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Von Universitätsprofessor Dr. Hans Hirth R. Oldenbourg Verlag München Wien

Hans Hirth - Grundzuege Der Finanzierung Und Investition

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VonUniversitätsprofessor

Dr. Hans Hirth

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Vorwort

Vor einiger Zeit ist in die Räumlichkeiten des Lehrstuhls für Finanzierung und Investition an der TU Berlin mehrfach eingebrochen worden. Dann wurde ein Schild angebracht: „Wir beschäftigen uns zwar mit Geld, hier liegt es aber keines!" Die Einbruchserie war gestoppt. Auch dieses Lehr-buch beschäftigt sich mit Geld, liefert aber unmittelbar keines. Es richtet sich ja auch nicht an Einbrecher, sondern an diejenigen, die sich eine Ein-führung in die Methoden der Investitionsrechnung und Finanzierung wün-schen und die etwas über deren ökonomischen Hintergrund erfahren möch-ten.

Das Niveau des Lehrstoffs entspricht dem einer Grundstudiumsvorlesung. Die Darstellung wurde so einfach wie möglich gehalten. Doch wenn es um Geld gent, es um Zahlen und Formeln. Alle Formeln werden im Buch auch hergeleitet. Dies erhöht erstens deren Akzeptanz und zweitens könn- en Tüftler interessiert sein, eine Formel an eine leicht veränderte Problemstellung anzupassen. Der Text wird abgerundet durch Beispiele Aufgaben. Um Lesern ein Gefühl dafür zu geben, welcher Transfor- mationsgrad sie in einer meiner Klausuren erwarten kann, habe ich auch Aufgaben vergangener Klausuren in das Buch aufgenommen und als sol- che gekennzeichnet. Der einzige Unterschied zu den Originalaufgaben besteht darin, daß hier - in kursiver Schrift - die Lösungen direkt im An- schlüß an die jeweilige Aufgabe zu finden sind.

Das Buch basiert auf einer Grundstudiumsvorlesung, die ich regelmäßig an der TU Berlin halte. Meine Vorlesung ist wiederum aus einer Vorle-sung meines Kollegen Werner Neus an der Universität Tübingen hervorge-gangen. Für seine konzeptionelle Vorgabe und einige von ihm übernommene Beispiele danke ich ihm sehr. Herzlicher Dank geht außerdem an meinen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Herrn Dipl.-Kfm. Axel Cunow, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand.

Hans Hirth

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung………………… .............................................................11. Ein einführendes Beispiel ............................................................1

2.Vollkommene und unvollkommene Finanzmärkte ........................3

3. Unsicherheiten .............................................................................4

4. Investitions- und Finanzierungsbegriff .........................................6

II. Investitionsrechnung ........................................................................9

1. Grundlagen ...................................................................................9

1.1 Arten von Investitionen und Investitionsentscheidungen ..........9

1.2 Diskontierung ........................................................................10

1.2.1 Zeitliche Transformation über Markttransaktionen..........11

1.2.2 Intertemporaler Vergleich über Zeitpräferenzen .............17

1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen ..............23

1.3.1 Statische Investitionsrechnungen..................................23

1.3.2: Dynamische Investitionsrechnung ..............................31

2. Investitionsentscheidungen bei Sicherheit und exogenem

Kalkulationszinssatz ....................................................................33

2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts...........................33

2.1.1 Kapitalwert und Endwert ...............................................33

2.1.2 Annuität .........................................................................43

2.1.3 Interner Zinssatz ...........................................................49

2.1.4 Einbeziehung von Steuern ............................................69

2.1.5 Einbeziehung nicht-flacher Zinskurven ...........................76

2.1.6 Einbeziehung von Risiko...............................................87

2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell) .......89

2.2.1 Subjektive Bewertung ohne Kapitalmarkt ......................90

2.2.2 Bewertung unter Einbeziehung des Kapitalmarkts ........95

2.3 Nutzungsdauerentscheidungen ......................................... 103

2.3.1 Keine Ersatzinvestition................................................ 104

VIII Inhaltsverzeichnis

2.3.2 Identische Ersatzinvestitionen .......................................... 106

3. Endogene Kalkulationszinssätze .....................................................111

III. Finanzierung.......................................................................................117

1. Finanztitel als Instrumente der Finanzierung ................................. 117

1.1 Abstimmungsbedarf zwischen Unternehmen und Haushalten 117

1.2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln............................... 118

1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung ................................................. 127

1.3.1 Idealtypen..................................................................... 127

1.3.2 Mischformen................................................................. 136

1.4 Außen- und Innenfinanzierung................................................. 140

1.4.1 Außenfinanzierung ....................................................... 140

1.4.2 Innenfinanzierung ......................................................... 141

2. Liquiditätssicherung....................................................................... 151

2.1 Nutzen und Kosten der Liquidität ............................................. 151

2.2 Liquiditätsplanung .................................................................... 155

3. Bedeutung der Kapitalstruktur....................................................... 165

3.1 Kapitalkosten ........................................................................... 166

3.2 Leverage-Effekt und Leverage-Risiko ...................................... 170

3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads bei vollkommenem Kapital-

markt........................................................................................ 177

Literaturhinweise..................................................................................... 183

Stichwortverzeichnis............................................................................... 185

I. Einführung

1. Ein einführendes Beispiel

Sie haben zusammen mit Ihrem Bruder ein Haus geerbt. Es stehen Ihnen nun drei Alternativen offen, weitere lassen wir einmal unberücksichtigt.

Alternative 1: Sie verkaufen das Haus und erzielen einen Verkaufspreis von 200.000 €. Das Geld müssen Sie mit ihrem Bruder teilen und erhalten 100.000 € als eigenen Anteil. Das heißt allerdings auch, daß Sie in Ihrem bisherigen Haus wohnen bleiben und weiter Ihre Miete zahlen. Die Miete betrage 1.000 € im Monat, also 12.000 € im Jahr. Der Planungshorizont ist zwanzig Jahre. Also zahlen Sie zwanzig Jahre lang jeweils 12.000 €.

Alternative 2: Das geerbte Haus liegt Ihnen sehr am Herzen und Sie möchten gern selbst darin wohnen. Für Ihren Bruder bleibt aber kein Platz mehr. Dann müssen Sie Ihrem Bruder 100.000 € auszahlen. Dafür besit-zen Sie dann das Haus und können dort zwanzig Jahre lang selbst woh-nen. Sie müssen zwar keine Miete mehr bezahlen; allerdings sind immer mal wieder einige Instandhaltungen fällig. Diese kosten schätzungsweise 2.000 € pro Jahr. Wenn wir einen Planungshorizont von zwanzig Jahren betrachten, muß man überlegen, was am Ende des Planungshorizonts passiert. Der Endwert des Hauses in zwanzig Jahren soll 250.000 € betra-gen.

Alternative 3: Sie zahlen Ihrem Bruder 100.000 € aus und vermieten das Haus anschließend. Außerdem bleiben Sie in Ihrem bisherigen Haus zur Miete wohnen. Dafür sind wieder jährlich 12.000 € zu zahlen. Sie erhalten allerdings auch Mieteinnahmen aus dem geerbten Haus. Diese Mietein-nahmen sollen ebenfalls 12.000 € pro Jahr betragen. Allerdings ist ja be-kannt, daß Leute mit fremden Sachen weniger pfleglich umgehen als mit eigenen. Deshalb sind die Instandhaltungskosten hier ein kleines bißchen höher und betragen nicht 2.000 €, sondern 3.000 € pro Jahr. Der ge-schätzte Wert des Hauses nach 20 Jahren sei wiederum 250.000 €.

Natürlich sind etliche andere Alternativen denkbar, so zum Beispiel die Möglichkeit, das Haus anzuzünden und sich die Versicherungssumme mit Ihrem Bruder zu teilen. Dabei würde sich zusätzlich die Frage stellen, ob Sie überführt werden. Wir wollen uns aber nur auf die Alternativen 1, 2 und 3 konzentrieren. Die jeweils daraus folgenden Zahlungen sind in der fol-genden Tabelle zusammengestellt.

2 1.1. Ein einführendes Beispiel

Jahr A1 A2 A3

0 + 100.000 - 100.000 - 100.0001 - 12.000 - 2.000 -12000+12000-

3.000= -3.0002 - 12.000 - 2.000 - 3.0003 - 12.000 - 2.000 - 3.000

… … … …

20 - 12.000 + 250.000 + 250.000

Tab. 1.1.1: Welche Alternative ist besser?

Ein kurzer Blick auf die Tabelle zeigt deutlich, daß wir A3 vergessen kön-nen. Die Alternative 3 wird von der Alternative 2 dominiert, weil A3 in min-destens einem Kriterium (hier: die Zahlungen nach den Jahren 1 bis 19) schlechter ist und in keinem anderen Kriterium (hier: die Zahlungen in 0 und 20) besser ist als A2. Es geht jetzt nur noch um den Vergleich von A1 und A2. So, und jetzt fragen Sie sich doch einmal, welche der beiden Al-ternativen Sie persönlich vorziehen würden.

Würden Sie sich für die Alternative 2 entscheiden? Dann kalkulieren Sie offenbar mit einem vergleichsweise niedrigen Zinssatz. Denn bei A2 winkt erst sehr spät eine hohe Einzahlung. Dieser Betrag ist nur dann von hin-reichendem Gewicht, wenn der Zinssatz entsprechend niedrig ist.

Man könnte Ihre Wahl aber auch anders interpretieren. Implizit sind wir davon ausgegangen, daß alle künftigen Zahlungen mit Sicherheit bekannt sind. Vielleicht haben Sie sich bei der Entscheidung zugunsten von A2 auch von der Überlegung leiten lassen, daß die Sache ein bißchen riskant sein könnte. Wissen wir, ob die künftigen Instandhaltungskosten und Miet-einnahmen sowie der Wert des Hauses in 20 Jahren richtig angesetzt sind? Sicher ist nur die heutige Auszahlung von 100.000 €. Bei A1 ist da-gegen eine Einzahlung von 100.000 € sicher. Die Entscheidung für oder gegen A1 bzw. A2 könnte also auch von Ihrer individuellen Risikoeinstel-lung abhängen.

Für den Vergleich zwischen A1 und A2 benötigen wir also einen Zinssatz, da unterschiedliche Zahlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen. Wenn diese Zahlungen noch dazu unsicher sind, müßte man auch noch Risikoprämien kalkulieren. Doch vorerst wollen wir von unsicheren Größen absehen und so tun, als ob künftige Zahlungen sicher sind.

1.2. Vollkommene und unvollkommene Finanzmärkte 3

2. Vollkommene und unvollkommene Finanz-

märkteWir haben im obigen Beispiel außerdem ein kleines verstecktes Finanzie-rungsproblem: Besitzen Sie eigentlich überhaupt 100.000 €, um Ihren Bru-der auszahlen zu können? Falls Sie keine eigenen Mittel haben, wäre dann eine Kreditaufnahme sinnvoll? Diese Frage ist dann relevant, wenn der Zinssatz, zu dem Sie ihr eigenes Geld anlegen können (Habenzins, Anlagezins), nicht übereinstimmt mit demjenigen Zinssatz, den Sie bei Kreditaufnahme zahlen müssen (Sollzins, Kreditzins).

Der Kreditzins ist in der Praxis regelmäßig höher als der Anlagezins. Wa-rum ist das so? Man könnte meinen, darin äußert sich die Macht der Ban-ken. Gäbe es zwischen ihnen starken Wettbewerb, müßten Kredit- und Anlagezinssätze gleichhoch sein. Das trifft aber nicht zu. Soll- und Haben-zins fallen auch deshalb auseinander, weil sogenannte Transaktionskos-ten anfallen. Grob formuliert sind Transaktionskosten Zusatzkosten, die im Rahmen einer Transaktion anfallen - in diesem Falle wäre als Transaktion die Kreditaufnahme anzusehen.

Es ist ja nicht so, daß Sie per Mausklick im Internet einen Kredit aufneh-men können und ansonsten wäre nichts zu kontrollieren - auch wenn manche Werbung dies suggeriert. Zur Klarheit nehmen wir einmal den klassischen Bankkredit: Sie gehen in eine Bankfiliale, deren Betrieb der Bank Kosten verursacht. Vor diesem Hintergrund trägt die Bank Vertrags-anbahnungskosten. Im weiteren wird es zu Kreditverhandlungen kommen, bei denen die Konditionen auszuhandeln sind. Das kostet mindestens Zeit, wenn nicht sogar noch mehr. Dann die Kreditüberwachung: Die Bank muß natürlich prüfen, ob Sie auch tatsächlich Ihre Raten wie vereinbart zurück-zahlen. Wenn die Bank feststellen sollte, daß Sie nicht zahlen, muß Sie vor Gericht ziehen. Dann entstehen auch noch Durchsetzungskosten.

Dies alles sind Kosten, die im vorhinein zu berücksichtigen sind. Die Diffe-renz zwischen Soll- und Habenzins dient auch dazu, diese Kosten zu de-cken. Daher ist die Tatsache, daß man einen höheren Soll- als Habenzins beobachtet, kein Beweis dafür, daß es an Wettbewerb mangelt.

Es erscheint einsichtig, daß man sich bei der Beurteilung von Investitionen auch Gedanken über deren Finanzierung und die Finanzierungskosten machen muß,. Wenn jedoch die Kosten beim Einsatz eigener Mittel ge-nauso hoch sind wie die Kosten beim Einsatz von Fremdmittel (d.h. der Habenzins entspricht dem Sollzins), dann spielen die Finanzierungskosten zwar noch eine Rolle, aber es ist unerheblich, ob mit eigenem oder frem-

4 1.3. Unsicherheiten

den Geld gearbeitet wird. Die Frage ist, unter welchen Bedingungen der Haben- gleich dem Sollzinssatz ist. Diese Bedingungen kennzeichnen auch einen sogenannten vollkommenen Finanzmarkt.1.) Die Zinssätze müssen unabhängig von der Größe der jeweiligen

Transaktion sein. Also besteht eine Bedingung darin, daß man zum jeweiligen Zinssatz im individuell relevanten Bereich unbeschränkt Geld anlegen und aufnehmen kann.

2.) Es dürfen keine Transaktionskosten anfallen, wie oben erläutert wurde. 3.) Es muß Konkurrenz zwischen den Marktteilnehmern bestehen. Damit

ist zum einen gemeint, daß die Transaktion eines jeden Marktteilneh-mers relativ klein ist, so daß er davon ausgehen kann, die Zinssätze nicht zu beeinflussen. Zum anderen sprechen sich die Marktteilnehmer auch nicht ab und bilden größere Gruppen, die dann doch den Markt-zinssatz beeinflussen könnten.

Ist eine der Bedingungen verletzt, so ist der Finanzmarkt unvollkommen.

3. Unsicherheiten

Im Ausgangsbeispiel waren wir von Sicherheit ausgegangen. Das heißt, es ist wirklich nur eine einzige künftige Entwicklung vorstellbar. Beispiele dafür zu finden ist ungeheuer schwierig, weil im Grunde alles, was als si-cher dargestellt werden könnte, letztlich doch nicht sicher ist. So ist noch nicht einmal sicher, daß ein fliegender Hubschrauber irgendwann wieder herunter auf die Erde kommt, solange das Universum nicht hundertprozentig erklärt ist. Deshalb kann es zweckmäßig sein, die Annahme der Sicherheit zu relativieren und von sogenannter Quasi-Sicherheit auszugehen.

Von Quasi-Sicherheit wird gesprochen, wenn eigentlich mehrere künftige Entwicklungen vorstellbar sind, aber nur eine Entwicklung berücksichtigt wird. Dies kann sinnvoll sein, um den Kalkül zu vereinfachen. Dann unter-stellt man i. d. R. diejenige Entwicklung, die am wahrscheinlichsten ist. Zum Beispiel kann man davon ausgehen, daß Siemens morgen keinen In-solvenzantrag stellt, obwohl dies überhaupt nicht sicher ist. Ebenso kann es darum gehen, Auswirkungen bei einem besonders kritischen Szenario zu analysieren (sogenanntes „Worst-case-Szenario"). In diesem Fall wür-de man vielleicht untersuchen, was passiert, wenn Siemens morgen Insol-venz anmeldete.

Eine Erweiterung des Kalküls ergibt sich durch die Berücksichtigung von Risiko. Eine Risikosituation liegt vor, wenn es mehrere denkbare Entwick-lungen gibt und jeder Entwicklung eine Eintrittswahrscheinlichkeit zuge-

1.3. Unsicherheiten 5

ordnet werden kann. Zum Beispiel könnte Siemens mit einer Wahrschein-lichkeit von 10 % in den nächsten 50 Jahren insolvent werden. Wir haben dann die zwei denkbaren Entwicklungen „solvent" bzw. „nicht solvent" mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten 90 % bzw. 10 %.

Falls Sie nicht imstande sind, die Eintrittswahrscheinlichkeiten einzelner Zukunftsentwicklungen anzugeben (die auch subjektiv geschätzt sein kön-nen), stehen Sie vor einer Situation der Ungewißheit. In einer solchen Si-tuation könnten Sie zum Beispiel nur einkalkulieren, daß Siemens in den nächsten 50 Jahren insolvent wird oder eben nicht, aber in Ihren Kalkül keine Schätzung darüber einfließen lassen, mit welchen Eintrittswahr-scheinlichkeiten beide Entwicklungen verbunden sind.

Im Rahmen der Investitionsrechnung werden wir im folgenden meistens von dem Fall der Sicherheit ausgehen. Konkret bedeutet dies, daß alle durch ein Investitionsprojekt verursachten Ein- und Auszahlungen bereits zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung eindeutig bekannt sind. Prak-tisch dürfte dieser Fall so gut wie nie vorkommen. Trotzdem ist es sinnvoll, vom Fall der Sicherheit auszugehen, um verschiedene Investitionsrechen-verfahren und deren Eigenschaften erst einmal kennenzulernen. Erst in einem weiteren Schritt wäre dann zu überlegen, wie diese Kriterein ange-paßt werden müßten, wenn Unsicherheit herrscht.

Wenn wir die Unsicherheit erst einmal ausschalten, so verbleibt als Prob-lem der Beurteilung einer Zahlungsreihe (bestehend aus heutigen und künftigen Zahlungen) nur noch das Problem der Verzinsung. Denn Zah-lungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, müssen vergleich-bar gemacht werden. Das ist durch Auf- oder Abzinsung zu lösen.

Aufgabe: Arten von Erwartungen

Über ein Projekt XY bestehen folgende unterschiedliche Erwartungen be-züglich der Möglichkeit, Gewinne oder Verluste zu machen: a) Es erbringt in jedem Fall einen Gewinn. b) Es wird nur der Gewinnfall in Betracht gezogen. c) Die Gewinnwahrscheinlichkeit beträgt 67%. d) Es kann ein Gewinn oder ein Verlust auftreten.

Welche Art von Erwartung liegt jeweils vor? a) sichere Erwartung b) quasi-sichere Erwartung c) Erwartung mit Risiko d) Erwartung mit Ungewissheit

6 1.4. Investitions- und Finanzierungsbegriff

4. Investitions- und Finanzierungsbegriff

Bei der Beurteilung von Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen geht es letztlich immer um die Beurteilung von Zahlungsströmen. Im Grunde gilt dieser letztliche Zahlungsbezug für alle wirtschaftlichen Kalküle, nicht nur für die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen. In Abgrenzung zu anderen betrieblichen Bereichen, wie zum Beispiel der Produktionswirt-schaft oder der Organisation, ist der Zahlungsbezug bei der Investition und Finanzierung aber besonders eng. Insbesondere interessiert es im Rah-men der Investitions- und Finanzierungsentscheidungen nicht, wodurch ein Zahlungsstrom generiert wird. Es geht allein um die monetären Aus-wirkungen von Entscheidungen. In diesem Sinne kann man sagen, daß bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen stärker vom realwirt-schaftlichen Umfeld abstrahiert wird, als dies bei anderen Entscheidungen regelmäßig der Fall ist. Wir werden uns also kaum mit der Realwirtschaft auseinandersetzen müssen, es sei denn, die Berücksichtigung des real-wirtschaftlichen Hintergrunds führt zu einer verbesserten Einschätzung über die zu erwartenden Zahlungsströme.

Sowohl Investitions- als auch Finanzierungsmaßnahmen generieren Zah-lungsströme. Aber worin besteht der Unterschied?

Als Investition wird eine Maßnahme bezeichnet, die einen Zahlungstrom durch Mittelverwendung generiert. Normalerweise beginnt sie daher mit einer Auszahlung. Zwingend ist dies aber nicht. Vielleicht schaffen Sie sich eine Eismaschine an, die erst nach einer Probezeit von 6 Monaten zu be-zahlen ist. In der Zwischenzeit verkaufen Sie bereits Eis, so daß diese In-vestitionsentscheidung zunächst Einzahlungen erbringt. Natürlich könnte man den Zahlungsaufschub auch als Finanzierungsmaßnahme interpretie-ren, so daß hier keine reine Investitionsentscheidung vorliegt.

Ein weiteres besonderes Kennzeichen der Investition besteht darin, daß sie in der Absicht erfolgt, Mittel langfristig (i. d. R. mehrjährig) zu binden. Der Benzineinkauf für die Tagestour eines Staubsaugervertreters wird e-her nicht als Investition verstanden. Entscheidend ist nur die Absicht zurlangfristigen Bindung. Sollte sich im nachhinein herausstellen, daß die In-vestition schon nach wenigen Wochen abgebrochen wird und die hierfür angeschafften Maschinen alsbald verkauft werden, so war es doch eine Investition - nur leider keine gute.

Genau umgekehrt zur Investition generiert die Finanzierung einen Zah-lungsstrom durch Mittelbeschaffung. Sie beginnt normalerweise mit einer Einzahlung. Auch hier kann es Ausnahmen geben. Beispielsweise kann die Aufnahme eines Bankkredits mit der Entrichtung einer Vorabgebühr

1.4. Investitions- und Finanzierungsbegriff 7

verbunden sein. Dann würde die Finanzierungsmaßnahme ausnahmswei-se mit einer Auszahlung beginnen. Natürlich könnte man die Entrichtung der Vorabgebühr auch als Investition in das Zustandekommen des Kredits interpretieren.

Eine Finanzierungsmaßnahme als definitorisches Gegenstück zu einer In-vestition zu erklären, würde allerdings zu kurz greifen. Anders als bei In-vestitionen geht es bei Finanzierungsmaßnahmen nicht ausschließlich um langfristige Vorhaben wie zum Beispiel die Beschaffung von langfristig ver-fügbarem Kapital (um Investitionen zu finanzieren). Auch die Beschaffung nur kurzfristig benötigter Mittel, die sogenannte Liquiditätsbeschaffung, zählt üblicherweise zu den Finanzierungsmaßnahmen.

Schon an dieser Stelle wird offensichtlich, daß Investitions- und Finanzie-rungsmaßnahmen nicht nur eine Rolle in Unternehmen spielen. Deshalb lassen sich etliche der weiter unten noch zu gewinnenden Erkenntnisse über die Beurteilung solcher Maßnahmen ohne weiteres auf den privaten und öffentlichen Bereich übertragen.

11. Investitionsrechnung

1. Grundlagen

1.1 Arten von Investitionen und Inveslitionsentscheidun­gen

Es ist üblich. zwischen Finanz investit ionen (NominalInvest itI onen) undSachinvestitionen (Reali nvesti tionen) zu unterscheiden. Als Finanzin­vestitionen sind Käufe von Finanztiteln wie Wertpapiere oder Betei ligun­gen zu sehen. Bei einer Finanzinvestition werden also unmittelbar Zah­lungsansprOche erworben. In Abgr enzung dazu werden bei Real- oderSachinvestitionen güterwirtscha ftliche Objekte wie Maschinen, Gebäude,aber auch immaterielle Vermögensgegenstände wie z. B. Patente erwor­ben. Erst der produkt ive Einsatz dieser verrnöqensqeqenstänoe erbringtdann die Rückzahlungen, die man sich aus der Investition verspricht.

Bei Realinvestitionen findet sich häufig die Unterscheidung in Bruttoin­vestI tIon, Nettoinvestit ion und Ersatz in vestition, wobe i gilt:

Bruttoinvestition '" Nettoinvest ition + Ersatzinvestition.

Ersatzinvestitionen dienen der Erhaltung der Substanz, die ansonstenschrumpfen würde , weil sich der Investitionsbestand abnutzt. Ein Beispieldafür sind lnstandhaltungen der Strecken eines Schienennetzes. WennSie dagegen das Schienennetz ausbauen, handelt es sich um eine Meh­rung der Substanz und daher um eine Nettoinvestition. Eine Nettoinvestiti­on liegt also bei Erweiterungen oder Neugründungen vor. Die Abgrenzungvon Netto- und Ersatzinvestition kann praktisch sehr schwierig sein. Den­ken Sie etwa an eine Rationa lisierung , bei der eine alte Maschine durcheine neue und bessere ersetzt wird. Hier läge gleichze itig eine Ersatz- undeine Netto investition vor.

Schwierig kann auch die Abgrenz ung zwischen Finanz- und Sachinvestüi­on sein. Wenn Sie beispielsweise ein großes Aktienpaket der DaimlerCh­rysler AG kaufen. werden Sie Miteigentümer der Produktionsanlagen,Grundstücke und Gebäude dieses Unternehmens. Ist das nun eine Fi­nanz- oder eine Sachinvestition? Entscheidend für die Antwort dürfte sein,ob Sie de facta über die Verwendung dieser Sechinvestitionen mltent­scheiden, also unternehmerische Mitsprache haben , oder nicht.

Nachdem die vorstehenden Arten von Investitionen vorgestellt wurden ,sollen noch zwei Arten von Entscheidungssituationen unterschieden wer­den. In der einen Situation ist darüber zu entsche iden, ob eine Investition

10 11.1.2 Diskontierung

durchgeführt oder unterlassen werden sollte. Ist es besser, die Investitiondurchzuführen, spricht man von absoluter Vorteilhaftigkeit. In der ande ­ren Situat ion ist darüber zu entsche iden, ob eine Investition besser als ei·oe oder mehrere andere ist. Falls ja, liegt eine relative Vorteilhaftlgkeitder Invest ition vor .

Auch diese Unterscheidung ist alles andere als problemlos. Wenn es bei­spielsweise um die Beurteilung der absoluten Vorteilhaftigkeil einer Inves­tition geht und eigene Mitte l dafür bereitstünden, wäre zu klären, wie dieseeigenen Mittel bei Unterlassung der Investition alterna tiv eingesetzt wür­den . Bezieht man den Begriff der Unterlassung sinnvollerweise nur auf diezu beurteilende Investition, so bleibt bei der Unterlassensalternative zu­nächst noch offen , wie die eigenen Mittel alternativ verwendet werden .Würde man zulassen , daß sie in das näcnstbeste Investitionsprojekt flie­ßen, würde aber wieder die relative Vortei lhaftigkeit des betrachteten Pro­jekts beurtei lt. Als sinnvolle Verwendungsalternative der Eigenmittel wirdbei der Beurtei lung, ob ein Projekt absolut vorteilhaft ist, daher die Finanz­anlage betrachtet. Damit ist aber die absolute Vortei lhaftigkeit eines Inves­titionsprojekts letztlic h doch wieder eine relative , und zwar relativ zu einerFinanzanlage.

An dieser Stelle wird auch klar, daß die Entscheidung über eine Invest itiongrundsätzlich nicht getroffen werden kann, ohne die dafür nötige Finanzie­rung zu berücks ichtigen. Nur wenn die Kosten aller möglichen Finanzie­rungsmaßnahmen gleichhoch sind, ist es egal , ob für die Investition zumBeispiel eigene Mittel eingesetzt werden können oder ein Kredit aufge­nommen werden muß. Dies wäre dann der Fall, wenn auf dem Finanz­markt der Guthaben zinssatz dem Kreditzinssatz entspräche, also wennder Finanzmarkt vollkommen wäre.

1.2 Diskonlierung

Wenn Zahlungen zu untersch iedlichen Zeitpunkten anfallen , sind sie nichtohne weiteres miteinander vergle ichbar. Für einen Vergle ich gibt es zweiMöglichkeiten. Erstens kann die Vergleichbarkeit hergestellt werden, wenneine Zahlung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt anfä llt, durch eine Markt­transaktion auf einen anderen Zeitpunkt verschoben wird . Zweitens kannman versuchen, aus individue ller Sicht zu bewerten, ob man eine Präfe­renz für die eine im Vergleich zu der anderen Zahlung hat. Zunächst wen­den wir uns der ersten Variante zu.

11.1 .2 Diskontierung

1.2.1 Zeitliche Transformation über Markttransaktionen

11

Angenommen , es sind zwei Zahlungsansprüche Zo und z, mitei nander zuvergleichen . Zo tritt im Zeitpunkt 0 (jetzt) auf, Zt dagegen erst im Zeitpunkt t(später). Der Kapitalmarkt sei vollkommen und der einheitliche Zinssatz seii. Um nun Zo mit z, vergleichbar zu machen, kann man entweder Zo in dieZukunft t oder z, in die Gegenwart 0 transformieren. In beiden Fällen wür­de sich die transformierte Zahlungen auf denselben Zeitpunkt beziehenwie die zu vergleichende Zahlung.

a) Beg innen wi r mit der Transformation der Zahlung Zo in die Zukunft t.Dies geschieht, indem die Zahlung Zo auf dem Finanzmarkt zum Zinssatz iangeJegt wird - und zwar bis zum Zeitpunkt t. Nehmen wir an, der Zinssatzi bezieht sich auf ein Jahr und der Parameter t g ibt eine Anzahl von Jahrenan. Wenn nun Zo für einen Zeitraum von t Jahren zu einem Jahreszinssatzi angelegt wird , so ergibt sich aus der Anlage nach einem Jahr der Betrag

Zo + i ·zo = (1+i)· zo

i iangelegter Betrag + Zinsen darauf

Zu Beginn des zweiten Jahres werden sowoh l der ursprünglich angelegteBetrag Zo als auch die zwischenzeitliehen Zinsen darauf i . z, wieder ange­legt, insgesamt also (1+i) . Zo. Nach dem zwei ten Jahr ergibt sich deshalbder Betrag

(1+i) ·zo + i · (1+i) · zo = (1+i)2. zo

t tangelegter Betrag + Zinsen darauf

Dieser Betrag wird dann zu Beginn des 3. Jahres angelegt usw. Sie habenvielle icht bemerkt, daß sich nach einem Jahr der Betrag (1+i)' . Zo undnach zwei Jahren der Betrag (1+i)2 . Zo ergibt. Tatsächlich folgt nach t Jah­ren der Betrag

(1+i)t . Zo

Die Zahlung im Zeitpunkt 0 lä ßt sich also in den Zeitpunkt t transformierenund hat dann den obigen Wert . Ein Vergleich mit der anderen Zahlung z.,die sich ebenfalls auf den Zeitpunkt t bezieht, ist jetzt ohne weite res mög­lich.

12

Wenn gilt

11.1.2 Diskontierung

ist die heutige Zah lung Zo mehr wert als die zukün ftige Zahlung Zt, andern­fa lls eben nicht.

Beispiel

Was ist besser, Zo = 100.000 oder Z lO = 250.000?

Wenn der Zinssatz i :: 8 % beträgt, wäre

(1,08)10 . 100.000 = 215 .982 < 250 .000 .

Also wäre Z lO vorzuziehen.

Bei einem Zinssatz von i = 10 %, wäre

(1,1)10 . 100.000 "" 259 .374 > 250 .000.

Dann sollten Sie sich für Z() entscheiden.

b) Die Vergleichbarkeit zwischen Zo und z, läßt sich umgekehrt auch durchTransformation der Zahlung Zl in die Gegenwart 0 herstellen. Die Fragewäre dann, welcher heutige Betrag als Äquivalent für den künftigen Betragz, anzusehen ist.

Zur besseren Anschaulichkeit folgender Fall: Der 20-jährige Martin weiß,daß an ihn im Alter von 30 Jahren ein Erbe von z, = 250.000 € ausge­schüttet werden wird. Sein Bruder Georg bietet Martin an, ihm sofort100.000 € zu geben, wenn Martin auf sein Erbe verzichtet. Dann könntesich Martin folgendes überlegen: Wie hoch ist der Kredit Do, den er sofortaufnehmen könnte und der samt Zinsen und Zinseszinsen in 10 Jahren al­lein über die Erbausschüttung zunJckgezahlt werden könnte. Dieser Kreditwürde Martin nämlich eine heutige Einzahlung Do bescheren; allerdingswürde von seinem künftigen Erbe nichts weiter übrigbleiben. Über die Kre­ditaufnahme hätte Marttn die künftigen 250.000 € in die Gegenwart trans­formiert .

Wenn Do der im Zeitpunkt 0 aufgenomme Kreditbetrag ist, dann beläuftsich Martins Schuldenstand nach einem Jahr auf

11 .1 .2 Oiskontierung

D, = D, + t . 00 = (1+i) · 00

t taufgenommener ZinsenKreditbetrag darauf

13

Mit diesem Schuldenstand 0 1 geht Martin ins zweite Jahr. Am Ende deszweiten Jahres wäre der Betrag 0 1 sowie die Zinsen i . 0 1 darauf zurück­zuzahlen. Der Schuldenstand nach zwei Jahren lautet also

Wird 0 1 ersetzt durch (1+i) . 00folgt

Mit diesem Schuldenstand geht es ins dritte Jahr usw. Nach t Jahren be­trägt der Schuldenstand schließlich

n, = (1+i)t . 0 0

Martins Erbschaft Zt 5011 nun gerade ausreichen, um den Schuldenstand 0tzu begleichen;

Zt = 0t = (1+i)l. 00

Die Umstellung nach 00 zeigt, wie hoch der anfänglich aufzunehmendeKredit sein darf:

,o ~ --l.- ~ ( l + ir ' - z

c (l +i) ' I

Die Zahlung Zt im Zeitpunkt t läßt sich also in die Gegenwart transformie­ren und hat dann den Wert 00. Ein Vergleich mit der alternativen Zahlungzo, die sich ebenfalls auf die Gegenwart bezieht, ist jetzt ohne weiteresmöglich.

Wenn gilt

0 0 = (1+i)-t. Zt < Zo

ist die heutige Zahlung Zo mehr wert als die zukünftige Zahlung Zt, andem­falls eben nicht.

14

Beispiel

11.1.2 Diskontierung

Es sind unverändert Zo = 100.000 und Z lO = 250 .00 zu vergleichen .

Wenn der Zinssatz i ,. 8 % beträgt, wäre

(1,oa f 'O · 250.000 " 115,798> 100.000

Also wäre 2 10 vorzuziehen.

Bei einem Zinssatz von i = 10 % , wäre

(1,1r" · 250.000 -96.386 < 100.000

Dann sollte sich Martin für 20 entscheiden.

Sofern Anlagezinssatz und Kreditzinssatz identisch sind , ist es unerheblich,ob Sie den Vergleich über Variante a) oder b) vornehmen. Man erkenntdies auch an der allgemeinen Vorteilhaftigkeitsbedingung. Seide Varian tenkommen nämlich zu der gleichen Vorteilhaftiqkeits bedinqunq, denn dieVorteilhaftigkeitsbedingung bei b)

kann man umformen zu

Und diese entspricht der Vortei lhaftigkeitsbedingung bei a).

Als allgemeine Erkenntnis ist testzuhalten. daß der Vergle ich von Zahlun­gen, die sich auf unterschiedliche Zeitpunkte beziehen , nicht nur von derHöhe diese r Zahlungen abhängt, sondern auch vom Zinssatz. Sofern An­lage~ und Kreditzinssatz identisch sind , ist der Vergleich aber unabhängigdavon, ob auf- oder abgez inst wird.

Wir gehen jetzt noch einen Schritt weiter und trans formiere n Zahlungen ineinen beliebigen Zeitpunkt. Angenommen, Sie erhalten heute (also imZeitpunkt t = 0) eine Zahlung Zo = 10.000 und außerdem im Zeitpunkt t = 4eine Zahlung Z4 = 10.000. Seide Zeitpunkte interess ieren Sie aber eigent­lich nicht. Vielmehr planen Sie, in t = 2 ein Auto zu kaufen , das bar bezahltwerden muß. In der gleichen Manier wie oben können Sie nun die ZahlungZo über eine Geldanlage nach t = 2 transformieren . Und die Zahlung Z4

kann über eine Kreditaufnahme ebenfalls nach I = 2 transformiert werden .

11. 1.2 Diskontierung 15

Wie die Abbildung 11.1.1 zeigt, ist Zo um zwei Perioden autzuzinsen und z,um zwei Perioden abzuzinsen.

32o

~~EJ 1- 1-0-.-(-1+-;j-2-<)- -

' ---....L...----11- leitt

4

Abb. 11.1.1: Wert von Zl zu einem bestimmten Zeitpunkt

Die Vorgehensweise, eine Zahlung z, in einen beliebigen Zeitpunkt t' zutransformieren, läßt sich ganz allgemein über die folgende Gleichung be­schreiben:

Sr ist derjeniqe Wert, den die Zahlung Zl auf den Zeitpunkt t- bezogen hat.Fällt die Zahlung z, frOher an als zu dem Zeitpunkt t'. auf den sie transfor­miert werden solt, so ist t kleiner als t' . Der Exponent t·-t wird positiv. z,wird dann um t"-t Perioden aufgezinst. Wenn die Zahlunq Zl erst nach t'anfällt, so gilt offenbar t > t" . Dann wird der Exponent negativ und z, wirdum t - t' Perioden abgezinst.

In diesem Zusammenhang lassen sich noch zwei Begriffe einführen. AlsBarwert wird derjenige Wert bezeichnet, den eine künftige Zahlung oderauch Zahlungsreihe aufweist, wenn man sie in die Gegenwart transfor­miert hat (also wenn t' = 0 gesetzt wird). Die Formel für die Berechnungdes Barwerts Bo einer Zahlung Zt ergibt sich, indem man in der obigenFormel r = 0 einsetzt:

Ba = (1+i)-l· Z,

Zum Beispiel ist der Barwert von Z2 = 120 bei einem Zinssatz von 10 %genau 1,1-2 . 120 = 99,17.

16 11. 1.2 Diskontierung

Als Endwert wird derjenige Wert bezeichnet, den eine Zah lung ode r aucheine Zahlungsreihe aufweist, wenn man sie auf das Ende des Planunqsho­rizontes T transformiert hat (also wenn t' = T gesetzt wird). Der Pla­nungshorizont ist d ie Ze itdauer, für die explizit geplant wird. Der EndwertBT einer Zah lung Zj ergibt sich dann, indem man in der obigen Bs-Formelfür t" den Wert T einsetzt:

Zum Beispiel ist der Endwert von Zo = 100 bei einem Zinssatz von 10 %und einem Planungshorizont von T = 2 genau 1, 1 2~ . 100 = 121.

Aufgabe: Diskont ierung, Barwert, Endwert

Anfäßlich einer Erbschaft kann Rita Röck zwischen einem Wertpapierver­mögen und einer dreijährigen Rente wählen. Die Wertpapiere sind in 2Jahren fällig und erbringen die Zahlungen 1 Mio. € nach dem 1. Jahr und10 Mio. € nach dem 2. Jahr. Die Rente führt zu jährlichen Zahlungen LH.v.4 Mio. nach dem 1., 2. und 3. Jahr.We lches Erbteil wählt Hita, wenn sie einen Zinssatz von 10% zugrundelegt?

Barwertvergleich:

BWertpapier = 1Mio + 10Mio = 91 7Mioo 1,1 (1,1)' '

BRente = 4Mio + 4Mio + 4Mio = 995Mioo 1,1 (1,1)' (1,1)3 '

BWertpapier < BRe nteo 0

oder Endwerrvergleich:

Bfertpapjer = (1,11 ' 1 Mio. + 1,1 ' 10 Mio. = 12,21 Mio.

B~e nte =( 1, 11 · 4 Mio. + ( 1, 1) · 4 Mio. + 4 Mio. = 13,24 Mio.

sWertpapier < s Re nteT T

11 .1 .2 Diskontierung

1.2.2 Intertemporaler Vergleich über Zeitpräferenzen

17

Zahlungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, könnte manauch ohne Auf- oder Abzinsung miteinander vergleichen. Zunächst istfestzustellen, da ß man Geld nicht essen kann. Oder allgemeiner gesagtGeld stiftet nur Nutzen, wenn es für Güter eingetauscht werden kann, dieunmittelbar Nutzen spenden. Stellen Sie sich vor, Sie müßten zeitlebensallein auf einer Insel ohne irgendwelche Kontakte verbringen und hätten1 Mio. € dabei. Dieses Geld dürfte Ihnen nicht den geringsten Nutzenerbringen - höchstens vielleicht als Kopfkissenfüllung. Ernsthaft interes­sant wird das Geld erst als Tauschmedium. Wenn Sie nun zwischen einerheutigen Zahlung Zo und einer morgigen Zahlung Z l wählen müßten, könn­ten Sie sich überlegen, welche nutzenspendenden Dinge Sie sich mit Zoheute bzw. mit Z l morgen leisten könnten. Alles, was unmittelbar Nutzenspendet, nennt sich Konsumgut.

Den Nutzen U, den Sie aus dem für heute geplanten Konsum Co, dem fürmorgen geplanten Konsum Cl usw. insgesamt aus heutiger Sicht erzielen,kann man zunächst ganz allgemein über eine Funktion wie folgt beschrei­ben

U(Co; Cl; ...; Cl)

mit c, ~°für alle Zeitpunkte t.

Beschränken wir uns auf eine Situation mit nur zwei relevanten Zeitpunk­ten, z. B. heute und morgen, dann gibt es nur zwei Konsumgrößen Co undCl. Der Nutzen, den diese Konsumgrößen spenden, könnte beispielsweiselauten:

U '" eoO.4 • Cl0.S

Diese Funktion hat einige Eigenschaften, die Nutzenfunktionen typischer­weise aufweisen.

Erstens sinkt der Grenznutzen im Konsum (Grenznutzen '" t . Ableitungder Nutzenfunktion). Dies erkennt man oeran. daß die jeweils 2. partielleAbleitung der Funktion im jeweiligen Konsum Co bzw. Cl negativ ist. Tat­sächlich folgt im Beispiel

U'(Co) "'0,4 · CO....(l ·6 . CIO.S ~ U"(co) ", - 0 ,24 · Co-I,6 . Cl 0,S c °und

U'(Cl) = Co°,4 . 0 ,5 · CI....(l·5 ~ U"(Cl) '" Co°,4 . (- 0 ,25) · Cl- l.S < °

18 11 .1.2 Diskontierung

Grob gesagt heißt das für beide Zeitpunkte 0 und 1, daß der Nutzenzu­wach s durch das erste Glas Bier höher ist als durch das zweite Glas Bier.

Zweitens sind die beiden Konsumgrößen Co und Cl gegenseitig substituier­bar . Damit ist gemeint, daß man ein Weniger an Co kompensieren kanndurch ein Mehr an Cl. Oder anders: Wenn Sie heute weniger Bier (co) trin­ken können, kann man Sie vollständig dafür entschädigen, indem Siemorgen hinreichend mehr Bier (c,) trinken können.

Unter Zuhilfenahme der Nutzenfunktion lassen sich alle (co; Cl)­Kombinationen beschreiben, die zu ein und demselben Nutzenniveau füh­ren . Sie brauchen nur die Nutzenfunkt ion nach Cl umstellen und das Nut­zenniveau U auf einen bestimmten Wert UfiX zu fixieren :

C 0,5 = Ufix1 C 0,4

o

C = U~X, "Co

Die vorstehende Gleichung gibt an, wie hoch Cl sein muß, damit bei einemvorgegebenen Wert von Co ein bestimmtes fixiertes Nutzenniveau Ufix er­reicht wird,

Graphisch entspricht der obige Zusammenhang zwisch en Cl und Co einerHyperbel (siehe Abbi ldung 11 ,1.2: Indifferenzkurven, Isonutzenlinien). DieseHyperbel beschreibt alle Co-cl -Kombinationen, die den gleiche n Nutzen UfiX

ergeben . Der Entscheidungsträger ist also indifferent zwischen diesenKombinationen. Deshalb heißt eine solche Kurve auch .Jnditterenzkur­ve~ oder .Jscnutzenlinie" (die Vorsilbe Jso" steht fOr "g le ichb l eibend~) . Jeweiter eine Indifferenzkurve vom Ursprung entfernt liegt, desto höher istdas fixierte Nutzenniveau, das mit den co-cl-Kombinationen, die auf dieserKurve liegen, erreicht wird.

11. 1.2 Diskentierunq

c,

steigender Nutzen

'"--

Abb. 11.1.2: Indifferenzkurven, Isonutzenlinien

19

c,

Eine Indifferenzkurve ergibt sich aus der individuellen Nutzenfunktion desjeweiligen Entscheiders . Sie drückt also eine individuelle Präferenz aus.Um dies zu demonstrieren, betrachten wir zwei mögliche Konsumpläne.

Plan A:Plan B:

(Co; c,) = (40 ; 60 )(Co; c,) = (60; 40)

Gemäß Plan A könnte man heute 40 und morgen 60 Einheiten konsumie ­ren. Nach Plan B wären heute 60 und morgen 40 konsumierbar. Es sollnun gezeigt werden , daß die Wahl zwischen diesen beiden Plänen von derindividuellen Präferenz des Entscheiders abhängt.

Nehmen wir an, ein Investor I habe die Nutzenfunktion

U1= eoO.5. C l0.4

Dann wäre sein Nutzen

bei Plan A:bei Plan B:

U,(A)U,(B)

= 40°,5 . 600,4

= 60°.5 • 400•4 =

32,5333,88.

Investor I würde Plan B bevorzugen .

Ein anderer Investor 11 habe die Nutzenfunktion

UII = eoO.4. C, 0.5

Dann wäre sein Nutzen

20 11 .1 .2 Diskentierunq

bei Plan A:bei Plan B:

U11 (A) '" 40°,4 . 60°·5 = 33,88UII(B) = 600,4· 40°·5 = 32,53.

Investor 11 wurde Plan A bevorzugen.

Investor I möchte also lieber heute als morgen konsum ieren. Bei Investor11 ist es umgekehrt. Investor I besitzt daher eine andere Zeitpräferenz alsder Investor 11. Investor r hai nämlich eine stärkere Präferenz für die Ge­genwart als der Investor 11. Die Abbildung 11 .1 .3 verdeutlicht dies anhandder Indifferenzkurven der beiden Investoren.

C,

- - --L.. _I Investor I

IlnveSlor 11

B

\ ,,40

60

Co

40 60

Abb. 11.1.3: subjektive Bewertung von Konsumplänen

Jeder Investor wird versuchen, auf eine Indifferenzkurve zu gelangen, diemöglichst weit entfernt vom Ursprung liegt. Deshalb wählt Investor I (mitden gestrichelten Indifferenzkurven ) den Plan B und Investor 11 (mit dendurchgezeichneten Indifferenzkurven) den Plan A.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß hier Zahlungen, die zu unterschied li­chen Zeitpunkten anfallen , allein danach beurteilt und verglichen werden,wievie l Konsum sie in dem Zeitpunkt ermöglichen, in dem sie anfallen. Of­fenbar wird bei dieser Vorgehensweise die Möglichkeiten außer acht ge­lassen, eine Zahlung über eine Geldanlage oder Kreditaufnahme in einenandere n Zeitpunkt zu transferieren. Diese Entscheidungssituation ist alsoeine unter Vernach lässigung des Kapitalmarkts. Auf den Zusammenhang

11.1.2 Diskontie rung 21

zwischen der Berücksichtiqunq des Kapitalmarkts und der Beurteilung ü ­

ber individuelle Präferenzen werden wir weiter unten noch ausführlich ein­gehen .

Aufgabe: IndiHerenzkurven

Zwei Anleger A und 8 haben folgende IndiHerenzkurven

,(UA) '

A: Cl =--,-

C03

a) Bei welcher Konsumkonstellation (co; Cl ) haben beide dasselbe Nutzen­niveau U = 101

Einsetzen von B in A Ober CI, bzw. gleichsetzen :

,(10)' (10)'~o3 =- -,­

C03

(10)' c '--4 =~

(10)3 C03

co= 10 und10 '

c, = - = 10co'

22

b) Skizzieren Sie beide Indifterenzkurven für U = 101

C,

11. 1.2 Diskentierunq

10

o

I,

I,

Co

c) Angenommen, beide Anleger können Konstellation (10; 10) realisieren.Wieviel zusätzliche Einheiten von Cl fordert Anleger A mindestens,wenn er eine Einheit Co. abgeben soll?

Betrachtet werden Bewegungen auf jeweiliger Indifferenzkurve, die durch(10; 10) verläuft.

A mit Co=9 : ~ A fordert 0,36 Einheiten mehr.

d) Wieviete Einheiten von Cl wird Anleger B höchstens abgeben wollen,um eine zusätzliche Einheit von Co zu bekommen?

Bmitco=11:

abzugeben.

10'C, = -3 = 7,51

11-7 B wäre bereit, 2,49 Einheiten

Interpretation: Tausch würde beide verbessern, keine Pareto-Optimalität.

11. 1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen

1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen

1.3.1 Statische Investitionsrechnungen

23

Statische Investltlonsrechenmethoden unterscheiden sich von dynami­sehen Investitionsrechnungen darin, daß erstere nicht notwendig Zahlun­gen betrachten, sondern mitunter periodisierte Erfolgsgrößen des betrieb­lichen Rechnungswesens als Ersatz für Zahlungsgrößen verwenden. Au­ßerdem berücksicht igen statische Verfahren die Zeitkomponente der Zah­lungen oder Erfolgsgrößen nicht hinreichend. Die meisten statischen Ver­fahren betrachten stattdessen nur eine einzige Periode, die entweder alsidentisch mit allen anderen Perioden gesehen wird oder die dem Durch­schnitt aller Perioden gleichen soll. Dies gilt für die drei Methoden der Ge­winnvergleichsrechnung, der Kostenvergleichsrechnung und der Rentabili­tätsverglelchsrechnung, aber nicht für die Amort isationsrechnung. Diesevier Verfahren sollen jetzt im einzelnen vorgestellt werden.

(1) Gewinnvergleichsrechnung

Im Rahmen der Gewinnvergleichsrechnung (GVR) wird der Perioden­gewinn des jeweiligen Projekts als Differenz zwischen Erträgen und Auf­wendungen ermittelt (also nicht zwischen Einzahlungen und Auszahlun­gen). Daraufhin wird dasjenige Projekt als vorteilhaft erklärt, das denhöchsten Periodengewinn aufweist. Da die Unterlassung ebenfalls eine Al­ternative darstellt, ist der Periodengewinn der besten Alternative mindes­tens gleich null.

Eine offene Frage ist, ob bei der Gewinnermittlung auch kalkulatorischeZinsen auf den Kapitaleinsatz angesetzt werden. Damit meint man diejeni·gen Zinsen, die man bei der besten alternativen Verwendung des Kapital­einsatzes hätte erzielen können. Zu einem statischen Verfahren paßt dieBerücksichtigung von Zinsen eher nicht, da alle weiteren Zinseffekte auchnicht berücksichtigt werden. Im folgenden gehen wir daher von einer Ge­winnermittlung aus, die die kalkulatorischen Zinsen nicht einbezieht.Zwingend ist diese Vorgehensweise zwar nicht, aber wir benötigen im wei­teren eine klare Definition des Periodengewinns .

Die GVR führt immer dann zu unproblematischen Handlungsempfehlun­gen, wenn alle Projektea) eine identische Nutzungsdauer aufweisen,b) einen identischen Kapitaleinsatz erfordern undc) der Periodengewinn eines Projekts Ober alle Perioden konstant ist.

24 11.1.3 Statische und dynamische Investitions rechnungen

Ansonsten könnten die folgenden Problemfälle auftreten.

Zu a) :Projekt A erbringt 2 Jahre lang einen Jahresgewinn von 2 Mio. €. Das Pro­jekt B erzielt dagegen 10 Jahre lang einen Jahresgewinn von 1 Mio. €.Nach der GVR wäre das Projekt A eindeutig vorzuziehen. Man kann sichallerdings vorstellen, daß es - je nach Zinssatz · attraktiver sein könnte,das Projekt B durchzuführen. Die GVR ist dann eine ungeeignete Methode.

Zu b) :Zwei Projekte A und 8 erbringen den gleichen Gewinn von 1 Mio. €. Dererforderl iche Kapitaleinsatz bei Projekt A beträgt aber nur 10 E, währendfür Projekt B stolze 1 Mrd. € eingesetzt werden müssen. Offensichtlichmacht die GVR nur Sinn , wenn sich der Gewinn der zu vergleichendenProjekte auf den gleichen Kapitaleinsatz bezieht. Wichtig ist hier aber, daßbei der Gewinnermittlung die Kapitalkosten nicht bereits abgezogen wur­den, ansonsten wäre ein unterschiedlicher Kapitaleinsau ja schon durchden Abzug unterschiedlicher Kapitalkosten berücksichtigt.

Zu c) :Das Projekt A erzielt innerhalb von 3 Jahren die Jahresgewinne (100; 200;300 ). Das Projekt B weist die gleichen Gewinne aber in umgekehrter Rei­henfolge auf (300; 200; 100). A und B sind dann mit dem gleichen durch­schnittlichen Periodengewinn in Höhe von 200 verbunden und wären ge­mäß der GVR gleichgut. Bei B fallen aber die höheren Gewinne früher alsbei A an . B dürfte deshalb besser als Asein.

2) Kostenverglei chsrec hnung

Eine unsinn ige Entscheidungsregel wurde lauten: "Wähle diejenige Alter­native mit den minimalen Gesamtkosten einer Periode !" An dieser Stellevereinfachen wir und gehen davon aus, daß die Kosten de n Aufwendun­gen entsprechen. Dann gilt:

Gewinn G = Ertrag E - Kosten K

Bei Projekt A wäre dies

und bei Projekt B

Ga = Ea -Ka

(z. B. 100 = 900 - 800)

(z. B. 80 = 100 - 20)

11. 1.3 Statische und dynamische Investltionsrechnungen 25

Hinsichtlich des Kostenverqleichs wäre B besser, während der Gewinn beiA höher ist. Außerdem kann man sich noch eine Unterlassensaltemativevorstellen, bei der überhaupt keine Kosten anfallen. Die obige Entschei­dungsregel ist deshalb bei einer Kostenvergleichsrechnung unbrauch­bar. Eine sinnvolle Regel kann dagegen sein : ~Währe diejenigen Alternati­ve, die die minimalen Gesamtkosten einer Periode bei gegebenen Erträ­gen aufweistl"

Bei gegebenen identischen Erträgen ist E" '" Es '" E. Also gilt:

undGB ", E - Ks

Der höchste Gewinn findet sich nun immer bei derjenigen Alternati ve, diedie minimalen Kosten aufweist. Wenn die Erträge der Alternati ven gleich­hoch sind, führt die KVR also stets zu den gleichen Ergebnissen wie dieGVR, ist im Grund e überflüssig und kommt nur zur Vereinfachung derRechnung in Frage. In allen anderen Fällen stellt sie keine sinnvolle Ent­scheidungsregel dar.

(3) Rendlteverglelchsrechnung

Auf eine Periode bezogen, ist die Rend ite allgemein wie folgt def iniert:

Rendite '" GewinneingesetzEs Kapital

Wie bei allen Verhältniskennzahlen ist es auch bei der Renditeberechnungwichtig , daß die GröBe im Zähler in einem sinnvoll en Zusammenhang mitder Größe im Nenner steht. Im Zähler sollte derje nige Gewinn ausgewie­sen werden, der mit dem im Nenner stehende n eingesetzten Kapital erz ieltwurde. Wenn Sie also ein Projekt mit eigenen und fremden Mitteln finan­zieren und bei der Gewinnerminrung die Kreditzinsen noch nicht abziehen(der sogenannte "Gewinn vor Zinsen"), dann gehören in den Nenner so­wohl die eigenen als auch die fremden Mittel, also das gesamte elnqesetz­te Kapital (Gesamtkapital). Denn schließlich ist es das gesamte einge­setzte Kapital, mit dessen Hilfe der Gewinn vor Zinsen erwirtschaftet wer­den konnte. Diese Rendite ist die Gesamtkapitalrendite und wird auch.Return on Investment" oder kurz ROI genannt:

Gesamtkapitalrendite = Gewinn vor ZinsenGesamtkapita l

26 11 .1 .3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen

Natürlich gibt es auch andere Renditeg rößen. Wenn Sie zum Beispiel imZähler den Gewinn nach Abzug der Kreditzlnsen ansetzen (der sogenann­te ..Gewinn nach Zinsen"), dann sollten Sie sinnvollerweise im Nennerauch nur noch die eigenen Mittel (das Eigenkapital) berücksichtigen. Her­aus käme dann die EIgenkapitalrendite:

Eigenkapitalrendite = Gewinn nach ZinsenEigenkapital

Nun ist es nicht immer so, daß das Kapital am Anfang eines Jahres einge­setzt wird, sich am Ende des Jahres der Gewinn realisiert und währenddes Jahres gar nichts passiert. Wenn zum Beispiel Rückflüsse bereitswährend des Jahres fließen , dann ist das eingangs eingesetzte Kapitalnicht für das gesamte Jahr gebunden, sondern fließt teilweise früher zu­rück und könnte an anderer Stelle noch verzins lich eingesetzt werden. Indiesem Fall müßte man den Jahresdurchschnitt des eingesetzten Kapita lsin den Nenner stellen .

Bei einer Renditevergleichsrechnung (RVR) sollte dasjenige Projekt vor­gezogen werden , das die höchste Rendite erbringt. Auch diese Entschei­dungsregel ist grundsätzlich problematisch. Ein besonderes Problemtaucht auf, wenn mehrere Perioden mit unterschiedlichen Gewinnen oderKapitaleinsätzen pro Periode vorliegen . Denn die obigen Renditedefinitio­nen beziehen sich nur auf eine einzige Periode. Dieses Problem stellen wiran dieser Stelle zunächst zurück, denn es wird im Rahmen des sogenann ­ten .Jntemen Zinssatzes" weiter unten behandelt.

Aber auch wenn nur eine Periode zu betrachten ist, kann die Entschei­dungsregel der RVR zu unvorte ilhaften Ergebnissen führen . Dazu ein Bei­spiel: Projekt A benötigt 2 € Kapitaleinsatz und erbringt einen Gewinn von1 €. Seine Rendite wäre also 50 %. Für das Projekt B sind 100 € nötig undes führt zu einem Gewinn von 20 €. Die Rendite wäre 20 %. Nach einemRenditeverg leich wäre das Projekt A besser als B. Tatsächlich kann B a­ber besser sein. Angenommen, Sie haben gerade 100 € Eigenmittel undes bieten sich keine weiteren Projekte , so daß Sie nicht investiertes Geldzinslos unter das Kopfkissen legen. Wenn Sie das Projekt A nehmen , ha­ben Sie am Ende der Periode den Betrag:

3 € (Kapitaleinsatz + Gewinn) + 98 € (unterm Kopfkissen) :c: 101 €

Nach Durchführung des Projekts B wären es :

120 € (Kapitaleinsatz + Gewinn )

Dann wäre tatsächlich das Projekt B besser.

11.1 .3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen 27

Deshalb ist die RVR nur dann unproblematisch, wenn die zu vergleichen­den Projekte einen gleichhohen Kapitaleinsatz erfordern. Bei gleichen Ka­pitaleinsätzen hat aber immer dasjenige Projekt die höchste Rendite, dasden höchsten Gewinn erbringt. Die RVR kommt dann immer zum gleichenErgebnis wie die GVR und ist im Grunde übertlüsaiq .

Aufgabe: Statische Investitionsrechnung

Die Preis-Absatz-Funktion zweier Produkte A und B lauten für ein Jahr:

PA = 50 - 0,05 XA und Pa = 60 - 0,06 Xa

Ihre Produktionskosten betragen :

und Ka = 48 xa

Die Produktion von A und B erfordert jeweils einen Kapitalstock von10.000, der sich nicht abnutzt.

a) Wieviel sollten von A und B jewei ls produziert und verkauft werden?

Gewinnmaxima

GA = 50 XA -0,05 x/ - 40 XA -7Gs=60 xs -O,06x/ - 48xs -7

G'=10 -0,1xA=O -7 xA=100G'= 12- 0,12 xs = O -?xB=100

Welche der beiden Produktionen ist vorteilhaft bezüglich

b) der Kosten?

KA~ 40 ·100 ~4000

Ka= 48 ·100=4.800 -7 A >-B

c) des Gewinns?

G ~ p(x) . x - K(x) (Startkapitalabnutzung ~ 0)

GA~ 50 ·100 - 0,05 · (100)'- 40· 100 ~ 500GB ~ 60 · 100 - 0,06 · (IOD!, - 48 · 100 ~ 600 -7 B ,. A

28 1'-1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen

d) der Rentabilität?

'A~ G,(10 .000 ~ 500/10.000 ~ 0,05'8= Gfl 10.000 = 600/10.000 = 0,06

Gleiche Reihung wie c) hier zwingend, da gleiche Kapitalbindung.

(4) Amortisationsrechnung

Bei einer Amortisationsrechnung wird ermittelt, wieviel Zeit ein Projekt be·nötigt, bis die gesamten nötigen Auszahlungen durch Einzahlungen ge­deckt sind. Nach dem Kriterium der Amortisation ist dasjenige Projekt ambesten, das sich am schnellsten amortisiert, also die kürzeste Amortlsatl·onsdauer besitzt.

Ein Projekt sei zum Beispiel mit dem folgenden Zahlungsstrom verbunden :

(- 100.000; 30.000; 40.000; 50.000; 20.000)

Ein Zahlungstrom wird im folgenden häufig wie ein Vektor dargestellt. Zulesen ist der obige Vektor wie folgt: In der Gegenwart (Zeitpunkt 0) fällt dieAuszahlung - 100.000 an. Nach der ersten Periode (Zeitpunkt 1) kommtes zu eine r Einzahlung 30.000, nach der zwe iten Periode (Zeitpunkt 2) be­trägt die Einzahlung 40.000 usw. Der obige Zahlungsstrom endet im Zeit­punkt 4.

Zurück zur Amo rtisationsdaue r: Die nötige Anfangsauszahlung des Pro­jekts in Höhe von 100.000 ist nach 3 Perioden gedeckt, und zwar durch

30.000 + 40.000 + 50.000 ~ 120.000.

Das Projekt amortisiert sich also nach 3 Perioden oder , anders formul iert,d ie Amortisationsdauer beträgt 3 Perioden.

Bei einer Zah lungsreihe , die zunächst nur Auszahlungen und anschlie­ßend nur Einzahlungen aufweist, wie zum Beispiel

(- 400; - 1.300; 1.000 ; 800; 1.100 )

müssen natürl ich die aggregierten Auszah lungen 400 + 1.300 "" 1.700 ge­deckt werden . Dies wäre nach der 4. Period e mit den Einzahlungen 1.000+ 800 "" 1.800 der Fall.

11 .1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen 29

Zu klären wäre noch, wie die Amortisationsdauer zu ermitteln ist, wenn aufzwischenzeitliche Einzahlungen noch spätere Auszahlungen folgen. EinBeispiel dafür wäre der folgende Zahlungsstrom

(- 100; 80; 80; - 70; 40; 20)

Die Anfangsauszahlung von 100 amortisiert sich schon nach 2 Perioden.Wenn aber die Einzahlungen auch noch die spätere Auszahlung von 70decken sollen (also insgesamt eine Auszahlung von 170), mußte man 4Perioden warten. Denn erst 80 + 80 + 40 '" 200 reichten aus, um - 170 zudecken.

Ob bei der Ermittlung der Amortisationsdauer alle Auszahlungen einersolchen Zahlungsreihe zu decken sind, hängt davon ab, ob das Projektwährend seiner Laufzeit abgebrochen werden kann und ob die späterenZahlungen dann nicht mehr anfallen. Kann das Projekt jederzeit abgebro­chen werden, wäre es im Beispiel sinnvoll, es nach der zweiten Periode zubeenden und nur den Zahlungstrom (- 100; 80; 80) zu realisieren. Denndie späteren Einzahlungen 40 und 20 reichen noch nicht einmal, um die- 70 zu decken, geschweige denn um irgendwelche Überschusse zu er·wirtschaften.

Aus didaktischen Gründen gehen wir im folgenden aber davon aus, daßdie Möglichkeit des vorzeitigen Abbruchs nicht besteht. Denn bestündesie, müßte im Rahmen von Vorteilhaftigkeitsentscheidungen zunächst im­mer erst einmal geklärt werden, welcher Zeitpunkt optimal für den Abbruchist. Dieses Thema wird weiter unten in einem eigenen Abschnitt zu Nut­zungsdauerentscheidungen behandelt.

In Abgrenzung zur GVR, KVR und RVR bezieht sich das Kriterium derAmortisationsdauer auf reine Zahlungsgrößen und nicht auf Größen derRechnungslegung wie den Gewinn oder die Kosten.

Die Probleme von Auswahlentscheidungen anhand der Amortisationsdau­er liegen auf der Hand. Denn die Amortisationsrechnung vernachlässigt

1.) alle Zahlungen jenseits der Amortisationsdauer und2.) die Zeitstruktur der Zahlungen innerhalb der Amortisationsdauer.

Zu 1.) Bei der Amortisationsrechnung ist es egal, ob ein Projekt nach derAmortisationsdauer 1 Mio. € oder gar nichts mehr erwirtschaftet. Für dieBeurteilung eines Projekts sollte dies aber eine Rolle spielen.

30 11.1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen

Zu 2.) Ein Projekt A mit dem Zahlungsstrorn

(- 100.000; 30.000 ; 40.000 ; 50.000; 20.000 )

besitzt die gleiche Amortisat ionsdauer wie ein Projekt B mit dem Zah­lungstrom

(- 100.000; 50.000 ; 40.000 ; 30.000 ; 20.000)

Der Unterschied zwischen beiden Projekten liegt alle in in der Zeitstrukturder ersten drei Einzahlungen, die vertauscht sind. Bei Projekt B fließt diehohe Einzahlung von 50.000 früher als bei Projekt Ä. Da die Einzahlungenzwischenzeitlich verzins lich angelegt werden können, müßte Projekt Bdeshalb besser als das Projekt A sein. Bei der Berechnung der Amo rtisat i­onsdauer wird dies aber nicht berücksichtigt.

Diese Mänge l sind so offensichtlich, daß zu fragen ist. ob die Amortisati­onsda uer überhaupt ein sinnvolles Entscheidungskriterium sein kann . Im­merhin drückt die Amortisationsdauer aus, .wie schnell man sein Geldwieder zurückbekommt". Ein solches Kriterium könnte als grobe Daumen­regel Sinn machen, wenn die künftigen Zah lungen aus einem Projekt un ­sicher und eine genauere Risikoabschätzung zu aufwendig sind. Aller­dings ist die zu berechnende Amort isationsdauer dann selbst unsicher undman müßte sich zum Beispiel am Erwartungswert der Amort isat ionsdauerorientieren .

Aufgabe: Amort isation

3 alternative Projekte A, Bund C haben die Zahlungsreihen

t - 0 t - 1 1- 2 t '" 3 t - 4A - 700 300 300 200B 1000 200 100 500 500C -50 100 - 200 200

mit t :: Ende des Jahres 1.

a) Wie hoch ist die jeweilige Amortisationsdauer?

bei A: 3 Jahrebei 8 : 4 Jahrebei C: 1 oder 3 Jahre; sinnvolle Lösung: 3 Jahre(Definition der Amortisation: Zeitdauer, bis zu der alle Auszahlungen ge­deckt sind - auch spätere)

11.1 .3 Statische und dynami sche Investitionsre chnungen 31

b) Gehen Sie nun davon aus, daß die Zahlungen gleichmäßig in dem je­weiligen Jahr verteilt sind . Amortisiert sich dann A oder C schneller?

bei A: 2 + ~~~ = 2,5 Jahre

beiC:2+ 150 = 2,75Jahre200

1.3.2 Dynamische Investitionsrechnung

A ist schneller!

Im Gegensatz zu den statischen Investitionsrechenmethoden erfassen diedynamischen Methoden sowohl die gesamte Dauer der Projekte alsauch die genaue zeitliche Vertei lung der Zahlungen mittels Diskontierung.

Die Bezeichnung ~dynam isch" kann leicht mißverstanden werden. Grobformuliert werden Methoden dann als dynamisch bezeichnet, wenn sie be­rücksichtigen, daß eine Größe, die in einem bestimmten Zeitpunkt auftr itt,abhängig ist von einer Größe, die in einem anderen Zeitpunkt auftritt. Zwi­schen beiden Größen existie rt ein intertemporaler Zusammenhang. In die­sem Sinne kann man die folgenden Investitions rechnungen als dynamischbezeichnen.

Was die dynamischen Investitionsrechenmethoden aber meistens nichtberücksichtigen, ist ein intertemporaler Zusammenhang zwischen Ent­scheidungen , die in untersch iedlichen Zeitpunkten zu treffen sind. Denndie zugrundegelegte Entscheidungssituation sieht normalerweise so aus,daß über die Ablehnung oder Durchführung eines Projekts mit gegebenemZahlungsstrom einmalig entschieden wird. Die Auswirkung dieser Ent­scheidung auf künftige Entscheidungen wird in den dynam ischen lnvestiti­cesrechenvertahren - wie auch in den statischen Verfahren - regelmäßigf»cht ertaßt.

32 11 .1.3 Statische und dynamische Investitionsrechnungen

KLAUSURAUFGABE VOM03.04.2003: Dynamische Investitionsrechnung(25 von 100 Punkten)

Sie sehen sich einem einhei tlichen Kapitalmarktz ins von 10% und den fol­genden Investitionsalternativen gegen über.

IA = (- 135; 140; 0; 10) und18 ~ (- 135; 0; -60; 245)

a) Berechnen Sie die Kapita lwerte der beiden Investitionen! (6 Punkte)

A 140 10Ko = - 135 + - + - 3 = - 0,214 124719

1,1 1,1

B 60 245Ko =-135 - -

2+ -3 =- 0,5 14650639

1,1 1,1

b) Zeigen Sie mit Hilfe eines vollständigen Finanzplans, daß der InterneZins der Investition B 9,87% beträgt ! (Hinweis: unter Umständen be­nötigen Sie nicht alle Zeilen oder Spalten. ) (6 Punkte )

/ 0 / 2 3e /35 0 - 60 245

Zinsen - -/3,331709/ - /4 6482607 - 22 02003Konto - 135 -/48,331709 222,97997 0

c) Gehen Sie nun davon aus, daß der Interne Zins der Investition A9,84% und der Interne Zins von Investition B 9,87% beträgt! Ange­nommen Sie besitzen 135 Geldeinheiten und wollen diese investieren.Wie entscheiden Sie sich? (3 Punkte)

Ich entscheide mich weder fOr A noch tür B, weil beide Anlagen einen ne­gativen Kapitalwert haben und eine Anlage am Kapitalmarkt mir 10%bringt. Wenn ich die 135 GE also tatsächlich investieren möchte, dann amKapitalmarkt.

d) Skizzieren Sie im Zins-Kapitalwert-Diagramm die Kapitalwertfunktio­nen der beiden Investitionen! Gehen Sie auch hier wieder davon aus,daß der Interne Zins der Investition A 9,84% und der Interne Zins derInvestition B 9,87% beträgt. (Tragen Sie den Kapitalmarktzins und dieKapitalwerte ein. Bezeichnen Sie die Schnittpunkte mit den Achsenund achten Sie auf die Asymptotenl) (10 Punkte)

11 .2.1 Entscheid ungen auf Basis des Kapitalwerts

Kapitalwert

33

9,84

9,87 10

Zinssatz

A

8

2. Inveslilionsentscheidungen bei Sicherheit und

exogenem Kalkulalionszinssatz

2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

2.1.1 Kapitalwert und Endwert

Wie erwähnt berücksichtigen dynamische Investitionsrechnungen die spe­zifische Zeitst ruktur einer Zahlungsreihe. Deshalb ist es wichtig, die forma ­le Notation der Zeitstruktur deutlich zu machen .

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Kapitalwert

50

33

-135

9,87 10

8

Zinssatz

A

2. Investitionsentscheidungen bei Sicherheit und

exogenem Kalkulationszinssatz

2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

2.1.1 Kapitalwert und Endwert

Wie erwähnt berücksicht igen dynam ische Investitionsrechnungen die spe­zifische Zeitstruktur einer Zahlungsre ihe. Deshalb ist es wichtig, die forma­e Notation der Zeitstruktu r deutlich zu machen.

34 11.2 .1 Entscheidungen auf Basis des Kap italwerts

oI

1 2

2

1- 1

'-II

t

IT- l

IT- l T Perioden

Abb .: Notat ion der Zeitpunkte bzw. Perioden

Die obige Abbildung soll verdeutlichen, daß der Parameter t entweder ei­nen bestimmten Zeitpunkt oder eine bestimmte Periode beschreiben kann.Der Zeitpunkt t = 0 kennzeichnet die Gegenwart , der Zeitpunkt T das Endedes Planungshorizonts . Eine Periode t beg innt im Zeitp unkt t-t und endetim Zeitpunkt 1. Der Wechsel vom zweiten in das dritte Jahrtausend hat jaauch nicht Ende 1999. sondern Ende 2000 stattgefunden.

Wenn im folgenden Zahlungen durch einen Zeitindex t charakterisiert wer­den, muß zuvor geklärt sein, ob damit ein bestimmter Zeitpunkt oder einebestimmte Periode gemeint ist. Für unsere Zwecke soll dieser Zeitindex imweiteren einen bestimmten Zeitpunkt kennzeichnen - es sei denn, es wirdexplizit anders formuliert.

In einem bestimmten Zeitpunkt muß es nicht immer nur eine einzige Zah­lung geben. Insbesondere kann es in einem Zeitpunkt sowohl zu Ein- alsauch zu Auszahlungen kommen. Dies läßt sich leicht berücksichtigen, in­dem man ihren Saldo bildet und ihn als EInzahlungsüberschu ß el be­zeichnet:

mitEI : Summe aller Einzahlungen im Zeitpunkt tAl : Summe aller Auszahlungen im Zeitpunkt t

Ein negativer Einzahlungsüberschuß entspricht einem positiven Auszah­lungsüberschuß.

Da bei Investitionen in der Regel zu Beginn keine Einzahlung, sondern nureine Auszahlung anfällt , gilt für den ersten Einzahlungsüberschuß bei In­vestitionen normalerweise:

eo= -Ä<J< O

Nachdem die Notation geklärt ist, kann nun das zentrale Entscheidungskri­terium der Investitionsrechnung vorgestellt werden, der sogenannte Kapi­talwert.

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Kapitalwertberechnung

35

Der Kapitalwert eines Zahlungsstroms ist derjenige Wert, den der Zah­lungsstrom auf den Zeitpunkt 0 bezogen hat. Der Unterschied zwischenBarwert und Kapitalwert besteht lediglich darin, daß in die Kapitalwertbe­rechnung auch der (negative) Einzahlungsüberschuß in t = 0 einbezogenwird. ' Der Kapitalwert läßt sich also berechnen , indem die Barwerte allerEinzahlungsüberschüsse des Zahlungsstroms einschließlich des (negati­ven) Einzahlungsüberschusses in t = 0 addiert werden.

Stellen Sie sich den Zahlungsstrom (eo; e-: ea: e3; e4) vor. Um den Barwertvon e, zu berechnen, müssen Sie e, um eine Periode abzinsen. Der Bar­wert von ee folgt, wenn Sie eeum zwei Perioden abzinsen usw. (siehe Ab­bildung 11.2 .1).

o 2 3

I [ • Zeitt

EJ-~------GJ--------GJ~ --- - - ""--""'[;]

Abb. 11.2 .1 : Kapitalwertberechnung

Wenn Sie nun eo und alle Barwerte der künftigen vier Zahlungen e, bis e4addieren, erhalten Sie den Kapitalwert K der Zahlungsreihe:

, In der Literatur werden auch andere Unterscheidungen zwischen Barwert und Kapitalwertvorgenommen; siehe Hering (2003), S. 20 f ., Fußnote 5. Für unsere Zwecke ist das nichtnötig.

36 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Analog dazu können Sie auch den Kapitalwert eines noch allgemeinerformulierten Zanlungsstrom berechnen. Der Zahlungsstroms sei

Sein Kapitalwert beträgt

K = 6 0 + (1+0-1. 6 1 + (1+i)-2 · 62 + ..... + (hirT . er

Diese Kapitalwertformel läßt sich verkürzt schreiben als

Beispiel

Ein Projekt führt zur Zahlungsreihe (- 100; 50 ; 40; 30 ; 20; 10).Der Zinssatz sei i :: 10 %.

Dann beträgt der Kapitalwert des Projekts

K = - 100 . 1,1° + 50 . 1,r ' + 40 .1 ,1--2

+ 30 · 1,1--3 + 20 - 1,1--4 + 10 ·1 ,1--5

= 20,92

Der Kapitalwert eines Projekts läßt sich auch als derjenige Betrag interpre­tieren, den man dem Projekt zu Beginn entnehmen kann (um zum Beispieletwas zu konsumieren) und sich das Projekt finanziell dann gerade nochselbs t trägt. Dies soll anhand der Tabelle 11.2.1 demonstriert werden .

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Zelteunkt t 0 1 2 3 4 5EZU - 100 50 40 30 20 10e

Entnahme- 20.92- c.

Zinsen- 12,09 - 8.30 - 5.13 - 2.64 - 0.91- i · KB _ -

Kapitalfreisetzung- 37.91 - 3 1.70 - 24.87 - 17.36 -9.09-fe - i·KB,. - c.1 -

Kapitalbindung120.92 83.01 51.31 26,44 9.08 0KB,

Tab. 11.2.1: Finanzplan bei Entnahme des Kapitalwerts

37

In der 2. Zeile stehen die EinzahlungsOberschüsse (EZO) des obigen Bei­spiels. Getestet wird, ob sich zu Beginn tatsächlich der Kapitalwert in Höhevon 20,92 entnehmen läßt und sich das Projekt trotzdem finanziell weitertragen kann.

Die in t = °insgesamt erforderlichen Mittel wären die 100 für das Projektund die 20,92 für die Entnahme (siehe 3. Zeile). Lediglich zur Vereinfa­chung sei zunächst angenommen, daß dazu ein Kredit von 120,92 aufge­nommen werden muß. Der Zinssatz beträgt im Beispiel i = 10 %. NachVerwendung der Kreditsumme sind Mittel in Höhe von 120,92 gebunden ­für das Projekt und den Konsum (siehe unterste Zeile .Kapitalbindunq").

Nach der ersten Periode führt das Projekt in t = 1 zu einem Einzahlungsü­berschuß von 50. Von diesen 50 müssen zunächst die Kreditzinsen ge­zahlt werden. Sie betragen 0,1 ·120,92 = 12,09. Die verbleibenden 37,91können verwendet werden, um den Kredit teilweise zu tilgen oder. allge­meiner formuliert, um gebundenes Kapital freizusetzen. Damit reduziertsich das gebundene Kapital auf 120,92 - 37 ,91 = 83 ,01. Mit dieser Kapi­talbindung geht es dann in die zweite Periode.

Am Ende der zweiten Periode, also im Zeitpunkt 2, erwirtschaftet das Pro­jekt einen Überschuß von 40. Davon sind zunächst wiederum die Kredit­zinsen zu zahlen. Allerdings hat sich die Kreditsumme im Zeitpunkt 1 be­reits auf 83 ,01 reduziert. Deshalb sind nur noch 0,1 . 83 ,01 = 8,30 an Zin­sen zu zahlen. Der Rest in Höhe von 40 - 8,30 = 31,70 kann für eine wei­tere Tilgung des Kredits verwendet werden. Das gebundene Kapital sinktsomit im Zeitpunkt 2 auf 83 ,01 - 31,70 = 51,31. Dieses Kapital ist dann imLaufe der dritten Periode gebunden usw.

38 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Am Ende der letzten Periode erbri ngt das Projekt einen Überschuß von 10.Die Kapitalbindung in der letzten Periode beträgt 9,08. Deshalb sind vonden 10 genau 0,1 . 9,08 = 0,91 an Zinsen zu zahle n. Die verbleibenden9,09 reichen nun gerade aus, um den Kredit in Höhe von 9,08 vollständigzu tilgen (der Überschuß von 0,01 ist nur ein Rundungsfehler).

Wir finden die Aussage bestätigt , daß die Bückflüsse des Projekts geradehoch genug sind, um zu Beginn des Projekts einen Betrag in Höhe desKapitalwerts für eine andere Verwendung auszuschütten . Damit wird auchklar. wie das Vortellhaftlgkeitskriterium auf Basis des Kapttalwertkrtterl­ums lautet:

1.) Ein Projekt ist vorteilhaft, wenn es einen positiven Kapitalwert besitzt.2.) Von mehreren einander ausschließenden Projekten ist dasjenige vor­

zuziehen, das den höheren posi tiven Kapitalwert besi tzt.

Sie werden sich fragen , warum der verwendete Kreditbetrag hier so um­ständlich auch als gebundenes Kapital und Kredittilgungen auch als Kapi­talfreisetzungen bezeichnet werden. Die Begründung dafür liegt darin, daßdie gesamte Rechnung auch für den Fall gilt, daß die Finanzierung nichtOber einen Kredit sondern durch eigene Mittel erfolgt. Statt der geliehenenMittel wären dann eben eigene Mittel gebunden. Lediglich die Interpretati­on der Zinsen ist dann eine andere. Der Zinssatz i ist dann nicht als Kre­ditzins zu interpre tieren, sondern als derjen ige Zinssatz, den man mit deneigenen Mitteln bei der besten Alternative hätte erzielen können. Die Fi­nanzierung des Projekts mit eigenen Mitteln geht mit dem gleichzeitigenVerz icht auf die Verzinsung in Höhe von i einhe r. Deshalb werden demProjekt diese entgangenen Zinsen angelastet. Weil es sich dabei um eineentgangene Gelegenheit (Opportunität) handelt , nennt man solche demProjekt angelasteten Kosten auch Opportunitätskosten. Und weil dieseZinskosten nicht zu einer Auszahlung führen , sondern lediglich für die Kal­kulation dienen, spricht man von kalkulatorischen Zinskosten.

AUfgabe: Barwert und Kapitalwert

Betrachtet wird ein Investitionsprojekt, das in den nächsten drei Jahren je­wei ls am Jahresende folgende Zahlungen erbringt:

(10.000; - 20.000; 50.000)

Der Kalkulationszinsfuß beträgt 0,05.

a) Wie hoch darf die Anschaffungsauszahlung für das Projekt maximalsein , damit es vorteilhaft bleibt?

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

B = 10.000 20.000 + 50.000 = 34.575, 1o 1,05 1,052 1,05 3

Die Anfangsauszahtung dOrfte maxima/34.575, 1 betragen!

39

b) Berechnen Sie nun den Kapitalwert des Projektes für den Fall, daß dieAnscha ffungsaus zahlung 14.575 ,1 beträgt, ohne daß Sie explizit dieKapitalwertformel verwenden!

Die Anfangsauszahlung mindert den Kapitalwert im Verhältnis 1:1. Dadie Anfangsauszahlung nur 14.575, 1 statt der maximal mögtichen34.575,1 beträgt, ist die Differenz (34.575, 1 - 14.575,1= 20.000) derKapitalwert der Investition.

Endwertberechnung

Während sich der Kapitalwert eines Zahlungsstroms auf den Zeitpunkt 0bezieht, bezieht sich sein Endwert auf den Planungshorizont, das heißtauf den Zeitpunkt T. Bei der Betrachtung einer einzelnen Zahlung hattenwir die Endwertberechnung bereits vorgestellt. Der Endwert eines Zah­lungsst roms setzt sich aus der Summe der Endwerte seiner einzelnenEinzahlungsüberschüsse zusammen.

Gehen wir zum Beispiel wieder von dem Zahlungstrom (eo; e-: ea: e3; e4)aus. Der Endwert des ersten Zahlungsüberschusses eo ergibt sich, wennSie eo um 4 Perioden aufzinsen. Für die Berechnung des Endwerts von e,müssen Sie el um 3 Perioden aufzinsen usw. (siehe die folgende Abbil·dung) .

Die Addition der Endwerte der einzelnen Zahlungsübe rschüsse ergibt denEndwert Sr der Zahlungsreihe:

Br :: (1+i)4. ee + (1+i)3 . e, + (1+i)2 . e2 + (1+i)' . ea + e4

Der Endwert des noch allgemeiner formu lierten Zahlungsstroms

beträgt

B ( ')' (1 ')'- ' (1 ')' -'T = 1+1 . eo + +1 . el + +1 . ee + ..... + er

oder verkürzt formul iert

40 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

rB r = L BI . (l + i) T- 1,.,

Zieht man den Term (1+i)T vor den Summenoperator, so offenbart sich derfolgende Zusammenhang zwischen Endwert 8r und Kapitalwe rt K:

r81 :: (1+i l ·I e, (l + ir ' :: (1+il' K

'""

o 2 3

Abb. 11.2.2: Endwert 8r

Zwischen dem Endwert und dem Kapitalwert eines Projekts liegt ein pro­portionaler Zusammenhang vor, und zwar mit dem Proportional itätsfaktor(1+i( Solange dieser Faktor positiv ist, was vorausgesetzt werden kann,bedeute t das :

1.) Wenn der Kapitalwert eines Projekts positiv ist, mu ß es auch der End­wert sein , und umgekehrt.

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 41

2.) Wenn der Kapitalwert eines Projekts A größer ist als der eines Projekts8 , dann muß auch der Endwert von A größer sein als der von B, und um­gekehrt.

Damit ist klar, daß die Vorteilhaftigkeit mit dem Endwertkriterium analog zuder mit dem Kapitalwertkri terium zu beurteilen ist:

1.) Ein Projekt ist vorteilhaft, wenn es einen positiven Endwert besitzt.2.) Von mehreren einander ausschließenden Projekten ist dasjenige vor­

zuziehen, das den höheren positiven Endwert besitzt.

Der Endwert gibt an, welcher Betrag im Planungshorizont nach Abzug derinvestierten Mittel und ihrer (kalkulatorischen) Zinskosten entnommenwerden kann, wenn bis zum Planungshorizont keine Entnahmen vorge­nommen werden.

Fortführung des obigen Beispiels

Zahlungsreihe (- 100 ; 50; 40 ; 30; 20 ; 10)Zinssatz i "" 10 %

Der Kapitalwert von 20,92 wurde bereits ausgerechnet. Dann beträgt derEndwert des Projekts

BT=(l +i)T . K =1,15 .20,92 =33,69.

Stillschweigend wurde hier vorausgesetz t, daß das Laufzeitende des Pro­jekts und der Planungshorizont zusammenfallen. Bei einem Endwertver­gleich zweier Projekte A und B, die unterschiedliche Laufzeiten haben,macht ein Vergleich der Endwerte, die sich auf unterschiedliche Zeitpunktebeziehen, grundsätzlich keinen Sinn - außer, wenn bei positivem Zinssatzder Jrühere" Endwert bereits größer ist als der .spätere". Wenn kein Pla­nungshorizont explizit genannt wird, ist es sinnvoll, die Endwertberech­nung beider Projekte auf die längere Laufzeit zu beziehen . Der Vergleichzwischen den Zahlungsströmen A "" (- 70; 50 ; 50 ) und B "" (- 60 ; 40; 40;40) führt dann dazu, daß sich beide Endwerte auf T "" 3 beziehen sollten.Den Zahlungstrom von A kann man dabei gedanklich um eine Nullzahlungwie folgt erweitern : A = (- 70; 50 ; 50; 0).

Zurück zum Beispiel mit der Zahlungsreihe (- 100; 50 ; 40; 30; 20 ; 10) unddem Zinssatz i = 10 %. Um zu testen, ob in T = 5 tatsächlich 33,69 ent-

42 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

nammen werden können , kann wiederum der nachstehende Finanzplandienen.

Zeitpunkt t 0 1 2 3 4 5EZU 8 1 - 100 50 40 30 20 10

Entnahme-33,69-e. - - - - -

Zinsen-10 - 6 - 2,6 +0,14 +2,15

- j . KB.. -Kapitalfreisetzung

--40 - 34 - 27,4 - 20,14 +21,54-I~ - j·KB.. - 0.\ -

Kapitalbindung100 60 26 - 1,4 -21,54 0KB,

Tab. 11 .2.2: Finanzplan bei Entnahme des Endwerts

In der vorstehenden Tabelle steht in der 2. Zeile der Zahlungsstrom desProjekts. Bis zum letzten Zeitpunkt T = 5 soll nun nichts entnommen wer­den , deshalb sind zu Beginn der Laufzeit lediglich Mitte l in Höhe von 100erforderlich. Sie dienen allein dazu , das Projekt zu finanzieren. Also be­trägt die Kapitalbindung in der ersten Periode 100 (siehe die letzte Zeile).Nach der ersten Periode erbringt das Projekt einen Einzahlungsüberschußvon 50. Davon werden zunächst die Zinskosten in Höhe von 0,1 . 100 =10 abgezogen. Die restlichen 40 dienen zur Verringerung der Kapitalbin­dung . Bei einer Kreditfinanzierung würde man also den Kredit im Umfangvon 40 tilgen. Bei Einsatz eigener Mittel würden von den ursprünglich ein­gesetzten und im Projekt gebundenen 100 nach Abzug der kalkulatori­schen Zinskosten in Höhe von 10 genau 40 wieder frei verfügbar sein. Inder zweiten Periode sind dann nur noch 60 im Projekt gebunden .

Am Ende der zweiten Periode, also in t = 2, erbringt das Projekt 40. Davonsind zunächst die Zinskosten in Höhe von 0,1 . 60 = 6 abzuziehen. Derverbleibende Betrag von 34 reduzie rt die Kapitalbindung für die nächstenPeriode von 60 auf 26.

Am Ende der dritten Periode wird es interessant. In t = 3 bleiben von denProjektrückflüssen in Höhe von 30 nach Abzug der Zinskosten noch 27,4für die Kapitalfreisetzung übrig. Im Projekt gebunden waren in der drittenPeriode aber nur noch 26. Das bedeutet, daß die ursprünglich einge­setzten Mittel samt ihrer Zinskosten bereits am Ende der dritten Peri­ode vollständig aus dem Projekt zurückgeflossen sind. Darüber hin­aus bleibt sogar ein Überschuß in Höhe von 1,4, der zu einer negativenKapitalbindung führt. Dieser Betrag kann zu 10 % angeleg t werden. An

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 43

dieser Stelle wird besonders deutlich , wie wichtig die Annahme eines ein­heitlichen Zinssatzes für Geldanlage und Kreditaufnahme ist.

Im t = 4 sieht es ähnlich aus wie in t = 3, daher nur noch eine kurze Be­schreibung zur Situation im letzten Zeitpunkt T = 5. Aus dem Projekt selbstfließen 10. Zusätzlich bestand während der letzten Periode ein Guthabenin Höhe der negativen Kapitalbindung von 21,54. Zusammen mit den Gut­habenzinsen von 10 % stehen also außerdem 21,54 + 2,15 = 23,69 zurVerfügung. Insgesamt kann nach Abzug der Finanzierungsmittel und ihrerZinskosten an den Investor am Planungshorizont damit 33,69 ausgeschüt­tet werden. Dieser Betrag entspricht dem zuvor berechneten Endwert, waszu zeigen war.

2.1.2 Annuität

Das Kriterium des Kapitalwerts geht von der Maximierung einer einzigenEntnahme am Projektanlang aus. Dagegen ist die Endwertmaximierungmit der Maximierung einer einzigen Entnahme am Ende des Planungsho­rizonts identisch. Es hat sich gezeigt, daß beide Kriterien bei vollkomme­nem Finanzmarkt zur gleichen Vorteilhaftigkeitsentscheidung führen. Da­her liegt der Gedanke nahe, daß auch die Maximierung anderer Entnah­mestrukturen eine identische Vorteilhaftigkei tsentscheidung herbeiführt .

Hilfreich ist zunächst die folgende Überlegung: Eine einzige Entnahme, diein t = 0 vorgenommen werden soll, ist höchstens in Höhe des Kapitalwertsmöglich. Eine einzige Entnahme, die in t = T getätigt werden soll, kannmaximal in Höhe des Endwerts vorgenommen werden. Bezogen auf denZeitpunkt 0 entspricht der Wert des Endwerts aber gerade dem Kapitalwert.Denn wegen Br = (1+i)r . K folgt für den Barwert des Endwerts:

Dies läßt die Vermutung zu, daß die maximal möglichen Entnahmen einenBarwert in Höhe des Kapitalwerts haben. Wie hoch die unterschiedlichenEntnahmen in unterschiedlichen Zeitpunkten genau sind, spielt keine Rolle,solange nur ihr Barwert dem Kapitalwert entspricht. Diese Vermutung wirdsich weiter unten im Modell von Fisher als richtig erweisen ; wir verwendenbereits jetzt diese noch nicht bewiesene Erkenntnis für die Annuitäten­rechnung.

Bei der Annuitätenrechnung wird ermittelt, wie hoch die maximalen Ent·nahmen sind, wenn zu jedem Zeitpunkt bis zum Planungshorizont ein

eich hoher Betrag entnommen werden soll . Als Annuität wird der nach

44 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

jeder Periode gleiche maximale Entnahmebetrag bezeichnet. den das Pro­jekt gerade noch ..verkraftet". Als nachschüssig bezeichnet man die Annui­täten. wenn die stets gleich hohen Entnahmen am Ende jeder Periode, al­so in den Zeitpunkten 1 bis T stattfinden. Eine vorschüssige Annuität gehtdagegen von Entnahmen jeweils am Anfang jeder Periode aus, also in denZeitpunkten 0 bis T-1 . Im folgenden wo llen wir die nachschüsslge Annu~

lt ät betrachten .

Die Annuitäten 9. die nach jeder Periode entnommen werden. sollen ins­gesamt gerade einen Barwert in Höhe des Kapitalwerts K des Projekts ha­ben:

Barwertder Annuitäten----.. Kapitalwert des Projektss-:,

~g .(1 + ir' = K,.,<=> 9 = 1 .K

r:E(1+ir l

,.,

Diese Annuitätenformel läßt sich durch den folgenden kleinen "Rechen ­trick" noch etwas vereinfachen .

Zunächst ersetzen wir den Bruttoz ins (1+i) durch die Variab le q '" 1 + i.Der Nenner N in der Annuitätenformeiläßt sich dann schreiben als

(1): N _1 ~ ~ _T"" q +q +q + ..... +q

Multiplikation beider Seiten mit q ergibt:

(2): N 1 - I -2 ...(f-1)q . "" +q +q + ..... +q

Nun subtrahieren wir die linke Seite der Gleichung (1) von der linken Seiteder Gleichung (2) und die rechte Seite der Gleichung (1) von der rechtenSeite der Gleichung (2). Auf der rechten Seite fallen dabei alle Termeq_l + ..... + q...(f-1) fort. Übr ig bleibt lediglich:

(2)-(1): (q - 1) . N = 1 - q-'

N =1 -,--=-'L

q - 11- (1 +ir T

=

Wir setzen diesen Ausdruck für N in den Nenner der obigen Annuitäten­formel ein und erhalten die vereinfachte Annu itätenformel:

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

19 = i KI1- (1+ ir T •

45

Die Annuität g hängt offensichtlich proportional vom Kapitalwert ab. DerProportionalitätsfaktor wird als Rentenwiedergewinnungsfaktor oderAnnuitätenfaktor bezeichnet, sein Kehrwert als Rentenbarwertfaktor:

. Rentenwiederqewinnunqsfaktor" =1- (1 +i r T

.Hentenbarwerttaktor"

Beispiel

=l - (l+ ir T

i

Mitdenselben Daten wie oben T = 5; i = 10 %, K = 20,92 folgt

9 = 0,1 _20,92 = 0,2638 - 20,92 = 5,521-1 r 5,

Anhand des nachfolgenden Finanzplans soll wieder geprüft werden, obdas Projekttatsächlich in der Lage ist, diese Entnahmen zu tragen.

Zeitounkt t 0 1 2 3 4 5EZU el - 100 50 40 30 20 10

Entnahme- 5,52 -5,52 - 5,52 - 5,52 - 5,52 1-c.

-

Zinsen- 10 -6,55 - 3,76 - 1,69 - 0,41

- i · KB _ -

Kapitalfreisetzung - - 34,48 - 27,93 - 20,72 - 12,79 -4,08-re - i-KS, - 0.1Kapitalbindung 100 65,52 37,59 16,87 4,08 0KB,

Tab. 11 .2.3: Finanzplan bei Entnahme der Annuitäten

Die erste Entnahme findet in t = 1 statt. Von den 50 aus dem Projekt wer·den 5,52 entnommen, außerdem gehen davon die Zinsen in Höhe von0,1 · 100 = 10 ab. Übrig bleiben 34,48, die zur Freisetzung des gebunde­nen Kapitals dienen. In der zweiten Periode ist dann nur noch ein Kapitalvon 100 - 34,48 = 65,52 gebunden. Nach der letzten Periode in T = 5

46 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

reicht der EZÜ in Höhe von 10 gerade dafür aus, die letzte Entnahme, dieZinsen und die Freisetzunq des verbliebenen gebundenen Kapitals zu tra­gen.

Aufgabe: Endwert und Annuität

Der Kapitalwert einer Anlage mit dreiperiodiger Laufzeit beträgt 2 Mio. Eu­ro. Der Kalkulationszins ist i = 0,2.

a) Wie hoch ist d ie Annuität dieser Anlage?

9 ~ K . ANF ~ 2.000.000 . (1+ i)T .i ~ 2.000.000 . 1,2' ·0,2o (1+ i)T - 1 1,23 _1

~ 949.450,5495

b) Wie hoch ist ihr Endwert?

KT ~ Ko. (1+ ijT ~ 2.00 0.000 . 1,2' ~ 3.456.000

Vorschüssige Annuität

In der Literatu r sehen der Rentenwiedergewinnungsfaktor und der Ren­tenba rwertfaktor manch mal etwas anders aus als hier. Das kann zum ei­nen den profanen Grund haben , daß Zähler und Nenner lediglich mit (1+i)Tmultipliziert wurden. Das ändert aber nichts an der Höhe des Faktors. Zumanderen kann es sich aber auch um diejenigen Faktoren hande ln, die beivorschüssiger Annuität gelten, d.h. die erste Entnahme findet dannschon in t = 0 und die letzte in t = T- 1 statt . Bel der Berechnung des Bar­werts der vorschüssigen Annuitäten g"o< läuft der Zeitindex t dann von 0 bisT- 1 und die Annul tätenformel ändert sich dementsprechend.

T-'I g- .(1+ ir' ~ Kt~O

g "", = T l ·KI (l + ir'1=0

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 47

Auch diese Formel läßt sich vereinfachen. Der ..Hechentrick" zur Vereinfa­chung des Nenners NVQI' ist im Vergleich zum Fall bei nachschüssiger An­nuität ein wen ig zu moditzieren:

(1): N 1 _I --2 -3 -(T-l 1-=+ q +q +q + ... +q

Mult iplikat ion beider Seiten mit q-I erg ibt:

(2): -. N _I --2 -3 _Tq . vor '" q + q + q +...+ q .

Wir subtrahieren die linke Seite der Gle ichung (2) von der linken Seite derGle ichung (1) und die rechte Seite der Gleichung (2) von der rechten Seited~r GleichU~_l l( l !. ~uf d.er rechten Seite entfallen dabei alle Termeq + ..... + q . Ubng bleibt:

(2) - (1):

1 -,- qNVOf "' - ­

1- q- l

Einsetzen in die obige Gleichung für gYOl' führt zu

g~

1_q-l= ·K

1_q- T

Wenn im we iteren nicht explizit von vorschüssiger Annuität gesprochenwird. dann ist stets die nachschüssige gemeint.

Annuität als Vorteilhaftigkeltskrltertum

Wir halten fest: Die Höhe der Annuität ist proportional zum Kapitalwert. So­lange der Renlenwiedergewinnungsfaktor positiv ist, was vorausg esetztwerden kann, bedeutet das:

1.) Wenn der Kapitalwert eines Projekts positiv ist, muß es auch die Annui­tät sein, und umgekehrt:

K>O ~ g>O

2.) Wenn der Kapitalwert eines Projekts A größer ist als der eines ProjektsB. dann ist auch die Annuität von A größer als die von B. und umgekehrt.

48 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Wichtig dabei ist, daß sich die Annui täten beider Projekte auf den gleichenPlanungshorizont beziehen.

We nn sich die Annu itäten von A und B auf unterschiedliche Projektlaufzei­ten TAund TB beziehen, genügt die Bedingung gA > 9B nicht mehr, um si­cherzustellen, daß A einen höheren Kapitalwert als B hat. Wenn jedoch Aeine höhere Annuität für eine mindestens so lange Laufzeit wie B ver­spricht (TA~ TB), ist Aeindeutig besser.

Unter diesen Bedingungen ist klar , daß die Vorteilhaftigkeit mit dem Krite­rium der Annuitä t analog zu der mit dem Kapitalwertkri terium zu beurteilenist:

1.) Ein Projekt ist vorteilhaft, wenn es eine positive Annuität besitzt.2.) Von mehreren einander ausschließenden Projekten ist dasjenige vor­

zuziehen , das die höhere positive Annu ität bezogen auf einen einheit­lichen Planungshorizont bes itzt.

Unendliche (oder ewige) Rente

Die soge nannte unendliche oder auch ew ige Rente g" ist eine Annuität,die sich auf einen unendlich langen Planungshorizont bezieht. Formal läßtsie sich leicht ermitteln, indem in der Formel für die (nachschüssige) Annu­ität der Parameter T gegen den Wert Unendlich geh t. Setze T --+ 00 , dannfolgt:

Dieses Ergebnis ist plausibel : Wenn man unendl ich oft eine Rente aus ei­ner Substanz ziehen möchte, darf man nur die von der Substanz erz ieltenÜberschüsse entnehmen. Die Substanz selbst darf nicht angegriffen wer­den. Bei ewiger Rente beträgt der Rentenwiedergewinnungsfaktor also iund der Rentenbarwertfaktor 1/i.

Ein Rückblick auf die drei Kriterien des Kapitalwerts, des Endwerts und derAnnuität macht klar, daß offenbar beliebige Entnahmen möglich sind, so­lange der Barwert des Entnahmestroms dem Kap italwert de r zugrundelie­genden Projektzahlungen entspricht.

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Aufgabe: Unendliche Rente

49

Sie gewinnen bei der "Goldenen Eins" die Sofortrente über 5.000 € monat­lich. Wir nehmen an, daß dieser Rentenanspruch vererbbar ist, d. h. essoll sich um eine unendliche Rente handeln. Aufgrund der unsichererwerdenden GEZ-Gebühren hat die ARD ein Interesse daran Ihnen diesenRentenanspruch abzukaufen und bietet Ihnen dafür sofort 1 Mio. € in bar.Wie werden Sie sich entscheiden , wenn der monatliche Kalkulationszins

a) 0,625 %

5.000 = ia ·ag 8 ' = 5.000 = 5.000 = 800. 000 €o t, 0,00625

~ Angebot der ARD annehmen.

b) (5/12) % beträgt?

5.000 = ib • Bg 8 ' - 5.000 _ 5.000 1.200.000 €o - ---;;:- - 5/1200

~ Angebot der ARD ablehnen.

2.1.3 Interner Zinssatz

Wie bereits festgestellt wurde, ist die Höhe des Kapitalwerts vom Kalkula­sonsztnssatz abhängig . Insofern kann man von einer funktionalen Bezie­"'IUng zwischen dem Zinssatz i und dem Kapitalwert K sprechen , die durch;ine Kapitalwertlunktlon K(i) abgebildet wird .

enn zu Beginn nur eine Auszahlung und nachfolgend nur Einzahlungenauftreten, wird der Kapitalwert mit steigendem i sinken. Das liegt daran,aaß die Anfangsauszahlung undiskcntie rt und damit unabhängig vomZinssatz in den Kapitalwert eingeht und die Einzahlungen bei steigendemZtnssatz immer stärker diskontiert werden. Der Verlauf einer solchen Kapi­,." ertfunktion ist in Abbildung 11.2.3 skizziert.

50 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

K,,{i)

-1

eo=-Ao·· ··· ·· ···· ··· ··· ··· ··· ··· ···· ·· ··· ···· ··

Abb. 11 .2.3: Kapitalwerttunktion einer Investition mit 81> 0 für t <:: 1

Beim Zinssatz von null tritt keinerlei Diskontierung auf und der Kapitalwertentspricht einfach der Summe aller EinzahlungsOberschOsse. Bei einemZinssatz von fast - 100 % geht der Bruttozins q = 1 + i gegen null und dieBarwerte der einzelnen zukOnftigen Einzahlungsüberschüsse werden un­endlich groß, also auch der Kapitalwert des Zahlungsstroms. Deshalb nä·hert sich die Kapitalwertkurve in der obigen Abbildung der gestricheltensenkrechten Asymptote bei i = - 1.

Ein Bruttozinssatz, der gegen null geht, bedeutet, daß alternative Anlagennicht nur keine Verzinsu ng liefern, sondern auch mit einem fast vollständi­gen Kapitalverzehr verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wundert esdann nicht, daß das oben betrachtete Projekt mit er > 0 für t ~ 1 ver­gleichsweise unendl ich wertvoll wird .

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 51

Wenn i gegen unendlich geht, wird unendlich stark abgezinst. Dann wirdder Kapitalwert nur noch durch die Anfangsauszahlung bestimmt. Deshalbnähert sich die Kapitalwertkurve der gestrichelten waagerechten Asympto­te bei eo = - Ao. Bei einem bestimmten Zinssatz i* beträgt der Kapitalwertgerade null. Dies ist der sogenannte interne Zinssatz.

Als interner Zinssatz einer Zahlungsreihe wird derjenige Kalkulations­zinssatz i* bezeichnet, bei dem der Kapitalwert der Zahlungsreihe geradenull ist:

KW) , 0

Da der Kalkulationszinssatz normalerweise ein Ausdruck für die Zinskos­ten des Kapitals ist, könnte man i' als denjenigen Zinskostensatz interpre­tieren, den ein Projekt gerade noch verkraften kann. Je höher i* ist, destobesser wäre das Projekt. Wenn i* den tatsächlichen Kalkulationszinssatz iübersteigt , könnte das Projekt mehr verkraften als tatsächlich erforderlichist und wäre vorteilhaft. In der obigen Abbildung erkennt man das daran,daß der Kapitalwert im Bereich i < t' positiv ist. Bei diesen Kalkulations­zinssätzen i lohnt sich also die Investition. Diese Interpretation ist bei Pro­jekten mit untypischen Zahlungsreihen allerdings mit Vorsicht zu genießen,wie sich unten noch zeigen wird .

Der interne Zinssatz wird über die Nullstellenberechnung eines Polynomsbestimmt. Denn die obige Gleichung lautet ausformuliert:

(1 .•r ' (1 .•)-" (1 .•)~T 0eO+e1 +1 +e2 ' +1 + + er · +1 =

Die linke Seite der Gleichung enspricht einem Polynom 'f-ten Grades mit t'als unabhängiger Variable. Es kann höchstens T Nullstellen haben. Schonbei Polynomen ab 3. Grades wird die Nullstelfenberechnung durch exaktealgebraische Lösung schwierig. Bei Polynomen ab 5. Grades sind alge­braische Lösungen nur noch in Spezialfä llen möglich. Diese Schwierigkei­ten sind jedoch theoretischer Natur, denn für jeden konkreten Zahlungs­strom lassen sich auch numerische Approximationslösungen für die Null­stellen finden. lm folgenden wird das sogenannte Newtonsche Nähe­rungsverfahren vorgestellt..

Dieses Näherungsverfahren kann man sich am besten graphisch klarrna­chen. In Abbildung 11 .2.4 ist eine Kapitalwertkurve dargestellt, deren inter­ner Bruttozinssatz bei q' liegt. Wir gehen nun davon aus, daß wir den ge­nauen Verlauf der Kurve noch nicht kennen und q* bestimmen wollen.

52

K

K(q, ) .- ..~

K(q,) ..+

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

q

q, q, q, q.

Abb. 11.2.4: Newtonsches Näherungsverfahren

Dazu starten wir mit einem beliebigen Wert qo und berechnen den Kapi­talwert K(qo) an dieser Stelle. Anschließend bestimmen wir die Gera­dengleichung der Tangente an der Kapitalwertkurve im Punkt qo. Allge­mein sind Geraden entweder durch zwei Punkte oder durch einen Punktund die Geradensteigung eindeutig bestimmt. Hier ist der Punkt (qo, K(qo))und die Steigung K'(qo) ermittelt worden. Daraus läßt sich die Nullstelle q,der Tangente ermitteln. Nebenbei bemerkt: Wegen q = 1 + j ist auch stetsK'(q) • K'(i).

Aus der Abbildung ist ersichtlich, daß q, auch unmittelbar wie folgt be­stimmt werden kann. Der Ausdruck tan a kann über zwei Wege berechnetwerden.

1.

2.

tan a

tan c

• -1<' ('10 )

Gleichsetzen von 1. und 2. führt zu

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Auflösen nach q, ergibt:

53

Damit haben wir den ersten Näherungsschritt fast beendet. Es bleibt zutesten, wie hoch der Kapitalwert an der Stelle ql tatsächlich ist. Hier ist ernoch nicht gleich null. Deshalb wird ein zweiter Näherungsschritt nötig sein,bei dem q2 ermittelt wird. Hierfür müssen lediglich in der obenstehendenGleichung qo durch q, und q, durch qs ersetzt werden. Weitere Nähe­rungsschritte werden solange durchgeführt, bis der Kapitalwert hinrei­chend nahe an null liegt und man so annähernd q' bestimmt hat.

Beispiel

Ein Projekt hat den Zahlungsstrom (- 100; 50; 40 ; 30; 20; 10). Seine Kapi­talwertfunktion lautet

-, 0 -' 30 .a -4 .sK(q) = - 100 + 50 · q +4 -q + -q +20 ·q + 10 ·q

Wir starten mit einem beliebigen Zinssatz, um zu sehen, welcher Kapital­wert sich zunächst ergibt. Wir nehmen z. B. io = 15 %, also qo = 1,15.Dann ergäbe sich der Kapitalwert K(qol = 9,85. Der Zinssatz ist offenbar zuniedrig und die zukünftigen Einzahlungen müssen stärker abgezinst wer­den, damit der Kapitalwert kleiner wird. Die Frage ist, um wieviel der Zins­satz erhöht werden soll.

Dazu wird die Ableitung der Kapitalwertfunktion an der Stelle qo= 1,15 be­rechnet. Allgemein lautet die erste Ableitung

K'(q) = - 50 · q-' - 80 · q-' - 90 · q-4 _ 80 . q-' - 50 . q-6

An der Stelle qo = 1,15 beträgt die Ableitung K'(qo) =- 203,26. Einsetzendieser Werte in die oben hergeleitete Formel für den ersten Iterations­schritt zu q , ergibt

= _ K(qo) = 115 - 9,85 = 11985q, qo K'(qo) , - 203,26 '

54 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Der Kapitalwert nimmt be i q, = 1,1985 den Wert 0,73 an. Offenbar liegt q,schon nicht mehr sehr weit entfernt vom inte rnen Zinssatz.

Man kan n nun weitere Annäherungen nach dem gleichen Muster durch­führen, um den internen Zinssatz so exakt wie nötig zu erm itte ln. Die Ab­leitung der Kap italwertfunktion an der Ste lle q, = 1,1985 beträgt K'(Q l)::: ~ 174,12. Der zwe ite Näherungsschritt wä re dan n:

q = q_ K(q,) = 11985- 0,73 1,20272 1 K'(ql)' - 174,12

Der Kapitalwert bei 20,27 % beträgt K(20,27) = 0,00338. Das ist schonsehr nahe an der Null. Damit beträgt der interne Zins ungefähr i ~ =20,27 %. We itere Iterat ione n wollen wir uns sparen.

Oben wurde formuliert, daß der interne Zinssatz als derjenige Zinskosten­satz interpretiert werden könnte, den ein Projekt gerade noch verkraftenkann. Dies soll für das vorliegende Beisp iel anhand des nachfolgenden Fi­nanzplans überprüft werden .

Zeitpunkt t 0 1 2 3 4 5EZU

- 100 50 40 30 20 10eZinskosten

- 20,27 - 14,24 - 9 ,02 -4,77 - 1,68- j· · KB . -

Kap italfre isetzung- 29,73 - 25,76 - 20,98 - 15 ,23 - 8 ,32

- Ie - j·KB, · - Col -

Kap italbindung100 70,27 44 ,51 23 ,53 8 ,30

-{),02KB, - 0

Tab. 11.2.4: Finanzplan mit internem Zinssatz

Die Besonderheit dieses Finanzplans besteht allein dari n, daß bei denZinskosten ein Kalku lationszinssatz genau in Höhe des internen Zinssat­zes verwendet wird . Es ze igt sich tatsäch lich , daß das Projekt gerade nochin der Lage ist, Zinskosten in dieser Höhe zu tragen (und natürlich das ge ­bundene Kap ital zu erw irtschaften).

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 55

K LAUSURAUFGABE VOM 18.07.2003: Interner Zins (25 von 100 Punkten)

Sie sehen sich den folgenden Investitionsalternativen gegenüber:1, =(-100 ; 6; 6; 6; 6; 106)1, =(-1 00; 0; 0; 0; 0; 133,82 )Ic=(-100 ; 56; 53)10=(-100; 0; 60 ; 0; 58 ,83)1,=(-100 ; 50; 5; 70 )

a) Geben Sie die Internen Zinssätze für alle Investitionsalternativen an!(Hinweis: Nicht immer ist eine Rechnung nötig; manchmal reicht auch einekurze Erklarung . Das Newtonverfahren ist nur bei einer Alternative sinnvoflanzuwenden.)

i ~ = 6%

.. _'V133,82 1- 60''8 - -- - - 70100 ===

Kuponzinssatz

Zerobondzinssa tz

(2 Punkte)

(3 Punkte)

ie= 6% Darlehen mit konstanter Tilgung

i~ : K~ ~O = - 100+ 60 + 58,83 setzte q2 = pq2 q4

60 58 ,83 a0 =-100 + - + - ,-= P - 0,6p - 0,5883

P P

Auflösen mit p-a-Formet

i~ : NewtonverfahrenI

Ko=O = -100 +50q-1+ 5q-2 +70q-3

K6 = _50q -2 _ 10q-3 - 21Oq-4

Ko(qo )q, = qo- K6fqo)

erste Schätzung qo = ???

q? = 1,11154251

(1 Punkt)

(4 Punkte)

(7 Punkte)

56 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

b) Überprüfen Sie mit Hilfe einer Kapitalbindungstabelle, ob 6 % der kor­rekte Interne Zins der Investition 0 ist! (8 Punkte)

t 0 1 2 3 4

ID -100 0 60 0 58,83

Zinsen - - 6 - 6,36 -3,14 16 -3,330096

Konto - 100 - 106 -52,36 -55,5016 0

Alternative Verläufe der Kapltalwerttunkt ion

Kommen wir noch einmal zurück zu dem konvexen Verlauf der Kapital ­wertfunkt ion im Falle BI > 0 für t 2: 1. Dieser Verlauf läßt sich auch analy­tisch nachweisen. Dazu betrachten wir die allgemeine Kapitalwertfunktionund deren erste und zweite Ableitung:

T

K(i) = L e, (1 + ir ',.,T

K' (i) = L - t . e l (1+ i r (l+l )

1",1

TK" (i) = L t . (I + 1) · 8 1 (1+ ir tt+21

,.,Für e, > 0 mit t 2: 1 folgt K'{i) < 0 und K" (i) > 0 für alle i. Wenn auf die An­fangsauszahlung nur noch Einzahlungen folgen, verläuft die Kurve alsotatsächl ich konvex monoton fallend. Dieser Fall ist ein Spezialfall einer so­genannten Normalinvestition.

Bei NormalInvestitionen treten zunächst nur Auszahlungsüberschüsseund anschließend ausschließlich Einzahlungsüberschüsse auf. Die Zah­lungsreihe besitzt demnach lediglich einen einzigen Vorzeichenwechsel.Sobald neben Bo weitere unmittelbar folgende Einzahlungsüberschüssenegativ sein können, kann allerdings nicht mehr von einer monoton fallen­den Kapitalwertfunktion ausgegangen werden.

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Beispiel

Die Zahlungsreihe sei (-10; - 100; 60; 60).

57

Unter Verwendung der obigen Formel für die Ableitung K'(i) des Kapital ­werts ergibt sich

K'(i) = - 1 . (- 100) . q_2- 2 . 60 . q--' - 3 . 60 . q~

:: 100q....2 _ 120 q-3 _ 180 q-4

Nun ist zu prüfen , welches Vorzeichen K'(i) aufweist.

100 q....2 - 120 q-3 - 180 q-4 > «) O?

Division durch 100 und Multiplikation mit q4ergibt

q2 _ 1,2 q - 1,8 > «) O?

Die linke Seite hat die Nullstellen q l :: 0,87 und q2:: 2,07 bzw. i, :: - 13 %und ie :: 107 %. Da die linke Seite der vorstehenden Ungleichung eine u­förmige Kurve beschreibt , ist die Ableitung K'(i) in den Bere ichenj < - 13 % und i > 107 % positiv. In diesen beiden Bereichen ist K'(i) posi­tiv und dort steigt der Kapitalwert mit steigendem L Die Kurve der Kapital­wertfunktion einer Normalinvestition ist also nicht unbed ingt im gesamtenBereich monoton fallend .

Das Problem des Kriteriums des internen Zinssatzes liegt nicht in seinerErmittlung. Aber es gibt andere Einwände gegen ihn. Ein Polynom T-tenGrades kann mehrere Nullstellen. überhaupt keine Nullstelle oder zumin­dest keine positive haben . In diesen Fällen wäre der interne Zinssatz un­eindeutig, nicht existent oder negativ.

Mit negativen Zinssätzen wurde im obigen Beispiel bereits argumentiert .Ein negativer Zinssatz sagt aus, daß nicht nur keine positiven Kapitalerträ­ge erwirtschaftet werden, sondern auch Teile des eingesetzten Kapitalsverloren gehen . Bei einem negative n Zinssatz von 100 % geht das gesam­te eingesetzte Kapital verloren. Negative Zinssätze über 100 % könntendahingehend interpretiert werden, daß außer dem eingesetzten gebunde­nen Kapital eine Nachschußpflicht besteht. So etwas kann im nachhineinnatürlich passieren. Abgesehen von Krisensituationen machen negativeKalkulationszinssätze bei einer Vorkalkulation allerdings kaum Sinn.Denn dann stünde keine einzige Alterna tive zur Verfüg ung, die wenigstensdas Kapital erhalten läßt. Auf einem vollkommenem Kapitalmarkt - wiebislang unterstellt - würde dies übrigens auch implizieren, daß die Kredit-

58 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

zinsen negativ sind. Welchen Run auf die Banken dies auslöste, mag mansich vorstellen.

Dagegen kann ein einzelnes Projekt durchaus einen negativen internenZinssatz haben. Beispielsweise das Projekt (- 80 ; 70). Der negative inter­ne Zinssatz berechnet sich über:

- BO+ 70 q-l = O

'" q. = 7/8 = 0,875

<=> j· = - 0,125= -1 2,5 %.

Ein Problem für die Verwendung des Kriteriums des internen Zinssatzesstellt dies aber nicht dar.

Problematisch wird es allerdings, wenn es gar keinen internen Zinssatzgibt. Als Beispiel sind in der folgenden Abbildung zwei mögliche Verläufeeiner Kapitalwertfunktion abgetragen, die keinen interne n Zinssatz aufwei­sen. Mit dem Kriterium des internen Zinssatzes kommt man hier nicht wei·ter. Tatsächlich ist das .ooere- Projekt für alle Kalkulationszinssätze vor­teilhaft, weil sein Kapitalwert stets positiv ist. Das "untere" Projekt ist da­gegen in jedem Fall unvorteilhaft. Betde Situationen sind uninteressanteSonderfälle .

Abb. 11 .2.5: kein reeller interner Zinssatz

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 59

Interessanter sind die Fälle, in denen ein Projekt mehrere interne Zins­sätze aufweist.

Beisp iel

Der Zahlungsstrom (- 100; 310; - 220) besitzt die beiden internen Zins­sätze iA = 10 % und ie = 100 %. Der Zinssatz iA = 10 % erscheint plausibler.Tatsächlich wurde jedoch die Anwendung des Vorteilhaftigkeitskriteriumsi* > i eine Fehlentscheidung verursachen. In der nachstehenden Abbildungist die Kapitalwertkurve eingezeichnet. Demnach hat das Projekt nur beiKalkulationszinssätzen , die zwischen 10 % und 100 % liegen, einen positi­ven Kapitalwert . Die Entscheidungsregel i* > i für eine Vorteilhaftigkeitwürde lediglich bei Verwendung von t' = 100 % nicht versagen - und diesauch nur, solange der tatsächliche Kalkulationszinssa tz größer als 10 % ist.

Ko

8,43

- 10

Abb. 11.2.6: mehrdeutiger interner Zinssatz

Die Mehrdeutigkeit des internen Zinssatzes ist erklärungsbedürftig. Wennman den Finanzplan aufstellt, wird allerdings klar, was vor sich geht. Imersten folgenden Finanzplan wird für die Kalkulation der Zinskosteni* =100 % verwendet. Im zweiten Finanzplan setzen wir i* =10 %.

60 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Zeitpunkt t 0 1 2EZÜ 81 - 100 310 -220

Zinskosten - 100 +110- j• . KB,., -Kapitalfreisetzung - - 210 -(-220+110)- te - j·KB,., - c,)' ·1 10

Kapitalbindung KBI 100 - 110 0

Tab. 11.2.5: Finanzplan mit j- '" 100 %

Zeitounkt t 0 1 2EZÜ SI - 100 310 - 220

ZinSk~s~n - 10 +20- j* . K _ -Kapitalfreisetzung

- 300 -(-220+20)-re- j·KB., - c,l-

- 200Kapitalbindung KBI 100 - 200 0

Tab. 11 .2.6: Finanzplan mit r '" 10 %

Bei beiden Zinssätzen scheint das Projekt gerade in der Lage zu sein, dieZinskosten zu tragen, da nichts entnommen wurde und die Kapitalbindungabschließend auf null sinkt. Diese Interpretation ist in diesem Fall aller­dings falsch. Denn unabhängig davon, welcher der beiden internen Zins­sätze im Finanzplan verwendet wird, entsteht nach einer positiven Kapital­bindung in der ersten Periode anschließend eine negative Kapitalb indungin der zweiten Periode (siehe die fettgerahmten - 110 bzw. - 200). Für die­sen Kapitalüberschuß wird implizit angenommen , daß er sich ebenfallszum internen Zinssatz verzinst (siehe die fettgerahmten +110 bzw. +20).

Die implizite Annahme, daß bei negativer Kapitalbindung das Guthabenebenfalls zum internen Zinssatz angelegt werden kann, wird auch alsWIederanlageprämisse bezeichnet. Eine solche Annahme ist abwegig .Daher ist das Kriterium des internen Zinssatz nur dann sinnvoll , wenn dieKapitalbindung (bei Kalkulation mit dem internen Zinssatz) während dergesamten Projektlaufzeit positiv ist. Dies ist bei allen Investitionen, derenZahlungsreihe nur einen Vorzeichenwechsel aufweist, gewährleistet. Einestets positive Kapitalbindung kann aber auch bei Investitionen mit mehre­ren Vorzeichenwechseln vorliegen. In allen diesen Fällen ist der Kapita l­wert genau dann positiv, wenn der interne Zinssatz höher ist als der Kelku-

11.2.1 Entscheidungen auf Bas is des Kapitalwerts 61

lationszinssatz. Dann kan n der interne Zinssatz auch als Rendite auf dasim Zeitablauf gebunde ne Kap ital interpretiert werden.

Aufgabe: Interner Zinsfuß und Vorteilhaftigkeitsentscheidung

a) Was ist eine Normalinvestition?

Die Investitionszahlungsreihe besitzt nur genau einen vorzeicnen­wechsel.

b) Was besagt die sogenannte Wiederanlageprämisse be i Verwendungdes Internen Zinsfußes?

Falls eine negative Kapita/bindung (""Guthaben) auftritt, kann es zumInternen Zins angelegt werden . (Man reinvestiert Geld in die Investiti­on.)

c) Wieso ist d ie Wiederanlagepramisse bei der Entscheidung über dieVorteilhaftigkeit einer Normalinvest ition unnötig?

Negative Kapita/b indung ist bei einer Norma linvestition ausgeschlos­sen!

d) Als Zahlungsreihe eines Investitionsprojektes wird übermittelt:

e,o 1 2

-10.000 3.000 4.0003

1.0004?

Die Größe e, ist durch einen Übertragungsfehler verloren gegangen, nichtaber der Interne Zinsfuß, der mit j*=0,1 angegeben wird .Berechnen Sie e. !

KO(i' )= 0- 10.000+ 3.000 + 4.000 +1.000 +..!i..~o 1.1.14

1,1 1,12 1,13 1,1 4

- 10.000. 1,14 + 3.000 .1,13 + 4.000 .1,12 +1.000 ·1,1= - e4

-4,708 = -e4

6, = 4.708

62 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Äquivalente Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts und auf Ba­sis des internen Zinssatzes

Die Bedingung, unter der die Methode des internen Zinssatzes zur gle i­chen Vorteilhaftigkeitsentscheidun~ führt wie die Kapitalwertmethode,kann analytisch hergele itet werden.

Werden die EinzahlungsOberschOsse ausschließlich zur Deckung derZinskosten j* . KBt_l und zur Kapitalfreisetzung (KBt_1 - KBI) verwendet,gilt:

e, = i" . KBt_l + KBH - KBt

Hierbei wird unterstellt , daß für die Kalkulation der Zinskosten der interneZinssatz angesetztwird. Daraus folgt KBT = Q.

Einsetzen von el in die Kapitalwertformel

ergibt

TK I[(1+; -j .KB,. , - KB.J.q· '

t ~O

Wie oben erwähnt, muß KBT = 0 sein. Außerdem ist auch KB_1 = 0 zu set­zen. Daraus folgt

[ KB (1+ i-). KBo ] ° [ KB (1+ i- j. KBT. , ] · (T· 1)= - 0 + .q + ...+ - T- 1 + .qq q

2 Der Beweis stammt von Hering (1995), S. 55.

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

T-'[ ( 1 'Ol]= I KB"

-1+~ , (l +ir 't=O 1 + 1

• • . T~1

I - I", ,= - . ' L,. KBt · (1+ ir

1 + 1 tz-O

T

= (io ·-i).IKBH ,(l + ir'1~1

63

Wenn die Kapitalbindung in keiner Periode negativ ist (Annahme für sinn­vollen internen Zins), muß die Summe der diskontierten Kapitalbindungenebenfalls nichtnegativ sein. In diesem Fall ist der Kapitalwert stets danngrößer als 0, wenn auch der interne Zins i· den Kalkulationszins i über­steigt.

Das Kriterium des internen Zinssatzes führt darüber hinaus auch dann zu.rich tigen~ Entscheidungen, wenn lediglich die Summe der diskont iertenKapitalbindungen positiv ist. Dabei kann die Kapitalbindung in einzelnenPerioden durchaus negativ sein. Hering spricht in diesem Fall von "techni­scher Äquivalenz" der Kriterien des Kapitalwerts und des internen Zinssat­zes. Die Äquivalenz ist lediglich .technisch", da bei der Bestimmung desinternen Zinssatzes die ökonomisch sinnlose Wiederan lageprämisse ver­wendet werden muß.

Auswahlentscheidung mittels Internem Zinssatz

Der interne Zinssatz ist ein Kriterium mit Haken und Ösen. Zwar läßt sicheinem eindeut igem t' die absolute Vorteilhaftigkeit einer Investition klä­

-eo. Doch die relative Vorteilhaftigkeit zwischen zwei Projekten A und B<ann durch den Vergleich beider jewe ils eindeutiger interner Zinssätze iA­JOd IB- nicht so einfach geklärt werden.

- naheliegender Gedanke wäre, daß A auf jeden Fall besser als B ist,wenn iA- > iB- gilt. Tatsächlich trifft dies aber nur zu, wen n der Kapitalwertwoo Abei allen möglichen Kalkulationszinssätzen I höher ist als der von B,ö!SO wenn gilt: KA(i) > KB(i) für alle i. Dieser Fall ist in Abbildung 11.2.7 dar­;l€'Stelit.

64

K

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Abb. 11.2.7: richtige Auswahl mit internem Zinssatz

Daß das Projekt mit dem höheren internen Zinssatz nicht das bessere seinmuß. sieht man in Abbildung 11.2.8. Trotz lA- > le" Ist der Kapitalwert beiProjekt B für Kalkulationszinssätze i < t größer als bei A.

K

K,(i)

Abb . 11 .2.8: fals che Auswahl mit internem Zi nssatz

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Beispiel

Projekt A hat den Zahlungsstrom (- 80 ; 49,6; 44 ,8).Projekt B führt zum Zahlungsstrom (- 150; 90; 82,5).Daraus ergeben sich die internen Zinssätze iA• = 12 % und 'e' = 10 %.

Die Kapitalwerte beider Zahlungsströme sind gleichhoch , wenn gilt:

_ 80 + 49,6 q' + 44,8 q....2 '" _ 150 + 90 q_l + 82,5 q-2

Dies ist für i '" 7,7 % der Fall.

65

Trotz iA• > le* ist daher für alle Kalkulationszinssätze i < 7,7 % das ProjektB besser als das Projekt A. Ein Test bei i • 6 % bestätigt dies, denn es er­geben sich die Kapitalwerte KA • 6,66 und Ke = 8,33.

KLAUSURAUFGABE VOM 10.10.2003 : Kapita lwertfunktion(20 von 100 Punkten)

Sie sehen sich mit folgender Situation konfrontiert: (Hinweis: Es handeltsich um eine nicht maßstabsgetreue Skizze.)

Kapitalwert

21

x

·100

o. Zins

66 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

a) Handelt es sich bei der abgebildeten Investition um eine Normaunves-lition? (2 Punkte)

Vielleicht, zumindest nicht zwangsläufig.

b) Welche Zahlung fällt im Zeitpunkt 0 an und welchen Wert hat X?(2 Punkte)

-100 und x=-1

c) Wie hoch ist der Interne Zins?

d) Ist der Interne Zins eindeutig , bitte begründen Sie?

(2 Punkte)

(4 Punkte)

Ja. Es handelt sich zwar nicht zwingend um eine Normalinvestition, abernegative Kapitafbindung ist durch den monotonen Verlauf ausgeschlossen.

e) Angenommen der sichere Marktzins sei 8%; in welchem Interva ll mußsich dann der Kapitalwert bewegen? (2 Punkte)

zwischen 0 und 21

f) Angenommen , es handelt sich bei der Investition um ein Projekt mit 2Perioden Laufzeit. Überlegen Sie sich eine mögliche Zablunqsreihe.für die die obige Abbildung stimmen würde! (8 Punkte)

1.Bed.: x + y =1 212. Bed.: x / 1, 1 +y / 1, 12= 100daraus folgt (-100; x =0; y =121)

Differenzinvestitionen

Die Entscheidung zwischen zwei Projekten unter Zuhilfenahme des inter­nen Zinssatzes kann gegebenenfalls auf Basis der sogenannten Dltte­renzinvestltion getroffen werden . Die Differenzinvestition entspricht dem­jenigen Zahlungsstrom, der zusätzlich entsteht, wenn man anstelle des"kleineren" Projekts das "größere" wählt. Im obigen Beispiel wäre der Zah­lungsstrom eB--Ader Differenzinvestition

e B ~ (- 150; 90; 82,5)~ - ( 80; 49,6; 44,8)e B_A ~ (- 70; 40,4 ; 37 ,7)

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 67

Wenn anstelle des kleineren Projekts A das Projekt B gewählt werdenwürde, dann käme es in t '" 0 zu einer Mehrauszahlung von 70. In t '" 1wäre die Mehreinzahlung 40,4 und in t = 2 wäre sie 37,7. Ist dieser Zah­lungsstrom selbst eine Normalinvestition, läßt sich mit Hilfe des internenZinssatzes ermitteln, ob sich die Differenzinvestition lohnt. Ihr internerZinssatz beträgt iB-A- = 7,7 %. Sie lohnt sich also, wenn für den tatsächli­chen Kalkulationszins gilt i -c 7,7 %. Dieses Ergebnis hatten wir bereitsoben bei der Berechnung desjenigen Zinssatzes l '" 7,7 % herausgefunden,bei dem die Kapitalwerte beider Projekte gerade identisch sind.

AUfgabe: Differenzinvestitionen

Gegeben sind die beiden einander ausschließenden Investitionen

I,: (-100; 80; 80) und I, : (- 20 ; 20 ; 16)

sowie der Kalkulationszinssatz i '" 20%.

a) Ermitteln Sie die beiden Internen Zinssätze!

i~ : - 100 + 80lq + 801q2", 0

- 100 q2+80q +80 = O

q2-0,8q -O,8",0

/. q'

/ : (-100)

i ~ :

q~ : 0,4 +1- ) 0,4' +0,8 . 0,4 +1- 0,98= 1,38 bzw. - 0,58 (önon. unsinnig)

i~ =38 %

- 20 + 20lq + 161q2 ", 0

q2-q -0,8 ",Q

/ : (- 20)

q~ '" 0,5 +/- ~0,52 +0,8 "'" 0,5 +/- 1,02

'" 1,52 bzw. - 0,52 (akon. unsinnig)

i~ =52%

68 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

b) Beurteilen Sie allein mit Hilfe des internen Zinssatzes, welches Projektbesser ist!

te zwar mit höherem Int. Zins , aber geringerer Kapitalbindung.Daher Betrachtung der Differenzinvestition: Ist Ubergang von ..kleiner" In­vestition 18 zu "großeru Investition IA vorteilhaft?

Differenzinvestition lA-la"" (- 80; 60; 64)

Berechnung des internen Zinssatzes i~_B :

- 80 + 60lq + 641q2=0

-80q2+60q+64 = 0

/ . q'

/ : (-80)

q'-0,75q-0,B = 0

qA-B = 0,375 +1- JO,375' + 0,8 = 0,375 +1- 0,97= 1,345 bzw. - 0,595

i~_B = 34,5 %

ist größer als i = 20 %. Also lohnt Übergang zu "großer" Investition JA-

c) Zusätzlich gebe es eine dritte Alternative lc = (-50; 100; 0) mit

i~ = 100 %. Beurteilen Sie wiederum mit dem Internen Zinssatz, ob lc nun

die beste ist?

Vergleich mit JA ausreichend, da aus b) hervorgeht, daß IA die vorteilhafte­re Investition ist.

Differenzinvestition JA-c "" (-50; - 20; 80)ist Normalinvestition, da nur ein Vorzeichenwechsel. Also Methode des In­ternen Zinses anwendbar.

Berechnung des Internen Zinses i~ _c:

- 50 - 20lq + BOlq' ~ 0 / . q'

/ :(-50)

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

q~-<: = - 0,2 +/- ~0,04+1,6 = - 0,2 +/- 1,28'" 1,08 bzw. - 1,48

i~_c"'8 %

69

ist kleiner als i '" 20 %. Also lohnt sich Übergang von tc nach IA nicht. tc istam besten.

Erkenntnisse zum internen Zinssatz

Der interne Zinssatz ist oft nur numerisch lösbar, dies stellt aber kein be­sonderes Problem dar. Echte Probleme können bei Investitionen, derenZahlungsreihe mehrere Vorzeichenwechsel aufweist, entstehen. Dannkann der interne Zinssatz mehrdeutig sein. Bei Normalinvestitionen ist dieVerwendung des internen Zinssatzes unproblematisch. Die Auswahlent­scheidung zwischen zwei Projekten mit dem internen Zinssatz kann gege­benenfalls anhand der Differenzinvestition vorgenommen werden. Alles inallem muß man aber sagen, daß die Gewährleistung einer richtigen Ent­scheidung auf Basis des internen Zinssatzes eher mühsam ist. SolcheProbleme gibt es beim Kapitalwertkriterium nicht.

2.1.4 Einbeziehung von Steuern

Im Rahmen der Vorteilhaftigkeitsentscheidung über Investitionen sindSteuern vor allem deshalb zu berücksichtigen, weil sie die Vorteilhaftigkeitumkehren können. Ebenso können Projekte durch die Berücksichtigungder Steuerwirkungen erst vorteilhaft werden. Man mag dabei zunächst aneine besondere steuerrechtliehe Förderung, die nur für bestimmte Investi­tionen gilt, denken. Doch es zeigt sich, daß bereits ein ganz simples,scheinbar entscheidungsneutrales Steuersystem Auswirkungen auf dieVorteilhaftigkeit haben kann.

Im folgenden gehen wir von einem festen Steuersatz auf Gewinne aus.Eventuelle Verluste sind unbegrenzt steuerlich abzugsfähig. Wichtig ist,daß nicht Einzahlungsüberschüsse, sondern Gewinne besteuert werden.Ansonsten würde ja zum Beispiel auch eine Kreditaufnahme besteuertwerden. Unterschiede zwischen Gewinn und Einzahlungsüberschuß be­stehen, weil einige Gewinnbestandteife nicht zu entsprechenden Einzah-

70 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

lungsOberschüssen führen. Beispie lsweise erhöht die HOherbewertung ei­nes Grundstücks den Gewinn, führt aber zu keiner entsprechenden Ein­zahlung in derselben Periode '"nicht einzahlungswirksamer Ertrag~). E­benso mindern Abschreibungen den Gewinn, obwohl sie nicht zu Auszah­lungen in derselben Periode fOhren (.nicht auszahlungswirksamer Auf­wand"). Außerdem gibt es Einzahlungen, die nicht gewinnerhöhend sind,wie beispielsweise eine Kredttautna hme. Es gibt auch Auszah lungen, dienicht gewinnmindemd sind. wie etwa der Kauf eines Vermögensgegens·tands.

Lediglich zur Vere infachung der Analyse sollen im folgenden alle Einzah­lungsOberschOsse in derselben Periode gewinnwirksam sein. Der einzigeUnterschied zwischen dem Gewinn GI und dem Einzahlungsüberschuß el

der Periode t soll in der Abschre ibung dl liegen, die zwar den Gewinn min­dert , aber in t nicht den Einzahlungsüberschuß mindert. Dann ist der Ge­winn, den eine Investition im Zeitpunkt t erzielt :

Die zahlungswirksamen Anschaffungskosten Ät:J für das Projekt, über daszu entsche iden ist, werden über dessen Laufzeit vollständig abgeschrie­ben :

Der Steuersatz wird mit v bezeichnet. Dann beträgt die Steuerzah lung

St '" v · Gt '" v . (e, - dJ

Nach Abzug der Steuerzahlung bleibt als Einzahlungsüberschuß nachSteuern übrig:

Interessant wird es nun beim Katkulationszinssatz. Wir bezeichnen mit idenjenigen Kalkulationszinssatz. der ohne Berücksichtigung von Steuernanzusetzen wäre. We nn nun Steuern berücksichtigt werden sollen , mußkonsequenterweise bedacht werden, da ß auch die Alternativanlage derBesteuerung unterliegt. (Strenggenommen kann durch die Berücksichti­gung von Steuern die nächstbeste Alternativanlage sogar eine andere seinals ohne Steuern ; das lassen wir mal beiseite.)

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Beispiel

71

Aus der Alternativanlage in Höhe von 100 fließen Zinserträge in Höhe von10 % . 100 = 10. Der Steuersatz sei v = 30 %. Dann mindert sich der Zins­ertrag um 0,3 . 10 = 3 und beträgt nach Steuern nur noch 7. Der Zinssatznach Steuern wäre damit 7 %. Er Ist damit um genau den Steuersatz von30 % geringer als der Zinssatz vor Steuern.

Allgemein ergibt sich der Kalkulati onszinssatz I. nach Steuern aus demKalkulationszinssatz I vor Steuern Ober die Gleichung

is= i· (1 -v)

Der Bruttozinssatz nach Steuern ist

Auf Basis dieser Klärungen läßt sich nun der Kapitalwe rt K. nach Steu­ern formulieren:

K. - A, +T

L: (e,- s,)· q,-'t=l

Der Kapitalwert K vor Steuern beträgt dagegen

K = - Ao +T'\' - tL. e, .q1=1

Der Unterschied zwischen K, und K besteht in den Einzahlungsüber­schüssen und in dem angesetzten Kalkulationszinssatz. Im Vergleich zu Ksind bei K, die EinzahlungsOberschüsse wegen der Steuerauszahlungengeringer.3 Das mindert den Kapitalwert und wird als Volumeneffekt be­zeichnet. Gleichzeitig ist der bei K, angesetzte Kalkulationszinssatz kleinerals bei K. Das erhöht den Kapitalwert, weil die künftigen EinzahlungsOber­schüsse weniger stark diskontiert werden." Dies wird als Zinseffekt be­zeichnet. Volumeneffekt und Zinseffekt wirken offenbar gegenläufig undlassen sich gut in Abbildung 11 .2.9 veranschaulichen.

J Um die Interpretation eingänger zu machen, sei davon ausgegangen, daß alle Gewinnepositiv sind. Ansonsten gäbe es vereinzelt Steuertückerstattcnqen und dieEinzahlungsüberschiissenach Steuern wären höher als vor Steuern.• Wiederum der leichten Interpretation halber wird hier unterstellt, daß alleEinzahlungsüberschiisse nach Steuern positiv bleiben.

72

K

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Volumen

effekt

i.o. 0

o •• • • •• 0 0 ......- ,

Ks(eS;Zins)

Abb. 11 .2.9: Zins- und Volumeneffekt

Zins

K(e;Zins)

Die durchgezogene Kurve bildet die Funktion des Kapitalwerts der Einzah­lungsüberschüsse vor Steuern (e) in Abhängigkeit vom Kalkulationszinse­satz ab. Die gestrichelte Kurve spiegelt die Kapitalwertfunktion wider,wenn man die Einzahlungsüberschüsse nach Steuern (es) ansetzt. Da dieEinzahlungsüberschüsse nach Steuern kleiner sind als vor Steuern (voneventue llen Steuerrückzahlunge n sei abgesehen), ist ihr Kapitalwert beigegebenem Kalkulationszinssatz kleiner als der Kapitalwert der Einzah­lungsüberschüsse vor Steuern. Dies entspricht einer Verschiebung derKapitalwertkurve nach unten.

In einem ersten Schritt lassen wir die Minderung der Einzahlungsüber­schüsse durch die Besteuerung zunächst außer acht und berücksichtig ennur, daß durch die Steuer der Kalkulationszinssatz von i auf i, sinkt. Diesentspricht einer Bewegung auf der durchgezogenen Kurve nach links.Durch diesen Zinseffekt steigt der Kapitalwert .

Im zweiten Schritt wird nun berucks ichtigt, daß nicht nur der Zinssatz sinkt,sondern auch die Einzahlungsüberschüsse. Dies entspricht einer Bewe­gung von der durchgezogenen auf die gestrichelte Kurve. Der volumenet­tekt senkt eindeut ig den Kapitalwert.

Die Abbildung zeigt den interessanten Fall, daß der (positive) Zinseffektstärker ist als der (negative) Volumeneffekt. Insgesamt entsteht durch dieBesteuerung daher ein höherer Kapitalwert. Weil dieses Ergebnis auf den

11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 73

ersten Blick paradox erscheint, spricht man auch vom sogenannten Steu­erparadoxon.

Ein genauerer Blick löst das Paradoxon auf. Der Kapitalwert sagt nämlichetwas über die Vorteilhaftigkeit gegenüber einer Alternative aus. Die Alter­native spiegelt sich im Kalkulationszinssatz wider. Oie obige Steueranaly­se berücksichtigt, daß auch die Alternative besteuert wird. Wenn nun derKapitalwert durch die Besteuerung steigt, bedeutet das, daß die vorteilhat­tigkeit gegenüber der Alternative bei Berücksichtigung von Steuern größerwird. Das ist keineswegs paradox.

Steuereffekte analytisch

Wie hoch der Zins- und Volumeneffekt jeweils sind, läßt sich genau be­rechnen. Dazu wird ein Kapitalwert gebildet, der auf Einzahlungsüber­schüssen nach Steuern eS, aber dem Kalkulationszinssatz vor Steuern ibasiert. Ebenso wird ein Kapitalwert verwendet, der auf Einzahlungsüber­schüssen vor Steuern e, aber dem Kalkulationszinssatz nach Steuern i,beruht.

Um jeweils deutlich zu machen, worauf sich der jeweilige Kapitalwert be­zieht, werden in die Kapitalwertfunktion die jeweils verwendeten Größenangegeben. Es sind

e Zahlungstrom vor Steuern

eS Zahlungsstrom nach Steuern (e" = e - s)

Kalkulationszinssatz ohne Steuern

is Kalkulaticnsztnssatz mit Steuern

Die Differenz zwischen dem Kapitalwert nach Steuern K(eS; is} und demKapitalwert vor Steuern K(e; i) läßt sich nun durch geschicktes Umformu­lieren in einen VolumeneHekt und einen Zinseffekt aufspalten:

74 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

• K(e$; is) - K(e; is) + Kle; i,1- Kte: i), / , /

V v

Volumeneffekt + Zinseffekt

A A, , , ,

+

= t ~ S t · q s - t + et · (q s- l _q - I )},.,'-----y-------'Volumeneffekt < 0::: Barwert der

Steuerzahlungen

Zinseffekt" > 0::: Erhöhung des Barwerts

der e, durch Zinssenkung(beachte: qs < q -+ qs-l > q_l)

Beisp iel eines Steuerparadoxons

Gegeben seien folgende Daten :• Einzahlungsüberschuß vor Steuern e = (- 100; 20 ; 30; 40 ; 45)• Abschreibungen d = (0; 40 ; 30 ; 20 ; 10)• Zinssatz vor Steuern i ::: 10 %• Steuersatz v ::: 50 %Dann beträgt der Zinssatz nach Steuern is ::: i . (1 - v) == 5 %.

Der jeweilige Periodengewinn GI ergibt sich aus der Differenz von Ein­zahlungsüberschuß und Abschre ibungen. Die Steuerzahlung SI erfolgt inHöhe des Steuersatzes v auf den Gewinn. Der Einzahlungsüberschußnach Steuern entspr icht dem Einzahlungsüberschuß vor Steuern ab­züglich der Steuerzahlung. Die Eintragungen finden sich in Tabelle 11 .2.7.

11.2.1 Entscheidungen auf Basisdes Kapitalwerts 75

t 0 1 2 3 4

e, - 100 20 30 40 45K(e;l)=3 76

d, - 40 30 20 10G,

- 20 0 20 35= e.v-d -

S, - 10 0 10 17,5-v· G -

e,'- 100 30 30 30 27,5 K(eS

; Is)=el-s\ = 4,32

Tab. 11. 2.7: Steuerparadoxon

Im Ergebnis ist der Kapitalwert nach Steuern um 4,32 - 3,76 = 0,56 höhera s derjenige vor Steuern. Offenbar wird die alternative Anlage durch dieSteuer stärker beeinträchtigt als das zu beurteilende Projekt. Der Gesamt­effekt von 0.56 teilt sich wie folgt auf:

Volumeneffekt

T

'} - SI . q, -I =-(-10) .1,05-1 - 0 - 10 . 1,05-3 - 17,5 .1,05- 4 =- 13,51.,

Zinseffekt

' e .(q -1_ q_l)- ' s..,: 20 · (1,05-' - l,r ' )+ 30 · (1,05-2 _ 1,1-2 )+ 40 · (1,05- ' - l,r' )+ 45 · (1,05-' - 1,1-')

= 14,07

Aufgabe: Volumen- undZinseffekt

\IIon einem Projekt sindbekannt: Der Kapitalwert seiner Zahlungen- vor Steuern mit Kalkulationszins vorSteuern: Ko(e; i) = 520- vor Steuern mit Kalkulationszins nach Steuern: Ko(e; ls) = 680- nach Steuern mitKalkulationszins nach Steuern: Ko(es; is) =490.

~ hoch sind Zins-, Volumen- und Gesamteffekt der Steuer? Liegt einSleuerparadoxon vor?

76 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Wenn der Zinseffekt stärker ist als Volumeneffekt: --J- .Steuerpereaoxon"

Gesamteffekt:Ko(es; i,J - Ko(e; i) = 490 - 520 = - 30 < 0 -+ kein Steuerparadoxon

Zinseffekt:Kole;iJ-Kole;i) = 680 -520 =160

Vofumeneffekt:Ko(eS;i,J -Ko(e;i,J = 490 - 680 = - 190

2.1.5 Einbeziehung nlcht-tlacher ZInskurven

ZInsstrukturkurven

Bis zu dieser Stelle war der Zinssatz unabhängig davon, welche Laufzeitbetrachtet wurde. Realistischer ist es, von Zinssätzen pro Periode auszu­gehen, die um so höher sind, je länger die Laufzeit währt. Demnach istbeispielsweise der Zinssatz pro Jahr bei einer 10-Jahres-Anleihe höher alsbei einer Anleihe mit 2-jähriger Laufzeit. Zwingend ist dies aber nicht. Dienachstehende Abbildung soll folgendes verdeutlichen : Wenn der Zinssatzpro Jahr unabhängig von der Laufzeit ist , so liegt eine f lache Zinsstruk­turkurve vor. Steigt der Zinssatz mit der Laufzeit, so spricht man von einernormalen ZInsstruktur. Sinkt er, so besteht eine inverse Zinsstruktur.

i,

~..... ....... ......... ......'.li '"•... ....... ....... " .

flache

............normale......

' .."<.. Inverse....' . ' .....

Laufzeit t

Abb. 11.2.10: Zinsstrukturkurven

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 77

Achtung: il steht hier nicht für den Zinssatz , den man für die Periode t er­hält, sondern für den Zinssa tz pro Periode bei Laufzeit vom Zeitpunkt 0 bisl Eine normal e Zinsstruktur führt zum Beispiel nicht zwingend dazu, da ßdie Zinssätze einer bestimmten Finanzanlage von Periode zu Periodesteigen müssen. Innerhalb der Laufzeit können die Zinssätze für alle Peri ­oden durchaus konstant sein. Nur sind diese Zinssätze eben höher als die­jenigen bei kürzerer Laufzeit.

Arten von Zin ssätzen

Bei nichtflacher Zinsstruktur und mehrperiodige r Betrachtung sind ver­schiedenen Arten von Zinssätzen zu unterscheiden.

1.} Kassazlnssä1ze

Kassazinssätze beziehen sich auf Geschäfte. die sofort durchgeführt wer­den. Sogena nnte Zerobond·Zin sen werden erst am Laufzeitende geleis­tet (samt Zinseszins). Es gibt also keine zwischenzeitliche Zinszahlung.Dagegen sind Kupon-Zinsen bereits während der Laufzeit zu zahlen .

Bei nichtflacher Zinsstruktur gilt folgende Notation:

iOt Kupon-Zinssätze mit Laufzeit von 0 bis tZOt Zerobond-Zinssätze mit Laufzeit von 0 bis t

Dazu jeweils ein Beispiel für einen Zahlungsstrom:

Wertpapierkauf mit 3 Perioden Laufzeit zum Kurswe« von 10.000und .....

a Zerobord-Zinssatz Zoo = 6 %

e,o

- 10.000 o2o

3(1,06)' . 10.000= 11.910, 16

~ UerKurswert soll hierdem sogenannten Nennwert entsprechen. Das ist der Wert.U den sich der Zinssatz bezieht.

78 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

b) Kupon-Zinssatz 103 = 6 %

e,o

10.0001

6002

6003

10.600

Die einzelnen Zeitpunkte werden hier mit dem Index t bezeichnet, da derParameter t für die Laufzeit der jeweiligen Anlage steht.

2.) Terminzinssätze

Terminzinssatze sind Zinssä tze für Geschäfte, die jetzt vereinbart, abererst künftig durchgeführt werden (Termingeschäfte). Diese Zinssätze hei­ßen auch Jcrwaro rates". Die Durchführung der Geschäfte beginn t nichtbereits im Zeitpunkt 0, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt s. DasEnde der Laufzeit werde wiederum mit t gekennzeichnet. Terminzinssätzekönnen ebenfallsals Zerobond- oder als Kupon-Zinssatz ausgestaltet sein.

Die Notationsei

Zst Zerobond·Zinssatz mit Laufzeit von s bis tist Kupon-Zinssatz mit Laufzeit von s bis t

Wiederum zwei Beispie le für entsprechende Zah'unqsströme:

Wertpapierkauf im Zeitpunkt 0 auf Termin für den Zeitpunkt 2 zum Termin­kurs 10.000 mit Laufzeit bis 4 und .....

a) Zerobond-Zinssatz ZN = 6%

t

e,

o

o

1

o

2

- 10.000

3

o

4

(1 ,06)' . 10.000=1 1.236

b) Kupon -Zinssatz i24 = 6%

o 2 3 4

e, o o - 10.000 600 10.600

6 Der Terminkurs soll hier dem Nennwert gleichen.

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 79

Der Wertpapierkauf und seine Konditionen werden also bereits im Zeit­punkt 0 verbindlich vereinbart. Die entsprechenden Zahlungen folgen abererst bei Ausführung des Geschäfts ab dem Zeitpunkt 2. Beim Zerobondsind die Zinszahlungen erst am Laufzeitende fällig. Dagegen werden Ku­ponzinsen auch während der Laufzeit gezahlt.

Wenn im folgenden von Terminzinssätzen die Rede ist, sind damit stetsZerobond-Zinssätze gemeint. Die Terminzinssätze in Form von Kupon­Zinssätzen werden keine große Rolle mehr spielen.

Zinssatzarten und Kapitalwertberechnung

:s steUt sich nun die Frage, mit welchen der vorgestellten Zinssatzartenoer Kapitalwert eines gegebenen Zahlungsstroms zu diskontieren ist. AlsSeispiel nehmen wir den Zahlungsstrom e = (-100; 40 ; 60). Die Kapital­wertberechnung hätte die Struktur

K = - 100 +40

- - +1+ ?

60(1+ ?)2

zu verwendenden Zinssätzen kämen diejenigen in der Abbildung!L2.11 in Betracht.

-40I

------=::=:::----:;----- 00

.......... ZOl = lo1 ••• ••••~~ " .-- -- __ Z 02-

..... z .,~•• •• • 12 • • o·

• •• 0 0 • 0 0 • 0 0 ••• 0 .,.,.,.,. 'P"-----Abb. 11 .2.11; Arten von Zinssätzen

80 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Zur Diskentierunq der 40 um eine Periode kämen überhaupt nur die Zins­sätze i02 und ZOl bzw. 10 1 in Frage,7 Der Zinssatz i02 sollte allerdings nichtverwendet werden . Denn er ist ein Zinssatz , der eine Kapitalbindung biszum Zeitpunkt 2 voraussetzt. Die Zinssätze Zol bzw. 101 sind dagegensinnvoll verwendbar.

Zur Diskontierung der 60 um zwei Perioden komme n zunächst alle obigenZinssätze in Frage. 102 und Z02 beziehen sich auf die vollen zwei Perioden.ZOI bzw. i01 und Z 12 gelten zwar jeweils nur für eine bestimmte Periode. Siekönnten allerdings hintereinandergeschaltet verwendet werden . Nicht ver­wendet werden kann aber wieder einmal der Kupon-Zinssatz i02 . Denn ei­ne Anlagemöglichkeit mit Ica. die zu 60 im Zeitpunkt 2 führt , wäre mit einerzwischenzeitliehen Ausschüttung im Zeitpunkt 1 verbunden (über derenWiederanlage nichts ausgesagt wird). Die 40 im Zeitpunkt 1 werden aberbereits im zweiten Summanden der obigen Kapitalwertformel berücksich­tigt.

Als Lösungen bleiben damit die beiden Kapitalwertberechnungen

K - 10040 60· + -- +

1+ ZOl (1+ zoz)z

oder

K - 100 40 60• + -- +

1+ ZOl (1+z1Z l ·(1+z0 1l

übrig, aber ni cht

K - 100 40 60• + -- +

1+ Z Ol (1+ ioz)zoder

K - 100 40 60• + +

1+ i02 (1+ i02)z

Da die beiden richtigen Lösungen zum selben Kapitalwert führen müssen.muß offenbar gelten :

(1 + zoz)z ::: (1 + zOll . (1+zd

7 Bei Vorliegen nur einer Periode sollten Kupon- und Zerobond-Zinssatz natürlichgleich sein, sofern sie sich auf den gleichen Nennwert beziehen und unterjährigeZinszahlungen beim Kupon nicht vorgenommen werden . Ansonsten wäre einer derbeiden eindeutigbesser.

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapita lwerts 81

Allein aus der Kenntnis der beiden Kassazinssätze ZOl und Z02 läßt sich al­so berech nen, wie hoch der Terminzinssatz Z 12 sein muß. Sofern Term in­zinssätze auf eine solche Weise impliz it berechnet werden, nennt man sieauch "impl izite Terminzinssätze".

Beispiel

Die Kassaz inssätze ZOI = 4 % und Z02 = 5 % seien bekannt. Dann beträgtder impl izite Term inzinssatz

1,052

- 11,04

"" 0,06 = 6%

Ein Test ergibt, daß die Anlage von 1 € für zwe i Perioden immer gleich vielergibt, unabhängig davon, ob zwe i einperiodige Anlagen hintereinander­geschal tet werden oder ob eine unmittelbar zweiper iodige An lage gewähltwird:

a) hintere inandergeschaltete einperiodiqe Anlagen mit ZOl und Z 12 erbrin­gen

1 e 1,04 · 1,06= 1,1024€

b) die zweiperiodige Anlage mit Z02 erwirtschaftet

1 €. (1,05)' = 1,1025€.

Der kleine Ergebnisunterschied zwischen a) und b) ist nur ein Rundungs­tehler.

Prinzip der Arbitragefreiheit

Wir haben gerade einen Grund satz verwendet, der erst noch vorgestelltwerden muß. Und zwar sind wir davon ausgegangen, daß unabhängig da­von, welcher Zinssatzart man sich bedient , das gleiche Ergebnis (hier inForm des Kapitalwerts oder des Endwerts) herauskommen sollte . DiesesPrinz ip ist verallgemeinerbar und heißt Prinzip der Arbitragefreiheit. Essagt zweierlei aus.

82 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

1.) Äquivalente Positionen haben gleiche Preise.2.) Dominante Positionen haben höhere Preise .

Diese beiden Grundaussagen sind insofern noch allgeme in gehalten , alssie nicht festlegen, was .äqulvalent" und "dominant" bedeutet. Im Rahmender Investition und Finanzierung läßt sich dies leicht konkretisieren.

Positionen sind äquivalent, wenn sie zum gleichen Zahlungsstrom führen .Eine dominante Position dagegen hat einen Zahlungsstrom, der bei min­destens einer Zahlung besser und bei keiner Zahlung schlechter ist als derZahlungsstrom der dominierten Position. Zum Beisp iel dominiert das Pro­jekt A mit BA :: (- 90; 60 ; 70) das Projekt B mit es = (- 90 ; 50 ; 70), weil dieZahlung 60 im Zeitpunkt 1 bei A eindeutig besser ist als bei B und ansons­ten keine andere Zahlung schlechter.

Auf vollkommenen Märkten ist Arbitragefre iheit eine notwend ige Bedin­gung für ein Marktgle ichgewicht. Grob formu liert ist ein Markt im Gleich­gewicht , wenn alle Marktte ilnehmer genau diejenigen Käufe und Verkäufezu den Marktpreisen tätigen können, die sie zu diesen Preisen wünschen .Ein vollkommener Markt kann nicht im Gleichgewicht sein, wenn er nichtarbitragefrei wäre . Denn Preisunterschiede bei äquivalenten Positionenwürden solange ausgenutzt werde n, bis die Unterschiede verschwinden.Auf unvollkommenen Märkten kann dies anders sein. Wenn Transaktions­kosten existieren (siehe Abschnitt 1.2), ist es durchaus möglich, daß diePreisunterschiede äquivalenter Positionen nicht hoch genug sind, um diegleichzeitig entstehenden Transaktionskosten zu decken . Auf unvollkom­menen Märkten ist Arbitragefreiheit deshalb keine notwe ndige Bedingungfür ein Marktgleichgew icht.

Arb itragefreiheit ist zwar eine notwe ndige, aber keine hinreichende Bedin­gung für ein Marktgle ichgewicht auf einem vollkommenen Markt. StellenSie sich vor, es gibt nur zwe i Alternati ven der Geldanlage : ein sichere sWertpapier mit Zinssatz 4 % und ein hochriskantes Wertpapier mit Zins­satz 4,1 % (ob Sie die 4,1 % tatsächl ich erhalten , ist unsicher). Dannherrscht zwar Arbitraqefreiheit. weil es keine äquivalente Posit ionen gibtund weil die dom inante Position (die sichere Anleihe) auch einen höherenPreis hat. Denn ihr niedrigerer Zinssatz impliz iert , daß sie für den Käuferteurer ist als die riskante Anleihe. Ob aber der winzige Zinsunterschiedausre icht , um die riskante Anleihe überhaupt verkaufen zu können, er­scheint doch sehr frag lich. Ein Gleichgewi cht ist dann keineswegs gewähr­leistet, obwohl Arbitragefreiheit vorliegt.

Mit dem Prinzip der Arbitragefreiheit läßt sich ebenfalls klären, in welchemVerhältnis verschiedene Arten von Zinssätzen auf vollkommenen Märktenzueinander stehen sollten. Die Höhe der jewei ligen Zinssätze muß so sein,daß bei Anlage eines gegebenen Betrags von 0 bis t jede beliebige Kom-

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwe rts 83

btnatlon möglicher Zinssatze zum gleichen Kapitalwert oder Endwert führt .Nehmen wir die beiden folgenden Alternativen.

Alternative A: Sie legen 1 € in einen Zerobond. der bis t läuft, zum Zins­satz Zot an. In t erhalten Sie dann den Betrag

1 € . (1 + ZOl)t

Al ternative B: Sie legen 1 € in einen Zerobo nd, der bis 1 läuft, zum Zins­satz Zol an. Sie wissen , daß Sie in 1 dann den Betrag 1 € . (1 + ZOl ) erhal­ten. Diesen Betrag legen Sie heute bereits auf Termin von 1 bis 2 zumTerminzinssatz Z12 an. In 2 werden Sie daher Ober den Betrag 1 € . (1 +zOll . (1 + Z12) verfOgen. Diesen legen Sie wiederum bereits heute aufTermin von 2 bis 3 zum Zinssa tz Z23 an usw. In t verfOgen Sie dann überden Betrag

1 € . (1 + ZOl ) . (1 + Z1 2) (1 + Zr.l .t)

Beide Alternativen sind sicher und sollten denselben Betrag erbringen,sonst läge keine Arbitragefreiheit vor :

~---Y"~---_/ '----~---~

Da die Arbitragefreiheit für beliebige Planungszeiträume gilt, gilt sie zumBeispiel auch für die Zeiträume 0 bis s und von s bis 1. Daher konnten o­ben die geschweiften Klammern gese tzt werden . Ersetzt man die entspre ­chenden Ausdrucke , folgt weiter:

(1+ Z01)1

{1+ zos)S

rnit s c t.

Diese Gleich ung gibt den Zusammenhang zwischen den KassazinssätzenZo! und Zas und dem .dazu passenden" Impliz iten Terminzinssatz ZSl an.Einen konkreten impliziten Terminzinssatz , nämlich Z12, hatten wir bereitsoben berechnet.

84 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Über ähnliche Arbi trageüberlegungen lassen sich auch Zusammenhängezwischen Zerobond- und Kupon-Zinssätzen berechnen.

Insgesamt kann festgehalten werden , daß die Berechnung des Kapi tal­werts bei nichtflacher Zinsstruktur auf Basis der Zerobond-Zinssätze undnicht der Kupon-Zinssätze vorzunehmen ist. Arbitragefreiheit ist nur danngewährleistet, wenn die unterschiedlichen Zinssalzarten in einem be­stimmten Verhältnis zueinander stehen .

Noch ein Wort zur Arbitragefreiheit in Verbindung mit einerseits Sachtn­vestitionen und andererseits Finanzinvestil ionen. Bei der Vorteilhaftigkeitvon Investitionsprojekten waren wir immer wieder davon ausgegangen,daß es Projekte mit posit ivem Kapita lwert gibt. Für Realinvestitionen, umderen Durchführung es keinen vollkommenen Wettbewerb gibt , mag dieszutreffen. Finanzinvestitionen finden dageg en eher auf Märkten statt, indenen der Wettbewerb stark ausgeprägt ist. Von allen Märkten kommendie Finanzmärkte dem Ideal des vollkommenen Marktes wahrscheinlicham nächsten. Es macht daher Sinn, gerade dort von Arbitragefreiheit aus­zugehen. Dann sind die Kapitalwerte von Finanzanlagen gerade null, dennbei Wettbewerb wird für die Finanzinvestition genau so viel bezahlt wie derBarwert ihrer künftigen Einzahlungsüberschüsse beträgt.

Aufgabe: Arbi tragefreihei t

a) Was besagt das Prinzip der Arbitragefreiheit?

Äquivalente Positionen müssen den gleichen Preis haben. Dominante Po­sitionen müssen einen höheren Preis haben als dominierte Position en.

b) Angenommen, der morgige Wert dreier Wertpapie re A, B und C der Te­leschrott AG hängt davon ab, ob die Teleschrott AG morgen einen Insol­venzantrag stellt oder nicht:

ABC

Insolvenzantrag122

kein Insolvenzantrag345

Rekonstruieren Sie das Wertpapier C durch eine geeignete Mengenkom­bination der Wertpapiere A und B (beliebige Teilbarkeit vorausgesetzt).

Man nehme z.B. XA u. Xs als gesuchte Mengen der Wertpapiere A und B.

Die Werten twicklung von C wird rekonstruiert, wenn

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts 85

(fnsolvenzantrag):(kein Insolvenzantrag) :

Auflösen (1) nach XA:Einsetzen XA in (2):

2=XA·1+XB ·25=XA ·3+XB·4

xA=2 -2xB5 = (2 - 2 XB)' 3 + 4 XB

2 XB= 1XB= 0,5XA = 2 - 2 XB = 1

(1)(2)

c) Wie hoch muß bei Arbitragefreiheit der heutige Preis Pe eines Wertpa­piers C sein, wenn PA'" 0,2 und pe '" 0,6 sind?

Wenn ein Portefeuille aus 0,5 Wertpapieren B und einem Wertpapier Adasselbe erbringt wie ein Wertpapier C, dann handelt es sich um äquiva­lente Positionen, die denselben Preis haben müssen.

Das Wertpapier C muß dann den gleichen Preis wie das Portefeuille ha­ben:

Pe'" 0,5 .PB+ 1 .PA=0, 5 . 0,6 + 1 · 0,2 =0,5

KLAUSURAUFGABE VOM 07.10.2004: Arbitragefreiheit(20 von 100 Punkten)

Auf einem arbitrage freien Markt sind heute mehre re Wertpapiere (WP)zum heutigen Preis (P) erhältlich . Die Zukunft ist unsicher in der Form, daßEinzahlungen jeweils für zwei alternative Umwe ltzustände (Z) möglich sind,für die zunächst keine Eintrittswahrscheintichkelten beka nnt sein sollen .

Folgende Wertpapiere sind erhäl tlich:

WP P Z 1 Z2

A 100 70 120

B P, 140 240

C 150 ZC 180,D 200 240 200

E PE 190 220

86 11 .2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

a) Wodurch ist Arbitragefreiheit gekennzeichnet?

1. Gleiche Positionen müssen gleiche Preise haben.2. Dominante Positionen müssen höhere Preise haben.

(4 Punkte)

b) Welche Werte können die Variablen Pe, zfgefreien Markt nur annehmen?

(Hinweis: Rechnungen sind nicht nötig)

PB = 2 ·PA = 200

zf = 1 ,5 · Z~ = 105

PE = PA + O,5Po = 200

und PEauf einem arbitra­(6 Punkte)

c) Existiert unter den aufgeführten Wertpapieren eines, das von einemrationalen Individuum bevorzugt werden würden, wenn ja, welches?

(2 Punkte)

Nein, kein WP dominiert oder wird dominiert.

\ r;;"wie hoch schätzt der Markt die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten~ des Umweltzustands 1 ein, wenn alle Wertpapiere die gleiche erwarte-

te Rendite erbringen? (4 Punkte)

nur zwei linear unabhängige WPe: z. B. WPB und WPD

bei Arbitragefreiheit muß dann gelten:

I140 · q + 240 · (1- q)o240 · q + 200 · (1- q) q o 28,5714285 %o %

~Wie groß ist die erwartete Rendite auf diesem Markt?

A ,~ ,tl/)'/ ,\\>y Ci""1-"~ B WP ' - 70 .q+ 120 .(1- q) ""':'I1 571428 0'

sp. A· rA - 100 u =, / 0

(4 Punkte)

Weil es nur zwe i linear unabha ngige WPe gibt und Arbitragefreiheit gilt,is t dies, die Rendite für alle WPe.

11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

2.1.6 Einbeziehung von Risiko

87

Können wir das Kapitatwertkriterium vergessen, wenn die künftigen Zäh­kJngen unsicher sind? Was soll man in die Kapitalwertformel für die Größee, einsetzen, wenn sie nicht bekannt ist? Welcher Kalkulationszinssatz istzu verwenden?

Zur Beruhigung vorweg, das Kapitalwertkriterium kann bei Unsicherheitdurchaus noch verwendet werden. Es muß allerdings modifiziert werden.Man könnte vielleicht anstelle der (unbekannten) Größe el einfach derenErwartungswert E(et) einsetzen. Dann ergibt sich der erwartete KapitalwertE(K) mit

E(K) = E[ ± - et_ J = ± E(e,)I ~O (1 + i)1 I~O (1+ i)'

Bei diesem Vorgehen muß es dem Investor allerdings egal sein, ob er eineunsichere Zahlung e, mit Erwartungswert E(et) bekommt oder ob er einesichere Zahlung in Höhe dieses Erwartungswerts erhält. Jemand, der sichalteirr an solchen Erwartungswerten orientiert, nennt man ris ikoneutral.

Normalerweise ist jedoch davon auszugehen, daß Entscheidungsträger ri­sik oavers sind. Der hier verwendete entscheidungstheoretische Begriffoes Risikos ist von dem umgangssprachlichen zu unterscheiden. In derUmgangssprache wird mit Risiko häufig ein Verlustpotential bezeichnet.Man "riskiert" sein Leben oder den Arbeitsplatz. Dieser Risikobegriff istetnseitig negativ, sein positives Pendant wäre die Chance. Mit dem ent ­scheidungstheoretischen RIsikobegriff ist dagegen beides gemeint,cositive und negative Abweichungen. Positive und negative Abweichungenceziehen sich regelmäßig auf den Erwartungswert der unsicheren Größe.=in risikoaverser Entscheidungsträger ist also jemand, der lieber eine si­cnere Einzahlung in Höhe von fJ als eine unsichere Einzahlung mit Erwar­iJngswert fJ hat.

Beispiel

De Einzahlung e ist unsicher und nimmt jeweils mit Wahrscheinlichkeit50 % die Werte 100 oder 700 an. Ihr Erwartungswert beträgt also 0,5 . 100- 0,5 . 700 '" 400. Ein risikoaverser Entscheidungsträger würde eine slche--e Einzahlung in Höhe von 400 der unsicheren Einzahlung e gegenüberoevorzugen.

88 11.2.1 Entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts

Die Frage ist nun, wie hoch eine sichere Einzahlung sein muß, damit derrislkoaverse Entscheidungsträger gerade indifferent zwischen ihr und derunsicheren Einzahlung e ist? Offenbar kann die sichere Zahlung geringerals 400 sein , sagen wir zum Beispiel 380. Der Untersch iedsbelrag von 20läßt sich als RIsikoprämie interpretieren. Denn die unsichere Einzahlungmuß einen um 20 höheren Erwartungswert bieten, damit der Entschei­dungsträger gerade bereit ist, das damit verbundene Risiko auf sich zunehmen. Oder anders herum: Die 380 werden als sicheres Äquivalent zuder unsicheren Einzahlung e mit Erwartungswert 400 empfunden. Deshalbwerden die 380 auch als Sicherheitsäquivalent bezeichnet.

Wenn Sicherheitsäqu ivalente angegeben werden können , lassen sich un­sichere Zahlungen durch diese einfach ersetzen . Sei RPI die verlangte Ri­slkopämie für eine unsichere Zahlung eh so beträgt das Sicherhei tsäquiva­lent E(el) - RP1• Der Kapitalwert ist dann

K = ±E(e,)-RP,1=0 (1 + i)l

Diese Formel ist auch verwendbar, wenn der Entscheidungsträger garnicht risikoave rs. sondern risikoneutral ist. In diesem Fall verlang t er ebenkeine Risikoprämie und setzt RP1 = 0 für alle 1. Als Sicherheitsäquivalentsteht im Zähler dann nur noch der Erwartungswert.

Die Bestimmung der Sicherheitsäquivalente dürfte allerdings nicht einfachsein, da erstens die Höhe des Risikos identifiziert werden muß und zwei­tens die subjektive Einstellung zu diesem Risiko maßgeblich zu seinscheint. Aus dem objektiven Kapitalwertkriterium bei Sicherhe it würdedann ein subjektives Kriterium bei Unsicherheit. Im übrigen kann es Risi­koverbundbeziehungen zwischen den Einzahlungsüberschüssen der un­terschiedlichen Perioden geben . Das erschwert die Zurechnung von Risi­kopräm ien auf einzelne unsichere Einzahlungen. Ähnlich wie bei Gemein­kosten, die definitorisch keinem einzelnen Kostenträger verursachungsge­recht zugerechnet werden können , müßten solche Verbundeffekte durcheine .Gerneinrlslkoprämle" erlaßt werden .

Man kann diese Einwände heilen, sofern es Marktwerte für die Risikoprä­mien gibt. Das würde bedeuten, daß für bestimmte Risiken bestimmte Ri­sikoprämien vom Markt verlangt werden . Auf die subjektive Einstellungdes Entscheidungsträgers zum Risiko kommt es dann nicht mehr an. Ver­langt der Markt eine geringere Risikoprämie als der Investor , so sollte derInvestor das Risiko auf dem Markt verkaufen . Bietet der Markt eine höhereRisikoprämie als der Investor selbst ver langt, sollte der Investor solche Ri­siken vom Markt kaufen.

.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell) 89

=s gibt noch eine zweite Möglichkeit, wie Risikoaversion bei der Kapital­wertberechnung berücks icht igt werden könnte . Und zwar könnte es einen=..s ikozuschrag auf den Kalkulationszinssatz geben. Während im Zählerediglich die Erwartungswerte stehen , wäre im Nenner derjenige Kalkulati­:aszinssatz anzusetzen , der für entsprechend riskante Zahhmqsüber­scrössa gilt. Wenn mit !'PI der Risikoprämiensatz bezeichnet wird, der auf:ien sicheren Zinssatz draufgesattelt wird, sähe die Kapitalwertfo rmel so2..is:

Der Erwartungswert eines hochriskanten Einzahlungsüberschusses in'" 1 würde dann beispielsweise stärker diskontiert werden und wäre heute

-.eniger wert als ein weniger riskanter Einzahlungsüberschuß in t = 1. Die­se Vorgehensweise ist nicht ganz unkritisch und wird in der Literatur stark

tert, Darauf wollen wir an dieser Stelle verz ichten . Angemerkt sei le-noch, daß riskante Auszah lungen mit negativem Risikoprämien­

satz diskontiert werden müßten. Denn bei positivem rPt wäre der Barwert'3f"I6( riskanten Ausza hlung sonst besse r als der einer sicheren .

2..2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher­Modell)

~ der Herleitung der Annuität wurde bereits die Vermutung verwendet,- ~ es bei vollkom menem Markt für die Vorteilhattiqkeitsüberprüfunq kei­~lIe spielt, wie hoch die unterschiedlichen Entnahmen in unterschied­

Zeitpunkten genau sind. Vielmehr kommt es nur darauf an, daß ihree-eert maximal ist. Dieser Vermutung wird nun näher nachgegangen. Zu

nehmen wir dafür ein Modell von Fisher aus dem Jahre 1930. Eine.-e Idee ist eben zeitlos .

=-;ghers Modell gibt es zwe i Zeitpunkte 0 und 1. Im Zeitpunkt 0 wird in-rt; die Investitionsrückflüsse kommen im Zeitpunkt 1. Ferner möchte

Investor in beiden Zeitpunkten nach Möglichkeit konsum ieren . Außer ­ist entscheidend, ob ihm ein Kapitalmarkt zur Verfügung steht oderZunächst betrachten wir den Fall, daß kein Kapitalmarkt verfügbar

Das Modell wird anhand eines Beispiels präsentiert .

90 11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell)

2.2.1 Subjektive Bewertung ohne Kapitalmarkt

Wenn kein Kapitalmarkt verfügbar ist, muß der Investor auf jeden Fall übereinige Mittel verfügen, sonst kann er weder investieren noch konsumieren .Seine Anfangsausstattung an eigenen Mitteln betrage L = 100. Die sichihm bietenden Sachlnvestttionsmöqlichketten sind in der folgenden Tabelleabgetragen. In der linken Spalte steht das jeweilige gesamte tnvestlnons­volumen 10 und in der rechten Spalte der daraus resultierende Rückfluß I, .Wenn nichts investiert wird, ergibt sich auch kein Ruckfluß. Bei einem In­vestitionsvo lumen von 40 entsteht nach einer Periode ein Ruckfluß von 60 .Wenn insgesamt 80 investiert werden , fließen nach einer Periode 108 zu­ruck usw. Sie erkennen vielleicht, daß die einzelnen Projekte nach ihrenRenditen gereiht sein müssen und das beste Projekt natürlich zuerstdurchgeführt wird . Denn mit steigendem Gesamtvolumen sinkt die Rendite.

Gesamtinvesti tionen 10in t = 0

o40

80

100

Ruckfluß 11

in t = 1

o60

108

124

Tab. 11 .2.8: Investitionserträge

Da kein Kapitalmarkt existiert und der zweite Zeitpunkt auch der allerletzteist, ergeben sich die Konsummöglichkeiten zwangsläufig durch die Sach­investitionsentschefdunqen. Werden zum Beispiel 80 Einheiten investiert,so bleiben von der Anfangsausstattung noch 20 Einheiten für Konsum imZeitpunkt O. Im Zeitpunkt 1 stehen nur die Rückflüsse aus der Investition inHöhe von 108 zur Verfügung. Sie werden vollständig konsumiert, da derZeitpunkt 1 der letzte ist, in dem konsumiert werden kann.

Einer Klärung bedarf noch die Alternative der Kassenhaltung. Erstenskönnte man dies als eine Kapitalanlag emöglichkeit zum Zinssatz null in­terpretieren und wir wollten zunächst eine Situation ohne Kapitalmarkt a­nalysieren. Zweitens wäre es bis zum Investitionsvolumen 80 besser,Sachinvestitionen anstelle von Kassenhaltung zu betreiben, da die Renditeder zusätzlichen Projekte bis dahin größer null ist. Erst bei Ausweitung derSachinvestition von 80 auf 100 steigt der Rückfluß um weniger als der zu-

11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell) 91

satzfleh ertorderliche Investitionsbetrag (Rückflußanstieg 16, Zusatzinves­tition 20). Drittens wäre es kein Problem, die Kassenhaltung zu berück­sichtigen. In diesem Beispiel könnte man das letzte Projekt durch das.Projekt" Kassenhaltung ersetzen. Dann wäre der Rückfluß bei Gesamtin­vestitionen von 100 eben 108 + 20 = 128. Für die folgende Analyse spieltdies alles keine entscheidende Rolle. Zur Vereinfachung lassen wir daherdie Kassenhaltung völlig unberücksichtigt.

Halten wir also fest, daß mit der Sachinvestitionsentscheidung gleichzeitigdie Konsumentscheidung steht. Die möglichen Konsumalternativen sind inder folgenden nicht maßstabsgerechten Abbildung 11.2.12 skizziert. DieVariablen Co und c. , die die Achsen bezeichnen, stehen für den Konsumheute und morgen.

C,

124

108

60

.............•........................~

...-,.....

-,

......-,o 20 60 100

Co

Abb.11.2.12: vier Investitions- und Konsumalternativen

Wenn das gesamte Anfangsvermögen 100 sofort konsumiert wird, bleibtfür den künftigen Konsum nichts übrig. So erklärt sich der Punkt, der aufder Abszisse (x-Achse) liegt. Falls alles investiert wird, kann heute garnichts konsumiert werden. Der morgige Konsum entspräche den lnvestiti­onsrücklfüssen von 124. Diesen Fall stellt der Punkt auf der Ordinate (y.Achse) dar. Werden 40 investiert, bleiben 60 für heutigen Konsum übrigund fließen 60 morgen für Konsumzwecke zurück usw.

Jetzt bleibt die Frage, wieviel investiert werden sollte. Das Ziel des Inves­tors ist seine Nutzenmaximierung. Da unterschiedliche Investoren auchunterschiedliche Präferenzen bezüglich der Konsummöglichkeiten habenkönnen, werden wir zwei unterschiedliche Investortypen betrachten.

92 11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell)

Der Investor vom Typ I habe zum Beispiel die Nutzenfunktion

Die Eigenschaften einer solchen Funktion wurden im Abschnitt 11.1.2.2 be­reits vorgestellt. Der Investor kann sich nun ausrechnen, bei welcher Kon­sumkombination sein Nutzen am höchsten ist. In Tabelle 11.2.9 ist für jededenkbare Investitions- und damit Konsumentscheidung der daraus resul­tierende Nutzen berechnet worden.

I, C l (= I,) CO (= 100-10) u

0 0 100 0

40 60 60 39,84

80 108 20 29 ,10

100 124 0 0

Tab. 11.2.9: Nutzen I

Die zweite Zeile ist zum Beispiel wie folgt zu lesen: Wenn gar nichts inves­tiert wird, folgt auch kein RückfluB. Dann ist der morgige Konsum c, = O.Da nichts investiert wird, kann das gesamte Anfangsvermögen von 100heute konsumiert werden und ist Co = 100. Setzt man die beiden Konsum­werte in die Nutzenfunktion ein, so folgt U = O. Entsprechend sind die an­deren Zeilen zu lesen. Es stellt sich heraus, daß der höchste Nutzen bei 10= 40 erzielt wird. Damit steht das optimale Investitionsvolumen in Höhevon 40 fest. Daraus ergibt sich die optimale Konsumkombination (co; Cl ) =

(60; 60).

Die Optimierung läßt sich auch graphisch darstellen. In der folgendenSkizze sind wieder die vier möglichen Konsumkombinationen als fettePunkte eingezeichnet. Die beiden Hyperbeln stellen Indifferenzkurven desInvestors I dar. Zur Erinnerung: Eine Indifferenzkurve beschreibt alle Kon­sumkombinationen , die zum gleichen Nutzenniveau führen. Je weiterrechts oben eine Indifferenzkurve liegt, desto höher ist das Nutzenniveau.Für den Investor I ist die Konsumkombination (60; 60) optimal, da die an­deren fetten Punkte auf Indifferenzkurven liegen, die sich weiter links un­ten befinden (sie sind nicht eingezeichnet).

11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher -Modell) 93

c,

124

108

60

..............• I.......~ ,

~<,\, ....\.A..

, Jot .....'" '; .....,\ ....

"\ ,". ...\\';

o 20 60 100

Abb. 11.2.13: Optimierung I

Wir betrachten nun einen anderen Investor mit anderer Präferenz. DieNutzenfunktion des Investors 11 sei zum Beispiel

u = eoo., . Cl 0.8

Anhand der Exponenten sieht man schon, daß Investor It vergleichsweisegroßen Wert auf künftigen Konsum legt. Wiederum kann zu den alternati­ven Investitionsentscheidungen die jeweilige Konsumkombination ermitteltwerden. Nach Einsetzen der jeweiligen Konsumkombinationen in die Nut­zenfunktion des Investors II ergibtsich die nachstehende Tabelle.

I, Cl (= I,) Co (= 100-1, ) U

0 0 100 0

40 60 60 39,84

80 108 20 57,13

100 124 0 0

Tab. 11.2.10: Nutzen 11

94 11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell)

Investor 11 erzielt bei 10 = 80 seinen höchsten Nutzen. Die optimale Kon­sumkombination ist nun (20; 108). Graphisch sieht das ungefähr wie folgtaus.

124108

60

~ -....; ~-,

•...•.....

........

1006020o'-----;,;;-------;:-;:--~~------- Co

Abb. 11 .2.14: Optimierung 11

Die Indifferenzkurven des Investors II verlaufen flacher als die des erstenInvestors. Die Ursache ist: Wenn Investor 11 auf eine Einheit C1 verzichtensoll, muß er vergleichsweise viele zusätzliche Einheiten von Co erhalten,um auf das gleiche Nutzenniveau zu kommen. Man spricht auch davon,daß die Investoren unterschiedliche Zeitpräferenzen haben. Schon in derNutzenfunktion fiel auf, daß der Investor 11 insgesamt größeren Wert aufkünftigen als auf gegenwärtigen Konsum legt. Deshalb ist es für ihn auchoptimal, mehr als Investor I zu investieren.

Es zeigt sich hier, daß die optimale Höhe der Sachinvestition von der indi­viduellen Zeitpräferenz des Investors abhängt. Dies hat leider eine unan­genehme Implikation. Wenn mehrere Kapitalgeber eines Unternehmensüber dessen Investitionspolitik zu entscheiden haben, werden sie sichwomöglich nicht über die optimale Investitionspolitik einig sein. Aus dem­selben Grund können sie die Investitionsentscheidung auch schlecht anein Management delegieren. Denn dem Management fehlt ein allseits ak­zeptiertes Kriterium, nach dem es über die Investitionspolitik entscheidensoll. Dies ändert sich, wenn man den Kapitalmarkt mit einbezieht.

11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell) 95

2.2.2 Bewertung unter Einbeziehung des Kapitalmarkts

Oie Präferenzabhängigkeit der Sachinvestitionsentscheidung löst sich auf,wenn ein vollkommener Kapitalmarkt existiert. Nehmen wir zum Beispielan, daß es nun auch möglich ist, zu dem einheitlichen Zinssatz i = 10 %Geld anzulegen und aufzuneh men. Das bedeutet , Zahlungen können imVerhältnis 1 zu 1,1 von heule nach morgen transformiert werden bzw. imVerhältnis 1 zu 0,9090... von morgen auf heule. In Abbildung 11 .2.15 ent­spricht dies der Bewegung entlang einer Gerade mit der Steigung- (1+i) = - 1,1. Da die Bewegung entlang einer solchen Gerade einer Ka­otalmarkttransaktion entspricht, wird sie als Kapitalmarktlinie bezeichnet.

........".

".".

".

••••••

••••••••

".....".....

" .".

-,

".........-,

••••" .

-,-,

-,

'.'.

f\..-,

-,

".-,

Steigung- (1+ i)

c,•

Abb. 11.2.15: Kapitalmarktlinien

..lf\abhängig davon, von welchem Punkt man im dargestellten Quadrantenstartet, kann man sich auf der durch diesen Punkt laufenden Kapitalmarkt­gerade nach links oben oder rechts unten bewegen. Die Bewegung nach

<iIUl oben bedeutet einen Verzicht auf Co und Zuwachs bei c., Offenbar-eodelt es sich um eine Geldanlage. Die Bewegung nach rechts unten be­:eutet einen Zuwachs bei Co und eine Senkung bei Cl. was einer Kredit­armahme entspricht.

.. führen jetzt die Sachinves titionsmöglichkei ten und die möglichen Kapi­talmarkttransaktionen in der nächsten Abbildung zusammen. Eingezeich­..et sind dort nur zwei Kapitalmarktlinien . Die eine führt durch die Konsum-

bination (60; 60) und die andere durch (20; 108). Ausgehend zum Bei­solei von der letztgenannten Konsumkombination kann sich der InvestorJoerlegen, einen Teil der verbleibenden 20 Geldeinheiten auf dem Kapi­anarkt zu 10 % anzulegen, um morgen das t. t -tache zusätzlich konsu-

96 11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Mode

mieten zu können. Er könnte aber auch einen Kredit aufnehmen , um heu temehr zu konsumieren. Die Rückzahlung und Verzinsung des Kredits 'Höhe des 1,1-fachen Kreditbetrags müßte dann aber aus den Investitions­rückflüssen von 108 getragen werden. In Abbildung 11 .2.16 entsprechendie angesprochenen Geldanlagen oder -aufnahmen einer Bewegung ent­lang der rechten Kapitalmarktlinie .

10=0

Abb. 11.2.1 6: Optimierung mit Kapitalmarkt

10= 100

C,

:::::~ .-,~

". , 10=80. .• •. ..... \..... .... ·tr. ....1 0=40 ·~ .....

-, ..• •. .. .. .. .. .

- - -- Investor I

Investor II

Co

Das Ziel des Investors ist unverändert , auf eine Indifferenzkurve zu gelan­gen, die möglichst weit rechts oben liegt. Es zeigt sich nun, daß dies ein­deutig am besten mit Hilfe der rechten Kapitalmarktlin ie gelingt. Und diesgilt unabhängig vom genauere n Verlauf der Indifferenzkurven. Sowohl einInvestor vom Typ I als auch einer vom Typ 11 maximieren ihren Nutzen, in­dem sie sich auf der rechten Kapitalmarktl inie bewegen. Wo genau sichdort ihre Indifferenzkurve mit der Kapitalmarktlinie tangiert , ist allerdingsvon Typ zu Typ unterschiedlich.

Was heißt das ökonomisch? Auf die rechte Kapitalmarktlinie gelangt mannur, wenn eine Sachlnvestiticn in Höhe von 80 durchgeführt wird. Deshalbist es jetzt für beide Investorentypen optimal, 10 = 80 zu wählen. Die Typenunterscheiden sich lediglich in ihrer Kapitalmarkttransaktion. Für Investor Iist es optimal, sich nach rechts unten zu bewegen und einen Kredit aufzu­nehmen. Investor II dagegen bewegt sich nach links oben und legt zusätz­lich zur Sachinvestition noch Geld am Kapitalmarkt an. Investor I konsu­miert heute relativ viel und Investor 11 konsumiert morgen relativ viel.

Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell) 97

Je. entscheidende Erkenntnis besteht darin, daß die Sachinvestitionsent­E"'oeidung unabhängig von der Zeitpräferenz getroffen werden kann. Das~ ohne Kapitalmarkt nicht möglich. Der Grund liegt darin, daß es bei der- vestitionsentscheidung zunächst darauf ankommt, ein möglichst§'?Bes Gegenwartsvermögen zu bilden. Dieses Gegenwartsvermögen

a aber nicht heute vollständig konsumiert werden, sondern kann jePräferenz durch eine Kapitalanlage in die Zukunft transferiert werden.

zu zeigen, was mit Gegenwartsvermögen gemeint ist, sehe man sich" eeelle 11.2.11 an. Dort ist tür alternative Sachinvestitionsvolumina einqe­~n. wie hoch der maximale Kredit ist, den man heute aufnehmen und

die Rückflüsse der Sachinvestition morgen gerade noch samt Zln­!iE"'l bigen kann.

max. Kredit verbleibendemax. MittelI, I,

11 • 1.i' Anfangsmittelin t = 0

in t = 0

0 0 0 100 100

40 60 54,54 60 114,54

80 108 98,18 20 118,18

100 124 112,72 0 112,72

Tab. 11.2.11: maximale Entnahme

cer dritten Spalte stehen die maximalen Kreditwerte. Bei 10 = 40 mituß I, = 60 kann heute zum Beispiel gerade noch ein Kredit von

- .54 aufgenommen werden. Denn die Kreditrückzahlung für morgen be­1,1· 54, 54 = 60. was gerade noch durch den Rückfluß 11 gedeckt ist.

~r 40 in die Sachinvestitionen fließen. bleiben vom Anfangsvermögen- 40 = 60 übrig (siehe Spalte 4). Zusammen mit dem Kreditbetragder Investor damit heute über maximal 54,54 + 60 = 114,54 verfügen.

nennen diesen Wert das Gegenwartsvermögen. Bei 10 = 80 ist das- _ wartsvermögen maximal. Die Maximierung des Gegenwartsvermö­

bedeutet nicht , daß es auch in der Gegenwart konsumiert werdenB. Das maximierte Gegenwarts\Jermogen kann über eine Kapi\a\mar'K,\­

anlage auch in die Zukunft transferiert werden. Wie\Jie\ in die Zukunfttransferiert wird, hängt von der Zeitpräferenz des Investors ab.

Aus der Maximierung des Gegenwartsvermögens Vo folgt die Kapitalwert­regel. Vo ergibt sich aus denjenigen Mitteln L~lo , die nach der Sachtnvestl­tion aus dem Anfangsvermögen übrigbleiben, sowie aus der maximal mög­lichen Kreditaufnahme 11 . (1 + i r 1

;

98 11 .2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell)

Etwas umgestellt folgt:

Kapitalwert der Sachinvestition

Das Anfangsvermögen L ist gegeben. Deshalb wird das Gegenwartsver­mögen Vo maximiert , indem der Term in geschwei ften Klammern über dieEntscheidungsvariable 10 maximiert wird. Dieser Term entspricht dem Ü­berschuß der diskontierten Rückflüsse der Sachinvesti tion über deren An­fangsauszahlung. Das ist nichts anderes als der Kapitalwert der Sacnin ­vestition .

Aus der Maximierung des Gegenwartsvermögens folgt also die Entschei­dungs regel, den Kapitalwert zu maximieren . Wenn dieser negativ sein soll­te, wäre überhaupt keine Sachinvestition vorzunehmen, weil sonst dasGegenwartsvermögen unter dem Anfangsvermögen läge.

Als Zwischenfazit läßt sich die sogenan nte Flsber-Separatlon testhalten.die allerdings auf den Fall des vollkommenen Kapitalmarkts beschränkt ist.Sie besagt:

(1) Die Sachinves titionsentscheidung ist unabhängig von der individuel­len Zeitpräferenz. Alle Investoren entscheiden nämlich nach demKapitalwert.

(2) Die Konsumentsche idung ist abhängig von der individuellen Zeitprä­ferenz. Je nach Zeitpräferenz werden Mittel auf dem Kapitalmarktangelegt oder aufgenommen . (Diese Kapitalmarkttransaktionen sindübrigens kapitalwertneutral).

Als Folge aus der Existenz des vollkommenen Kapitalmarkts läßt sich nunauch eine Einstimmigkeit verschiedener Kapitalgeber über die Investiti­onspolitik herstellen . Ebenso ist es leicht möglich, Investiticnsentschei­dungen zu deleg ieren und dabei lediglich das Ziel der Kapitalwertmaximie­rung vorzugeben.

Im Beispiel beträgt die optimale Investition 80. Graphisch wurde bereitsgezeigt, daß Investor I zusätzlich Mittel anlegt und Investor 11zusätzlich ei­nen Kredit aufnimmt. Wieviel Mittel exakt angelegt bzw. aufgenommenwerden, soll nun analytisch berechnet werden. Wir wissen bereits, daß dasGegenwartsvermögen im Optimum Va::: 118,18 beträgt. Zu klären wäre

11.2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell) 99

dann noch, wie der Investor diese 118,18 opt imalerwe ise auf heutigen undmorgigen Konsum auftei lt.

Wir beginnen die Analyse etwas allgemeiner. Beide Investoren besitzeneine Nutzenfunktion der Form

U _ Coa . c,1!

Wenn vom Gegenwartsvermögen Vo der Betrag So ~ 0 angelegt wird, sobleibt für den heutigen Konsum Co '" (Vo- So) übrig . Morgen können danndie angelegten Mittel samt Zinsen konsumiert werden , also Cl '" q . 50.Dann ist

Die Entscheidungsvariable ist So und die Bedingung erster Ordnung fürdas Nutzenmaximum lautet:

U'(So) • 0

(::> - u . (Vo - so)a-' . ((1+i) · Soll! + (Vo - so)a . (1+i)· ß · ((1+i) · soJll-l :::: 0

Division beider Seiten der Gleichung durch (VIl50)Q . [(1+i) . 50JIIergibt

Mult iplikat ion beider Seiten mit (Vo- 50) . 50 führt weiter zu

"" - a . So + ß. (Vo- So) : 0

'~So = - - Voa +ß

Über Einsetzen v~n So"" ~Co :::: Vo - So '" -- Voa +ß

und

, , ~C, '" (1+i) · So = (1+i)· -- Voa +ß

Damit steht die optimale Konsumkombination für einen Investor mit derallgeme inen Nutzenfunktion U '" (Vo - 50la . (q . so)p fest.

100 11 .2.2 Investitions- und Konsumentscheidungen (Fisher-Modell)

Im konkreten Beispie l sind Va = 118,1 8 und i = 0,1. Unsere beiden Inves­torentypen unterscheiden sich nur im jeweiligen 0- und ß-Wert. Setz t mandie jeweiligen Werte ein, erhalten wir die Ergebnisse wie in Tabe lle 11 .2.12.

Investor I Investor 11a =0,5und ß=0,4 u = 0,1 und ß = 0,8

Co 65,66 13,1 3C, 57,78 115,55

U mit Kapitalmarkt 41,05 57,81

U ohne Kapitalmarkt 39,84 57,13(s.o.)

Tab . 11.2.12: Konsumauftei lung

Zunächst wird die optimale Konsumkombinat ion (Co'; Cl ) ermittelt. Setztman diese in die Nutzenfunktion ein, folgt der erreichbare maximale Nut­zen (siehe vorletzte Zeile). Weiter oben hatten wir den maximalen Nutzenfür eine Situation ohne Kapitalmarkt bereits ermittelt. Diese Werte stehenin der letzten Zeile. Durch die Berücksichtigung des Kap italmarkts verbes­sern sich beide Investoren. Auffäll ig ist, daß sich auch Investor 11 bes­serstellt, obwohl er bere its im Fall ohne Kap italmarkt das Sachinvestitions­vo lumen 80 gewählt hatte. Er verbessert sich, da er zwar eine Präferenzfür hohen morgigen Konsum bes itzt , aber die letzte Sachinvestition (von80 auf 100) eine sehr bescheidene (sogar negative) Rendite liefert. Des­halb nimmt er diese An lagemöglichkeit nicht mehr wahr. Die Rendite desKapitalmarkts ist dagegen höher , so daß er nun auf dem Kapitalmarkt zu­sätz lich noch etwas für morgen zur ücklegen mag, was für ihn vorte ilhaft ist.Die einzelnen Maßnahmen, die die Investoren dabei vornehmen, sehenwie folgt aus :

Investor I

••••

•••

Sachinvestiticnverbleibende Eigenmittelzusätzl. KreditKonsum

lnvestitio nsrückffußKredittllgung + ZinsKonsum

- 8020

Co - 20 =65,66 - 20 =45,66Co = 65,66

1081,1 . 45,66 = 50,226Cl = 108 - 50,226 = 57,774

11 .2.2 Investitions- und Konsuments cheidungen (Flsher-Modell) 101

Investor 11

••••

•••

Sachinvestitionverbleibende Eigenmittefzusätzl. FIna nzanlageKonsum

lnvestitionsrückflußRückfluß aus FinanzanlageKonsum

- 802020 - 00 .20 -13,13.6,8700= 13,13

1081,1 . 6,87= 7,557Cl'" 108+ 7,557 = 115,557

Aufgabe: Die optimale Investition

Gegeben sind die folgenden Rückf lüsse e1in Abhäng igkeit des investier·ten Betrages eo_

~e,

oo

350423,5

620750 ,2

8401016,4

Der Investor habe die Nutzenfunktion U :::: 2,5 ·Co +2 Cl und ein Antanqs­vermögen von L = 840 .

a) Wiev iel investiert er, wenn kein Kapitalmarkt existiert ?b) Wieviel investiert er bei vollkom menem Kapitalmarkt mit Zinssatz

i = 10%?

e, e, Co = t-e, U ohne Kapi- Ko mit vollk .talmarkt Kapitalmarkt

0 0 840 2100 0350 423,5 490 2072 35620 750 2 220 20504 62840 1016,4 0 2032,8 84

~ ohne Kapitalmarkt : eo' '" 0~ mit Kapitalma rkt : eo' = 840

Bei volfkommenem Kapitalmarkt genügt es, dasjenige Investitionsvolumenzu ermitteln, daß den höchsten Kapitalwert Ko hat.

102 11.2.2 Investitions- und Konsume ntscheidungen (Fisher-Modell)

KLAUSURAUFGABE VOM 05.04.2004 : Fisher-Modelt (20 von 100 Punkten)

Sie sehen sich mit folgende r Situation konfrontiert : (Hinweis: Es handeltsich um eine nicht maßstabsgetreue Skizze.)

C,

'40

95

-80 -so -15 o

35

5 11,29 Co

al Wieviel Eigenkapital steht dem betrachteten Individuum anfänglich zurVerfügung? (2 Punkte)

kein EK

b) Wie lautet der optimale Konsumplan?

(5; 10)

c) Wie groß ist das optimale Sachinvestitionsvolumen?

15+35 =50

(2 Punkte)

(2 Punkte)

d) Welche Handlungen sind nötig, um zu dem optimalen Konsumplan zugelangen ? (6 Punkte)

t. Durchführung der besten Investition (-15; 35)2. Durchführung der zweitbesten Investition (-35; 60)3. Kredit i.H.v. 15 + 35 + 5 =~ aufnehmen

e) Wie groß ist der Kapitalwert der Sacninvestmon in diesem Beispiel?

11.2.3 Nutzungsdauerentscheidungen

Ko=, 11,29

103

(2 Punkte)

f) Ist der Kapitalwert hier unabhängig von der Nutzenfunktion? Beqrün-den Sie bitte kurz ! (2 Punkte)

Der Kapitalwert ist unabhängig von der Nutzenfunktion.Begründung : Im ersten Quadran ten ist nur ein Zins relevant.

g) Berechnen Sie den Sollzins auf zwei Nachkomma stelIen genau!(4 Punkte)

95 I- 50 + - -=11,29

1+Is

's =' 95 - 1= 55%61,1129 ~

2,3 Nulzungsdauerenlscheidungen

Aus didaktischen Gründen wurde bisher davon ausgegangen , daß dieMöglichkeit des vorzeitigen Abbruchs eines Investitionsprojekts nicht be­steht. Denn bestünde sie, müßte im Rahmen von Vorteilhaftigkeitsent­scheidungen immer geklärt werden , welcher Ze itpunkt optimal für den Ab­bruch ist. Eine Investition, deren maximale Laufzeit m Perioden beträgt,wäre nämlich als eine Ansam mlung von alternativen Projekten mit m ver­schiedenen Laufzeiten von 1 bis manzusehen. Genau diesem Aspektwenden wir uns nun zu.

Es leuchtet unmittelbar ein, daß die ökonomisch optimale Nutzungs dauernicht unbedingt derjen igen Nutzungsdauer entspricht, die technisch mög­lich ist. Zu welchem Zeitpunkt ein Projekt vorzeitig beendet werden sollte ,hängt davon ab, ob das alte Projekt ersetzt werden soll durch1.) nichts,2.) ein neues identisches Projekt oder3.) ein besseres Projekt.

Da sich das Vorgehen bei den Varianten 2 und 3 methodisch gleicht , wer­den im folgend en nur die Varianten 1 und 2 behandelt.

104

2.3.1 Keine Ersatzinvestit ion

11.2.3 Nutzungsdauerentscheidungen

Wir beginnen mit einem Beispiel. Ein Projekt mit

e : 1- 100; 50; 40; 30; 20; 10)

kann jederzeit abgebrochen werden. Wenn es im Zeitpunkt n beendet wird,kommt zu dem jeweiligen Einzahlungsüberschuß an im Abbruchszei tpunktein Liquidationserlös L..." hinzu. Anschließend treten keine weiteren Zahlun­gen mehr auf. Die entsprechenden Werte stehen in den Spalten 2 und 3der Tabelle 11.2.13. In den Spalten rechts vom Doppelstrich stehen die tünfalterna tiven Zahlungsreihen, die sich ergeben, wenn das Projekt im Zeit­punkt 1 oder 2 usw. abgebrochen wird. Für jede dieser fünf Zahlungsrei­hen läßt sich der Kapitalwert bestimmen. Als Zinssatz wird i "" 10 % unter­stellt. Beim Abbruchszeitpunkt 4 entsteht der höchste Kapitalwert, alsoumfaßt die optimale Nutzungsdauer 4 Perioden.

t I e, L, e,' e,' e,' I e,' e,'

0 - 100 100 - 100 - 100 -1 00 - 100 - 100

1 50 60 110 50 50 50 50

2 40 36 .. 76 40 40 40

3 30 22 -- _. 52 30 30

4 20 10 -- -- -- 30 20

5 10 0 .- -- -. -- 10

Kin) 0 8.26 17.58 -?21 ,54 20.92

Tab. 11 .2.13: keine Ersatzinvestition

Diese Methode ist allerdings ziemlich aufwendig . Denn bei maximalerLaufzeit m müssen m Zahlungsreihen und deren Kapitalwerte ermitteltwerden.

Wenn man nur analysieren möchte, ob sich die Verlängerung der Nut­zungsdauer um eine Periode lohnt, kann wie folgt vorgegangen werden.Wir nehmen an, es soll geprüft werden, ob die Verläng erung von t- 1 auf tPerioden aus heutige r Sicht vorteilhaft ist. Durch die Verlängerung kommt

11.2.3 Nutzungsdauerentscheidungen 105

e, + LI hinzu und man verzichtet auf LI_I ' Nimmt man deren Barwerte. solohnt sich die Verlängerung, wenn gilt8

q' . (eI + Lt) - q--(l-l}. lt -l > 0

{::::> q" . (e, + lt ) - (1 + i) . q I . Lt_1 > 0

{::::> q' . [e, - (Lt_1- Lt) - i . Lt- 11> 0

\kalkulatorischeZinskosten

iMinderung desLiquidaUonserlöses

!EZO

Positiv wirkt der zusätz liche Einzahlungsüberschuß e, Negat iv wirkt dieMinderung des Liquidation serlöses. Außerdem ist zu bede nken, daß derLiqu idationserlös Lt_1 nicht nur normalerweise höher als t , ist, sondernauch eine Periode früher zur Verfügung steht und während dieser PeriodeZinsen erwirt schaften kann.

Die obige Bedingung sollte nicht fehlinterpretiert werden . Ist sie erfüllt, solohnt sich eine Verlängerung. Ist die linke Seite jedoch negativ, so bedeu ­tet dies nicht, daß das Projekt unbedingt abgebrochen werden sollte . Dennwenn sich die Verlängerung von t- 1 bis t nicht lohnt, kann sich trotzdemeine Verlängerung von t-1 bis t-x lohnen. Es zeigt sich also, daß die obigeBedingung zwar die Vorteilhaftigkeit einer Fortführung aufze igt, aber nichtdie eines Abbruchs. Lediglich für die letzte Periode m kann man auf Basisder obigen Bedingung auch über einen Abbruch in m-1 entscheiden.

Beispiel

Für das obige Beispiel wird überprüft, ob sich eine Verlängerung vom Zelt­punkt 2 bis Zeitpunkt 3 lohnt. Die Vorteilhaftigkeitsbedingung wäre

q--3 · [e3-(L2 -L3) - i · L21 > 0

1,1-' - [30 - (36 - 22) - 0,1 - 36) > 0

8 Man kann auch den Kapitalwert bei Liquidation in t von dem bei Liquidation in t-1abziehen. Ist die Differenz positiv, lohnt sich die Verlängerung. Es ergibt sich diegleiche Vorteilhaftigkeitsbedingung Wie oben.

106 11.2.3 Nutzungsdauerentschefdungen

~ 9,32 > 0

Sie ist erfüllt. Der zusätzliche Einzahlungsüberschuß von 30 ist hoch ge­nug, um das Absinken des Liquidationswerts um 36 - 22 = 14 und dieZinskosten von 3,6 überzukompensieren. Der Barwert 9,32 dieser Diffe­renz entspricht der Erhöhung des Kapitalwerts um 17,58 - 8,26 durch dieVerlängerung der Laufzeit, wie ausderobigen Tabelle abzulesen ist.

2.3.2 Identische ErsatzinvestItIonen

Es wird nun davon ausgegangen, daß bei Beendigung eines Projekts im­mer wieder ein identisches Projekt begonnen wird. Im Ergebnis liegt eineunendliche Kette aus identischen Investitionen vor, die jeweils zu dergleichen Zahlungsreihe führen. In Tabelle 11.2.14 ist auf Basis unseresBeispiels dargestellt, welche unendliche Zahlungsreihe sich ergibt , wenndas Projekt stets nach einer bestimmten Anzahl von Perioden abgebro­chen und .neu gestartet"wird.

t e, L, e,' ei e,' e,' e,'0 - 100 100 - 100 - 100 -100 - 100 - 100

1 50 60 110-100 50 50 50 50

2 40 36 110-100 76-100 40 40 40

3 30 22 110-100 50 52- 100 30 30

4 20 10 110-100 76-1 00 50 30- 100 20

5 10 0 11 0- 100 50 40 50 10-100

6 -- -- usw. 76-100 52-100 40 507 -- -- usw. usw. 30 408 -- -- 30-100 30

9 -- -- usw. 2010 -- -- 10-10011 -- -- usw.

Tab. 11 .2.14: identische Ersatzinvestitionen

11.2.3 Nutzungsdauerentscheidungen 107

In der Spalte e,' steht zum Beispiel diejenige Zahlungsreihe , die entsteht,wenn das Projekt immer bereits nach einer Periode abgebrochen und neugestartet wird. Nach der ersten Periode ergibt sich dabei der Rückfluß 50zuzüglich des Liquidationserlöses 60. Gleichzeitig wird ein identischesProjekt begonnen . Dies erfordert eine Auszahlung von 100. Per Saldo er­gibt sich nach der ersten Periode ein Überschuß von 10.

Auch das zweite Projekt wird nach einer Periode abgebrochen . Deshalbergibt sich in t = 2 wiederum der Rückfluß 50 zuzüglich des liquidationser­löses 60. Gleichzeitig wird das dritte Projekt gestartet, was eine Auszah­lung von 100 erfordert Wiederum ergibt sich der Saldo 10. Das gleichepassiert in allen Folgeperioden. Damit generieren wir die ewige Rente 10.

Analog wird bei den anderen Laufzeiten vorgegangen . In der nächstenSpalte e/ wird das Projekt jeweils nach 2 Perioden abgebrochen und neugestartet. Hier ergibt sich jeweils nach der ersten Periode der Rückfluß 50.Nach der zweiten Periode erfolgt noch einmal ein Rückfluß von 40 zuzüg­lich eines Liquidationserlöses von 36, zusammen also 76. Gleichzeitig istdie Anfangsauszahlung 100 für die Ingangsetzung des neuen Projekts nö­tig. Anschließend wiederholt sich diese Zahlungsreihe immer wieder.

Da die resultierenden Zahlungsreihen nun nicht mehr die Gestalt einer e­wigen Rente annehmen , ist die Berechnung ihrer Kapitalwerte nicht mehrganz so einfach. Dazu die folgenden Überlegung:

Wir haben unterstellt, daß wenn das Projekt beim ersten Mal nach n Peri­oden ersetzt wird, auch die Folgeprojekte jeweils nach n Perioden ersetztwerden. Dies erscheint zunächst nicht zwingend. Immerhin könnte mandas erste Projekt zum Beispiel nach einer Periode abbrechen, das zweitenach vier Perioden, das dritte vielleicht nach drei Perioden usw.. OptimaleLaufzeiten können dies aber nicht sein. Denn wenn der Ersatz des erstenProjekts in t = n optimal ist, dann muß der Ersatz des zweiten Projekts in t= 2n optimal sein. Deshalb genügt es, nach der optimalen einheitlichen Er­setzungsdauer zu suchen.

Es seien

K(n): Kapitalwert des Projekts, wenn es nach n Perioden ersatzlos ab­gebrochen wird.

K"'{n): Kapitalwert einer unendlichen Kette des Projekts, das nach jeweilsn Perioden immer wieder neu gestartet wird.

108 11 .2.3 Nutzungsdauerentscheidungen

Zwischen beiden besteht der folgende Zusammenhang:

K'"(n)

• K(n) + q~ . K(n) + q-2n . K(n) +

t i iKapitalwert1. Projekt Kapitalwert

2.Projekt Kapitalwert3.Projekt

= K (n) . (1 + q" + q" + q-3n+ ..)

\. )Y

(1): Q

Den Term in Klammern definieren wir als O. Diese Definitionsgleichungwer de mit (1) bezeichnet. Um nun K- (n) zu berechnen, verwenden wir denfolgenden Rechentrick.

Wir multiplizieren beide Seiten der Gleichung (1) mit q-n. So ergibt sichGleichung (2) als

(2): =-n -2n -311q +q + q + .....

Nun subtrahieren wir die linke Seite der Gleichung (2) von der linken Seiteder Gleichung (1) und die rechte Seite der Gleichung (2) von der rechtenSeite der Gleichung (1):

(1)-(2): Q -q~ .Q =

., Qo 1=1-q n

Also ist

KO(n) K(n) .1

= - -1 - 0- q

Damit können wir ohne viel Mühe aus dem Kapitalwert K(n) eines Projekts,das n Perioden läuft, den Kapitalwert KOO(n) der unendlichen Kette diesesProjekts berechnen.

11 .2.3 Nutzungsdauerentscheidungen

nK(n) 0 ,

K-(n)siehe oben = 0 , . K(n)

1 0 11 0

2 8,26 5,762 47 ,59

3 17,58 4,021 --;. 70,69

4 21,54 3,155 67,96

5 20,92 2,638 55 ,19

Tab. 11.2.15: Vergleich der K- (l ), K- (2), ....., K- (5)

109

Die erste Spalte n gibt an, wieviel Perioden das einzelne Projekt läuft. Inder zweiten Spalte steht der jeweilige Kapitalwert K(n), wenn das Projektnur ein einziges Mal n Perioden lang läuft . In Spalte 3 wird aus der obenhergeleiteten Formel der Faktor On berechnet. Für n '" 1 ergibt sich zumBeispiel 0 1 '" 1 / (1 - 1,1- 1

) '" 11. Das Produkt aus Spalte 2 und 3 führtschließlich zu K" (n).

Es zeigt sich , daß der Kapitalwert der unendlichen Kette des Produkts ma­ximal ist , wenn es nach jeweils 3 Perioden immer wieder neu startet.

Vergleich mit dem Fall ohne Ersatzinvestltlonen

Bei nur einmaliger Durchführung beträg t die optimale Nutzungsdauer desProjekts 4 Perioden (siehe oben) . Wenn jedoch Ersatzinvestitionen qetä­tigt werden, verkü rzt sich die optimale Nutzungsdauer auf 3 Perioden. Die­ser Unterschied läßt sich erklären:

Wenn keine Ersatzinvestitionen beabsichtigt sind , droht kein zeitl icher Auf­schub positiver Kapitalwerte nachfolgender Projekte mit entsprechendemZinsverlust. Wenn jedoch Ersatzinvestitionen .warten", exis tiert ein Trade­oft zwischen den Restzah lungen des noch laufenden Projekts und derfrühzeitigen Realisierung der positiven Kapitalwerte der Felgeinvestitionen.

110 11 .2.3 Nutzungsdauerentscheidungen

KLAUSURAUFGABE VOM16.07.2004 : Investitionskette(25 von 100 Punkten)

Gegeben sei ein bestimmtes Investitionsprojekt mit Laufzeit n. Zeigen Sie,daß tür den Zusammenhang zwischen dem Kapitalwert Ko dieses Projektsund dem Kapitalwert Ko" einer unendlichen Investitionskette, bei der die­ses Projekt nach n Perioden immer wieder neu startet , folgendes gilt:

Losunqsa lternative 1:

~ O ~ ~ -'"q . =q +q +q + ... ..Q _q--ll ,Q = 1

0 = _ 1_l _ q-n

Dann ist

Ko""(n) = Korn) + q-fl . K1,n) + q-2n . Ko(n) + usw.= Ko(n) . (1 + o" + q n + q -3n + .....)

'- ---.JY(1):0

(2):( 1)-{2):

Also ist Ko""(n) .: Ko(n) ._ 1_l _ q -n

Lösunasalternative 2:I

Ko""(Kö-Ko) 'in mitin= (l + if -t

Lösunosalternative 3:

I K'"' .. - - 1 It .. K (1+ i)" .j. 0= 9 '1 . 9 = 0 '(1+1)"_ 1

K- = K . {l+ iJ"·j , ",-1 = K . (l+ it = K . 1Jl.inl. 0 0 0 0(l + it - 1 (l+ it - 1 1- (1+ i)-n

11 .3. Endogene Kalkulationszinssätze 111

Lösunqsaltemative 4:

K ö =K o +~+ Koz + ... = Ko. 'f([1+ iT-fll= Ko. 1(1+ i)" (1+ i) n s=O 1- (1+ i)--f1

wegen unendlicher geometrischer Reihe und Ko '# 0 sowie [(1+ir nl< 1

Lösunqsafternative 5:_ I 1

Ko =Ko ·:-+Ko mitin =(1+i)" - 1

"1+ in = K . (1+ i)n - K . 1

in 0 (1+ i)n_ 1 - 0 1- (1 + i) --f1

3. Endogene Kalkulationszinssätze

Bis zu dieser Stelle waren wir stets davon ausgegangen, daß unser Kafku­lationszinssatz exogen ist. Das heißt, er ist unabhängig von der jeweilsanstehenden Entscheidung. Das bedeutet, daß wir immer wußten, wiehoch die Verzinsung der besten Alternative ist, noch bevor wir die jeweilsoptimale Entscheidung kannten. Auf einem vollkommenen Kapitalmarktmacht dies Sinn, weil der einheitliche Zinssatz, zu dem man unbegrenztGeld aufnehmen oder anlegen kann, unabhängig von der eigenen Ent­scheidung ist. Schon bei einem gespaltenen Zinssatz mit Soll· größer Ha­benzins kann man dies nicht mehr sagen. Denn dann hängt der Ver­gleichszins davon ab, ob das Optimum mit einer Kreditaufnahme verbun­den ist oder nicht. Und dies dürfte vor der Bestimmung des Optimumsgrundsätzlich noch unklar sein.

Aber auch die Vorstellung von einem zwar gespaltenen Zinssatz, bei demaber Haben- und Sollzins konstant sind, überzeugt im Endeffekt nicht. Ins­besondere wären dabei beide Zinssätze immer noch unabhängig davon,wieviel Mittel angelegt oder aufgenommen werden. Man kann diese An­nahme aufheben und stattdessen davon ausgehen, daß der Anlagezins­satz mit steigendem Investitionsvolumen sinkt und der Sollzinssatz mitsteigendem Finanzierungsbedarf steigt. Eine Begründung dafür wäre, daßdie Investitionsprojekte nach ihrem internen Zinssatz gereiht werden undzuerst diejenigen Projekte durchgeführt werden, die die höheren Zinssätzeerbringen. (Die Probleme, die interne Zinssätze mit sich bringen, sollen

112 11 .3. Endogene Kalkulationszinssätze

zunächst einmal außen vor bleiben .) Mit steigendem Investitionsvolumenwürde dann die Rendite sinken.

Ähnlich könnten die Finanzierungsquellen nach den verlangten Zinssätzengereiht werden . Zunächst würden diejenigen Finanzierungsmöglichkeitenmit den günstigsten Zinssätzen beansprucht. Dann steigt der Zinssatz mitsteigendem Finanzierungsvolumen.

Solange die erzielbaren Renditen aus den Investitionsprojekten höher sindals die an die Financiers zu zahlenden Zinssätze, lohnt sich eine Auswei­tung des Investil ions- und Finanzierungsvolumens. Sobald die zu zahlen­den Zinssätze höher werden als die erzielbaren Renditen, ist das optimaleBudge t erreicht. Da dabei die Investitions- und Finanzierungsmaßnahmenvergleichend aufeinander abzustimmen sind und zu einem optimalen Bud­get führen sollen . spricht man auch von simultaner Investitions- und Fi­nanzierungsplanung oder von einer Kapitalbudgetierung.

Eine graphische Darstellung der Kapitalbudgetierung bietet das Modell vonDean aus dem Jahre 1951. Dort wird von folgen den Voraussetzungenausgegangen :

• Es exis tieren verschie dene lnvestitlonsprojekte. Sie schließen sichnicht aus und sind unabhängig voneinander. Unabhängig voneinan­der bedeutet. da ß die Zahlungsreihe eines Projekts unabhängig da­von ist , ob ein anderes durchgeführt wird oder nicht.

• Außerdem gibt es verschiedene Finanzierungsquellen. Sie sind e·benfalte unabhängig voneinander. Jede Finanzierungsquelle stehtnur für ein begre nztes Volum en zur Vertügung.

• Vorgezogen werd en}i> Investitionen mit höherer Rendite,. Finanzierungsquellen mit niedrigerem Kapitalkostensatz

• Das Budget wird ausgedehnt. solange gilt:Rendite zusätzlicher Investition> Kapitalkostensatz zusä tzlicher Finanzierung

Die Investitionsprojekte werden mit 11, 12 usw. bezeichnet und bestim mendie Kapitalnachfrage. Die Finanzierungsquellen seien F1 , F2 usw. undstellen das Kapitalangebot dar. Die Gegenüberstellung von Kapitalnach ­frage und - angebot stellt Abbi ldung 11 .3.1 dar.

11.3. Endogene Kalkulationszinssätze

Zins

11

12

13

F3

113

Kapi1alangebots­kurve

endog.Kalk.zins­satz i

F1

F2 • 14

15

optimalesBudget

Abb. 11 .3.1: Dean-Modell

Kapital

Im Optimum ergibt sich dann der endogene Kalkulationszinssatz. Fürihn gilt:

• Keine durchzuführendes Investilionspro jekt erzielt eine gerin­gere Rendite als den Kalkulationszinssatz und

• keine beanspruchte Finanzquelle ist mit höheren Kapitalkostenals den Kalkulationszinssatz verbunden.

Bei Anwendung des endogenen Kalkulationszinssatzes ergeben sichnichtnegative Kapitalwerte jedes einzelnen Projekts und jeder einzelnenFinanzquelle .

Einige Voraussetzungen des Modells erscheinen jedoch problematisch.

Unteilbarkeit

In der obigen Abbildung wird das letzte Investitionsprojekt 13 noch voll­ständig durchgeführt, die Finanzierungsquelfe F2 aber nur zum Teil aus­geschöpft. Ebensogut hätte auch der Schnittpunkt von Nachfrage- undAngebotskurve mitten durch 13 gehen können. SCheinbarwird also die An­nahme benötigt, daß die Investitionsprojekte beliebig teilbar sein müssen.

114 11.3. Endogene Kalkulationszinssätze

Tatsächlich ist diese Annahme aber nicht nötig und das Modell kommtauch mit Untei fbarkeiten von Investitionsprojekten kla r. Am besten erkenntman dies in der nachfolgenden Graphik.

Zinssatz

11

F2

12

GF1

13

optima lesBudget

Abb. 11 .3.2: Unteilbarkeit von Projekten

Kapital

Nehmen wir an, daß die Investitionsprojekte nicht teilbar sind. Lohnt essich dann , das volle Projekt 12 durchzuführen, oder sollte es gänzlic h un­ter lassen werden? Diese Frage lä ßt sich durch einen Flächenverg leich klä­ren. Die eingezeichnete Fläche G entspr icht dem Produkt aus der Ober ­rendi te des Projekts 12 bezogen auf die Kapitalkos ten F1 und dem Kap ital­volumen, bis zu dem das Projekt eine Oberrendite erwirtschaftet. DiesesProdukt entspricht einem Gewinn.

Die Fläche Vergibt sich , in dem man die Minderrendite des Projekts bezo­gen auf die Kapitalkosten F2 mit dem Kapitalvolumen multipliziert, in des ·sen Umfang F2 in Anspruch genommen werden muß. In diese r Höhe er­wirtsc haftet 12 einen Ver lust. Wen n G > V ist, sind die Gewinne höher alsdie Verluste und 12 sollte durchgeführt werden . Halten wir fest, die An­nahme der beliebigen Teilbarkeit von lnvestiticnsprojekten ist nicht wichtig.

11 .3. Endogene Kalkulationszinssätze 115

Unabhängigkeit zwischen Projekten oder zwischen Finanzierungs­quellen

Sowohl die Investitionsprojekte als auch die Finanzierungsquellen sollenuntereinander unabhängig sein . Diese Annahme wäre zum Beispiel beiSynergieeffekten zwischen zwei Projekten verletzt.

Projekt 1 besitzt zum Beispiel den folgenden Zahlungsstrom, wenn es oh­ne das Projekt 2 durchgeführt wird:

61 = (- 80; 96)

Projekt 2 führt zum nachstehenden Zahlungss trom, wenn es ohne dasProjekt 1 realisiert wird :

62 = (-120; 132)

Wenn dagegen belde Projekte gemeinsam durchgeführt werden , soll sichder folgende Zahlungsstrom ergeben:

612 = (- 200 ; 230)

Die Synergie zwischen beiden Projekten erkennt man daran, daß sich e12nicht einfach als Addition der Zahlungsströme el und e2 ergibt. Vielmehrist e12 hier eindeutig besser als die bloße Addition der Zahlungsströme elund e2. Die Voraussetzung der Unabhängigkeit ist hier also nicht erfüllt,weil der Zahlungsstrom, den ein einzelnes Projekt generiert, davon ab­hängt , ob auch das andere Projekt durchgeführt wird.

Es lassen sich nun drei einander ausschließende Projekte konstruieren :nur P1, nur P2 oder PI +P2. Nach ihrer Rendite gereiht, wäre PI am bes­ten, dann P1+P2 und schließlich nur P2. Nur P2 ist offensichtlich uninte­ressant, denn P1+P2 verspricht bei höherem Volumen eine höhere Rendi­te. In der Kapitalnachfragekurve kann der Übergang von PI auf P1 +P2durch die Berücksichtigung der Differenzinvest ition (- 120; 134) mit deminternen Zinssatz iDifl * = 11,67 % abgebildet und in die Kapitalnachfrage­kurve eingereiht werden. Schwierigkeiten kann es bei mehrperiodigenZahlungsströmen geben, da Differenzinves titionen dann nicht unbedingtNormalinvestitionen sind und das Kriterium des internen Zinssatzes versa­gen kann.

Unabhängigkeit zwischen Projekten und Finanzierungsquellen

Ein grober Mangel des Dean-Modells besteht darin, daß die Konditionender Kapitalgeber unabhängig davon sind, wie das Geld investiert wird .

116 11.3. Endogene Kalkulationszinssätze

Wenn man sich zum Beispiel vorstellt, daß solche Projekte mit unter­schiedlichen Ausfallrisiken für die Kapitalgeber verbunden sein können(die Annahme der Sicherheit ist ein Problem für sich), wird klar, daß dieunterstellte Unabhängigkeit der Finanzierungskonditionen von den Eigen­schaften der Projekte abwegig ist.

Sicherheit

Das Modell basiert auf einer Situation der Sicherheit. Wenn tatsächlich Si­cherheit vorliegt, bleibt völlig unklar, wieso die Kapitalgeber unterschiedli­che Zinskonditionen verlangen. Bei Wenbewerb müßten sie alle den glei­chen (siche ren) Zinssatz nehmen.

Man könnte einwenden, daß Sicherheit nur für den Kapitajnehmer. dersein optimales Budget ermittelt, vorliegt. Die Kapitalgeber wissen dagegennicht genau über die Projekte und andere in Anspruch genommene Finan­zierungsquellen Bescheid. Dann befinden sich jedoch wiederum alle Kapi­talgeber in derselben Position und es feh lt eine Erklärung dafür , warum sieunterschiedliche Konditionen verlangen.

Eine Erklärung kann auch nicht darin bestehen, daß die Kapitalangebots­kurve nur von einem einzigen Financier stammt, der die Projekte nichtkennt, aber davon ausgeht, daß der Kapita tnehmer, der unter Sicherheitentscheidet, zunächst die Projek te mit der höchs ten Rendite durchführt.Denn es macht für den Kapitalnehmer keinen Sinn, Projekte durchzufüh­ren, deren Rend ite mit Sicherheit nicht die Kapitalkosten decken. Dies an­tizipierend müßte der Kapitalgeber immer mit einer sicheren Kapital- undZinsrückzahlung rechnen . Warum er dann mit zunehmendem Kapitalvo lu­men eine höhere Verzinsung verlangt, ist nicht nachvollziehbar. Sie wärenachvollziehbar, wenn der Kapitalnehmer das ihm geliehene Geld verun­treuen kann und die Wahrscheinlichkeit dafür, daß er dies tut, mit dem Be­trag steigt, dem man ihm zur Verfügung stellt. Mit dem Dean-Mode! hättedies aber kaum noch etwas zu tun.

Interner Zinssatz

Als Reihungskriterium dien t der interne Zinssatz. Natürlich wäre n andereKriter ien wie etwa der Kapitalwert denkbar. Aber dieser könnte ja nur be­rechnet werden, wenn der Kalkulationszinssatz bereits bekannt ist. ImDean -Modell soll der Kalku lationszinssatz dagegen endogen ermittelt wer­den . Das Kriterium des internen Zinssatzes kann allerdings zu Fehlent­scheidungen füh ren , wie oben geze igt wurde. Fehlentscheidungen könnendann auftreten, wenn die Zahlungsströme mehrperiodig sind.

111. Finanzierung

1. Finanztitel als Instrumente der Finanzierung

1.1 Abslimmungsbedarl zwischen Unternehmen und

Haushalten

Auf Kapital- oder Finanzmärkten - wir unterscheiden hier begriffl ich nicht ­treffen Angebot und Nachfrage aufeinander. Die Motive der Marktteilneh­mer, Kapital bereitzustellen oder aufzunehmen, sind vielfältig. Als Markt­teilnehmer wollen wir nur Unternehmen und Privathaushalte betrachten .

letztlich sind natürlich die Privathaushalte die Eigentümer der Unterneh­men. Sie nutzen Unternehmen, um zu investieren. Das schließt nicht aus,daß Haushalte mitunter auch ohne den Umweg über ein Unternehmen di­rekt investieren. Sie sind dann Konsument und Unternehmen in Personal­union. Im Endeffekt sind die Privathaushalte allerdings am Konsum inte­ressiert. Sie versuchen , über Sparen und Entsparen ihre Konsummöglich­!.teiten im Zeitablauf zu optimieren .

Die Beziehung zwischen Unternehmen und Haushalten auf dem Kapital­markt ist in der nachstehenden Abbildung dargestellt. Sie soll die unter­schiedlichen Bedürfnisse beider Parte ien klarmachen . Auf der einen Seiteöenötiqt ein Unternehmen in der Regel hohe Geldbeträge, möchte dasGeld langfristig in Investitionsprojekte binden und die Rückflüsse aus denInvestitionen sind riskant. Auf der anderen Seite verfügt ein einzelner-laushalt über ein vergleichsweise geringes Anlagevolumen, möchte zurNot schnell an sein Geld kommen können und wenig Risiko eingehen.Damit klaffen die Bedürfnisse in den drei Dimensionen Höhe , Laufze it und=l. isiko ause inander.

Der Kapitalmarkt hat nun die Funkt ion, diese unterschiedlichen Bedürfnis­se aufeinander abzustimmen. Dies geschieht über eine entsprechende

sgestaltung der auf ihm qehandelten Finanztitel.

118 111.1.2 Transformationsautgaben von Finanztiteln

Unternehmen investierengrundsätzlich mit:

/ ~...

hohem Kapi- relativ langfristi- uns icherentalbedarf ger Kapitalbin - Rück-

dung tlüssen

• Höhe

geringem An­lagevolumen

• Laufzeit

Präferenz fürkurzfristige Ver­fügbarkeit

• Risiko

Präferenzfür we nigRisiko

Haushalte sparen! entsparen zur Gestaltungdes inte rtemporalen Konsums jeweils grund­

sätzlich mit:

Abb. 11 1. 1.1: Abstimmungsbedarf zwischen Unternehmen und Haushalten

1.2 Transformalionsaufgaben von Finanzlileln

Als Finanztitel wird die vertrag liche Festlegung der Rechte und Pflichtenvon Kap italgeber und -nehmer beze ichnet. Der Begriff ist sehr we it gefaßtund umfaßt zum Beispiel auf Börsen gehandelte Wertpapiere, Bankkredite,Gesellschaftereinlagen sowie -darlehen und vieles mehr. Durch eine ent ­spreche nde Ausgestaltung der Finanztitel lassen sich die oben beschrie­benen unterschiedl ichen Bedürfnisse der Kapitalgeber auf der einen undKapitalnehmer auf der anderen Seite in Übereinstimmung bringen. Manspricht deshalb auch von den TransformationsfunktIonen der Finanztitel.Diese beziehen sich auf d ie drei Dimensionen der

Größentransformation,Fristentransformation undRisikotransformation.

11 1. 1.2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln 119

Die Größe ntransformatIon wird durch die volumenmäßige Zerlegung desKapitatbedarfs in kleinere Teile und anschließende Aufteilung dieser Teileauf viele KapitaJgeber erreicht (siehe nachfolgende Abbildung). Beispiels­weise stückelt ein Unternehmen, das ein Kapitalvolumen in Höhe von10 Mio. € aufnehmen möchte, seinen Kapitalbedarf in 1.000 Stück Schuld­verschreibungen mit einem jeweiligen Nennwert von 10.000 €. Es mußdann niemanden finden, der bereit ist, die vollen 10 Mio. € zu geben, son­dern nur hinreichend viele Kapitafgeber, die jeweils mindestens 10.000 €anlegen möchten.

-Abb. 111.1 .2: Größentransformation

Bei einer Fristentransformation wird ein langfristiger Kapitatbedarf ge­deckt, indem Finanztitel mit kurzer Fristigkeit hintereinandergeschaltetwerden (siehe folgende Abbildung). Wenn ein Unternehmen beispielswei­se 10 Mio. € mit einer Laufzeit von 10 Jahren benötigt, kann es im Um­fang von 10 Mio. € zunächst Finanztitel mit einer Laufzeit von 2 Jahrenausgeben. Wenn der Betrag nach 2 Jahren fällig wird, gibt das Unterneh­men wiederum Finanztitel im Umfang von 10 Mio. € mit einer Laufzeit von2 Jahren aus usw. Während der 10 Jahre müssen dann lediglich die Zin­sen gezahlt werden; die Tilgung kann dagegen erst nach 10 Jahren erfol­gen.

----------~t•

Abb. 111.1.3: Fristentransformation

120 111.1 .2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln

Die RIsikotransformation geschieht, indem eine unsichere Gesamtpositi­on in unterschiedlich riskante Einzelpositionen zerlegt wird (siehe dienächste Abbildung). Stellen Sie sich vor, eine Unterne hmung erwartet ausihren Investitionen Bückflüsse. die zwischen 0,5 Mio. und 2 Mio. €schwanken. Sie könnte dann sichere Finanztitel in einem solchen Umfangausgeben, daß die damit verbundenen Zahlungsansprüche den Betrag 0,5Mio. € nicht überschreiten. Da die Unterne hmensrückflüsse auf jeden Fallmindestens 0,5 Mio. € betrag en, können diese Zahlungsansprüche zusätz­lich mit Recht auf vorrangiger Bedienung verknüpft werden und sind dannsicher. Zusätzl ich zu diesen sicheren Finanztiteln können unsichere Fi·nanztite l ausgegeben werden, wobei die damit verbundenen Zahlungsan­sprüche der Höhe nach nicht fixiert sind sondern von der Höhe derverbleibenden unsiche ren Rückflüsse abhängen. Die unsichere Gesa mt­posttlon. die zwischen 0,5 Mio. und 2 Mio. € schwankt, wird damit zerlegtin eine sichere Position von insgesamt 0,5 Mio. € und eine unsichere Posi­tion , die sich zwischen °und 1,5 Mio. € bewegt. Natür lich kann innerhalbder sicheren und unsicheren Position zusätzlich eine Größentransformati­on vorgenommen werden.

Eine Risiko transformation macht Sinn, wenn die Kapitalgeber unterschied­liche Einstellungen zum Risiko haben und deshalb unterschiedlich hohePrämien für die Übernahme von Risiken verlangen . Für Kapitalgeber mitstarker Risikoaversion sind sichere Finanztitel besonders wertvoll ; Kapital­geber mit wen iger starker Risikoaversion verlangen dagegen beim Kaufunsicherer Finanztitel nicht so hohe Risikoprämien (in Form eines Preis­abschlages) . Diesen Unterschied sollte der Kapitalneh mer durch Ausgabeentsprechend differenzierter Finanztiter ausnutzen.

unsichere Rückflüsse

sehr unsicheresichere_ _ 11'---_ _Abb. 11 1. 1.4: Risikotransformation

Dem Aspekt der Risikotransformation durch Finanztitel ist noch etwas hin­zuzufügen. Die Leistung des Kapitalgebers liegt in der Bereitstellung liqui­der Mittel. Die Gegenleistung des Kapitalnehmers liegt in der Rückzahlungvon Mitteln.

111.1.2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln

leistung des Anle ­gers:Bereitstellung liquiderMittel

Abb. 11 1. 1.5: Leistung und Gegenleistung

121

Das besondere Problem liegt darin, daß Leistung und Gegenleistung oftzeitlich stark auselnandertallen. Die Gegenleistung ist daher von beson­ders hoher Unsicherheit geprägt. Diese Unsicherheit ist auf zwei unter­schiedliche Quellen zurückzuführen.

Erstens geht es um den Einfluß des Zufalls. Dieser ist per Definition un­beeinflußbar und ein exogenes Risiko - zumindest aus der Sicht eineseinzelnen Entscheidungsträgers. Wenn zum Beispiel die Konjunktur lahmt,ist dies für den einzelnen nicht zu beeinflussen und er hat die schwacheKonjunktur nicht zu verantworten. Zweitens kann die Unsicherheit über dieGegenleistung aber auch darauf beruhen, daß die Handlungen des Kapi­talnehmers für den Kapitalgeber unsicher sein können. Das wäre einbeeinflußbares und endogenes Risiko. Beispielsweise könnte derSchuldner vorsätzlich schlampig gearbeitet haben.

Die Auswirkungen beider Risikoquellen auf die Einhaltung der Gegenleis­tung gehen Hand in Hand und sind im Verbund zu sehen. So wird einschlampiges Management bei schwacher Konjunktur nicht mehr in der La­ge sein, die Schulden zurückzubezahlen. Bei guter Konjunktur wäre esihm vielle icht möglich, vielleicht aber auch selbst dann nicht. Umgekehrtkann eventuell auch ein gutes Management nicht bei schlechter Konkunk­tur zurückzahlen, sondern nur bei Hochkonjunktur. Wegen beider Risiko­quellen macht es Sinn, daß der Kapitalgeber die Gegenleistung , falls mög­lich, absichert oder rechtzeitig eingreifen kann. Finanztitel können deshalbneben dem Zahlungsanspruch auch die folgenden Rechte beinhalten:

• Informationsrechte (Bsp. Einblick in die Geschäftsbücher),• Mitspracherechte (Bsp. bei Großinvestitionen),• Wahlrechte (Bsp. Verkaufsoptionen)• Kündigungsrechte und• Zugriff auf weitere Vermögensgegenstände (Bsp. Kreditsicherheiten.

Bürgschaften).

122 111 .1 .2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln

Aufgabe: Hisikotranstormation

Ein Projekt mit AnschaHungsauszahlung 1 Mio. € erbringt nach einer Peri­ode mit gleicher Wahrscheinlichkeit entweder 1,6 Mio . € oder 1 Mio. €.

a) Wie hoch ist die Standardabweichung der Rendite?

Standardabweichung = Wurze l der Varianz

Varianz =: erwartete quadrierte Abweichung vom Erwartungswert

Rendite entwederoder

r,. (1,6-1)1 1 . 0,6 - 60 %re» (1- 1)1 1 _ 0

Erwartungswert der Rendite E(r) = 0,5 . 0,6 + 0,5 . 0 = 0,3 = 30 %

Standardabweichung der Rendite

o - ~0,5. (0,6 - 0;3)' +0,5· (0 - 0;3)' = 0;3

b) Das Projekt wird wie folgt finanziert: 600 .000 € über Forderungstitel zumfesten Zinssatz 5% und 400.000 € durch Ausgabe von 8eteitigungstiteln.Wie hoch ist die Standardabweichung der Rendite (1) der Forderungstitelund (2) der Beteiligungstitel?

(1) Da mindestens 1 Mio . € zurDckfließen, besteht tUr die Forderungstitelnoch nicht einma l ein Ausfalfrisiko. Die 5 % Rendite sind sicher, dahercr(r,) - O.

(2) In jedem Fall muß vom ProjektrDckffuß zunächst die Rückzahlung samtZinsen auf die Forderungstitel bedient werden.Das sind stets 1,05 · 600.000€ = 630.000€.

Dann ist die Rendite der Beteifigungstitel entweder

r B I = (1,6 - 0,63 - 0,4) / 0,4 = 1,425 = 142,5 %oder

rB2 =(1 - 0,63 - 0,4) / 0,4 =- 0,075 =- 7,5 %

Ihr Erwartungswert betragt

E(r. ) = 0,5 · 1,425 + 0,5 · (- 0,075) = 0,675 = 67,5 %

111.1 .2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln

Ihre Standardabweichung ist

alr,) = JO,5. (1,425 0.675)' + 0,5 · (-0,075 0,675 )' = 0,75

123

~ afrB) ist deutlich höher als Standardabweichung der fnvestitionsrenditeo = 0,31

~ Also Transformation des Risikos des Projekts in völlig sichere Forde­rungs- und sehr riskante Beteifigungstitel.

Unterstützt werden die Transformationsaufgaben durch die Existenz einessogenannten Sekundärmarktes. Wenn es einen Sekundärmarkt gibt,muß es wohl auch einen Primärmarkt geben. Als Primärmarkt oder E­missionsmarkt wird derjenige Kapitalmarkt bezeichnet, auf dem Finanzti­tel zum ersten Mal ausgegeben (emittiert) werden. Dies geschieht bei­spielsweise, wenn eine Aktiengesellschaft zum ersten Mal "an die Börseqeht" (sogenannte Erstemission oder Initial Public Offering, kurz IPO). A­ber auch Kapitalerhöhungen, bei denen neben den alten, bereits qehan­delten Aktien, zusätzlich junge Aktien an den Markt gebracht werden, sindTransaktionen auf dem Primärmarkt. Auf dem Primärmarkt entsteht eineunmittelbare Handelsbeziehung zwischen dem Emittenten und den Anle­gern.

In Abgrenzung dazu ist der Sekundärmarkt oder Umlaufsmarkt zu sehen.Auf ihm wird mit bereits vorhandenen Finanztiteln gehandelt. Dabei han­deln regelmäßig die Anleger untereinander, also ohne den Emittenten.Das schlieBt nicht aus, daß auch der Emittent auf dem Sekundärmarkt inden von ihm emittierten Finanztitel handeln kann. Rechtlich werden denEmittenten normalerweise Handelsrestriktionen auferlegt, weil sie grund­sätzlich einen Informationsvorteit gegenüber den anderen Anlegern haben.

Die Abgrenzung zwischen beiden Marktsegmenten ist in Abbildung 11 1. 1.6zusammengefaBt.

124 111.1.2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln

Primärmarkt (Emissionsmarkt)

> Ausgabe neuer Finanztitel

j;. unmittelbare Beziehung zwischen Emittent und Anleger

ohne Primar­markt, keinSeklJndärmarkl

Sekundärmarktunter­stützt Primarmarkt: Liqui­dität f. Anleger durchVeraußerbarkeit

Sekundärmarkt (Umlaufsmarkt)

, Handel mit bereits vorhandenen Finanztiteln

» Beziehung zwischen verschiedenen Anlegern

Abb. 11 1.1 .6: Primärmarkt und Sekundärmarkt

Ohne einen Primärmarkt kann es keinen Sekundärmarkt geben, denn wassollte auf ihm gehandelt werden? Umgekehrt ist ein existie render Sekun­därmarkt für den Primärmarkt nicht unbedingt nötig. Allerdings unterstütztein funktionierender Sekundärmarkt den Primärmarkt. Dies liegt zum einendaran , daß die auf dem Primärmarkt gekauften Finanztitel nicht bis zu ihrerFälligkeit gehalten werden müssen, sondern zwischenzeitlich auf dem Se­kundärmarkt weiterverkauft werden können . Angesichts dieser Möglichkeitist man auch auf dem Primärmarkt eher bereit, Finanztitel zu erwerben.

Eine zweite Unterstü tzung des Primärmarktes durch den Sekundärmarktkann darin bestehen , daß auf dem Sekundärmarkt Preise für den Finanzti­tel zu beobachten sind. In diesen Preisen sind Informationen der Marktteil­nehmer verarbeitet. Deshalb kann derjen ige, der den Titel auf dem Pri­märmarkt erworben hat - unabhängig davon , ob er den Titel bis zur Fäll ig­keit halten möchte - eventuell allein durch die Beobachtung der Preisent­wicklung Informationen gewinnen. Dies können zum Beispiel Informatio­nen über die Wahrscheinlichkeit, mit der sein Zahlungsanspruch ausfall­bedroht ist, sein. Gäbe es keinen Sekundärmarkt , würde er diese Informa­tionen vielleicht gar nicht erhalten oder müßte sie aufwendig recherchieren.

Der Handel mit Finanztiteln auf dem Primär- und Sekundärmarkt wird auchdurch andere Vorkehrungen erleichtert . So sind die börsengehandelten

111 .1.2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln 125

Wertpapiere regelmäßig ohne Nachschußverpflichtung der Wertpapier­inhaber ausgestaltet. Eine Nachschußverpfl ichtung könnte zum Beispielbedeuten , daß im Falle der Insolvenz einer Aktiengesells chaft alle Aktien­inhaber mit ihrem Privatvermögen für die noch bestehenden Schulden derGesellschaft haften. Dies hätte mehrere Konsequenzen. Erstens wäre dieKreditwürd igkeit dieser Aktiengesells chaft vom Privatvermögen aller ihrerAktionäre abhängig . Diese Argument spricht zwar nicht gegen einen regenAktienhandel. aber zumindest erleichtert es nicht gerade die Beziehungder Akt iengesellschaft zu ihren kreditgebenden Banken . Zweitens wäredas Ausmaß, mit dem jeder Aktionär im Notfall zusätz lich zur Kasse gebe­ten wird, abhängig vom Privatvermögen der anderen Aktionäre. Damit gin­ge ein gewaltiger Informationsbedarf für den einzelnen Aktionär einher, derdie Handelsbereitschaft in diesen Aktien stark beeinträchtigen würde.

Ganz ähnlich wie die begrenzte Haftung wirkt eine Standardisierung derFinanztitel schlechthin . Die Rechte eines jeden Aktionärs einer inländi­schen Gesellschaft sind im Aktiengesetz verankert und dort weitgehendvereinheitlicht. Der Handel in solchen Aktien bedarf also keiner weiterenVertragsgestaltung. Dies senkt den Informationsbedarf der Marktteilneh­mer.

An einer erleichterten Informationsbeschaffung setzen auch Regelungenan, die den Emittenten zu einer hinreichenden Publizität zwingen. So sindneben Jahresabschlüssen und Zwischenberichten grundsätzlich alle kurs­relevanten Informationen von dem Emittenten zu veröffentlichen . Dies bautInformationsdefizite bei den Marktteilnehmern ab und erhöht deren Han­delsbereitscnatt.

Unterstützung findet der Kapitalmarkthandel auch durch sogenannte Fi­nanzlntermedläre . Oie Zwischenschaltung von Banken, Fondsgesell ­schaften, Versicheru ngen, Kapitalanlagegeseflschaften und anderen In­termediären kann versch iedene Vorteile bringen . Erstens könnte sie dieSuche nach Handelspartnern erleichtern . Man denke etwa an eine Anlagein Immobilien über einen Fonds.

Zweitens sinkt der Informationsbedarf. Beispielsweise reicht es aus, wennman Informationen über die Bonität einer Bank besitzt, bei der man seinGeld angelegt hat. Daß diese wiederum das Geld vielleicht an unter­schiedliche Unternehmen verleiht, deren Bonität der Anleger nicht kennt,spielt dann keine Rolle. Der Informationsbedarf sinkt auch deshalb, weilBanken leichter und auch mehr Informationen über Emittenten erhalten alsein Kleinanleger. Dies liegt daran, daß zwischen der Bank und dem Emit­tenten eine langfristige Geschäftsbeziehung besteht. Außerdem hat dieBank mehr Verhandlungsmacht als der einzelne Anleger . Und schließlichkann die Bank solche Informationen vertrau lich behandeln , während es

126 11 1.1.2 Transformationsaufgaben von Finanztiteln

schwer fällt, Informationen , die an viele Kleinanleger gegeben werden, ge­heimzuhalten.

Drittens kann die Zwischenschaltung von Finanzintermediären eine Streu­ung des Risikos erleichtern . Wer nicht sovie l Geld besitzt , daß er es in hin­reichend viele unterschiedliche Anlagen investieren kann, kann sich für qe­ringe Beträge einen Fonds kaufen, der genau diese Streuung aufweist. DieUrsache dafür, daß ein Kleinanleger eine solche Streuung nicht durchtüh­ren kann, liegt zum einen an bestehenden Fixkosten. Zum Beispiel sindTransaktionen in einer Aktienart normalerweise mit Mindestgebühren be­lastet. Es lohnt sich daher nicht, jeweils eine von 100 verschiedenen Akti­en zu kaufen. Die andere Ursache liegt in bestehenden Unteilbarkeiten.Selbst wenn keine Fixkosten bestehen, müßten zum Beispiel wegen derUnteilbarkeit einer Aktie mindestens 100 ganze Aktien gekauft werden.Vielleicht reicht das Geld dafür aber nicht aus.

Insgesamt zeigt sich, daß Finanzintermediäre durchaus produktive Bei­träge zum Funktionieren der Kapitalmärkte leisten können. Ob sie es tat­sächlich tun, hängt vom Einzelfall ab.

Aufgabe: Sekundärmarkt

a) Welche Vorteile sehen Sie aus Sicht eines Anlegers in der Existenz ei­nes Sekundärmarktes?

vereinfachte Suche nach VertragspartnernIm beobachtbaren Marktpreis können Infos Anderer zum Ausdruckkommen.Anonymität gegenüber Emittenten (z.B. kann dieser in einer Krisenicht versuchen, günstigere Konditionen nachzuverhandeln) ; daskann sich evtl. aber auch als Nachteil herausstellen

b) Welche Voraussetzung sollte ein organisierter Sekundärmarkt erfüllen?

Recht auf Weiterveraußerung der FinanztitelStandardisierung der Rechte und Pflichten, die mit dem Finanztitelverbunden sind (-j Senkung des Informationsbedarfs)keine Nachschussverpflichtung der Finanztitelinhaber

111.1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

1.3.1 Idealtypen

127

Es lassen sich zwei idealtypische Formen der Finanzierung unterscheiden:die Fremdfinanzierung und die Eigenfinanzierung. Ihre spezifischenMerkmale werden im folgenden dargestellt.

a) Fremdfinanzierung

Eine Fremdfinanzierung

• erfolg t für eine bestimmte Frist und• führt zu einem Zins- und Tilgungsanspruch, der vom Erfolg des ka­

pitalaufnehmende n Unternehmens unabhängig ist.

Wegen des zweiten Merkmals wird der Zahlungsanspruch eines Fremdka­pitalgebers auch als "unbedingter" Anspruch oder Festbetragsanspruchbezeichnet. Der Anspruch heißt "unbedingt", weil er nicht unter irgende i­nem Vorbehalt wie etwa dem eines Mindestgewinns oder der Zahlungsfä­higkeit des Schuldners besteht.

Aufgrund ihres Festbetragsanspruchs sind Fremdkapitalgeber bis zu ei­nem gewissen Grad nicht am Geschäftsrisiko ihres Schuldners bete iligt.Das Geschäftsrisiko des Schuldners schlägt erst dann auf die Fremdkapi­taJgeber durch, wenn der Schu ldner nicht mehr in der Lage ist, seinenKredit vollständig zu bedienen. Dieser Fall tritt ein , wenn das Unterneh ­mensvermögen nicht mehr ausreicht, um den Kredit zu decken.

Bilanztechnisch gesprochen setzt sich das Unternehmensvermögen ausallen Aktiva des Unternehmens wie zum Beispiel Grundstücken, Gebäu­den, Maschinen, Wertpapierbesitz und Kassenhaltung zusammen. DieKapitalquellen , die für die Finanzierung der Vermögensgegenstände (Akti­va) in Anspruch genommen werden, stehen auf der Passivseite der Bilanz.Da wir hier nur zwischen reinem Eigen- und reinem Fremdkapital unter­scheiden, stehen auf der Passivseite eben das Eigen- und das Fremdkapi­tal.

Wenn nun der Schuldner aus seiner Geschäftstätigkeit Verluste erwirt­schaftet, bedeutet dies nicht, daß die Kredite nicht bedient werden können.Denn solange noch Eigenkapital vorhanden ist, verringert sich zunächstnur das Eigenkapital und das Unternehmensvermögen reicht aus, um dasFremdkapital zurückzuzahlen (siehe folgende Abbildung). Das liegt daran ,

128 11 1.1 .3 Eigen- und Fremdfinanz ierung

daß die Ansprüche der Fremdkapitalgeber vorra ngig vor denen der Eigen­kapitalgeber sind . Erst wenn das Eigenkapital durch Verluste vollständigaufgezehrt ist, müssen weitere Verluste von den Fremdkapitalgebern ge­tragen werden. Das Eigenkapital stellt für die Frerndkapitalgeber also ei­nen Verlustpuffer dar. Gegebenenfalls existieren zusätzlich zum bitanziel­len Eigenkapital noch Haftungserweiterungen wie z. B. Bürgschaften.Dann werden nach Verzehr des Eigenkapitals erst die Haftungen in An­spruch genommen, bevor die Fremdkapitalgeber Verluste mittragen müs­sen.

Aktiva Passiva

Verlust-------------------------- ---------------------------

EK

Vermögen

FK

Abb. 111.1.7: Eigenkapital als Verlustpuffer

Aus der eingeschränkten Risikobeteiligung der Fremdkapitalgeber lassensich einige Folgerungen ableiten.

)- Geringerer Informationsbedarf: Solange sichergeste llt ist , daß dasFremdkapital zurückgezahlt werden kann, partizipieren Fremdkapi­talgeber überhaupt nicht an Schwankungen des Gewinns ihresSchuldners. Lediglich wenn ein Ausfall des Fremdkapitals droht,tragen sie ein Risiko. Deshalb haben Fremdkapitalgeber einen ge­ringeren Bedarf an Informationen über die Geschäftslage des Kapi­talnehmers als zum Beispiel Eigenkapitalgeber (siehe unten).

;. Weniger Mitspracherechte : Solange das Unternehmensvermögenabsehbar ausreicht , um das Fremdkapital zurückzuzahlen, sind Mit­spracherechte für die Fremdkapitalgeber bezüglich der Geschäfts ­politik überflüssig . Eine Mitsprache macht nur Sinn , um zu verhin -

111. 1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung 129

dem , daß die Unternehmenseigner Entscheidungen auf Kosten derFremdkapitalgeber fällen.

)- Besonde re Gefa hr droht, wenn das Eigenkapital nahezu aufgezehrtist. Denn dann haben die Eigenkapita lgeber kaum noch etwas zuverlieren und neigen zu besonders riskanten Investitionen. DiesesRisikoanreizproblem soll anhand des folgenden Beispiels verdeut ­licht werden.

Beispiel zum Risikoanreizeffekt

Ausgangssituation :

Das Unternehmen weist ein Vermögen von V = 80 auf. Finanziert wird esüber Eigenkapital (EK) in Höhe von 20 und Fremdkapital (FK) in Höhe von60. Seine Bilanz sieht dann anfänglich so aus:

Aktiva

v= 80

Zwei alternative Projekte:

PassivaEK _ 20FK = 60

Der Eigentümer des Unternehmens kann sich zwischen zwei Investitions­projekten A und B entscheiden. Die Gewinne der Projekte sind allerd ingsriskant und können auch negativ sein, was einem Verlust entspräche. DerGewinn IiV ändert das Unternehmensve rmögen V um IiV.

{

20 mit Wahrscheinlichkei t 0,6Projekt A führt zum Gewinn IiV =

- 20 mit Wahrscheinlichkeit 0,4

Sein erwartete r Gewinn beträgt

E(" V) = 0,6 ·20 + 0,4· (- 20) = 4

Projekt B führt zum Gewinn " V = {

40

- 40

mit Wahrschein lichkeit 0,5

mit Wahrschein lichkeit 0,5

Der erwartete Gewinn aus dem Projekt B ist

E(" V) = 0

130 11 1. 1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

Gemessen am erwarteten Gewinn ist A eindeutig besser als B. Hinzukommt, daß der Gewinn bei A auch nicht so stark streut wie der bei B. Indiesem Sinne ist A auch weniger riskant als B.

Wir gehen davon aus, daß der Eigentümer den auf sein Eigenkapital ent­fallenden erwarteten Gewinn maximiert. Dies entspricht der erwartetenÄnderung des Eigenkapitals E(.1.EK). Da ein mögl icher Verlust aus demProjekt teilweise auch von den Fremdkapitalgebern zu tragen ist, ent­spricht der erwartete Gewinn des Eigenkapitalgebers nicht unbedingt demerwarteten Gewinn aus dem Projekt. Dies ergibt sich aus folgender Über­legung :

.:. Wird Projekt A durchgeführt, kommt es im Erfolgsfall zu einer Ver­mögenserhöhung um 20 auf 100. Im Mißerfolgsfall sinkt das Ver­mögen um 20 auf 60. Da sich das Eigenkapital grundsätzlich alsSaldo aus Vermögen minus Fremdkapital bildet, beträgt das Eigen­kapital im Erfofgsfall 100 - 60 = 40 und im Mißerfolgsfall60 - 60 = O.

bei EriolEK - 40

v= 100FK = 60

bei MißertolEK _ 0

v= 60FK = 60

Die erwartete Änderung des Eigenkapitals beträgt bei Projekt A

ElöEK) = 0,6 · 20 + 0,4 · (- 20) = 4

.:. Wird Projekt B durchgeführt, kommt es im Eriolgsfall zu einer Ver­mögenserhöhung um 40 auf 120. Im Mißerfolgsfall sinkt das Ver­mögen um 40 auf 40. Bei Erfolg ergibt sich das Eigenkapital alsSaldo aus Vermögen minus Fremdkapital und beträgt 120 - 60 = 60.Bei Mißerfolg ergäbe sich allerdings ein negat iver Saldo 40 - 60 = ­20. Sofern wir unterstellen , daß der Eigentümer begrenzt haftet,muß er bei Verlust des bestehenden Eigenkapitals nichts nach­schießen. Das bedeutet, ein Verlust in Höhe von 40 zehrt das Ei­genkapital in Höhe von 20 vollständig auf. Den restlichen Verlust inHöhe von 20 müssen die Fremdkapitalgeber tragen. Der Wert desFremdkapitals beträgt im Verlustfall also nicht mehr 60, sondern nurnoch 40.

111.1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

bei ErfolEK _ 60

v= 120FK = 60

bei MißerfolEK _ 0

V=40FK = 40

131

Die erwartete Änderung des Eigenkapitals beträgt bei Projekt B

EI"EK) = 0,5 ·40 + 0,5 · (-20) = 10

Demnach ist die erwartete Erhöhung des Eigenkapitals bei Projekt B höherals bei Projekt A und der Eigentümer wählt B, obwoh l es insgesamt gese­hen das schlechtere Projekt ist.

Die Ursache für diesen Fehlanreiz des Eigenkapitalgebers liegt darin, daßEigen- und Fremdkapitalgeber asymmetrisch an Gewinnen und Verlustenbete iligt sind . Die Gewinne kommen ausschließlich dem Eigenkapita\geberzugute. Die Verluste trägt der Eigenkapitalgeber dagegen nicht immer at­leine , sondern sie müssen ab einer bestimmten Höhe auch von denFremdkapitalgebern übernommen werden. Eine höhere Streuung dermöglichen Gewinne und Verluste führt dazu , daß der Eigenkapitalgeber imErfolgsfall besonders reich werden kann. Bei Mißerfolg verliert er dagegennie mehr als seine Einlage.

Denken Sie jetzt nicht , daß diese Asymmetrie einen besonderen Vorteil fürEigenkapitalgeber darstellt. Denn Fremdkapitalgeber sind nicht dumm.Selbstverständlich antizipieren sie diesen Hislkoanreiz und verlangen fürdiese Gefahr eine zusätz liche Prämie in ihren Konditionen . Damit fällt derscheinbare Vortei l des Eigentümers in Form nachteiliger Konditionen aufihn zurück. Aus diesem Grund hat er selbst ein Interesse daran, den Risi­kcanreizeftekt zu reduzieren. Für eine Reduktion des Effekts bestehenmehrere Möglichkeiten

./ Der Eigentümer kann das haftende Vermögen über das Eigenkapitalhinaus erwei tern , indem er Sicherheiten anbietet, die außerhalb desUnternehmens liegen. Dies kann zum Beispiel durch seine privateHaftung oder Bürgschaften Dritter geschehen. Die Haftungserweite­rung erhöht den Risikopuffer für die Fremdkapitalgeber, wie Abbil­dung 111.1.8 verdeutlichen soll.

132 11 1.1 .3 Eigen- und Fremdfinanzierung

Aktiva Passiva

,-- -------------------------,: Haftungserweiterung :, ,, ,, ,, ,

Eigenkapital

VermögenFremdkapital

Abb. 111.1.8: Erweiterung des haftenden Vermögens

./ Den Frerndkapitalgebern können auch Sicherheiten innerhalb desUnternehmens angeboten werden, indem ihnen zum Beispiel einEigentumsvorbehalt beim Fuhrpark eingeräumt wird. Solche Sicher­heiten reduzieren die Zugriffsmöglichkeiten des Eigentümers aufvorhandene Vermögensgegenslände. Diese Vertügungsbeschrän­kung hindert ihn daran, ein Investitionsprojekt (hier der Fuhrpark)hinter dem Rücken der Gläubiger durch ein anderes riskanteresProjekt auszutauschen.

Aktiva Passiva

Vermögen EK

FK: Verfügungs-

l~~~~_~Ch~~~_k_un_g_~_'__ ___'

Abb. 111 .1.9: Einengung der Möglichkeit riskanter Projekte

,/ Den Gläubige rn können besondere Rechte für den Fall eingeräumtwerden, daß das Verhältnis Eigenkapital zu Fremdkapital (die "Ei­qenkapltalquote") einen kritischen Wert unterschreitet. Dies kannein KOndigungsrecht sein und/oder ein Mitspracherecht über die In­vestitionspolitik.

,/ Schließlich sieht bereits die Insofvenzordnung bei Kapitalgesell­schaften vor, daß im Falle einer Überschuldung (d.h. es ist kein po-

111 .1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung 133

sitlves Eigenkapital mehr vorhanden) der Kreis der Gläubiger dieUntemehmensleitung übernimmt. Dies entspricht der qrundsätzli­chen Regel, da ß sinnvoll erweise Entscheidungsgewalt und Haftungmiteinander verknüpft sein sollten : 'Wer zahlt, der bestimmt:

Aufgabe: Hisikoanreizproblern

a) Zwei Projekte A und B versprechen jeweils zwei gleichwahrscheinlicheRückflüsse und zwar

A:B:

a,: 0b, = 2 Mio. €

oderoder

an = 5 Mio. €~=4 Mio. €.

Welches Projekt ist vorte ilhaft bzg l. Erwartungswert und Varianz seinesRückflusses (die Var ianz soll das ungewollte Risiko messen)?

Ela) . 2,5 Mio. € und Elb) = 3 Mio. €

cr(a) = 0,5 . (5 Mio. - 2,5 Mio.)2+ 0,5 . (0 - 2,5 Mio.)2= 6,25 . 1012

(Achtung, die Mio. müssen mit quadriert werden!)

q2(b) = 0,5 . (2 Mio. - 3 MioF + 0,5 . (4 Mio. - 3 Mio.)2= 1 . 10' 2

-+ B ist vorteilhaft in beiderlei Hinsicht: höhere erwartete Rendite bei weni­ger Risiko.

b) Herr Aas ist Eigentümer u. Geschäftsführer einer GmbH . Für welchesProjekt wird er sich entscheiden, wenn er aus dem Projektrückftuß noch 2Mio. € Schulden incl. Zinsen zurückzahlen muß und sich am Erwartungs­wert des verb leibenden Betrags orientiert?

XI = verbleibender Betrag bei Projekt I

Elx') : 0,5 . 15 - 2) + 0,5 · 0 : 1,5 Mio.Elx. ) = 0,5 . 14 - 2) + 0,5 . 0 = 1 Mio.-+ Aas wahlt das eindeutig schlechtere Projekt A.

c) Welches Projekt würde der Fremdkapitalgeber vorz iehen?

S, da FremdkapitaltiJgung samt Zinsen dann sicher und bei A nicht.An hohen Rückffüssen von A partizip iert der Fremdkapitalgeber sowiesonicht.

134 11 1.1 .3 Eigen- und Fremdfinanzierung

d) Welche wich tige Annahme bzgl. der Konditionen des Fremdkapitalge­bers wird unausgesprochen verwendet?

Konditionen sind unabhängig von Wahl des Projektsmöglicher Grund:Fremdkapitalgeber kennt die verschiedenen Projekte bei Abschluß desKreditvertrags noch nicht.

Bis zu dieser Stelle wurde das Fremdkapital stillschweigend wie ein klass i­scher Bankkredit interpretiert. Es kann aber auch andere Formen anneh ­men wie zum Beispiel börsengehandelte Schuldverschreibungen. Anden Merkmalen des Festbetragsanspruchs und der nur befristeten Kapi­talüberlassung ändert sich zwar nichts , doch bestehen mindestens zweiökonomisch wesentliche Unterschiede.

Zum einen genießt die Fremdfinanzierung über Schuldverschreibung denVorteil , daß ein mehr oder minder gut organ isierter Sekundärmarkt exis­tiert. Fremdkapitalgeber, die ihr angelegtes Geld zwischenzeitlich zurück­erlangen möchten, können ihre Schuldverschreibung einfach verkaufen.Es muß also kein Kredit gekündigt werden .

Zum anderen ist der Kreis der Gläubig er eines Unternehmens bei börsen­gehandelten Fremdkapitaltiteln in der Regel deutlich größer als bei einerKreditfinan zierung. Dies erschwert eine Einflußnahme der Fremdkapital­geber auf den Schuldner. Sollte sich zum Beispiel während der Laufzeitherausstellen , daß der Schul dner kurz vor der Insolvenz steht und - we­gen des dann starken Risikoanreizeffekts - hochriskante Investitionen tä­tigt, ist eine Koordination aller Gläubiger zwecks Einflußnahme auf denSchuldn er schwer zu bewerkstelligen . Erstens besi tzt even tuell keiner derGläubiger hinreichend viele gefäh rdete Titel, als daß sich ein Eingreifen fürihn lohnt. Und zweitens sind bei anonymen Börsenhandel die jeweils an­deren Gläubiger womöglich gar nicht bekannt. Aus diesem Grund solltenan Emittenten solcher Schuldverschreibungen höhere Bonitätsanforderun­gen gestellt werden. Andererseits lassen sich besonders hohe Risikenleichter auf viele Börsenteilnehmer aufteilen als auf wenige Banken.

Eine Daumenregel könnten hier lauten : Bei hohem exogenen Risiko sindbörsenqehandelte Titel besser; bei hohem endogenes Risiko ist im Rah­men der Fremdfinanzierung eine Kreditfinanzierung vorzuziehen. Bei ho­hem endogenen Risiko sollte ohnehin überlegt werden, in welchem Um­fang eine Eigenfinanzierung möglich ist. Dieser Finanzierungsform widmenwir uns im folgenden Abschnitt.

111.1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

b) Eigenfinanzierung

135

In Abgrenzung zur Fremdfinanzierung erfolgt eine Eigenfinanzierung in derRegel

• für eine unbestimmte Frist und• führt zu einem Zahlungsanspruch, der vom Erfolg des kapitalauf­

nehmenden Unternehmens abhängig ist.

Eigenkapitalgeber besitzen einen bedingten zahlungsanspruch. Die Be­dingung lautet. daß nach Abzug der Verbindlichkeiten überhaupt noch einRest vorhanden ist. um Zahlungen an die Eigenkapitalgeber leisten zukönnen. Damit handelt es sich um einen Bestbetrags- oder auch ResIdu­alanspruch .

Die Risikoübernahme durch Eigenkapitalgeber ist umfassender als diedurch Fremdkapitalgeber. Unter der Voraussetzung. daß die Verbindlich­keiten auf jeden Fall beglichen werden können, wirkt sich jede noch sokleine Gewinnschwankung unmittelbar auf den Residualanspruch der Ei­genkapitalgeber aus.

:0- Damit ist erstens der Informationsbedarf von Eigenkapitalgebernhöher als der von Fremdkapitalgebern.

;. Zweitens gibt es einen höheren Bedarf an Mitgestaltungsrechten.Deshalb sind Eigenfinanzierungstitel regelmäßig mit Stimmrechtenausgestattet. Fremdfinanzierungstitel normalerweise nicht. Rah­menbedingungen für die Ausgestaltung der Gesellschafterrechtefinden sich zum Beispiel im Handelsgesetzbuch, dem GmbH·Gesetzoder dem Aktiengesetz.

Eigenkapitalgeber können begrenzt oder unbegrenzt haften. Normalerwei­se ist mit begrenzter Haftung gemeint, daß der Eigenkapitalgeber nur mitseiner Einlage haftet. Dies ist in allen Kapitalgesellschaften wie der GmbHoder Aktiengesellschaft der Fall. Eine unbegrenzte Haftung liegt vor.wenn Eigenkapitalgeber auch mit ihrem Privatvermögen haften. Unbe­grenzt haften zum Beispiel die Komplementäre in Kommanditgesellschaf·ten. die Gesellschafter bei Offenen Handelsgesellschaften und BGB­Gesellschaften sowie Einzelkaufleute. Der Begriff der unbegrenzten Haf­tung sollte allerdings nicht mißverstanden werden. Oe facta ist die Haftungauf die Höhe des vorhandenen Privatvermögens und der künftigen Ein­kommen des Schuldners begrenzt.

136

1.3.2 Mischformen

11 1. 1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

Viele Finanztitel sind weder als idealtypisches Eigenkapital noch als ideal­typisches Fremdkapital anzusehen, sondern vereinen Elemente beider I­dealtypen in sich. Einige dieser hybriden Finanzierungsinstrumente wer­den im folgenden vorgestellt.

(1) Optionsanleihen

Bevor wir auf die Optionsanleihe zu sprechen kommen, ist zu klären, wasübe rhaupt eine Option ist. Als Finanzoption beze ichnet man das Recht,

einen besti mmten Finanzt itelzu einem bestimmten Zeitpunkt oder während einer festgelegtenFristzu einem bestimmten Preiszu kauten oder zu verkaufen .

Der Finanztitel. auf den sich die Option bezieht, wird auch als Basistitelbezeichnet. Wenn die Option nur zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeübtwerden kann, handelt es sich um eine europäische Option. Falls dieAusübung während einer festgelegten Frist vorgenommen werden kann,spricht man von einer amerikanischen Option. Der Preis, zu dem derBasistltel ge- oder verkauft werden kann, wird als Ausübungspreis oderauch Basispreis bezeichnet. Handelt es sich um das Recht zu kaufen, soist es eine Kaufoption oder neudeutsch ein call - andernfalls liegt eineVerkaufsoption bzw. ein put vor.

Beispiel

Sie haben eine europäische Kaufoption auf eine Daimleröhrysler- Aktie mitAusübungspreis 30 €. Am Ausübungstag beträgt der Aktienkurs von Daim­lerChrysler 35 €. Die Ausübung der Option lohnt sich und führt zu einemGewinn von 5 €. Denn Sie können die Aktie fUr 30 € beziehen und sie so­fort zu 35 € verkaufen. Ob sich der damalige Kauf der Option für Sie imnachhinein insgesamt gelohnt hat, hängt allerdings davon ab, welchenPreis Sie für die Option selbst gezahlt hatten.

Wenn Sie statt einer Kaufoption eine Verkaufsoption mit demselben Aus­übungskurs von 30 € besitzen, hätten Sie das Recht, eine DaimlerChrys­ler-Aktie zum Preis von 30 € zu verkaufen. Dieses Recht würden Sie abernicht nutzen, da Sie an der Börse einen besseren Preis erhielten. Die Ver­kaufsoption wurde wertlos verfallen.

111.1 .3 Eigen- und Fremdf inanzierung 137

Bei einer Optionsanleihe handelt es sich um eine börsennotierte Anleihe,die um Kaufoptionen ergänzt ist. In der Regel sind diese Optionen von derAnleihe abtrennbar und können selbständig gehandelt werden. Wenn einUnternehmen eine Optionsanleihe emittiert, so braucht es für die Anleiheeinen etwas niedrigeren Zins als bei normalen Anleihen zu bieten. Denndie Käufer erhalten ja zusätzlich noch Optionsrechte. Die Ausgabe vonOptionsanle ihen kann zum Beispiel sinnvoll sein, um die Liquidität des Un­ternehmens zu schonen.

Allerdings besteht auch ein Fehlanreiz . Und zwar wird die Unternehmens­leitung grundsätzlich besser über die künftige UnternehmensentwicklungBescheid wissen als die Anleger . Zeichnet sich aus Sicht des Unterneh­mens ab, daß sich der Aktienkurs vermutlich schlecht entwickeln wird , wä­ren die ausgegebenen Optionsrechte wahrschein lich wertlos, ohne daß dieAnleger dies so genau einschätzen können. Die Ausgabe einer Optionsan­leihe könnte mithin auch signalisieren , daß die Unternehmensleitung miteiner schlechten Aktienkursentwicklung rechnet.

Eine Mischform liegt insofern vor, als die Kapitalgeber zwar zunächst nurFremdkapitalgeber sind. Bei Ausübung der Option erhalten sie aber zu­sätzlich Aktien und würden dann außerdem Eigenkapital halten.

(2) Wandelanleihe

Anders als bei Optionsanleihen wird die Wandelanleihe nicht um Finanz­optionen ergänzt ; stattdessen hat der Besitzer einer Wandelanleihe dasRecht, die gesamte Anleihe in Eigenkapital umzuwandeln . Bei Ausübungdieses Rechts fällt die Anleihe selbst weg. Das Recht wird der Inhaber derAnleihe natürlich nur dann ausüben, wenn das Aktienpaket. das er bei ei­ner Wandlung erhält, mehr wert ist als der Anteihebetrag. Auch hier ist ei­ne niedrige Nominalverzinsung der Anleihe typisch , weil zusätzliche Ge­winne durch die Wandetung der Schuld möglich sind.

Beispiel

Ein Unternehmen hat eine Wandelanleihe von 1 Mio. € ausgegeben . DerWandelpreis pro Aktie beträgt 56,17 €. Das heißt, wenn der Anlagebetragvon 1 Mio. € am Ende der Anleihelaufzeit in Aktien umgewandel t werdensoll, wird dabei jede Aktie mit 56,17 € bewertet. Bei Wandlung erhielteman dann 1 Mio. / 56,17 ::::: 17.803 Aktien. Eine Wandlung ist für den Gläu­biger natürlich nur dann vorteilhaft, wenn der tatsächliche Aktienkurs denWandelpreis übersteigt. Beträgt der tatsächliche Aktienkurs zum Beispiel

138 11 1. 1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

60 €, 50 sind die 17.803 Aktien insgesamt 1.068.180 € wert und damitmehr als die Anleihe .

Vor- und Nachteile der Wandelanleihe sind denen einer Optionsanleiheähnlich . Die Liquidität des Emittenten wird wegen geringerer Nomimalver­zinsung geschont. Aber es existiert ein Fehlanreiz . weil der Emittent ver­mutlich besser Ober seine künftige Wertentwicklung informiert ist als dieAnleihekäufer.

Sowohl für die Optionsanleihe als auch für die Wandelanleihe werden imFalle der Optionsausübung bzw. der Wandlung Aktien geliefert, die vonder Aktiengesellschaft zu diesem Zweck erst noch emittiert werden müs­sen . Damit geht eine Kapitalerhöhung einher . Da die emittierende Aktien­gese llschaft aber nicht vorab weiß, ob sie zu dieser Kapitalerhöhung ge­zwungen sein wird, ist nach dem Aktiengesetz ein Beschluß der Hauptver­sammlung zu einer bedingten Kapitalerhöhung erforderlich. Dabei wirddie Kapitalerhöhung nur unter der Bedingung genehmigt, daß von Options­bzw. Wandlungsrechten Gebrauch gemacht wird. Hierzu steht im § 192des Aktiengesetzes auszugsweise folgendes :

(1) Die Hauptversammlung kann eine Erhöhung des Grundkapitalsbeschließen , die nur so weit durchgeführt werden soll , wie von ei­nem Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, das dieGese llschaft auf die neuen Aktien (Bezugsaktien) einräumt (beding­te Kapitalerhöhung).

(2) Die bedingte Kapitalerhöhung soll nur zu folgenden Zweckenbeschlossen werden:1. zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubigervon Wandelschuldverschreibungen;2. zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unterneh­men;3. zur Gewäh rung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglie­der der Geschäftsführung der Gesellschaft oder eines verbundenenUnternehmens im Wege des Zustimmungs- oder Ermächtigungsbe­schlusses .

Stören Sie sich nicht daran , daß unter Absatz 2 Punkt 1 nur Wande l­schuldverschreibun gen , nicht aber Optionsanleihen explizit genannt wer­den . Der Passus gilt ebenso für letztere.

1l 1. 1.3 Eigen- und Fremdfinanzierung

(3) Aktienanleihen

139

Bei den beide n vorgenannten Finanzins trumenten hatte der Gläubiger einWahlrecht. Bei Aktienanleihen liegt das Wahlrecht auf der Seite desSchuldners. Er kann wählen, ob er die Schuld direkt zurückzahlt oder statt ­dessen Aktien liefert. Ähnlich wie bei Wandelanleihen muß vorab entwederein Umtauschkurs festgelegt werden , mit dem die Aktien beim Umtauschzu bewerten sind, oder es wird unmittelbar festgelegt, wieviele Aktien zu­rückzugeben sind.

Eine besondere Variante ist die Umtauschanleihe. Auch hier kann derSchuldner seine Schuld in Aktien zurückzahlen. Aber es sind Aktien , diefremde Unternehmen emittiert haben , und nicht die Aktien der Schuldner­Aktiengesellschaft.

Die gebotenen Zinssätze bei Aktienanleihe und Umtauschanleihe solltengrundsätzlich über denen normaler Anleihen liegen. Denn die Gläubigerlaufen Gefahr, daß sie nicht den Nennwert der Anleihe zurückerhalten,sondern ein geringwertigeres Aktienpaket. In diesem Fall werden dieFremdkapitalgeber zu Eigenkapitalgebern.

KLAUSURAUFGABE VOM 18.07 .2003: Wandelanleihe (15 Punkte)

a) Warum haben unter sonst gleichen Bedingungen Aktienanleihe undWandelschuldverschreibung unterschiedliche Verzinsungen. WelcheAnleihe müsste zumindest theoretisch den höheren Zins haben?

(5 Punkte)

Bei der Wandelschuldverschreibung hat der Gläubiger das Recht derWandlung der Schuld in EK, während bei der Aktienanleihe der Schuldnerdas Recht der Wandlung hat. Für diese zusätzliche Mogfichkeit wird derGläubiger mit einem höheren Zins entgolten, d.h. die Aktienanleihe solfteceteris paribus einen höheren Zins aufweisen als die Wandelschuldver­schreibung.

b) Die Ruhrpott-AG emittiert eine Wande lanleihe im Volumen von 500Mio. €. Der Wandlungspreis beträgt 50 €. Die Wandelprämie beläuftsich auf 25 %. Wie hoch ist der Aktienkurs im Zeitpunkt der Emission?

(5 Punkte)

Wandelprämie =- (50 / k) - 1 =- 0,25 k -40E

140

(4) Stille Beteiligung

11 1.1 .4 Außen- und Innenfinanzierung

Die Ausgestaltung einer stillen Gesellschaft ist überwiegend dispositiv.Maßgeblich sind §§ 230 bis 236 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).Demnach ist der stille Gesellschafter stets an den Gewinnen zu beteiligen .Eine Verlustbeteiligung kann per Vertrag jedoch ausgeschlossen werden.Auf jeden Fall haftet der stille Gesellschafter für Verluste höchstens in Hö­he seiner Einlage. Er hat grundsätzlich kein Mitspracherecht. Dafür be­steht aber Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage, die im InsolvenzfaHals Forderung behandelt wird. Falls eine Verlustbeteiligung nicht ausge­schlossen wurde, gilt die Einlage allerdings nur nach Abzug seines Ver­lustanteifs als Forderung.

Auch hier verbinden sich einige Merkmale idealtypischen Eigen- undFremdkapitals. Der Eigenkapitalcharakter drückt sich in der zwingendenGewinnbeteiligung und einer eventuellen Verlustbeteiligung aus. Der An­spruch auf Rückzahlung der Einlage, die fehlenden Mitspracherechte so­wie der Forderungscharakter bei Insolvenz sind dagegen typisch fürFremdkapitalgeber .

1.4 Außen- und Innenfinanzierung

1.4.1 AußenfInanzierung

Bei den bisherigen FinanzierungsbeJspielen handelte es sich durchgängigum die Zuführung liquider Mittel durch Finanzquellen . die außerhalb desUnternehmens standen und im Rahmen eines Finanzierungsvertrags flos­sen. Diese externen Finanzquellen sind zum Beispiel Banken, Aktionäreoder Käufer einer Anleihe. Eine solche Finanzierungsform heißt externeFinanzierung oder Außenfinanzierung. Dabei ist zu unterscheiden zwi­schen

der BeteIlIgungsfInanzierung (als eine Form der Eigenfinanzie­rung) undder Kreditfinanzierung (als eine Form der Fremdfinanzierung).

Mit Kreditfinanzierung ist an dieser Stelle nicht nur der klassische Bank­kredit gemeint, sondern zum Beispiel auch die Finanzierung über Anleihen.

111 .1.4 Außen- und Innenfinanzierung

1.4.2 Innenfinanzierung

141

Ein erheblicher Teil des Mittelbedarfs kann auch durch unternehmensin­terne Quellen gespeist werden. Eine solche interne Finanzierung oderInnenfinanzierung liegt vor, wenn verhindert wird, daß Finanzmittel ausdem Unternehmen abfließen. deren Herkunft nicht auf einem Finanzie­rungsvertrag beruht. Das eingängigste Beispiel wäre wohl , daß der Ge­winn nicht ausgeschüttet wird, sondern im Unternehmen verbleibt und zurFinanzierung weiterer Investitionen dient. Die Formulierung "unterneh­menslnterne Quellen" ist jedoch zu präzisieren, denn letztlich stammenalle finanziellen Mittel des Unternehmens aus externen Quellen. Der ent­scheidende Unterschied ist nur, daß bei einer Innenfinanzierung diese ex­ternen Quellen die Zahlungsmittel nicht zum Zweck der Finanzierung her­gegeben haben. Beispielsweise ist es bei einem Produktverkauf nicht dasZiel der Produktkäufer. das Unternehmen zu finanzieren. Die Gegenleis­tung für die Geldhergabe liegt im Produkt und nicht in einer finanziellenVerpflichtung des Unternehmens gegenüber den Geldgebern.

Die übliche Untergliederung der Innenfinanzierung ist nicht leicht zu ver­stehen, deshalb behandeln wir sie im folgenden genauer. Es ist hilfreich,sich vorab zu vergegenwärtigen, daß ein Einzahlungsüberschuß etwasanderes als ein Gewinn ist. Der Gewinn ergibt sich als Saldo von Ertragund Aufwand. Daraus folgt zweierlei:

1.) Zahlungen können den Gewinn beeinflussen oder auch nicht.

2.) Der Gewinn kann variieren, ohne daß es dabei zu Zahlungen kommt.

Zu 1.)

Wir unterscheiden zwischen

• einem erfolgswirksamen Einzahlungsüberschuß und• einem nicht erfolgswirksamen Einzahlungsüberschuß.

Der erfolgswirksame Einzahlungsüberschuß ist der Saldo aller Einzah­lungen, die gleichzeitig Erträge darstellen, und Auszahlungen, die gleich­zeitig Aufwendungen sind. Beispielsweise führt der Verkauf eines Produktszu Einzahlungen, die auch Umsatzerträge bilden. Die Herstellung desProdukts führt zu Auszahlungen , die gleichzeitig Herstellungsaufwand sind.

Der nicht erfolgswirksame Einzahlungsüberschuß ist die Differenz ausdenjenigen Einzahlungen, denen keine Erträge entsprechen, und denjeni­gen Auszahlungen, denen keine Aufwendungen gegenüberstehen . Soführt etwa die Aufnahme eines Kredits zu einer Einzahlung, aber keinem

142 111.1 .4 Außen- und Innenfinanzierung

Ertrag. Die Tilgung eines Kredits verursacht zwar eine Auszahlung, aberkeinen Aufwand.

Beachten Sie bitte , daß sich die Erfolgswirksamkeit des Einzahlunqsüber­schusses bei den obigen Definitionen nicht auf den Saldo insgesamt be­zieht, sondern auf dessen zwei Komponenten Einzahlung und Auszahlung.Es kann also vorkommen, daß der erfolgswirksame Einzahlungsüber­schuß gleich null ist, obwo hl es erfolgswirksame Ein- und Auszahlungengibt - nämlich dann, wenn sich diese Ein- und Auszahlungen gerade aus­gleichen.

Das in einer Periode zusätzlich generierte Finanzierungsvolumen ent­sprich t dem gesamten Einzahlungsüberschuß (nach Ausschüttung) derPeriode . Aufgegliedert nach der Erfolgswirksamkeit der einzelnen Zahlun­gen gilt demnach:

zusätz liche Finanzierung in einer Periode

erfolgswirksamer Einzahlungsüberschuß

+ nicht erfolgswirksamer Einzahlungsüberschuß

Zu 2.)

Genauso wie es Zahlungen gibt, die nicht erfolgswirksam sind, existierenErträge und Aufwendungen, die ihrerseits nicht zahlungswirksam sind.Beispielsweise ist die Höherbewertung des Firmengebäudes ein Ertrag(der den Gewinn erhöht), aber dies führt zu keine r Einzahlung. Umgekehrtwäre die Minderbewertung des Gebäu des zwar Aufwand (und reduzierteden Gewinn), eine Auszahlung wäre aber nicht damit verbunden.

Den Gewinn eines Unternehmens kann man nun wie folgt aufschlüsseln:

Gewinn = erfolgswirksamer Einzahlungsüberschuß

+ nicht einzahlungswirksamer Ertrag (z. B. Höher1Je'.Nertung)

nicht ausza hlungswirksamer Aufwand (z.B. Absch reibung)

11 1.1 .4 Außen- und tnnenfinanzierung

Die Gleichung läßt sich umstellen , und man erhalt:

erfotgswirksamer Einzahlungsüberschuß

143

= Gewinn

+ nicht auszahlungswirksamer Aufwand

- nicht einzahlungswirksam er Ertrag

Unter Berücksichtigung der obigen Gleichung folgt dann

zusätzliche Finanzierung in einer Periode

= Gewinn

+ nicht auszahlungswirksamer Aufwand

- nicht einzahlungswirksamer Ertrag

+ nicht erfolgswirksamer Einzahlungsüberschuß

Die Position Gewinn besteht aus den beiden Teilen "ausqeschütteter Ge­winn" und "thesaurierte r Gewinn".

Für die Innenfinanzierung bleibt nur der thesaurierte Gewinn übrig. Außer­dem beinhaltet die Position ' nicht erfofgswirksamer Einzahlungsüber­schuß" die gesamte Außenfinanzierung, aber auch noch Teile der Innenfi­nanzierung. Im Rahmen der Außenfinanzierung zählt dazu beispielsweisedie Gewinnausschüttung (als nicht erfolgswirksame Auszahlung). ImRahmen der Innenfinanzierung zählt dazu etwa der Verkauf eines Vermö­gensgegenstand zum Buchwert (als nicht erfolgswirksame Einzahlung).

144 111 .1.4 Außen- und Innenfinanzierung

Die gesamte Innenfinanzierung ergibt sich somit als

Innenfinanzierung

= einbehaltener Gewinn

+ nicht auszahlungswirksamer Aufwand

- nicht einzahlungswirksamer Ertrag

+ derjenige Teil der nicht erfolgswirksamen EZOs,der nicht im Rahmen von Finanzierungsverträgen anfällt

Selbstf inanzierung

Nach diesen Vorabüberlegungen kommen wir nun zur Innenfinanzierungzurück . Im Rahmen einer Innenfinanzierung wird verh indert, daß Finanz­mittel aus dem Unternehmen abfließen. Eine Möglichkeit der Innenfinan­zierung besteht in der Nichtausschüttung von Gewinnen. Dies wird alsSelbstf inanzierung bezeichnet. Ein Unternehmen könnte zum Beispieleinen Gewinn von 500.000 € erwirtschaftet haben, der potenzie ll ausschüt­tungsfähig wäre. Die Nichtausschüttung bewahrt das Unternehme n vor ei­ner Auszahlung von 500.000 €. Das Eigenkapital steigt um diesen Betrag.Daher ist die Selbstfinanzierung stets auch eine Eigenfinanzierung.

Die Bestandteile des Gewinn sind ja:

Gewinn =' erfolgswirksamer Einzahlungsüberschuß

+ nicht einzahlungsw irksamer Ertrag (z. B. Höherbewertung)

nicht auszahlungswirksamer Aufwand (z.B. Abschreibung)

Die letzten beiden Bestandteile des Gewinns sind nicht mit entsprechen­den Zahlungen verbunden . Der Gewinn könnte also zum Beispiel allein aufeine Höherbewertung zurückzuführen sein. Ein Verzicht auf Ausschüttungdes Gewinns bedeutet deshalb nicht zwangsläufig, daß dadurch Mittel inHöhe des Gewinns verfügbar sind . Ebenso wird der Gewinn durch Ab­schreibungen gemindert, obwohl sie gar nicht mit Auszahlungen verbun­den sind. Die Höhe der Selbstfinanzierung sagt offenbar wenig über diedurch sie festgehaltenen finanziellen Mittel aus. Dieser "lnterpretationsteh­ler" der Selbstfinanzierung (durch nicht zahlungswirksame Erträge undAufwendungen) wird allerdings durch die Berücksichtigung anderer For­men der Innenfinanzierung geheilt, wie sich im folgenden noch zeigen wird.

JII.1.4 Außen- und Innenfinanzierung 145

Ein weiteres Problem der Selbstfinanzierung kommt hinzu. Der (thesau­rierbare) Gewinn hängt von der Bewertung sämtlicher Aktivposten und derVerbindlichkeiten ab. Damit öffnet sich ein Entscheidungsspielraum. Werseine Aktiva unterbewertet und Passiva überbewertet , senkt den ausge­wiesenen (und thesaurierbaren) Gewinn. Weil diese Unter- und Überbe­wertungen ohne weiteres nicht als solche zu erkennen sind, spricht manvon stiller Selbstfinanzierung.

Finanzierung aus nicht auszahlungswirksamem Aufwand

Nicht auszahlungswirksamer Aufwand reduziert den Gewinn und somit dieSelbstfinanzierung, obwohl in der betreffenden Periode gar keine Mittel ab­fließen. Diesen "lnterpretatlcnsfehler" in der Selbstfinanzierung kann manheilen, indem dieser Aufwand als eigene Quelle der Finanzierung berück­sichtigt wird.

Typische Vertreter des nicht auszahlungswirksamen Aufwands sind Ab­schreibungen und die Erhöhung der Rückstellungen. Demzufolge sprichtman von Finanzierung aus Abschreibungen und Finanzierung ausRückstellungen.

Diese beiden Formen der Innenfinanzierung stehen außerdem in einerVerbindung zur stillen Selbstfinanzierung. Eine stille Selbstfinanzierungliegt ja zum Beispiel vor, wenn zu hohe Abschreibungen oder zu hoheRückstellungen gebildet werden. Auf der einen Seite reduziert dies die of­fene Selbstfinanzierung, auf der anderen Seite erhöht sich die Finanzie­rung aus Abschreibungen und Rückstellungen. Der Nettobeitrag der stillenSelbstfinanzierung zur gesamten Innenfinanzierung beträgt daher null.

Die Finanzierung aus nicht zahlungswirksamem Aufwand wurde oben alsKorrektur des Interpretationsfehlers der Selbstfinanzierung bezeichnet. Dadie Selbstfinanzierung immer eine Eigenfinanzierung ist, könnte man mei­nen, daß die Finanzierung aus nicht zahlungswirksamem Aufwand alsbloße "Korrektur" der Selbstfinanzierung ebenfalls stets eine Eigenfinan­zierung sein müßte. Das trifft aber nicht zu. Denken Sie beispielsweise anPenslonsrückstellunqen oder Garantierückstellungen. Dahinter stehenVerbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Mitarbeitern oder Kunden,die eben nur der Höhe, dem Grunde und/oder dem Zeitpunkt nach unge­wiß sind. Die Mittel, die dabei (noch) nicht abfließen, sind eher als Fremd­kapital und weniger als Eigenkapital anzusehen. Demzufolge wäre die Fi­nanzierung aus solchen Rückstellungen eine Fremdfinanzierung.

Es gibt aber auch Ausnahmen wie zum Beispiel Rückstellungen für dro­hende Verluste (sogenannte Drohverlustrückstellungen) oder für unterlas­sene Instandhaltung. Dabei handelt es sich eher um Eigenvorsorge und

146 111 .1.4 Außen- und Innenfinanzierung

nicht um die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten.Die Finanzierung aus diesen Rückstellungen wäre als Eigenfinanzierungeinzustufen.

Bei Abschreibungen kann man sich dagegen schwer vorstellen , daß essich um nicht abfließende Mittel hande lt, auf die jemand Anspruc h hat, dernicht Eigenkap italgeber ist. Das liegt letztlich daran, daß sich Abschre i­bungen auf die Aktivseite der Bilanz und damit auf das Unternehmens­vermögen beziehen . Das Verfügungsrecht auf das Unternehmensvermö­gen liegt bei der Unternehmensleitung. Die Finanzierung aus Abschrei­bungen kann daher pauschal der Eigenfinanzierung zugeordnet werden .

Die Finanzierung aus Abschreibungen kann dazu genutzt werden , die Ka­pazitäten zu erweitern. Dieser Effekt ist als Lohmann-Ruchti-Effekt be­kannt. Dazu folgendes Beispiel:

Zu Beginn des 1. Jahres werden 10 Overhead-Projektoren zu je 1.000 €angeschafft. Die Abschreibung pro Jahr und Projektor soll 500 € betragen .Die Finanzierung aus Abschreibung wird dafür verwendet, weitere Projek­toren zu kaufen.

Ende des 1. Jahres:Die Finanzierung aus Abschreibungen beträgt: 10 · 500 € "" 5.000 ( .Damit können zusätzlich 5 Projektoren gekauft werden .Der Endbestand an Projektoren beträgt dann 15.

Ende des 2. Jahres:Finanzierung aus Abschreibungen = 15 . 500 € "" 7.500 €Kauf weiterer 7 Projektorenvollständig abgeschrieben : 10Endbestand . 15 + 7 - 10 = 12 (500 € bleiben in der Kasse)

Ende 3. Jahr:Finanzierung aus Abschreibunqen e 12 ·500 € = 6.000 €Kauf weiterer 6 Projektorenvollständig abgeschrieben : 5Endbestand: 12 + 6 - 5 = 13 (500 ( noch in Kasse)

Ende 4. Jahr:Finanzierung aus Abschre ibungen = 13 · 500 ( = 6.500 €Außerdem sind noch 500 € in der Kasse.Kauf weiterer 7 Projektorenvollstän dig abgeschrieben: 7Endbestand 13 + 7 - 7 "" 13

usw.

111.1.4 Außen- und Innenfinanzierung 147

Die Kapazität steigt scheinbar von 10 auf 13 Projektoren. Allerdings wer­den Äpfel mit Birnen verglichen, denn die 10 Projektoren sind alle neu,während von den 13 Projektoren 7 neu und 6 ein Jahr alt sind. Deshalb giltes, zwischen der Periodenkapazität und der Gesamtkapazität (inklusiveRestlaufzeiten) zu unterscheiden. Die Periodenkapazität nach dem 4. Jahrist zwar offensichtlich höher, aber die Gesamtkapazität ist es nicht, wiesich im folgenden zeigt.

Die Gesamtkapazität zu Beginn des 1. Jahres beträgt

10 . 2 Jahre = 20 Projektoren-Jahre.

Die Gesamtkapazität zum Ende des 4. Jahres ist

7 . 2 Jahre + 6 . 1 Jahr = 20 Projektoren-Jahre,

also genauso hoch.

Mlnderflnanzlerung aus nicht einzahlungswirksamem Ertrag

Ebenso wie "Fehler" in der Selbstfinanzierung durch Hinzurechnung nichtzahlungswirksamer Aufwendungen bereinigt werden, sind auch welchedurch Herausrechnung nicht zahlungswirksamer Erträge zu korrigieren.

Dazu gehören zum Beispiel Zuschreibungen. Da nicht zahlungswirksameErträge zwar die Selbstfinanzierung erhöhen, aber tatsächlich keine Ein­zahlungen erbringen, müssen sie wieder abgezogen werden und gehenmit negativem Vorzeichen in die Innenfinanzierung ein.

Finanzierung aus erfolgswirksamen Einzahlungsüberschüssen, d ienicht auf Finanzierungsverträgen beruhen

Schließlich tragen zur Innenfinanzierung auch nicht erfolgswirksameEinzahlungsüberschüsse bei. Das heißt aber nicht, daß jeder nicht er­folgswirksame Einzahlungsüberschuß eine Innenfinanzierung darstellt. ZurInnenfinanzierung gehören nur solche nicht erfolgswirksamen Ein- bzw.Auszahlungen, die von dritter Seite nicht im Rahmen eines Finanzie­rungsvertrags hergegeben bzw. verlangt worden sind. Dazu gehören bei­spielsweise der erfolgsneutrale Verkauf bzw. Kauf von Vermögensgegens­tänden. Nicht dazu gehören beispielsweise die Kreditaufnahme bzw. dieGewinnausschüttung , weil dabei die Ein- bzw. Auszahlung aufgrund einerFinanzierungsbeziehung geleistet wird.Zusammenfassend erhalten wir die folgende Übersicht über die Finanzie­rungsformen.

148 111.1.4 Außen- und Innenfinanzierung

AußenfInanzierungCBeteiligungsfinanzierung (Form der Eigenfinanzierung)

Kreditfinanzierung (Form der Fremdfinanzierung)

Innenfinanzierung

r+- Selbstfinanzierung (Form der Eigenfinanzierung)

r-+- Finanzierung aus nicht auszahlungswirksamen Aufwendungen,z. B. Abschreibungen, Rückstellungen

~ Minderfinanzierung aus nicht einzahlungswirksamen Erträgen,z. B. Zuschreibungen

~ Finanzierung aus erfolgsneutralen Einzahlungen, die nicht aufFinanzierungsverträgen beruhen,z. B. erfolgsneutraler Verkauf von Vemögensgegenständen* Minderfinanzierung aus erfolgsneutralen Auszahlungen, die nichtauf Finanzierungsvertragen beruhen,z. B. erfolgsneutraler Kauf von Vemögensgegenständen

Abb. 111.1 .10: Finanzierungsformen

Beispiel zur Innenfinanzierung

50.90029.3001.600

zahl.wirks. UmsatzLohnauszahlungenDesinvestitionserlösfortfallender Buchwertdurch Desinvestition 700Abschreibungen 7.700ZufOhrung in Rückstellg. 2.500Zinsauszahlungen 2.300Gewinnausschüttung 4.000Gewinnsteuerzahlung 3.300

gesamte Einzahlungen :Umsatz 50.900Desinvest. + 1.600

52.500

gesamte Auszahlungen:Lohnausz. 29.300Zinsen 2.300Steuern 3.300Ausschüttung 4.000

38.900...gesamte Innenfinanzierung:

13.600

111. 1.4 Außen- und Innenfinanzierung

Die Innenfinanzierung teilt sich wie folgt auf.

Selbstfinanzierung

= einbehaltene Gewinne, unabhängig von ihrer Zahlungswirksamkeit

149

= Umsatz + (Destnv.erlös - Buchwert) - Löhne - Abschreibung - Rückst.50.900 + ( 1.600 700 ) - 29.300 - 7.700 - 2.500

- Zinszahlg. - Steuern - Ausschüttung- 2.300 - 3.300 - 4.000

= 2.700

Finanzierung aus Abschreibungen

= 7.700

Finanzierung aus Rückstellungen

= 2.500

Finanzierung durch erfolgsneutralen Verkauf v. Vermögensgegenständen

= 700

r = 13.600 = Innenfinanzierung

Aufgabe: Formen der Finanzierung

a) Worin besteht der Unterschied zwischen einer Selbstfinanzierung undeiner innenfinanzierung?

fnnenfinanzierung= interne Finanzierung, also interne Quelle der Mitte/bereitstellung

Selbstfinanzierung ist eine interne Eigenfinanzierung, also eine Möglichkeitder /nnenfinanzierung. Quelle: nichtausgeschütteter Gewinn

b) Wie hoch sind Selbstfinanzierung und Innenfinanzierung angesichts derfolgenden Daten in €:

150 111 .1.4 Außen- und Innenfinanzierung

Zins- u. Steuerauszahlung:Gewinnthesau rierung :interne Fremdfinanzierung:Zuschreibungen :Einz. aus Verkäufen zu Buchwert :

2Mio.3Mio.1 Mio.0,5 Mio.0,1 Mio.?

Selbstfinanzierung = Gewinnthesaurierung = 3 Mio.

Innenfinanzierung (alfgemein)= Selbstfinanzierung

+ nichtauszahlungswirksamer Aufwand- nicht einzah lungswirksamer Ertrag+ nicht erfolgswirksame Einzahfungsüberschüsse

beachte: Die nicht erfolgswirksamen EZÜ diirfen aber keine reinen Kapi­tafzuflüsse von Eigen- oder Fremdkapitalgebern sein, da sie sonst als ex­terne Finanzierung einzustufen waren.

Innenfinanzierung (hier)= Selbstfinanzierung 3 Mio.

+ interne Fremdfinanzierung 1 Mio. (z.B. Pensionsrückstellungen)- Zuschreibungen 0,5 Mio. (nicht einzahlungswirksamer Ertrag)+ Einzahlung aus Verkäufen zu Buchwert 0, 1 Mio.

(als nicht erfo/gswirksame EZÜ)'" 3,6 Mio.

beachte: Die Zins- und Steuerauszah/ungen sind bere its im (thesaurierten)Gewinn eingerechnet.

KLAUSURAUFGABEVOM20.02.2004: Innenfinanzierung(18 von 100 Punkten)

Bei einer Unternehmung kam es im letzten Jahr zu folgenden Geschäfts­vortällen:

der zahlungswirksame betriebliche Umsatz betrugalte Anlagen mit Buchwert 1 Mio. € wurden in bar verkauft fürbHanzielie Höherbewertung des Firmengebäudes umVerkauf von Forderungen mit Buchwert 0,5 Mio. € in bar fürZuführungen zu PensionsrückstellungenGewinnausschOttungZinsauszahlungenSonstige AbschreibungenGewinnsteuerauszahlung

3,7 Mio. €0,8 Mio. €0,2 Mio. €0,4 Mio. €0,4 Mio. €0,1 Mio.€0,2 Mio. €1,2 Mio. €1,0 Mio. €

111.2.1 Nutzen und Kosten der Liquidität 151

a) Berechnen Sie die Summe der Einzahlungen sowie die Summe derAuszahlungen! (4 Punkte)

gesamte Einzahlungen:Umsatz 3,7 Mio. €alte Anlagen 0,8 Mio. €Forfaitierung 0,4 Mio. €Summe: 4,9 Mio. e

gesamte Auszahlungen:Ausschüttung 0,1 Mio. €Zinsen 0,2 Mio. €Steuern 1,0 Mio. €Summe: 1,3 Mio. e

b) Wie groß ist die Innenfinanzierung der Firma insgesamt gewesen undwieviel davon entfallen jeweils auf Selbstfinanzierung, Finanzierungaus Abschreibungen, Finanzierung aus Rückstellungen und die Finan­zierung durch den ertoiqsneutralen Verkauf von Vermögensgegen-ständen? (14 Punkte)

Innenfinanzierungsspielraum =4,9 - 1,3 =3,6 Mio. €

Selbstfinanzierung.3,7 + (0,8 - 1,0) + 0,2 + (0,4 - 0,5) - 0,4 - 0, 1 - 0,2 -1,2 - 1,0= 0,7 Mio. €

Finanzierung aus Abschreibungen = 1,2- 0,2 = 1,0 Mio. €

Finanzierung aus Rückstellungen = 0,4 Mio. €

Finanz. durch ett-neutr. Verk. v. Verm.-Gegenst. = 1 + 0,5 = 1,5 Mio. €

2. Liquiditätssicherung

2,1 Nutzen und Kosten der Liqu idität

Die Liqu idität eines Unternehmens bezeichnet dessen Fähigkeit, die zueinem Zeitpunkt zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen uneinge­schränkt erfüllen zu können. Als .zwinqend fällig" sollen solche Verpflich­tungen gelten, die rechtlich verbindlich sind oder ökonomisch geboten er­scheinen. Rechtlich verbindlich sind normalerweise Kredittilgungen, Zins­verpflichtungen, Lohnzahlungen usw. Wenn solchen Verbindlichkeitennicht nachgekommen wird, droht die Insolvenz und die Existenz des Un­ternehmens ist gefährdet. Ökonomisch geboten sind Auszahlungen fürlohnende Investitionen. Wer aufgrund fehlender Liquidität systematisch

152 111.2.1 Nutzen und Kosten der Liquidität

keine Investitionen durchführen kann, verl iert seine Ertragskraft und ge­fährdet damit letztlich ebenfalls die Existenz des Unternehmens.

Um mit einem weitverbreiteten Mißverständnis aufzuräumen: Die Exis­tenzslcherung eines Unternehmens ist kein ökonomisch sinnvolles Zielan sich . Die Fortführung eines in der Existenz bedrohten Unternehmensmuß ökonomisch sinnvoll sein. Ist sie es nicht, macht auch die Existenzsi­cherung keinen Sinn.

Quellen der Llquldltät sind

die zu Periodenbeginn vorhandenen Zahlungsmittelbestände ,

der in der jeweiligen Periode erwirtschaftete Einzahlungsüberschußsowie

Finanzierungsreserven wie zum Beispiel schnell veräußerbare Ver­mögensgegenstände oder noch nicht ausgeschöpfte Kreditlinien.Grundsätzlich handelt es sich dabei um mehr oder wen iger liquidi­tätsnahe Vermögensgegenstände, deren Wert sich mit mehr oderweniger hohen Preisabschlägen "zu Geld machen läßt", wie z. B.Vorräte oder börsengehandelte Wertpapiere .

Auch bei der Liquiditätsplanung sind Nutzen und Kosten gegeneinanderabzuwägen. Der Nutzen der Llquldlt ät besteht in der Sicherung der Zah­lungsfähigkeit und der Anpassungsfähigkeit bzw . Schlagkraft . Die Anpas­sungsfähigkeit oder Schlagkraft besteht darin , flexibel auf sich bietende ln­ves titionsgelegenheiten reagieren zu könne n und dann "zuzuschlagen".

Die Aufrechterhaltung von Liquidität verursacht jedoch auf Kosten in Formvon Oppo rtunitätskosten. Zum Beispiel erbr ingen liquide Mittel normaler­weise keine Verzinsu ng. Wer liquide Mittel hält, verzichtet deshalb aufZinserträge.

Bei sicherer Zukunft ist eine Liquiditätsplanung trivial. Es müssen lediglichalle künftigen Ein- und Auszahlungen exakt aufeinander abgestimmt wer­den . Eine Liquiditätsreserve zu halten wäre dann übert lüssig. Bei Unsi­cherheit entste ht aber ein echtes Entscheidungsproblem. In diese m Fallsind Reserven ertorderlich , um even tuelle Mindereinzahlungen oder Mehr­auszahlungen auffangen zu können . Die Frage ist, in welchem Umfangund in welcher Art Liquiditätsreserven zu halten sind . Dabei sind zwei Ar­ten von Kosten zu unterscheiden:

111 .2.1 Nutzen und Kosten der Liquidität 153

(a) Kosten , die entstehen , bevor es zu einem Liquiditätsengpaß kommt(Vermeidungskosten) . Der Begriff der Vermeidungskosten könntein die Irre führen . Denn es geht nicht nur um Kosten solcher Maß­nahmen , die einen Liquiditätsengpaß vermeiden helfen, sondernauch um solche , die spätere Anpassungsmaßnahme n erst ermög li­chen oder deren Kosten senken . Im Grunde wäre es besser, vonEx-ante -Liquid itätskosten zu sprechen (ex ante "" im vorhinein). Die­se Bezeichnung ist aber nicht üblich .

Beispiele

• Kosten durc h das Halten von Zahlungsmittelbeständen sowie li­quider Vermöge nsgegenstände. Liquide Verrnöqenspeqenstän­de sind mit nur geringen Preisabschlägen schnell veräußerbar.Die Kosten bestehen im Verzicht auf eine (eventuell) höhereRendite .

• Kosten durch die Vereinbarung offener Kreditlinien (also Kredite ,die noch nicht in Anspruch genommen werden) . Dabei fallen Be­reitstellungsgebühren an, auch wenn man die Kreditl inie nicht inAnspruch nimmt.

(b) Kosten, die entstehen , wenn ein Liquiditätsengpaß bereits vorliegt(Anpassungskosten) .

Beispiele

• Preisabschläge durch die kurzfrist ige Liquidatio n illiquider Ver­mögensgegenstände wie Immobilien

• Zinsaufschläge bei Inanspruchnahme offener Kreditlinien• verschlechterte Kondit ionen seitens der Geschäftspartner durch

gesunkene eigene Bonität (auch Indirekte Insolvenzkosten ge­nannt)

Bei der Liquiditätsplanung muß zwischen den Vermeidungskosten und denAnpassungskosten abgewogen werden . Eine sehr hohe Kasse nhaltungsenkt zwar die Wahrscheinlichkei t eines Liquiditätsengpasses und damitdie erwarteten Anpassungskosten. Man verzichtet dabei aber auf hoheZinserlöse. Wenn dagegen überhaupt keine Vermeidungsmaßnahme er­griffen wird, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Liquiditätsengpasses undbei einem solchen Engpaß müßten zum Beispiel hohe Preisabschlägebeim Verkauf des Firmengebäudes getragen werden .

154 111.2.1 Nutzen und Kostender Liquidität

KLAUSURAUFGABE VOM 16.07.2004: Kosten der Liquiditätssicherung(25 von 100Punkten)

Zur Vorsorge gegen die Gefahr der Illiquid ität hält eine Unternehmung 1Mio . € in der Kasse und verzichtet auf den Anjagezins in Höhe von 5 % .Ferner hat sie mit ihrer Hausbank vereinbart, notfalls eine kurzfrist ige Kre­ditlinie in Höhe von 2 Mio. € in Anspruch nehmen zu können, Für dieseZusage zah lt sie an die Bank 10.000 €. Der Zinssatz bei Inanspruchnahmeder Kreditlinie liegt um 2 Prozentpunkte über dem Zins für langfrist ige Kre­dite . Bei akuter Illiquid ität kann das Unternehmen seine Forderungenrasch verkaufen. Der Verkaufspreis läge dann aber um 500.000 € unterdem eigentlichen Wert der Forderungen. Außerdem ist bei drohender In­solvenz damit zu rechnen, daß sich die Konditionen der Lieferanten ver­sch lechtern, was zu zusätzlichen Kosten in Höhe von 600.000 € führenwürde.

a) Wie hoch sind die indirekten Insolvenzkosten, wie hoch sind die An­passungskosten und wie hoch sind die Vermeidungskosten? GehenSie davon aus, daß (notfalls) arte beschriebenen Maßnahmen voll­ständig durchgeführt werden (müssen).

indirekte Insolvenzkosten = 600.000Anpassungskosten = 500.000 + 600.000 + 0,02 ·2 Mio = 1.140.000 (Ach­tung, sie umfassen auch die indirekten Insolvenzkosten)Vemeidungskosten = 0,05· 1 Mio. + 10.000 = 60.000

b) Ist die Wah rsche inlichkeit, die die Unternehmung für eine drohende ll­ltquidität unterstellt. eher als hoch oder als niedrig einzuschätzen? Be­gründen Sie Ihre Einschätzung kurz!

Eher niedrig, da nur geringe Vermeidungskosten aufgewendet werden,während relativ hohe Anpassungskosten toleriert werden.

c) Beurteilen Sie die folge nde These: "Die Einhaltung bestimmter bilan ­zietler Liquiditätskennzahlen ist sowohl eine notwendige als auch einehinreichende Bedingung für die Sicherung der Liqu idität !"

..... weder notwendig, da eine Nichteinhaltung der Kennziffern nichtzwangsläufig zur Illiquidität führt,noch hinreichend, da Illiquidi tät trotz Einhaltung der Kennziffern eintretenkann.

11 1.2.2 Liquiditätsplanung

2.2 Liquiditätsplanung

a) Finanzplan

155

Ein zentrales Instrument für die Liquiditätsplanung ist der Finanzplan. Erenthält eine systematische Zusammenstellung aller Ein- und Auszahlun­gen für einen bestimmten Zeitraum. Da die Güte der Prognose über künt­tige Zahlungen sinkt, je weiter sie in der Zukunft liegen, werden die künfti­gen Zahlungen zunächst vielleicht täglich, wöchentlich oder dekadisch,später monatlich und dann quartalsweise erfaßt. Ein Beispiel dazu liefertdie Tabelle 1II.2.1. In jeder Subperiode ergibt sich der Endbestand an Zah­lungsmitteln (letzte Zeile) aus dem Anfangsbestand (zweite Zeile) zuzüg­lich des erzielten Einzahlungsüberschusses inder Subper iode.

3. 2. 3. 4.1.Dekade 2.Dek. 3.Dek. 2.Monat Monat Quar- Quar- Quar-

tal taI taIAntanqs- 50 10 90 70 - 30 280 450 820bestandlaufende EZ 300 320 350 1.000 950 2.900 2.800 2.500

laufende Al. - 250 - 240 - 220 - 700 - 600 - - -2.000 2.200 2.300

Desinvest. - - - - 100 - - -

Investitionen - 500 - 800 -- - - - - 2.000Zinsausz. - - 50 50 50 200 - 200 -200Kredittilq . -80 - - -80 - 80 - - -Kreditaufn. - - 400 540 - - - 1.300Steuern - - - - - - 500 - -Entnahme - 10 - - - 10 - 10 30 30 30

Endbestand 10 90 70 -30 280 450 820 90

Tab. 111.2.1 : Finanzplan

Nehmen wir an, die Prognosen sehen ohne weiteres so aus wie in demabgebildeten Finanzplan. Dann entsteht im 2. Monat das Problem der Illi­quidität, da geplante Auszahlungen in Höhe von 30 nicht gedeckt sind.Diese Situation gilt es durch zusätzliche Maßnahmen zu vermeiden.Denkbare Maßnahmen können darin bestehen,

;... Auszahlungen zeitlich aufzuschieben , z. B. die für den 2. Monat ge­plante Investition.

156 111 .2.2 Uquiditätsplanung

). Einzahlungen zeitlich vorzuziehen, z. B. die Desinvestition aus dem3. Monat.

> die Finanzeinzahlungen zu erhöhen, z. B. die für den 2. Monat ge­plante Kreditaufnahme.

Bei solchen Maßnahmen sollten natürlich auch Folgewirkungen berück­sichtigt werden, die ebenfalls unmittelbar zahlungswirksam sind. So könn­te zum Beispiel die Vorverlegung der Desinvestition vom 3. in den 2. Mo­nat dazu führen, daß die laufenden Einzahlungen im 2. Monat geringerwerden: Eine Eismaschine, die einen Monat früher verkauft wird, bringtdann einen Monat früher auch keinen Umsatz mehr.

Im obigen Finanzplan fällt außerdem auf, daß der Zahlungsmittelbestandam Ende des 2. und 3. Quartals hoch erscheint. Alternativen bestündenzum Beispiel darin, Teile dieser Zahlungsmittel zinsbringend anzulegen,eine Kredittilgung vorzunehmen oder Teile der Investition aus dem 4.Quartal vorzuziehen. Um Empfehlungen geben zu können, müßte manaber Näheres über die Geschäftstätigkeit wissen. Auch hängt es von denzu erwartenden Schwankungen der prognostizierten Zahlungen ab, ob diescheinbar hohen Zahlungsmittelbestände nicht doch als Liquiditätsreservenötig sind.

Allgemein ist der Finanzplan sowohl Ausgangspunkt als auch Ergebnis ei­ner Suche nach Anpassunqsmöglichkeiten , die die Schlagfähigkeit der Un­ternehmung erhalten und gleichzeitig die (Opportunitäts-)Kosten begren­zen.

Aufgabe: Finanzplan

In den nächsten 3 Wochen (t =1, 2, 3) fallen die folgenden Ein- und Aus­zahlungen an (beide positiv definiert):

laufende Einz.

laufende Ausz.

Zinsauszahlung

Steuerausz .Entnahmen

E,

A,AZ,A8,Divl

= 10 1 - 10 · t

= (5 -t)'= 200= 50· t - 41

= 18 11

Der Kassenbestand zu Beginn der 1. Woche beträgt 300.

a) Erstellen Sie den vorläufigen Finanzplan!

111.2.2 Liquiditätsplanung 157

t = 1 t s e t= 3Anfan sbestand 300 11 - 302

E, 0 80 970A 25 100 - 225Al: -200 -200 -200AB, - 46 -84 -86Div, - 18 -9 -6

Endbestand 11 302 151

b) Die einzige Möglichkeit, sich zusätzlich Mittel zu beschaffen, liegt in ei­ner Kreditaufnahme mit 1 Woche Laufzeit. Der Kredit kann jederzeit zu1 % pro Woche aufgenommen werden, der Zins ist sofort zu zahlen. Wiehoch ist der erforderliche Kreditbetrag?

Zu decken ist der negative Kasse nbestand in Höhe von - 302 in t = 2:

Kredit abzgl. sofortiger Zinszahlung = 302K -O,OI·K = 302

~ K = 305,05

ist in t = 2 aufzunehmen.

b) Bilanzielle Liquiditätskennzahlen

Als zusätzliches Instrument, um die künftige Liquidität einzuschätzen, kön­nen bilanztelle Liquiditätskennzahlen dienen. Diese Kennzahlen drückendas Verhältnis zwischen Aktivpositionen aus, die kurzfristig zu entspre­chenden Einzahlungen führen können, und Passivpositionen, die kurzfris­tig wahrscheinlich mit Auszahlungen verbunden sein werden. Als kurzfris­tig werden Restlaufzeiten von bis zu einem Jahr bezeichnet.

Je nachdem, welche Bilanzpositionen einbezogen werden, sind die dreifolgenden Liquiditätsgrade voneinander zu unterscheiden.

Liquidität 1. Grades ("Bar liquidität"):

Zahlungsmittelbestandkurzfristige Verbindlichkeiten

158 111.2.2 Liquidilätsplanung

Liquidität 2. Grades:

Zahlungsmittelbestand + kurzfristige Forderungenkurzfristige Verbindlichkeiten

liquidität 3. Grades ("curren! ratio"):

Zahlungsmittelbestand + kurzfristige Forderungen + Vorrätekurzfristige Verbindlichkei ten

Wenn die Liquidität 1. Grades zum Beispiel über dem Wert Eins liegt,reicht der Zahlungsmittelbestand, der zu Beginn eines Geschäftsjahresvorliegt, aus, um die während dieses Jahres fällig werdenden Verbindlich­keiten zu begleichen. Das hört sich nach einer komfortablen Liquidität an.Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß sämtliche Auszahlungen (inklusi­ve derjenigen für die Verbindlichkeiten) in der Periode größer sind als deranfängliche Zahlungsmittelbestand sowie sämtliche Einzahlungen. Danndroht Illiquidität, obwohl die Liquidität 1. Grades größer als Eins ist.

Ein Indikator dafür, welche Einzahlungen mindestens zu erwarten sind,sind die kurzfristigen Forderungen des Unternehmens. Dies wird in der Ll­quidität 2. Grades berücksichtigt. Außerdem erwirtschaften Teile des Ver­mögens im Rahmen des Umsatzprozesses hinreichend schnell zusätzlicheEinzahlungen in Höhe ihres Wertes. Normalerweise gilt dies insbesonderefür die Vorräte. Deshalb erweitert die Liquidität 3. Grades den Zähler nochum diese Position.

Die vorgestellten Liquiditätskennziffern sind Ausdruck der allgemeinerenFristenkongruenzregel. Grob formuliert besagt sie folgendes: JederVermögensposition auf der Aktivseite sollte ein Kapitalbetrag auf der Pas­sivseite gegenüberstehen, der mindestens so lange zur Verfügung steht,bis das in der Aktivposition gebundene Kapital freigesetzt ist. Man kanndie Regel auch so formulieren: Das Volumen aller Aktiva mit einer Kapital­bindung bis zum Zeitpunkt r sollte höher sein als der Kapitalbetrag allerPassiva mit Fälligkeit bis t . Damit soll erreicht werden, daß die Vermö­gensgegenstände hinreichend frühzeitig Zahlungsmittel erwirtschaften, diefür die Bedienung der Kapitalgeber verwendet werden können.

Zur Anschaulichkeit betrachten wir die folgende stark vereinfachte Bilanz.

111.2.2 Liquiditätsplanung

Aktiva• Akt iva mit langfristiger

Kapitalbindung (A3)

• Akt iva mit mittelfris tigerKapitalbindung (A2)

• Aktiva mit kurzfristigerKapitalbindung (A,)

Passiva• Eigenkapital und langfristige

Verbindlichkei ten (P3)

• mittelfristige Verbind lichkei­ten (P2)

• kurzfristige Verbindlichkeiten(P,)

159

At '" Volumen einer Aktivposition mit Kapitalfreisetzunq bis 'r

PT '" Volumen einer Passivposit ion mit Fälligkeit bis 'r

Noch eine technische Anmerkung : Eigenkapital steht normalerweise unbe­fristet zur Verfügung ; im Beispiel wird dagegen eine Fälligkeit in t '" 3 un­terstellt. Dies spielt aber keine Rolle, denn das Eigenkapital steht in beide nFällen wenigstens so lange zur Verfügung, bis das gesamte gebundeneKapital freigesetzt ist.

Nach der Fristenkongruenzregel sollte gelten

und

Aus der Identität der Bilanzsumme. At + A2 + A3 '" Pj + P2 + P3, folgt

und

Verallgemeinert lautet die Fristenkongruenzregel :

, ,IA,>Ip,; =0 ; =0

für jedes t a Q.

160

Aufgabe: Liquid itätsziel

111.2.2 Liquiditätsplanung

a) Wie lautet die liquidilätsbedingung für die nächsten T Zeitpunkte bei si­cheren Erwartungen?

/n jedem Zeitpunkt ts T muß gelten:t t

Kassenanfangsbestand + I EI ;:: I AI1=0 1=0

oder in Worten:

Summe aller Einzahlungen bis t ind. Kassenanfangsbestand~ Summe aller (zwingend fälligen) Auszahlungenbis t

b) Wie ändert sich diese Zielsetzung bei unsicheren Erwartungen?

Liquidität ist grundsätzlich nicht mehr mit absoluter Sicherheit zu gewähr­leisten.Liquidität muß nun hinreichend wahrscheinlich sein.

Aufgabe: Insolvenzwahrscheinlichkeit

Das Unternehmen INSO erwartet für den nächsten Monat drei möglicheEinzah lungssummen und zwei mögliche Auszahlungssummen:

Wkt. E.

300.0000

0,5 200.000

0,1

100.000

Wkt.

~0,5

240.000

160.000

Ein- und Auszahlungen seien unkorrelie rt. Uquiditätsreserven gibt es keineund die Auszahlungen sind zwingend.

Ist zu erwarten, daß die INSO illiquide wird?

Die Frage wurde bewußt nicht ganz eindeutig formuliert.

Erste Variante: Ist der erwartete EinzahJungsüberschuß negativ?

111.2.2 Uquiditätsplanung

erwartete Einzahlungen:

EIE) = 0,4 · 300.000 + 0,5 . 200.000 + 0,1 . 100.000= 230.000

erwartete Auszahlungen:

EIA) = 0,5 ·240.000 + 0,5 ·160.000 = 200.000

erwarteter Einzahlungsiiberschuß:

EIE- A) = EIE) - EIA) = 30.000

Antwort: Nein.

161

Zweite Variante: Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt es zur ffliquidität?

lIfiquidität in folgenden Fäflen:

E ~ 200.000 und A = 240.000 _ Wahrscheinlichkeit 0,5 . 0,5 = 0,25E = 100.000 und A =240.000 _ Wahrscheinlichkeit 0, 1 · 0,5 =0,05E = 100.000 und A = 160.000 _ Wahrscheinlichkeit 0, 1 · 0,5 =0,05

Gesamtwahrscheinlichkeit für //liquidität = 0,35.

Kennzahlen, die Aktiva und Passiva zueinander ins Verhältnis setzen, sindhorizontale Bilanzkennzahlen. Die Liquiditätsgrade sind ein Beispiel da­für. Kennzahlen aus Positionen, die nur auf einer Seite der Bilanz stehen,heißen vertikale BIlanzkennzahlen. Besondere Aufmerksamkeit genießtdabei der

VerschuldungsgradFremdkapital

Eigenkapital

Die gleiche Information wie der Verschuldungsgrad bieten die

Fremdkapitalquote = FremdkapitalGesamtkapital

und die

Eigenkapitalquote =Eigenkapital

Gesamtkapi tal

162 111.2.2 Liquiditätsplanung

Ein hoher Verschuldungsgrad ist defin itorisch gleichbedeutend mit einerhohen Fremdkapitalquote und einer niedrigen EIgenkapitalquote. Mankann auch einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Verschul ­dungsgrad und der Liquidität knüpfen . Je höher der Verschuldungsgrad ist,desto höher sind die festen Auszahlungsverpflichtungen (AV) gegenüberden Fremdkapitalgebern im Vergleich zu den residualen Ansprüchen derEigenkapitalgeber. Bei gegebenem Investitionsprogramm steigen die AVim Vergleich zu demjenigen Einzahlungsüberschuß (E), den das Unter­nehmen vor Abzug der AV erwirtschaftet. Wenn E unsicher ist, steigt mithöherem Verschuldungsgrad die Wahrscheinl ichkei t dafür, daß E nichtausreicht, um AV zu decken. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit,daß das Unternehmen illiquide wird.

Es sei betont, daß eine Variation des Verschuldungsg rads bei gegebenemInvestitionsprogramm betrachtet wird. Die Aktivseite der Bilanz bleibt dabe ialso unverändert und es ändert sich ledigl ich die Struktur der Passivseite.Eine Erhöhung des Verschuldungsgrads kann dann nur durch eine Substi­tution von Eigenkapital durch Fremdkapital erfolgen. Wenn das lnvesf iti­onsprogramm unabhängig von dem Verschuldungsgrad ist, wird ausge ­schlossen, daß es zu Fehlanreizen wie zum Beispiel dem Risikoanreizef­fekt (siehe oben) kommt.

Zusammengefaßt sieht die Wirkungskette wie folgt aus:

VG i

•AV t bei gegebenem, aber unsicheren E

•höhere Wahrscheinlichkeit dafür, daß AV > E

Die Abbildung 11 1.2.1 zeigt den Verlauf der Verteilungsfunktion F(AV).F(AV) entspricht der Wahrscheinlichkeit p, mit der der Einzahlungsüber­schuß E den Wert AV unterschre itet und es dann zum (teilweisen) Ausfallfür die Fremdkapitalgeber kommt.

111 .2.2 Liquiditätsplanung

F(AV)= p(E<AV)

p(E<AV,)

p(E<AV,)

AV

163

AV, AV, AV,

Abb. 111 .2.1: Ausfallwahrscheinlichkeit

Sie sehen, daß die Ausfallwahrscheinlichkeit für kleine AV, die unterhalbvon AVo liegen, gleich null ist. Trotz der Unsicherheit über E ist immerhinsicher , daß E diese kleinen Werte übersteigt. Ab AVo beginnt F in AV zusteigen . Das bedeu tet, die Ausfallwahrscheinlichkeit steigt mit AV. Bei ei­ner kritischen Obergrenze erreicht die Ausfallwahrscheinlichkeit den WertEins. Offenbar kann der unsichere Einzahlungsüberschuß E diese kriti­sche Oberg renze auf keinen Fall übersteigen. In der Abbildung sind zweimögliche Verschu ldungsgrade mit den Auszahlungsverpflichtungen AV,bzw. AV2 eingetragen. Die Ausfallwahrscheinlichke it beim höheren Ver­schu ldungsgrad mit der Auszahlungsverpflichtung AV2 ist eindeutig höher.

Die Liquiditätsplanung anhand bilanzorientierter Kennzahlen (Bilanzst ruk­turnormen) ist mit einigen Schwächen verbunden.

(1) Die vorgenommenen planmäßigen Absc hreibungen auf die Vermö­genswerte stimmen oft nicht mit den tatsächlichen Marktwertverän­derungen und auch nicht mit dem tatsächlichen Minelrü ckfluß über­ein. Daher kann es problematisch sein, die Höhe der Kapitalbindungan solchen Bewertungen zu messen.

(2) Einige längerfristig bindende Zahlungsverpf lichtungen stehen nichtin der Bilanz wie zum Beispiel Lohnzahlungen, Zinszahlungen oderLeasingraten .

164 111.2.2 Liquiditätsplanung

(3) Aus der Bilanz geht nicht genau hervor, inwieweit zusätzliche Fi­nanzierungsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Kreditaufnahmekurzfristig möglich sind.

(4) Die Bilanz zeigt nicht, in welchem Umfang künftig fällige verbind ­liehketten durch sie ersetzende neue Verbindlichkeiten finanziertwerden können.

Schon allein aus diesen Gründen ist die Einhaltung bestimmter Bilanz­kennzahlen weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung fürdie Sicherung der Liquidität. Sie ist nicht notwendig, weil die Liquiditätdurchaus gesichert sein kann, obwohl bestimmte Kennzahlen nicht ein­gehalten werden. Sie ist nicht hinreichend, weil die Liquidität gefährdetsein kann, obwohl die Kennzahlen nicht eingehalten werden.

Auch wenn kein zwingender Zusammenhang zwischen der Beachtung vonBilanzstrukturnormen und der Liquiditätssicherung besteht, so liefert dieBilanz doch Anhaltspunkte über die aktuelle und künftige Liquiditätslage.Sogar wenn sie überhaupt keine Information darüber enthalten würde,könnte die Einhaltung von Bilanzstrukturnormen hilfreich sein. Das liegtam normativen Charakter solcher Kennzahlen. Wenn Kapitalgeber dieEinhaltung einer bestimmten Strukturnorm verlangen (zum Beispiel, daßdie Liquidität 2. Grades mindestens den Wert 1 betragen soll) und wenndiese Norm von dem Kapitalnachfrager nicht eingehalten wird, läßt diesRückschlüsse auf den Kapitalnachfrager zu. Erstens könnte er zu dummoder mindestens nachlässig sein, um auf die Einhaltung einer solchenNorm zu achten. Oder zweitens ist er möglicherweise gar nicht in der Lage,diese Norm einzuhalten. Beides wären schlechte Signale. Allein deshalbkönnten Kapitalgeber zurückhaltender werden, ihre Mittel eventuell zurück­fordern oder bei einer drohenden Illiquidität keine zusätzlichen Mittel zurVerfügung stellen. Umgekehrt erhöht die Einhaltung der Norm die Bereit·schatt. Mittel zur Verfügung zu stellen. Dieses Verhalten führt zur soge­nannten Liquidität kraft Konvention. Der Mechanismus ähnelt einer sichselbst bestätigenden Prognose. So bezeichnet man Prognosen, dieselbst der Auslöser dafür sind, daß sie eintreten.

KLAUSURAUFGABE VOM 07.10.2004:Verschuldungsgrad und Ausfallwahrscheinlichkeit (20 von 100Punkten)

Ihnen wird eine Investition angeboten. für die Sie zunächst 50 GE auszah­len müssten, um später mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit entweder243.44, 22 oder 11 GE als Einzahlung zu erhalten. Der Fremdkapitalzinssei konstant 10%.

11 1.3. Bedeutung der Kapitalstruktur

a) Wie ist der Verschuldungsgrad definiert?

VG~ FKEK

b) Wie hoch ist der erwartete interne Zins des Projekts?

E~ ' ) ~ 0.25 · (243 +44 +22+1 1) -50 ~60%

50 ~

165

(2 Punkte)

(2 Punkte)

c) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeiten für alternative Verschul­dungsgrade , mit denen es zumindest teilweise zu einem Ausfall derForderung des Fremdkapitalgebers kommt. Tragen Sie die jeweiligeAusfallwahrscheinlichkeit und den Bereich des Verschuldungsgrads,für den diese Ausfallwahrscheinlichkeit gilt, in die Tabelle ein. (Hin­weis: Die vorgegebenen Spalten reichen genau für den gesamten De­finitionsbereich des VG.) (16 Punkte)

Ausfallwahr- 0% 25% 50% 75%scheinllchkeitVerschuldunqs- VGSO.25 0,25<VGSO,66 0,66<VGS4 4<VG

I aradIm schlechtesten Fall e,_11.maximaferKredit 11/1,1 = 10 - FK= 10- EK= 40_ max. VG = 0,25

im Fall e,=22:maximaler Kredi t 22/1, 1=2()--'" FK=20 _ EK=30 _ max. VG=O,66usw...

3. Bedeutung der Kapitalstruktur

Als Kapitalstruktur wird das Verhältnis der unterschiedlichen bilanziellenPassivpositionen zueinander bezeichnet. Im einfachsten Fatt . und vondem gehen wir hier aus - wird lediglich zwischen Eigen- und Fremdkapitalunterschieden . Eventuell bestehende hybride Finanzierungsinstrumentemüßten also in eindeutige Eigen- und Fremdkapitalanteile aufgespaltenwerden, was sicherlich nicht unproblematisch wäre. Von diesem Problemabgesehen , läßt sich die Kapitalstruktur mit Hilfe des Verschuldungsgrads,der Fremdkapitalquote oder der Eigenkapitalquote charakterisieren.

166

3.1 Kapilalkoslen

111.3.1 Kapitalkosten

Eine allgemeine sinnvolle Definition der Kapitalkosten ist nicht ganz so ein­fach wie man annehmen könnte. Das liegt daran, daß dabe i die genauerenUmstände der Entscheidungssituation zu berücksichtigen sind. Aus die­sem Grund nähern wir uns dem Thema durch eine Reihe von Beispielen.

Beispiel 1: Nachschüsslgkelt

Ein Unternehmen nimmt einen Kredit in Höhe von 100 zum Zinssatz 6 %auf und wird den Kredit samt Zinsen am Jahresende mit Sicherheit zu­rückzahlen können. Dann wird am Jahresende eine Zinsauszahlung von 6erfolgen. Der auf den Jahresbeginn bezogene Barwert der Auszahlungwäre aber nur 6/1,06 = 5,66 (einen siche ren Kalkulationszinssatz 6 % un­terstellt). Deshalb ist zu entscheiden, ob sich der Begriff der Kapitalkostenauf die vor- oder auf die nachschüssigen Kosten bezieht. Üblicherweisesind nachschüsstqe Kosten gemeint. Der Kapitalkostensatz wäre daher6%.

Beispiel 2: Erwartungswert

Ein Unternehmen nimmt einen Kredit in Höhe von 100 zum Zinssatz 10 %auf. Allerdings weiß die Unternehmensleitung, daß sie ihn nur mit 80 %Wahrscheinlichkeit samt Zinsen zurückzahlen kann. Mit 20 % Wahrschein­lichkeit wird das Unternehmen insolvent und kann dann nur den Kredit til­gen, aber keine Zinsen zahlen. Eine Haftung der Eigenkapitalgeber sollnicht vorliegen. Die erwartete Rückzahlung am Jahresende beträgt also0,8· 110 + 0,2 · 100 ", 108. Der erwartete Zinssatz wäre 8 %. Zu klären ist,ob als Kapitalkosten die vereinbarte Zinszahlung 10 oder der Erwartungs­wert der Zinszahlung 8 anzusehen ist. Man könnte nun die Sichtweise wiein einer Vorkalkulation oder wie in einer Nachkalkulation einnehmen. Beieiner Nachkalkulation wären als .Kapitalkosten" je nach Entwicklung ent­weder 10 oder 0 anzusetzen. EntscheidungsreJevant sind diese "Kapital­kosten" ohne weiteres aber nicht mehr und damit uninteressant. Dagegenkann eine Vorkalkulation die Entscheidung darüber beeinflussen, ob dieKreditaufnahme durchgeführt werden sollte. Im vorhinein ist nur bekannt,daß die Zinszahlung entweder 10 oder 0 betragen wird. Deshalb ist essinnvoll, den Erwartungswert der Zinszahlung 8 als Kapitalkosten zu ver­wenden.

111.3 .1 Kapitalkosten 167

Beispiel 3: Perspektive

Wir unterstellen die gleiche Situation wie im Beispiel 2. Zusätzlich fallendie Erwartungen des kreditaufnehmenden Unternehmens und des Kredit­gebers auseinander. Der Kreditgeber erwartet nämlich, daß der Kreditsamt Zinsen in jedem Fall zurückgezahlt werden kann. Die erwarteteRückzahlung aus Sicht des Kreditgebers wäre also 110. Die erwarteteRückzahlung aus Sicht des Kreditnehmers ist dagegen unverändert 108.Zu klären ist daher auch, wessen Erwartungen relevant sind. Da es sichum die Kapitalkosten aus Sicht des Kapitalnehmers handeln soll, ist beider Erwartungswertbildung auch dessen Einschätzung maßgeblich. Kapi­talkosten sind deshalb die aus Sicht des Kapitalnehmers erwarteten Kos­ten.

Beispiel 4: Eigenkapi1alkosten als Opportunitätskos1en

Ein Investor möchte ein Unternehmen gründen und selbst leiten. Das ge­samte ertorderllche Kapital bringt er als Eigenkapital mit ein. Die erwarteteRendite beträgt 15 %. Eine vergleichbare Kapitalanlage hätte ihm eine er­wartete Rendite von 11 % versprochen. In diesem Fall liegt eine Personal­union zwischen demjenigen, der über die Hereinnahme von Kapital ent­scheidet, und demjenigen, der das Kapital zur Verlügung stellt, vor. Dabeierscheint es sinnvoll, als Eigenkapitalkostensatz die Opportunitätskostenin Höhe des Verzichts auf 11 % anzusetzen.

Beispiel 5: Eigenkapi1alkosten als erwartete Eigenkapitalrendite

Ein ausschließlich eiqenkapitalfinanzfertes Unternehmen möchte sein Ei­genkapital durch die Hereinnahme eines weiteren Eigenkapitalgebers er·höhen. Vor und nach der Kapitalerhöhung beträgt die Rendite 13 %. Derneue Eigenkapitalgeber wird also 13 % auf sein Eigenkapital erhalten. Obdies über eine Ausschüttung oder eine Wertsteigerung erlolgt, ist egal.Daher betragen die Kosten des Eigenkapitals 13 %.

Beispiel 6: Änderung der EIgenkapitalrendite

Wir unterstellen die gleiche Situation wie im Beispiel 5. Allerdings soll nundurch die Kapitalerhöhung und der so finanzierten Zusatzinvestition dieEigenkapilalrendite von 13 % auf 11 % fallen. Nehmen wir an, ohne dieKapitalerhöhung beträgt das Eigenkapital 100.000 €. Mit Kapitalerhöhungsteigt es auf 150.000 €. Ohne Kapitalerhöhung wird das Vermögen der al­ten Eigenkapitalgeber auf 1,13 . 100.000 = 113.000 € anwachsen. Mit derKapitalerhöhung steigt das Vermögen der alten und neuen Eigenkapital-

168 11 1.3.1 Kapitalkosten

geber insgesamt auf 1,11 . 150.000 = 166.500 €. Davon verb liebe für diealten Eigenkapitalgeber der Betrag 166.500 - 1,11 . 50.000 = 111.000 f .Ohne Kapitalerhöhung hätten sie eine Verz insung von 13 %, also den Be­Irag 1,13 . 100.000 == 113.000 erhalten .

Wie hoch sind nun die Kosten des neuen Eigenkapitals? Sie setzen sichaus zwe i Komponenten zusam men: Erstens ist es die Rendite des neuenEigenkapitals von 11 %, also der absolute Wert 0,11 · 50.000 = 5.500 €.Zweitens liegt die Rendite der mit Hilfe des neuen Eigenkapitals finanzier­ten Zusatzi nvestition offenbar so niedrig, da ß die durchschnittliche Eigen­kapital rendite auf 11 % gedrückt wird. (Tatsächlich muß die Rendite derZusatzinvestition 7 % betragen, wenn die Durchschnittsrendite 11 % ist.Denn es gilt: 0,11 . 150.000 =0,13 . 100.000 + z . 50.000 <=> z =0,07.) Da­durch erzielen die alten Eigenkapitalgeber 2 % weniger Rendite auf ihrKapital und verl ieren den Betrag 0,02 . 100.000 = 2.000 €. Die Kosten desneuen Eigenkapitals belaufen sich somit auf 5.500 + 2.000 = 7.500 €. Be­zogen auf 50.000 € entspricht das einem Kapitalkostensatz von 15 %.

Beispiel 7: Oppo rtun itätskosten der Kapitalgeber

Im Beispiel 6 erhalten neue Eigenkapitalgeber eine Rendite von 11 %. Wirgehen nun davon aus, daß dies nur ein Erwartungswert und die Renditeunsicher ist. Diese erwartete Rendite könnte höher sein als diejenige, diesie bei verglei chbaren Alternativen am Kapitalmarkt erzielen. Nehmen wiran, die Alternativen erbringen im Erwartungswert nur 6 %. In diesem Fallkönnen die alten Eigenkapitalgeber die Kond itionen für die neuen Kapital­geber so setzen, daß sie den neuen Kapita lgebern eine Rendite bieten,die gerade noch deren Oppo rtuni tätskos ten in Höhe von 6 % deckt. Dieskönnte auf zweierlei Weise geschehen.

Erstens könnte man mit den neuen Eigenkapitalgebern schlicht vere inba­ren, daß sie eine sichere Verzinsung von 6 % erhalten . Ein solcher Vertragentspricht aber eher einem Kreditve rtrag und keinem Eigenkapitalverhält­nis , bei dem man an den Renditeschwankungen bete iligt ist. Zweitenskönnte man von den neuen Eigenkapitalgebern einen Aufsch lag auf denNennwert von 50.000 fordern, wobei dieser Aufschlag nicht die Gewinn­und Kapitalbete iligungsquote erhöht, er bliebe für die neuen Eigenkapital­geber bei einem Drittel. Beim maximal durchsetzbaren Aufschlag x mußdie Rendite der neuen Eigenkapitalgeber gerade noch 6 % sein.

Wenn wir davon ausgehen, daß die durch den Aufschlag erbrachten Fi­nanzmittel wie die Zusatzinvestition eine Rendite von 7 % erwirtsc haften,ist der Aufschlag x wie folgt zu berechnen.

111.3.1 Kapitalkosten

Das erwartete Unternehmensvermägen beträgt insgesamt

1,11 · 150.000 + 1,07 ·x

Davon gehört den neuen Eigenkapitalgeber ein Drittel, also

1/3 · (1,11 · 150.000 + 1,07 · xl

169

Alternativ hätten sie 50.000 + x zu 6 % anlegen können und hätten ein er­wartetes Vermögen von

1,06 . (50.000 + x)

Beide Vermögen müssen gleich hoch sein

1/3· (1,11 · 150.000 + 1,07 · xl = 1,06 · (50.000 + xl{=:> x ,., 3.555

Die alten Kapitalgeber können also einen Aufschlag von 3.555 verlangen.Die Kapitalkosten der Kapitalerhöhung entsprechen dann den Opportuni­tätskosten der neuen Kapitalgeber , so daß der Kapitalkostensatz für dasneue Eigenkapital nur noch 6 % beträgt. Es sei angemerkt, daß hier nureine Periode betrachtet wurde. Der Aufschlag steigt beträchtlich , wenn be­rücksichtigt wird, daß die neuen Eigenkapitalgeber in vielen nachfolgendenPerioden an den Unternehmensgewinnen beteiligt sind.

Fazit

Als Kapitalkostensatz wird diejenige Rendite der Kapitalgeber bezeichnet,die vom Kapitalnehmer erwartet wird . Wenn Kapitalgeber unter Konkur­renz stehen, braucht ihnen der Kapitalnehmer nur deren Opportunitätskos­ten zu bieten. Dann entsprechen die Kapitalkosten den Opportunitätskos­ten der Kapitalgeber.

Im weiteren wird sich zeigen, daß der so definierte Kapitalkostensatz alsalleiniges Kriterium für die Beurteilung, ob eine Finanzierung "teuer" oder"günstig" ist, nicht ausreicht. Denn die Höhe der von Kapitalgebern gefor­derten Rendite hängt auch von dem Volumen, der Fristigkeit und dem Ri­siko ab. Ein Vergleich zwischen Kapitalkostensätzen sollte solche Unter­schiede berücksichtigen.

170 11 1.3.2 Leveraqe-Ettekt und Leverage-Risiko

3.2 Leverage-Effekt und Leverage-Risiko

Das Gesamtkapital GK eines Unternehmens setzt sich aus EigenkapitalEK und Fremdkapital FK zusammen:

GK= EK + FK

Die Gesamtkapitalrendite rc. die das investierte Gesamtkapital erbringt,entspricht dem Verhältnis aus erwirtschaftetem Bruttogewinn zum einqe­setzten Gesarntkapilal

Bruttogewinnrc =

GKbzw.

Bruttoqewirme ro . GK

Der Nettogewinn, der für die Eigenkapitalgeber verbleibt, ergibt sich,wenn man vorn Bruttogewinn die Fremdkapitalkosten abzieht. Die Kostendes Fremdkapitals betragen rF . FK mit rF als Fremdkapitalzinssatz. DerNettogewinn beträgt also

Nettogewinn = rG. GK - rF . FK

Die Eigenkapitalrendite re berechnet sich aus dem Verhältnis zwischenNettogewinn zu Eigenkapital:

rE = ra ·GK -rF ·FKEK

Einsetzen von GK = EK + FK führt nach weiterer Umformung zu

"rGL'-"(E"K"+",F,,K,,)_-,,rF_' "FK-,re = EK

mit dem Verschuldungsgrad VG = FKIEK.

111.3.2 Leverage-Effekt und Leverage-Risiko 171

Die letzte Gleichung läßt einen besonderen Effekt erkennen. Und zwarzeigt sie, daß die Eigenkapilalrendite linear vom Verschuldungsgrad ab­hängt. ro und rF müssen dabei als konstant angenommen werden. Soferndie Gesamtkapitalrend ite rc höher ist als der Fremdkapitalzinssatz rF, istder Term in Klammern positiv. Dann treibt eine Erhöhung des Verschul­dungsgrads gleichzeitig die Eigenkapitalrendite in die Höhe. Auf den ers­ten Blick scheint desha lb ein besonders hoher Verschuldungsgrad optimalzu sein. Doch dieser Schein trügt, wie die folgenden Ausführungen zeigen.

Risiko

Der Bruttogewinn eines Unternehme ns dürfte in der Regel eine unsichereGröße sein. Dann muß auch die Gesamtkapitalrendite rc unsicher sein.Selbst wenn der Fremdkapitalzins eine sichere Größe bleibt (weil er imvorhinein vereinbart und mit Sicherheit gezah lt werden kann), wird die Ei­genkapitalrendite re ebenfalls unsicher. Es ist üblich, unsichere Größendurch eine Tilde - kenntl ich zu machen.

Die Gleichung für die unsichere Eigenkapitalrendite lautet dann

Im vorhinein läßt sich immerhin der Erwartungswert der Eiqenkapitalrendi­te bestimmen. Er beträgt

E(r,1• E(rG) + [ElrGI - r,1 . VG

mit E(rG) : Erwartungswert der Gesamtkapitalrend ite

Scheinbar hat sich nicht viel geändert. Solange E(rG) ~ rF> 0 ist, steigt dieerwartete Eigenkapitalrendite mit steigendem Verschuldungsgrad . DenZusammenhang zwischen erwarteter Eigenkapitalrendite und verschul­dungsgrad nennt man Leverage-Effekt.

Der Leverage-Effekt wird in Abbildung 111.3.1 veranschaulicht.

172 111,3.2 Leveraqe-Ettekt und Leveraqe-Rlslko

E(,, ); 'F

EI'G)

E(,, )

- - - - - - - - - - - - ~ rF

'--------------_ 0 VG

Abb. 111.3.1: Leverage-Effekt

Zusätzlich läßt sich auch die Varianz der Eigenkapitalrendite bestimmen.Die Varianz verwenden wir als Maß tür das Risiko, mit dem die Renditebehafte t ist. Sie drückt aus, wie stark die Rendite um ihren Erwartungswertschwankt. Dabei gilt

Die rechte Seite der letzten Gleichung hat die Struktur a · x+ b mit a und bals Konstanten und x als Zutallsvariable. Für die Berechnung ihrer Varianz

läßt sich die folgende allgemeine Regel nutzen: var fa .x+ b) = a2. Var{>: ) .

Setze a = 1+VG und b = - rF. VG sowie x = 'G. dann ergibt sich:

Var(~ ) = (1+ VG'f . Var(i;)

Zur Interpretat ion dieser Gleichung folgendes : Es geht unverändert nurdarum , mit welcher Kapitalstruktur ein gegebenes Investitionsprogrammfinanziert werden soll. Daher ist die Gesamtkapitalrendite, die aus der ln­vest ionslätigke it resultiert, unabhäng ig von der Kapitalstruktur. also demVerschuldungsgrad . Auch die Streuung der Gesamtkapitalrendite , geme s­sen an ihrer Varianz, hat dann nichts mit dem Verschuldungsgrad zu tun.Deshalb läßt sich aus der obigen Gleichung ablesen , daß eine Erhöhung

11 1.3.2 Leverage- Effekt und Leverage-Risiko 173

des Verschuldungsgrads die Varianz der Eiqenkapitalrendite und damit ihrRisiko erhöht. Diesen Zusammenhang nennt man Levereqe-Blslkc. DieVarianz der Eigenkapitalrendite steigt quadratisch mit dem Verschul­dungsgrad (siehe Abbildung 111.3.2).

Var(r,)

Var(rG)

VG

Abb. 111.3.2: Leverage-R isiko

Damit haben wir jetzt zwei interessante Folgerungen aufgedeckt. Wer sichals Eigenkapitafgeber nur für die erwartete Rendite interessiert, der sollteeinen möglichst hohen Verschuldungsg rad wählen. Wer dagegen nicht nurauf den Erwartungswert seiner Rendite schaut , sondern auch ihr Risiko(negativ) berücksichtigt, für den ist zunächst unklar, welchen Verschul­dungsgrad er wählen sollte.

Ausfallwahrscheinlichkeit für Fremdkapitalgeber

Wenn die Gesamtkapitalrendite bzw. der Bruttogewinn unsicher ist, sokann - je nach Schwankungsbreite des Gewinns - auch das Fremdkapitalausfallbedroht sein. Die Ausfallwahrscheinlichkeit steigt mit dem Verschul­dungsgrad. Denn aus den gegebenen, aber unsicheren Investitionsrück­flüssen ist dann ein immer größerer Betrag an die Kreditgeber zu leisten.Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, daß die Hücktlüsse dafür ausreichen.Diesen Zusammenhang haben wir bereits im Rahmen der liquiditätspla ­nung kennengelernt.

174 111.3.2 Leverage-Effekt und Leverage-Risiko

Wenn die Ausfallwahrscheinlichkei t ' ur Kredite steigt, werden die Kredit­geber dies in ihren Konditionen berücksichtigen. Sie werden eine höhereAusfallprämie verlangen. Damit steigt der Fremdkapitalzinssatz im Ver­schuldungsgrad. Daher ist die Annahme, daß fF im gesamten Bereich0< VG ::; 1 unabhängig von VG ist, nicht akzeptabel. Dann gilt aber auchder Leverage-Effekt nicht mehr . Das heißt, die erwartete Eigenkapitalren­dite steigt dann nicht mehr im gesamten Bereich des Verschu ldungsgra­des , sondern wird abschnittsweise rechtsgekrümmt verlaufen und ab ei­nem hinreichend hohen Verschuldungsgrad sinken. Bei diesem verschul­dungsgrad wäre die erwartete Eigenkapitalre ndite maximal. Das dies keinOptimum darstellen muß, wurde oben bereits mit Blick auf den Risikoas­pekt angesprochen. Die nachfolgenden AusfUhrungen weisen außerdemnach, daß die Renditemaximierung ohnehin eine fragwürdige Zielsetzungist.

KLAUSURAUFGABE VOM 20.02.2004: Leverageeffekt (25 von 100 Punkten)

Die GesamtkapitaJrendite re einer Unternehmung sei 8%. Der zu zahlendeFremdkapitalzins beträgt konstant 10%.

a) Skizzieren Sie den Verlauf der Eigenkapitalrendite re in Abhängigkeitvom Verschuldungsgrad VGI Zeichnen Sie außerdem den Fremdkapi­talzins rF einI (15 Punkte)

r,

r, f------------- --- 10 %

VG

b) Angenommen, die Gesamtkapitalrendite ro sei unsicher. SkizzierenSie den Verlauf der Varianz der Eigenkapitalrendite Var(rd in Abhän-

111.3.2 Leverage -Effekt und Leverage-Risiko

gigkeit vom Verschuldungsgrad!

VarlrE)

Renditemaximierung

VG

175

(10 Punkte)

Die Maximierung einer Rendite ist nicht unbedingt eine sinnvolle Zielset­zung . Nehmen wir an, daß der Eigenkapitalge ber insgesamt über ein Ver­mögen von V verfüqt und anstelle einer sicheren Investition in sein Unter­nehme n eine sichere Alternatiwerzinsung von rH erzielen kann. Die Frageist dann, wievie l er von seinem Vermögen im Unternehmen als Eigenkapi­tal belassen sollte und wieviel er in die Alternativanlage A steckt. Insge­samt gilt:

V ::: EK + A

Sein Endvermögen wäre

Nach Einsetzen von A ::: V - EK folgt

EV : (1 +CE) . EK + (1 + r") . (V - EK)

Einsetzen von re ::: re + (rG - rF ) · ~~ erg ibt

176 111 .3.2 Leverage-Effekt und Leveraqe-Hisikc

Wegen FK '" GK - EK folgt weiter

EV ~ (rG- rH)· EK+(rG - rF) ·(GK- EK)+( l +rH) · V

Bis auf EK stehen auf der rechten Seite der Gleichung nur exogene Grö­ßen. Wir unterstellen, wie oben, daß rc > rF ist und rFunabhängig von EK.Daraus folgt aber noch längst nicht, daß der Verschuldungsgrad so hochwie möglich sein sollte. Denn man erkennt unmittelbar, daß die Höhe desoptimalen Eigenkapitals zur Maximierung des Endvermögens vom Vorzei­chen der ZinsdiHerenz (rF- rH) abhängt:

(a) Falls rF > rH, sollte EK möglichst hoch und VG möglichst null sein.(b) Falls rF< rHo sollte überhaupt kein Eigenkapital investiert und der VG

maximal werden.(c) Falls rF:: rH, ist es egal, welches EK gewählt wird.

Dieses Ergebnis ist auch plausibel. Solange der Sollzins den Habenzinsüberschreitet, kostet aufgenommenes Fremdkapital mehr als das durchFremdkapitaleinsatz eingesparte Eigenkapital bei der Alternativanlage er­wirtschaften kann. Dann sollte der Eigenkapitalgeber möglichst sein ge­samtes Vermögen in das Untemehmen einbringen und so wenig Fremd­kapital wie möglich aufnehmen. Solange dagegen das Fremdkapital weni­ger kostet als das durch Fremdkapitaleinsatz eingesparte Eigenkapital ananderer Stelle erzielen kann. sollte das Unternehmen möglichst nur mitFremdkapital finanziert werden.

Von besonderer Bedeutung ist der Fall (c). Er beschreibt einen vollkom­menen Kapitalmarkt, auf dem der Zinssatz bei Geldanlage demjenigen beiGeldaufnahme gleicht. Das Endvermögen des Investors ist in diesem Fallüberhaupt nicht von der Höhe des gewählten Eigenkapitals abhängig.Folglich ist die gewählte Kapitalstruktur für ihn irrelevant. Wir haben damitdie Irrelevanz der Kapitalstruktur für den Eigenkapitalgeber auf voll­kommenem Kapitalmarkt bei Sicherheit nachgewiesen. Im folgenden Kapi­tel wird gezeigt, daß diese Irrelevanz auch bei Unsicherheit bestehenbleibt, solange nur der Kapitalmarkt vollkommen ist.

177111.3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads

3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads bel vollkomme­

nem Kapitalmarkt

Im Jahr 1958 haben die beiden Ökonomen Franco Modigliani (Nobelpreis­träger 1985) und Merton Miller (Nobelpreisträger 1990) die folgende Theseaufgestellt und bewiesen:

Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt ist der Marktwert einesUnternehmens unabhängig von seinem Verschuldungsg rad.

Diese These ist als Modlglianl-Miller-These (Nr. 1) bekannt geworden . InAbgrenzung zu unserem Irrelevanzergebnis im Zusammenhang mit demLeverage-Effekt bezieht sich diese Irrelevanz nicht auf das Endvermögeneines Eigenkapitalgebers, sondern auf den Marktwert des Unternehmens.Der Marktwert eines Unternehmens ist definiert als Marktwert aller sei­ner Vermögensgegenstände, also aller Aktiva. Wenn man eine Bilanz auf­stellen würde, in der alle Positionen mit ihren Marktwerten stehen, müßtewiederum die Summe aller Aktivwerte gleich der Summe aller Passivwertesein. Demzufolge entspricht der Marktwert eines Unternehmens auch demMarktwert aller seiner ausgegebenen Finanzierungstitel, also aller Passiva.

Wenden wir uns nun der Frage zu, warum der Marktwert eines Unterneh­mens unabhängig von dessen Verschuldungsgrad ist. Für die Argumenta­tion sind zwei Bausteine wichtig. Erstens ist es die explizite Einbeziehungvon Marktpreisen. Zweitens kommt das Prinzip der Arbitragefreiheit zumtragen.

Auf vollkommenen Märkten sollte Arbitragefreihe it herrschen. Aus der Ar­bitragefreiheit folgt die sogenannte Wertadditivität. Allgemein formuliertbesagt sie folgendes : Der Marktwert der Summe verschiedener Positionenmuß der Summe der Marktwerte dieser Positionen entsprechen. Dies magnoch recht abstrakt klingen. Wenden wir die Eigenschaft der Wertadditivi­tät auf Kapitalmärkte an, auf denen schließlich Finanztitel bzw. Zahlungs­ströme gehandelt werden, bedeutet Wertadditiv ität:

Wert einer Summe von Zahlungsströmen= Summe der Werte dieser Zahlungsströme

oder formal

mitMW(...): Marktwert von ...

178

BeIspiel

111 .3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads

Zahlungsstrom 1Zahlungsstrom 2

Wir betrachten zwei unsichere Zahlungen a, und Z2_ Seide Zahlungenhängen davon ab, ob die Konjunktur gut oder schlecht verläu ft.

Koniunktur schlecht

z 200Konjunktur aut

420154

Die Preise, zu den en die beiden Zahlungsströme gehandelt werden , seien

PI =250 und P2= 110

Die Summe beider lahlungsströme würde zum Zah lungsstrom Z' +2 führenmIT

, Kcniunktur schlecht Koniunktur ut574

Bei Wertadditivität muß der Zahlungsstrom Z1+2 den folgenden Preis ha­ben:

P1+2 = PI + pz = 250 + 110 = 360

Sollte der Marktpreis Pl+2 von 360 abweichen, gäbe es Gewinnm öglichkei­ten durch Arbitrage. Das machen die beiden folge nden Fälle klar .

a) Falls zum Beispiel P l+2 == 400 ist, könn te ein Arbit ragegewinn durch diefolgenden Transaktionen erzielt werden:

Kauf von Zl zu 250 und Z2 zu 110und gleichzei tig

Verkauf von Z l +2 zu P l +2 = 400 .

JII.3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads 179

Der Verkauf von Z1<-2 bedeutet, daß der Verkäufer jetzt den Verkaufspreis400 erhält und am Ende der Periode eine Zahlungsverpflichtung von ent­weder 290 oder 574 hat Der Kauf von z, und Z2 bedeutet, da ß der Käuferjetzt 250 + 110 = 360 als Summe der Kaufpreise zu leisten hat und am Pe­riodenende entweder 200 + 90 oder 420 + 154 an Zahlungen erhält. Durchdie Kombination des Kaufs von a, und Z2 mit dem Verkauf von Z' . 2 glei­chen sich die Ein- und Auszahlungen am Periodenende stets aus. Wasverbleibt, ist ein Arbitragegewinn in Höhe von 40 aus der Differenz zwi­schen dem Verkaufserlös 400 und dem zu zahlenden Kaufpreis 360.

b) Falls P 1<-2 < PI + P2 sein sollte. lä ßt sich ein Arbitragegewinn erzielendurch

Kauf von Z I. 2

sowieVerkauf von ZI und h

Auch hier gleichen sich die Ein- und Auszahlungen am Ende der Periodestets aus. Ein Arbitragegewinn entsteht in Höhe der positiven Differenzzwischen dem Verkaufserlös p, + P2 und dem Kaufpreis P 1<-2.

Als allgemeine Erkenntnis läßt sich festhalten, daß es solange zu Preisan­passungen kommen wird, bis keine Arbitragegewinne mehr möglich sind.Dann herrscht auch Wertadditivität. Diese Argumentation gilt allerdings nurunter der Voraussetzung eines vollkommenen Kapitalmarkts. Das bedeu·tet, daß die Transakt ionen, die man bei einer Arbitrage vomehmen müßte.keine zusätzlichen Kosten verursachen. Solche Transaktionskosten könn­ten Provisionsgebühren oder Steuern sein. Es könnten aber auch rein kal­kulatorische Kosten sein. Wenn zum Beispiel die Preise auf dem Marktnicht vollständig transparent sind. muß man zunächst nach möglichenPreisunterschieden suchen. Solche Suchanstrengungen könnten sich e­ventuell nicht lohnen, wenn zu erwarten ist, daß die Preisunterschiedeklein sind. Dann kann es zum Beispiel vorkommen, daß Pl.2 '* PI + P2 ist,aber es zu keinen Preisanpassungen kommt. Wertadditivität ist dann nichtsichergestellt.

Kommen wir zurück zur Modiqliani-Miller-These. Mit Hilfe der Wertadditivi­tät läßt sie sich sehr einfach belegen. Dies wird mit Hilfe der Abbildung111.3.3 deutlich.

180 111.3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads

Aktiva

EK-Geber

FK-Geber

Vermögen V

ZE. , wird au!\

generiert für Ka-

\pitalgeber den

lahl.strom ZE+Fgeteilt in ZE

/ und Z F

1/(von Kap.struktur

unabh.)

Abb. 111 .3.3: Zahfungsströme an die Kapitalgeber

Ausgangspu nkt ist, daß das Investit ionsprogramm (also die Vermögens­gegenstände auf der Aktivseite) gegeben ist und den (unsicheren) Zah­lungss trom Z E+F generiert. Auf diesen Zahlungsstrom haben sowohl Eigen­wie auch Fremdkapitalgeber bestimmte unterschiedliche Anrechte. Die An­rechte von Arbeitnehmern, Lieferanten U$W. seien bereits in ZE+F berück­sichtigt. Dann wird der Zahlungsstrom ZE.. F letztlich unter den Eigen- undFremdkapitalgebern vollständig aufgeteilt. Derjenige (unsichere) Zah­lungsstrom, auf den die Fremdkapitalgeber Anspruch haben , sei ZF. Dannbleibt für die Eigenkapitalgeber der Saldo ZE = ZE+F - ZF übrig .

Wenn der Kapitalmarkt vollkommen ist, muß Wertadditivität gelten . Diesimpliziert

MW(ZE. , ) = MW(ZE) + MW(z, )

ZE+F ist derjenige Zahlungsstrom, den die Vermögensgegenstände des Un­ternehmens generieren. Also ist MW(zE+F) der Marktwert des Unterneh·mensvermögens bzw . der Marktwert des Unternehmens (siehe oben).Dieser Marktwert entspricht dem Marktwert des Eigenkapitals zuzügl ichdem Marktwert des Fremdkapitals.

Entscheidend ist nun, ob die marktliehe Bewertungsfunktion MW(zE+F) da­von abhäng t, wie ZE+F in ZE und ZF aufgeteilt wird. Dazu verg leichen wir

111.3.3 Irrelevanz des Verschuldungsgrads 181

zwei identische Unternehmen, die sich allein in ihrer Kapitalstruktur unter­scheiden.

Unternehmen 1 sei verschuldet und hat den Wert

Unternehmen 2 sei unverschuldet und besitzt den Wert

Da jeweils der gleiche Zahlungsstrom Z E+F auf Eigen- und ggf. Fremdkapi ­talgeber verteilt wird, muß ZE2 = ZEl + Z Fl sein. Wegen Wertadditivität mußdann wiederum gelten

Daraus folgt

Die Marktwerte beider Unternehmen sind identisch. Ihr unterschiedlicherVerschuldungsgrad spielt offensichtlich keine Rolle. Zwar wirken sich un­terschied liche Verschuldungsgrade auf die Marktwerte des Eiqen- und desFremdkapitals aus, aber stets so, daß deren Summe qlelchblelbt .

Die obige Argumentation mit Hilfe der Wertadditivität ist recht formal. Mankann die Modigliani-Milfer-These ökonomisch viel einfacher begründen.Auf vollkommenen Märkte sind die Preiskonditionen für alle Marktteilneh­mer gleich. Das heißt zum Beispiel, daß ein Unternehmen bei einer Kre­ditaufnahme den gleichen Zinssatz zahlen muß wie ein privater Investor.Wäre ein Anleger mit dem Verschuldungsgrad des Unternehmens , dem erKapital gegeben hat, nicht einverstanden , dann könnte er diesen Ver­schuldungsgrad ebenso gut durch Kreditaufnahme auf individueller Ebeneherstellen. Welchen Verschuldungsgrad ein Unternehmen wählt, ist des­halb irrelevant für die Anleger. Der Marktwert eines Unternehmens wirddann allein durch seine Investitionspolitik, aber nicht durch die Finanzie­rungspolitik bestimmt.

Die Irrelevanz der Kapitalstruktur mag überraschen. Sie basiert jedoch aufder strikten Annahme eines vollkommenen Marktes. Insbesondere darf eskeine steuerliche Diskriminierung zwischen Eigen- und Fremdkapital ge­ben. Außerdem müssen alle Marktteitnehmer über den gleichen Informati­onsstand verfügen. Insofern kann zwar die These von der Irrelevanz derFinanzierung formal elegant nachgewiesen werden; ihre Aussagekraft istjedoch unbefriedigend.

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Troßmann, Ernst : Investition , Stuttgart, 1998.

Stichwortverzeichnis

A

Amortisationsdauer 28

Annuität 43

Annuität, nachschüssige 44

Annuität, vorschüssige 46

Annu itätenfaktor 45

Anpassungskosten 153

Außenfinanzierung...•...•........ 140

Ausübungspreis 136

B

Barwert 15

Basispreis 136

Basistitel 136

Beteiligungsfinanzierung 140

Bilanzkennzahlen,

horizontale 161

Bilanzkennzahten, vertikale 161

Bilanzstruktumormen 163

Brunogewinn 170

Bruttoinvestition 9

c

call 136

o

Differenzinvestition 66

E

Eigenkapitalquote 162

Eigenkapitalrendite 26, 170

Einzahlungsüberschuß 34

EinzahJungsüberschun,erfolgswirksamer 141

Einzahlungsüberschuß. nicht

erfolgswirksamer 141, 147

Emissionsmarkt 123

Endwert 16, 39

Ersatzinveslition 9

Erträge, nicht

zahlungswirksame 147

Existenzsicherung 152

F

Finanzierung 6

Finanzierung aus

Abschreibungen 145

Finanzierung aus

Rückstellungen 145

Finanzierung, externe 140

Finanzierung, interne 141

Finanzintermediäre 125

Finanzinvestitionen 9

Finanzmarkt. vollkommener .4

Finanzmarkt, unvollkommener ..4

Fisher-Separation 98

186

Fremdkapitalquote 162

Fristenkongruenzregel 158

Fristentransformation 119

G

Gesamtkapital ......... ....•........... 25

Gesamtkapitalrend ite 25. 170

Gewinn nach Zinsen 26

Gew inn vor Zinsen 25

Gewinnvergleichs rechnu ng 23

Größentransformation 119

H

Haftung, begrenzte 135

Haftung, unbegren zte 135

Haushalte 11a

Innenfinanzierung 141

Insolvenzkosten, indirekte 153

Investition 6

Investitions- und

Finanzierungsplanung,

simultane 112

Investitionskette . unendliche . 106

lnvestitionsrechenmethoden,

dynamische 31

Investitionsrechenmethoden ,

statische 23

Irrelevanz der Kapitalstruktur 176

Stichwo rtverzeichnis

K

Kalku lationszinssatz nach

Steuern 71

Kalku lationszinssatz,

endogener 113

Kalkulationszinssatz.

negativer 57

Kapitalbudgetierung 112

Kapitalerhöhunq . bedingte 138

Kapitalwert 35

Kapitalwert nach Steuern 71

Kapitalwertformel 36

Kapitalwertfunktion .49

Kaufoption 136

Kons umgut. 17

Kosten, nachschüssige 166

Kostenverg leichsrechnung 25

Kreditfinanzierung 140

Kupon-Zinsen n

L

Leverage-Effekt 171

Leveraqe -His lko 173

Liquidität 151

Liqu idität kraft Konvention 164

Lohmann-Huchti-Ettekt .. 146

Stichwortverzeichnis

M

Marktwert eines

Unternehmens 177

Modigliani-M iller-These l77

N

Nachschußverpflichtung 125

Nettogewinn 170

Nettoinvestition 9

Newtonsche

Näherungsverfahren 51

Nominalinvest itionen 9

Normalinvestit ionen 56

Nutzen der Liquid ität 152

Nutzungsdauer, optimale 104

oOpportunitätskosten 38

Option, amerikaniscne 136

Option, europäische .•......•..... 136

p

Planungshorizont 16

Positionen, äquivalente 82

Positionen, dominante 82

Primärmarkt 123

Prinzip der Arbitragefreih eit. 81

Prognose, sich selbst

bestät igende 164

put 136

187

Q

Quasi-Sicherheit 4

Quellen,

unternehmensinterne ....... 144

R

Realinvestitionen 9

Rendite 25

Rente, ewige .48

Rente, unend liche 48

Rentenbarwertfaktor 45

Rentenwiedergewinnungs-

faktor 45

Residualanspruch 135

Restbetragsanspruch 135

Return on Investment.. 25

Risiko 4

Risiko, endogenes 121, 134

Risiko, exogenes 121, 134

Risikoanreizprob lem 129

Risikoaversion 87

Bisikobeqritt,

entscheidungstheoretischer 87

Risikoneutral ität 87

Risikoprämie 88

Risikotransformation 120

ROI 25

l BB

sSachinvestitionen 9

Schuldverschreibung 134

Seku ndä rmarkt 123

Selbstfinanzierung 144

Selbstfinanzierung , stille 145

Sicherheil 4

Sicnerheltsäquivelent 88

Steuerparadoxon 73

T

Terminzinssatz , impliziter 83

Transaktionskosten 3

Transformationsfunktionen 118

uUmlaufsmarkt 123

Umtauschanleihe 139

Ungewißheit 5

Unternehmen 118

v

Verkau fsop tion 136

Verlustpuffer 128

Stichwortverzeichnis

Vermeidu ngskosten 153

Verschuldungsgrad 162, 170

Volumeneffekt... 71

Vorte ilhaftigkeit, abso lute 10

Vorteilhaftigkeit , relative 10

Vorteilhaftigkeitskriterium 38

wWertadditivität 177

Wiederanlageprämisse 60

zZahlungsanspruch, bedingter 135

Zeitpräferenz 20, 94

Zerobond-Zinsen 77

Zinseffekt 71

Zinskosten, kalkulatorische 38

Zinssatz, interner 51

Zinssatz, kein interner 58

Zinssatz, negativer interner 58

Zinssätze, mehrere interne 59

Zinsstruktur, inverse 76

Zinsstruktur. normale 76

Zinsstruktur, flache 76

Zinsstrukturkurven 76

I

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