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Vazken Andréassian HAZARI Leben und Überleben eines armenischen Dorfes ab Juni 1915

Hazari leben und überleben eines armenischen dorfes ab juni 1915

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Hazari leben und überleben eines armenischen dorfes ab juni 1915 übersetzung 2016 German translation of the booklet written in 1995 and published in 2013

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Vazken Andréassian

HAZARILeben und Überleben eines armenischen Dorfes ab Juni 1915

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Übersetzung: Renate Andréassian und Dagmar Pfeufer

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VORWORT

An der Schwelle des 20. Jahrhunderts gab es dort im Osten Europas ein unend-lich weites Land in dem Völker der verschiedensten Kulturen zusammen lebten. Aber dieses groβe Land, ein seit Jahrhunderten bestehendes Weltreich, unterlag nach und nach den umliegenden Nationen: es wurde aufgeteilt, fühlte sich gede-mütigt und erniedrigt. Seine führenden Politiker, Ittihad, die „Jungen Türken“, wählten damals den einzigen Ausweg, den sie für richtig hielten: den Krieg.

Wie andere Volksstämme waren auch die Armenier zu dieser Zeit Untertanen des osmanischen Reiches und seiner Regierung. Schon seit einigen Jahren hatte die Türkei unter dem Druck der Westmächte versprochen, ihre Politik bezüglich der christlichen Volksstämme ihres Landes zu reformieren. Die Armenier warteten demnach angstvoll auf eine Verbesserung ihrer Lage und sahen mit groβer Sorge den Krieg ausbrechen.

Schon im Jahre 1878 hatte das Berliner Abkommen betrefflich der christlichen Untertanen des osmanischen Reiches die Entsendung von Beauftragten (Hauts Commissaires) aus neutralen Staaten vorgesehen, welche die Ausführung der vor-geschriebenen Reformen überwachen sollten. Aber 1914 wurden diese neutralen Gesandten, noch ehe sie überhaupt ihr Amt antreten konnten, aus der Türkei aus-gewiesen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich zwölf Jahre alt. Wir wohnten in Hazari, einem klei-nen Dorf mit fast ausschlieβlich armenischer Bevölkerung. Unsere Familie lebte seit Jahrzehnten in dieser gebirgigen Landschaft, zwischen den beiden Fluβarmen des Euphrats. Unsere Kreisstadt, in der wir zur Schule gingen, war Tchimichgad-zak. Die Leute in unserem Dorf unterhielten verhältnismäβig gute Beziehungen zu den kurdischen Stämmen aus dem hohen Dersim, welche regelmäβig aus ihren Bergen herunterkamen und der armenischen Bevölkerung Geld und Nahrungs-mittel abverlangten. Meine Eltern hatten sogar mit einer dieser kurdischen Fami­lien freundschaftliche Beziehungen angeknüpft. So kam es, dass mein kleiner Bru-der das Patenkind eines Kurden namens Hassan aus dem Dersim Gebirge wurde.

Ich erzähle hier die Ereignisse des Jahres 1915 wie ich sie persönlich erlebt habe und will berichten, wie ein Teil der armenischen Bewohner unserer Gegend von den Kurden aus dem Dersim gerettet wurde.

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DeR KRieg bRichT aus

An einem Sommertag des Jahres 1914 bin ich gerade dabei das Mittagessen den Landarbeitern zu bringen die unser Getreidefeld im Tal der Thagar mähen, als ich von weitem einen Mann kommen sehe der zwei groβe Maulesel mit leeren Kör-ben mit sich führt. Ich bin überrascht: Dieser Mann ist mein Groβonkel. Warum kommt er zu dieser Zeit aufs Feld? Ohne auf unsere Fragen zu antworten erklärt er uns, dass wir das geschnittene Getreide keineswegs auf dem Feld lassen dürfen. Die Landarbeiter laden also die Körbe der Maultiere bis obenhin voll und wortlos kehren wir alle ins Dorf zurück. Dort wird die Ernte sofort ungebündelt in unsere Scheune getragen und das Tor geschlossen. Erst am Abend, als alles sauber ver-staut ist, verkündet mein Onkel die schlimme Nachricht: Die Türkei hat sich auf der Seite des zentralen Machtblocks zum Krieg entschlossen.

Schon in den nächsten Tagen bringt der Kriegseintritt die allgemeine Mobilma-chung mit sich. Die armenische Jugend der Türkei erklärt sich zum Kriegsdienst bereit. Aber schon bald bemerkt man deutlich eine ungerechte Behandlung: es heiβt in der Bevölkerung, dass die jungen eingezogenen Armenier keine Waf-

Die Brücke auf der Thaghar, zwischen Tchimichgadzak und Hazari

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fen tragen dürfen. Die armenischen Männer, welche für den Kriegsdienst zu alt sind, werden zum Truppen­ und Warentransport verpflichtet und müssen ­ gleich Mauleseln ­ Nahrungsmittel, Geschirr und Munition auf ihrem Rücken auf die Schlachtfelder bringen, oft sehr weit von ihrem Wohnort entfernt. Andere werden zum Straβenbau eingesetzt. Alle armenischen Männer, junge wie alte, sind nach einigen Wochen weit im Land verstreut. Ihre Familien bekommen keine Nachricht mehr von ihnen.

ein schulbeginn voller spannung

Durch den Krieg beginnt das Schuljahr 1914 mit groβer Verspätung. Ich bin jetzt in der obersten und letzten Klasse unserer Distriktschule in Tchimichgadzak. Mein Abschlusszeugnis soll mir erlauben, in einer unserer Dorfschulen zu unterrichten. Die Wochen vergehen. Die Unruhe des Krieges lastet auf unserem Gemüt und die türkische Polizei wird immer arroganter, wenn sie uns auf dem Schulweg im Distrikt kontrolliert.

Der Frühling beginnt, bringt aber nicht wie sonst Hoffnung und Freude mit sich. Eines Morgens sehen wir durch das Fenster unserer Klasse, wie die Polizei die umliegenden armenischen Häuser nach Waffen durchsucht. Auf der Straβe wird geschossen. Wir erfahren später, dass an diesem Morgen in allen umliegenden ar-menischen Dörfern dieselben Durchsuchungen stattfanden. Einunddreiβig Perso-nen wurden festgenommen und eingesperrt.

Voller Sorge gehe ich am Nachmittag zum Gefängnis. Mein Vater ist gottlob nicht unter den Festgenommenen! Ich versuche in der Stadt Getränke, Brot und Tabak zu bekommen und bringe sie den Gefangenen. Der Gefängniswärter ver-abreicht mir ein paar ordentliche Ohrfeigen, denn ich spreche ihn in armenischer Sprache an.

Ich erfahre in den nächsten Tagen, dass mein Vater zur Zeit der allgemeinen Durchsuchungen im Dorf bei seinem Cousin war um ihn zu rasieren. Beide lieβen Pinsel, Napf und Handtuch stehen und flüchteten in den Wald.

Wie mein Vater sind auch andere Armenier unseres Dorfes der Polizei entkom-men und haben in den Bergen bei den nahe wohnenden kurdischen Familien Zu-flucht gefunden. Diese gewähren ihnen Obdach ohne zu zögern. Als die Kur-den erfahren wie viele Armenier in unserer Gegend in Haft genommen wurden, schicken sie Gesandte zur türkischen Polizeidirektion und fordern die sofortige

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Freilassung der Einwohner von Hazari an. Zwei Wochen später kommen wirklich unsere Nachbarn alle aus dem Gefängnis nach Hause.

Während dieser Tage leben wir alle in Angst und Sorge. Aber neue Gerüchte sind bald darauf im Umlauf, welche noch viel mehr Unruhe verursachen: Man spricht von zahllosen Armeniern die eingesperrt wurden: Lehrer, Priester, Leute aus dem Amtsbereich des Patriarchats von Konstantinopel, der Pfarrer unserer Gemeinde... Mein Schwager, ein Lehrer aus der Kreisstadt, ist auch festgenommen worden.

Zurück ins Dorf

Ohne nach irgendeiner Erlaubnis zu fragen verlasse ich die Schule und kehre in unser Dorf zurück. Zeyné, unser kurdisches Dienstmädchen und ihr Sohn Ali wohnen nicht mehr bei uns. Durch meinen Vater über die Ereignisse in der Um-gebung unterrichtet, haben sie es vorgezogen zu ihrer Familie ins Dersim Gebirge zurückzukehren, denn Ali, als jugendlicher 15­jähriger Kurde, könnte von heute auf morgen als Deserteur verhaftet werden.

Die Schüler und Lehrer der armenischen Schule in Yerets Akrag, 1914

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So bin ich also wieder zu Hause. Mein kleiner Bruder, Hassans Patenkind, kann schon ganz allein laufen. Mein Vater ist irgendwo im Dersim, bekomme ich gesagt, zur Beerdigung eines kurdischen Chefs. Dieser “Seïd”, ein bekannter Verteidiger der armenischen Bevölkerung hier in der Gegend, ist ermordet worden. Alle ver-dächtigen den türkischen Geheimdienst, dem der Beginn einer Zusammenarbeit von Kurden und Armeniern miβfällt. Unsere Nachbarn in Hazari sprechen viel und hoffnungsvoll davon,wie mutig die Kurden für unser Dorf eingeschritten sind. Viele fühlen sich jetzt in Sicherheit, fragen sich aber, ob dieses Gefühl nicht trügerisch ist. Was wird uns die Zukunft bringen?

Nicht viel Gutes; denn die Männer der anderen Dörfer sind nicht freigelassen worden, ebenso wie die armenischen Familienväter, die man in der Kreisstadt ver-haftet hatte. Der Mann meiner Schwester gehört auch dazu. Wie man hört, sind sie alle in einem groβen Lager in der Provinz von Kharpert eingeschlossen. Meine Mutter wartet ungeduldig auf die Rückkehr meines Vaters, denn sie will mit seiner Hilfe meine Schwester zu uns nach Hause holen. Das Dorf meines Schwagers erscheint ihr nicht mehr sicher.

Die Schüler und Lehrer der armenischen Schule in Hazari

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unTeR DeR “ObhuT” DeR TüRKischen LanDpOLiZei

Die türkische polizei zieht ein

Wie schon öfters in den vergangenen Jahren lässt sich ein Bataillon der türkischen Landpolizei, unter dem Vorwand uns gegen die kurdischen Plünderer zu schützen, in Hazari nieder. Aber die Polizei gibt sich lässig und sorglos: sind denn die Kurden aus den Bergen jetzt nicht mehr so gefährlich?

Mein Onkel, der kürzlich aus den Vereinigten Staaten zurückgekommen ist, wo er einige Jahre gearbeitet hatte, hat sich nicht zum Kriegsdienst gemeldet. Die An-wesenheit der Polizisten im Dorf bedeutet für ihn eine groβe Gefahr. Er darf sich nicht sehen lassen. Meine Groβmutter geht den ganzen Tag weinend und hände-ringend durch das Haus. Alle Bewohner des Dorfes, die Mütter, die Familienväter, leben in Angst. Aber es ist keine stille Angst, sondern die fieberhafte Unruhe, das Warten auf ein schreckenerregendes Ereignis, als fühlten sie eine Sprengbombe unter ihren Füβen... „Dann soll es eben geschehen und dann sind wir damit fertig!” ruft meine Groβmutter und läuft von einem Zimmer ins andere. Die Abwesenheit meines Vaters macht ihre Angst noch gröβer.

Ich versuche sie fortwährend zu beruhigen indem ich sie daran erinnere, dass mein Vater im Gebirge an einer Beerdigung teilnimmt und dort oben in Sicherheit ist. Sie weiβ natürlich nicht, dass mein Vater schon seit Tagen dabei ist, die promi-nenten kurdischen Bergbewohner zu besuchen, die an der Grenze unserer Dörfer wohnen, um sie um Hilfe und Beistand zu bitten. Manche zögern anscheinend uns zu unterstützen. So kommt es, dass ich meinen Vater erst im Juli wiedersehe, also nach den schrecklichen Tagen im Juni 1915.

ein nächtlicher besuch

Ich schlafe mit meiner Mutter, meinem kleinen Bruder und meinem Cousin in der Nacht vom 12. zum 13. Juni im ersten Stock unseres Hauses in unserem groβen Schlafzimmer das auf die Dorfstraβe geht. Kurz nach Mitternacht klopft jemand an die Haustür. Ich schrecke auf, laufe ans Fenster und rufe auf türkisch: „Wer ist da?“ In dem Moment kommt meine Mutter von hinten an mich heran, zieht mich zurück und schlieβt das Fenster. Ärgerlich, aber auch ängstlich, flüstert sie mir zu, ich solle mich schnell anziehen und sofort zu meinem Onkel in das Versteck hinten in der Küche gehen. „Durch den Schlupf“, sagt sie mir. Sie hebt meinen Cousin,

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der laut weint, aus seinem Bett und legt ihn in mein Bett. Ohne eine Minute zu verlieren, versteckt sie meine Schuhe, Kleidungsstücke und Bücher. Das Klopfen an der Tür wird immer heftiger und lauter. Meine Mutter hat gerade noch Zeit sich einen Mantel überzuziehen, als die Haustür nachgibt und drei unbekannte Männer die Treppe heraufstürmen. Meine Mutter nimmt meinen Bruder Vartkès auf den Arm und geht ihnen entgegen.

„Wo ist der Junge, der uns am Fenster auf türkisch angesprochen hat?“

„Welcher Junge denn?“ erwidert meine Mutter. „Sie irren sich! Es war der Kleine der dort im Bett liegt.“ Und sie zeigt auf meinen Cousin.

Höhnisch lachend schlagen die Eindringlinge auf sie ein, aber meine Mutter lässt sich nicht beeindrucken. Nur Vartkès weint laut.

In unserem Versteck hören wir die klagenden Schreie meines Bruders. Die Tür-ken reiβen ihn aus den Armen meiner Mutter: er fällt auf den Boden, genau vor die Füβe meiner Groβmutter, die gerade ins Zimmer kommt. Der Lärm hat auch sie aus dem Schlaf geweckt.

Die „Polizisten“ führen meine Mutter ab, bringen sie zum Schulhaus, das jetzt als Gefängnis benützt wird. Dort wird sie einem jungen Aufseher übergeben. Glückli-cherweise kennt dieser meinen Vater. Er erklärt den anderen, dass der Mann dieser Frau, also das Familienoberhaupt, auf Reisen ist und dass diese Frau mit drei klei-nen Kindern allein ist. Er versichert, dass er meine Mutter genau überwachen wird. Sobald die Polizisten abgezogen sind, gibt der junge Aufseher meine Mutter frei.

Die Landpolizei verlässt das Dorf

Am frühen Morgen tritt das Polizeibataillon in Eile den Rücktritt an. Sie nehmen die gestern verhafteten Armenier mit: ungefähr fünfzig Frauen mit Kindern und auch ein paar alte Leute. Wir vermuten, dass die türkische Polizei nicht mit den Kurden zusammenstoβen will, die sicher bald im Dorf erscheinen werden um die leer gewordenen Häuser zu plündern. Denn so ist es: rundherum um das Dersim-gebirge gibt es ein 15 Kilometer breites fruchtbares Land, bewohnt von armeni-schen Bauern, Handwerkern, Kaufleuten usw. Deren Häuser sind für die Kurden ein beliebtes Ziel für ihre Plünderaktionen. Wie wir aber später erkennen werden, wird diese Situation sich zum Vorteil jener armenischen Flüchtlinge entwickeln denen es gelingt bis in die kurdischen Berge zu fliehen.

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Zwei Tage nach dem „Besuch“ der Landpolizei bin ich weiterhin in dem kleinen Versteck hinten in unserer Wohnung. Ich liege sinnend und tatenlos auf dem Bo-den, mein Kopf gegen die Schulter meines Onkels gestützt. In Gedanken höre ich immer noch die Schreie meines Bruders.

Kurz nach Mitternacht klopft jemand an die Hauswand und befiehlt uns, so schnell wie möglich herauszukommen. Wir kriechen nach drauβen und sind er-staunt: auf dem Weg hinter dem Haus ist es still und ruhig. Jetzt ist also der richtige Moment, das Dorf zu verlassen und in die nahen Wälder zu flüchten. Im Wald von Anzout treffen wir viele unserer Dorfbewohner die hier schon versammelt sind und die, wie wir auch, die Nacht dort verbringen wollen.

Bei Sonnenaufgang werden ein anderer Junge und ich an den Waldrand geschickt um zu beobachten, was im Dorf vor sich geht. Mein Onkel folgt uns mit seinem Revolver.

Von weitem scheint alles ruhig in Hazari. Wir schleichen uns so nahe wie möglich an die Gärten und klettern schlieβlich auf einen riesigen Walnuβbaum, um einen besseren Ausblick zu haben. Da sehen wir auf der Seite am Rand des Dorfes eine lange Reihe schattenhafter Gestalten, die in unsere Richtung kommen. Man hört Schreie die immer lauter werden, je näher diese Schatten auf uns zukommen. Jetzt verstehe ich: das sind sicher die letzten Bewohner unseres Dorfes, die vor den kur-dischen Plünderern flüchten. Unter ihnen erkenne ich plötzlich meine Groβmutter die auf mich zukommt. Mit letzter Kraft wirft sie mir meinen zweijährigen Bruder in die Arme und fällt dann ohnmächtig auf den Feldweg. Wir tragen sie mit uns fort.

haZaRi WiRD ausgeRaubT

Die plünderer sind am Werk

Das systematische Ausräumen unserer Häuser hat begonnen, wie wir sehen. Die Kurden nehmen sich Zeit für den „talan“, wie man auf armenisch sagt. Sie sind in aller Ruhe mit dem Aussuchen und Einpacken beschäftigt: die türkische Land-polizei ist fort mit ihren armenischen Gefangenen, also keine Eile! Die Plünderer „verhören“ auf recht brutale Weise die Frauen, Mädchen und jungen Leute, um herauszubekommen, wo sie ihr Geld und ihren Schmuck versteckt haben. Alle die

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sich wehren bekommen Schläge und Fuβtritte und werden durch das ganze Dorf verfolgt.

Meine Mutter hat beschlossen, im Haus zu bleiben, denn sie hofft seit dem frü-hen Morgen, dass unsere kurdischen Freunde kommen. Sie wartet insbesondere auf Hassan, den Paten meines Bruders. Hat er nicht schon mehrmals geschworen, uns im Notfall zu helfen? Sie geht also ruhig durchs Haus, stört keineswegs die Plünderer, tut sogar als ob sie gern alles hergibt. Sie hat keine Angst vor den Kur-den, unser ganzes Vermögen ist in ihren Gürtel eingenäht.

Das nachbardorf kommt auch zum plündern

Unterdessen begleiten wir die flüchtenden Dorfbewohner durch den Wald bis wir endlich zu einer groβen Lichtung gelangen. Alle lassen sich müde und erschöpft auf den Boden fallen, man hört lautes Schluchzen und Klagen. Plötzlich kommt vom Berghang gegenüber eine Horde von Reitern wie eine Lawine auf uns zu. Das sind die Bewohner von Chavagh, einem Dorf im Norden von Hazari. Sie sehen aus wie Türken, aber wir wissen, dass es Nachkommen von Armeniern sind, die sich vor zweihundert Jahren zum Islam bekehrten.Wir kennen sie gut, denn sie kommen regelmäβig in unser Dorf und verkaufen uns Joghurt, Käse, Teppiche und Decken.

Ich kenne einen von ihnen besonders gut, einen groβen alten Mann mit Bart, wie ein Patriarch gekleidet: dieser Mann ist schon öfters in unser Haus gekommen, wo ich ihm immer eine Tasse Kaffee und ein Glas frisches Wasser angeboten habe, wie es bei uns Brauch ist. Ich hatte ihn Abraham genannt. Ich erinnere mich, dass er mir liebevoll über den Rücken strich, wenn ich seinen langen majestätischen Bart bewunderte und scheu berührte. Ja, ich bin ganz sicher, dies ist Kheder Agha, den ich da unter den Eindringlingen erkenne.

Die Horde stürzt sich auf die Frauen und Mädchen und fängt an sie zu schütteln und zu kneifen, um zu erfahren, wo sie ihren Schmuck versteckt haben. Alle laufen erschrocken und laut schreiend hin und her, ihre Kinder weinend auf ihren Fer-sen. Meine Grossmutter liegt verstört auf dem Boden, mein Bruder und ich sitzen neben ihr. In dem schrecklichen Gewühl und Tumult um uns herum erkenne ich plötzlich „Abraham”, ganz in unserer Nähe.

„Ana! Schau mal, da ist Kheder Agha! Siehst du ihn?” Meine Grossmutter rich-tet sich mit einem Ruck auf, schaut sich um und schreitet dann entschlossen dem groβen bärtigen Mann entgegen. Vor ihm angekommen, zieht sie heftig an seinem

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Ärmel : „Du solltest dich schämen, Kheder Agha! Du hast doch selbst eine Mutter, einen Vater und Frau und Kinder, oder nicht? Bist du eine Teufelsgestalt und kein menschliches Wesen wie ich glaubte? Sei verflucht! Sei verflucht!”

Ganz verwundert schaut Kheder Agha auf die kleine alte Frau, die vor ihm so laut schimpft. Er scheint zu zögern. Steht bewegungslos da und überlegt. Plötzlich hebt er seinen langen Stock in die Höhe, lässt ihn über seinem Kopf hin und her kreisen und ruft seinen Genossen zu: „Kommt alle zurück, ihr alten Säufer! Wir gehen lieber nach Hause!“ Er steigt auf seinen Maulesel und reitet fort in Richtung der Berge. Die anderen folgen ihm ohne ein Wort.

Es scheint wirklich, dass an diesem Tag die Bewohner von Chavagh auf den „talan“ verzichtet haben. Natürlich nicht für immer. Da gab es noch viele andere Dörfer zu plündern.

Ich gehe zu meiner Groβmutter und küsse und umarme sie. Die anderen Frauen und Mütter kommen näher und sagen ihren Kindern, dass sie Groβmutters Kleid küssen dürfen. Ich bin ganz gerührt, traurig aber auch glücklich, und wirklich stolz auf meine „Ana“. Dieser Tag wird für immer unauslöschlich in meinem Gedächt-nis bleiben.

Die einzige Lösung: die Flucht

Und was nun? Wo sollen wir jetzt hin? Die Kinder haben Hunger, wir müssen etwas zum Essen finden. Der leere Magen treibt uns also wieder ins Dorf zurück. Wir sagen uns, dass die Plünderer die Scheunen sicher noch nicht völlig geleert haben, denn sie suchen immer zuerst nach Schmuck und Geld.

Auf dem Dorfplatz beraten sich die Männer und Familienväter: es wird ausge-macht, dass wir alle unser Dorf verlassen. Jede Familie soll ihren kurdischen Plün-derern folgen, die jetzt mit ihrer Beute aus den Häusern kommen und in die Berge zurückeilen. Wir müssen schnell machen, solange noch Zeit ist, solange die Türken aus unserer Umgebung noch meinen, das Dorf sei voller kampflustiger Kurden.

Meine Groβmutter ist während dieser Zeit mit meinem Bruder, unseren Cousins und ungefähr zwanzig anderen Nachbarn im Wald geblieben. Als sie erfährt, dass wir alle in die Berge flüchten müssen, weigert sie sich mitzukommen, denn sie kennt ihr schwaches Herz und ihre wunden Füβe. Sie befiehlt mir, mit meinem Onkel und den anderen Männern in die Berge abzuwandern, aber meiner Mutter vorher Bescheid zu geben. Sie ist ruhig und beherrscht und versichert mir „dass

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es jetzt hier im Wald nicht mehr gefährlich ist.“ Sie ist überzeugt, dass Hassan, der Pate meines Bruders, kommen wird um uns zu helfen.

Dieser Plan gefällt mir ungemein: oh! wie gern würde ich mit den anderen Män-nern in die Berge ziehen! Der Optimismus meiner Groβmutter ist ansteckend: ja, ich gehe auch in die Berge!

Im Dorf beginnen schon die Männer, manche mit Frau und kleinen Kindern, loszuziehen; alle bemühen sich in die tiefe Schlucht im Nordosten von Hazari hinunterzuklettern wo tief unten ein eiskalter Bergbach dröhnend rauscht. Dieser muβ überquert werden.

Welch ein schwieriges und sogar gefährliches Unterfangen! Denn so eine zahl-reiche Menschengruppe können die türkischen Soldaten leicht entdecken. Nach längerem Beraten entscheiden mein Onkel und ein Cousin, dass nur die gesunden und kräftigen Dorfbewohner mit gutem Schuhwerk losziehen dürfen. Mein Onkel versichert den anderen, dass er diese erste Gruppe im Dersimgebirge „abliefern“ und sofort zurückkommen werde, um alle übrigen in Sicherheit zu bringen. Als meine junge Tante mit ihrem Baby im Arm diese Entscheidung hört, rollen dicke Tränen über ihre Wangen. Sie willigt aber bald darauf ein, mit den anderen zurück-zubleiben: wenn alles gut geht, dürfte dieses ganze schwierige Unternehmen nicht länger als fünf Stunden dauern.

Wir ziehen also los. Nach einem langen ermüdenden Marsch durch Wälder, Fel-senschluchten und Bäche machen wir mitten in der Nacht halt. Wo sind wir jetzt? Ohne meine Frage hörbar auszusprechen setze ich mich an den Wegrand und schlafe sofort ein.

auF Den LanDWegen

ein kurzer aufenthalt

Als ich aufwache sagen mir die anderen, dass wir in Akrag sind, einem kurdi-schen Dorf in den Bergen. Mein Onkel ist verschwunden, sicher um sich um die anderen Dorfbewohner zu kümmern, wie es ausgemacht war. Um mich herum, auf der Straβe und auf den Dächern der Häuser, sehe ich unzählige Flüchtlinge

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mit sorgenvoller Miene. Wie wir mussten auch sie ihre Wohnstätten so schnell wie möglich verlassen.

Das Dorf Akrag ist von kurdischen wie auch einigen armenischen Bauern be-wohnt. Es hat seinen armenischen Namen behalten, der „Bauernhof“ bedeutet. Das Dorf und seine Umgebung gehören dem kurdischen Gutsherrn Diab Agha. Hier leben fünf armenische und zehn kurdische Familien, sie alle unterstehen Diab Agha. Die Bauernhöfe und die umgebenden Felder liegen auf einer recht frucht-baren Gebirgsebene.

In Akrag herrscht groβe Aufregung. Man sagt, dass die Türken uns verfolgt ha-ben und sicher bald ins Dorf kommen, um uns zu verhaften. Diab Agha wird uns nicht helfen können, denn alle seine starken Männer sind unten im Land zum Plündern. Wir müssen also noch weiter nach oben ziehen.

Mein kleiner Cousin Bedros, der wie ich auch unseren Onkel vermisst, reiβt an meinem Ärmel. Er fleht mich an, ich solle schnell machen, „wir müssen aus dem Dorf flüchten, schnell!“

Ich habe keine Angst, aber seit ein paar Tagen sind meine Gedanken nicht mehr klar. Ich verstehe nicht genau, was plötzlich um uns herum geschieht und vor allen Dingen frage ich mich, was wir jetzt eigentlich machen sollen. Und was soll dieser Tumult, dieses Geschrei im Dorf?

Wir folgen also den anderen, die Akrag verlassen. Das Dorf leert sich zusehends. Ein paar Kurden drängen uns, wie eine Schafherde, mit angstvoller Miene von der Dorfstraβe. Ich frage einen von ihnen, wo es nach Bosan geht. „Immer gerade-aus!“ erwidert er mir mürrisch.

Allein auf den Straβen

Vor uns sehen wir einen Abhang, der bis zum Fluβ im Tal hinuntergeht. Die Straβe nach Bosan ist gut sichtbar, sie scheint ganz leer. In ihrer Hast, den Türken zu entkommen, sind die flüchtenden Armenier den Hang hinuntergestürmt und versuchen jetzt unten im Tal den Fluβ zu überqueren. Bedros zieht an meiner Hand: er will auch, wie die anderen, nach unten zum Fluβ. Ich aber zögere. Wohin kommen wir denn da unten? Diese Gegend dort ist mir völlig fremd. Bedros wird bald Hunger haben, wir beide frieren schon: warum sollen wir ins Unbekannte laufen?

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„Hör mal, Bedros“ sage ich ihm. „Wir wollen lieber auf dieser Straβe bleiben. Wir können hier schnell vorwärts kommen und niemand wird uns etwas tun, das ver-spreche ich dir. Wir gehen einfach zum Schirmherrn unserer Groβmutter, Hussein Agha.“

„Was ist denn ein Schirmherr, Vazken?“

„Du weisst doch, dass wir mit der Familie von Diab Agha Freundschaft geschlos-sen haben. Sein Sohn Hassan ist sogar der Pate von Vartkès. Das sind wirklich richtige Freunde. Mein Vater und Hassan gehen zusammen auf die Jagd, wir be-suchen uns... Aber es gibt noch andere Aghas, andere Chefs, denen wir schon seit Jahren Tribut zahlen in Form von Getreide, Milch, Fleisch, usw. Dafür haben sie versprochen, uns in der Not zu helfen. Hussein Agha ist der Schirmherr unserer Groβmutter, verstehst du?“

Bedros nickt freudig und sagt mir, dass er groβen Hunger hat.

„Hab keine Angst, bald sind wir in Bosan, und dort werden wir einen feinen Tan1 zu trinken bekommen.“

Aber ein paar Kilometer später ist der Frohsinn des Kleinen verschwunden: „Wa-rum hat uns denn unser Onkel allein gelassen?“ Er schluchzt. „Du lässt mich doch nicht allein, nicht wahr, Vazken? Heute Nacht will ich neben dir schlafen!“

eine unerwartete begegnung

Weit vorn auf der Landstraβe, in einer Kurve, sehen wir jemanden, der in dieselbe Richtung geht wie wir. Bedros und ich halten an, bleiben stehen und überlegen. Eine Frau oder ein Mann? Wir neigen beide dazu, dass es eine Frau sein kann. Sie trägt einen dicken Stock auf der Schulter an dem so etwas wie ein Bündel hängt. Was sollen wir machen? Wir sammeln Steine aus dem Straβengraben, stecken uns die Taschen voll und marschieren weiter. Ja, es ist eine Frau… und niemand anders ist auf dieser Straβe zu sehen, weder vor noch hinter uns. Niemand verfolgt uns also!

Ich beruhige meinen kleinen Cousin: „Hör mal, Bedros, es ist eine Schande, vor einer Frau Angst zu haben. Wir werden sie ansprechen und fragen, ob Bosan noch weit ist. Und wenn sie bewaffnet ist, na, dann sind wir zwei doch stärker als sie, glaubst du nicht?“

1 Tan: flüssiger Joghurt

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Die Frau hat uns auch wahrgenommen. Immer mal hält sie an, schaut sich nach uns um und geht dann ganz schnell wieder weiter. Wir gehen auch zügig, sind schon auf hundert Meter an sie herangekommen. Jetzt sogar auf fünfzig Meter... Da dreht sich die Frau wieder um. Plötzlich lässt sie Stock und Bündel fallen, brei-tet beide Arme weit aus und ruft unsere Namen...

Es ist unglaublich, aber wahr! Vor uns auf der Straβe steht Zeyné, unser kurdi-sches Hausmädchen, unsere Betreuerin, die vor ein paar Monaten Hazari verlassen hatte um zu ihrer Familie in die Berge zu flüchten. Wir umarmen sie lachend und weinend zugleich. “Jetzt sind wir gerettet”! schluchzt Bedros.

Wir setzen uns an den Straβenrand... Ein Wunder ist geschehen!

„Zeyné, du bist unsere gute Fee... Erinnerst du dich noch an die Märchen und Geschichten, die unsere Mutter uns früher erzählt hat?“

„Aber natürlich mein Kleiner! Wir versammelten uns immer in deinem Zimmer um deiner Mutter zuzuhören. Wir waren oft zehn bis zwölf: deine Schwester, alle deine Cousins, Bedros und mein Ali, der sofort am Ende der Geschichte Butter-brot mit Honig an uns verteilte.“

„Und ich versteckte immer mein Gesicht an deiner Schulter, damit niemand sah, dass ich weinte, wenn die Geschichte zu traurig war. Ach, haben die Butterbrote vom Ali gut geschmeckt! Ich würde jetzt gerne eins essen!“

„Nun, dann wollen wir uns beeilen zu mir nach Hause zu kommen“, sagt unsere Fee Zeyné. „Ich wohne nicht weit von hier... und ihr seid sicher sehr hungrig!“

Wir nähern uns Bosan.

Hussein Aghas groβer Schäferhund kommt bellend auf uns zu, umgeben von einer kläffenden Schar kleiner Hunde, seinem „Orchester“. (So nennen wir die lärmende Meute kleiner Hunde, die immer den groβen Schäferhund, ihren „Chef“, begleitet.) Zeynés Haus besteht aus einem einzigen groβen Raum, der in zwei Hälf-ten aufgeteilt ist: links für die drei Ziegen und die Kuh, rechts für die Menschen. Wir treten ein. Ja, ich erinnere mich, mein Vater hatte Zeyné und ihrem Mann geholfen, dieses Haus zu bauen. Ali ist nicht da. Er ist sicher unten im Tal zum Plündern. Der arme Ali! Er hat nicht einmal einen richtigen Schubkarren für seine eventuelle Beute; was kann er schon auf seinem Rücken von weit her nach Hause tragen? Nicht viel...

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Vor dem Haus bereitet Zeyné unsere Mahlzeit. Völlig ausgehungert fallen wir über unsere Schüssel Getreide her, die noch dampft. Es schmeckt wunderbar! Oh ja, Zeyné weiβ genau was wir gerne essen!

Nach dem Essen zeigt uns Zeyné wo wir schlafen: ich bekomme Alis Bett und Bedros schläft mit Zeyné in ihrem Bett. Völlig erschöpft setze ich mich auf meine Schlafstelle und falle sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf... Jetzt habe ich keine Angst mehr... eine gute Fee wacht über uns...

Am nächsten Morgen nehmen wir von Zeyné Abschied. Ich erzähle ihr, dass Bedros und ich unseren Schirmherrn Hussein Agha aufsuchen wollen, den wir gut kennen und der oft in unser Haus gekommen ist. „Weiβt du, Zeyné, dass er einer der Chefs vom Hodja Ouchaghie Stamm ist?“

„Wenn ihr wirklich nicht bei mir bleiben wollt, dann würde ich euch raten, lieber zu Mehmed Agha nach Keuzerak zu gehen“, sagt Zeyné lächelnd. Dein Vater und Mehmed sind sehr gute Freunde, sie haben sogar Bruderschaft geschlossen indem sie ihr Blut gemischt haben. Das weiβ ich genau. Und Mehmeds Frau ist sehr lieb, ein Engel!“

Zeyné hat lange in unserer Familie gelebt und kennt daher alle Bekannten und Freunde meines Vaters.

Zu gast bei Mehmed agha

Eine Nachbarin begleitet uns also bis zum Dorf Keuzerak, welches hinter einer Hügelkette, ein paar Kilometer entfernt von Bosan, in einer wunderschönen Ge-gend liegt. Mehmed Agha ist leider nicht zu Hause. Die Nachbarin stellt uns vor und erklärt wer wir sind. Kaum hat sie aufgehört zu sprechen, kommen die Kinder der Familie und ihre Mutter auf uns zu, umarmen und begrüβen uns als wären wir Angehörige dieser Familie. Wir werden gestreichelt, geküsst und ausgefragt nach unseren Eltern, unseren Groβeltern... Bedros ist beeindruckt und schaut mich fortwährend an: „Wie kommt es, dass sie uns so gut kennen?“

Wir bleiben einen langen Monat bei Mehmed Agha, werden beschützt und ge-nährt wie richtige Familienmitglieder. Ich komme Monate später noch ein paarmal durch Keuzerak und jedesmal werde ich wie der beste Freund der Familie aufge-nommen.

Während wir in Keuzerak sind, geschehen allerdings ein paar für uns Kinder erschreckende Ereignisse.

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Eines Tages, zum Beispiel, verkündet das laute Bellen der Hunde das Nahen von fremden Männern. Wir sehen sie von weitem herankommen: es sind bewaff-nete Türken auf Pferden. Mit einem Gewehr in der Hand steigt die Khatoun (so nennt man in reichen Familien die Hausfrau) hinaus auf den Balkon und gibt drei Schüsse ab und danach nochmals drei. Bedros und ich hocken auf dem Boden, hinter ihrem Rücken versteckt und beobachten, was vor sich geht. Die Hunde des Bauernhofs umkreisen knurrend und bellend die Ankömmlinge, welche innehal-ten und hintereinander stehen bleiben. Aus unserem Hof kommt ein alter Mann, geht ihnen entgegen und bleibt unter einem Baum stehen. Er hebt die Hand und ruft: „In diesem Chenlik2 braucht ihr nicht zu suchen, hier sind nur Frauen und Kinder!“

Man sieht sofort, dass dies Türken sind die nach armenischen Flüchtlingen su-chen. Sie zügeln ihre Pferde, die jetzt still stehen, umgeben von der Schar unserer Hunde. Letztere bellen nicht mehr, aber knurren drohend. Bedros kauert zitternd hinter mir.

Im Dersimgebirge ist es schwierig eine Entfernung abzuschätzen oder die Dauer eines Ereignisses. Man weiβ auch nie, wer plötzlich hinter einem Hügel hervor-kommen kann, ob Mensch oder Tier... Bedros und ich beobachten die Szene, ver-stehen aber nicht genau, was vor sich geht. Hinter uns kommt der älteste Sohn des Hauses auf den Balkon: „Metercé! Metercé ! Keine Angst!“ flüstert er uns zu und geht dann nach unten den Türken entgegen.

Wir versuchen nicht zu zittern und nur ganz leise zu atmen. Niemand soll uns hö-ren! Plötzlich sehen wir unter uns auf dem Weg einen schwarz gekleideten Reiter auf einem weiβen Pferd. Kein Zweifel, das ist der Seïd aus Keuzerak! Sicher haben ihn die Schüsse der Khatoun aufmerksam gemacht. Der fromme Mann galoppiert jetzt in Richtung der Türken um sie zu begrüβen. Nach einem längeren Palaver schickt er den Sohn des Hauses zur Khatoun um ihr zu sagen, dass die türkischen Reiter heute ganz zufällig am Dorf vorbeikamen und gerne einen kleinen Imbiβ akzeptieren würden.

Nach dem Imbiβ im Schatten eines groβen Baumes machen sich die Türken lang-sam wieder auf den Weg. Welch eine Erleichterung! Eine Nachbarin, welche gut türkisch spricht, erklärt uns, was eigentlich da unten geschehen ist. Auch sie ver-wendet das Zauberwort „Metercé! Metercé!“

2 Chenlik: kurdische Residenz oder Festung

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Unser „Onkel“ Mehmed kommt am nächsten Tag nach Hause. Er nimmt mein Gesicht in seine beiden Hände, klopft mir auf die Wangen und versichert mir, dass er sich wirklich freut, Bedros und mich in seinem Haus zu sehen. Er bringt uns auch eine gute Nachricht: mein Vater ist nach einigen gefahrvollen Tagen jetzt bei Beco Agha, Mehmeds Bruder, einquartiert.

Mehmed erzählt uns, wie die Ankunft meines Vaters bei Beco vor sich ging:

„An dem Tag war viel Jandarma im Hof bei Beco. Sie suchten nach armeni-schen Flüchtlingen und wollten nicht von der Stelle weichen. In dem Moment, als dein Vater in der Nähe der Pferdeställe ankommt, geht die Khatoun gerade nach drauβen an ihre Kochstelle, um den Türken eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Sie erkennt deinen Vater neben der Stalltür. Ganz erschrocken läuft sie auf ihn zu, ergreift ihn an seinem Mantel, schiebt ihn in den Pferdestall und verriegelt die Tür. Das alles ohne jede Erklärung, dazu war keine Zeit! Ich glaube, Vazken, dein Vater hat nicht gleich verstanden was los war... Im ersten Augenblick hat er sicher gedacht er wäre nicht mehr bei uns willkommen! Was meinst du dazu?“

Mehmed sagt mir auch, dass er durch Akrag gekommen ist und dort meine Mut-ter und ihre Angehörigen in Sicherheit bei unserem Paten Hassan angetroffen hat.

„Aber du Vazken und dein kleiner Cousin, ihr könnt bei uns bleiben, solange es euch hier gefällt!“

unseRe FaMiLie isT WieDeR VeReinigT

Zusammen in akrag

Wenige Wochen später wandern auch Bedros und ich nach Akrag weiter. Als wir durch Bosan kommen ist alles still und leer. Zeyné und Ali sind nicht da, Hussein Agha auch nicht. Seine Frau, die Khatoun, schenkt jedem von uns einen kleinen Sack mit fünf Kilo Getreide, die wir unserer Grossmutter übergeben sollen. „Sagt Sarah Khatoun, dass es mir wehtut zu hören wieviel Schlimmes sie ertragen muss!“ Eine kurdische Frau, die so gut armenisch spricht? Bedros ist wieder ganz erstaunt: „Sag mal, Vazken, woher kennst du denn all diese Leute?“

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Die Hochebene zwischen Bosan und Akrag ist völlig leer. Wir kommen an eini-gen Wohnstätten vorbei, die um ein riesiges Zelt gruppiert sind. Letzteres gehört dem Agha Idara, einem Freund von Diab Agha.

Nun sind wir also in Akrag. Das Dorf ist wieder voller Flüchtlinge, aber es sind nicht mehr dieselben wie vor einem Monat. Ich fange an, nach meinen Eltern zu forschen... Auf dem Dorfplatz ratet mir jemand auf die Dächer der Häuser hinter dem Brunnen zu steigen. Es stimmt! Von dort oben erkenne ich meine Eltern inmitten einer groβen Menschenmenge.

Mein Vater umarmt uns, als wäre unsere Ankunft kein besonderes Ereignis. Er hatte schon vor einigen Tagen erfahren, dass wir in Keuzerak in Sicherheit waren und sich seitdem keine Sorgen mehr gemacht. Er bringt uns in eine groβe Scheune, die bis letzte Woche der Pferdestall von Akrag war und jetzt uns Flüchlingen als Unterkunft dienen soll. Dort angekommen erblicke ich, oh Freude, meine Schwes-ter! Ich stürze auf sie zu, umarme sie... Welch ein Wunder, sie lebendig vor mir zu sehen! Mitten im Stall, an einen groβen Kamin gelehnt, sehen wir noch jemand, den wir gut kennen: den Groβvater meines kleinen Cousins. Er verbirgt sein Ge-sicht, will uns nicht anschauen, nicht begrüβen... die Mutter von Bedros, seine Schwester und Brüder sind alle deportiert worden.

Mein Cousin dreht sich nach mir um, Tränen strömen über sein Gesicht. Ich ver-suche ihn zu trösten, setze ihn auf meinen Schoβ, er soll sich ruhig ausweinen, der arme Junge! „Das ist deine Schuld, Vazken“, schluchzt er. „Warum sind wir denn aus Keuzerak weggegangen?“

Seit diesem Augenblick, und bis zu seinem Tode dreiβig Jahre später in Paris wird sich Bedros nie von mir und meiner Familie trennen wollen.

Rettungsberichte

Ich habe also meine Familie wieder gefunden und fange sofort an, alle Anwesen-den über die letzten Wochen auszufragen. Erstaunliche und unerwartete Ereignis-se werden mir berichtet:

In der Nacht vom 16. zum 17. Juni, als ich selbst erschöpft in Akrag am Wegrand einschlafe, beobachtet unser Pate Hassan Agha besorgt, wie hunderte von armeni-schen Flüchtlingen durch das Dorf ziehen. Er steigt auf sein Pferd, ruft zwei von seinen Knechten, die sofort ihre Maultiere satteln und ihm nach Hazari folgen. Die drei Männer sind bewaffnet.

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Hazari ist unerkenntlich. Im Dorf wimmelt es von kurdischen Plünderern; letzte-re kümmern sich um nichts anderes als alle Häuser vom Keller bis zum Dach nach Kostbarkeiten zu durchsuchen. Meine Mutter ist weiterhin in unserem Haus; sie geht ruhelos hin und her, schaut aus dem Fenster, schaut durch die offene Tür... Wird der Pate nun bald kommen? Endlich sieht sie Hassan nahen! Sie läuft aus dem Haus, stürzt ihm entgegen und ruft laut: „Kirva! Kirva!3 Wir warten auf dich!“

„Wo sind die anderen von deiner Familie?“ fragt Hasssan. „Wir müssen sie so schnell wie möglich finden! Beeile dich!“ In diesem Moment sieht meine Mutter die zwei bewaffneten Knechte auf ihren Maultieren:

„Aber Kirva!... unser Haus ist doch schon von oben bis unten geplündert! Es ist nichts mehr übrig was irgendeinen Wert hat!“

Hassan lacht laut auf: „Ach, du dachtest wohl wir kommen zum Talan? Nein, geh schnell, hole deine Angehörigen, damit wir sofort wieder in die Berge zurückkom-men!“

Es dauert trotzdem über eine Stunde, ehe alle Familienmitglieder beisammen sind. Meine Mutter findet sogar auf einer Straβe meine Tante, die sich am Vor-abend entschlossen hatte, allein in das Dersimgebirge zu wandern.

Als wir gerade Hazari verlassen wollen, nähern sich mehrere Nachbarn und fle-hen Hassan an, sie auch zu den Kurden ins Gebirge mitzunehmen.

„Na, ich hoffe wir begegnen keinen Raubmördern!“ sagt Hassan nur, und sie zie-hen alle zusammen los. Glücklicherweise treffen sie nur Plünderer, die bei Ansicht der bewaffneten Reiter das Weite suchen.

Auf halbem Weg stöβt meine Mutter plötzlich einen Schrei aus: „Aber wie kom-men wir zu meiner Tochter? Sie ist auch in Gefahr!“

„Beruhige dich, Khatoun“, sagt Hassan ganz ernst, als hätte er die Reaktion mei-ner Mutter erwartet. „Deine Tochter wird eher als wir bei uns in Akrag sein!“ Aber die Angst und Unruhe meiner Mutter weicht erst, als sie endlich am Abend Akrag erreicht.

Die für meine Schwester ausgedachte Rettungsaktion erschien am Anfang fast undurchführbar. Wie schon beschrieben, wohnten meine Schwester und die Fa-milie ihres Mannes in einem weit entfernten Dorf jenseits von unserem Distrikt. Mein Schwager, von Beruf Lehrer, war verhaftet worden und das Dorf, Yerets

3 Kirva: Pate und Patenkind

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Akrag, lag mitten in einer türkisch besetzten Zone. Die Kurden aus den Bergen scheuten sich in diese Gegend zu kommen.

Unser Pate Hassan hatte sich ausgedacht seinen Bruder, den schönen Veli, in das Haus meines Schwagers zu schicken um meine Schwester herauszuholen. Veli soll-te zusammen mit zwei anderen Kurden nach Yeretz Akrag reiten. Die drei Männer wären bewaffnet, ihre Pferde gute und schnelle Reittiere.

„Aber wenn Vartanouche nicht mehr im Dorf ist, wenn die Türken sie schon deportiert haben, was dann?“

„In diesem Fall folgt ihr der Gefangenenkarawane und verhandelt mit der türki-schen Polizei, euch die Frau gegen eine bestimmt Summe Geld zu überlassen! Und fangt nicht etwa an zu schieβen!“

Veli und seine Männer haben Glück: meine Schwester und ihre Schwiegereltern haben sich in ihrem Haus verbarrikadiert und sind unversehrt. Alle ziehen zusam-men los durch die von Türken wimmelnde Gegend. An der ersten Straβenkreu-zung werden sie von der Landpolizei angehalten.

„Das ist meine Braut!“ ruft Veli fröhlich lachend und zeigt auf Vartanouche. „Ich habe sie gerade entführt! Jetzt geht’s zu mir in die Berge, wo ich sie heirate!“

„Und die anderen, da, hinter euch?“

„Die sind alle zur Hochzeit eingeladen! Die können bei mir übernachten!“

Noch zweimal gelingt dieses Manöver. Vartanouche und ihre Schwiegereltern kommen schlieβlich unversehrt in Akrag an.

Die Erlebnisse meines Vaters erinnern ebenfalls an einen Roman. Wie Mehmed Agha mir schon erzählt hatte, ist mein Vater im Pferdestall von Beco Agha einge-schlossen, während die Khatoun der türkischen Landpolizei im Hof tüchtig Raki einschenkt.

Zu dieser Zeit verstecken sich mehrere andere armenische Familien bei Beco Agha, unter anderem eine Familie aus Hazari. Letztere berichtet meinem Vater, was in den letzten Tage alles passierte. Unsere Nachbarn erzählen ihm auch, dass meine Mutter und ihre Angehörigen von Hassan Agha gerettet wurden.

Nachdem die Landpolizei abgerückt ist, entschlieβt sich mein Vater, wieder in Richtung Akrag weiterzuwandern. Beco versucht, ihn davon abzuhalten. „Du kannst doch noch ein paar Tage bei uns bleiben, Alexan! Meine Söhne und zwei oder drei Bauern von mir werden dich begleiten, sowie sie vom Talan wieder zu-

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rückkommen !“ Aber mein Vater weiβ genau, wie lebenswichtig die jährliche Beute für unsere kurdischen Freunde ist und zieht allein los nach Akrag ohne auf ihre Rückkehr zu warten.

Ungefähr einen Kilometer von Becos Haus entfernt stöβt er plötzlich auf eine Gruppe unbekannter Plünderer. Diese durchsuchen ihn gründlich nach Geld und Schmuckstücken, finden aber nichts. Und werden laut und agressiv.

„Woher kommst du denn? Verrate uns doch bitte mal wo du dein Geld versteckt hast!“

Mein Vater protestiert: „Ich habe kein Geld und kein Versteck. Und wir sind schon ausgeplündert worden.“

„Also, dann zeige uns, wo deine Nachbarn ihr Geld verstecken!“

„Ich kenne hier niemand in dieser Gegend, das kann ich euch schwören!“

„Wenn dem so ist, werden wir dich den Türken ausliefern.“

Die Gruppe macht sich auf den Weg nach der nahen Kreisstadt. Mein Vater, umringt von den Plünderern, wird brutal hin und her gestoβen. Einer der Kurden bleibt jedoch im Hintergrund und schaut hin und wieder meinen Vater an, als käme ihm dieser bekannt vor.

Bekümmert und ohne ein Wort zu sagen folgt mein Vater der Gruppe. Am Rande der Kreisstadt angekommen, geht ein lauter Streit zwischen den Kurden los. Sie können sich nicht darüber einigen, wie sie am günstigsten diesen störrischen Ar-menier der türkischen Landpolizei überliefern.

In diesem Moment zieht der im Hintergrund gebliebene Kurde sein Gewehr und ruft: „Lasst den Armenier los, oder ich schieβe!“

„Du bist wohl verrückt? Was ist denn mit dir los? Wir müssen den Armenier ausliefern... Und wenn wir es richtig machen werden wir von der Polizei eine Be-lohnung bekommen!“

„Nein, ihr täuscht euch! Ich kenne den Mann. Er war zur Beerdigung von unse-rem Seïd gekommen, den die Türken ermordet haben. Da bin ich ganz sicher! Der Armenier ist auf unserer Seite!“

So kam es, dass mein Vater zwischen Tchimichgadzag und Akrag am Leben blieb.

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ein Flüchtlingsleben

Unser Pferdestall – wir nennen ihn auch „unsere Kaserne“ ­ ist überfüllt. Mein Vater hat uns hier, für die 24 Mitglieder unserer Familie, eine Art Schlafsaal ge-baut. Man klettert auf einer Leiter in diesen Raum, der wie ein Zwischengeschoss funktioniert. Ganz oben schläft meine Schwester mit den Eltern und Geschwis-tern ihres Mannes: sechs Personen. Danach kommen Bedros, sein Onkel und sein Groβvater: drei Personen. Gleich darunter: meine Groβmutter, ihre zwei Söhne und deren Familie. Das macht im ganzen fünfzehn Personen in drei Etagen. Die neun anderen schlafen unten auf dem Stallboden.

Dieser Stall wird für lange Zeit unsere Wohnung sein. Unsere hungrigen Mägen, unsere müden Glieder sind hier bei Hassan, unserem Schirmherrn, in Sicherheit. Dank seiner Hilfsbereitschaft werden wir wochen- und monatelang leben und überleben. Wir sehen Hassans Hilfe als ein Geschenk an sein Patenkind und des-sen Familie an. Wie auch die Hilfe der anderen Kurden in der Umgebung ein Ge-schenk an alle Armenier unserer Gegend ist. Ob sie sich uns verpflichtet fühlen?

Die Verteilung aller Nahrungsmittel geht „pauschal“ vor sich: jeden Monat ent-scheidet unser Schirmherr, wieviel Sack Getreide er uns geben kann. Er überlässt es uns, zusätzliche Nahrung auf den umliegenden Wiesen, Feldern und Wäldern zu sammeln. Und natürlich auch bei den anderen Kurden im Dersimgebirge, die uns immer regelmäβig geplündert hatten. Ich kann heute behaupten, dass dieses den kurdischen Plünderern jahrelang zugefallene „Manna“ jetzt in die bittenden Hände der armenischen Flüchtlinge zurückflieβt.

Wenn auch mein Leben in Akrag nicht so angenehm und komfortabel ist wie in Keuzerak, so bin ich doch hier nicht unglücklich. Die kurdischen Jungen meines Alters sind gute Kameraden: ich werde eingeladen, wenn die Ziegen und Pferde an schönen Tagen nach oben auf die Berge getrieben werden; ich darf zuschauen, wenn die Groβen sich im Schieβen üben. Ich wohne zwar im Pferdestall mit den armenischen Flüchtlingen, kann aber unaufgefordert in den Khonakh (das Haus des Chefs) kommen und mit Vartkes am Tisch der Khatoun essen. Wenn meine Groβmutter manchmal mein enttäuschtes Gesicht bei dem Anblick des kleinen Stückchen Brotes sieht, das sie mir gibt, ratet sie mir mit meinem Bruder „zur Khatoun“ zum Essen zu gehen.

Vierundzwanzig Personen zu ernähren (um nur von unserer Familie zu sprechen) wird bald eine schwierige Angelegenheit, selbst in den milden Sommertagen. Trotz der stetigen Hilfe unseres Paten sehen wir uns gezwungen, auf den Feldern und

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in den Wäldern der Kurden Nahrung zu suchen. Jeder von uns fühlt sich für das Überleben der anderen verantwortlich.

Meine Aufgabe, zum Beispiel, ist es Holz herbeizuschaffen.

Damit wir die Einwohner von Akrag nicht verärgern, haben wir beschlossen, das Holz nur in weit entfernten Wäldern aufzusammeln. Das ist für mich sehr anstren-gend. Aber eines Tages schlägt mir ein Kurde vor, seinen Esel zu benutzen. Voller Freude ziehe ich mit dem guten Tier los bis in den vier Kilometer entfernten Wald, stecke dort eine ordentliche Ladung von Ästen und Zweigen in seine Tragkörbe und teile bei meiner Rückkehr alles genau mit dem Besitzer. Dieses Arrangement wird zur Zufriedenheit aller Beteiligten mehrere Wochen anhalten.

Weil ich jeden Tag in den Wald reite um Holz zu holen und oft erst spät wieder nach Hause komme, überwachen meine Angehörigen freudig aber aufmerksam meine Tätigkeit. Besonders meine Schwester steht oft wartend an der Tür. Sie hatte die letzten Wochen still und traurig verbracht, seitdem sie vom Tod ihres Mannes erfahren hatte. Letzterer ist mit einer Gruppe armenischer Männer von den Türken lebendig verbrannt worden. Es freut mich wirklich, ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen, wenn der Esel mich unterwegs abgeworfen hat und allein mit seiner Ladung Holz vor unserer „Flüchtlingskaserne“ erscheint.

Der Winter kommt

Am Ende des Jahres 1915 ist unsere Situation die folgende:

Trotz ihrer Härte und Rauheit, ihrer wilden Sitten, haben die Kurden der Dersim-berge uns Armeniern Obdach und Sicherheit und unseren Frauen und Mädchen ein Leben in Würde und Achtung gewährt.

Aber im Winter 1915­1916 wird es für die Flüchtlinge sehr schwierig. Wenn die zuletzt angekommenen im Sommer und Herbst noch auf den Wiesen oder auf den Dächern der kurdischen Häusern schlafen konnten (was die Kurden ohne weiteres erlaubten), wird das Wetter jetzt so unwirtlich, dass jeder versucht, eine geschützte, wenn auch kleine und enge Unterkunft zu finden. Und der Hunger wird bei allen immer drängender. In unserem Pferdestall fühlen wir uns richtig bevorzugt, wenn wir die drauβen vorbeiziehenden, frierenden Gestalten sehen, die nach einem warmen Feuer oder einem Stück Brot suchen.

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Typhusfieber

Zwar völlig vom Schnee eingeschlossen, der in dieser Gebirgsgegend oft mo-natelang fällt, so kommen wir doch beinahe unversehrt durch den Winter. Aller-dings tauchen mancherlei Krankheiten auf, vor allem eine schlimme Typhusepi-demie. Der Bruder meines Groβvaters stirbt daran, so wie auch Ter Hovhannes, unser Pfarrer. Beide werden in den Ruinen eines alten armenischen Friedhofs in Khatcheli beigesetzt. Viele armenische Flüchtlinge kommen zur Bestattung: der Sohn unseres Pfarrers leitet die Trauerzeremonie, ich und ein anderer Junge mei-nes Alters stehen neben ihm um die Totengebete und Sterbelieder zu singen.

Es kommt uns wie ein Wunder vor, dass mein Vater trotz wochenlangem hohen Fieber den Typhus überwindet. Meine Mutter überlebt ebenfalls, aber wir fürchten an manchen Tagen, dass sie den Verstand verliert. Während dieser Tage und Wo-chen leben wir alle in Angst und Sorge.

Ter Hovhannès, der Pfarrer von Hazari, mit seiner Familie (1914)

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Mein Onkel aram will sich bekehren

Der Frühlingsanfang bringt auch keine Hoffnung und die Angst ist weiterhin bei allen fühlbar. Was wird uns die Zukunft bringen? Jedesmal wenn wieder neue Flüchtlingsgruppen im Dersimgebirge erscheinen, insbesondere aus der Gegend von Kharpert, der Hauptstadt unseres Distrikts, erfahren wir, dass die Lage der Armenier immer schlimmer wird. Die Verzweiflung der Ankommenden und die erschreckenden Berichte, die wir zu hören bekommen, beunruhigen uns zutiefst.

Diese Angst und Unruhe treibt manche Flüchtlinge ­ allerdings nur sehr weni-ge - zu einer Lösung die wir als inakzeptabel und vor allem als ein Zeichen von Schwäche ansehen. Manche glauben nämlich, dass es ihnen besser ginge, wenn sie ihre Religion abschwören und sich mit ihrer Familie zum Islam bekehren würden. Welch eine schwierige Entscheidung für diese Armenier! Ihre Freiheit im Elend zu bewahren oder ein eventuelles Heil in der Erniedrigung zu suchen. Mein Onkel Aram, ein sehr kultivierter Lehrer, der perfekt das klassische Türkisch spricht und schreibt, gehört zu dieser Gruppe. Eines Abends kommt er von den Höhen des Dersims herunter, wo er sich wochenlang versteckt hatte, und steht nun hilfesu-chend vor dem Krankenbett meines Vaters. Er versucht sich zu rechtfertigen...

Mein Vater schickt uns sofort alle nach drauβen, nur meine Groβmutter hört dem Gespräch der zwei Männer zu. Sie erinnert sich später an die ernsten Worte der Beteiligten:

Aram ist verzweifelt: „Ich weiβ nicht mehr, wo ich mich verstecken kann! Soll ich konvertieren? Kann ich so mein Leben retten? Was soll ich machen, Alexan, sag mir was ich machen soll!“

Mein Vater richtet sich stumm und ernst auf, als ob er in solch einer heiklen Situ-ation keine Entscheidung treffen kann.

„Bitte, Alexan, rufe den Seïd von Akrag! Er soll mich bis nach unten in die Stadt begleiten, bis zum Tor der Moschee. Ich weiβ wirklich nicht, wie ich hier weiter-kommen soll! Hilf mir doch, Alexan!“

„Mach es wie ich Aram, warte auf den Tod!“

Sowie er diese Worte ausgesprochen hat, bereut mein Vater sie schon. Er sagt Ana, sie solle mich hereinrufen und beauftragt mich, unseren Paten zu holen.

Glücklicherweise treffe ich Hassan zu Hause an. Er spielt gerade Poker mit sei-nem Bruder und seinem besten Freund, seinem Blutsbruder, Ali Fontaine. Hassan unterbricht sofort sein Spiel und geht mit mir an das Bett meines Vaters. Dort hört

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er sich die Geschichte meines Onkels an und schaut dann zu meiner Groβmutter, deren Gesicht von Tränen überströmt ist. Sie bittet Hassan uns noch einmal zu helfen.

„Weine nicht, Sarah Khatoun! Vor allem lasst Aram nicht nach unten zu den Türken gehen. Er soll heute hier in Akrag bleiben, morgen werde ich für ihn eine Lösung finden!“

Als Hassan wieder fort ist, fühlen wir uns alle so erleichtert wie selten in unserem Leben. „Das ist ein richtiger Agha, welch ein edler Mensch!“ ruft meine Groβmut-ter. „Gesegnet sei die Mutter, die ihn geboren hat!“

Heute im Jahre 1995 beim Schreiben dieser Zeilen sehe ich Hassan vor mir als hätten wir uns erst gestern getrennt. Nie werde ich vergessen was er für uns getan hat.

Aber unser Schirmherr und Pate wird, kurz nachdem wir das Dersimgebirge ver-lassen, einen tragischen Tod finden. Während eines blutigen Streits zwischen den kurdischen Stämmen Ferhat Oucharghie und Hodja Oucharghie wird Ali Fontaine getötet. Hassan hat als dessen Freund und Blutsbruder die Pflicht, seine Leiche vom Schlachtfeld zu holen und zu begraben. Er wird dabei von den noch Kämp-fenden überwältigt und ebenfalls getötet.

Was Aram betrifft: er braucht sich nicht zu bekehren, denn er findet in den Der-simbergen für lange Zeit Obdach. Nach dem Waffenstillstand im Jahre 1918 sucht er nach einer neuen Heimat. Er kommt schlieβlich über Sibirien, Japan und den pazifischen Ozean nach Kalifornien, wo er sich niederlässt. Einer seiner Enkel ist dort ein bekannter Wissenschaftler.

Wie finden wir unsere Nahrung?

Aber kehren wir in das Dersimgebirge zurück... Der Frühling 1916 geht schon in den Sommer über und es wird immer schwieriger unsere groβe Familie zu er-nähren. Unser Pate hilft uns wie immer gutwillig , aber wir fühlen uns gezwungen, unsere Forderungen etwas einzuschränken. Mein Vater meint, es sei jetzt an der Zeit, sich auch an die anderen „Schirmherren“ unserer Familie zu wenden. Da er selbst noch zu schwach ist, schickt er seinen Bruder zu Hussein Agha und beauf-tragt mich, ihn zu begleiten. Er hofft, dass wir zwei einen guten Eindruck machen.

Hussein Agha ist umgezogen: er wohnt jetzt in einem der armenischen Dörfer, deren Bewohner vertrieben oder getötet wurden, und zwar in Oskegh, nahe bei

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Tchimichgadzak. Er lebt dort auf groβem Fuβ, umgeben von seinen Angehörigen, von vielen jungen Leuten und einem religiösen Chef, Seïd Ibrahim.

Hussein empfängt uns überaus freundlich in Gegenwart von Ibrahim. Er wendet sich zuerst an mich und erkundigt sich nach dem Gesundheitszustand meines Va-ters, „seines besten Freundes“. Daraufhin dreht er sich in Richtung meines Onkels und fragt ihn nach dem Grund unseres Kommens. Mein Onkel erklärt ihm, dass sein Bruder ihn zu Hussein Agha schickt, um ihn um Hilfe zu bitten. „Wir werden uns bemühen, alles wieder gutzumachen sowie es unsere Situation erlaubt“, sagt mein Onkel.

„Ihr bekommt 20 Kilo Mehl!“ lautet Husseins Antwort.

Unsere Enttäuschung ist sicher auf unseren Gesichtern zu lesen. Wir stehen stumm da. Seïd Ibrahim schaut uns freundlich lächelnd an und wendet sich dann an Hussein:

„Wenn Euer Freund zuviel Angehörige zu ernähren hat, warum könnte er mir nicht seinen Sohn überlassen? Vazken kann meinen Söhnen helfen unsere Schafe zu weiden und sein Vater hätte eine Person weniger zu ernähren.“

„Dazu hat mich mein Bruder nicht geschickt!“ erwidert mein Onkel schüchtern. „Und ich darf solch eine Entscheidung nicht an seiner Stelle treffen.“

Ich selbst bin allerdings sehr erfreut über Ibrahims Vorschlag. Trotz meiner „Holzfällerarbeit“ fange ich an, mich in Akrag zu langweilen. Und eine Person we-niger am Essenstisch zu haben ist für meine Eltern sicher eine sehr gute Nachricht.

„Ich bin gern damit einverstanden“, antworte ich, „wenn Hussein Agha es erlaubt und meinen Eltern gegenüber meine Sicherheit garantiert.“

„Aber natürlich!“ sagt Hussein. „Ich werde einen meiner Männer zusammen mit deinem Onkel nach Akrag schicken, der deinen Eltern meine Entscheidung er-klärt.“

schafhirt bei den Kurden

Auf diese Weise werde ich also in Oskegh zum Schafhirten „ernannt“. Meine Freude ist groβ. Seit ich in Keuzerak mit dem Sohn von Mehmed Agha die Schafe hütete, wünschte ich mir sehnsüchtig, wieder ein Hirte zu sein. Unsere Arbeit ist absolut nicht anstrengend: auf den Feldern und Wiesen in Oskegh, welche die

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Armenier verlassen mussten, gibt es für die Schafe Futter in Hülle und Fülle. Wir brauchen uns mit unserer Herde garnicht weit vom Dorf zu entfernen.

Im allgemeinen führe ich meine Schafe an den Hang eines Hügels, wo die Tiere sofort zu fressen anfangen. Ich selbst setze mich weiter oben auf eine Wiese und übe mich im Schleuderschieβen. Meine Fortschritte in dieser sportlichen Tätigkeit erlauben es mir bald, im Sitzen die Tiere durch meine gut gezielten Schüsse am Weglaufen zu hindern und gemütlich in meinen mitgebrachten Büchern zu lesen.

In der Tat hat mir doch eine kurdische Nachbarin ein paar armenische Bücher geschenkt, die sie in ihrem leerstehenden Haus bei ihrem Einzug gefunden hat. Zwei Bücher in armenischer Sprache und ein Handbuch der französischen Spra-che, herausgegeben von der Berlitz School. Mit groβer Freude vertiefe ich mich in meine Lektüre... Ach, wie ich mich nach meiner Schule sehne!

Ich lese, aber ich überlege auch. Ibrahims Argument, mir eine Arbeit aufzutra-gen, lag hauptsächlich darin, die Familie meiner Eltern von einem starken Esser zu befreien. Dieser Gedanke geht tagelang in meinem Kopf herum und wird immer deutlicher. Warum eigentlich nur 1 starker Esser und nicht sogar 2 oder 3? Eines Abends spreche ich mit dem Seïd darüber... Ich erzähle ihm, dass seine Nachbarn in Okregh mich bitten, auch ihre Schafe zu hüten und dass ich in Akrag zwei oder drei Cousins hätte, die mir sehr gern dabei helfen würden.

Schon am nächsten Morgen reitet einer der Männer von Hussein nach Akrag und kommt mit zwei kleinen Hirtenlehrlingen zurück: es sind meine Cousins Ardaches und Aschot. Auch sie haben beide freudig zugesagt. Einerseits gefällt es ihnen un-gemein mit ihrem groβen Cousin Vazken Schafe zu hüten, andererseits wollten sie schon seit längerem aus Akrag fort, wo sie sich langweilten.

Wir hüten also gemeinsam die Schafe in Oskegh. Aber unsere Freude ist von kurzer Dauer.

Türken und Kurden: die auseinandersetzung beginnt

Schon Ende 1915 waren in unserer Gegend heftige Streitigkeiten zwischen Tür-ken und Kurden ausgebrochen. Letztere waren in immer grösseren Mengen er-schienen, um die von den Armeniern verlassenen Häuser und Wohnungen zu be-anspruchen, was die Türken nicht dulden konnten. Denn sie, die Türken, waren ihrer Meinung nach die einzig gültigen „Erben“ der vertriebenen Armenier! Welch eine Anmaβung von diesen Kurden!

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An einem Morgen im Frühjahr 1916 sind wir gerade dabei unsere Herden nach oben auf die Wiesen zu führen, als wir eine groβe Menge von Kurden sehen, die den Hang hinunterstürmen. Alle haben ganz offensichtlich ihre Gewehre und Pa­tronengürtel umgehängt. Mehrere Stunden lang rennen bewaffnete Männer an uns vorbei, Richtung Süden. Gegen Mittag hören wir die ersten Gewehrsalven unten in der Nähe der Stadt.

Der Kampf zwischen Türken und Kurden dauert nicht lange. Noch am selben Tag beginnen alle Kurden, wie auch die Familien unserer Beschützer, sich in die obersten Berge des Dersimgebirges zurückzuziehen. Gegen Nachmittag sehen wir die Khatoun herankommen: sie befiehlt uns, die Schafe nach oben bis in den meh-rere Kilometer entfernten Wald zu treiben. Sie geht mit schnellem Schritt weiter, schneller als wir mit unseren Tieren und verschwindet bald hinter einer Wegbie-gung.

Die Kurden ziehen sich auf die berge zurück

Wir Hirten und unsere Schafe kommen nur langsam vorwärts und erreichen die Gegend von Akrag erst am Spätnachmittag. Wir machen dort halt. Mit all meiner Energie und der Unerbittlichkeit meiner dreizehn Jahre befehle ich meinen beiden Cousins, nach Akrag zu ihren Familien zurückzugehen, wo sie in Sicherheit sind. Ihre Enttäuschung und ihre Tränen können mich nicht erweichen: nur ich allein werde die Schafe nach oben in den Wald bringen, was für Kinder ihres Alters viel zu gefährlich ist. Bitterlich weinend drehen sich meine Cousins schlieβlich um und stolpern in Richtung Akrag. Ich schaue ihnen nach... voller Mitleid und Sorge.

Spät am Abend komme ich endlich an mein Ziel. Ich fühle mich sofort besser als ich am Waldrand viele kurdische Zelte erblicke. Ich finde dort vor allem Ibrahims Familie, die mich sehr lobt, die ganze Herde heil und sicher nach oben gebracht zu haben. Als ich mich gerade zum Schlafen in zwei warme Decken wickle, höre ich Diskussionen um mich herum. Es scheint, dass sämtliche Kurden hier beschlossen haben, noch höher in die Berge zu ziehen. Sie wollen bis nach Segedik, einem Dorf jenseits des Waldes, vorstoβen.

Alle befürchten also das baldige Nahen der türkischen Truppen.

Segedik gehört dem Agha von Khadichat. Das Dorf hat armenische wie auch kurdische Bewohner und besitzt sogar eine schöne alte Kirche. Wir lassen uns hier nieder; aber meine Hirtenarbeit wird in dieser Gebirgszone sehr mühsam und schwierig. Die Schafsweiden sind nämlich weit vom Ort entfernt und ich verbringe

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jeden Tag mit meinen Tieren in einer mir völlig fremden, gefährlichen Gegend. Oft werde ich mit Steinen beworfen und höre um mich herum Schimpfworte ohne zu wissen, wer mich hier beobachtet.

Zurück nach akrag

Ich beschlieβe also, meine Arbeit bei Seïd Ibrahim aufzugeben und nach Akrag zurückzukehren. Aber wie? Was mich am meisten ängstigt ist der Weg durch den groβen Wald.

Glücklicherweise lerne ich ein kurdisches Mädchen kennen, der ich mein Pro­blem schildern kann. Sie kennt den Weg durch den Wald auch nicht, allerdings kennt sie ihr eigenes Dorf sehr gut. Sie nimmt mich bei der Hand und führt mich direkt zum Chenlik des Agha von Khadichat.

Während wir zusammen zum Haus des Agha wandern erinnere ich mich, dass Seydekhan, der Agha von Khadichat, ein Cousin von Hassan Agha ist und dass er und ich also entfernte „Kirvas“ sind. Eine andere Erinnerung geht mir duch den Kopf: hat mein Vater nicht beim Bau dieses Chenliks geholfen? Ich komme also hier zu einer Familie, mit der mich eine, wenn auch sehr entfernte, „Verwandt-schaft“ verbindet.

Die Khatoun und Agha Seydekhan sind überrascht mich in ihrem Dorf zu sehen. Sie nehmen mich auf und behalten und ernähren mich ein paar Tage lang. Einer ihrer Männer bringt mich schlieβlich nach Akrag zu meiner Familie.

Als ich dort ankomme, ist Akrag fast ganz leer: alle Kurden haben ihre Herden nach oben auf die noch grünen Almweiden gebracht. Viele ihrer Zelte sind abge-baut, aber ein paar davon stehen noch da, insbesondere das groβe Zelt von Has-san. Hier in diesem Zelt erfahre ich die letzte Neuigkeit: die türkische Armee hat an der Kaukasusfront den Krieg verloren. Ich bin sehr erstaunt, denn seit Monaten hatten die offiziellen türkischen Nachrichten nur von erfolgreichen Schlachten und Siegen berichtet.

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WieDeR auF Den LanDsTRassen

Russische soldaten auf den bergen

Jetzt kann man die Wahrheit nicht mehr verschweigen: wir treffen Kurden aus den Bergen von Erzerum, die behaupten, in der Gegend von Yerzenga russische Reiter oben auf der Gebirgskette im Dersim gesehen zu haben. Andere Kurden, die aus dem Süden kommen berichten, dass sie ganze Karawanen von türkischen Flüchtlingen getroffen haben, die vom Osten her kamen. All diese Nachrichten werden durch vorbeiziehende Hirten und Bauern bestätigt.

Im Juli 1916 nehmen die Russen also offiziell Yerzenga ein und schlieβen mit der Türkei einen lokalen Waffenstillstand. Die armenischen Flüchtlinge im Dersim haben wieder etwas mehr Hoffnung, denn für die meisten hier ist es undenkbar, noch einen zweiten Winter im Dersimgebirge zu verbringen. Wir müssen unbe-dingt versuchen in die von der russischen Armee besetzte Gegend zu übersiedeln. Die Ungeduld vieler Flüchtlinge ist in diesen Tagen spürbar.

Eines Morgens ruft mich Diab Agha zu sich. Ich bin erstaunt und sogar etwas beunruhigt: ist mein früherer Arbeitgeber mit mir unzufrieden, weil ich meinen Posten verlassen habe?

Ich komme in das groβe Zelt, in dem Diab Agha auf einem Thron von gefalteten Teppichen sitzt: neben ihm sehe ich seine Söhne, aber auch meinen Vater, meine Groβmutter und die Khatoun. Ganz väterlich befiehlt mir Diab Agha ihm genau zuzuhören.

„Ich bin sehr zufrieden mit dir, Vazken. Ich weiβ, wieviel Mühe du dir gegeben hast, um das Leben deiner Familie und Freunde hier im Dersim zu erleichtern. Aber heute muss ich dich bitten, noch mehr für die Deinen zu tun: ich will, dass du mit allen armenischen Flüchtlingen aus Akrag nach Yerzenga abwanderst, denn dort erst seid ihr wirklich in Sicherheit.“

Ich bin wortlos. Diab Agha lächelt:

„Im Augenblick behalte ich deine Groβmutter, deine Eltern und unser Patenkind Vartkès hier bei uns. Aber du und deine Schwester Vartanouche, ihr sollt mit den anderen losziehen.“

Welch ein brutaler Schock! Ich schaue nach und nach in die Gesichter aller An-wesenden, aber blicke nicht zu meinem Vater hinüber. Diab sieht mich weiterhin

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lächelnd an. Da steht meine Groβmutter auf und ruft: „Ich komme mit dir, Vaz-ken. Wir gehen zusammen nach Yerzenga!“

Die armenischen Flüchtlinge verlassen akrag

Es bleibt uns wenig Zeit um unsere Sachen einzupacken. Wir haben sowieso nicht viel zum Mitnehmen: einen Rucksack mit ein paar Kleidungsstücken, und Nahrung für 3 oder 4 Tage. Als wir gerade losziehen, kommt ein Sohn von Diab Agha auf mich zu und überreicht mir ein Paket mit Brot und Honig: ein Geschenk von seiner Mutter.

Ich wende mich zu meinem Vater, um mich zu verabschieden. Er scheint sehr bewegt, seine Augen sind feucht. Auch für mich ist unsere Trennung überaus schmerzhaft. Unsere Zukunft liegt vor uns, voller Ungewissenheit und Gefahr. Werden wir uns jemals wiedersehen?

Seine letzten Worte sind: „Geh und benimm dich wie ein erwachsener Mann!“

Als wir Akrag verlassen, sind wir ungefähr dreiβig Personen. Onkel Stepan, ein Cousin meines Vaters, der die Berge gut kennt, führt uns. Aber am späten Abend, als wir unser Nachtlager aufbauen, sind wir schon über fünfzig. Trotz aller Unge-wissenheit und meines Onkels Mahnungen zur Vorsicht, kommen viele Flüchtlin-ge um sich unserer Gruppe anzuschlieβen. Alle wollen, wie wir, durch das Dersim-gebirge nach Yerzenga „in die Freiheit“.

Am nächsten Tag fühle ich mich schon viel besser und kann meinem Onkel hel-fen die müden Gruppenmitglieder aufzuheitern. Die Kurden, die uns begegnen, sind freundlich und machen uns Mut; manche geben uns zu essen. Die Bergketten um uns herum sind grandios und die dunklen, dichten Wälder auf unseren Wegen erscheinen uns angenehm und erfrischend.

Die gendarmerie von Ovadjik

Am Ende des vierten Tages haben wir unser Lager ganz oben im Gebirge auf-geschlagen, und zwar an einem Kamm der über dem Fluβ Mentzouri hängt. Vor uns liegt die Ebene von Ovadjik. Im Norden vor der Bergkette, die uns noch von Yerzenga trennt, stehen Gebäude, die wie Kasernen aussehen. Hinter ihnen sieht man deutlich einen breiten Weg, der sich den Hang hinaufschlängelt bis zum Pass der nach Yerzenga führt. Wir beobachten lange Zeit die Gegend vor unseren

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Augen: alles ist still, nichts bewegt sich. Nach und nach hört man viele Fragen in unserer Gruppe:

Vielleicht sind diese Kasernen noch voller Landpolizei? Warum ist alles so still? Wo sind denn die Kurden die hier leben? Wo ist die Front zwischen Russen und Türken? Wie kommen wir über den Fluβ?

Die eisige Kälte oben am Kamm stoppt allmählich unsere Fragen. Wir müssen nach unten wo es sicher nicht so kalt ist. Also fangen alle an, den Hang bis zum Fluβufer hinunterzulaufen. Aber dort wo wir ankommen, ist das Wasser viel zu tief und der Fluβ zu breit um unbeschadet hinüberzukommen. Es gehen also einige von uns fluβauf­ und ­abwärts um nach einer günstigen seichten Stelle zu suchen. Wir finden bald einen zwanzig Meter breiten Übergang mit groβen Felsblöcken auf denen wir den Fluβ überqueren können.

Trotz der heftigen Strömung und ein paar ungewollten Fuβbädern kommen wir alle ans andere Ufer. Aber vor uns stehen weiterhin drohend die Kasernen von Ovadjik. Warum ist hier alles so still? Wo sind die Insassen?

Versteckt hinter Büschen und Bäumen beobachten wir lautlos Ovadjik. Nach lan-gem Warten sehen wir plötzlich eine Bewegung in der stillen Landschaft: vor uns geht ein schwer beladener Esel über den Weg, gefolgt von einem alten Mann. Die-ser humpelt mühsam an einem Stock, trägt jedoch auf seiner linken Schulter ein Gewehr. Seiner Kleidung nach müsste es ein Kurde sein. Er geht in Richtung der Kasernen. Mein Onkel, meine Groβmutter und ich folgen ihm und halten ihn an.

„Die Türken sind seit vorgestern alle verschwunden“, antwortet er auf unsere Fragen, „und die Kasernen sind schon geplündert worden. Jetzt warten wir auf die Russen.“

Meine Groβmutter bricht in Tränen aus. Ich versuche sie zu trösten: „Warum weinst du denn, Ana? Uns kann doch jetzt nichts mehr passieren!“

„Ja, was sollen wir denn hier bei den Russen? Und deine Eltern und dein Bruder, warum haben wir sie in Akrag zurückgelassen?“

In den Kasernen herrscht eine unbeschreibliche Unordnung. Alle Kisten und Behälter sind aufgebrochen, zerhackt und zerrissen; allerdings finden wir noch zahlreiche schon aufgeschlitzte Säcke mit Getreide und auch Mehl. Also bedienen wir uns, unser Hunger ist zu groβ, und wir lassen uns im Offiziersquartier nieder. Die Kurden kümmern sich nicht um uns; sie kommen und gehen und bringen ihre Vorräte in Sicherheit.

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Alle warten also auf die Russen. Wir ruhen uns zwei Tage in der Kaserne aus in der Hoffnung, dass die russische Armee bald heranrückt. Aber niemand kommt, die Soldaten bleiben unentwegt auf dem hohen Gebirgskamm, wo wir sie sehen können. Also beschlieβen wir, bis zu ihnen hinaufzusteigen, um uns alle unter ihren Schutz zu stellen. Denn was wir am meisten befürchten ist die Rückkehr der türkischen Armée.

Auf halber Höhe, nicht weit vom russischen Militärlager entfernt, werden wir von einer Salve aus verschiedenen Maschinenpistolen gestoppt. Wir schauen nach oben und sehen russische Soldaten die uns mit ihren Gewehren anpeilen. Sie fan-gen an zu lachen, als sie sehen, dass wir uns mehrmals bekreuzigen, und senken schnell ihre Waffen. Wir klettern also bis hinauf ins Lager.

Oben angekommen werden wir von einem Offizier empfangen, der uns verhören will. Mein Onkel Stepan, der längere Zeit in den USA gearbeitet hat, erklärt ihm auf englisch wer wir sind. Der Russe ist erstaunt, diskutiert eine ganze Weile mit ihm und gewährt uns schlieβlich Obdach bis zum nächsten Morgen.

abstieg Richtung Yerzenga

Am frühen Morgen brechen wir auf: der Weg führt steil abwärts nach Yerzenga. Meine Groβmutter verabschiedet sich von den netten, sympatischen Soldaten, und segnet sie, „denn man weiβ ja nie was noch alles über sie kommt!“ Wir sind jetzt am sechsten Tag unserer Wanderung. Endlich erblicken wir vor uns den östlichen Euphrat der unten die Ebene von Yerzenga majestätisch durchströmt. Gegen Mit-tag erreichen wir die ersten armenischen Dörfer: alle Häuser und Wege sind un-gewöhnlich leer, niemand ist zu sehen! Ein Gefühl der Trostlosigkeit legt sich auf unsere Gemüter: diese Stille macht uns Angst.

Glücklicherweise biegen sich die Äste der Bäume in den Gärten unter dem Ge-wicht der Aprikosen und Pfirsiche.Wir bleiben stehen, pflücken und essen soviel wir nur können und wandern dann weiter abwärts.

Endlich kommen wir an einen Bewässerungskanal, dann an ein groβes Dorf. Auch hier stehen alle Türen offen, alle Häuser sind leer. Wir übernachten in einem dieser Häuser.

Ich kann keinen Schlaf finden. Auf meinem Rucksack sitzend, schaue ich zum Sternenhimmel hinauf und lausche den Atemzügen meiner Schwester, die neben mir schläft.

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Ich versuche vor allem das Gefühl von Niedergeschlagenheit und Trauer zu un-terdrücken, das mich beherrscht. Bin ich denn nicht in Sicherheit? Werden meine Eltern nicht von Diab Agha beschützt?

Ein kleiner Hund kommt an mir vorbei und läuft hinüber zu einem anderen Grundstück. Ich stehe auf und folge ihm. Vielleicht gibt es in diesem verlassenen Dorf doch noch ein paar Menschen? In der Tat treffe ich, hundert Meter weiter, einen alten Kurden der auf der Türschwelle eines Hauses sitzt. Es ist ein Landar-beiter, der bei einem armenischen Bauern angestellt war. Er wohnt jetzt im Haus der armenischen Familie, welche die Türken vor seinen Augen niedergemetzelt haben. Ein paar Stunden lang erzählt er mir, mit vor Angst bebender Stimme, wie die Bewohner des Dorfes vertrieben wurden.

Am nächsten Morgen werden wir durch vorbeimarschierende russische Soldaten geweckt die nach oben auf den Gebirgskamm ziehen, um das dort stationierte Bataillon abzulösen. Wir machen uns also wieder auf den Weg und kommen kurz vor Mittag endlich in Yerzenga an. Dort finden wir Unterkunft in einer groβen Ka-serne in der schon hunderte von Flüchtlingen aus den verschiedensten Gegenden der armenischen Türkei einquartiert sind.

Ein tagelanger Austausch von Berichten und Erzählungen mit diesen vertrie-benen Armeniern gibt mir zu verstehen, welches Schicksal die Türken für uns reserviert hatten und ich erkenne schlieβlich, was wir den Kurden zu verdanken haben. Trotz ihrer Härte, ihrer wilden Sitten, haben sie uns nicht nur das Leben gerettet, sondern einen langen, kalten Winter hindurch versteckt und ernährt. Mit ihrer Hilfe ist es gelungen, dass wir jetzt in einem von Russen besetzten Gebiet aufatmen können.

Wo wären wir heute ohne sie? Die Berichte der amenischen Flüchtlinge machen mir klar welchem grausamen Schicksal wir entkommen sind.

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nachWORTNoch heute beim Schreiben dieser Zeilen, denke ich an unsere Freunde aus dem

Dersim. Mit ihrer Hilfe konnte meine Familie schlieβlich aus der östlichen Türkei entkommen: Diab Agha hat meine Eltern damals persönlich bis zum Hafen von Trebizonde begleitet, wo ein Schiff sie nach Istanbul gebracht hat. Mit Hilfe unse-rer Plünderer ist es manchen von uns gelungen, Frankreich zu erreichen, ein Land in dem ich selbst lange Jahre in Zufriedenheit gelebt habe. Wir haben unseren kurdischen Freunden unendlich viel zu verdanken.

In diesem Bericht habe ich auch Ereignisse beschrieben, welche die These eines Völkermordes bestätigen. Natürlich wird die historische Wahrheit des Völkermor-des von manchen Seiten in Frage gestellt. Aber wie wäre es möglich gewesen, die armenische Bevölkerung des riesigen türkischen Reichs in knapp drei Tagen zu vertreiben und zu vernichten, ohne die dazu nötigen Helfer und Vorschriften parat zu haben? Mein Leben lang habe ich mich gefragt, auf welche Weise ein gerissener Historiker die Welt überzeugen könnte, dass so ein tragisches Ereignis in solch kurzer Zeit passieren kann ohne von oben geleitet zu werden.

Zum Schluss noch eine letzte Szene aus meinen Erinnerungen:

Im Juni 1915, als mein Vater mit den kurdischen Grundbesitzern Kontakt auf-nahm, um sie um Hilfe und Beistand zu bitten, hatte ihn einer dieser Kurden bei-seite genommen, um ihm zu sagen:

„Unsere Hilfe bekommt ihr ohne weiteres, Alexan; denn wenn ihr Armenier heu-te der türkischen Regierung zum Opfer fallt, weiβ ich genau, dass wir Kurden als Nächste an der Reihe sind. Da mache ich mir gar keine Illusionen!“

Wenn man bedenkt, was in diesem Augenblick, in dem ich schreibe, in der Türkei vor sich geht, muβ man die Hellsichtigkeit dieses Analphabeten bewundern, der vor 80 Jahren in seinem Zelt hinten im Dersimgebirge lebte.

Croissy, 28. Oktober 1995

Vazken andréassianGeboren in Hazari (Arménie Occidentale) am 10. April 1903

Gestorben in Croissy­sur­Seine (Frankreich) am 30. November 1995

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herausgegebene schriften und bücher

Հայ սկաուտին առաջնորդը

Führer des armenischen Pfadfinders,

Druckerei Der Hagopian, Paris 1947, 312 Seiten

Վահան Չերազ և իր երգն Հայաստանի

Vahan Cheraz und sein Lied an Armenien

Druckerei Sevan, Beyruth, 1977, 544 Seiten

Անդրանիկ – Պետրոս Մարզպանեան

Antranig, gefolgt von Bedros Marzbanian

Druckerei Doniguian, Beyruth, 1982,326 Seiten

Հազարիապատում – հատոր Ա.

Hazariabadoum Band 1,

Druckerei Doniguian Beyruth, 316 Seiten, 1985

Հազարիապատում – հատոր Բ.

Hazariabadoum Band 2,

Druckerei Doniguian Beyruth, 299 Seiten, 1984

Հազարիապատում – հատոր Գ.

Hazariabadoum, Band 3

Druckerei Doniguian, Beyruth, 1994, 650 Seiten

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Karte der Gegend von Tchimichgadzak

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