dieser wichtigen Kontaktstellen im Gehirn. Schulddaran ist unter anderem die Wirkung sogenannterfreier Radikale. Diese aggressiven Sauerstoff- undStickstoffverbindungen entstehen im Zellstoff-wechsel und sammeln sich im Alter in den Nerven-zellen an. Sie greifen Eiweiße, Fette und auch dieErbsubstanz an. Das wiederum führt dazu, dasssich die Zellmembran verändert, bedeutendeSignalwege innerhalb der Zelle nicht mehr funktio-nieren und wichtige Gene nicht mehr abgelesenwerden können. Zudem wird der Transport ele-mentarer Stoffe aus dem Zentrum der Zelle zu denDendriten und Axonen verschlechtert, genau dort-hin, wo sich die Synapsen befinden. Der physiolo-gische Zustand der Nervenzellen verschlechtertsich also mit der Zeit immer mehr. Als Folge verrin-gert sich die Anzahl der Synapsen.

Dendrit

Ein Dendrit (vom griechischen dendrites: zum Baum gehörend) ist einFortsatz einer Nervenzelle. Nervenzellen haben meist einen gedrunge-nen Zellkörper, von dem aus sich die länglichen Zellfortsätze erstrecken

Dendriten sind kürzere, baumartig verzweigte Fortsätze, die Nerven-impulse von vorgeschalteten Nervenzellen empfangen und sie in Rich-tung Zellkörper weiterleiten.

Axon

Das Axon ist ein Fortsatz einer Nervenzelle. Nervenzellen haben meisteinen gedrungenen Zellkörper, von dem aus sich längliche Zellfortsätzeerstrecken. Das Axon ist in der Regel der längste Fortsatz, in Nerven-zellen des Rückenmarks kann es bis zu einem Meter lang sein. Meisthaben Nervenzellen nur ein Axon. Es leitet Nervenimpulse vomZellkörper weg in Richtung nachgeschalteter Nervenzellen.

Immer da wo’s am meisten wehtut

Besonders drastisch ist der Verfall ausgerechnet inden Hirnteilen, die für das Lernen und das Erinnernbesonders wichtig sind: im Arbeitsgedächtnis undim so genannten Hippocampus. Das Arbeitsge-dächtnis sitzt in der Hirnrinde im sogenannten prä-frontalen Kortex. Zu seinen Aufgaben gehört esunter anderem, die Aufmerksamkeit zu steuern

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Ab 20 geht’s bergab Ab 20 geht’s bergab Der langsame Verlust der geistigen Fitness

Freie Radikale sammeln sich in den Nervenzellen an ...

Mit zunehmendem Alter nimmt im Gehirn die Zahl derSynapsen immer mehr ab

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und die Konzentration aufrecht zu erhalten. DasArbeitsgedächtnis wählt aus, welche Informationeneine Chance haben, ins Gedächtnis zu gelangen undwelche nicht. Der Hippocampus ist dafür verant-wortlich, dass diese Informationen auch tatsächlichdauerhaft abgespeichert werden. Er erzeugt alsosowohl die Erinnerungen, ist aber auch an ihremAbruf beteiligt. Je geringer seine Kapazität, destoschwieriger wird es, sich etwas zu merken und sichgezielt zu erinnern. Präfrontaler Kortex und Hippo-campus sind von den molekularen Alterungs-prozessen im Gehirn am stärksten betroffen. Beson-ders hart trifft es den präfrontalen Kortex: Im Altervon etwa 20 Jahren ist er voll ausgereift; gleichzeitigsetzt hier der Verlust von Synapsen am frühestenein, nämlich schon wenige Jahre später.

Präfrontaler Kortex

Der präfrontale Kortex ist ein Teil des Stirnlappens der Großhirn-rinde. Er ist zuständig für Planung und Effizienz, für Aufmerk-samkeit und Konzentration. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass sichbeim Aufnehmen neuer Informationen alle beteiligten Sinne (Augen,Gehör, usw.) auf das Wesentliche konzentrieren und sich nicht durchStörreize ablenken lassen.

Hippocampus

Der Hippocampus liegt beidseitig in den Hirnhälften tief in der Mittedes Großhirns. Es handelt sich jeweils um ein gekrümmtes, hufeisenför-miges Areal. Der Hippocampus ist Teil des limbischen Systems undsteuert die Übertragung von Gedächtnisinhalten ins Langzeit-gedächtnis. Abgelegt werden diese Gedächtnisinhalte dann an verschie-denen Orten in der Großhirnrinde.

Nicht nur das Hirn baut ab

Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses wird mitden Jahren immer geringer. Gleichzeitig muss esaber immer mehr Aufgaben übernehmen. Dennvieles, was in der Jugend ganz automatischpassiert, erfordert im Alter eine Menge Konzen-tration. Die Sinnes- und der Bewegungsappa-rat lassen nach: Altersweitsichtigkeit, grauerStar und Schwerhörigkeit machen die Informa-tionen aus der Umwelt für das Gehirn immerunzuverlässiger, es muss sich immer mehr zu-sammenreimen. Das erfordert Aufmerksamkeit,die das Arbeitsgedächtnis zusätzlich bereitstel-len muss.

Ab 20 geht’s bergab

Mit zunehmendem Alter kommt es in den Hirngefäßen häufig zu Arterienverkalkung

... und schädigen zahlreiche Zellbestandteile, wie zum Beispiel wichtige Eiweiße

Mit schwächeren Muskeln und Gelenken werdenLaufen, Treppensteigen und anderes zum anstren-genden Willensakt, den das Arbeitsgedächtnisauch noch mitverwalten muss. Damit hat es fürseinen eigentlichen Job, das Auswählen undVerarbeiten wissenswerter Informationen immerweniger Ressourcen zur Verfügung und immermehr Informationen, die man sich als jungerMensch mühelos merken konnte, rauschen ein-fach vorbei.

Dazu kommt, dass die Arterienverkalkung (Arte-riosklerose) vor den Blutgefäßen, die das Gehirnversorgen, nicht halt macht. Im Gegenteil: Mit denJahren können dort immer mehr Ablagerungenund Verengungen zu ernsthaften Versorgungs-problemen im Gehirn führen, dann werden vorallem Sauerstoff und Glukose knapp. Das verlang-samt und verschlechtert alle Prozesse im Gehirnzusätzlich massiv und führt zur sprichwörtlichenAltersverkalkung. Das heißt aber nicht, dass manim Alter zwangsläufig zur geistigen Umnachtungverdammt ist.

Mit ein paar Tricks können Sie bis ins hohe Altergeistig fit bleiben. Auf den nächsten Seiten lesenSie mehr dazu.

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Arbeitnehmer über 50 rechnen sich auf dem heuti-gen Arbeitsmarkt keine großen Chancen mehr aus.Und viele Firmen wollen sie tatsächlich nicht mehr:Frühberentungen und eine hohe Arbeitslosigkeitin dieser Altersstufe belegen das. Jüngere Arbeit-nehmer gelten als schneller und flexibler imDenken. Das alte Gehirn hat den Ruf, nicht mehr sogut zu funktionieren. Doch die demografische Ent-wicklung geht in die entgegengesetzte Richtung:Es gibt immer mehr Ältere und immer weniger Jün-gere. Die Älteren werden in Zukunft also dringendals Arbeitskräfte gebraucht. Es ist also an der Zeit,die Vorurteile über das alte Gehirn kritisch zu hin-terfragen. Besonders die Erfahrung, die ältereArbeitnehmer im Berufsalltag einbringen, wirdhäufig unterbewertet.

Opel will’s wissen

Das Opelwerk in Bochum nimmt zurzeit an einemwissenschaftlichen Experiment teil. In Zusam-menarbeit mit den Universitäten in Dortmundund Bochum und anderen Institutionen ver-gleicht Opel die geistige Leistungsfähigkeit seiner

älteren und jüngeren Mitarbeiter. Die Teilnahmeist freiwillig. Mit einem EEG messen die Wissen-schaftler die Hirnaktivität von älteren und jünge-ren Mitarbeitern. Die Mitarbeiter müssen dabeiverschiedenene Aufgaben am Computer lösen.Dabei sind schnelle Entscheidungen gefragt: Isteine eingeblendete Zahl höher oder niedriger alsdie Zahl fünf? Ist sie gerade oder ungerade? 80Mitarbeiter nehmen an diesem Test teil.

Die ersten Ergebnisse liegen bereits vor: ÄltereProbanden haben besonders dann Schwierig-keiten, wenn sie gleichzeitig mehrere Aufgaben imGedächtnis behalten und dann selektiv auf dieseInformationen zurückgreifen müssen. Allerdingsmachen sie insgesamt etwas weniger Fehler alsdie jungen Probanden. Die Älteren sind dafür aberwiederum etwas langsamer. Die Versuche schei-nen den Abbauprozess im älteren Gehirn zu bestä-tigen – die jüngeren Mitarbeiter sind eindeutigschneller und flexibler beim Denken. Die Arbeit-geber bei Opel diskutieren nun über Weiterbil-dungsmaßnahmen, zum Beispiel in Form vonGehirntraining für die älteren Mitarbeiter. EineStudie der Firma Bosch deutet darauf hin, dass

ältere Arbeitnehmer durch solch ein Training tat-sächlich ihre kognitive Leistungsfähigkeit verbes-sern können.

Die Erkenntnisse über die Unterschiede im altenund jungen Gehirn könnten bei Arbeitgebern aberauch auf andere Konsequenzen hinauslaufen:nämlich in Zukunft vermehrt geistig fitte, schnelle-re Jüngere einzustellen, und die Älteren außen vorzu lassen.

EEG (Elektroenzephalogramm)

Das EEG (Elektroenzephalogramm) ist ein medizinisches Verfahren,das die elektrischen Aktivitäten des Gehirns misst und aufzeichnet,indem es die Spannungsschwankungen an der Oberfläche desSchädels registriert. Diese Spannungsschwankungen gehen aufAktivitäten innerhalb der einzelnen Gehirnzellen zurück: Das Gehirnverarbeitet Informationen, indem es elektrische Ströme durch die ein-zelnen Neuronen jagt. Im Verbund können die Neuronen Infor-mationen weiterleiten oder speichern. Aktivitäten in einzelnenGehirnarealen lösen ein ganzes Feuerwerk an Impulsen aus, das wie-derum charakteristische Muster im EEG hinterlässt. Diese Musterwerden entweder grafisch aufgezeichnet oder als digitale Signale aufeiner Festplatte gespeichert.

Unterschiedliche Hirnaktivität bei Jung und Alt

Ein älteres und ein jüngeres Gehirn funktionierentatsächlich unterschiedlich. Das wird deutlich,wenn man Jüngeren und Älteren dieselbe Ge-dächtnisaufgabe stellt und ihre Gehirnaktivitätenim Kernspintomographen beobachtet. Das ältereGehirn zeigt dabei mehr Aktivität, es bezieht mehrGehirnareale beim Lösen der Aufgabe mit ein alsdas junge Gehirn. Ob das ein Zeichen vonSchwäche oder von Stärke ist, ist allerdings unterden Wissenschaftlern umstritten. Die einenargumentieren, dass Ältere mit den für dieseAufgabe üblichen neuronalen Netzwerken auf-grund des altersbedingten Abbaus im Gehirn nichtmehr auskommen und daher auf weitere Arealezugreifen müssen. Und die anderen meinen, dassdie vermehrte Hirnaktivität darauf zurückzuführenist, dass Ältere im Laufe ihres Lebens einfachandere Strategien für diese Aufgabe entwickelthaben. Sie sehen die vermehrte Hirnaktivität alsoals Stärke und nicht als Schwäche an. Das bekräf-tigt auch dieses Experiment: Wenn man jungeProbanden bittet, ihre Lösungsstrategie bei der

Alt gegen jung

Bei Opel in Bochum wird die Leistungsfähigkeit der jüngeren und der älteren Mitarbeiter verglichen

Ältere Arbeitnehmer haben den Ruf, am Arbeitsplatz nicht mehr so gut zu funktionieren

Alt gegen jungSind junge Gehirne den älteren wirklich haushoch überlegen?

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Gedächtnisaufgabe zu ändern, zeigt sich imKernspin auch bei ihnen eine vermehrte Aktivitätim Gehirn. Sind ältere Gehirne den jüngeren inmanchen Situationen also sogar überlegen?

Senior-Studenten fordern Jüngere heraus

Die Alternsforscher vom ArbeitsphysiologischenInstitut der Universität Dortmund haben zusam-men mit Quarks & Co einen Test gemacht. AchtSenior-Studenten mussten antreten gegen achtnormale Studenten. Die Wissenschaftler habensehr unterschiedliche Tests vorbereitet. Einmalfordern sie unseren Teilnehmern gelerntes Wissenab. Das nennen die Forscher kristalline Intelligenz.Und dann wieder eine hohe geistige Flexibilität –die fluide Intelligenz. Beim ersten Test sollenunsere Kandidaten in 90 Sekunden möglichst vie-len Zahlen die passenden Symbole zuordnen. Beieinem weiteren Test sollen sie erkennen, welchesvon fünf Symbolen spiegelverkehrt abgebildet ist.Erfahrung hilft ihnen hier nicht weiter. Bei beidenTests ist schnelle Kombinationsfähigkeit gefragt –also die fluide Intelligenz. Bei den anderen beidenTests kommt es auf das Erfahrungswissen an –hier ist die kristalline Intelligenz gefordert. Jungund Alt sollen möglichst knapp und präzise die

Bedeutung einzelner Wörter erklären. Danachkommt Test vier: Fünf ähnliche Buchstabenkom-binationen stehen in einer Reihe nebeneinander,aber nur eine davon ergibt ein sinnvolles Wort.Genau das sollen die Studenten herausfinden.(Eines der einfacheren Beispiele: BLAUS, DRAUS,KLAUS, FLAUS, GLAUS.)

Das Potenzial des alten Gehirns

Das Ergebnis: Bei den Tests, in denen es auf dasErfahrungswissen (kristalline Intelligenz) an-kommt, haben die Älteren mehr richtige Antwortenals die Jungen. Es gibt also Aufgaben, bei denenÄltere besser abschneiden als Junge, weilbestimmte Hirnfunktionen im Alter nicht schlech-ter werden, sondern eher noch etwas besser – bei-spielsweise die Definition von Wörtern odersprachliche Wortkompetenz. Und auch speziellesFaktenwissen im Beruf gehört dazu. Bei den Tests,bei denen die geistige Flexibilität entscheidend ist(fluide Intelligenz), haben dagegen die Jüngerenwesentlich mehr richtige Antworten. Jung gewinntbeim Quarks-Test, aber die jungen Gehirne sindden älteren keineswegs immer überlegen. Eskommt ganz auf die Aufgabe an.

Das große Quarks & Co - Experiment:

Lassen sich die Ergebnisse der Wissenschaftlerauch in einem wirklich großen Experiment bestäti-gen? Das wollte Quarks & Co wissen und hat ge-meinsam mit den Dortmunder Forschern um Prof.Falkenstein ein Experiment entworfen, bei demalle Besucher der Webseite von Quarks & Cowww.quarks.de mitmachen konnten. Die Zahl derTeilnehmer hat uns überrascht, denn einfach warunser Test nicht. Bei allen 4 Tests haben insgesamt6.207 freiwillige Probanden teilgenommen und biszum Schluß durchgehalten. Damit haben dieZuschauer von Quarks & Co dieses Experimentzum wahrscheinlich größten Versuch in Sachenkognitive Fähigkeiten bei alt und jung gemacht.Dafür bedankt sich die Redaktion von Quarks & Cobei Ihnen.

Die Ergebnisse im Einzelnen: von den 6.207Teilnehmern waren 4.935 unter 50 Jahre und 1.272über 50 Jahre alt. Bei den Tests, bei denen es aufdie Geschwindigkeit ankam, haben – wie erwartet– die jüngeren Teilnehmer das Rennen gemacht.Für das Erkennen geometrischer Formen beispiels-weise benötigten die Jüngeren im Schnitt 593Millisekunden. Teilnehmer über 50 Jahre brauch-ten für dieselben Aufgaben etwas länger, nämlich

661 Millisekunden. Ein noch deutlicheres Ergebnisgab es beim schnellen Erkennen von Pfeilen aufdem Bildschirm: 639 Millisekunden (Jüngere) /787 Millisekunden (Ältere).

Anders bei den Tests, bei denen es auf Erfah-rungswissen ankam: da lagen ganz eindeutig dieälteren Teilnehmer vorn: sie erkannten 33 der 37Wörter richtig, die jüngeren lagen bei derselbenAufgabe schlechter. Nur 27 von den 37 Wörternhaben sie richtig erkannt. Ähnlich beim Erkennenvon Personen: 16 von 20 ausgesuchten Persönlich-keiten des öffentlichen Lebens erkannten die älte-ren Teilnehmer. die jüngeren Teilnehmer erkanntennur 11 Personen.

Das große Quarks & Co Experiment hat die Annah-men der Forscher bestätigt. Sie werden jetzt dieermittelten Daten noch weiter auswerten unddamit möglicherweise ihrem Ziel näherkommen:herauszufinden, wie sich unsere kognitiven Fähig-keiten mit dem Alter entwickeln.

Alt gegen jung

Das alte Gehirn schneidet bei manchen Aufgabentypen besser ab als das junge

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Neurobics – Aerobic fürs Gehirn: Die Idee klingtverlockend: Knifflige Denksport-Aufgaben regel-mäßig und mit steigendem Schwierigkeitsgrad amComputer üben – das stärkt die grauen Zellen, hältdas Gehirn jung, oder macht es bei Älteren garwieder jünger! Das versprechen seit einigen Jahrenimmer mehr kommerzielle Gehirntrainings-Pro-gramme. Das Konzept scheint vom Muskeltrainingim Fitness-Studio vertraut: Systematisches, zeit-lich überschaubares Üben in einer künstlichenUmgebung – und die Effekte kommen denTrainierenden rund um die Uhr im Alltag zugute:mehr Power, wo immer man sie braucht, mehrSchwung und Beweglichkeit und mehr Jugend-lichkeit. Tatsächlich sind diese Effekte beimKörper- und Kreislauftraining wissenschaftlich seitlangem belegt – auch für ältere Menschen. Aberfunktioniert Gehirntraining genauso?

Das Gehirn ist plastisch

Anders als früher angenommen ist das Gehirn vonErwachsenen nicht fest verdrahtet. Es verändertsich bis ins hohe Alter bei Lernvorgängen auchphysisch. Diese Erkenntnis setzte sich vor rund 20Jahren in den Neurowissenschaften durch. Das

Gehirn reagiert plastisch, wie die Experten sagen.Doch diese Veränderungen sind viel komplizierterund schwieriger zu erforschen als die Auswir-kungen von Muskeltraining. Mehr Masse ist beimGehirn nicht gleichbedeutend mit mehr Leistung.Und im Gehirn finden wesentlich vielschichtigereAbläufe statt, als der simple Muskeldualismusvon Kontraktion und Entspannung. Die Frage, obGehirntraining am Computer funktionieren kann,ist deshalb auch für Wissenschaftler nicht so ein-fach zu beantworten. Doch eins wissen sie inzwi-schen sicher: Obwohl das Gehirn plastisch rea-giert, kann man es nicht wie einen Muskel trai-nieren.

Von Fertigkeiten und Fähigkeiten

Dabei scheint es doch offensichtlich zu sein, dasskommerzielle Gehirntrainings-Programme Effektehaben: Schließlich zeigt nach dem Training eineStatistik an, inwieweit man sich bei den einzelnenÜbungen verbessert hat. Auch gefühlt kommenviele Nutzer nach einigem Training mit denAufgaben besser, schneller und mit wenigerFehlern klar. Ist das nicht schon der beste Beleg fürdie Wirksamkeit des Programms? Auch hier sind

sich die Fachleute einig: Nein! Denn einzelneÜbungserfolge bedeuteten keineswegs, dass dasGehirn auch insgesamt besser für den Alltaggewappnet sei. „Es ist zwar klar: Wenn man sichmit einer Übung lange beschäftigt und die trai-niert, wird man in dieser Übung besser. Wir nen-nen das den Erwerb von Fertigkeiten“, sagt UlmanLindenberger, Leiter des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. „Entscheidend istaber die Frage, ob man dabei auch die Fähigkeitendes Gehirns erweitert.“

Ein Beispiel: Wenn man lange übt, sich eine lange,zufällige Folge von Wörtern zu merken, kann manes dabei zu einer beeindruckenden Fertigkeit brin-gen. „Doch das bedeutet nicht, dass sich die Merk-fähigkeit insgesamt oder das Gedächtnis alsGanzes verbessert hat; dass man also zum Bei-spiel nun plötzlich auch besser Namen zu Gesich-tern zuordnen oder sich besser Telefonnummernmerken kann oder den Ort, wo man sein Auto ge-parkt hat“, ergänzt Florian Schmiedek, ebenfallsvom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.Diese ganze Summe von Alltagseffekten müssteaber ein Programm haben, das guten Gewissensbehaupten will, allein die Merkfähigkeit zu ver-bessern – also nur einen Teilbereich unserer vielen

mentalen Fähigkeiten! Und vor allem die Verbes-serung von Fähigkeiten, so die Hirnforscher, erle-ben wir auch im Alltag als Verbesserung.

Teure Forschungsbeweise

Derzeit ist aber den Forschern genau dieser ent-scheidende Punkt unklar: Ob und wie man mitComputerprogrammen tatsächlich die Fähigkeitendes Gehirns erweitern kann; also zum Beispieleine schnellere Wahrnehmung, generelle Ver-besserungen beim logischen Schlussfolgern oderbeim Lösen komplexer Aufgaben. Deshalb müsste,wer ein Gehirntrainings-Programm auf den Marktbringt, erst noch in einer wissenschaftlichenStudie nachweisen, dass sein Produkt tatsächlichalltagswirksam ist. Ulman Lindenberger: „SeriöseBelege sind da bislang Mangelware.“ Kein Wun-der: Solche Studien sind sehr aufwendig und teuerund stellen für die Software-Firmen ein erheb-liches Investitionsrisiko dar. Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung erforscht aktuellselbst Gehirntrainingsaufgaben in einer umfang-reichen Studie mit dem Namen Cogito: 100 ältereund 100 jüngere Probanden mussten über 100Tage ganze Batterien von Gehirn-Kniffel-Aufgaben

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Links:Gehirnjoggerin in Aktion

Mitte: Wer trainiert, sich lange Wortfolgen zu merken ...

Rechts:... merkt sich nicht automatisch auch die Lage von Gegenständen besser

Gehirnjogging ...Gehirnjogging am Computer: Funktioniert das?

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am Computer durcharbeiten. Die Forscher verspre-chen sich dabei unter anderem neue Erkenntnisse,ob und welche Aufgaben und welche Trainings-strategien am ehesten geeignet sein könnten, tat-sächlich geistige Fähigkeiten zumindest ansatz-weise zu verbessern. Ihre Ergebnisse sollen 2008veröffentlicht werden, stehen aber derzeit nochaus. (Stand: April 2008)

Und es funktioniert doch?

Einige Software-Hersteller sind hingegen schonüberzeugt, dass Gehirntraining umfassende Wir-kungen hat – und verweisen zum Beispiel auf US-Studien, die schon nach zehn TrainingsstundenAlltagseffekte gefunden haben wollen, die nochjahrelang vorhielten. In den USA macht derzeitdie Firma PositScience aus San Francisco vonsich reden, die ein 400 Dollar teures Brain FitnessProgram auf den Markt gebracht hat. Entwickelthat das Produkt der weltweit anerkannte Neuro-Wissenschaftler Professor Michael Merzenich,der unter anderem erfolgreiche Therapie-Pro-gramme für Menschen mit Hör- und Sprach-

schwächen entwickelt hat. Sein Programm grün-det dementsprechend auf der Theorie, dass beiälteren Menschen vor allem das Hörzentrum imGehirn trainiert werden muss, um kognitiveVerbesserungen zu erreichen.

Nach einer sehr aufwendigen Studie an über 500Testpersonen glaubt die Firma PositScience, dieAlltagswirksamkeit ihres Produkts bewiesen zuhaben. Bislang wurde die Studie aber noch nicht inFachzeitschriften veröffentlicht. Eine Zusammen-fassung der Ergebnisse auf einer PositScience-Internetseite überzeugte die Forscher vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nicht. Ineinem Punkt sind sie sich aber mit MichaelMerzenich einig: Gehirntrainings-Programme müs-sen sehr intensiv, anstrengend und herausfor-dernd sein, wenn sie überhaupt Wirkungen zeigensollen. Und man müsste mindestens mehrfachwöchentlich – vielleicht sogar täglich – eineStunde trainieren. Ulman Lindenberger: „Da müss-te man ganz individuelle Strategien entwickeln,um Trainierende zu motivieren und das aufwendi-ge Training erfolgreich in deren Alltag zu integrie-ren.“

Eine Joggergruppe trainiert – ihre GehirneProfessor Michael Merzenich – ein weltbekannter Neuro-Wissenschaftler aus den USA

Es klingt paradox: Während man ganz ohneKopfzerbrechen zügig durch den Park spaziert,bringt man gleichzeitig sein Gehirn auf Trab. Werdieser Tage einen Gehirnforscher um Rat bittet,wird genau diesen Tipp bekommen: Lauf mal wie-der! Das Faszinierende: Sportliches Training ver-bessert die kognitiven Leistungen wohl nicht nurdurch eine bessere Durchblutung des Gehirns.Sport verbessert tatsächlich die Fähigkeiten, alsodie Mechanik des Gehirns, wie Neurowissen-schaftler sagen.

Walken für die Wissenschaft

Um zu verstehen, wie genau Sport dem Gehirnnützt, sind die Experten derzeit weltweit aufSpurensuche. In Bremen haben 80 ältere Men-schen im Alter von 65 bis 75 Jahre ein Jahr langdreimal pro Woche für die Wissenschaft in unter-schiedlichen Kursen trainiert: Walken, Koordi-nationssport und Entspannungstraining. Forscherder Jacobs-Universität wollen im Projekt BewegtesAltern nicht nur herausfinden, ob sie die Ver-besserung der Gehirnleistung durch Sport bestäti-gen können, sondern auch, welche Sportart die

deutlichsten Effekte hat. Erste Ergebnisse (Stand:April 2008) zeigen: Ausdauerfittere und koordina-tionsstärkere Teilnehmer konnten bei Tests ihreGehirnareale effektiver nutzen. Weniger Trainiertemüssen hingegen bei gleicher Leistung zusätzlicheAreale aktivieren.

„Es gibt Hinweise darauf, dass sich im Gehirndurch sportliche Aktivität mehr Verknüpfungenzwischen einzelnen Neuronen ausbilden, die eineerhöhte Leistungsfähigkeit des Gehirns zur Folgehaben“, sagt Professor Ursula Staudinger von derJacobs-Universität, „und Tierversuche mit Mäusenzeigten, dass Laufen bei ihnen eine Neuentste-hung von Neuronen bewirkt. Beim Menschen weißman da noch eher wenig.“

Von Mäusen und Menschen

Es waren spektakuläre Versuche des amerikani-schen Gehirnforschers Fred Gage und seines deut-schen Kollegen Gerd Kempermann im Jahre 1997:Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Mäuse,die ein Laufrad in ihrem Käfig ausgiebig genutzthaben, im Vergleich zu untrainierten Artgenossen

Sport hält Gehirn jung...am ComputerSport hält Gehirn jungAusdauertraining verbessert die kognitive Leistung

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Sport hält Gehirn jungbesser lernten, sich in Labyrinthen zurechtzufin-den. Aber mehr noch: In ihren Gehirnen hattensich durch das Laufen zahlreiche neue Gehirn-zellen gebildet, auch bei den älteren Mäusen! ObSport auch beim Menschen Gehirnzellenwachs-tum bewirkt, konnte bislang allerdings noch nichteindeutig nachgewiesen werden. Sicher ist zwar,dass in einem bestimmten Areal des menschlichenGehirns, dem Hippocampus, selbst im Alter nochneue Gehirnzellen wachsen können. Doch nochwissen die Forscher nicht genau, was die neuenGehirnzellen überhaupt im erwachsenen Gehirnbewirken.

Das Gehirn bleibt länger jung

In einem Punkt sind sich Neurowissenschaftlerinzwischen allerdings einig: Sportliche Aktivitätscheint dabei zu helfen, einem frühzeitigen Abbauder Gehirnleistung im Alter entgegenzuwirken.„Ausdauertraining oder auch Koordinationssportlässt uns ein bisschen die Zeit zurückdrehen“,

kommentiert Professor Ursula Staudinger denStand der Forschung, „und lässt uns anknüpfen andie Leistungsfähigkeit, die wir früher einmal imLeben hatten. Aber das bedeutet nicht, dass ichnur durch intensivstes Training aus einem HerrnMüller den Herrn Einstein machen kann.“ NeueErgebnisse aus den USA deuten zudem darauf hin,dass Sport auch bei Kindern die kognitive Leistungzu verbessern scheint.

Sind Wachstums-Stoffe die Ursache?

Viele Forschergruppen versuchen derzeit dasRätsel zu lösen, wie Sport beim Gehirn diese Ver-besserungen bewirkt. Möglicherweise spielen hierkörpereigene Substanzen eine Rolle; etwa derNervenwachstums-Faktor BDNF (Brain DerivedNeurotrophic Factor), der beim Wachstum vonNervenzellen, aber auch bei der Neuverschaltungvon Nervenverbindungen wichtig ist. BDNF lässtsich im Blut nachweisen. Eine Forschergruppe umProfessor Heiko Strüder an der Sporthochschule

Köln konnte zeigen, dass bei körperlicher Anstren-gung die BDNF-Menge im Blut tatsächlich an-steigt. Allerdings: Ein Beleg, dass dieses zusätzli-che BDNF auch im Gehirn wirkt, ist das noch nicht.

Wie viel Sport muss sein?

Bleibt die Frage: Wie viel Sport muss sein, um dieGehirnaktivität zu fördern? Bringt mehr immermehr? Und welche Sportart wäre optimal? Für dieSportwissenschaftler sind dies spannende Fragen,die sie intensiv erforschen. Am sichersten sindsich die Experten bislang bei den Ausdauersport-arten. Professor Heiko Strüder von der KölnerSporthochschule: „Sie müssen keineswegs einenMarathon absolvieren. Es reicht völlig aus, wennman zwei- oder dreimal pro Woche einen zügigenSpaziergang absolviert. Das wirkt sich schon posi-tiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit aus.“ Fürdie fitten Älteren gilt: Eine Stunde sollte es schonsein. Und wer sich nicht ganz sicher ist, fragt ambesten seinen Hausarzt.

Links:Auf Spurensuche: Verändert Sport das Gehirn?

Mitte:Fördert Sport die Bildung von Nervenwachstums-Faktoren?

Rechts:Bei Anstrengung steigt die Menge des Nervenwachstums-Faktors BDNF im Blut

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Gehirne älterer Menschen reagieren damit genau-so, wie man es bei jungen Gehirnen erwartet. Fürdie Forscher ist das ein Hinweis darauf, dass auchein altes Gehirn offen für Neues ist.

Der Geheimtipp: Neues lernen

Es muss aber nicht unbedingt Klavier spielensein. Wer im Alter eine neue Sprache lernt, tutebenfalls viel gegen den geistigen Abbau. Eskommt vor allem darauf an, dass wir unser Gehirnmit neuen, unbekannten Informationen konfron-tieren. Denn dadurch wird unser Präfrontalkortexauf Hochtouren gebracht. Der ist besonders vomaltersbedingten Verfall des Gehirns betroffen.Indem wir ihn fordern, wirken wir seinem Abbauentgegen. Neue, unbekannte Informationenstimulieren also genau jene Hirnregion, die imAlter am stärksten vom Abbau bedroht ist. Undauch wenn es unbequem ist: Anstrengung lohntsich. Je anspruchsvoller die Aufgabe, desto stär-ker ist der Frontalkortex beteiligt.

Präfrontalkortex

Der präfrontale Kortex ist ein Teil des Stirnlappens der Großhirnrinde.Er ist zuständig für Planung und Effizienz, für Aufmerksamkeit undKonzentration. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass sich beim Aufnehmenneuer Informationen alle beteiligten Sinne (Augen, Gehör, usw.) aufdas Wesentliche konzentrieren und sich nicht durch Störreize ablen-ken lassen.

Alte Menschen sollten neue Dinge lernen, mitdenen sie sich vorher noch nie beschäftigt haben.

Das Erfolgsrezept der Musik

Dennoch hat das Musizieren anderen Tätigkeitenetwas voraus. Der besondere Effekt dabei ist, dassman das Gespielte auch hört. So hat der Spielendeeine direkte Rückmeldung über den Erfolg. Dasfördert die Motivation – und die ist Voraussetzungdafür, sich auch im hohen Alter auf komplizierteSachverhalte einzulassen. Musik löst außerdemEmotionen aus – und auch die fördern die

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Klavier lernen mit 70Kreuzworträtsel und Sudoku: Viele ältere Men-schen haben diese Gehirnknobeleien fest in ihrenAlltag integriert – in der Hoffnung, dass siedadurch ihre grauen Zellen in Schwung halten.Doch Hirnforscher geben zu bedenken, dass sol-che Rätsel häufig viel zu einfach sind. In Kreuz-worträtseln wiederholen sich immer wieder diesel-ben Fragen. Dadurch werden die Prozesse imGehirn automatisiert. Auch Tätigkeiten wie Lesenoder Karten spielen sind in den meisten Fällenautomatisiert. Das Gehirn greift dabei auf er-probte, bereits vorhandene Nervenverbindungenzurück. Ein wirkungsvolles Training für das alteGehirn ist das jedoch nicht.

Use it or loose it!

Neuropsychologen an der Universität Zürich ver-suchen, das Gehirn alter Menschen auf andereWeise in Schwung zu halten. Sie bringen 70-Jährigen Klavierspielen bei, obwohl die vorhernoch nie etwas mit Musik zu tun hatten. Ein

Instrument im hohen Alter neu zu lernen, glaubendie Züricher Forscher, ist ein effektives Gehirn-training.

Beim Musizieren sind sehr viele verschiedeneHirnareale aktiv: die motorischen Areale, dieHörareale, die Gedächtnisstrukturen und jeneHirnstrukturen, die vorausplanen. Diese regeHirnaktivität wirkt dem natürlichen Verfallsprozessentgegen, sagen die Forscher. Ihr Motto: „Use it orloose it!“ (Benutze es, oder du verlierst es).Studien belegen, dass musizierende Probandendeutlich besser gegen Altersdemenz geschütztsind als Probanden, die Lesen oder Kreuzwort-rätsel zum Hobby haben.

Die Züricher Forscher üben regelmäßig mit ihrenProbanden Klavier und messen dabei derenHirnaktivität. Bereits nach einer Woche Übenbeobachten die Forscher Veränderungen imGehirn: Die Gebiete, die für die Bewegung derHände zuständig sind, arbeiten effizienter. Diemotorischen Areale haben sich umstrukturiert. Die

Sobald Denkprozesse automatisiert ablaufen, fordern sie das Gehirn kaum noch

Wer ein neues Instrument lernt, trainiert seinGehirn auf effektive Weise

Klavier lernen mit 70Sudoku oder Musizieren: Was hilft am besten gegen den geistigen Abbau?

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Jeden Donnerstag um drei treffen sie sich inSörens Café in der Seniorenwohnanlage HausBerge in Essen: Die 25 Herrschaften zwischen 70und 94 treten hier nicht zum Kaffeeklatsch an, son-dern zum Gedächtnistraining – angeleitet vonRenate Sondermann vom Bundesverband fürGedächtnistraining. „Für die Senioren ist es ent-scheidend, dass das Training in der Gruppe statt-findet, nicht in Einzelstunden“, so die Kursleiterin.„So ist es für sie gleichzeitig ein soziales Ereignisin einem sonst vielleicht recht einsamen Alltag.“

Es hat eine Weile gedauert, bis sich die unter-schiedlichen Persönlichkeiten zusammengeraufthatten. Die meisten Teilnehmer wohnen alleine inihrer Wohnung und sind vielfältige sozialeKontakte nicht mehr gewohnt. Inzwischen aber bil-det die Gruppe eine Gemeinschaft, und so verlau-fen die gemeinsamen Stunden angeregt, abermeist ohne große Überraschungen. Das brachteRenate Sondermann auf eine Idee, wie man demTraining einen zusätzlichen Kick verpassen könn-te: Im Juni 2004 hob sie das „Gedächtnistrainingfür Alt & Jung“ aus der Taufe.

Mit allen Sinnen

Seither sind alle ein bis zwei Monate die Kindervom Kindergarten St. Maria Rosenkranz nebenaneingeladen, und die mischen die Seniorenrundekräftig auf. Denn niemand ist besser darin, uner-wartete Herausforderungen zu stellen und ihrGegenüber geistig auf Trab zu bringen, als Kinder.Wenn sie kommen, wird das Training spielerischer.Auch bei den Stunden ohne Kinder legt RenateSondermann viel Wert darauf, dass die Treffennicht ausschließlich auf Hirnjoggingaufgabenfokussiert sind, sondern dass alle Sinne angespro-chen werden – mit vielen farbigen Utensilien,Bewegungsübungen und Ähnlichem.

Wenn die Kinder dabei sind, ist das spielerischeElement noch stärker ausgeprägt. Spiele wieTischleindeckdich sind gleichzeitig haptisch undschulen das Gedächtnis: Hier bringen Kinder undSenioren wechselseitig einen feinsäuberlichgedeckten Tisch in Unordnung, die Gegenseitemuss dabei eine Augenmaske tragen und dannraten, was fehlt oder falsch ist. Beim Geräu-

Motivation. Musik hat eine so starke Wirkung aufunser Gehirn, dass selbst das Hören von Musikeinen Trainingseffekt haben kann. Allerdingskommt es dabei auf die Art des Hörens an. Je mehrHirnareale dabei aktiv sind, umso größer ist derTrainingseffekt fürs Gehirn. Wer ein Musikstückwissenschaftlich analysiert, bringt seine grauenZellen richtig auf Hochtouren. Aber selbst beimvöllig unwissenschaftlichen, sentimentalen Zuhö-ren passiert etwas im Gehirn: SentimentalesZuhören ist verbunden mit Erinnerungen undAssoziationen und aktiviert die entsprechendenHirnareale. Wer alte Schallplatten vom Speicherholt und beim Hören in der Vergangenheitschwelgt, tut also auch etwas gegen den altersbe-dingten Abbau im Gehirn. Diese Methode ist aller-dings längst nicht so effektiv wie die, etwas Neueszu lernen beispielsweise Klavier spielen.

Meist sind die betagten Teilnehmer beimGedächtnistraining in der Seniorenwohnanlage Haus Berge in Essen unter sich

Das hält alte Gehirne auf Trab: Etwas Neues lernen und sich dabei wirklich anstrengen

Klavier lernen mit 70 Der SozialfaktorDer SozialfaktorMenschliches Miteinander ist gut für die grauen Zellen

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Der Sozialfaktordes Gesprächsthema für die aktuelle Begegnungzu wählen. Gleichzeitig ist auch die Gefühlsebenestark beteiligt: Sympathie für den Gesprächs-partner und Spaß am Gespräch, oder Anspan-nung, oder Abneigung. „Genau diese Gefühle sor-gen dafür, dass man sich den Gesprächsinhaltbesser merken kann. Informationen werden vielbesser aufgenommen, wenn sie mit Emotionenverknüpft werden. Deshalb bringen sozialeKontakte für die geistige Fitness mehr als alleinezu Hause Kreuzworträtsel zu lösen“, so derGerontologe Nehen. Dass ein reges Soziallebengeistigen Verfall und Vergesslichkeit im Alter auf-halten kann, hat inzwischen auch eine Studie desMax-Planck-Instituts für Bildungsforschung ge-zeigt. Auch für die Essener Senioren sind es beimGedächtnistraining miteinander und mit denKindern also vielleicht weniger das Training unddie Aufgaben, die eine Wirkung im Gehirn erzielen,als vielmehr der soziale Kontakt von Jung und Altan sich, der wirkt.

scheraten wiederum sind Konzentration, Gehörund Assoziationsvermögen gleichermaßen gefragtum Begriffe wie Treppensteigen, Zähneputzenoder Spiegelei-Braten zu erkennen.

Reibung inklusive

Die gemeinsamen Nachmittage gehen jedoch überreines Gedächtnistraining weit hinaus. Denn stär-ker als durch die Aufgaben sind die Seniorendurch den sozialen Kontakt mit den Kindern gefor-dert. Schon der Lärmpegel verlangt eine MengeToleranz. „Die ersten Male hatten die Senioren dasstarke Bedürfnis, die Kinder ein Stück weit zuerziehen. Die Kinder fanden das natürlich nicht sotoll“, berichtet Renate Sondermann. Inzwischenwollen die Senioren die Kinder nicht mehr zurecht-biegen. Aber sie müssen im Umgang mit denKindern geistig eine Menge leisten. Bei vielenÜbungen, wie zum Beispiel beim Geräuscheraten,sind ihnen ihre jungen Mitspieler weit überlegen.Das spornt die Senioren einerseits an und weckt

ihren Ehrgeiz. Andererseits müssen sie als guteVerlierer – und sie verlieren recht oft – reflektierenund großzügig sein. Die Kinder ihrerseits begrei-fen an diesen Nachmittagen hautnah, was esheißt, nicht mehr so gut laufen, sehen oder hörenzu können und lernen, Rücksicht auf die Älteren zunehmen. Gerade diese vielfältigen sozialenInteraktionen regen das Gehirn auf einzigartigeWeise an.

Multitasking auf der Parkbank

Das bestätigt auch Prof. Hans Georg Nehen, Chefder Memory-Clinic in Essen, die das Gedächt-nistraining wissenschaftlich begleitet: „Bereits beieiner simplen Unterhaltung auf der Parkbank pas-siert auf der kognitiven Ebene eine ganze Menge.“Das Gehirn muss feststellen, ob man seinenGesprächspartner kennt, wie er heißt, in welcherSprache man kommuniziert. Es wird abrufen,wann und wo man ihn das letzte Mal gesehen hatund in welchem Kontext. Auch gilt es, ein passen-

Kreatives Tischdecken beim Tischleindeckdich-Spiel

Beim gemeinsamen Gedächtnistraining steht der Kontakt zwischen Senioren und Kindern imVordergrund

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waches Gehirn sind deshalb komplexe Kohlenhy-drate, die den Blutzuckerspiegel nur langsamsteigen lassen und somit länger sättigen.

Kohlenhydrate

Im Allgemeinen wird unter Kohlenhydraten Zucker verstanden.Zusammen mit Fetten und Eiweißen liefern die Kohlenhydrate dengrößten verwertbaren (Stärke) und nicht-verwertbaren (Ballaststoffe)Anteil der Nahrung. Gute Lieferanten: Vollkornbrot, Hafer, Gerste, Dinkel, Weizen, Roggen,ungesüßtes Müsli, Naturreis, Gemüse, Obst.Schlechte Lieferanten: Zucker, Süßigkeiten, stark gesüßte Lebensmittelund Getränke.

Den Informationsfluss schmieren

Unser Oberstübchen benötigt, um fit zu bleiben,auch die richtigen Fette, die so genannten mehr-fach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3-Fett-säuren) u.a. bestehend aus Eicosapentaensäure(EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Die ungesät-

tigten Fettsäuren spielen bereits bei der embryona-len und frühkindlichen Entwicklung des Gehirnseine zentrale Rolle. So zeigte eine Studie derUniversitäten Detroit und Michigan, dass Kinder,deren Mütter bereits 2 Monate vor ihrer Geburtzusätzlich Omega-3 zu sich nahmen und späterstillten, sich in den ersten 11 Lebensmonaten geis-tig und motorisch besser entwickelten als Kinder,deren Mütter kein zusätzliches Omega 3 nahmen.

Omega-3

Omega-3 ist der Sammelbegriff für vier ungesättigte Fettsäuren: ALA,EPA, DHA und DPA. Omega-3 (auch n-3) Fettsäuren sind lebensnot-wendig. Von ungesättigten Fettsäuren spricht man, wenn mindestenszwei benachbarte Kohlenstoffatome durch Doppelbindungen verknüpftsind. Bei mehreren dieser Doppelbindungen spricht man von mehrfachungesättigten Fettsäuren.

Besonders enthalten in: Lachs, Makrele, Hering, Tunfisch, Rapsöl,Walnüsse, Spinat, Linsen, Portulak, Maiskeimöl, Erdnussöl, Distelöl,Traubenkernöl, Sojaöl.

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Lachs, Hering und Makrele sind reich an Omega-3-Fettsäuren

Der Verstand isst mit„Essen hält Leib und Seele zusammen“, sagt derVolksmund. Hält es aber auch unser Gehirn inSchuss? Hilft so genanntes Brainfood unseremGedächtnis auf die Sprünge oder steigert es dieKonzentrationsfähigkeit wie zahlreiche Publi-kationen behaupten?

Wie es aussieht, halten wir unser Gehirn wenigerdurch die Superpille als über eine ausgewogeneund mäßige Ernährung fit. Ernährungswissen-schaftler und Neurobiologen empfehlen dazu aus-reichend Obst und Gemüse, regelmäßig Fisch,genügsam Fleisch, wenig schlechte Fette und aus-reichend Flüssigkeit, am besten Wasser oderKräuter- und Früchtetees.

Das Gehirn belüften

Wer konzentriert Arbeiten oder lernen will, mussregelmäßig essen. Unser Gehirn ist gefräßig.Obwohl es nur 2% unserer Körpermasse aus-macht, verbraucht es fast 20% der aufgenommen

Nahrungsenergie und fast 40% des Sauerstoffs.Fehlt Sauerstoff sterben bereits nach 2-3 Minutendie empfindlichen Gehirnzellen ab.

Kraft tanken

Wir tanken Kraftstoff über kohlenhydratreicheNahrung. Davon benötigt das Gehirn täglich etwa120g. Auch hier gilt: möglichst ausgewogen zufüh-ren. Denn unserer Schaltzentrale reagiert empfind-lich auf rasche Schwankungen wie sie entstehen,wenn wir zuviel Kuchen oder andere Süßigkeitenfuttern, anstatt Wasser süße Limos trinken oder zuviel süßes Obst essen. Diese Nahrungsmittel sindschnelle Durchlauferhitzer, die den Körper nurkurzfristig aufputschen, dabei aber all zu schnellden Blutzuckerspiegel hoch treiben, was wiede-rum die Bauchspeicheldrüse veranlasst reichlichInsulin ins Blut zu leiten. Aus der Diabetiker-forschung ist bekannt, dass hohe Blutzuckerwerteoder starke Blutzuckerschwankungen die geistigeLeistungsfähigkeit mindern. Optimal für ein

Der Verstand isst mitNährstoffe fürs Gehirn

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branen und dient beispielsweise dem Aufbau von Östrogenen. Bei aus-reichender Sonneneinstrahlung kann der Körper aus Cholesterin dieVorstufe für Vitamin D bilden. Im Blut wird Cholesterin wegen seinerschlechten Wasserlöslichkeit an Eiweiß gebunden und erst dann trans-portiert. Dieses Transport-Cholesterin heißt HDL (gutes Cholesterin)beziehungsweise LDL (schlechtes Cholesterin). Steigt die Cholesterin-menge im Blut, kann sich Fett in der Gefäßwand ablagern.

Cholesterin ist im Blut von einer Hülle aus Lipoproteinen umgeben.Diese Lipoproteinhülle sorgt u.a. dafür, dass die schlecht wasserlösli-chen Cholesterine besser im Blut transportiert werden können.Lipoproteine werden nach ihrer Dichte eingeteilt: Niedriger Dichte(Low Density Lipoproteins, kurz LDL) und die Lipoproteine hoherDichte (High Density Lipoproteins, kurz HDL).

Bei Versuchen mit Alzheimer-Mäusen bremste dieGabe von DHA/EPA die Eiweißablagerungen imGehirn aus. Nachweislich ließen sich so auch diekognitive Leistungsfähigkeit bei einigen Mäuse-stämm steigern. In Versuchen mit gesunden Tierenwurde festgestellt, dass sie deutliche Lernschwie-rigkeiten bekamen, sobald man sie nur mitschlechten Fetten ernährte. Sie scheinen entzün-dungsähnliche Erscheinungen im Gehirn zu

begünstigen. Auch wenn wissenschaftliche Belegefür die Wirksamkeit beim Menschen fehlen – überdie richtige Ernährung nachzudenken lohnt injedem Fall.

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Schlechte Nahrung für das Gehirn

Der Verstand isst mitUngesättigte Fette scheinen aber nicht nur wichtigfür die Entwicklung, sondern auch für den Erhaltdes Gehirns zu sein. Wie eine andere Studie 2004zeigte, kann die Gabe von DHA/EPA den Verlustkognitiver Fähigkeiten bei Alzheimer im Anfang-stadium verlangsamen. Mit einer Folgestudie ver-suchen die Wissenschaftler gerade ihre Ergeb-nisse zu bestätigen.

DHA = Docosahexaensäure und EPA = Eicosapentaensäure

EPA = Eicosapentaensäure und DHA = Docosahexaensäure sindOmega-3-Fettsäuren, also ungesättigte Fette. DHA ist quasi dieBausubstanz und EPA der Stoff für das reibungslose Funktionieren. AusEPA werden Gewebehormone aufgebaut, die den Stoffwechsel desGehirns steuern und es gesund erhalten. EPA und DHA helfen dieBlutfettwert zu senken. Sie sind Bestandteile der Zellmembranen undwirken modulierend auf die Funktion verschiedenster Zellen.

Der Saarbrücker Wissenschaftler Prof. TobiasHartmann und sein Team haben bei ihrerAlzheimer-Forschung zudem eine Aufsehen erre-gende Entdeckung gemacht: Gesättigte Fett-

säuren (Transfettsäuren) sind an der Bildung desschlechten LDL-Cholesterins beteiligt. Es begüns-tigt die für Alzheimer-Patienten typischen Eiweiß-ablagerungen im Gehirn. Diese Eiweiße werdenvermehrt produziert, um hohe LDL-Cholesterin-werte im Blut zu senken. Ein Kreislauf also, den wiranstoßen indem wir uns überwiegend Burger undCo einverleiben.

Gesättigte Fettsäuren (Transfettsäuren)

Sind bei einer Fettsäure alle Kohlenstoffatome mit Wasserstoffatomenabgesättigt, so spricht man von gesättigten Fettsäuren. Langkettige,gesättigte Fettsäuren haben Cholesterinspiegel erhöhende Wirkungen.Sie sind viel enthalten in: Kokosfett, Schmalz, fettreiche Wurstwaren,fettreicher Milch-/Milchprodukten, panierten u. frittierten Speisen,Innereien, Meeresfrüchten, Burgern, Pommes und in vielen industriellhergestellten Backwaren.

LDL-Cholesterin

Cholesterin gehört zu der Gruppe der Nahrungsfette. Es wird sowohlmit der Nahrung aufgenommen (tierische Fette), als auch im Körpergebildet (Leber). Cholesterin ist ein wichtiger Bestandteil der Zellmem-