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51 | 5. Juni 2014 Special Standort Ostschweiz Premiere für die ProOst Die neue Veranstaltung öffnet 300 Hochschulabsolventen die Türen zu 30 Arbeitgebern. Seite 54 Ein überregionaler Wirtschaftsdoyen Treffen mit Erich Walser, Verwaltungsratspräsident der Helvetia-Gruppe in St. Gallen und von Huber +Suhner in Herisau AR. SEITE 53 Ein Plädoyer für den Standort St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter erklärt, warum in der Region die Wirtschaft floriert. SEITE 55 Chefs verraten ihre Hidden Champions Köpfe hinter bekannten Ostschweizer Firmen wie Bühler, Goba, Metrohm, Model oder Wicor sagen, welche KMU imponieren. AB SEITE 56 14 Ostschweizer Milliardenbetriebe Landkarte mit Zahlen und Fakten zur St. Gallen Bodensee Area, zum Beispiel die grössten Arbeitgeber vor Ort. SEITEN 58/59 Von der Fabrik ins Management Wer bei der seit kurzem kotierten SFS Holding Karriere macht, hat wahrscheinlich zuerst eine Lehre absolviert. SEITE 62 VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: NORMAN C. BANDI St. Gallen Bodensee Area: Die Kantonswappen von Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St.Gallen und Thurgau stehen für den drittgrössten Wirtschaftsraum der Schweiz. NORMAN C. BANDI Der Mangel an studierten einheimischen Fachkräften akzentuiert sich im drittgröss- ten Wirtschaftsraum des Landes, der St. Gallen Bodensee Area. Unter dieser Dachmarke betreiben die vier Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell In- nerrhoden, St. Gallen und Thurgau seit zweieinhalb Jahren gemeinsam interna- tionale Standortpromotion und Ansied- lungsunterstützung, um weltweit tätige Unternehmen in die Ostschweiz zu locken oder in der Region zu halten. Im «war for talents» nehmen sich die Wirtschaftsförderer nun der (Rück)gewin- nung von Hochschulabsolventen an. Erst- mals veranstaltet die St. Gallen Bodensee Area am 15. August 2014 die ProOst, die im Congress Center Einstein in St. Gallen 300 Young Professionals mit 30 Top-Arbeitge- bern aus der Ostschweiz zusammenbrin- gen soll (siehe Seite 54). Doch was macht die Region für hiesige Hochschulabsolventen zum attraktiven Arbeits- und Lebensraum? «Auf relativ kleinem Raum finden sich in der St. Gallen Bodensee Area interessante Firmen, von Start-ups und Nischenplayern über so- genannte Hidden Champions, also relativ unbekannte KMU, die in ihrem Markt je- doch Marktführer sind, bis hin zu globalen Grosskonzernen», antwortet Beat Ulrich, Leiter Hauptabteilung Standortförderung im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Volkswirtschaftsdepartements des Kan- tons St. Gallen, stellvertretend für die 14 Delegierten der St. Gallen Bodensee Area, die gegen aussen offiziell mit einer Stim- me auftreten (siehe Seite 59). Nebst der beruflichen Vielfalt biete die Region landschaftlich viel Abwechslung und so eine Vielfalt von Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung; beispielsweise am Vor- mittag Wandern im Alpstein, Mittagessen in den Gassen von St.Gallen, am Nach- mittag Schwimmen im Bodensee. «Und das alles erreichbar mit dem Velo.» Nicht zuletzt sind laut der St. Gallen Bodensee Area die Lebenshaltungskosten signifi- kant tiefer als in anderen Regionen des Landes. Die Work-Life-Balance werde hier tatsächlich grossgeschrieben. Und was wird unternommen, damit in der Ostschweiz geborene Talente nach ihren Lehr- und Wanderjahren im In- und Ausland nach Hause zurückkehren? Beat Ulrich erklärt im Namen seiner Kollegen: «Mit einer aktiven Positionierung des Ost- schweizer Arbeitsmarktes zeigt die St. Gal- len Bodensee Area die Möglichkeiten und die Vielfalt in der Region auf. Weiter wird mit Veranstaltungen wie der ProOst auf die dynamischen Unternehmenskulturen, die hohe Lebensqualität, hervorragende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, modernes Stadtleben und ländliche Idylle in der Ostschweiz aufmerksam gemacht.» Talente zurückgewinnen Wirtschaftsförderung Die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau buhlen zusammen um weltweit tätige Unternehmen – jetzt werben sie neu um Hochschulabsolventen. FOTO-PORTFOLIO Die Bilder zeigen Patrons, die die Wirtschaft in der St. Gallen Bodensee Area mit ihren Konzernen oder KMU prägen. Im Bild unten Pierin Vincenz, Chef der Raiffeisen Schweiz. Fotos: Diverse Quellen ZVG Impressum Redaktion und Verlag, Axel Springer Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

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Page 1: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

51| 5. Juni 2014

Special Standort Ostschweiz

Premiere für die ProOstDie neueVeranstaltung öffnet300Hochschulabsolventen dieTüren zu 30Arbeitgebern. Seite 54

Ein überregionalerWirtschaftsdoyenTreffenmitErichWalser,VerwaltungsratspräsidentderHelvetia-Gruppe inSt.Gallen und vonHuber+Suhner inHerisauAR.SEITE 53

Ein Plädoyer fürden StandortSt.Galler StänderätinKarinKeller-Suttererklärt, warum in derRegion dieWirtschaftfloriert.SEITE 55

Chefs verraten ihreHidden ChampionsKöpfe hinter bekanntenOstschweizerFirmenwieBühler,Goba,Metrohm,Model oderWicor sagen,welcheKMUimponieren.AB SEITE 56

14 OstschweizerMilliardenbetriebeLandkartemit ZahlenundFakten zur St.GallenBodenseeArea, zumBeispiel die grösstenArbeitgeber vorOrt.SEITEN 58/59

Von der Fabrikins ManagementWer bei der seit kurzemkotierten SFSHoldingKarrieremacht, hatwahrscheinlich zuersteine Lehre absolviert.SEITE 62

VERANTWORTLICH FÜR DIESENSPECIAL: NORMAN C. BANDI

St.Gallen Bodensee Area: Die Kantonswappen von Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St.Gallen und Thurgau stehen für den drittgrössten Wirtschaftsraum der Schweiz.

NORMAN C. BANDI

Der Mangel an studierten einheimischenFachkräftenakzentuiert sich imdrittgröss-ten Wirtschaftsraum des Landes, derSt.Gallen Bodensee Area. Unter dieserDachmarke betreiben die vier KantoneAppenzell Ausserrhoden, Appenzell In-nerrhoden, St.Gallen und Thurgau seitzweieinhalb Jahren gemeinsam interna-tionale Standortpromotion und Ansied-lungsunterstützung, um weltweit tätigeUnternehmen indieOstschweiz zu lockenoder in der Region zu halten.

Im «war for talents» nehmen sich dieWirtschaftsförderer nun der (Rück)gewin-nung vonHochschulabsolventen an. Erst-

mals veranstaltet die St.Gallen BodenseeArea am15.August 2014dieProOst, die imCongress Center Einstein in St.Gallen 300Young Professionals mit 30 Top-Arbeitge-bern aus der Ostschweiz zusammenbrin-gen soll (siehe Seite 54).

Doch wasmacht die Region für hiesigeHochschulabsolventen zum attraktivenArbeits- und Lebensraum? «Auf relativkleinemRaum finden sich inder St.GallenBodensee Area interessante Firmen, vonStart-ups und Nischenplayern über so-genannte Hidden Champions, also relativunbekannte KMU, die in ihrem Markt je-dochMarktführer sind, bis hin zu globalenGrosskonzernen», antwortet Beat Ulrich,Leiter Hauptabteilung Standortförderung

im Amt für Wirtschaft und Arbeit desVolkswirtschaftsdepartements des Kan-tons St.Gallen, stellvertretend für die 14Delegierten der St.Gallen Bodensee Area,die gegen aussen offiziell mit einer Stim-me auftreten (siehe Seite 59).

Nebst der beruflichen Vielfalt biete dieRegion landschaftlich viel Abwechslungund so eine Vielfalt vonMöglichkeiten zurFreizeitgestaltung; beispielsweise amVor-mittag Wandern im Alpstein, Mittagessenin den Gassen von St.Gallen, am Nach-mittag Schwimmen im Bodensee. «Unddas alles erreichbar mit dem Velo.» Nichtzuletzt sind laut der St.Gallen BodenseeArea die Lebenshaltungskosten signifi-kant tiefer als in anderen Regionen des

Landes.DieWork-Life-Balancewerdehiertatsächlich grossgeschrieben.

Und was wird unternommen, damitin der Ostschweiz geborene Talente nachihren Lehr- undWanderjahren im In- undAusland nach Hause zurückkehren? BeatUlrich erklärt im Namen seiner Kollegen:«Mit einer aktiven Positionierung des Ost-schweizer Arbeitsmarktes zeigt die St.Gal-len Bodensee Area dieMöglichkeiten unddie Vielfalt in der Region auf. Weiter wirdmit Veranstaltungen wie der ProOst aufdie dynamischenUnternehmenskulturen,die hohe Lebensqualität, hervorragendeAus- und Weiterbildungsmöglichkeiten,modernes Stadtleben und ländliche Idyllein der Ostschweiz aufmerksam gemacht.»

Talente zurückgewinnenWirtschaftsförderung Die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St.Gallen und Thurgaubuhlen zusammen um weltweit tätige Unternehmen – jetzt werben sie neu um Hochschulabsolventen.

FOTO-PORTFOLIODie Bilder zeigen Patrons,die die Wirtschaft in derSt.Gallen Bodensee Areamit ihren Konzernen oderKMU prägen. Im Bild untenPierin Vincenz, Chef derRaiffeisen Schweiz.

Fotos: Diverse Quellen

ZVG

Impressum Redaktion und Verlag, Axel SpringerSchweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

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Standort Ostschweiz | 53HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

«Appenzeller lassen sichnicht insBockshorn jagen»

Erich Walser Der Verwaltungsratspräsident der Helvetia-Gruppe und von Huber+Suhner überdie Wirtschaftsleistung seiner Ostschweizer Heimat im nationalen und internationalen Kontext.

INTERVIEW: MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Sie sind ein waschechter Vorzeige-Appen-zeller und leben im kleinen Ausserrhoder,verzeihen Sie, «Kaff» Rehetobel. Trotzdemgehören Sie zu den wichtigenWirtschafts-führern der Ostschweiz.Erich Walser: Das ist kein Widerspruch,vielmehr ein Privileg. In der Heimat zuwohnenundgleichzeitig interessanteAuf-gaben in international tätigen Unterneh-menwahrzunehmen.Waswillmanmehr?In der Ostschweiz fühle ich mich wohl,hier habe ich meine Wurzeln und hierkann ich auch immer wieder Kräfte fürmeine Arbeit sammeln.

Sie haben die Helvetia jahrelang gema-nagt, zeitweise in Personalunion als Kon-zernchef und Verwaltungsratspräsident,was Ihnen Kritik eintrug, obwohl nie-mand etwas Ungereimtes entdeckenkonnte und Sie sich bei der Suche nacheinemNachfolger als CEO Zeit liessen.Ach, wissen Sie, Appenzeller lassen sichnicht so rasch ins Bockshorn jagen. Spassbeiseite: Es war uns klar, dass das keinelangfristige Lösung sein kann. Die Kritikwar wirklich sehr moderat. Das hat wohlauch damit zu tun, dass die Helvetia alserfolgreiche mittelgrosse Gesellschaft inder Ostschweiz nicht die gleiche medialeAufmerksamkeit hat, wie sie ein Gross-unternehmen in Zürich geniesst.

Hat das mehr mit dem Standort oder mitder Grösse zu tun?Die Ostschweizer Wirtschaftslandschaftist voll vonKMU, dieweltweit präsent sindund Produkte anbieten, die ihresgleichensuchen. Aber wir hängen das nicht gernean die grosse Glocke, obwohl es hier vieleUnternehmen gibt, die schon sehr langeerfolgreich sind. Die Helvetia wurde 1858von ostschweizerischen Pionieren ge-gründet. Die Raiffeisen Schweiz gehtebenfalls auf eine Ostschweizer Initiativezurück. Jedenfalls gibt es sehr viele Wirt-schaftsführer, die damals wie heute andiesen Standort glauben.

Weshalb?Ganz einfach: In dieser Region gibt es ar-beitsethische Tugenden, die schon immergeschätzt wurden und heute zunehmendan Bedeutung gewinnen.

Zum Beispiel?In unserer Wirtschaftsregion lassen sichbeispielsweise Arbeitnehmer nicht sorasch krankschreiben – und das ist kaumeine Frage des Klimas.

Das wird Ihnen jede Krankenkasse bestä-tigen. Aber gibt es noch andere Vorteile?Ja. Bei uns – ich spreche von der Helvetia– ist die Fluktuationsrate sehr klein. Dasgilt auch für viele andere Unternehmen inder Region. Daraus darf man schliessen,dass die Menschen sich in ostschweizeri-schen Betrieben gut aufgehoben fühlen.

Jetzt kannman Ihnen entgegenhalten: DieOstschweizer sind halt weniger mobil.Sie sind durchaus mobil, aber wissenVor- und Nachteile eines Arbeitsplatz-wechsels gut abzuwägen und lassen sichnicht so rasch durch kurzatmige Analysenoder Lockrufe mit unrealistischen Ver-sprechungen verunsichern.

Sie können in Ihrer Position ja sehr wohlmit der Helvetia und Huber+Suhnervergleichen. Beide Unternehmen, derenVerwaltungsratspräsident Sie sind, stehengut in der Wirtschaftslandschaft da. AuchMetrohm, wo sie dem Verwaltungsrat

angehören, zählt zu den begehrten Arbeit-gebern. Das könnte dazu beitragen, dasssich Arbeitnehmer keine Gedanken überihre Zukunft machenmüssen.Wenn die erwähnten Unternehmen sichsolche Tugenden zu Herzen nehmen undinternalisieren, geht es nicht nur unsererWirtschaftslandschaft, sondern auch derganzen Schweiz gut.

Die Botschaft ist angekommen. Haben Siedenn gar nichts zu bemängeln?Doch: Es herrscht hierzulande eine Hal-tung vor, die davon geprägt ist, dass Be-scheidenheit eine Zier sei. Das finde ichauch richtig. Aber manchmal dürften wirOstschweizer angesichts der grossen Leis-tungen auf vielen Gebieten – ich denkejetzt etwa an die technischen, textilen undkulinarischen Errungenschaften – schonetwas selbstbewusster auftreten.

Das sagt einer, der am liebsten imHinter-grund bleibt und heilfroh ist, wenn ernicht ins mediale Scheinwerferlicht gerät.Jetzt haben Sie mich auf dem linken Fusserwischt, aber nach meiner Überzeugungsollen eben nicht die Personen, sonderndie erfolgreichen Unternehmen im Fokusstehen.

Was auffällt: Wir haben viele erfolgreicheUnternehmer in der Region, aber sie enga-gieren sich kaummehr in der Politik. AuchPeter Spuhler hat ihr den Rücken gekehrt.Sie könnten sehr viel ausrichten.Es gibt viele Möglichkeiten, der «res pub-lica» etwas zurückzugeben. Für ein Unter-

nehmen einzustehen und es erfolgreichzu führen, ist eine davon. Und die An-sprüche an die Unternehmensführungsind hoch, da gilt es den Einsatz der eige-nen Kräfte abzuwägen.

Was sagen Sie zur oft geäusserten vorwurfs-vollen Feststellung, die Schweiz höreöstlich vonWinterthur auf?Das wird wohl eine rein zürcherischePerspektive sein. Wenn der Anziehungs-grad von Zürich abWinterthur nachlässt,bildet die Ostschweiz mit ihren angren-zenden europäischen Nachbarn eineneigenständigeren Wirtschaftsraum. Und

ich bin gar kein Freund des Jammerns:Die Ostschweizer Politik muss sich haltimmer wieder neu Gehör verschaffen inBern – oftmals in Konkurrenz mit ande-ren Regionen. Es gibt ja immer wiederErfolge zu verzeichnen,wiedieVerlegungdes Bundesverwaltungsgerichts nachSt.Gallen gezeigt hat. Die Wirtschaftmuss sich ohnehin beständig mit ande-ren messen. Wir tun das in der Ost-schweiz mit Erfolg.

Sie halten offenbar gar nicht so viel vonregionaler Differenzierung.Ich bin überzeugt, dass Unternehmen, dieerfolgreich sein wollen, sich genauso gutbehauptenmüssen, ob sie inHerisau oderSolothurn sitzen. Doch ich weiss natür-lich,dassdieGeografieunddieGeschichtesehr wohl Bestimmungsfaktoren für eineregionale Wirtschaft sind. Im Idealfallkönnenwir aus diesenKraft schöpfen undsie für unsere Tätigkeiten nutzen.

Dasmüssen Sie verdeutlichen.Die Ostschweiz ist in der wirtschaftlichenEntwicklung sehr stark von der Textilin-dustrie geprägtworden,was sich zugewis-senZeitenals hinderlich für andere Indus-trien erwiesen hat. Für die Helvetia alsursprüngliche Transportversicherungs-gesellschaft der Textilindustrie war diesezu Beginn natürlich ein Treiber zurInternationalisierung. Oder etwa zumThema Geografie: Die Ostschweiz hat mitSüddeutschland, Vorarlberg und Liech-tenstein wirtschaftlich extrem starkeausländische Nachbarregionen. Das istbefruchtend. Doch könnten wir in derOstschweiz nochmehr aus diesem Poten-zial schöpfen.

Warum erfolgt dies nicht?St.Gallen ist eine tolle Stadt, aber vergli-chen mit den beiden Referenzregionen,die ich im Auge habe, nämlich Basel undGenf, ist sie doch nicht der alles über-ragende, grosse wirtschaftliche Magnet,auch für die ausländischen Regionen. DieAttraktivität der Ostschweiz besteht ja ge-rade darin, dass sich hier – über die Lan-desgrenzen hinweg betrachtet – zusam-men mit St.Gallen eine Vielzahl mittel-grosser Zentren befinden, die sich gegen-seitig wirtschaftlich und kulturell positivbeeinflussen.

«Manchmal dürften wirOstschweizer angesichts dergrossen Leistungen schon

selbstbewusster auftreten.»

Erich Walser (67): Verwaltungsratspräsident, Helvetia-Gruppe, St.Gallen; Verwaltungsratspräsident, Huber+Suhner, Herisau AR; Verwaltungsratsmitglied, Metrohm, Herisau AR;Geburtsort: Heiden AR; Heimatort: Wald AR; Wohnort: Rehetobel AR; Arbeitsort: St.Gallen; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Lic. oec. HSG, lic. iur. Universität Bern.

ZVG

DIE UNTERNEHMEN

Drei Schwergewichte der Ostschweizer WirtschaftHelvetia Der Konzern mit Sitz in St.Gal-len ist in über 150 Jahren aus verschie-denen in- und ausländischen Versiche-rungsunternehmen zu einer europaweittätigen Assekuranzgesellschaft heran-gewachsen. Heute verfügt die Helvetiaüber Niederlassungen in der Schweiz,Deutschland, Österreich, Spanien, Ita-lien und Frankreich und organisiert Teileihrer Investment- und Finanzierungs-aktivitäten über Tochter- und Fondsge-sellschaften in Luxemburg und Jersey.Die Gruppe ist im Leben-, Schaden- undRückversicherungsgeschäft aktiv underbringt mit rund 5200 MitarbeitendenDienstleistungen für mehr als 2,7 Millio-nen Kunden. 2013 resultierte mit einemUmsatz von 7,5 Milliarden Franken einGewinn von 363,8 Millionen Franken.

Huber+Suhner Die beiden traditions-reichen Familienunternehmen R.+E.Huber und Suhner & Co. fusionierten1969. Die neue Huber+Suhner hat ihrenSitz seither in Herisau AR. Der weltweittätige Konzern entwickelt und produ-ziert Komponenten und Systemlösun-gen zur elektrischen sowie optischenÜbertragung von Daten und Energie.Mit Kabeln, Verbindern, Systemen undAntennen aus den TechnologiespartenHochfrequenz, Fiberoptik und Nieder-frequenz bedienen rund 3500 Mitarbei-tende Kunden in den Märkten Kommu-nikation, Transport und Industrie. 2013konnte Huber+Suhner den Umsatz um3,1 Prozent auf 719,7 Millionen Frankensteigern. Der Gewinn erhöhte sich um51,9 Prozent auf 32,5 Millionen Franken.

Metrohm Das 1943 gegründete Unter-nehmen mit Sitz in Herisau AR ist einglobal führender Hersteller von Präzi-sionsgeräten für die chemische Analy-tik. Im Bereich der elektrochemischenIonenanalytik ist Metrohm nach eigenenAngaben seit Jahren Weltmarktführer.«Doch wir bieten weit mehr als Geräte.In unseren Labors entwickeln wir mass-geschneiderte Applikationen, die unse-ren Kunden helfen, die Qualität ihrerProdukte zu sichern, Vorschriften zuerfüllen und Prozesse zu optimieren»,heisst es auf der Website. Die Gruppemit den Tochtergesellschaften ApplikonAnalytical und Metrohm Autolab be-schäftigt über 1600 Mitarbeitende in100 Kompetenzzentren. Der jährlicheUmsatz liegt bei 350 Millionen Franken.

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54 | Standort Ostschweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

ProOst Hochschulabsolventenkönnen sich am 15. August 2014über ihre Karrierechancen bei30 globalen Top-Arbeitgebernin der Ostschweiz informieren.

NORMAN C. BANDI

V ieleOstschweizerAbsolven-ten von Fachhochschulen(siehe Seite 57) und Uni-versitäten (siehe Seite 55)suchen ihren ersten Arbeit-

geber in den grossen Zentren des Landesoder im Ausland. Nach ihren Lehr- undWanderjahren werden jedoch Themenwie berufliche Rückkehr, Familie undKinder, eigenes Wohnobjekt oder Work-Life-Balance wichtiger.

Genau an diesem Übergang setzt dieneue Hochschulabsolventen-Veranstal-tung ProOst an. Sie wird von der St.GallerTogether AG organisiert – unter anderemVeranstalter der Absolventenmessen inBern und Basel oder Master-Messe in Zü-rich – und von den vier PartnerkantonenAppenzell Ausserrhoden (AR), AppenzellInnerrhoden (AI), St.Gallen (SG) undThurgau (TG) getragen. Gemeinsam tre-ten sie für die Wirtschafts- und Standort-förderung unter dem Dach St.Gallen Bo-densee Area (siehe Seite 59) auf.

Die ProOst-Premiere findet amFreitag,15. August 2014, statt. AmVormittag ist dieReihe an Unternehmensbesichtigungenbei acht Top-Arbeitgebern aus der Ost-schweiz, am Nachmittag gibt es Informa-tionsstände und Firmenpräsentationeninklusive Rahmenprogramm im CongressCenter Einstein in St.Gallen. Hier präsen-tieren sich 30 Anbieter von B wie BühlerüberHwieHelvetia oderMwieMigros bisWwieWürth. Hauptsponsor ist Metrohm,Co-Sponsoren sind Huber+Suhner, Raiff-

eisen Schweiz und SFS. Den Abend kannman im Rahmen von St.Gallerfest 2014 inder Altstadt gemeinsam ausklingen las-sen. Der Fassanstich ist um 19.00 Uhr.

Nicht nur arbeiten, sondern auch lebenDer ganztägige Anlass soll 300 Young

Professionals aller Studienrichtungeneine Übersicht über ihre Karrierechancenunddie Stellenangebotebeimultinationa-len und regionalen Unternehmen in derSt.Gallen Bodensee Area geben. Gleich-zeitig soll er die hohe Lebensqualität imdrittgrösstenWirtschaftsraumderSchweizmit einem Einzugsgebiet von rund 2 Mil-lionen Menschen aufzeigen. Kurzum: DieTeilnehmer erfahren gegen einen Unkos-tenbeitrag von 50 Franken, wo es sicharbeitenundwohnen lässt. Angesprochen

werden gemäss den Organisatoren derTogether AG Hochschulabsolventen imAlter von 30 bis 40 Jahren, die• in der Ostschweiz wohnen, aber fürdie Arbeit wegpendeln,• in einer anderen Region wohnen, aberfür die Arbeit herpendeln,•ausserhalbwohnenundarbeiten, aber inder Ostschweiz gross wurden,•ausserhalbwohnenundarbeiten, aber inder Ostschweiz studiert haben.

Durch den Tag führt der ExilthurgauerLukas Studer, TV-Moderator beimSchwei-zer Radio und Fernsehen (SRF) in Zürich.Er ist in Scherzingen TG aufgewachsenundhatdiePädagogischeMaturitätsschulein Kreuzlingen TG besucht.

www.proost.ch

SRF/OS

CARAL

ESSIO

Lukas Studer (37): Der Sportreporter und TV-Moderator beim Schweizer Radiound Fernsehen (SRF) in Zürich ist Exil-Thurgauer und führt am 15. August 2014durch die Premiere der Hochschulabsolventen-Veranstaltung ProOst in St.Gallen.

Firmen suchenNachwuchs

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«Haben hohenBedarf an gutausgebildetenFachkräften»Leica Geosystems ist eines von rund30 Unternehmen aus den KantonenAppenzell Ausserrhoden, AppenzellInnerrhoden, St.Gallen und Thurgau,das sich an der Premiere von ProOstaktiv präsentiert. Aus welchen Gründenengagieren Sie sich?André Schwarz:Wir sind einer dergrössten Arbeitgeber der Region. Alstechnisch innovatives Unternehmenhaben wir einen hohen Bedarf an gutausgebildeten Fachkräften undMitar-beitendenmit Hochschulausbildung,die sich auf dem aktuellen Stand derTechnik befinden. Die neue Veranstal-tung ProOst bietet uns dieMöglichkeit,unser Unternehmen und das attraktiveArbeitsumfeld, das wir unserenMitar-beitenden bieten, qualifizierten Hoch-schulabsolventinnen und -absolventenvorzustellen.

Leica Geosystems ist zudem eine vonacht Arbeitgeberinnen, die man am15. August 2014 «live» erleben kann.Was erwartet die Teilnehmer bei derUnternehmensbesichtigung?Sie können einen spannenden Ein-blick gewinnen, wie ein OstschweizerUnternehmen seit rund 200 Jahrendazu beiträgt, die Zukunft unsererErde zu gestalten. Wir sind stolz darauf,dass wir in unsererMarke TraditionundHightech vereinen und dassunsere Produkte und Lösungen – oftweltweit einzigartige Innovationen –dazu beitragen, dass wir einer derMarktführer im Bereich Geodaten-lösungen sind.

Welchen Stellenwert haben Hochschul-absolventinnen und -absolventen ausder Ostschweiz für Sie als global tätigerEntwickler und Produzent von Vermes-sungsinstrumenten?

Der grösste Teil unserer Produkte wirdan unserem Standort in Heerbrugg imSt.Galler Rheintal entwickelt. Hoch-schulabsolventinnen und -absolventenaus der Ostschweiz haben daher einenhohen Stellenwert für uns. Trotzdemkönnen wir unseren Bedarf an Fach-kräften nicht nur lokal decken – zusätz-lich brauchen wir auch internationalerfahreneMitarbeitendemit ganzspezifischemKnow-how.

An Ostschweizern mit einem Abschlussin welchen Studienrichtungen sind Sieweshalb interessiert?Wir suchen insbesondere Ingenieurin-nen und Ingenieure der Fachrichtun-gen Vermessung, Software, Geodäsie,Elektronik undMechanik.

Stichwort Work-Life-Balance: Warumist die Ostschweiz ein guter Ort, umnicht nur zu arbeiten, sondern auchzu leben?Hier in der Ostschweiz dürfen wirwirklich sagen, dass wir dort lebenund arbeiten, wo andere ihre Ferienverbringen. Die Region bietet enormhoheWohn- und Lebensqualität– eine wichtige Grundlage für dieWork-Life-Balance.

INTERVIEW: NORMAN C. BANDI

André SchwarzVice PresidentHumanResources,LeicaGeosystems,Heerbrugg SG

Page 5: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

Standort Ostschweiz | 55HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

ImHerzenEuropasKarin Keller-Sutter Die St.Galler Ständerätin überden bodenständigen Charakter der Ostschweizerund die Affinität zu ihren Produkten und Menschen.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Sie gilt als eine der ambesten ver-netzten Frauen in der Schweizund ihre Wortgewandtheit istbeeindruckend. Als ehemaligeKonferenzdolmetscherin gehört

die St.Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter nicht zu den Politikern, die überSprachbarrieren stolpern.

Überhaupt stolpert sie über nix. Wederüber aggressive Politiker, die ihr nur zugerne ein Bein stellen würden, noch überMenschen, die ihr den Erfolg neiden. DieehemaligeRegierungsrätin gilt als erfahre-ne und trittsichere Parlamentarierin. Alssie ins «Stöckli» gewählt wurde, warenmanche in Sorge: Sie ist in Wil SG auf-gewachsen, wo sie heute noch lebt, hatden Kontakt zu sämtlichen Bevölkerungs-schichten gepflegt – vor allem lagen ihr dieKMU am Herzen, stammt sie doch selbstaus diesemMilieu.

Die ostschweizerische SeeleAber die Befürchtungen, dass Keller-

Sutter in Bundesbern ihre heimatlichenWurzeln verliert, bewiesen sich als unbe-gründet. Selbst als der Blick in ihren Ter-minkalender immer schlimmer wurde,setzte sie alles daran, auch an Veranstal-tungen teilzunehmen, wo Ostschweizeraus allen politischen Lagern ihre Sorgendeponieren konnten.

Besonders überraschte die FDP-Stän-derätin mit einem Projekt, das sie mitihrem SP-Kollegen Paul Rechsteiner lan-cierte. Gemeinsam erkämpften sie die In-tegration der Rheintallinie zwischen Churund St.Gallen in den Fernverkehr. «DasAlpenrheintal gehört zu den zehn attrak-tivsten Wirtschaftsregionen Europas –denken wir nur an SFS, Stadler Rail oderandere exportorientierte Unternehmen.»

KarinKeller-Sutterwird nichtmüde, zuerwähnen, dass dem Rest des Landes zuwenig bewusst ist, wie sehr dieOstschweizseit der EU-Ost-Erweiterung mitten imHerzen Europas liegt und von den Vortei-lendesDreiländerecks amBodenseemas-siv profitieren konnte.Geradedeshalbwillsie für weitere Verkehrsoptimierungenkämpfen. ImVordergrund stehenachdemBahnausbau die Engpassbeseitigung aufder Autobahn A1 in St.Gallen, die sowohlfür die Ost-West-Achse als auch für diegesamte Ostschweiz von Bedeutung sei.

Also alles eitel Sonnenschein, wenn esum die Zukunft der WirtschaftslandschaftdieserRegiongeht? «Natürlichnicht», sagtKeller-Sutter. Die Ostschweiz habe zwareine vielseitige Wirtschaftsstruktur miteiner starken Industrie. Der Dienstleis-tungssektor sei jedoch noch ausbaufähig.Die starkenKMUimKantonSt.Gallenundin der Ostschweiz generell trügen dazubei, dass die Ostschweiz weniger stark aufKonjunkturschwankungen reagierte. «Wir

konnten uns auch während der Finanz-undWirtschaftskrise gut behaupten.» Pro-blematisch sei indes nachwie vor der star-ke Franken und der Fachkräftemangel.

Dafür lobt Keller-Sutter den boden-ständigen Charakter der Ostschweizer.Vielleicht sei es gerade diese Affinität zuProdukten, die man selber herstelle undderen Werdegang man noch verfolgenkönne, der diehiesigenArbeitnehmendenauszeichne. Auch die immer wieder ge-rügte Verschlossenheit der Ostschweizer,die man als Aussenstehender nicht ein-fach im Sturm erobert, lässt sie nichtgelten. Der legendäre St.Galler FDP-Stän-derat Ernst Rüesch, der nie zögerte, aufalle Seiten «Bless und Schimmel auszu-teilen» – für alle Nicht-Ostschweizer «die

Kappe zu waschen» – habe, auf diesesThema angesprochen, einmal gesagt:«Die Ostschweizer sind wie eine FlascheKetchup, man muss lange schütteln, bisetwas kommt, dann aber schüttet derSt.Galler seine Seele aus.»

Tugenden anstatt TamtamAuf ihren Auftritten muss Karin Keller-

Sutter die Leute nicht wie eine Ketchup-Flasche schütteln. Meistens fliegen ihr dieHerzen zu. Dazu mag beitragen, was einAppenzeller Bauer mal an einer Landsge-meinde sagte, denwir beimobligatenKaufdes «Landsgemeindechroms» trafen. Dasist ein Gebäck, das man der Familie nachdem grossen Ritual heimbringt. «Chogehübsch isch sie scho ond gschid escht no.»

An Komplimente ist sich die St.GallerPolitikerin gewöhnt, aber überbewertenmöchte sie das nicht. «Mir sinddie Tugen-den der Arbeitnehmenden in der Regionwichtiger. Das Klima in den Verwaltungenist lösungsorientiert. Die Unternehmenschätzen ihre Mitarbeitenden. Und wasmir besonders gefällt: Probleme werdenhier einfach pragmatisch und nicht mitgrossem Tamtam und vom hohen Rossaus angegangen.» Was bestimmt auch er-kläre, dass es nicht jeden, der hier ausge-bildetwerde,wodasBerufsbildungssystemeinen sehr hohen Stellenwert habe, gleichins goldene Dreieck ziehe.

Bei der Universität St.Gallen (HSG)sowie der Fachhochschule Ostschweiz(FHO) sieht es laut jüngsten Umfragenallerdings etwas anders aus. Wobei wir siedazu nicht befragen wollten, schliesslichist sie Vizepräsidentin der Stiftung fürInternationale Studien an der HSG.

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«Das Alpenrheintal gehörtzu den zehn attraktivstenWirtschaftsregionen.»

Karin Keller-SutterStänderätin, Kanton St.Gallen, Bern

Karin Keller-Sutter (50): Ständerätin des Kantons St.Gallen (FDP), Bern; Geburtsort:Niederuzwil SG; Heimatort: Jonschwil SG und Kirchberg SG; Wohnort: Wil SG; Arbeitsort:Diverse Schweizer Städte; Familie: Verheiratet; Ausbildung: Dolmetscherschule Zürich.

St.Galler EliteschuleHSG Die Universität St.Gallenhilft sowohl lokalen als auchexternen Studierenden, in derRegion einen Job zu finden.

NORMAN C. BANDI

Die Universität St.Gallen (HSG) wurde1898 als Handelsakademie gegründet undist heute eine universitäre Hochschule fürWirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-schaften sowie Internationale Beziehun-gen. An ihr studieren derzeit 7666 Talente:3932 auf Bachelor-Stufe, 2986 auf Master-Stufe, 725 in Doktoratsprogrammen und23 in Zertifikatsprogrammen. Danebengibt es jährlich über 5000 Teilnehmendean Weiterbildungsangeboten der HSG,zahlreiche davon aus der Ostschweiz.

Der Anteil sämtlicher 5060 SchweizerStudierenden aus den vier Kantonen derSt.Gallen Bodensee Area beträgt gemässder Universität St.Gallen zurzeit:•Appenzell Ausserrhoden 2,47 Prozent,•Appenzell Innerrhoden 0,71 Prozent,•St.Gallen 17,31 Prozent,•Thurgau 6,72 Prozent.

Augenmerk auf Ostschweizer BetriebeDer prozentuale Studierendenanteil

aus diesen vier Kantonen sei recht stabil,so Marius Hasenböhler, Leiter Kommuni-kation der Universität St.Gallen.

Die HSG und ihre Institute unterneh-men ihm zufolge einiges, damit ihre loka-

lenHochschulabsolventen in der Heimat-regiondenBerufseinstiegmachen. «UnserCareer Services Center, kurz CSC-HSG,richtet ein spezielles Augenmerk auf Ost-schweizer Firmen, nicht nur bezüglichEinstiegsstellen, sondern auch betreffendPraktika und Aushilfsjobs für Studie-rende», sagtHasenböhler.DieHSG istMit-glied bei der Wirtschaft Region St.Gallen(WISG), bei der Industrie- und Handels-kammer St.Gallen-Appenzell (IHK) undin der St.Gallen Bodensee Area (SGBA),um die universitäre Hoch-schule mit der regionalenWirtschaft zu vernetzen.

«ÜberdasCenter forEntre-preneurship fördert dieUniversität St.Gallen zudemAbsolventen, die Start-upsgründen–nichtwenigedavonin der Region St.Gallen. Mitdem gleichen Ziel engagiert sich die HSGauch im Verein Startfeld», ergänzt Hasen-böhler. Darüber hinaus habe die HSGetwa beim Projekt «IT St.Gallen rockt»mitgemacht (www.itrockt.ch)und sei übervielePraxisprojekte vonStudierendenundInstituten mit zahlreichen Unternehmenin der Region vernetzt.

Absolventen, die nach ihren externenLehr- und Wanderjahren zurückkehrenwollen, unterstützt die HSG ebenfalls.«Die Universität St.Gallen gehört selberzu den zehn grössten Arbeitgebern in derRegion und bietet zahlreiche attraktiveArbeitsplätze in Lehre, Forschung undVerwaltung. So gelangen nicht nur Ost-

schweiz-Rückkehrer nach St.Gallen, son-dern auch Arbeitnehmende aus allerWelt», sagt der Leiter Kommunikation.

Und durch die zahlreichen Weiterbil-dungsangebote an der HSG kämen vieleMenschen indieOstschweiz, nichtwenigedavon blieben. «Ebenso ist das ChapterSt.Gallen innerhalb des HSG-Alumni-Netzwerks sehr aktiv. Es bietet viele wert-volle Kontakte für Rückkehrwillige.»

Für dieHSG als die Universität der Ost-schweiz sei die regionale Verankerung

ein sehr wichtiges Anliegen.«Daher haben wir uns spon-tan bereit erklärt, ProOst zuunterstützen. Viele Studie-rende kommen aus der Re-gion und viele Absolventenbleiben auch hier und steu-ern damit zum ‹brain gain›bei.» Veranstaltungen wie

ProOst unterstützten die weitere Positio-nierung der Region als Wissensplatz mitihren zahlreichen Angeboten und Anbie-tern in der Bildungsbranche.

«Zudemprofitiert dieHSG von solchenBemühungen als Arbeitgeber und kannals führender Weiterbildungspartner denAnlass selber bereichern», ergänzt Hasen-böhler. «Im Weiteren sind solche Initiati-ven wichtig, weil die Ostschweiz vor allemein sehr starkes KMU-Netz hat und es fürRückkehrwillige nicht ganz einfach ist, zuerfahren, wo es geeignete Stellen gibt.»KMUhättennichtdiegleichenRessourcenfürs Personalmarketing wie Konzerne. Daseien Beziehungen hilfreich.

Von den 7666Studierendenstammt ein

Fünftel aus AI,AR, SG und TG.

Page 6: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

56 | Standort Ostschweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

«CEO, bin i da?»Gabriela Manser Die Besitzerinvon Goba über ihr AppenzellInnerrhoden und Ostschweizer«Eigenbrötler» mit Visionen.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Gabriela Manser, Hauptaktio-närin der Goba (Mineral-quelle Gontenbad), ist seitrund 15 Jahren Chefin einesder kleinsten und erfolg-

reichsten Mineralwasser- und Getränke-produzenten des Landes. Aus einemunscheinbaren Innerrhoder KMU hat sieein strahlendes Kleinod geschaffen undgehörtmittlerweile zu denVorzeigefrauender Schweizer Wirtschaft – mit Ideen-reichtum und grossem, ostschweizerischherbemCharme.

Strohblondes kurzes Haar, schwarz-umrandete In-Brille,witzig undenergisch,aber unbestechlich: Manser wirkt aufAnhieb irgendwie einbisschenaufmüpfig.Versteht sich von selbst, dass sie ohneMarketing- und Kommunikationsagenturauskommt. Sie ist PR in Reinkultur – ein-fach anschauen und zuhören.

Hier gibt man sich bescheidenGabrielaManser hat Frauengeschichte

geschrieben, ohne dies zu wollen. Underst noch in einem Halbkanton, in demdas Wahl- und Stimmrecht für ihre Ge-schlechtsgenossinnen zu den allerhärtes-ten Pflastern gehörte – erst am27.Novem-ber 1990 eingeführt – und die Gender-Diskussion ein Fremdwort ist. «CEO, bin ida?», fragte sie in einem ihrer ersten Inter-views in reinstem Appenzeller Dialekt.

Die ehemalige Kindergärtnerin undSchulleiterin wurde mit dem begehrten«Prix Veuve Clicquot» ausgezeichnet.Aber wer mit ihr spricht, spürt keinenHauch vonHybris. In anderenWorten: Siekönnte damit prahlen und sich abfeiernlassen. Sie hat diese Auszeichnung be-kommen. Damit basta. Wahrscheinlichwäre sie ohne solche Preise genau dieGleiche geblieben – einfach eine wasch-echte Appenzellerin, die sich vorgenom-men hat, ihrenWeg zu gehen.

Manser verkörpert eine OstschweizerTugend, welche sich durch die gesamteWirtschaftslandschaft dieser Region zieht.Hier gibt man sich bescheiden. Das giltnicht nur für sie, sondern auch für die vie-len florierenden KMU, allen voran in derTextilindustrie. Dazu nur ein paar wenige

Beispiele: Forster Rohner. Das Unterneh-men ist auf jedem Catwalk der Welt prä-sent, sogar die Frau des US-amerikani-schen Präsidenten setzt auf dieses Haus.Oder Albert Kriemler, einziger Star-Desig-ner der Schweiz, der mit seinen Krea-tionen nie auf internationalen Laufstegen

fehlt. OderBischoff Textil. Die Firma ist fürdie Damen der «haute volée» ein Begriff,wenn es um verführerische Dessous geht.

Was hat Gabriela Manser in dritterGeneration anders gemacht als ihre Vor-fahren, die halt bloss Mineralwasser ausdem Gontenbad verkauften – für Nicht-

Ostschweizer: Das ist einen Katzensprungvon Appenzell entfernt. Im hohen Taktkommen Innovationen auf den Markt,etwa«Iisfee», «Flauder»oder «GobaCola».Manser tritt mit ihrem «Chalte Kafi» jetztneu in den Energiedrink-Markt ein. «DasUndenkbare denken», gehört zu ihren

Leitsprüchen.DieZahlengeben ihrRecht:Mehr als 16 Millionen Flaschen Mineral-wasser pro Jahrmit einem«special touch»,mittlerweile ein Umsatz im tiefen zwei-stelligen Millionenbereich und eine stän-dige Aufstockung der Belegschaft.

Ostschweizer Hidden ChampionsWie lauten ihre ganz persönlichen Vor-

lieben für den Erfolg ostschweizerischerUnternehmertugenden, die mit typischenBeispielen – bewusst nicht aus der eige-nenBranche – belegtwerden sollen?Auchhier überrascht Manser. Während vieleaus Gründen der Befürchtung, wenn sieHidden Champions erwähnen sollen,Angst vor bösenReaktionen vonÜbergan-genen haben, sprudeln Namen nur soheraus,wiedas «laute»Mineralwasser, dassie anbietet. ImSortiment gibt es ebenfallsnoch «leise» und «still». Manser kennt of-fenbar keinen Neid auf Erfolgreiche. Allezu erwähnen, die sie bewundert, sprengteden Rahmen. Appenzeller Bier, Appen-zeller Käse, Appenzeller Alpenbitter undAppenzeller Biberli.

Aber eigenwillig, wie sie ist, nennt siejemanden, den unsereiner überhauptnicht kennt, weil er in einer Nische tätigist: Hans-Dieter Reckhaus, ein erfolgrei-cher deutscher Unternehmer, der sich inseiner appenzellischen Wahlheimat zu-sammen mit seiner Familie wohlfühlt. Erhat die Bedeutung der Insekten für dieMenschheit entdeckt. «Das ist mein Favo-rit», sagt Manser. Und erwähnt, was denmeisten eine Plage ist – Fliegen, Wespenund alle Viecher, die man normalerweiselieber nicht im Haus hat. Reckhaus istauch nicht gerade erpicht darauf, auf As-seln zu treffen,wenner aufsteht. Seine Fir-ma stellt nämlich Insektizidprodukte her.Gerade deshalb hat er das Label InsectRespect entwickelt, ein Gütezeichen fürmehr Nachhaltigkeit mit Insekten. Damitschafft er einen Ausgleich und hilft, dassMenschen erkennen, dass grauslicheViecher ebennicht nur schädlich, sondernebenso arterhaltend sind und helfen, dassBlüten bestäubt werden und das öko-logische Gleichgewicht bewahrt bleibt.

Das ist so speziell an Gabriela Manser.Sie wagt sich in Bereiche vor, die gar nichtappenzellisch sind, und hat trotzdemErfolg – mit ihren immer wieder neuenGetränkeversionen, aber auch mit ihremEinstehen für «Ägene», also «Eigen-brötler», so nennt man dort Menschen,die halt nicht der Norm entsprechen. Unddieser Halbkanton ist voll davon.

PAOL

ODU

TTO

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Gabriela Manser (52): CEO und Verwaltungsratspräsidentin, Goba (vormals Mineralquelle Gontenbad), Gontenbad AI;Mitarbeitende: 43; Geburtsort: Appenzell AI; Heimatort: Appenzell AI; Wohnort: Trogen AR; Arbeitsort: Gontenbad AI;Familie: Partnerschaft mit Thomas Luminati; Ausbildung: Kindergärtnerin und Schulleiterin, Managementseminar HSG.

Page 7: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

Standort Ostschweiz | 57HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

ImRauschvonMöhlDaniel Model Der Patron der Model-Gruppe über guteVerpackung, andere wirtschaftliche Talente aus demThurgau und den von ihm gegründeten Nicht-Staat.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Dieses transnational tätigeThurgauer Unternehmenbehauptet sich mit derindustriellen Herstellungvon Verpackungslösungen

aus Voll- und Wellkarton in einem hartenglobalen Wettbewerb und hält trotzdemam einheimischen Hauptstandort inWeinfelden TG fest. Wie schafft das dieModel-Gruppe eigentlich?

Ein Blick auf die jüngsten Zahlen zeigt:Die Wellkartonproduktion in Tonnen istimvergangenen Jahr angestiegen, dieZahlder Arbeitsplätze ebenfalls. Das gilt eben-falls für den Umsatz, der sich der Markevon 700MillionenFranken im Jahr nähert.AberDanielModel, Konzernchef und Ver-waltungsratspräsident – bekannt als äus-serst kritischer Zeitgenosse –, relativiertsofort: «Das sind konsolidierte Zahlen.»Will heissen, dass auch ausländische Nie-derlassungendazubeitragen, indenendieProduktionskosten günstiger sind und dieMärkte wachsen. Aber für ihn ist eine Ver-lagerung des Zentrums, wo dasUnterneh-men wurzelt, trotzdem kein Thema.

Im Gespräch macht der dynamischwirkende Unternehmer sofort deutlich,dass das Wachstum nicht in erster Linieauf dem schweizerischen Markt generiertwurde. Dieser ist ein zunehmend härteresPflaster. Die Branche ist in jüngster Zeitziemlichdurchgeschütteltworden–durchÜbernahmen, Fusionen und Konkurse.Wer sich behaupten will, muss einen lan-gen Schnauf haben. Den hat Model offen-bar, wenngleich durchschimmert, dassseine Geduld nicht unendlich ist.

Ostschweizer Hidden ChampionsDas hat vor allem mit Models Staats-

verständnis zu tun. Er kämpft gegen dengrassierenden Etatismus in der Schweizund hat daher einen eigenen Nicht-Staatgegründet. Das Angstmachen vor grossenund kleinen Katastrophen habe bei denSchweizerinnen und Schweizern dazu ge-führt, dass immer mehr Freiheit gegen Si-cherheit eingetauscht wird. Ein Blick indie Anreizstruktur des Wohlfahrtsstaateszeigt: Belohntwird dasUnerwünschtewieKrankheit, Armut undArbeitslosigkeit. Daökonomische Anreize wirken, wächst dasUnerwünschte auch über den Import, so-dass eineMasseneinwanderungsinitiativeviele Befürworter findet.»

Trotz solchen Vorkommnissen gehörtDaniel Model nach wie vor zu den vielenVollblutunternehmern, die mit demStandort Ostschweiz rechnen, weil dieLoyalität seiner Mitarbeitenden und dieProduktivität hoch sind. Aber er rühmtebenso kleinere Unternehmen aus seinerRegion – ebenHidden Champions, die erbewundert. ZumBeispiel die erfolgreicheMosterei Möhl in Arbon TG mit ihremRenner Shorley. Das Unternehmen wur-de vor 120 Jahren gegründet und blühtimmernoch. InderKMU-Landschaft kei-ne Selbstverständlichkeit. Die heutigenInhaber Ernst und Markus Möhl habenihr erstesGeldmit demAuflesen vonFall-obst verdient. Pro Kilo gab es 2 Rappen.

Solche Betriebe sind ganz nach demGusto von Model. Das gilt auch für dieFirma Rausch in Kreuzlingen TG. Sie hatals eine der ersten erkannt, wie wichtigden Menschen ihre Haarpracht ist. EinBlick auf das üppige Angebot verschiede-ner Anbieter gegen schüttere Stellen aufdem Kopf genügt. Dass Inhaber MarcoBaumann sogar den Vatikan beliefert, wosilbergraueüppigeMähnenbei denPäps-ten in sind, ist längst kein Geheimnismehr.

Ein Rebell gegen zu viel StaatAber das sind nicht eigentlich The-

men, die Daniel Model umtreiben. Erliebt einfach KMU, die sich als Familien-unternehmen behaupten. Und was ernochmehr liebt, sind vertiefte Diskussio-nen über die Rolle des Staates in der Ge-sellschaft. «Er soll zum Nutzen seinerBürger arbeiten wie eine Firma für ihreKunden. Ein Staat darf seine Kundennicht schikanieren oder frustrieren, sonstwenden sie sich von ihm ab. In derSchweiz geht der Staatsmonopolist im-mer nochdavon aus, er könnte seineBür-ger wie Untertanen behandeln.» Ein mit-telalterlichesRelikt, so derModel-Patron.

Und dann prangert er an, was interna-tional renommierte Professoren wie Sil-vio Borner schon vor Jahrzehnten zurWeissglut brachte – den ganzen Umver-teilungsmechanismus: «Reichen wirddurchprogressive SteuersätzeGeld abge-schöpft, aber davon profitierten die wirk-lich Armen nicht.» Das verdriesst den so-zial Sensibilisierten am meisten. Dahererstauntnicht, dassdasBuch «Markt oderBefehl» vonRolandBaader zuModels be-vorzugten Lektüre gehört. Für ihn ist derStaat letztlich eine Belastung, weil er lügtund mit den eingenommenen Mittelnverschwenderisch umgeht. Das wird inden kommenden Jahren noch viele Poli-tiker linker und rechter Couleur beschäf-tigen.

Aber vorerst steht fest: Daniel Model,ein erfolgreicher Unternehmer undStaatsrebell, setzt auf die Ostschweiz undihre nicht minder erfolgreichen KMU.

RENÉ

RUIS

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Daniel Model (54): CEO und Verwaltungsratspräsident, Model-Gruppe, Weinfelden TG;Mitarbeitende: 3158; Geburtsort: Winterthur; Heimatort: Winterthur; Wohnort: Vaduz FL;Arbeitsort: Weinfelden TG; Familie: Verheiratet, drei Kinder; Ausbildung: Dr. oec. HSG.

TreibendePraxiskraftFHO Die Fachhochschule derOstschweiz trägt als grössteregionale Bildungsinstitutionzur Nachwuchsförderung bei.

NORMAN C. BANDI

Ander 1999 gegründetenFachhochschuleOstschweiz (FHO) studieren derzeit 4530Talente auf Bachelor- und Master-Stufe inden fünf Fachrichtungen Architektur, Bauund Planung, Technik und Informatik,Wirtschaft und Tourismus, Soziale Arbeitsowie Gesundheit – dies verteilt über dievier Teilschulen St.Gallen Hochschulefür Angewandte Wissenschaften (FHS),Hochschule für Technik Rapperswil(HSR), Hochschule für Technik und Wirt-schaft Chur (HTW) und InterstaatlicheHochschule für Technik Buchs (NTB).

Der Anteil sämtlicher Studierender ausden vierKantonender St.GallenBodenseeArea beträgt gemäss der FHO zurzeit:• Appenzell Ausserrhoden 5,2 Prozent,•Appenzell Innerrhoden 1,5 Prozent,•St.Gallen 49,5 Prozent,•Thurgau 13,4 Prozent.

Berufsnetzwerk während des Studiums«Der prozentuale Studierendenanteil

aus diesen vier Kantonen ist in den ver-gangenen Jahren relativ stabil geblieben,die Schwankungenbefinden sich imMini-malbereich», erklärt AlbinReichlin,Direk-tor der Fachhochschule Ostschweiz.

Die FHO und ihre Teilschulen arbeitenihm zufolge eng mit der ansässigen Wirt-schaft, Industrie und Verwaltung sowieden regionalen Sozial- und Gesundheits-institutionen zusammen, um dazu beizu-tragen, dass ihre Hochschulabsolventenin der Heimatregion den Berufseinstiegmachen. «Die praxisorientierte Ausbil-dung fördert erste Kontakte mit den Un-ternehmen aus der Region undmacht denWert des Studiums am Ar-beitsplatz und in den Betrie-ben deutlich», sagt Reichlin.

Im Rahmen von Praxis-projekten und Studienarbei-ten wie Semesterarbeiten,Studienprojekte, Bachelor-und Master-Arbeiten hättendie Studierenden Gelegen-heit, LösungenzuaktuellenEntwicklungs-projekten aus den Firmen zu erarbeiten.«So können sie sich bereits während desStudiumswertvolleNetzwerke erarbeiten,die nicht selten zu einer Anstellung imUnternehmen führen», ergänzt Reichlin

Für die Vermittlung von Arbeitsplätzenfür Studierende respektive Absolventenhaben die vier Teilschulen gemäss ihremDirektor feste Angebote etabliert, zumBeispiel Stellenbörsen (NTB, HSR), Kon-taktgespräche (FHS) oder Jobplattformen(FHS, HTW). Die Career Centers der FHSund der HTW bieten zudem Mentoring-programme und Dienste zur Laufbahn-planung für Studierende, die den Berufs-einstieg, die Vernetzung mit der Praxisund das Berufswissen steigern. Darüber

hinausbietenalleTeilschuleneinegezielteUnterstützungdes Jungunternehmertums,etwa via den Verein Startfeld (FHS) oderdirekt zur Entrepreneurship (HTW).

Absolventen, die nach ihren externenLehr- und Wanderjahren zurückkehrenwollen, unterstützt die FHO ebenfalls.«Die Teilschulen verfügen über starkeAlumni-Organisationen, die den Kontaktzur FHO erhalten und stärken sollen. Das

Netzwerk, das zu Studien-zeiten entstanden ist, sollauch im Erwerbsleben Be-stand haben, genutzt undweiter ausgebaut werden»,sagt Reichlin. Die Kontakt-gestaltung und die Bindungliefen über Informations-plattformen (Websites), An-

lässe (Networking-Tag der FHS), Events(Betriebsbesichtigungen, Podiumsveran-staltungen, Freizeitaktivitäten), Dienst-leistungsangebote oder Mentoringpro-gramme, die die Anbindung an die FHOund den Kontakt zur Region förderten.

«Auch im Rahmen von Forschungs-und Praxisprojekten besteht eine engeZusammenarbeit mit den Alumni. Ehe-malige vergeben nicht selten Forschungs-aufträge an die Fachhochschule, Alumiwerden als Experten für Projekte und An-lässe angefragt.» Dennoch mahnt Reich-lin: «Trotz vielfältiger Angebote muss sichdie Ostschweiz noch stärker als attraktiverStandort positionieren. Die Fachhoch-schule Ostschweiz trägt dazu als grössteBildungsinstitution der Region bei.»

Von den 4530Studierendenstammen zweiDrittel aus AI,AR, SG und TG.

«Der Staat soll zum Nutzenseiner Bürger arbeiten wie

eine Firma für ihre Kunden.»Daniel Model

CEO und VRP, Model, Weinfelden TG

Page 8: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

58 | Standort Ostschweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Fakten und Zahlen zurSt.Gallen Bodensee Area

St.Gallen (SG)Hauptort St.GallenFläche 2026 km2

Einwohner (2012) 487060Bevölkerungsdichte 240,4 pro km2

Anteil am BIP der Schweiz (2011) 5,4%Unternehmen (2011) 28079Arbeitsstätten (2011) 37269Beschäftigte (2011) 284078Arbeitslosenquote (April 2014) 2,3%Einkommenssteuer (bis 100000 Fr.) 14,52%Einkommenssteuer (bis 200000 Fr.) 23,42%Link zum Amt für Wirtschaft www.awa.sg.ch

Die 20 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton(2013, in Millionen Franken)Firma Hauptsitz UmsatzHolcim Jona 19 719,00Helvetia-Gruppe St.Gallen 7476,80Raiffeisen Schweiz St.Gallen **2790,73Migros Ostschweiz (Migros) Gossau 2377,30Bühler Group Uzwil 2322,00Geberit Jona 2291,60Aldi Suisse Schwarzenbach *1765,00SFS Holding Heerbrugg 1330,60Debrunner Koenig St.Gallen 1096,00Spar Schweiz St.Gallen 1062,00Dipl. Ing. Fust (Coop) Oberbüren 858,00Energy Financing Team St.Gallen 839,00Kantonsspital St.Gallen St.Gallen 755,70Leica Geosystems Heerbrugg 700,00Ernst Sutter (Fenaco) St.Gallen 585,00M&M Militzer & Münch St.Gallen *570,00Wicor-Gruppe Rapperswil 563,00St.Galler Kantonalbank St.Gallen **488,78LV-St.Gallen (Landi) St.Gallen 458,00Starrag Group Rorschacherberg 390,70*UMSATZ 2012; **BETRIEBSERTRAG

Thurgau (TG)Hauptort FrauenfeldFläche 991 km2

Einwohner (2012) 254 528Bevölkerungsdichte 256,8 pro km2

Anteil am BIP der Schweiz (2011) 2,41%Unternehmen (2011) 14893Arbeitsstätten (2011) 20149Beschäftigte (2011) 129191Arbeitslosenquote (April 2014) 2,6%Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) 13,89%Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) 21,85%Link zum Amt für Wirtschaft www.awa.tg.ch

Die 20 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton(2013, in Millionen Franken)Firma Hauptsitz UmsatzStadler Rail Bussnang 2300,00AFG Holding Arbon 1300,00HRS Real Estate Frauenfeld 1050,00Zur Rose Steckborn 910,60Lidl Schweiz Weinfelden *755,00Model-Gruppe Weinfelden 689,00Eugster/Frismag Amriswil *659,00Walter Reist Holding Ermatingen *550,00Bischofszell Nahrungsmittel (Migros) Bischofszell 523,00Looser Holding Arbon 490,10Baumer Electric Frauenfeld 400,00Griesser Holding Aadorf 300,00Thurgauer Kantonalbank Weinfelden **292,00Schweizer Zucker Frauenfeld 271,00Bernina International Steckborn *235,00Amcor Flexibles Kreuzlingen 202,00General Dynamics (vormals Mowag) Kreuzlingen 200,00EKT Holding Arbon 181,20Lang Energie Kreuzlingen *180,00Regionalbahn Thurbo Kreuzlingen 165,80*UMSATZ 2012; **BETRIEBSERTRAG

Appenzell Innerrhoden (AI)Hauptort AppenzellFläche 173 km2

Einwohner (2012) 15789Bevölkerungsdichte 91,3 pro km2

Anteil am BIP der Schweiz (2011) 0,14%Unternehmen (2011) 1424Arbeitsstätten (2011) 1862Beschäftigte (2011) 8433Arbeitslosenquote (April 2014) 1,2%Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) 14,99%Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) 23,11%Link zum Amt für Wirtschaft www.ai.ch/standort

Die 10 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton(2013, in Millionen Franken)Firma Hauptsitz UmsatzSimex Trading Appenzell 85,00Rail-Kontor Appenzell 60,00Fondel Metals Appenzell 40,00Appenzeller Kantonalbank Appenzell *37,87GMC Software Appenzell 24,97Tropenfrucht Appenzell 23,70Hof Weissbad Weissbad 20,26Goldener Damenmode Appenzell 20,00Litex Appenzell 20,00KUK Electronic Appenzell 18,70*BETRIEBSERTRAG

Appenzell Ausserrhoden (AR)Hauptort HerisauFläche 243 km2

Einwohner (2012) 53 660Bevölkerungsdichte 220,8 pro km2

Anteil am BIP der Schweiz (2011) 0,45%Unternehmen (2011) 3678Arbeitsstätten (2011) 5023Beschäftigte (2011) 25 485Arbeitslosenquote (April 2014) 1,7%Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) 12,62%Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) 19,62%Link zum Amt für Wirtschaft www.ar.ch/wirtschaft

Die 10 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton(2013, in Millionen Franken)Firma Hauptsitz UmsatzMIR Trade Herisau 1000,00Huber+Suhner Herisau 719,70MedWork Rehetobel 650,00Metrohm Herisau 350,00Just Walzenhausen 169,85Akris Speicher 120,00Contiplus Niederteufen *99,71Topig Herisau 60,00Cilander Herisau 45,00Appenzeller Bahnen Herisau 42,12*EURO UMGERECHNET

Frauenfeld

129191Erwerbstätige

25485

8433

BOD EN S E E

WA L E N S E E

St.Gallen

Herisau

Appenzell

QUELLE STATISTIKEN: ST.GALLEN BODENSEE AREA, BUNDESAMT FÜR STATISTIK (BFS)QUELLE UMSÄTZE: BISNODE D&B SCHWEIZ AG (WWW.BISNODE.CH), UNTERNEHMENRECHERCHE: NORMAN C. BANDI – HINWEIS: KEIN ANSPRUCH AUF VOLLSTÄNDIGKEIT

284078

St.GallenBodenseeArea 49,1Mrd. Fr.(Anteil8,39%)

Bruttoinland-produkt (BIP)der Schweiz

585,1 Mrd. Fr.(Total 2011)

Page 9: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

Standort Ostschweiz | 59HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Karin Jung (37): Leiterin, Amt für Wirtschaft,Kanton Appenzell Ausserrhoden, Herisau AR.

Markus Walt (43): Leiter, Amt für Wirtschaft,Kanton Appenzell Innerrhoden, Appenzell AI.

Marcel Räpple (46): Leiter, Wirtschaftsförderung,Kanton Thurgau, Frauenfeld TG.

Peter Kuratli (44): Leiter, Amt für Wirtschaft undArbeit, Kanton St.Gallen, St.Gallen.

«Der ostschweizerischenWirtschaft fehlenFach- undFührungskräfte.Längerfristig unbesetzteStellen kosten unsWachstumund schwächenunsereUnternehmen unddamit auch unsere Region.Mit der VeranstaltungProOst positionierenwir dieOstschweiz alsinteressanten Arbeits- undLebensort.»

«Wohnen und arbeiten, woandere Ferienmachen. DieOstschweiz bietet höchsteLebensqualität undTop-Unternehmen. DieOstschweiz ist besondersattraktiv für Fach- undFührungskräfte, dieFamilie, Beruf undFreizeitunter einenHut bringenwollen.»

«Erfolgreiche sowieentwicklungsfähigeUnter-nehmen sind auf engagierteund leistungsfähigeMit-arbeitende angewiesen.Diese wiederum suchen einoptimales berufliches undpersönlichesUmfeld. DieOstschweiz bietet dafürideale Voraussetzungen fürbeide Seiten –mit derneuenVeranstaltungProOst bringenwir siezusammen.»

«Wir sind überzeugt vonder Attraktivität desArbeitsmarktes und derLebensqualität in unseremWirtschaftsraum.MitunserenUnternehmenwollenwir dies überregio-nal und auch internationalstärker positionieren unduns damit als zukunfts-gerichteter Standort etab-lieren. So könnenwir einehochwertige Entwicklungsichern.»

DrittgrössterWirtschaftsraumSt.Gallen Bodensee Area Die beiden Appenzell, St.Gallen und Thurgau betreiben ihre Standortpromotion unter einem gemeinsamen Dach.

LADINA

BISCHO

F

ZVG

ZVG

ZVG

NORMAN C. BANDI

Die vierOstschweizerKantonespannen nicht erst für diePremiere ihrer Hochschul-absolventen-VeranstaltungProOstMitteAugust 2014 zu-

sammen (siehe Seite 54). Seit Oktober2011 haben Appenzell Ausserrhoden,Appenzell Innerrhoden, St.Gallen undThurgau einen offiziellen Auftritt alsSt.Gallen Bodensee Area (SGBA). Diesebetreibt gemeinsam die in- und aus-ländische StandortpromotionundAnsied-

lungsunterstützung für den drittgrösstenWirtschaftsraum im Land mit einem Ein-zugsgebiet von rund 2 Millionen Men-schen. Die SGBA liegt im Viereck Mün-chen–Stuttgart–Zürich–Mailand, nur 30bis60 Minuten vom Flughafen Zürich ent-fernt. Sie ist mit ihrem Cost-Income-Ver-hältnis nacheigenenAngabeneiner der at-traktivstenWirtschaftsräume in Europa.

Die SGBA positioniert ihre Region inausgewählten Märkten und Clustern undakquiriert globaleKonzerneundKMU. «Inden vergangenen Jahren haben wir zahl-reiche international tätige Unternehmen

aus verschiedenen Ländern bei ihrenInvestitionen in der St.Gallen BodenseeArea unterstützt und damit einen wichti-genBeitrag zur dynamischenEntwicklunggeleistet», sagen die verantwortlichenStandortförderer unisono.

Vier Kantone – eine StimmeGegen aussen tretendie 14Delegierten

aus den vier Partnerkantonen mit einerStimme auf, um nicht eines der involvier-ten Wirtschaftsämter oder deren Amts-chefs zu bevorzugen. Auf die Frage, wiesich die SGBA im nationalen Wettbewerb

gegenüber der Konkurrenz abhebt, ant-worten sie: «Mit unterdurchschnittlichenUnternehmenssteuern und einem klarenKostenvorteil im nationalen Vergleichpositioniert sich die St.Gallen BodenseeArea als kosteneffizientester Wirtschafts-standort der Schweiz mit dem Motto‹more for less›. Als Region der HiddenChampions steht die SGBA–notabenederdichteste Industriestandort der Schweiz –für führende Unternehmen insbesondereim Bereich Precision undHightech.»

Und im internationalen Kontext? Dazudie Delegierten: «Die St.Gallen Bodensee

Area als Teil der Schweiz ist der wettbe-werbsfähigste Wirtschaftsstandort derWelt. Innovationskraft und Technologie,ein liberalesWirtschaftssystem, politischeStabilität und die enge Verflechtung mitausländischen Märkten, ein exzellentesBildungs- und Gesundheitssystem, einehervorragende Infrastruktur und einehohe Lebensqualität sowie ein kompetiti-ves Steuersystem sind gute Gründe, umsich als Unternehmen in der Schweiz undin der SGBA niederzulassen.»

www.sgba.ch

Grosse Arbeitgeber in der Ostschweiz nach PersonalbeständenAuswahl international ausgerichteter Unternehmen in der St.Gallen Bodensee Area (in Arbeitsplätzen, nicht Vollzeitstellen)Arbeitgeber Kantone Standorte (kursiv = Hauptsitz) MitarbeitendeBühler Group SG Uzwil SG >2500SFS Holding SG Heerbrugg SG >2500Stadler Rail SG/TG Bussnang TG, Altenrhein SG >2500AFG Holding SG/TG Arbon TG, Roggwil TG, St.Gallen, Steinach SG >1500Eugster/Frismag SG/TG Amriswil TG, Romanshorn TG, Eschenbach SG >1000Geberit SG Jona SG >1000Leica Geosystems 1 SG Heerbrugg SG >900Huber+Suhner AR Herisau AR >800Jansen SG Oberriet SG >800Stihl 2 SG Wil SG >800Model-Gruppe SG/TG Weinfelden TG, Au SG >700Sefar AR/SG Thal SG, Heiden AR >600Avocis TG Tägerwilen TG >500Baumer Electric TG Frauenfeld TG >500Sia Abrasives TG Frauenfeld TG >500Wicor-Gruppe SG Rapperswil SG, Bad Ragaz SG >500 5

Autoneum 3 SG Sevelen SG >400Pago SG Grabs SG >400Metrohm AR Herisau AR >330KUK Electronic AI Appenzell AI >170ThyssenKrupp Presta 4 AI Oberegg AI >140

Auswahl lokaler Unternehmen und Organisationen in der St.Gallen Bodensee Area (in Arbeitsplätzen, nicht Vollzeitstellen)Arbeitgeber Kantone Standorte (kursiv = Hauptsitz) MitarbeitendeKantone (Verwaltung) AI/AR/SG/TG alle Hauptorte, weitere Ortschaften >10000Kantonsspital St.Gallen SG St.Gallen, Rorschach SG, Flawil SG >5000Migros (Zürich) AI/AR/SG/TG Gossau SG (Zentrale), rund 50 Orte >5000Coop (Basel) AI/AR/SG/TG Gossau SG (Zentrale), rund 40 Orte >4000Spital Thurgau TG Frauenfeld TG, Münsterlingen TG >3500 5

Post AI/AR/SG/TG rund 350 Poststellen und -agenturen >3000Fachhochschule Ostschweiz FHO SG St.Gallen, Rapperswil SG, Buchs SG >2500Stadt St.Gallen SG St.Gallen >2500Universität St.Gallen HSG SG St.Gallen >2500Raiffeisen Schweiz AI/AR/SG/TG St.Gallen, rund 40 Niederlassungen >2000SBB (Bern) SG/TG alle Hauptorte, weitere Ortschaften >1300 6

St.Galler Kantonalbank AR/SG St.Gallen, rund 40 Niederlassungen >1000Bischofszell Nahrungsmittel TG Bischofszell TG >800Helvetia-Gruppe AI/AR/SG/TG St.Gallen, rund 10 Agenturen >800Thurgauer Kantonalbank TG Weinfelden TG, rund 30 Filialen >700Grand Resort Bad Ragaz SG Bad Ragaz SG >500 6

Schweizerische Südostbahn AR/SG/TG St.Gallen, diverse Strecken >500 6

Regionalbahn Thurbo SG/TG Kreuzlingen TG, diverse Strecken >430 5

Verkehrsbetriebe St.Gallen SG St.Gallen, rund 300 Haltestellen >280 5

Appenzeller Bahnen AI/AR/SG Herisau AR, diverse Strecken >200 5

Appenzeller Kantonalbank AI Appenzell AI, 3 Niederlassungen >90 5

1 TOCHTERGESELLSCHAFT DES SCHWEDISCHEN KONZERNS HEXAGON; 2 TOCHTERGESELLSCHAFT DES GLEICHNAMIGEN DEUTSCHEN FAMILIENUNTERNEHMENS; 3WERK DER GLEICHNAMIGEN SCHWEIZER FIRMA MIT HAUPTSITZ IN WINTERTHUR; 4WERK DER GLEICHNAMIGEN SPARTE DES DEUTSCHEN KONZERNS THYSSENKRUPP; 5 INKLUSIVE LERNENDE, LAUT UNTERNEHMEN/ORGANISATION; 6 IN VOLLZEITSTELLEN, LAUT UNTERNEHMEN/ORGANISATION.QUELLE: ST.GALLEN BODENSEE AREA (TEILS GESCHÄTZT)

Page 10: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

60 | Standort Ostschweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

BescheidenerMarktführerCalvin Grieder Der neue Verwaltungsratspräsidentund langjährige Konzernchef der Bühler Group übereinen Familienbetrieb, zu dem er von aussen stiess.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Calvin Grieder ist der erste CEO, der alsNicht-Familienmitglied seit nunmehr 13Jahren einen der national bedeutendstenTechnologiekonzerne managt. Mit einemGesamtumsatz vonbeinahe2,5MilliardenFranken undmehr als 10000Mitarbeiten-den gehört die Bühler Group mit Sitz inUzwil SG zu den global führendenDienst-leistern in derMaschinenindustrie.

Jeder zweite Mensch isst täglich Nah-rungsmittel, die auf einer Bühler-Anlagehergestellt wurden – seien es Reis, Mais,Getreide, Schokolade oder Fladenbrot.Das Unternehmen entwickelt spezifischeLösungen für seine Kunden im BereichNahrungsmittelproduktion und Energie-effizienz. Technologien und Systeme vonBühler sind auch führend,wenn es umdieHygieneundSicherheit bei derNahrungs-mittelproduktion geht.

Innovator und MarktführerUnter anderem bietet man Verfahren

an, bei denen dank neuster Technologiedefekte und unreine Getreide- oder Reis-körner aussortiertwerden; 500Kilogrammbis 20 Tonnen pro Stunde, je nach Anla-gengrösse. Auch bei der Produktion vonPasta oder Schokolade hat der Konzerndie Nase vorn. 70 Prozent der weltweitenSchokoladeproduktion beispielsweisewerden auf Anlagen hergestellt, die dasUzwiler Unternehmen konzipiert hat.

Unbestritten: Bühler ist Innovator undMarktführer in vielen Geschäftsfeldern.Das gilt insbesondere für die Nahrungs-mittelproduktion, aber auch, wenn es umdie Reduktion des Energieverbrauchsgeht, etwa dank Leichtbauteilen für dieAutomobilindustrie, optischer Beschich-tung oder neustem Energiespeicher.

Bei Calvin Grieder schimmern solcheHighlights nur durch, wenn er expressisverbis darauf angesprochen wird. Lieberspricht er davon, wie Bühler dank neustentechnischen Innovationen Kunden rundum die Welt bei der Lösung deren Proble-me unterstützen konnte. «Wenn Sie michärgern wollen, müssen Sie schreiben,Bühler sei ein Maschinenbauer», sagte ereinmal. Vielmehr entwickelt Bühler intel-ligente Prozess- und Produktionslösun-gen. Grieder bevorzugt den bescheidenenAuftritt und zieht es vor, draussen imMarkt zu sein. Schon seine Vorgänger, alleaus dem Haus Bühler, waren mehr aufAchse als im Büro. «Unsere Stärken liegenin der Summe des langjährigen Know-how bei der Entwicklung, der Konstruk-tion und der Prozessunterstützung.»

Diese Faktoren und der enge Kontaktzu Kunden sowie ein fundiertes Wissenüber deren Bedürfnisse haben den Welt-konzern zu demgemacht, was er heute ist.

Tönt halt wie einWerbespot, aber die Prä-senz in 140 Ländern und die Tatsache,dass von den über 10000 Mitarbeitendenrund 3000 in China beschäftigt sind,spricht für sich. Bühler hat Asien alsMarktlange vor den meisten Grosskonzernenentdeckt. Schon der Vater und Grossvatervon Urs Bühler, bis vor kurzem Verwal-tungsratspräsident, lieferten Maschinenin diese Region – und dies seit bald 100Jahren. Heute werden 30 Prozent des Um-satzes in Asien erwirtschaftet.

Eigentlich drängt sich die Frage auf,wieso am Standort in Uzwil SG festgehal-ten wird. «Wir sind ein Konzern mit star-ken Wurzeln in der Ostschweiz, aber aufder ganzen Welt zu Hause. Wir verbindenSchweizer Innovationskraft, Ingenieurs-

kunst und Qualitätsbewusstsein. Diesekombinieren wir mit unserem Wissenüber die zu verarbeitenden Produkte unddenunterschiedlichen regionalenBedürf-nissen unserer Kunden», sagt Grieder. Ge-radedie langjährige lokaleVerankerung inden USA, in Südamerika, Afrika oder Asi-en sei eines der Erfolgsgeheimnisse.

Ostschweizer Hidden ChampionsDarauf angesprochen, welches aus sei-

ner Sicht Firmen in der Ostschweiz sind,die ihm besonders imponieren, nennt erallenvoranZügerFrischkäse inOberbürenSG. Deren Chefs hatten keine Angst, einegrosse Investition zu tätigen in einenMarkt, der aus Sicht von vielen Leuten ge-sättigt ist, und exportieren jetzt rund 50Prozent ihres Volumens in ganz Europa.Innovation ist dort die treibende Kraft. Siespezialisieren sich in Nischenproduktewie laktosefreieMilchprodukte.

Calvin Grieder selbst mag das medialeScheinwerferlicht nicht. Das erklärt be-stimmt, wieso er vor drei Monaten als ers-ter «Nicht-Bühler» zum Verwaltungsrats-präsidenten ernannt wurde. Adolf Bühlerhat den Familienbetrieb 1860 gegründet.Er führte eine kleine Eisengiesserei. Seit-her ist esmit diesemUnternehmen immernur aufwärtsgegangen, wenn nicht Roh-stoffpreise und ungünstige Währungsre-lationen einen Strich durch die Rechnunggemacht haben. Aber alle Bühlers wirktenlieber im Hintergrund wie Grieder. «Dasist doch ein typischer Schaffhauser», sagtjemand, der ihn gut kennt. Undwas heisstdas? «Mehr sein als scheinen.»

«Wir sind ein Konzernmit starken Wurzelnin der Ostschweiz.»

Calvin GriederCEO und VRP, Bühler Group, Uzwil SG

NIKHU

NGER

SUZA

NNESCHW

IERTZ

Franziska A. Tschudi Sauber (55): CEO, Wicor-Gruppe, Rapperswil SG; Mitarbeitende: 3818; Geburtsort: Glarus; Heimatort: Glarusund Zürich; Wohnort: Jona SG; Arbeitsort: Rapperswil SG; Familie: Verheiratet; Ausbildung: Rechtsanwältin, LL.M., EMBA HSG.

Calvin Grieder (59): CEO und Verwaltungsratspräsident, Bühler Group, Uzwil SG; Mitarbei-tende: 10659; Geburtsort: Washington, D.C. (USA); Heimatort: Basel; Wohnort: KüsnachtZH; Arbeitsort: Uzwil SG; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: VerfahrensingenieurETH Zürich.

Rapperswiler geltenals «halbe»ZürcherFranziska A. Tschudi SauberDie Chefin der Wicor-Gruppeüber St.Galler Vorurteile undOstschweizer Bauernhöfe, diemit kreativen Ideen auffallen.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

W enn immer hierzulan-de an Podien eine Ge-schäftsfrau gefragt ist,die ihre Stellung nichteinerQuotenregelung

zu verdanken hat, ist es Franziska A.Tschudi Sauber. Sie führt seit 13 Jahren alsDelegierte des Verwaltungsrats (CEO) ei-nen Konzern, der auf elektrische Isola-tionssystemeundKunststoffkomponentenfür die Medizintechnik spezialisiert ist –eigentlich eher eineMännerdomäne.

Allein ein Blick auf die Kundenliste derWicor-Gruppe (Weidmann InternationalCorporation) mit Sitz in Rapperswil SGspricht für sich: GE, Siemens, Roche oderAlstom, um nur ein paar wenige zu nen-nen. Für siewerdenhochwertigeProduktequasi à la carte entwickelt und hergestellt.Ob das nun filigrane Pipetten, Stechhilfenfür Diabetiker oder Komponenten ausZellulose zum Isolieren von Transforma-toren sind.Mit 3818Mitarbeitenden resul-tierte 2013 ein Nettoverkaufserlös von 563Millionen Franken. Das Gespräch mitTschudi Sauber über diese komplexentechnischen Produkte vermeidet manlieber. Sie sitzt am längeren Hebel.

Warum hält sie eigentlich am StandortRapperswil SG fest, obwohl Wicor in 20Ländern präsent ist und zwei Drittel desUmsatzes im Ausland erarbeitet? FürTschudi Sauber ist klar: «Ein wichtigerundgewichtigerTeil unsererTransformer-board-Anlagen sind hier installiert. Eswäre sehr schwierig, diese zu verlegen.»Aber das ist längst nicht der einzigeGrundfür ihren Entscheid, den Hauptsitz diesesglobal tätigenUnternehmens nicht zu ver-lagern. «Solche Anlagen kosten überallgleich viel», sagt sie.

Druck auf einheimischen StandortWas allerdings nicht für die Arbeits-

kräfte gilt. Daher mussten jüngst etwa 50Stellen gestrichen werden. Das tat ihrsichtlich weh. Zudem gehennun die Automobil- undIndustrietechnik-Aktivitätenvon Wicor an die US-ameri-kanische Techniplas Group.Sie übernimmt diese Ge-schäftssparte und führt sieunter dem Namen Weid-mann weiter. Betroffen sindetwa 850 Angestellte, davon rund 250 inder Schweiz. Die restlichen Weidmann-Divisionen tangiert dieser Verkauf nicht.

Tschudi Sauber attestiert ostschweize-rischenMitarbeitenden einen hohenAus-bildungsstand und eine grosse Loyalität.«Aber die Arbeit von schweizerischenHandwerkern hat ihren Preis», erklärt sieund spricht damit an, was bei den Recher-chenfürdenSpecial«StandortOstschweiz»immer mal wieder durchschimmerte.

Hiesige Arbeitgeber sind gerne bereit,inländischen Bewerbern einen Vorrangeinzuräumen. Aber wenn die Lohnstück-kosten im Vergleich mit dem harten aus-ländischenKonkurrenzumfeldnichtmehrstimmenoderwennausländischeKundennur noch lokal beschaffenwollen,müssenunangenehme Entscheide gefällt werden.«Das tut mir echt leid», ergänzt sie – undman nimmt es ihr ab.

FranziskaA.Tschudi Sauberwirkt nichtabgehoben und schon gar nicht wie eineUnternehmerin, die Zeit zum Shoppenoder Golfen hat. Viel lieber geht sie joggenin der nahen Umgebung. Womit wir beimzweiten starken Argument sind, wieso siean dieser Region hängt. «Unser Standortist einfach ideal, nahe am See, an den Ber-

gen und umgeben von einerintakten Umwelt. Hier kannman sich wohlfühlen, dasgilt auch für unsere Mitar-beitenden», sagt sie.

Dass die Rapperswileraus Sicht der St.Galler «hal-be» Zürcher sind, weil siesich eher dieser Stadt zu-

wenden – in ihremEinkaufsverhalten undin ihren Präferenzen für kulturelle Aktivi-täten –, lässt Tschudi Sauber nur bedingtgelten. «Wir sind halt rascher in Zürich alsin St.Gallen, aber für Sitzungen, zu Veran-staltungen der Universität St.Gallen oderan kulturelle Anlässe in der ostschweize-rischen Metropole kommen wir immergerne.» Damit ist auch verdeutlicht, dassdie Wicor-Chefin den Bezug zu St.Gallensehr schätzt, besonders den einfachenZugang zuRegierungundBehörden sowieOstschweizer Wirtschafts- und Kultur-organisationen.

Ostschweizer Hidden ChampionsDarauf angesprochen,wie FranziskaA.

Tschudi Sauber die Unternehmerland-schaft in ihrem näheren Umfeld einstuft,muss sie sich keine Sekunde besinnen.«Ich könnte so viele Unternehmen nen-nen, die mir imponieren und denen ichhöchsten Respekt zolle, dass Sie gar nichtgenug Platz haben.» Dass Geberit inRapperswil SG zuoberst steht, verwundertnicht. Hingegen erstaunt die Nennungvon Vögele Shoes in Uznach SG. «Einsolches Business in einem kompetitivenMarkt über Generationen hinweg erfolg-reich zu führen, ist eine Riesenleistung.»

Ihr Faszinosum für denwahrscheinlichderzeit eigenwilligsten Gartengestalterund Landschaftsarchitekten, Enzo Enea,überrascht. Aber am meisten verblüfft,dass Tschudi Sauber auch viele Bauern-höfe nennt, die sich mit kreativen Ideeneine zweite Existenz geschaffen haben.«Dasistbewundernswertundvorbildlich.»

OstschweizerMitarbeitendehaben gute

Ausbildung undviel Loyalität.

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Page 11: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

Standort Ostschweiz | 61HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Zuckerwürfel imSee nachweisenChristoph Fässler Der Chef vonMetrohm über flache Hierarchie,rasche Entscheidungswege undOstschweizer Berufstätige, dienicht in Anonymität versinken.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Christoph Fässler ist ein Ur-Appenzeller, führt ein erfolg-reiches Unternehmen undhat «null Bock» auf medialePräsenz. Dabei ist Metrohm

mit Sitz in Herisau AR Weltmarktführer,wenn es um chemische Analysen mitLaborgeräten geht.

Angenommen, man wirft einen Zu-ckerwürfel in den Walensee. Metrohmwird das nachweisen. Es könnte auchetwas Giftiges gewesen sein – alles schonvorgekommen. Spinner wollen halt derMenschheit schaden und kräftig kassie-ren. Nahrungsmittelkonzerne haben sol-che Szenarien durchexerziert. Aber Met-rohm ist als einziges Unternehmen dazuin der Lage, einen winzigen Zuckerwürfeloder halt etwas nachzuweisen, was grö-ssere Schäden anrichtet.

Nach Berthold Suhners GustoIn Herisau AR werden noch viel kom-

pliziertereProblemegelöst – seit 1943, tag-täglich und auf der ganzen Welt. Davonwird in Herisau kein Aufheben gemacht.Man verdient höchstwahrscheinlich nichtschlecht, aber investiert alles umgehendin noch sophistiziertere Verfahren. Dashat sich seit dem Wunsch des Gründers,Berthold Suhner, nie geändert. Er lebte sobescheiden, wie man sich das kaum vor-stellen kann. Er sparte sogar beimHeizen,behaupten böse Zungen. Seine Nachfol-ger hat er sich immer aus der Ostschweiz

ausgewählt und hat mit ihnen ein Unter-nehmen vonWeltruf geschaffen.

«Wissen Sie, diese Leute sind fleissig,arbeiten gerne und schätzen es einfach,wennman sie anständig behandelt», sagteBerthold Suhner in einem seiner letztenGespräche. Seinen Mitarbeitenden hat erimmer mehr gegönnt als sich selber. Unddavon, dass der Hauptstandort von Met-rohm dorthin verlegt wird, wo die Absatz-märkte ständig wachsen, musste man mitihm gar nicht erst diskutieren.

«Kommtnicht in Frage. InHerisau sindunsere Wurzeln», sagt auch Adrian De-teindre, heute Verwaltungsratspräsidentund operativer Vorgänger von ChristophFässler, der einen so herr-lichen Appenzeller Dialektspricht wie Carlo Schmid-Sutter –manbräuchte zuwei-len fast einen Dolmetscher.Damit ist eigentlich schonfast alles gesagt, was denErfolg ostschweizerischerFirmen ausmacht: Boden-ständigkeit, Arbeitseifer und Bescheiden-heit.NacheinemteurenSportwagen suchtman auf dem Parkplatz vergebens.

«Natürlich sind auch wir vom ‹war fortalents› betroffen», führt Metrohm-ChefChristoph Fässler aus. Aber dabei geheviel zu oft vergessen, dass sich die Lebens-haltungskosten, dieWohnqualität und dieLohnsumme der Arbeitgeber meilenweiltvon den so hochgejubelten Standorten imgoldenen Dreieck unterscheiden.

Obwohl eigentlich eher zurückhaltend,wie sich der Gründer seine Führungscrewwünschte, gerät Fässler für einmal inFahrt. «Keine grossen Staus zum Arbeits-weg, ein Einfamilienhaus zu erschwing-lichen Preisen, frische Luft vor der Haus-türe, man kann das Fenster in der Nachtnoch öffnen, wird nicht vom Lärm derNachtschwärmer geweckt, flache Hierar-

chien in den Unternehmen, rascheEntscheidungswege und Menschen, de-renGesichter nicht in der Anonymität ver-sinken.»

Ostschweizer Hidden ChampionsFässler räumt jedoch ein, dass die Job-

auswahl nicht mit derjenigen von Zürich,Basel und Genf Schritt halten kann. «Aberist daswirklich erstrebenswert, wennmandie vorhin genannten Vorteile aufrech-net?» In dieser Region ist alles um einMehrfaches günstiger. Sogar eine Auto-reparatur, um ein lapidares Beispiel zunennen, das uns Markus K., der seinenNamen nicht in der Zeitung lesen will, er-

zählt. «Hier zahle ich einenBruchteil der Rechnung, dieich in Basel zu begleichenhatte, und wohne in einemschönen ‹Hämetli› – sonennt man in der Ost-schweiz ein Zuhause –, dasich dort niemals vermochthätte. Mein Lohn ist niedri-

ger, aber wir haben mehr Lebensqualität,undmeine Kinderwerden nicht im Schul-hof von Kollegenmit einem anderen Kon-fliktlösungspotenzial vermöbelt.»

So viel steht fest: Es gibt offenbar schonGründe, wiesoMetrohmund all die vielenOstschweizer Hidden Champions keineMühe haben, qualifizierte Leute zu fin-den. Das gilt für Christoph Fässler vorallem für Cabana, ein alteingesessenesUnternehmen in Herisau AR, das sich inder Bodenbelagsbranche trotz widrigstenKonkurrenzverhältnissen erfolgreich be-hauptet. «Selbstverständlich gehört auchHuber+Suhner dazu, ein Spezialist imHoch- und Niederfrequenzbereich und inder Faseroptik. Die Entscheidungsträgerhätten den Produktionsstandort längstverlegen können. Aber sie stehen zuHerisau AR, wo die Erfolgsstory begann.»

Bodenständig,arbeitseifrig undbescheiden – dieErfolgsfaktorender Ostschweiz.

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ZVG

Christoph Fässler (61): CEO, Metrohm, Herisau AR; Mitarbeitende: 1600; Geburtsort:Appenzell AI; Heimatort: Appenzell AI; Wohnort: Abtwil SG; Arbeitsort: Herisau AR;Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Dr. Chem. Ing. ETH Zürich, Weiterbildungin Betriebswirtschaft BWI Zürich.

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62 | Standort Ostschweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

ZVG

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Heinrich Spoerry (63): CEO und Verwaltungsratspräsident, SFS Holding, Heerbrugg SG;Mitarbeitende: 7110; Geburtsort: St.Gallen; Heimatort: Steg ZH; Wohnort: Uetikon am SeeZH; Arbeitsort: Heerbrugg SG; Familie: Verheiratet, drei Kinder; Ausbildung: Lic. oec. HSG.

Stille SchrauberHeinrich Spoerry Der Chef der SFS Holding über den kürzlichen Börsengang, derso gar nicht zum Naturell der Firma passen will – möglichst im Stillen zu arbeiten.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Eigentlich sind er und die SFSHidden Champions in Rein-kultur – Heinrich Spoerry,Konzernchef und Verwal-tungsratspräsident der SFS

Holding mit Sitz in Heerbrugg SG, diegerade einen Börsengang hinlegte. Dochdasmediale Scheinwerferlicht meidet er.

Trotzdem: Einen besseren Zeitpunkthätte Spoerry nicht wählen können.Sprach man ihn früher auf das IPO-Vor-haben an, gab er sich eher zugeknöpft,was verständlich war. Aber dass dieserSchritt erfolgreich sein wird, überraschtnur,wer dieses grundsolideUnternehmenaus dem St.Galler Rheintal nicht überJahrzehnte verfolgt hat. Da wird einfachnicht alles an die grosse Glocke gehängt.

Frisches Kapital für die ExpansionHans Huber, einer der zwei Gründer,

hat aus bescheidenen Anfängen einer lo-kal tätigen Eisenwarenhandlung die SFSaufgebaut – heute ein transnational tätigerMilliardenkonzern und Inbegriff als Her-steller von Präzisionsteilen und System-lösungen in der Befestigungstechnik. Wasaus seiner Vision entstand, stellt Teller-wäscherkarrieren indenSchatten, da vieledieser Überflieger pleite gingen.

ImGegensatz zur SFS.DerKonzernbe-schäftigt heute rund 7100 Mitarbeitendeund erwirtschaftet drei Viertel des Umsat-zes ausserhalb der Schweiz. Entlassungen

scheinen ein Fremdwort. Der Börsengangwurde vor allem deshalb lanciert, weil eineExpansion in Richtung Asien und Nord-amerika im Visier ist. Mit einem Eigen-kapitalanteil von 63 Prozent, von dem an-dere Unternehmen nur träumen können,undeinemMittelzufluss nachdemBörsen-gang von mehr als 300 Millionen Frankensollte dieses globale Wachstum solide fi-nanziert werden. Jetzt ist die SFS nach demErwerb von Unisteel, einem Betreib, der inMalaysia und China Miniaturschraubenfür die Elektronikindustrie herstellt, wiederschuldenfrei. Für diesen Kauf wurden 750Millionen Franken hingeblättert.

Damit ein effizienter Handel mit SFS-Aktien gewährleistet ist, wurden auch be-stehende Aktien an der SIX platziert. Sokonnte in einer ersten Phase ein Streu-besitz von 35 Prozent erreicht werden.Nach Ende der Sperrperiode von zwölfMonaten für die Mitglieder des Manage-ments, des Verwaltungsrats sowie weiterebedeutendeAktionärewird sichder Streu-besitz auf 45 Prozent erhöhen. Die Grün-derfamilien Huber und Stadler werdennach der Ausübung der Mehrzuteilungs-optionen 55 Prozent als langfristig enga-gierte Ankeraktionäre halten.

Für Heinrich Spoerry, der die SFS seit1999 leitet, ist die Diskussion über eineVerlagerung des Hauptsitzes ein No-Go.«In dieser Region werden von Arbeitge-bernundArbeitnehmernWerte geschätzt,die immer mehr an Bedeutung gewinnen– bodenständige eben.» Er beweist einmal

mehr, dass vor allem im Rheintal Under-statement eine der grössten Tugenden ist.Möglichst im Stillen arbeiten. Das zeigtsich auch in der Personalpolitik. Nach-folger werden nicht unter den Highflyerngesucht, sondern unter denen, die still vorsich hinarbeiten. Und böse Zungen in derOstschweiz behaupten: «Deren Betriebestill und gut vor sich hinverdienen.»

Ostschweizer Hidden ChampionsWie schon andere lokale Wirtschafts-

führer muss sich Heinrich Spoerry keineSekunde besinnen, um noch zu wenig be-kannte Firmen in der Region zu nennen.«Microsynthetic», kommt es wie aus derKanone geschossen. «Dieses Hightech-Unternehmen forscht und produziert aufdemGebiet derMolekularbiologie und istSpitzenklasse in der Gentechnik, spezi-fisch in der DNS-Analyse – und dies imRheintal», bewundert er die Leistung.

Was zum Mitbegründer Hans Huberzurückführt. Dieses ostschweizerischeVorzeige-Unternehmen will gar keinessein. Die SFS Holding möchte bloss einegute Performance hinlegen. Und nochheute konzentriert sich Huber darauf,Nachwuchs zu fördern. Er hat dazu eineeigene Stiftung ins Leben gerufen, weil erals ehemaliger Eisenwarenhandlungs-lehrling längst erkannt hat, dass es derSchweiz vor allem an jungen Leutenman-gelt, die nicht nur akademische Höhen-flüge erleben wollen, sondern in ihremBerufsumfeld etwas leistenmöchten.

VonderWerkhalle in dieGeschäftsleitungSFSWeshalb der Konzern dieBerufslehre hochhält und sichdennoch für Maturanden öffnet.

VERA SOHMER

Nick Huber bezeichnet sich selbst alsuntypisches Beispiel. Der Leiter Personal-management der SFS Holding und Sohneines Firmenmitbegründersmachte keineBerufslehre – er gehört damit imKader zurMinderheit. Er studierte Wirtschaft an derUniversität St.Gallen (HSG), bevor erseine erste Arbeitsstelle bei einem US-amerikanischen Unternehmen antrat.

Geschadet habe es ihm nicht, meint er.Aber: «Könnte ich heute wählen, würdeich mich wahrscheinlich für eine Lehreentscheiden.» Er sei praktisch veranlagt,suchte sich im Beruf Herausforderungen,holte sichhier prägendeErfolgserlebnisse.Nick Huber baute in der Schweiz unteranderem ein Netz von Abholstandortenauf, die heute Teil von SFSunimarket sind.

Die SFS zählt zu den grössten Ausbil-dungsbetrieben in derOstschweiz. In acht

technischen und kaufmännischen Beru-fen werden jedes Jahr rund 50 Lernendeausgebildet. Warum, liegt auf der Hand.Der Konzern zieht sich seinenNachwuchsheran, sorgt für Nachschub an gut ausge-bildeten Fachkräften. Zum einen, weil dasAngebot auf dem Arbeitsmarkt knapp ist.Zumanderen,weil die jungenLeute gleichdas lernen,was sie später imBetrieb brau-chen. Etwa spezielle Technologienwie dieKaltmassivumformung, die internationalnur an wenigen Instituten gelehrt wird.

Neuer Einstieg über FachhochschuleDass die Lernenden nach der Ausbil-

dung übernommen werden, ist die Regelund wesentlicher Bestandteil der Perso-nalentwicklung, so Sandra Tobler, LeiterinPersonal Schweiz. «Wer fähig ist und wil-lens, kann es in allen Bereichen und aufallen Stufen zu etwas bringen.» Auch derWeg in die Geschäftsleitung steht offen.Die SFSbaut Führungskräfte zu90Prozentaus eigenen Reihen auf. Mitglieder desManagements haben sich oft in der Werk-halle oder im Büro zuerst wichtigesGrundwissen geholt. Und das nicht nur

fachlich. Sie haben gelernt, im Team zuarbeiten,mitMenschen umzugehen – sichFähigkeiten erworben, die heute unter«Sozialkompetenz» eingereiht werden.

«Es gibt sie häufiger, alsman denkt, dieKarriere vom Lehrling zum Unterneh-mensleiter», heisst es in einer Broschüre

der Hans Huber Stiftung. Sie wurde voneinem der beiden SFS-Gründer ins Lebengerufen mit dem Ziel, sich für die beruf-liche Ausbildung starkzumachen. Und zuzeigen, dass mit dem Lehrabschluss einsolides Fundament gelegt ist, auf demsichaufbauen und eine höhere Ausbildung

verwirklichen lässt, bis hin zum universi-tären Studium. Indessen erprobt die SFSein neues Modell, um etwas gegen denFachkräftemangel zu tun und sich künftigqualifizierte Arbeitskräfte zu sichern.Manbietet mit vier weiteren Industriebetrie-ben aus der Region einjährige Praktikafür Maturanden an. Diese bekommenEinblick in verschiedene Firmenbereiche,ehe sie an der Hochschule für Technikder Fachhochschule Ostschweiz (FHO) inBuchs oder St.Gallen studieren.

Das Praktikumsjahr, so hofft die SFS,ebnet vielleicht einer dualen Hochschulenach deutschem Vorbild den Weg. DerenPrinzip: Firmen wählen Studierende ausund schliessen mit ihnen Verträge ab. Diedreijährige Ausbildung läuft abwechselndim Betrieb und an der Hochschule. Eineenge Verzahnung also von Praxis undTheorie, abgestimmt auf die neuestentechnologischen Entwicklungen und diespeziellenBedürfnisse der einzelnenPart-ner. Und nach dem Studium sind dieAbsolventen subito in ihren Jobs einsetz-bar. Ein Ansatz, der auchNickHuber, demBefürworter der Berufslehre, gefällt.

DAS UNTERNEHMEN

Grösster Arbeitgeber im St.Galler RheintalTradition Die SFS Holding geht ausder 1928 in Altstätten SG gegründetenEisenwarenhandlung Stadler hervor.Weil es Engpässe in der Schrauben-belieferung gab, bauten Josef Stadlerund Hans Huber 1960 eine eigeneProduktion auf, die SFS Presswerk inHeerbrugg SG. Heute ist der Konzernmit rund 1800 Mitarbeitenden grössterArbeitgeber im St.Galler Rheintal.Weltweit beschäftigt die Gruppe über7100 Angestellte in mehr als 70 Ver-triebs- und Produktionsstandorten.

2013 machte die SFS einen Umsatz von1,3 Milliarden Franken und erzielte ei-nen Ebita von 195,4 Millionen Franken.

Produkte Die Firma ist Entwicklungs-,Herstellungs- und Vertriebspartnerinfür Präzisionsformteile und mechani-sche Befestigungssysteme. Zu einemder Spezialgebiete gehören Miniatur-schrauben für Mobiltelefone, Smart-phones und Tablet-Computer. SFS-Produkte finden sich auch in Sicher-heitsgurten oder ABS-Bremssystemen.

Page 13: Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

Standort Ostschweiz | 63HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Platzhirsch ausBündnerBergenPierin Vincenz Der Chef derRaiffeisen Schweiz über seinneues Unternehmerzentrum,das hiesige KMU fördern will.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Pierin Vincenz ist seit nunmehr15 Jahren das Gesicht desdrittgrösstenBankenkonzernsdes Landes und lässt keineZweifel darüber aufkommen,

dass weiteres Wachstum angepeilt wird.Wie die Konkurrenz steht auch die Raiff-eisen Schweiz mit Sitz in St.Gallen ineinem permanenten Spannungsfeld vonpolitischen, ökonomischen und struktu-rellen Einflussfaktoren.

Aber den Bündner scheint nichts ausder Ruhe zu bringen. Der Vorsitzende derGeschäftsleitung (CEO) spricht immerruhig und bedächtig, aber zum Glücknicht so langsam wie ein Berner. «Wirmüssen unsere Strategie einfach ständigdenverändertenBedingungenanpassen»,sagt Vincenz. Wenn andere vom Platzeneiner Immobilienblase sprechen, bleibt erbeim Szenario des Soft Landing. Geradeweil die Raiffeisen schwergewichtig imHypothekenbereich tätig ist, kennt er dasGeschäft. Der Anteil an diesem Gesamt-markt hierzulande macht 16 Prozent aus.Nach Adam Riese bleibt den übrigenGeschäftsbereichen 84 Prozent.

Doch der Vergleich hinkt gewaltig. DieRaiffeisen Schweiz hat andere Strukturen,ist aufgeteilt in eine Vielzahl kleiner Insti-tute mit einem hohen Eigenverantwor-tungsgrad.Was auch erklärt, dass Vincenzgelassen bleibt, wenn man seine Gruppeallenfalls als systemrelevant einstuft.«Sicher ist allerdings, dass der Aufwandfür die Umsetzung erheblich sein wird.»Die Genossenschaft zählt national 316Raiffeisen-Bankenmit 1032 Filialstellen.

Aug’ in Aug’mit den KundenEinmal mehr hebt Vincenz die Stärke

der Raiffeisen-Struktur hervor. «UnsereLeute vor Ort kennen ihre Kunden undihre Bedürfnisse. Sie sind immer Aug’ inAug’ mit ihnen. Das ist – vor allem in derheutigen anonymisierten Gesellschaft –von unschätzbarem Wert.» Und was ihmbesonderswichtig ist: «DasVertrauen zwi-schen den Kunden und uns ist ein langerProzess, der nicht von heute auf morgenzerstört werden kann.» Vincenz wird sichhüten, zu erklären, dass die Raiffeisenauch vom Unwillen vieler Schweizer überdie Grossbanken profitiert hat. Ein Blickauf die Zahlen genügt. Seit dem Beginnder Finanzkrise 2008 ist die Bilanzsumme

um fast 35 Prozent gewachsen, auf 177Milliarden Franken.

Auf die Frage, wie sich die Margen imfür die Gruppe wichtigen Hypothekar-geschäft entwickeln werden, sagt er: «Unsliegt sehr daran, diese zu stabilisieren.Aber wenn die Zinsen tief bleiben, kanndieMarge vom letzten Jahr von1,24 auf 1,2

Prozent oder gar noch tiefer fallen.» Diefinanziellen Folgen dieser Entwicklungschätzt er auf rund150MillionenFranken.Aber auch hier sind bereits Szenarien inder Schublade. Zwischen der Trennungvon einzelnen Marktsegmenten undeinem weiteren Fitnessprogramm wähltder trainierte Vincenz Letzteres.

Sein Rezept hat er kürzlich an einemSeminar den Teilnehmern des ExecutiveMBA in Business Engineering an derUniversität St.Gallen (HSG) verraten. «AlsUnternehmen der Zukunft müssen wiruns auf eine ständige Transformationeinstellen, indem wir unsere Stärken ge-genüber derKonkurrenzweiter ausbauen,

robusteGeschäftsmodelle entwickelnundeine enge Zusammenarbeit zwischenBusiness und Informatik anstreben.»

Das bringt ihn zu seinem derzeitigenLieblingsthema: Die Gründung des erstenRaiffeisen-Unternehmenszentrums derSchweiz in Gossau SG. Auf einer Büro-fläche von mehr als 750 Quadratmeternwird angeboten, was auf Wilhelm Raiffei-sen zurückgeht. Sein Motto lautete: «Wasdem Einzelnen nicht möglich ist, vermö-gen viele.» Das sogenannte RUZ soll diewichtigste Anlaufstelle für KMU werden.Von der Firmengründung über die Unter-

nehmensführung bis hin zurNachfolgere-gelung sollen KMU unkompliziert undpraxisnah begleitet werden – ohne vielPapierkram. Das Spezielle am RUZ ist,dass nicht Unternehmensberater, die oftselbst noch nie eine Firma geführt haben,mit Rat und Tat zur Seite stehen, sonderngestandene Berufsleute aus allen Bran-chen.

Ostschweizer Hidden ChampionsDaher erstaunt auch nicht, dass seine

Liste der versteckten Perlen in der ost-schweizerischen Unternehmerlandschaftso lang ist, dass dafür der Platz nicht aus-reicht. Paradebeispiel ist etwa CarolineMagerl, Chefin vonMila d’Opitz in St.Gal-len, die das traditionsreiche Kosmetik-unternehmen führt und einen begehrten«Beauty Oscar» für den «Skin Whisperer»in der Kategorie innovativstes kosme-tisches Endprodukt gewonnen hat. «Dankdem intensiven regenerierenden Wirk-stoffkomplex wird die Haut aufgepolstertund verjüngt», sagt sie.

Auch Bruno Dörig, Chef von DörigBedachungen Fassadenbau in Berg TG,hat etwas Spezielles zubieten. «Wir fangendort an, wo andere aufhören», ist seineDevise. Das für Bedachungen und im Fas-sadenbau tätige Unternehmen kommtdann zumZug, wenn extravagante Lösun-gen gefragt sind und andere Fachleutenicht mehr weiterwissen. «Wir verkleidenHäuser nicht,wir ziehen sie an.» Er sprichtdamit das leidige Thema der Hinterlüf-tung an, die verhindert, dass die Bauherr-schaft böse Überraschungen erlebt.

Wie gesagt, allein die Vorschläge vonPierinVincenz gäbengenugStoff für einenweiteren Special «Ostschweiz».

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Pierin Vincenz (58): CEO, Raiffeisen Schweiz, St.Gallen; Mitarbeitende: 10593; Geburtsort: Andiast GR; Heimatort: An-diast GR; Wohnort: Niederteufen AR; Arbeitsort: St.Gallen; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Dr. oec. HSG.

«Als Unternehmen müssenwir uns auf eine ständige

Transformation einstellen.»Pierin Vincenz

CEO, Raiffeisen Schweiz, St.Gallen

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