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Hartmut Klein-Schneider Flexible Arbeitszeit · 2020. 1. 30. · 3 Hartmut Klein-Schneider Flexible Arbeitszeit – Vertrauensarbeitszeit Betriebs- und Dienstvereinbarungen Analyse

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    Hartmut Klein-Schneider

    Flexible Arbeitszeit –Vertrauensarbeitszeit

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  • 3

    Hartmut Klein-Schneider

    Flexible Arbeitszeit –Vertrauensarbeitszeit

    Betriebs- undDienstvereinbarungen

    Analyse undHandlungsempfehlungen

    Bund-Verlag

  • 4

    Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http: //dnb.ddb.de abrufbar.

    ©2007 by Bund-Verlag GmbH, Frankfurt am MainRedaktion: Dr. Manuela MaschkeHerstellung: Birgit FieberUmschlaggestaltung: Horst F. Neumann Kommunikationsdesign, WuppertalDesignkonzeption: Horst F. Neumann Kommunikationsdesign, WuppertalSatz: Dörlemann Satz, LemfördeDruck: MediaPrint, PaderbornPrinted in Germany 2007ISBN 978-3-7663-3725-2

    Alle Rechte vorbehalten,insbesondere die des öffentlichen Vortrags, der Rundfunksendungund der Fernsehausstrahlung, der fotomechanischen Wiedergabe,auch einzelner Teile.

    www.bund-verlag.de

  • 5

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 9

    1. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 11

    2. Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . 142.1 Definition und Ziele . . . . . . . . . . . . . 142.2 Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 212.3 Verfügungsrechte . . . . . . . . . . . . . . 232.4 Entscheidungskriterien für Lage und Umfang der

    Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . 302.4.1 Berücksichtigung der verschiedenen

    Zeitanforderungen von Unternehmen, Kundenund Beschäftigten . . . . . . . . . . . 30

    2.4.2 Einhaltung gesetzlicher Vorgaben in Bezug aufdie Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . 33

    2.5 Ausmaß der Flexibilität und Arbeitszeitrahmen . . . . 382.6 Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle . . . . 432.7 Leistungsregulation . . . . . . . . . . . . . 52

    2.7.1 Strategien zur Leistungsregulation bei Vertrauens-arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . 53

    2.7.2 Vereinbarung von Zeitbudgets zur Steuerung derLeistung . . . . . . . . . . . . . . 58

    2.8 Ausgleichsfreizeit . . . . . . . . . . . . . . 622.9 Überstunden, Regelverstöße und Erprobung . . . . . 68

    2.9.1 Abgrenzung von Überstunden und Vertrauens-arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . 68

    2.9.2 Umgang mit Verstößen gegen Regelungen zuVertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . . 70

  • 6 Inhaltsverzeichnis

    2.9.3 Erprobung, Wahlfreiheitund gleichbleibendes Entgelt . . . . . . . 72

    3. Mitbestimmungsrechte, -prozeduren und -instrumente . . . 753.1 Beziehung von betrieblicher zu tariflicher Gestaltung . . 753.2 Mitbestimmung der Interessenvertretung . . . . . . 77

    3.2.1 Informations- und Beratungsrechte . . . . . 783.2.2 Regelungen zur Konfliktlösung . . . . . . 81

    4. Offene Probleme . . . . . . . . . . . . . . . 90

    5. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . 99

    6. Beratungs- und Gestaltungshinweise . . . . . . . . . 1036.1 Gestaltungsraster . . . . . . . . . . . . . . 1036.2 Ausgangspunkte für die gestaltende Einflussnahme durch

    die Interessenvertretung . . . . . . . . . . . 1116.3 Wesentliche rechtliche Grundlagen . . . . . . . . 115

    7. Bestand der Vereinbarungen . . . . . . . . . . . 118

    Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125Internet-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . 128Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen derHans-Böckler-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . 130Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 132

  • 7

    Vorwort

    Flexible Arbeitszeiten sind attraktiv für Arbeitgeber. Sie sorgen dafür,dass Unternehmen besser auf Marktschwankungen reagieren könnenund kostengünstiger produzieren, z.B. durch den Wegfall von Mehr-arbeitszuschlägen und reduzierten minder ausgelasteten Zeiten.Flexible Arbeitszeiten sind attraktiv für Beschäftigte, sofern Beschäf-tigte die Verfügungsgewalt über die geleistete Zeit ganz oder zumindestteilweise besitzen. Wenn Arbeitszeit auf Konten gespart werden kann,ist z.B. der zeitweilige Ausstieg aus dem Beruf zur Weiterbildung, fürFamilienzeiten oder sogar für den vorgezogenen Ruhestand möglich.Flexible Arbeitszeiten sind attraktiv, aber auch umstritten. Dem öko-nomischen Druck nach Flexibilisierung stehen legitime Beschäftigten-interessen gegenüber. Einen Ausgleich zu finden ist besonders für Ge-werkschaften und Betriebsräte schwierig. Betriebsräte stehen vor derAufgabe, oft unter hohem wirtschaftlichem Druck betriebsspezifischeflexible Arbeitszeiten zu vereinbaren und für Beschäftigte tragbareKompromisse zu finden. Aber welche Regulierung ist »richtig«, damitBeschäftigte gut arbeiten und leben können, Unternehmen konkurrenz-fähig bleiben und Arbeitsplätze erhalten werden?Bei der Vertrauensarbeitszeit handelt es sich um ein Modell, das aufdem Prinzip der Selbststeuerung der Beschäftigten aufbaut, d.h. Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer sollen theoretisch so eigenverantwort-lich für ihre Arbeitszeit sein, dass betriebliche Belange berücksichtigt,angestrebte Ziele erreicht werden und persönliche Souveränität überdie Arbeitszeit herrscht. Man entscheidet selbst, wann und wie langeman arbeitet, Arbeitszeit wird nicht mehr zentral oder vom Arbeitgebererfasst und kontrolliert.In den einschlägigen Debatten wird Vertrauensarbeitszeit entweder alshöchst problematisch bewertet oder als idealer Weg zu mehr Zeitauto-nomie angesehen. Befürworter eines solchen Modells sehen das Leit-bild des selbstständig tätigen Arbeitnehmers, der souverän entscheidet,

  • 8 Vorwort

    wann er wie viel arbeiten muss und will. Die subjektiven Zeitinteressenwürden besonders deutlich berücksichtigt, zugleich seien Handlungs-und Produktionsmöglichkeiten aus der Sicht des Unternehmens beson-ders flexibel gelöst.Gegner führen u.a. an, dass Beschäftigte keine Möglichkeiten mehr ha-ben den Nachweis über ihre geleisteten Stunden zu erbringen. Auch seidie Gefahr der Selbstausbeutung durch mangelnde Kontrollmechanis-men besonders hoch. Nicht zuletzt könnten zusätzliche Leistungsstei-gerungen schleichend aufgebaut, aber schlecht kontrolliert werden.In der Diskussion steht demnach dem »Arbeiten ohne Ende und ohneZeitnachweis« die »vollkommene Freiheit der Arbeitszeiteinteilung«gegenüber.Die folgende Analyse von 43 betrieblichen Vereinbarungen versuchtaufzuzeigen, welche Regelungstrends zur Vertrauensarbeitszeit in Be-trieben bestehen und wie die betrieblichen Akteure das Thema aufgrei-fen und regeln. Die Auswertung verfolgt dabei nicht das Ziel, die Rege-lungen zu bewerten, die Hintergründe und Strukturen in den Betriebenund Verwaltungen sind uns nicht bekannt. Ziel ist es betriebliche Rege-lungspraxis abzubilden, Trends aufzuzeigen und Gestaltungshinweisezu geben.Die beiliegende CD-ROM enthält umfangreiches anonymisiertes Text-material und liefert weitere Gestaltungsempfehlungen für eigene Ver-einbarungen.

    Dr. Manuela Maschke

  • 9

    Abkürzungsverzeichnis

    ArbZG ArbeitszeitgesetzArbSchG ArbeitsschutzgesetzATG AltersteilzeitgesetzBAG BundesarbeitsgerichtBetrVG BetriebsverfassungsgesetzBPersVG BundespersonalvertretungsgesetzJArbSchG JugendarbeitsschutzgesetzLPersVG LandespersonalvertretungsgesetzMuSchG MutterschutzgesetzPersVG PersonalvertretungsgesetzSGB Sozialgesetzbuch

  • 10 Vorwort

  • Rahmenbedingungen 11

    1. Rahmenbedingungen

    1999 erschien eine erste Auswertung betrieblicher Vereinbarungenzu flexibler Arbeitszeit. Damals lagen nur fünf Vereinbarungen zuVertrauensarbeitszeit vor. Heute, sieben Jahre später, ist ihre Zahl auf43 Vereinbarungen gewachsen. Das ist jedoch weniger, als aufgrundder breiten Diskussion in der Fachöffentlichkeit zu erwarten war. Mitt-lerweile wurde zudem eine Fülle von empirischen Analysen, Positionenund Handlungsanleitungen zur Vertrauensarbeitszeit erarbeitet (vgl.Literaturliste).Vertrauensarbeitszeit ist durch den Verzicht des Arbeitgebers auf Zeit-erfassung und -kontrolle gekennzeichnet. Sie markiert nach Böhm,Herrmann und Trinczek (2004) »in vieler Hinsicht den Endpunktdes dramatischen Wandels, den betriebliche Arbeitszeiten seit den frü-hen 80er Jahren erfahren haben und der sich unter dem Stichwort›forcierte Arbeitszeitflexibilisierung‹ (Hermann et al. 1999) zusammen-fassen lässt.«Flexibilisierung der Arbeitszeit dient zunächst der Kostensenkung: z.B.entfallen Mehrarbeitszuschläge, minder ausgelastete Arbeitszeit wirdreduziert. Zudem erleichtert sie die betrieblichen Reaktionsmöglichkei-ten auf Anforderungen von Markt, Kunden und Umwelt. Nicht zuletzterweitert die Flexibilisierung der Arbeitszeit auch den Handlungsspiel-raum eines Unternehmens. Es kann sowohl auf schwierige als auchchancenreiche Situationen gezielt durch Mehrarbeit bzw. reduziertenPersonaleinsatz reagieren.Arbeitszeit ist gleichzeitig das zentrale Maß für die arbeitsvertraglicheVereinbarung von Leistung und Lohn/Entgelt. Der Umfang der vonArbeitnehmerInnen zu leistenden arbeitsvertraglichen Pflicht wird wei-terhin in Arbeitszeit bemessen. Das Entgelt wird auf Grundlage derArbeitszeit berechnet. Ein Verzicht auf Arbeitszeiterfassung wirft dieFrage auf, wie festgestellt werden kann, wann die arbeitsvertraglichenVerpflichtungen der ArbeitnehmerInnen erfüllt sind.

  • 12 Rahmenbedingungen

    Arbeitgeber sind grundsätzlich an einer auslastungsorientierten Arbeits-zeitsteuerung interessiert. Daher ist das Konzept der Vertrauensarbeits-zeit mehr als andere Formen der Arbeitszeitflexibilisierung mit hohenErwartungen und scharfer Kritik konfrontiert. Befürworter der Ver-trauensarbeitszeit sehen in einer möglichen Kostensenkung und einemerweiterten Handlungsspielraum wichtige Faktoren zur Verbesserungder Wettbewerbsposition eines Unternehmens.Vertrauensarbeitszeit ist auch ein Zugeständnis an die Selbstständigkeitder ArbeitnehmerInnen. Anhand der vorausgesetzten Kenntnisse vonMarkt- und Kundenanforderungen sowie der betrieblichen Abläufeentscheiden sie selbst, wann sie wie viel arbeiten. Laut Befürworter bie-tet diese Selbstverantwortlichkeit gleichzeitig die besten Voraussetzun-gen, um den Beschäftigten eine Arbeitszeitsouveränität zu ermöglichen.Sie entscheiden selbst und optimieren so ihr persönliches, individuellesVerhältnis von Erwerbs- und Nichterwerbszeit.Kritiker befürchten, die ArbeitnehmerInnen könnten dem Verwertungs-kalkül und den Marktanforderungen vollständig unterworfen werden.Der Arbeitgeber kann die Anforderungen auf verschiedene Weise be-einflussen und sie durch verringerte Personalkapazität sogar steigern.Mangels Arbeitszeiterfassung haben Beschäftigte keine Möglichkeit, dieErfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten nachzuweisen. In kunden-nahen Arbeitsprozessen können sie sich noch weniger auf tariflich regu-lierte Arbeitsbedingungen berufen. Es liegt scheinbar in ihrer unmittel-baren Verantwortung, Kundenerwartungen auch über das arbeits- undtarifvertraglich vereinbarte Maß hinaus zu erfüllen, um zukünftige Auf-träge und damit Beschäftigung zu sichern. Die Gefahr der »Arbeitsent-grenzung«, der Selbstausbeutung droht.Die vermuteten Vorteile des Konzepts Vertrauensarbeitszeit liegenjedoch nicht einseitig nur bei den Unternehmen und Arbeitgebern.Die befürchteten Gefahren sind nicht nur auf Seiten der Arbeitneh-merInnen erkennbar. Im Hinblick auf die vorliegende Auswertungvon betrieblichen Vereinbarungen zu Vertrauensarbeitszeit stellensich folgende Fragen: Inwieweit wird die Arbeitszeitsouveränität derBeschäftigten tatsächlich realisiert? Inwieweit schafft sie einen Aus-gleich zwischen (Zeit-)Anforderungen der Erwerbstätigkeit und demFamilien-, Freizeit- und Reproduktionsbereich? Für Unternehmenwird Vertrauensarbeitszeit nur dann langfristig nützlich sein, wenn

  • Rahmenbedingungen 13

    ihre Flexibilität wächst und gleichzeitig die Verfügbarkeit von Res-sourcen gesichert ist.Im Rahmen dieser Auswertung sind auch weitere Aspekte von Inter-esse: Wie werden die verschiedenen Interessen und Zielvorstellungen inden betrieblichen Vereinbarungen umgesetzt? Inwieweit werden sie inBalance gebracht? Welche Handlungsoptionen ergeben sich daraus fürUnternehmen, Führungskräfte und Beschäftigte? Schließlich wird auf-gezeigt, welchen Gestaltungsbedarf die Betriebsparteien wahrgenom-men und welche Regelungsgegenstände sie auf welche Weise vereinbarthaben.

  • 14 Regelungsinhalte

    2. Regelungsinhalte

    2.1 Definition und Ziele

    Vertrauensarbeitszeit ist momentan viel diskutiert. Immer wiederwerden in der Fachöffentlichkeit Konzepte und Ansätze veröffentlicht.Eine einheitliche Definition von Vertrauensarbeitszeit gibt es (noch)nicht. Die Arbeitshypothese für die vorliegende Auswertung lautet:Unter Vertrauensarbeitszeit verstehen wir ein Modell flexibler Arbeits-zeit, bei dem die Beschäftigten Beginn, Umfang und Ende der täglichenArbeitszeit selbst festlegen und eine Arbeitszeiterfassung – mehr oderweniger – unterbleibt. In den ausgewerteten Vereinbarungen verzichtendie Betriebsparteien in den meisten Fällen auf eine Definition. Eine derwenigen Ausnahmen lautet wie folgt.

    »Vertrauensarbeitszeit ist dadurch definiert, dass der Arbeitgeber aufdie Kontrolle der Einhaltung der Vertragsarbeitszeit verzichtet unddarauf vertraut, dass die Mitarbeiter ihren arbeitszeitbezogenen ver-traglichen Verpflichtungen auch ohne diese Kontrolle nachkommen.«

    I Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 030200/1497/2001

    Diese Definition enthält die genannten Kriterien: Flexibilität, Eigen-verantwortung der Beschäftigten, Kontrollverzicht. Zusätzlich wird dieBenennung des Arbeitszeitmodells erläutert: Der Begriff Vertrauens-arbeitszeit betont insbesondere das Vertrauen des Unternehmens, dassdie Beschäftigten ihren Arbeitszeitverpflichtungen auch ohne Kontrollenachkommen. Nicht erkennbar ist, aus welchem Grund und zu welchemZweck hier Vertrauensarbeitszeit eingeführt wird. Die Analyse der Ziel-setzungen der Vereinbarungen soll dazu mehr in Erfahrung bringen.

  • Definition und Ziele 15

    Die hier ausgewerteten Vereinbarungen sind in ihren Zielsetzungensehr unterschiedlich und verbinden vielfältige Ziele miteinander.

    »ZieleSchaffung eines einfachen und flexiblen Arbeitszeitsystems, dasx auf einen kunden- und marktgerechten Einsatz der Arbeitszeit aus-

    gerichtet ist;x Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen bei

    der Erfüllung der Aufgaben fordert und fördert;x einen wirtschaftlichen Einsatz der Arbeitszeit ermöglicht;x unter Berücksichtigung von betrieblichen Erfordernissen mehr Fle-

    xibilität für eine individuelle Arbeitszeitgestattung der Mitarbeite-rinnen schafft;

    x auf einen vertrauensvollen und partnerschaftlichen Umgang vonMitarbeitern und Führungskräften setzt.«

    I Kreditgewerbe, 030200/1865/2004

    Besonders oft findet sich in den Vereinbarungen das oben an ersterStelle stehende Ziel »kunden- und marktgerechter Einsatz der Arbeits-zeit«. Folgende Vereinbarung verbindet dieses Ziel direkt mit Wettbe-werbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit.

    »Im Hinblick auf die nachhaltige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeitgewinnt die Flexibilisierung der Arbeitszeit weiterhin zunehmend anBedeutung. Dabei gilt es weiterhin, die Dauer, Lage und Verteilung derArbeitszeit flexibel an Schwankungen des Arbeitsanfalls anzupassenund gleichzeitig eine noch stärkere Ausrichtung am Kunden zu ermög-lichen. Diese Flexibilisierung unterstützt die gebotene Kundenorientie-rung und schafft günstige Voraussetzungen dafür, einerseits nachfrage-orientiert arbeiten zu können und andererseits den Mitarbeitern einegrößere Arbeitszeitsouveränität im Rahmen der erforderlichen betrieb-lichen Abläufe einzuräumen.«

    I Mineralölverarbeitung, 030200/1658/2002

  • 16 Regelungsinhalte

    Die Arbeitszeit orientiert sich an Arbeitsvolumen und Kunden und sollgleichzeitig größere Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten ermög-lichen. Andere Vereinbarungen konzentrieren sich auf das Ziel, dieArbeitszeit der Auftragssituation anzupassen.

    »Mit der Vertrauensarbeitszeit soll eine flexible Anpassung der Arbeits-zeit an die jeweilige Auftragssituation erreicht werden. Hierzu wird dasArbeitsergebnis in den Vordergrund gestellt und nicht vorrangig dietägliche Arbeitszeit. Diese soll um die vertraglich und gesetzlich gere-gelte Arbeitszeit »pendeln« und wird vom Arbeitgeber nicht erfasst.Das heißt, dass statt der Zeiterfassung eine gegenseitig vertrauensvolleZeitwirtschaft aufgebaut wird, die sich am Arbeitsanfall und an denArbeitsergebnissen orientiert.«

    I Maschinenbau, 030200/1827/2004

    Eine Vereinbarung aus der Metallverarbeitung verbindet die Anpas-sung der Arbeitszeit an die Auftragslage eng mit der eigenverantwort-lichen Aufgabenerledigung.

    »Im einzelnen soll damit erreicht werden, dassx die verfügbaren Arbeitskapazitäten noch besser auf Schwankungen

    des Auftragsvolumens abgestimmt werden können,x auch bereichsbezogen unterschiedlich auftretende Spitzen- und

    Unterauslastungen dezentral und weitgehend eigenverantwortlichkompensiert werden können,

    x unter Wahrung der vollen Funktionsfähigkeit des jeweiligen Bereichsein selbstgesteuerter Ausgleich arbeitszeitbedingter Belastungen zwi-schen den Mitarbeiter/innen ermöglicht wird,

    x ein abrechnungstechnisches Nachvollziehen aller zeitbezogenenSchwankungen im Arbeitseinsatz der Mitarbeiter/innen weitgehendvermieden werden kann, ohne betrieblicherseits entscheidende Ver-luste an Information und Transparenz hinnehmen zu müssen,

    x zugleich ein Höchstmaß an Leistungsgerechtigkeit und Verläßlich-keit der Entgeltzahlung für die Mitarbeiter/innen gewährleistet ist,

  • Definition und Ziele 17

    x schließlich auch ein höheres Maß an Effizienz und Nachhaltigkeit inder personalwirtschaftlichen Arbeit realisiert werden kann.«

    I Metallverarbeitung, 030200/999/1999

    Ähnlich wie in der oben zitierten Vereinbarung aus der Mineralölindu-strie gelten hier Eigenverantwortlichkeit, Selbststeuerung bzw. Arbeits-zeitsouveränität nicht uneingeschränkt. Zwar dürfen die Beschäftigtenselbst über ihre Arbeitszeit entscheiden, sie sollen sich jedoch an denbetrieblichen Belangen orientieren. Persönliche Kriterien, individuelleZeitwünsche oder Verpflichtungen außerhalb der Erwerbsarbeit wiez.B. die Versorgung von Familienangehörigen bleiben unerwähnt. Wieweit die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten tatsächlich reicht,bleibt unklar.Andere Vereinbarungen anerkennen und benennen einen möglichenKonflikt zwischen betrieblichen und persönlichen, privaten Zeitinteres-sen. Sie erklären den Interessenausgleich zum Ziel der Vertrauensarbeits-zeit.

    »Ziel dieser Vereinbarung ist es, den erforderlichen Ausgleich zwischenden betrieblichen Kapazitäts- und Flexibilitätserfordernissen einerseitsund den zeitlichen Interessen und Bedürfnissen der Mitarbeiter/innen(MA) andererseits als kontinuierlichen Prozess zu regeln und zu fördern.Dies erfordert ein hohes Maß an Vertrauen und Kooperation zwischenden Führungskräften und den MA. Zugleich werden dadurch jedochattraktive zusätzliche Gestaltungsspielräume für beide Seiten eröffnet.«

    I Informationstechnikhersteller, 030200/1877/2003

    Dies garantiert nicht, dass der Interessenausgleich gelingt oder dass dieBeschäftigten ihre Zeitinteressen gleichberechtigt berücksichtigen kön-nen. Dennoch erscheinen letztere Regelungen der betrieblichen Realitätmit ihren konkurrierenden Zeiterfordernissen angemessener. Häufigwerden betriebliche Belange und die Erfüllung der Aufgaben in denVordergrund gerückt. Erst unter dieser Prämisse wird es möglich, auchpersönliche Zeitinteressen zu verwirklichen.

  • 18 Regelungsinhalte

    »Im Rahmen der individuellen Arbeitszeitgestaltung hat jeder Mitar-beiter neben den persönlichen vorrangig die betrieblichen Belange, ins-besondere die Gewährleistung der Aufgabenwahrnehmung in seinemArbeitsbereich, zu berücksichtigen.«

    I Mineralölverarbeitung, 030200/1658/2002

    Persönliche Wünsche werden berücksichtigt, sofern sie nicht mit Unter-nehmensinteressen kollidieren.

    »Individuelle Flexibilisierungswünsche, die mit diesen Unternehmens-interessen vereinbar sind, müssen realisiert werden.«

    I Grundstücks- und Wohnungswesen, 030200/1375/1997

    Ähnlich wird es für ein Unternehmen der Chemieindustrie formuliert.Die betrieblichen Abläufe stehen an erster Stelle. Werden sie optimalgestaltet, kommen die individuellen Interessen zur Geltung.

    »Die Vertragspartner stimmen darin überein, dass die durch […] Ar-beitszeitflexibilisierung geschaffenen Möglichkeiten die betrieblichenund arbeitsorganisatorischen Abläufe nicht nachteilig beeinflussen dür-fen, aber weitestgehend im gewissen Rahmen die individuellen Wün-sche der einzelnen Mitarbeiter berücksichtigen sollen.«

    I Chemische Industrie, 030200/1572/1999

    Schließlich sei detailliert auf das Ziel »selbstständige und eigenverant-wortliche Aufgabenerledigung« hingewiesen. Es scheint kennzeich-nend für das Modell Vertrauensarbeitszeit zu sein.

  • Definition und Ziele 19

    »Um die Arbeitszeit den Wünschen der Kunden, den betrieblichen Ab-läufen und den persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter/innen (nach-folgend »Mitarbeiter« genannt) anzupassen, vereinbaren Geschäftslei-tung und Betriebsrat eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit. Diese sollso verwirklicht werden, dass unsere Kunden, das Unternehmen und dieMitarbeiter einen hohen Nutzen aus der Neuregelung erzielen.Ziel der Vertrauensgleitzeit ist eine weitgehend selbständige, eigen-verantwortliche Aufgabenerledigung mit eigener Gestaltungskompetenzim Arbeitsumfeld, so dass die Mitarbeiter unter Berücksichtigung derErfordernisse aus den Prozessen und Arbeitsabläufen und der Belangeihrer externen und/oder internen Kunden ihre Arbeitszeit möglichst freigestalten können.«

    I anonym, 030200/1450/2001

    Diese Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit bezieht sich aufdie/den Einzelne/n, in anderen Fällen auf die Arbeitsgruppe.

    x »Beitrag zur Förderung der Vertrauenskulturx Grundsätzlich eigenverantwortliche Steuerung der Vertragsarbeits-

    zeiten im Team entsprechend den jeweiligen Anforderungen unterBeachtung von Gesetz und Tarifvertrag; in diesem Rahmen selbst-verständliche Berücksichtigung persönlicher Belange

    x Beteiligung der Mitarbeiter/innen an der laufenden Aktualisierungder Standards, die ihrer Arbeit zugrunde liegen (Service, garantierteBesetzungsstärken, Anlaufstellen, Erreichbarkeiten, Terminmanage-ment, Qualitätsstandards etc.); regelmäßige Gespräche und Zielver-einbarungen (vor dem Hintergrund der jeweiligen Vertragsarbeits-zeit) mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

    x Verzicht auf eine arbeitgeberseitige Kontrolle der Einhaltung derVertragsarbeitszeit«

    I Öffentliche Verwaltung, 030200/1447/1998

  • 20 Regelungsinhalte

    Dieses Ziel scheint bemerkenswert, da es eine Abkehr von einer zentra-len, hierarchischen Arbeitszeitfestlegung mit sich bringt. Der Wechselzu einer dezentralen Arbeitszeitsteuerung stärkt jedoch nicht, wieman vermuten könnte, die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten.Die Mehrheit der Betriebe möchte auf diesem Wege nicht persönlicheInteressen und private Zeitverpflichtungen unterstützen. Vielmehr isterneut der effiziente, kundenorientierte Einsatz der Arbeitszeit maß-geblich.

    »Die Regelungen dieser Betriebsvereinbarung sollen den verantwor-tungsbewussten, kundenorientierten und wirtschaftlichen Einsatz derArbeitszeit unterstützen.«

    I Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 030200/1497/2001

    Damit schließt sich der Kreis. Hauptaugenmerk ist oft nicht die Ar-beitszeitsouveränität, sondern die dezentrale Arbeitszeitsteuerung zurErfüllung der Aufgaben.

    »Hauptbewertungskriterium ist die Erfüllung der Arbeitsaufgabe undnicht der bloße Nachweis von Anwesenheit.«

    I Mineralölverarbeitung, 030200/1658/2002

    Offensichtlich verliert der bloße Nachweis der Arbeitszeit für Unter-nehmen an Bedeutung. Unternehmen verzichten auf Arbeitszeitkon-trolle, um einen effizienteren Arbeitszeiteinsatz durch dezentrale Steue-rung zu ermöglichen. Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten undAusgleich unterschiedlicher Zeitinteressen spielen oft keine unmittel-bare Rolle.Die Vermutung, ein vorhandenes Vertrauensverhältnis zwischen Unter-nehmensleitung und Beschäftigten biete die Grundlage für einen Kon-trollverzicht, bestätigte sich nicht. Vor diesem Hintergrund wird dieForderung nach einem vertrauensvollen Umgang mit der flexiblen Ar-beitszeit verständlich.

  • Geltungsbereich 21

    »Die Nutzung variabler Arbeitszeitgestaltung stellt hohe Ansprüche anFührungskräfte und Mitarbeiter in Form von Eigenverantwortlichkeitund Vertrauen.«

    I Grundstücks- und Wohnungswesen, 030200/1375/1997

    »Die gleitende Arbeitszeit verlangt besonderes Verantwortungsbewusst-sein jedes Einzelnen und setzt gegenseitiges Vertrauen und Rücksicht-nahme unter allen Mitarbeitern voraus.«

    I Kreditgewerbe, 030200/1557/2001

    Die Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit zielen durchweg auf effi-zienten, kundenorientierten, dezentral gesteuerten Arbeitszeiteinsatz.Einige Vereinbarungen gewinnen die ArbeitnehmerInnen für diesesZiel, indem sie ausdrücklich betriebliche und persönliche Zeitinteres-sen zum Ausgleich bringen (»Arbeitszeitsouveränität«). Andere Verein-barungen hingegen fordern die Beschäftigten dazu auf, vorrangig bzw.ausschließlich betriebliche Kriterien bei ihren Arbeitszeitentscheidun-gen zu berücksichtigen.

    2.2 Geltungsbereich

    Diskussionen in Fachzeitschriften ließen vermuten, Vertrauensarbeits-zeit werde zunächst bei ausgewählten Tätigkeitsgruppen mit hoherEigenverantwortung, geringer Standardisierung der Arbeitsweise undunmittelbarem Kundenkontakt erprobt. Die Auswertung ergibt einanderes Bild: Offenbar wird Vertrauensarbeitszeit nicht mehr nur fürkleine Beschäftigtengruppen in Unternehmen eingeführt. Die meistenausgewerteten Betriebsvereinbarungen gelten für alle MitarbeiterInnenoder zumindest für einen Großteil der Belegschaft.

  • 22 Regelungsinhalte

    »Geltungsbereich

    1.1 Personeller Geltungsbereich:Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiterinnen undMitarbeiter (im Folgenden kurz Mitarbeiter genannt) des Arbeit-gebers.Ausgenommen sind alle Mitarbeiter mit Pauschalvergütung […],Mitarbeiter mit Stundenvergütung […] und leitende Angestellte.

    1.2 Räumlicher Geltungsbereich:Diese Betriebsvereinbarung umfasst alle Betriebsstätten des Arbeit-gebers in Deutschland.

    1.3 Zeitlicher Geltungsbereich:Diese Betriebsvereinbarung tritt am […] in Kraft. Sie ist beidseitigmit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende kündbar. ImFalle einer Kündigung im ersten Jahr tritt die […]vereinbarung zurvariablen Arbeitszeit-Gestaltung in Kraft.

    Mitarbeiter mit ErfolgsvergütungFür Mitarbeiter mit Erfolgsvergütung […] gilt Vertrauensarbeits-zeit.«

    I Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 030200/1497/2001

    Leitende Angestellte werden in vielen Vereinbarungen aus dem perso-nellen Geltungsbereich ausgenommen. Vermutlich, weil der Betriebs-rat nach § 5 Abs. 3 BetrVG kein Mandat zur Vertretung der Interes-sen dieser Beschäftigten hat. Einige Mitarbeiter(gruppen) sind vonVertrauensarbeitszeit ausgenommen, weil besondere Arbeitsabläufeund Anforderungen ihrer Tätigkeit Vertrauensarbeitszeit nicht zu-lassen.

    »Die flexible Arbeitszeit […] gilt für alle Mitarbeiter mit Ausnahme derMitarbeiter in starren Arbeitszeitmodellen, der Mitarbeiter im […] so-wie der Auszubildenden. Für Mitarbeiter im […] und für die Auszubil-denden gelten die entsprechenden Bestimmungen […].

  • Verfügungsrechte 23

    In Abstimmung mit dem Betriebsrat können einzelne Mitarbeiteroder Mitarbeitergruppen zeitweilig oder auf Dauer […] ausgeschlossenbzw. […] aufgenommen werden.«

    I Verlags- und Druckgewerbe, 030200/1874/2002

    Gründe sind z.B. die garantierte Besetzung einer Stelle, Auslastung derAnlagen oder Sicherheitsbestimmungen.

    »Die Vertrauensarbeitszeit gilt für alle Mitarbeiter einschließlichder zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (im Sinne des § 5 Abs. 1BetrVG). Für Bereiche, in denen der technische und organisatorischeArbeitsablauf eine Teilnahme an der Vertrauensarbeitszeit nicht zu-lässt, werden gesonderte Regelungen zwischen den Vertragsparteienvereinbart.«

    I Kohlebergbau, 030200/1872/2001

    2.3 Verfügungsrechte

    Vertrauensarbeitszeit ist eine besondere Form flexibler Arbeitszeit.Flexible Arbeitszeit bedeutet variable, veränderliche, anpassbareArbeitszeit. Daraus ergibt sich Regelungsbedarf: Wer entscheidet,wann welche Arbeitszeit geleistet wird? Nach welchen Kriterien wirdentschieden? Die Auswertungen zu den Entscheidungskriterien stehenin Kapitel 2.4. Im Folgenden werden die Entscheidungskompetenzenund Verfügungsrechte über die Vertrauensarbeitszeit dokumentiertund analysiert.Die Entscheidungskompetenz über Lage und Dauer der Arbeitszeitwird in die Hände der Beschäftigten gelegt.

  • 24 Regelungsinhalte

    »Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage der Pausenwerden in diesem Rahmen von den Mitarbeitern in eigener Verantwor-tung bestimmt.«

    I Chemische Industrie, 030200/1435/2001

    Die Beschäftigten erhalten weitgehende Zeitsouveränität. Sie ist ledig-lich durch den Hinweis »in diesem Rahmen« beschränkt, der in der Ver-einbarung selbst genauer bestimmt ist. Ähnliche Formulierungen findensich in vielen Vereinbarungen. Im folgenden Zitat wird die Arbeitszeit-souveränität durch mehrere Bestimmungen eingegrenzt (Voraussetzun-gen dieser Betriebsvereinbarung, Gleitzeitrahmen, Zielvorgaben, Aus-gleich von Abweichungen, Teamabsprachen).

    »GleitzeitrahmenInnerhalb des Gleitzeitrahmens kann der Mitarbeiter unter den Voraus-setzungen dieser Betriebsvereinbarung Beginn und Ende seiner indivi-duellen täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen. Gleichzeitig ermöglichtder Gleitzeitrahmen betriebsbedingte längere Arbeitszeiten, die danndurch variable Freizeitnahme ausgeglichen wird.Bei der Wahl des Arbeitszeitmodells 2 müssen die Mitarbeiter die Zeit-erfassungsgeräte nicht betätigen.In diesem Modell können die Mitarbeiter unter Beachtung betrieblicheroder abteilungsnotwendiger Zielvorgaben innerhalb des Gleitzeitrah-mens selbst bestimmen, wann sie die Arbeit aufnehmen und beenden.Sie sind jedoch verpflichtet Abweichungen von der Normalarbeitszeiteigenverantwortlich auszugleichen. Die Verfügbarkeit des Gleitzeitgut-habens ist individuell und kann in einzelnen Stunden und/oder ganzenTagen abgebaut werden […]. Dabei ist in Teamabsprachen sicherzu-stellen, dass jederzeit eine qualifizierte Erreichbarkeit der einzelnen Be-reiche, Abteilungen und Teams gegeben ist […].«

    I Chemische Industrie, 030200/1572/1999

  • Verfügungsrechte 25

    Die Mehrheit der vorliegenden Vereinbarungen überträgt den Arbeit-nehmerInnen die Entscheidungskompetenz über die Arbeitszeit. Siekönnen jedoch nicht frei über die Arbeitszeit verfügen. Nicht seltensind Absprachen mit den Vorgesetzten Bedingung.

    »Konkret funktioniert das System so, dass jedem Mitarbeiter in Ab-stimmung mit dem Vorgesetzten und unter Berücksichtigung derbetrieblichen Belange das Recht eingeräumt wird, Beginn und Ende derArbeitszeit frei zu wählen, wobei die Bandbreite sich von 7.00 Uhr bis20.00 Uhr erstreckt und nicht überschritten werden sollte.«

    I Kreditgewerbe, 030200/1557/2001

    Oft sind die Beschäftigten gehalten, ihre Arbeitszeiten mit den Kol-legInnen bzw. im Team abzusprechen.

    »Basis des Modells ist eine teamorientierte Regelung der Arbeitszeiten,die Teams haben zu regeln, wer zu welchem Zeitpunkt zur Mindest-besetzung gehört und wer seine Arbeitszeit frei bestimmen kann.Mindestbesetzungspläne werden von Betriebsrat und Geschäftsleitungfestgelegt. Die jeweilige Größe der Mindestbesetzung ist nur durch Zu-stimmung des Betriebsrats zu verändern.«

    I Entwurf einer Betriebsvereinbarung, 030200/1587/2002

    Einige Vereinbarungen legen zwar eine Absprache fest, jedoch ohneAnsprechpartner für den konkreten Fall zu bestimmen.

    »Die Mitarbeiter legen ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich unterBeachtung der […] aufgeführten Grundsätze sowie der gesetzlichenBestimmungen des Arbeitszeitgesetzes fest. Als Arbeitstage stehen alleWerktage (montags bis samstags) zur Verfügung. Im Vordergrund stehtdabei die vertragsgemäße Aufgabenverteilung und nicht die Dauer derArbeitszeit. Die Zeiterfassung entfällt.

  • 26 Regelungsinhalte

    Im Rahmen ihrer Führungsaufgabe sind die Führungskräfte verpflich-tet darauf zu achten, dass ihre Mitarbeiter die Bestimmungen des Ar-beitszeitgesetzes insbesondere im Hinblick auf Arbeitsdaten, Ruhepau-sen sowie Sonn- und Feiertagsruhe einhalten.«

    I Grosshandel (ohne Kfz), 030200/1876/2002

    Eine Vereinbarung überlässt es gänzlich der Verantwortung der Be-schäftigten, mit wem sie ihre Arbeitszeiten absprechen und wie sie dieMindestbesetzung gewährleisten. Die Beschäftigten werden in die Ver-antwortung genommen.

    »Während der Normalarbeitszeit-Gleitzeit ist innerhalb einer Abtei-lung eine Mindestbesetzung zu gewährleisten.Zwischen Werksangehörigen, die eng zusammenarbeiten müssen, sindAbsprachen mit dem Ziel zu treffen, die erforderliche Zusammenarbeitwährend der Normalarbeitszeit-Gleitzeit zu gewährleisten.Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit kann in Abstimmungmit dem Vorgesetzten auf 4 Tage von Montag bis Freitag erfolgen. Der5. Tag ist dann aus Gleitzeitguthaben als arbeitsfreier Tag […] zu ent-nehmen.Über- und Unterschreitungen sind im Rahmen der Gleitzeitspannenund des Gleitzeitvortrages zulässig.«

    I Fahrzeughersteller Kraftwagen, 030200/1257/1996

    Die zitierten Formulierungen machen es deutlich: Die Beschäftigtensind befugt, über Beginn, Dauer und Ende der konkreten Arbeitszeit zuentscheiden. Diese Kompetenz wird gleichzeitig durch Abstimmungs-auflagen begrenzt.Weitere Einschränkungen der Verfügungsrechte der Beschäftigten be-stehen z.B. durch direktes Eingreifen der Führungskräfte.

  • Verfügungsrechte 27

    »Alle Mitarbeiter können Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeitinnerhalb eines Arbeitszeitrahmens von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr eigenver-antwortlich bestimmen. Kernarbeitszeiten oder Mindestanwesenheits-zeiten bestehen nicht, stattdessen können jedoch Funktionszeiten […]vereinbart werden.Bei mangelnder Auslastung kann die Führungskraft in besonderen Fäl-len und nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats innerhalb desDispositionsrahmens des Arbeitszeitkontos einen Freizeitausgleich an-ordnen. Ebenso kann ein Freizeitausgleich für das Überstundenkontoangeordnet werden.«

    I Verlags- und Druckgewerbe, 030200/1874/2002

    In dieser Vereinbarung des Verlags- und Druckgewerbes kann dieFührungskraft unter bestimmten Umständen einen Freizeitausgleichanordnen. Dahinter stehen möglicherweise Befürchtungen der Unter-nehmensleitung, dass die Beschäftigten sich nicht um einen möglichsteffizienten Einsatz der Arbeitszeit bemühten. Dies läge vor, wenn Be-schäftigte bei zu geringer Auslastung ihre Arbeitszeit einsetzten; odertrotz geringer Auslastung keinen Freizeitausgleich nähmen.Weitergehend sind die Eingriffsmöglichkeiten der Vorgesetzten in denfolgenden Vereinbarungen. Beschäftigte und Führungskraft treffen eineArbeitszeitvereinbarung, wenn die Beschäftigten den Arbeitszeitbedarfnicht von sich aus erfüllen. Dabei bleibt offen, wer über die Notwen-digkeit des Arbeitseinsatzes entscheidet.

    »Die Vertrauensgleitarbeitszeit macht es erforderlich, dass die Kommu-nikation zwischen den Mitarbeitern und den Vorgesetzten gewährleis-tet sein muss. Sollte an bestimmten Tagen aus betrieblichen Gründeneine bestimmte Arbeitszeit notwendig sein, so ist dies zwischen denMitarbeitern und den Vorgesetzten zu vereinbaren.«

    I Grundstücks- und Wohnungswesen, 030200/1375/1997

  • 28 Regelungsinhalte

    Eine Vereinbarung aus dem Kreditgewerbe überträgt den Vorgesetztenvolle Verantwortung. Sie überwachen und koordinieren die Arbeits-zeitgestaltung.

    »Der jeweilige Vorgesetzte ist für den reibungslosen Geschäftsverlaufinnerhalb seines Verantwortungsbereiches verantwortlich. Er hat dieEinhaltung dieser Regelungen zu überwachen, bei entsprechenden Ver-stößen seinen Vorgesetzten zu informieren und entsprechende Maß-nahmen zur Behebung zu ergreifen.Entsprechend hat er im Vorwege oder/und bei aktuellem Bedarf koor-dinierend und steuernd in die Arbeitsgestaltung einzugreifen, um einenderartigen Geschäftsablauf sicherzustellen.«

    I Kreditgewerbe, 030200/1865/2004

    Im Folgenden kann die Entscheidungskompetenz der Beschäftigtenüber ihre Arbeitszeit, das Kernstück der Vertrauensarbeitszeit, zeit-weise eingeschränkt werden.

    »Das Recht der unter diese Betriebsvereinbarung fallenden Dienstkräfte,Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst zu bestimmen, kann vorüberge-hend eingeschränkt sein:x durch Absprache zwischen Dienstkräften, die an einer gemeinsa-

    men Aufgabe beteiligt sind,x durch Anweisung des Verwaltungsdirektors, wenn die Erledigung

    einer gemeinsamen Aufgabe durch mehrere Dienstkräfte die gleich-zeitige Anwesenheit erfordert und eine Einigung zwischen denDienstkräften nicht zustande gekommen ist.«

    I Bildungseinrichtung, 030200/1875/2003

    Die vorstehenden Regelungen sollen gewährleisten, dass die Beschäftig-ten nicht willkürlich oder unabhängig von Auslastung und anstehen-den Aufgaben Arbeitszeit einsetzen oder Freizeit nehmen. Die folgen-den Vereinbarungen schaffen dazu einen Ausgleich. Auch hier können

  • Verfügungsrechte 29

    Führungskräfte die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten ein-schränken. Ankündigungsfristen und Zustimmung durch den Betriebs-rat stellen sicher, dass sie hierbei nicht willkürlich verfahren.

    »Einschränkungen von Beginn und Ende der täglichen ArbeitszeitDas Recht des Mitarbeiters auf eigenständiges Bestimmen von Beginnund Ende seiner täglichen Arbeitszeit kann durch ausdrückliche, zubegründende Weisung des Vorgesetzten für einzelne Mitarbeiter, Grup-pen oder Abteilungen eingeschränkt werden, wenn betriebliche Gründedies erfordern. Die Belange der Mitarbeiter sind hierbei zu berücksich-tigen. In der Regel sind die Mitarbeiter mindestens einen Tag vorherzu informieren. Bei Einschränkungen von zusammenhängend mehr alseiner Woche oder periodisch mehr als einem Monat ist die Zustim-mung des Betriebsrates einzuholen.«

    I anonym, 030200/1450/2001

    Die Regelungen zur Frage, wer über Lage und Umfang der Arbeitszeitentscheidet, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Modell Ver-trauensarbeitszeit erhalten die Beschäftigten das Verfügungsrecht überdie Arbeitszeit. Führungskräfte haben die Möglichkeit, unter bestimm-ten Bedingungen die Arbeitszeitsouveränität einzuschränken und Ar-beitseinsatz bzw. Freizeitausgleich festzusetzen. Einige Vereinbarungenbieten hierzu ein Gegengewicht, indem sie die Befugnisse der Führungs-kräfte durch den Betriebsrat kontrollieren.Im Gegensatz zum Modell Arbeitszeitkorridor gewährt das ModellVertrauensarbeitszeit den Beschäftigten das Verfügungsrecht über eineflexible Arbeitszeit. Dieses Verfügungsrecht unterliegt starken Ein-schränkungen (vgl. Kapitel 2.4 Entscheidungskriterien). Es ermöglichtjedoch dezentrale Entscheidungen, d.h. einen Arbeitseinsatz, der ver-schiedenen Arbeitsbereichen und ihren aktuellen Anforderungen ange-passt ist. In folgender Vereinbarung kommt dieser Aspekt deutlich zumAusdruck.

  • 30 Regelungsinhalte

    »Die Aufgaben- und Arbeitszeitplanung erfolgt abteilungs- bzw. pro-jektbezogen. Die Absprachen und Vorgaben hinsichtlich der Arbeits-zeit erfolgen direkt zwischen den Beteiligten und bedürfen nicht derSchriftform. Dies ermöglicht einen optimalen Gestaltungsspielraum füralle Beteiligten […]. Kapazitätsplanungen werden abteilungsintern ver-öffentlicht.Es finden regelmäßige Arbeits(zeit)planungsgespräche der Vorgesetztenmit ihren Mitarbeitern statt (situationsabhängig oder auf Verlangender Beteiligten). Ziel dieser Gespräche ist es, frühzeitig größere Abwei-chungen von der arbeitsvertraglichen Regelung und Arbeitsplanung zuvermeiden. Bei festzulegenden Maßnahmen sind persönliche Belangeder Mitarbeiter zu berücksichtigen und gesundheitliche Beeinträchti-gungen […] zu vermeiden.«

    I Maschinenbau, 030200/1827/2004

    2.4 Entscheidungskriterien für Lage und Umfang

    der Arbeitszeit

    Neben personellen Bestimmungen, wer über die Arbeitszeit entschei-den darf, enthalten die meisten der vorliegenden Betriebs- und Dienst-vereinbarungen weitere Kriterien, die für den Arbeitseinsatz maßgeb-lich sind. Insbesondere werden verschiedene Zeitanforderungen undgesetzliche Vorgaben benannt, die es zu berücksichtigen gilt.

    2.4.1 Berücksichtigung der verschiedenen Zeitanforderungenvon Unternehmen, Kunden und Beschäftigten

    Die Herangehensweisen sind unterschiedlich. Ein Teil der Vereinbarun-gen versucht, persönliche und betriebliche Interessen an der Arbeitszeitauszugleichen. Andere Vereinbarungen räumen unternehmerischen

  • Entscheidungskriterien für Lage und Umfang der Arbeitszeit 31

    Entscheidungskriterien unmissverständlich den Vorrang ein. Zunächstein Beispiel für die Suche nach einem Interessenausgleich.

    »Die individuelle Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollim Einklang zwischen den betrieblichen Anforderungen und den per-sönlichen Erfordernissen stehen. Innerhalb der Arbeitszeitbandbreitekann der Beginn der individuellen Arbeitszeit unter Wahrung der Funk-tionsfähigkeit des Teams oder der Abteilung von den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern selbst bestimmt werden.Das Team oder die Abteilung ist für die Ansprechbarkeit und somit fürdie Serviceleistung gegenüber den internen und externen Kundinnenund Kunden verantwortlich. Dies erfordert eine Abstimmung zwischenden einzelnen Beschäftigten, um die betrieblichen Erfordernisse zu ge-währleisten. Ist eine Einigung nicht möglich, gilt für einzelne Beschäf-tigte, das Team oder die Abteilung die Standardarbeitszeit als verbind-liche Arbeitszeit.«

    I Versicherungsgewerbe, 030200/1808/2003

    Diese Vereinbarung ermöglicht den Beschäftigten zwar grundsätzlichdie Selbstbestimmung hinsichtlich der Arbeitszeit. Betriebliche Erfor-dernisse haben demgegenüber jedoch einen großen Stellenwert.Viel häufiger wird den betrieblichen Anforderungen klar Priorität ein-geräumt. An ihnen muss sich die »freie« Arbeitszeitgestaltung orientie-ren und stets einen glatten Arbeitsablauf gewährleisten.

    »Alle Mitarbeiter/innen können, orientiert an den betrieblichen An-forderungen, ihre Arbeitszeit einschließlich der Pausen frei gestalten.Voraussetzung für die freie Gestaltung der Arbeitszeit ist die Gewähr-leistung eines den internen und externen Interessen/Anforderungenentsprechenden reibungslosen Arbeitsablaufs.In der Abteilung/Gruppe werden – den internen und externen Interes-sen/Anforderungen entsprechend – Ansprechzeiten sowie mögliche Än-derungen mit allen Beteiligten (Vorgesetzte, Mitarbeitern/Mitarbeite-rinnen, Betriebsrat) festgelegt.

  • 32 Regelungsinhalte

    Die Abstimmung der Arbeitszeit eines jeden einzelnen Mitarbeiters(persönliche Ansprechzeiten) – innerhalb der zuvor festgelegten Abtei-lungsansprechzeiten – erfolgt zwischen den Mitarbeitern/Mitarbeite-rinnen der jeweiligen Abteilung/Gruppe. Auf die besonderen Bedürf-nisse der Teilzeitmitarbeiter/innen ist Rücksicht zu nehmen.«

    I Kohlebergbau, 030200/1872/2001

    Die Gewichtung der persönlichen Arbeitszeitinteressen wird sehr un-terschiedlich formuliert. Die zitierte Vereinbarung berücksichtigt etwadie besonderen Bedürfnisse der Teilzeitmitarbeiter/innen. Im Folgendensind individuelle Zeitinteressen an die Vereinbarkeit mit betrieblichenErfordernissen gebunden.

    »Dabei hat jeder Mitarbeiter seine Arbeitszeit so einzurichten, dass einerfolgreicher Geschäftsverlauf mit Interessenten und Kunden sowie einreibungsloses Zusammenarbeiten mit Kollegen gewährleistet ist. Indi-viduelle Zeitwünsche können vom Mitarbeiter realisiert werden, sofernsie mit den betrieblichen Erfordernissen zu vereinbaren sind. Die Ab-wesenheit vom Arbeitsplatz soll bewusst gefördert werden, wenn nichtgenug Arbeit vorhanden ist.«

    I Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 030200/1497/2001

    Immerhin werden hier individuelle Zeitwünsche ausdrücklich erwähnt.Die folgende Vereinbarung aus einem Maschinenbauunternehmen be-scheinigt den Beschäftigten zwar »volle Zeitautonomie«. Worin diesebesteht, bleibt jedoch unklar. Persönliche Zeiterfordernisse bleiben un-erwähnt. Betriebliche Aufgaben und Ziele haben bei Arbeitszeitent-scheidungen ausdrücklich Vorrang.

  • Entscheidungskriterien für Lage und Umfang der Arbeitszeit 33

    x »Die Mitarbeiter können unter Berücksichtigung der betrieblichenBelange in Absprache mit den Kollegen und ihrem Vorgesetzten ihreArbeitszeit weitestgehend frei gestalten.

    x Freizeitnahme kann nach Absprache mit dem Vorgesetzten und denKollegen eigenverantwortlich disponiert werden.

    Für die Mitarbeiter gilt volle Zeitautonomie; Aufgaben und Zielorien-tierung stehen im Vordergrund (Gestaltungskompetenz/unternehmeri-sches Handeln).«

    I Elektromaschinenhersteller, 030200/1344/1999

    2.4.2 Einhaltung gesetzlicher Vorgabenin Bezug auf die Arbeitszeit

    Neben den beschriebenen Entscheidungskriterien (betriebliche Belange,persönliche Interessen) thematisieren einige Vereinbarungen einen wei-teren Aspekt: die Einhaltung von Arbeitszeit- und Arbeitsschutzvor-schriften. Es scheint selbstverständlich, dass Entscheidungen von Ein-zelnen und Gruppen im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung nicht gegengesetzliche und tarifvertragliche Vorgaben verstoßen dürfen.

    »Die Arbeitszeit wird in Absprache mit dem Vorgesetzten bzw. im Teamvon den Mitarbeiterlnnen unter Berücksichtigung der Auslastungs-situation des entsprechenden Bereichs und der betrieblichen Interessenselbst gesteuert.In Gruppenabsprachen ist die Funktionstüchtigkeit der Gruppe sicher-zustellen, wobei die einschlägigen Bestimmungen des Arbeitszeit-gesetzes ebenso wie die persönlichen Belange der MitarbeiterInnen zuberücksichtigen sind. Hierzu finden regelmäßige Gespräche zur Ar-beitsplanung in den Teams mit den […] Vorgesetzten statt.«

    I Maschinenbau, 030200/1826/2003

  • 34 Regelungsinhalte

    Gleiches gilt für die folgende Betriebsvereinbarung. Wer auch immerArbeitszeitentscheidungen trifft, muss die gesetzlichen und tariflichenVorschriften einhalten.

    »Die Arbeitszeit wird zukünftig grundsätzlich eigenverantwortlich imTeam bzw. vom Mitarbeiter/in selbst gesteuert entsprechend den jewei-ligen Anforderungen der verschiedenen Bereiche. Dabei sind die ein-schlägigen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und des Manteltarif-vertrages zu beachten. In diesem Rahmen sollen persönliche Belangeder Mitarbeiter/innen Berücksichtigung finden.«

    I Chemische Industrie, 030200/2218/1997

    Ein Unternehmen benennt die gesetzlichen Anforderungen ausführlicher.

    »Die Unfallverhütungsvorschriften, welche bei bestimmten, gefahren-geneigten Tätigkeiten die Anwesenheit mindestens eines weiteren Mit-arbeiters vorschreiben, die innerbetrieblichen Sicherheitsbestimmun-gen (Vieraugen-Prinzip), wie auch die Regelungen des Arbeitszeit-,Mutterschutz- und Jugendschutzgesetzes sind in jedem Fall einzuhal-ten.«

    I Verlags- und Druckgewerbe, 030200/1874/2002

    Möglicherweise wurden hier die Anforderungen aus Gesetzen und Tarif-verträgen vor allem aufgenommen, um Führungskräften und Beschäf-tigten zu verdeutlichen, dass ihre Einhaltung ebenso wichtig ist wie dieBerücksichtigung betrieblicher Vorgaben. Gemäß folgender Vereinba-rung sind Vorgesetzte und Mitarbeiter für die Einhaltung gesetzlicherVerpflichtungen gleichermaßen verantwortlich.

    »Der Mitarbeiter arbeitet im Rahmen der gesetzlichen und ggf. dertarifvertraglichen Vorschriften. Der Arbeitgeber achtet darauf und ge-währleistet die erforderlichen Rahmenbedingungen. Die wöchentliche

  • Entscheidungskriterien für Lage und Umfang der Arbeitszeit 35

    Normalarbeitszeit muss im Durchschnitt eines Verteilzeitraumes voneinem Kalenderjahr erreicht werden.Grenzen der zulässigen Arbeitszeit und Mindestruhezeiten zwischenBeendigung und Wiederaufnahme der Arbeit ergeben sich aus dem Ar-beitszeitgesetz, Sozialgesetzbuch IX, sowie dem Jugendarbeits- unddem Mutterschutzgesetz in der jeweils gültigen Fassung. Für die Ein-haltung dieser Zeiten sind die Vorgesetzten wie auch die Mitarbeiterverantwortlich.«

    I Mineralölverarbeitung, 030200/1658/2002

    Unten zitiertes Unternehmen geht einen Schritt weiter. Es überträgt dieVerantwortung für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes allein denMitarbeitern.

    »Grundsätzex Im Vordergrund steht die selbständige, eigenverantwortliche Aufga-

    benerledigung.x Führungskräfte und Mitarbeiter sind gemeinsam dafür verantwort-

    lich, dass die vereinbarten Ziele in der vereinbarten Arbeitszeit er-bracht werden können.

    x Die Arbeitszeit richtet sich nach Kundenbedarf, Arbeitsaufgabe undAbteilungsbelangen.

    x Die (Fein-)Steuerung der Arbeitszeiten erfolgt eigenverantwortlichinnerhalb der Abteilung.

    x Anzustreben sind effektive Arbeitszeiten und -abläufe; Zeitver-brauch allein ist kein Leistungsmaßstab.

    x Die Arbeit soll so organisiert werden, dass im Jahresdurchschnitt40 Stunden pro Woche ausreichen.

    x Für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sind die Mitarbeiterselbst verantwortlich. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung derPausen (§ 4 ArbZG), die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag(§ 3 ArbZG) sowie die Aufzeichnungspflicht nach § 16.2 ArbZG.«

    I Elektromaschinenhersteller, 030200/1344/1999

  • 36 Regelungsinhalte

    Die Beschäftigten allein oder zusammen mit ihren Vorgesetzten für ver-antwortlich zu erklären für die Einhaltung von gesetzlichen Bestim-mungen, hat rechtlich einen ganz anderen Charakter. Dies geht übereine Vorgabe, die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, hinaus. DieBetriebsparteien haben kein Verfügungsrecht über Schutzpflichten, diedem Arbeitgeber vom Gesetzgeber auferlegt sind. Eine Übertragungdieser Schutzpflichten auf die Beschäftigten ist daher unzulässig.Selbstverständlich müssen Beschäftigte die geltenden gesetzlichen Vor-schriften beachten. Verantwortung für die Einhaltung von (Arbeits-schutz-)Gesetzen zu übernehmen, entspricht dem Leitbild mündiger,verantwortungsvoll handelnder Staatsbürger. In der Praxis kann es zuWidersprüchen zwischen den betrieblichen Anforderungen und denendes gesetzlichen Arbeitsschutzes kommen. Der Gesetzgeber hat deshalbdie zentralen Arbeitsschutzpflichten den Arbeitgebern und ihren Füh-rungskräften auferlegt. Sie sind berechtigt und verpflichtet, in einer Si-tuation konkurrierender Anforderungen dem Arbeitsschutz Vorrangeinzuräumen und betriebliche Belange unterzuordnen.Sollen Beschäftigte selbst Verantwortung für die Einhaltung gesetz-licher Arbeitsschutzvorgaben übernehmen, müssen sie berechtigt sein,dem Arbeitsschutz gegebenenfalls Vorrang gegenüber betrieblichen Be-langen wie z.B. Produktionserfordernissen einzuräumen. Dies ist denvorliegenden Vereinbarungen nicht zu entnehmen. Den Beschäftigtenwird Verantwortung für den Arbeitsschutz übertragen. Dennoch sindsie uneingeschränkt weisungsgebunden gegenüber Vorgesetzten, die diebetrieblichen (Produktions-)Anforderungen durchsetzen sollen.Die dargestellte Regelung lässt Unklarheiten erwarten, die möglicher-weise den Arbeitsschutz beeinträchtigen. Vorgesetzte und Arbeitgebersehen sich unter Umständen nicht verantwortlich und vernachlässigenihre Schutzpflichten. Die Beschäftigten stehen widersprüchlichen Er-wartungen gegenüber und geben, um Konflikte mit Vorgesetzten zuvermeiden, dem Arbeitsschutz nicht die notwendige Priorität.Die folgende Formulierung, die Vorgesetzte und Mitarbeiter für glei-chermaßen verantwortlich erklärt, ist in beschriebenem Sinne missver-ständlich.

  • Entscheidungskriterien für Lage und Umfang der Arbeitszeit 37

    »Bei Mitarbeitern, für die besondere Schutzvorschriften gelten (Mut-terschutzgesetz, Schwerbehindertengesetz, Jugendschutzgesetz etc.)ist diese Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung der jeweiligenVorschriften anzuwenden.Der Mitarbeiter sowie […] Vorgesetzte sind gleichermaßen für die Ein-haltung der […] gesetzlichen Vorschriften verantwortlich. In Einzelfra-gen ist die fachliche Unterstützung durch das Personalwesen einzuho-len, gegebenenfalls der Betriebsrat hinzuzuziehen. Die entsprechendenRegelwerke können dort eingesehen werden.«

    I Chemische Industrie, 030200/1572/1999

    Selbstverständlich sind auch gesetzliche Schutzvorschriften bei Anwen-dung einer Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen. Eine gemeinsameVerantwortlichkeit aller Beteiligten bei der Einhaltung gesetzlicherSchutzvorschriften entspricht ebenfalls den heutigen Erwartungen anverantwortlich handelnde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Objedoch die Hinweise auf fachliche Unterstützung, Hinzuziehung desBetriebsrats und Einsichtnahme in das Regelwerk im Arbeitsalltagtauglich sind, ist fraglich. Wie entscheidet sich wohl eine Schwangere,wenn Vorgesetzte sie zu Mehrarbeit an einem Sonnabend auffordern,obwohl dies den Vorschriften des § 8 MuSchG widerspricht? Ist dieoben zitierte Regelung in einem solchem Fall wirklich eine (Entschei-dungs-)Hilfe?Auch folgende Betriebsvereinbarung bietet wenig Hilfe. Immerhin be-grenzt bzw. konkretisiert sie die Verantwortung von Beschäftigten undFührungskräften.

    »Im Hinblick auf das […] zu erwartende Arbeitsvolumen planen undsprechen die Mitarbeiter untereinander und mit dem Vorgesetzten denArbeitseinsatz ab. Die Mitarbeiter stellen im Rahmen der […] Eigen-verantwortung und die Vorgesetzten im Rahmen ihrer Aufsichtspflichtdie Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicher.«

    I Chemische Industrie, 030200/1630/2002

  • 38 Regelungsinhalte

    Zusammenfassend lässt sich festhalten: Bei Vertrauensarbeitszeit wirdden Beschäftigten das Recht eingeräumt, Beginn, Dauer und Ende dertäglichen Arbeitszeit selbst festzulegen. Dieses Recht wird gebunden anAbstimmungserfordernisse und an die zum Teil vorrangige Berücksich-tigung betrieblicher Anforderungen. Im Mittelpunkt steht nicht einean persönlichen Interessen ausgerichtete Arbeitszeitsouveränität. EinAusgleich zwischen persönlichen und durch Erwerbsarbeit entstehen-den Zeitanforderungen ist in den vorliegenden Vereinbarungen eher dieAusnahme. Die zahlreichen Regelungen zum Verfügungsrecht und zuden Entscheidungskriterien über Arbeitszeit schaffen die Voraussetzun-gen, dass Beschäftigte dezentral als Einzelne oder als Arbeitsgruppeentsprechend den betrieblichen Anforderungen über ihre Arbeitszeitentscheiden.

    2.5 Ausmaß der Flexibilität und Arbeitszeitrahmen

    Warum ist die Gestaltung des Ausmaßes der flexiblen Arbeitszeit wich-tig?Je mehr Arbeitszeit innerhalb eines Tages, einer Woche, eines Monatsoder des Ausgleichszeitraums eingesetzt werden darf, desto mehr Ge-staltungsspielraum hat, wer über Beginn, Dauer und Ende der täglichenArbeitszeit entscheidet. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Beschäf-tigten wachsen demnach mit dem Ausmaß der flexiblen Arbeitszeit.Gleichzeitig erwarten – im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit – Arbeit-geber oder Vorgesetzte bei entsprechendem betrieblichen Bedarf maxi-malen Arbeitseinsatz ihrer MitarbeiterInnen. Hinzu kommt, dass eingroßes Ausmaß flexibler Arbeitszeit tarifliche (Arbeitszeit-)Vereinba-rungen aushebeln kann.Unabhängig davon, ob man Flexibilität maximieren oder minimierenwill – ihr Ausmaß ist ein wichtiges Merkmal und fordert Aufmerksam-keit bei der Gestaltung der Vertrauensarbeitszeit.Viele der vorliegenden Vereinbarungen bestimmen den Zeitrahmen,der für die Erfüllung der Aufgaben genutzt werden kann.

  • Ausmaß der Flexibilität und Arbeitszeitrahmen 39

    »Mitarbeiterinnen können innerhalb der Rahmenarbeitszeit (7.00 Uhrbis 19.00 Uhr) von montags bis freitags arbeiten. Die Arbeitszeit darfhierbei 10 Stunden pro Tag nicht überschreiten.«

    I Maschinenbau, 030200/1826/2003

    Einige Vereinbarungen erweitern die Flexibilität auf eine größere Rah-menarbeitszeit pro Tag bzw. pro Woche. Eine starke Ausweitung findetim folgenden Beispiel statt.

    »Arbeitszeitrahmenx Es stehen alle Werktage (Montag bis Samstag) von 0 Uhr bis 24 Uhr

    zur Verfügung; außer Sonn- und Feiertage.x In Bezug auf Ausfalltage (Urlaub, Krankheit, Dienstreise) beträgt

    die tägliche Sollarbeitszeit von Montag – Freitag 8 Stunden.x An Samstagen kann auf freiwilliger Basis unter Berücksichtigung

    der betrieblichen und persönlichen Belange gearbeitet werden.x Für Teilzeitmitarbeiter gelten die jeweils vereinbarten Regelungen.«

    I Elektromaschinenhersteller, 030200/1344/1999

    Sogar der Arbeitsort ist teilweise flexibel.

    »Der Mitarbeiter hat die Möglichkeit in Absprache mit seiner Füh-rungskraft außerhalb des Büros (z.B. zu Hause, im Hotel oder beimKunden) zu arbeiten. Er hat die Verpflichtung, einen Vertreter bzw.einen Ansprechpartner, der über die Erreichbarkeit Auskunft gebenkann, zu benennen.«

    I Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 030200/1497/2001

    Für Beschäftigte scheint ein großer Arbeitszeitspielraum dann attraktiv,wenn sie tatsächlich selbst unter Berücksichtigung persönlicher Interes-sen darüber verfügen können. Besonders familienfreundlich ist es etwa,

  • 40 Regelungsinhalte

    wenn Beschäftigte z.B. im Sommer ihre Erwerbstätigkeit in den frühenMorgen- oder späten Abendstunden ausüben können. Ein großer zeit-licher Spielraum wirkt sich mitunter jedoch auch nachteilig aus. Bei-spielsweise dann, wenn Beschäftigte aufgrund beruflicher Verpflichtun-gen (kleine Personaldecke, hohe Anforderungen, Kundenerwartungen)die Rahmenarbeitszeit bis an die Grenzen ausschöpfen müssen. Je größerder Flexibilitätsspielraum, je mehr z.B. außerhalb des Betriebes gearbei-tet werden kann, desto schwieriger wird es zudem für einen Betriebs-oder Personalrat, die Einhaltung der Arbeitszeitregeln zu kontrollieren.Weitere Gestaltungsmöglichkeiten für die Beschäftigten eröffnet fol-gende Vereinbarung. Sie ermöglicht eine Konzentration der Arbeitszeitauch für Vollzeitbeschäftigte auf vier Wochentage.

    »Auf Antrag kann Dienstkräften bei Vorliegen eines wichtigen Grundesund der Zustimmung des unmittelbaren Vorgesetzten […] die Möglich-keit, an Sonnabenden zu arbeiten, eingeräumt werden.Auf Antrag kann Dienstkräften bei Vorliegen der Zustimmung des […]Vorgesetzten […] die Möglichkeit, an nur vier Wochentagen zu arbei-ten, eingeräumt werden.«

    I Bildungseinrichtung, 030200/1875/2003

    Alle diese Regelungen können zu einer weiten oder engen Gestaltungder Vertrauensarbeitszeit genutzt werden. Das gilt auch für den Um-fang der Arbeitszeit, der vor- oder nachgeleistet werden kann.

    »Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt […] Stunden in der Woche vonMontag bis Freitag im Jahresdurchschnitt, zzgl. des wöchentlichenLeistungsbeitrags von […] Stunden im indirekten Bereich. Zeitgutha-ben werden aus geleisteter Arbeitszeit erworben.Der Gleitzeitvortrag soll +/– 2000 Minuten nicht überschreiten. Derbetriebliche Vorgesetzte ist rechtzeitig vor Erreichen dieser Grenze vomWerksangehörigen zu informieren.«

    I Fahrzeughersteller Kraftwagen, 030200/1257/1996

  • Ausmaß der Flexibilität und Arbeitszeitrahmen 41

    Je größer der Flexibilitätsspielraum, desto größer auch die Gefahr, dasstarifliche und gesetzliche Arbeitszeitregelungen verletzt werden. Wer-den Arbeitszeitguthaben ersatzlos gestrichen oder ausgezahlt, so sinddas Hinweise auf eine Überschreitung der Arbeitszeitregelungen. Wirdbei Vertrauensarbeitszeit die tatsächliche Arbeitszeit nicht erfasst, lässtsich das Arbeitszeitkonto (minimales/maximales Arbeitszeitguthaben,Arbeitszeitschuld, Ausgleichszeitraum) auch nicht als Gestaltungs-merkmal zur Begrenzung der Flexibilität nutzen.Die Zeitspanne, in der Mehr- oder Minderarbeitszeit so ausgeglichenwerden soll, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der (tarif)vertrag-lichen Arbeitszeit entspricht, heißt Ausgleichszeitraum. § 3 Satz 2ArbZG bestimmt, dass im Ausgleichszeitraum die durchschnittlicheArbeitszeit acht Stunden pro Werktag nicht überschreiten darf. Gemäߧ 7 Abs.1 ArbZG kann der Ausgleichszeitraum durch Tarifvertrag,Betriebs- oder Dienstvereinbarung verkürzt oder verlängert werden.Von dieser Möglichkeit wird oft für eine Verlängerung des Ausgleichs-zeitraums Gebrauch gemacht.

    »Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit muss im Durch-schnitt eines Verteilzeitraums von bis zu 12 Monaten erreicht wer-den.«

    I Chemische Industrie, 030200/1667/1998

    § 3 ArbZG setzt mit der täglichen und wöchentlichen maximalenArbeitszeit eigenständig Grenzen. Diese werden zum Teil in die Verein-barungen übernommen.

    »Die tägliche Arbeitszeit darf bis zu 10 Stunden betragen.«I Versicherungsgewerbe, 030200/1296/2000

  • 42 Regelungsinhalte

    »Die tägliche Arbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten.Die Wochenarbeitszeit darf 50 Stunden nicht überschreiten.«

    I Bildungseinrichtung, 030200/1873/2003

    Es wäre auch zulässig, die Grenzen des ArbZG in Betriebs- oder Dienst-vereinbarungen enger zu ziehen um die tägliche/wöchentliche Maxi-mal-Arbeitszeit zu verringern.Begrenzt wird die Flexibilität schließlich durch feste Funktions- oderServicezeiten. Für diese Zeiträume müssen die Beschäftigten durchAbsprache sicherstellen, dass andere Abteilungen, Zulieferer, Kundenoder externe Geschäftspartner den Arbeitsbereich ansprechen undseine Dienste in Anspruch nehmen können.

    »Die Funktionszeit beginnt um 8.00 Uhr und endet um 17.00 Uhr. Indieser Zeit ist grundsätzlich die Funktionsfähigkeit der Organisations-einheit durch Absprache zwischen den Mitarbeiterlnnen und den Vor-gesetzten sicherzustellen.«

    I Maschinenbau, 030200/1826/2003

    Die meisten Regelungen der ausgewerteten Vereinbarungen betreffendie Erweiterung oder Verengung des für Arbeit nutzbaren Zeitraums.Prinzipiell gleich lässt sich der Freizeitausgleich für geleistete Arbeits-zeit gestalten. Damit können vor allem die Handlungsmöglichkeitender Beschäftigten erweitert oder begrenzt werden.

    »Möglichkeiten der ArbeitszeitflexibilisierungUnter Berücksichtigung der Grundsätze zur Arbeitszeit wie auch derServicezeit bestehen folgende Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisie-rung, wobei jedoch die individuelle Arbeitszeiteinteilung den reibungs-losen Arbeitsablauf nicht beeinträchtigen darf und Kundenanforderun-gen sowie Arbeitsanfall angemessen zu berücksichtigen sind:x Die tägliche Arbeitszeit kann beliebig unterbrochen werden.

  • Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle 43

    x Die Mindestarbeitszeit pro Arbeitstag beträgt vier Stunden, für Teil-zeitkräfte gilt dies anteilig der vereinbarten Arbeitszeit.

    x Pro Kalenderjahr können bis zu fünf freie Tage genommen werden.Es gilt das gleiche Verfahren wie bei Urlaubsbeantragung.

    x Bei Arbeitsspitzen erklären sich die Mitarbeiter bereit, vorüberge-hend mehr als die vereinbarte wöchentliche Vertragsarbeitszeit zuleisten.«

    I Bildungseinrichtung, 030200/2050/2003

    2.6 Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle

    Der Begriff Vertrauensarbeitszeit deutet an, dass auf eine Arbeitszeit-kontrolle verzichtet wird und man den ArbeitnehmerInnen bezüglichder zu erfüllenden Arbeitszeit vertraut. Tatsächlich findet sich ein aus-drücklicher, vollständiger Verzicht auf Kontrolle in den vorliegendenVereinbarungen eher selten. Dazu folgendes Beispiel.

    »Die Arbeitszeit beginnt und endet am Arbeitsplatz. Eine unterneh-mensseitige Zeiterfassung findet nicht mehr statt.«

    I Fahrzeughersteller Kraftwagen, 030200/1257/1996

    Vollständiger Kontrollverzicht kann ein Ausdruck für Vertrauen sein.Arbeitszeiterfassung dient jedoch nicht nur der unternehmensseitigenArbeitszeitkontrolle. Sie ermöglicht auch den ArbeitnehmerInnen, diegeleisteten, arbeitsvertraglichen Pflichten nachzuweisen und unberech-tigte Leistungsanforderungen des Arbeitgebers zurückzuweisen. Diesgilt besonders für den Fall, dass Freizeitausgleich für vorgeleistete Ar-beitszeit z.B. aufgrund hoher Leistungsanforderungen nicht oder nichtim festgelegten Ausgleichszeitraum möglich ist. Fehlende Arbeitszeiter-fassung bringt durchaus Fragen mit sich: Wie können Beschäftigte dieErfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht nachweisen? Wie können

  • 44 Regelungsinhalte

    sie Anspruch auf Freizeitausgleich belegen? Zudem verpflichten § 16Abs. 2 und § 3 Satz 1 ArbZG den Arbeitgeber, Arbeitszeit, die überdie werktägliche Maximalarbeitszeit von acht Stunden hinausgeht, zudokumentieren.Zunächst ein Beispiel, das den unternehmensseitigen Verzicht aufArbeitszeitkontrolle mit einer freiwilligen Zeitaufzeichnung durch dieBeschäftigten verbindet.

    »Die Aufschreibung der Arbeitszeit erfolgt freiwillig.«I Kohlebergbau, 030200/1872/2001

    Im Folgenden verzichtet der Arbeitgeber seinerseits auf Arbeitszeit-erfassung. Die Beschäftigten werden durch die Betriebsvereinbarungjedoch dazu verpflichtet.

    »Zur Erfassung der Arbeitszeit können die Mitarbeiter unter folgendenMöglichkeiten wählen:x Nutzung der Zeiterfassungsgeräte,x Selbsterfassung und Aufbewahrung der Aufzeichnungen in den Or-

    ganisationseinheiten mit Abzeichnung durch den Vorgesetzten,x Selbsterfassung und Aufbewahrung der Aufzeichnungen in den

    Organisationseinheiten ohne Abzeichnung durch den Vorgesetzten,aber mit Einsichtsrecht durch die Kollegen der jeweiligen Organisa-tionseinheit.«

    I Bildungseinrichtung, 030200/1873/2003

    Eine solche Regelung muss nicht nachteilig für die Beschäftigten seinund auch nicht als Misstrauen gewertet werden. Einerseits sind dieBeschäftigten nicht einer peniblen Kontrolle durch Arbeitgeber undVorgesetzte unterworfen. Andererseits erfassen sie selbst die geleistetenArbeitszeiten und können sie jederzeit nachweisen.Auch die folgende Vereinbarung veranlasst die Beschäftigten zur Zeit-erfassung.

  • Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle 45

    »Die […] verzichtet mit der Einführung dieser Vertrauensarbeitszeit aufdie elektronische Zeiterfassung für den betreffenden Mitarbeiterkreisund damit auf eine unternehmensseitige Kontrolle der Einhaltung derVertragsarbeitszeit. […]Die Arbeitszeit-Mehrleistung soll zukünftig aufgrund des Wegfalls derelektronischen Zeiterfassung – ausschließlich zur Selbstkontrolle – in½-stundenweiser Selbstaufschreibung der Differenzen zur jeweiligenOrientierungsarbeitszeit durch den Mitarbeiter/in selbst erfolgen.«

    I Chemische Industrie, 030200/1667/1998

    Hier ist nicht eindeutig erkennbar, ob der Arbeitgeber die Aufzeich-nung der Arbeitszeit als für sich bindend anerkennt. Anders im vorher-gehenden Fall (Bildungseinrichtung): Wählen Beschäftigte die zweiteMöglichkeit der Arbeitszeiterfassung (Aufzeichnung mit Abzeichnungdurch Vorgesetzte), ist anzunehmen, dass der Arbeitgeber diese auchfür sich als verbindlich ansieht.Folgendes Unternehmen verpflichtet die Beschäftigten zur Arbeitszeit-erfassung.

    »Eine individuelle Überwachung des Verhaltens oder der Leistung derBeschäftigten findet im Rahmen der Arbeitzeitgestaltung nicht statt.Zur Feststellung der Arbeitszeit sind die in den […] Arbeitszeitmodel-len geforderten »Papiererfassungen« grundsätzlich zu nutzen bzw. ent-sprechend zu modifizieren.Zeiterfassungssystem und Papiererfassung sind gleichberechtigte Doku-mentationen entsprechend der arbeitsrechtlichen, arbeitszeitrechtlichenund tarifrechtlichen Vorgabe.Die Arbeitszeitermittlung wird durch die Mitarbeiter geführt. […] Je-der Mitarbeiter führt eigenverantwortlich seine Arbeitszeit mittels Vor-druck. Das Original wird im Ressort gesammelt, ein Doppel verbleibtbeim Beschäftigten. Die tatsächliche Arbeitszeit wird mit der Wochen-arbeitszeit verglichen und führt zu einem Saldo.«

    I Grundstücks- und Wohnungswesen, 030200/1375/1997

  • 46 Regelungsinhalte

    Die Beschäftigten werden zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet. Mandarf demnach davon ausgehen, dass das Unternehmen die Aufzeich-nungen auch anerkennt. Laut folgender Vereinbarung sind die Beschäf-tigten für die Erfassung der Arbeitszeit verantwortlich. Ihre Aufzeich-nungen gelten ausdrücklich als verbindlich.

    »Gegenseitiges VertrauenDie Erfassung der Arbeitszeit erfolgt auf der Basis gegenseitigen Ver-trauens durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Festgehalten wer-den nur Abweichungen von der täglichen Sollarbeitszeit. Die kleinsteEinheit ist eine ¼ Stunde.Es gilt der Grundsatz, dass Aufzeichnungen nur in Frage gestellt wer-den dürfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeitvorliegen.

    ZeitaufzeichnungDie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen ihre Saldenkonten mitHilfe der Kommunikationssoftware Lotus Notes. Hierzu gilt die Be-triebsvereinbarung über die Anwendung von Informations- und Kom-munikationssystemen (IuK-Rahmenvereinbarung).In den Fällen, in denen dies nicht möglich ist, wird ein Formular ge-nutzt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen ihre Aufzeichnungen(Salden, Abwesenheiten) jeweils zum ersten Arbeitstag eines Kalen-dermonats ihrer Führungskraft vor. Die Führungskraft leitet diese wei-ter. […]

    DokumentationsvorschriftZum Erfüllen der Vorschrift des § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzeswerden die Aufzeichnungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter min-destens 2 Jahre und nach dem »Flexigesetz« mindestens 10 Jahre in derHauptabteilung Personal aufbewahrt und auf Verlangen der zuständi-gen Behörde vorgelegt.«

    I Versicherungsgewerbe, 030200/1296/2000

  • Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle 47

    Vorsichtiger, mit vorläufig doppelter Aufzeichnung, löst diese Frage einUnternehmen der Metallindustrie.

    »Darüber hinaus ist […] der vollständige und hinreichend detaillierteNachweis geleisteter Arbeitszeiten in erster Linie von denjenigen zuführen, die diese Arbeitsleistungen erbracht haben und dafür eine ent-geltliche Gegenleistung des Betriebs erwarten.Nach dem Grundsatz »Vertrauen gegen Vertrauen« geht der Betriebvon einem verantwortungsbewussten, korrekten Umgang der Mit-arbeiter/innen mit der Arbeitszeit und deren Abrechnung aus und ver-zichtet seinerseits auf eine permanente und detaillierte Zeitkontrolle.Im Gegenzug erwartet der Betrieb, namentlich das für die Abwick-lung der Entgeltleistungen zuständige Personalwesen, eine pünkt-liche, richtige und vollständige Dokumentation der abzurechnendenZeiten.Die automatische Zeiterfassung […] wird jedoch […] parallel weiterge-führt und dient in beiderseitigem Interesse von Betrieb und Mitarbei-ter/innen als ergänzende dokumentarische Absicherung und wichtigeInformationsquelle während der Übergangsphase bis zur vollen Ver-wirklichung des Prinzips der Vertrauensarbeitszeit.«

    I Metallverarbeitung, 030200/999/1999

    Die letzten Unternehmen verzichten auf Arbeitszeiterfassung, erkennenjedoch eine Zeitdokumentation durch die Beschäftigten an. Sie bildendamit die Ausnahme.Die meisten ausgewerteten Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeitenthalten keine Aussage zur Anerkennung von Arbeitszeitdokumen-tation durch die MitarbeiterInnen. Die folgende Vereinbarung geht indieser Frage sogar einen Schritt zurück. Sie stellt den MitarbeiterInnendie Arbeitszeiterfassung frei. Entsprechende Aufzeichnungen werdenvom Unternehmen nicht als verbindlich anerkannt.

  • 48 Regelungsinhalte

    »Der Arbeitgeber verzichtet auf jegliche Zeitkontrolle und damit aufdie monatliche Nachweisführung der Arbeitszeit durch den Mitarbei-ter. […]Der Mitarbeiter entscheidet selbst, ob und ggf. wie er ein Zeitkontoführt. Die Erfassung von Zeitguthaben bzw. Zeitschulden erfolgt ledig-lich zur Eigenkontrolle der Mitarbeiter. Das vorhandene Zeiterfas-sungssystem […] kann dabei von den Mitarbeitern genutzt werden.Eine Verpflichtung besteht dazu nicht. Auf Wunsch des Mitarbeiterswerden die Nachweise monatlich zur Verfügung gestellt. […]Aus Praktikabilitätsgründen sollte der Mitarbeiter vorab festlegen, ober an der Zeiterfassung teilnimmt oder darauf verzichtet. Die kumulier-ten Stunden werden immer zum 01.03. des Folgejahres auf Null ge-stellt. Aus den Aufzeichnungen (manuell oder Zeiterfassung) könnenweder Mitarbeiter noch Arbeitgeber Ansprüche ableiten.Sollte in Ausnahmefällen eine Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden not-wendig sein, muss entsprechend dem Schutzzweck des Arbeitszeitgeset-zes eine Nachweisführung durch den Mitarbeiter erfolgen. Diese Nach-weise sind vom Vorgesetzten zu bestätigen und nach dem letztenEintrag zwei Jahre am Arbeitsplatz aufzubewahren.«

    I Mineralölverarbeitung, 030200/1658/2002

    Beschäftigte und Arbeitgeber können aus dieser freiwilligen Arbeits-zeitaufzeichnung ausdrücklich keine Ansprüche ableiten. Sie dient nurder Eigenkontrolle. Die ArbeitnehmerInnen können damit weder dieErfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten noch die Berechtigungvon Ausgleichsfreizeit belegen. Andererseits will das Unternehmen mitdieser Arbeitszeiterfassung die Dokumentationspflicht des ArbZG er-füllen. Es ist schwer zu verstehen, wie die freiwillige Arbeitszeiterfas-sung der gesetzlichen Pflicht (des Arbeitgebers) genügen soll, gleichzei-tig aber für die Betriebsparteien selbst unverbindlich bleiben kann.»Die kumulierten Stunden werden immer zum 01.03. des Folgejahresauf Null gestellt.« – auch diese Formulierung in der letztzitierten Ver-einbarung wirft Fragen auf. Rechtlich scheint es bedenklich, wenn ge-leistete Arbeitszeit »auf Null« gestellt, also gekappt und als nicht geleis-tet betrachtet wird. Wird Arbeitszeit geleistet und vom Arbeitgeber

  • Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle 49

    angenommen, entstehen Ansprüche gegen ihn. Fragwürdig ist auchdie Bestimmung, dass »aus der Zeiterfassung weder Mitarbeiter nochArbeitgeber Ansprüche ableiten« können. Sind die Betriebsparteienunsicher über die rechtliche Gültigkeit dieser Bestimmung? Wollen sieetwaige Ansprüche doppelt, durch Kappung und durch ausdrücklicheZurückweisung, ausschließen? Ist der Arbeitgeber konsequenterweisebereit, auch negative Salden, also nicht geleistete, aber bezahlte Arbeits-zeit zu kappen?Oft findet sich folgende Regelung, die die Pflicht des Arbeitgebers aus§ 16 ArbZG an die Beschäftigten delegiert. Sie sollen Verantwortungtragen für die Erfüllung einer den Arbeitgebern zum Schutz der Arbeit-nehmerInnen auferlegten gesetzlichen Pflicht.

    »Da bei diesem Arbeitszeitmodell die Arbeitszeiten nicht automatischerfasst werden, gesetzliche Vorschriften jedoch eine Aufzeichnungs-pflicht der Arbeitszeiten über 10 Stunden und der Mehrarbeit […] vor-sehen, ist hierzu von den Mitarbeitern ein entsprechendes Formulararbeitstäglich zu führen und zentral in der Abteilung für mindestens2 Jahre aufzubewahren. Das Formular kann […] abgerufen werdenund ist Anlage dieser Vereinbarung.«

    I Chemische Industrie, 030200/1572/1999

    Noch deutlicher und vereinfachter regeln folgende Vereinbarungendiese Frage:

    »Eine maschinelle Erfassung der Anwesenheitszeiten erfolgt nicht. DieMitarbeiter sind verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit von8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen. Diese Aufzeich-nungen sind mindestens 2 Jahre von dem Mitarbeiter aufzubewahren.«

    I Unternehmensbezogene Dienstleistungen, 030200/1555/2002

  • 50 Regelungsinhalte

    »ZeiterfassungDie Zeiterfassung erfolgt in summierten Stunden, getrennt nachArbeitszeit und Reisezeit. Die kleinste Zähleinheit ist eine ¼ Stunde.Die Eingabe der Uhrzeit ist nur erforderlich, wenn Gründe wie z.B.Kundenanforderung, Berechnung der Tagesspesen bei Dienstreisetagenoder die Berechnung von Zuschlägen dies erforderlich machen. EineEingabe von Pausenzeiten erfolgt nicht, da nur kumulierte Arbeitsstun-den aufgeschrieben werden. Die Zeiterfassung erfolgt durch Selbst-aufschreibung. Die erfassten Zeiten werden monatlich abgegeben. DieNachweise werden von Mitarbeiter und Führungskraft unterschrieben.Es erfolgt eine zweijährige Archivierung der Nachweise bei der Füh-rungskraft. Weiterhin erfolgt zum Jahresende ein Jahresabschluss, demder Mitarbeiter innerhalb von 2 Monaten widersprechen kann.Mitarbeiter ohne Gleitzeitkontenführung sind alle Mitarbeiter mitVertrauensarbeitszeit. Diese Mitarbeiter müssen die nachfolgend be-nannten Stunden bzw. Abwesenheitszeiten erfassen:x projektbezogene/fakturierbare Stunden (ggf. Reisezeiten)x Urlaubstagex Entnahmen aus dem Langzeitkontox Krankheitstagex FreistellungstageGemäß Arbeitszeitgesetz aufschreibungspflichtige Stunden sind in be-liebiger Form zu dokumentieren.Aus der oben genannten Zeiterfassung können keine Ansprüche – we-der in Zeit noch Geld – abgeleitet werden.«

    I Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 030200/1497/2001

    Auch die Regelungen dieser Vereinbarung scheinen rechtlich zweifel-haft: Der Arbeitgeber überträgt seine Dokumentationspflicht (Teilder Fürsorgepflicht) auf die zu schützenden Beschäftigten. Sie undihre Vorgesetzten bestätigen die aufgezeichnete Arbeitszeit mit ihrerUnterschrift. Der Arbeitgeber will mit diesen Daten seine gesetzlicheDokumentationspflicht offiziell erfüllen, die gleichen Daten jedoch ge-gen sich selbst nicht gelten lassen (zur rechtlichen Zulässigkeit dieserRegelung vgl. Kapitel 4).

  • Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle 51

    Ebenso bleibt hier der Umgang mit über das tarif-(vertrag-)liche Maßhinaus geleisteter Arbeitszeit unklar. Die freiwillige Arbeitszeiterfassungschafft keine sichere Anspruchsgrundlage für einen Freizeitausgleich.Zwar werden die Arbeitszeiten freiwillig erfasst, abgezeichnet und ar-chiviert; Ausgleichsansprüche werden vom Unternehmen jedoch abge-lehnt. Vorgesetzte und MitarbeiterInnen erhalten keine klaren Hand-lungsanweisungen. Es werden keine Möglichkeiten aufgezeigt, dieErfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten oder Anspruch auf Ausgleichs-freizeit zu belegen. Der Arbeitgeber kann das Verhältnis von Leistungund Lohn durch Leistungsanforderungen, Zielvorgaben und Arbeits-aufträge zu seinen Gunsten verändern. Den Beschäftigten werden keineWege eröffnet, überzogene Leistungserwartungen des Arbeitgebers zu-rückzuweisen.Vertrauensarbeitszeit zielt geradezu darauf ab, dass es bei entsprechen-den Anforderungen zu Mehrarbeit über das tariflich oder arbeitsver-traglich vereinbarte Maß hinaus kommt. Für diese Fälle sehen einigeVereinbarungen diverse Ausgleichsmöglichkeiten vor (vgl. Kapitel 2.5,2.7 und 2.8). Wenn die Arbeitszeit auf Vertrauensbasis erbracht wird,liegt es nahe, dass auch der Freizeitausgleich für Mehrarbeit auf Ver-trauensbasis von den Beschäftigten eigenverantwortlich genommenwerden kann. Dazu das folgende Beispiel.

    »Die Parteien verzichten auf eine Arbeitszeiterfassung; stattdessen wirdein Arbeitszeitausgleich auf Vertrauensbasis zwischen Regionalleiterund Mitarbeiter vereinbart.Änderungen am […]-Berichtssystem erfolgen nicht. Es gibt keine zen-trale Überwachung/Auswertung des Ausgleichsverhaltens der einzel-nen Mitarbeiter.Eine Dokumentation der jeweiligen Absprachen zwischen Mitarbeiterund Vorgesetzten ist wahlweise schriftlich oder durch E-Mail mög-lich.«

    I Chemische Industrie, 030200/1435/2001

  • 52 Regelungsinhalte

    Der hier aufgezeigte Weg setzt allerdings im Einzelfall eine entspre-chende Vertrauensbasis voraus. Im Konfliktfall könnte es sich für Be-schäftigte schwierig erweisen, einen Freizeitanspruch auf Grundlagedieser Vereinbarung durchzusetzen.Die bisherige Auswertung kann die Frage, ob ein Verzicht des Arbeit-gebers auf Arbeitszeitkontrolle für die Beschäftigten vorteilhaft ist,nicht beantworten. Dies gilt insbesondere, wenn dieser Verzicht recht-liche und praktische Schwierigkeiten mit sich bringt: z.B. die Übertra-gung der Aufzeichnungspflicht aus § 16 ArbZG auf die Beschäftigtenoder die Nicht-Anerkennung von (Freizeit-)Ansprüchen aus vor- bzw.mehrgeleisteter Arbeitszeit. Zielführender und für den Arbeitsalltaghilfreicher scheinen Vereinbarungen zu sein, bei denen der Arbeitgeberdie Arbeitszeiterfassung durch die Beschäftigten auch für sich verbind-lich anerkennt.

    2.7 Leistungsregulation

    Die Arbeitszeit ist ein wesentliches Merkmal eines Arbeitsverhältnissesund eine wichtige Arbeitsbedingung. Sie bestimmt, in welchem zeit-lichen Ausmaß Beschäftigte dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft zur Ver-fügung stellen und weisungsgebunden sind. Bei Vertrauensarbeitszeitwird häufig auf eine beiderseits verbindliche Arbeitszeiterfassung ver-zichtet. Damit entfällt die Arbeitszeit als Steuerungsgröße für das Ver-hältnis von Leistungsanforderung und Leistungserbringung.Das bedeutet, es fehlt nicht nur, wie bereits beschrieben, ein Beleg fürdie Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflicht und für einen Anspruchauf (Freizeit)Ausgleich für Mehrarbeit. Da der Arbeitgeber die Arbeits-anforderungen durch Anweisungen, Arbeitsaufträge, Zielvorgaben etc.einseitig vorgibt, entsteht möglicherweise ein Leistungsdruck, dem sichBeschäftigte nicht oder nur schwer entziehen können.

  • Leistungsregulation 53

    2.7.1 Strategien zur Leistungsregulationbei Vertrauensarbeitszeit

    Die ausgewerteten Vereinbarungen zeigen drei Strategien zur Leis-tungsregulation:a) Einige Vereinbarungen treffen keinerlei Regelungen dazu. Die

    Unternehmen verzichten auf Arbeitszeiterfassung. Die freiwilligeArbeitszeiterfassung der Beschäftigten begründet den Anspruch aufAusgleichsfreizeit.

    b) Eine zweite, große Gruppe von Vereinbarungen trifft Regelungen zurArbeitszeiterfassung und Steuerung des »Arbeitszeitverbrauchs«. DieBetriebsparteien verzichten hier also nicht auf Zeiterfassung, son-dern nutzen Arbeitszeit auch bei Vertrauensarbeitszeit als Maß derLeistungserwartung und -erbringung.

    c) Etwa ein Drittel der Vereinbarungen trifft Regelungen für so ge-nannte »Überlast« – Situationen, in denen Beschäftigte zu hoch be-lastet sind.

    Zu a): Einige Vereinbarungen treffen keine Regelung zur Leistungs-regulation. Die geleistete Arbeitszeit wird nicht erfasst, zumindest nichtfür beide Seiten verbindlich. Offenbar erkennen Unternehmensleitungund Interessenvertretung keinen Regelungsbedarf. Möglicherweise sindsie überzeugt, dass die zugelassenen Formen des Zeitausgleichs (vgl.Kapitel 2.8) ausreichen und Betroffenen genügend Raum geben, umsich vor Überlastung zu schützen. Für diese Strategie ein Beispiel ausder Chemischen Industrie.

    »Arbeitszeitausgleich darf in Absprache mit der/m Vorgesetzten in derRegel Mittwoch nachmittags […] und Freitag nachmittags […] genom-men werden. Abweichend davon können unter Berücksichtigung vonregionalen linien- oder kundenspezifischen Besonderheiten auch an-dere Zeitvereinbarungen getroffen werden.Eine Kumulierung ist nicht möglich, jedoch die Kombination mit ande-ren Freizeitansprüchen (z.B. Urlaub).«

    I Chemische Industrie, 030200/1435/2001

  • 54 Regelungsinhalte

    Die Betriebsparteien verzichten auf eine Arbeitszeiterfassung. Arbeits-leistung und Ausgleichsfreizeit werden auf Vertrauensbasis erbrachtbzw. genommen. Ein Zeitausgleich ist ausdrücklich zugelassen. Rege-lungen zur Überlast erscheinen den Betriebsparteien nicht erforder-lich.

    Zu b): Die Leistungserbringung wird über die Arbeitszeit gesteuert.Voraussetzung ist eine Zeiterfassung, die vom Unternehmen als ver-bindlich akzeptiert wird. Auf dieser Basis werden Schwellenwerte fürZeitguthaben und -schulden festgelegt. Werden die Schwellenwerte er-reicht, sind Mitarbeiter/in und Führungskraft zum Gegensteuern ver-pflichtet.

    »Das Zeitguthaben des Mitarbeiters auf dem Überstundenkonto darfzusammen mit dem Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto zu keinemZeitpunkt mehr als […] Stunden betragen. Bei Erreichen eines Gesamt-zeitguthabens von […] Stunden muss die Führungskraft deshalb unver-züglich Maßnahmen zum Abbau des Überstundenkontos einleiten unddie Einhaltung der […]-Stunden-Grenze sicherstellen. Das Erreichender […]-Stunden-Marke wird der Führungskraft und dem Betriebsratvon der Personalabteilung mitgeteilt.«

    I Verlags- und Druckgewerbe, 030200/1874/2002

    In einem anderen Unternehmen werden weitere Personen in die Verant-wortung für Freizeitausgleich oder Reduzierung der Arbeitsbelastungeinbezogen.

    »Zur Steuerung der Zeitkonten kommen folgende Regelungen zur An-wendung:

    Initiative Mitarbeiter

    plus […] StundenGespräch Mitarbeiter/Zeitbeauftragter

  • Leistungsregulation 55

    plus […] StundenGespräch Mitarbeiter/Zeitbeauftragter mit anschließender Protokollie-rung, wie das Zeitguthaben abgebaut werden kann. Abteilungsleiterund Betriebsrat können hinzugezogen werden.

    plus […] StundenGemeinsames Gespräch Mitarbeiter, Zeitbeauftragter/Abteilungsleiter/Betriebsrat mit anschließender Protokollierung, wie und in welchemZeitraster das Zeitguthaben abgebaut wird. Zuständiger Geschäftsfüh-rer und Personalabteilung können hinzugezogen werden.

    Initiative Führungskraft

    Auf Veranlassung der Zeitbeauftragten bzw. Kostenstellenverantwort-lichen erfolgt jährlich zweimal eine persönliche Abfrage der Zeitkon-tenstände bei den Mitarbeitern, und zwar zu folgenden Terminen […].Falls die Konten Größenordnungen erreicht haben, die einen Ausgleichdurch Zeitabbau als nicht praktikabel erscheinen lassen, ist der Kosten-stellenverantwortliche verpflichtet, zusätzliche Maßnahmen einzulei-ten, die einen Abbau in absehbarer Zeit ermöglichen.

    Die entsprechenden Übersichten werden dem Betriebsrat jeweils zurVerfügung gestellt mit dem Angebot eines gemeinsamen Gesprächeszwischen Betriebsrat, Geschäftsführung, Personalabteilung.«

    I Ernährungsgewerbe, 030200/1774/2001

    Beschäftigte und Führungskräfte haben nicht nur das Recht, sondernden Auftrag, bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte Mehrarbeitabzubauen. Die Betriebsparteien sehen offenbar Gestaltungsbedarf,um längerfristige Überlastung der Beschäftigten zu verhindern. Ob dieRegelungen geeignet sind, dies tatsächlich zu schaffen, muss die Praxiszeigen. Es ist nicht auszuschließen, dass Beschäftigte die gebotene Ini-tiative nicht ergreifen. Möglicherweise befürchten sie negative Rück-wirkungen auf ihre Leistungsbeurteilung und Karrierechancen, wennsie sich überhöhten Leistungsanforderungen widersetzen.

  • 56 Regelungsinhalte

    Zu c): Die dritte Gruppe von Vereinbarungen enthält Überlast-Rege-lungen.

    »Kann die vertragliche Arbeitszeit auch unter Berücksichtigung vorhe-riger und zukünftiger Freizeitausgleichsmöglichkeiten nicht erreichtwerden, so ist eine so genannte Überlastsituation gegeben.Dieser Situation ist durch geeignete Maßnahmen rechtzeitig gegenzu-steuern bzw. Rechnung zu tragen. Dies ist mit der Arbeitszeitkommis-sion abzustimmen.Näheres hierzu ist im […] festgelegt.«

    I Maschinenbau, 030200/1826/2003

    Konkreter regelt folgende Vereinbarung: Sie definiert, wann unter wel-chen Bedingungen eine Überlast-Situation gegeben ist. Sie legt fest, werfür die Problemlösung verantwortlich ist und wie eine Entlastung er-reicht werden kann.

    x »Reicht das vertragliche Gesamt-Arbeitszeitvolumen im Team unterBerücksichtigung des planmäßigen Zeitausgleichs auf Sicht nichtaus, zeigen dies die Mitarbeiter/innen der Führungskraft an; dieseist dann für ihre Entlastung verantwortlich (insbesondere durchReduzier