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Horst Helfrich heavy Beethoven ...eine Komödie in vier Akten Ludwig Dürrnagel liebt Beethoven, sein Sohn Johann Sebasti- an Heavyrock-Bands wie Deep Purple, Nirwana usw. Man kann sich also unschwer vorstellen: wenn im Hause Dürrnagel das ‚Lied an die Freude‘ aus der 9. Symphonie Beethovens zu- gleich mit einem Sägezahngitarrenriff erklingt, dann bebt die Hütte und Dorothea Dürrnagel, Ehefrau und Mutter, steht mal wieder kurz vorm Nervenzusammenbruch. Als Töchterchen Carmen Mutterfreuden entgegensieht und eine dann-eben-jetzt-Hochzeit ansteht läuft das Fass zunächst mal über, da nämlich Ludwig, gekleidet und mit Perücke wie sein Idol, am Traualtar auf der Geige Beethoven zu Gehör bringen will. Bis es dazu beinahe auch noch kommt, überschlagen sich die Ereignisse. Ein Beispiel? Bittesehr: Christoph, Schwiegersohn in spe und ständig mit Cassetten-, Minidisc- oder CD-Spieler in irgendeiner Hosentasche, stellt sich vor, um seinem künftigen Schwiegervater zu beweisen, wie sehr auch er mit Musik auf gutem Fuße steht. L.D. ist neugierig, welchem Komponisten Christoph den Vorzug gibt, muss das "Kufsteinlied" hören, woraufhin ihn beinahe der Schlag trifft. Entnervt zieht Mutter Dürrnagel schließlich einen Psychologen zu Rate, zwecks Heilung von Mann und Sohn von ihrer Beses- senheit – doch der Nervenarzt dreht selber durch. Keine Bange, die zunächst abgesagte Hochzeit findet statt! Eine pfiffige Spielgeschichte mit markanten Figuren und meis- terlich fließenden Dialogen machen dieses Lustspiel zum ent- zückenden Vergnügen für Akteure und Publikum. Bestimmt! BT 502 / Regiebuch IMPULSTHEATERVERLAG Postfach 1147, 82141 Planegg Tel.: 089/ 859 75 77; Fax: 089/ 859 30 44

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Page 1: heavy Beethovenartikel;kurz;BT502K.pdf · Carmen Dürrnagel, deren Tochter und derzeit werdende Mutter ... Das Haus stürzt noch ein. Und es würde mich nicht wundern, ... steht die

Horst Helfrich

heavy Beethoven

...eine Komödie in vier Akten Ludwig Dürrnagel liebt Beethoven, sein Sohn Johann Sebasti-an Heavyrock-Bands wie Deep Purple, Nirwana usw. Man kann sich also unschwer vorstellen: wenn im Hause Dürrnagel das ‚Lied an die Freude‘ aus der 9. Symphonie Beethovens zu-gleich mit einem Sägezahngitarrenriff erklingt, dann bebt die Hütte und Dorothea Dürrnagel, Ehefrau und Mutter, steht mal wieder kurz vorm Nervenzusammenbruch. Als Töchterchen Carmen Mutterfreuden entgegensieht und eine dann-eben-jetzt-Hochzeit ansteht läuft das Fass zunächst mal über, da nämlich Ludwig, gekleidet und mit Perücke wie sein Idol, am Traualtar auf der Geige Beethoven zu Gehör bringen will. Bis es dazu beinahe auch noch kommt, überschlagen sich die Ereignisse. Ein Beispiel? Bittesehr: Christoph, Schwiegersohn in spe und ständig mit Cassetten-, Minidisc- oder CD-Spieler in irgendeiner Hosentasche, stellt sich vor, um seinem künftigen Schwiegervater zu beweisen, wie sehr auch er mit Musik auf gutem Fuße steht. L.D. ist neugierig, welchem Komponisten Christoph den Vorzug gibt, muss das "Kufsteinlied" hören, woraufhin ihn beinahe der Schlag trifft. Entnervt zieht Mutter Dürrnagel schließlich einen Psychologen zu Rate, zwecks Heilung von Mann und Sohn von ihrer Beses-senheit – doch der Nervenarzt dreht selber durch. Keine Bange, die zunächst abgesagte Hochzeit findet statt! Eine pfiffige Spielgeschichte mit markanten Figuren und meis-terlich fließenden Dialogen machen dieses Lustspiel zum ent-zückenden Vergnügen für Akteure und Publikum. Bestimmt!

BT 502 / Regiebuch

IMPULSTHEATERVERLAG Postfach 1147, 82141 Planegg

Tel.: 089/ 859 75 77; Fax: 089/ 859 30 44

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PERSONEN: Ludwig Dürrnagel, liebt Beethoven über alles Dorothea Dürrnagel, sein leidgeprüftes Eheweib Johann Sebastian Dürrnagel, deren Sprössling – totaler Rockfan Carmen Dürrnagel, deren Tochter und derzeit werdende Mutter Aida Dürrnagel, Ludwigs Mutter, d.h. Dorotheas Schwiegermutter Albert Schlottmann, cooler Altfreak/ Dorotheas Vater Krimhild Dürrnagel, L.D’s schrullige Schwester Professor Doktor Flattergang, Nervenarzt Christoph Krull, Schwiegersohn in spe Tabea Krull, seine energische Mutter Cosima Hunzel, die Frau vom Konservatorium Hedwig Maus, wohnt ein Stockwerk unter Dürrnagels Frl. Schnarrer ‚‘die Organistin‘ ORT / DEKORATION: Das Bühnenbild zeigt durchweg ein- & denselben Wohnraum: An der Rückfront des Zimmers ist links sowie rechts je eine Tür. An der linken Seite befindet sich ein Eingang zu den anderen Wohn-räumen und an der rechten Seite ein Ausgang nach draußen. An der Rückwand hängt ein großes Bild Beethovens und in einem Regal oder auf einem Sidebord steht eine Büste des Komponisten. SPIELALTER: (junge) Erwachsene SPIELDAUER: ca. 90 Minuten

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I. AKT

1. Szene Kurz bevor sich der Vorhang öffnet, hört man aus der 9. Sympho-nie Beethovens den Schlusschor über Schillers Ode "An die Freu-de" (Freude schöner Götterfunken). Es ist niemand auf der Szene. Die Musik dringt laut aus der linken Tür. Nach etwa 10 Sekunden hört man plötzlich aus der rechten Tür wilde und ebenso laute Heavy-Metal-Musik. Nachdem beide Musikstücke durcheinander zu hören sind, ‚verstummt Beethoven‘ Musik und die linke Tür wird aufgerissen. Ludwig: (kommt heraus. Er hat eine Geige in der Hand und auf der

Schulter liegt ein weißes Tuch. Er schreit) Ruuuheee !!!... Ruuuheee !!!

(Die Heavy-Metal-Musik verstummt ebenfalls und die rechte Tür wird geöffnet.)

Johann Sebastian: (kommt mit einer E-Gitarre heraus) Ludwig: (laut)

Wie kannst du es wagen, meinen Beethoven zu vernichten? Johann Sebastian:

Ich habe was? Herr Vater? Ludwig:

Du hast gerade Beethoven zerstört. Johann Sebastian: (völlig cool und ruhig)

Kann man ihn wieder reparier'n? Ludwig:

Das war Schillers Ode an die Freude... Johann Sebastian:

Wie schön für ihn... Ludwig:

... die du geschändet hast. Geschändet mit deinem Geräusch. Johann Sebastian:

Geräusch? Sagtest du Geräusch? Ludwig:

Du hast mich schon verstanden. Der Lärm erinnert mich an ei-nen Schaufelbagger im Steinbruch. Und sag nicht Herr Vater zu mir.

Johann Sebastian: Frau Mutter wäre unpassend.

Ludwig: Lass diesen Zynismus! Mein Gott, was ist nur aus dir gewor-den?

Johann Sebastian: Ein stinkfauler Gymnasiast und rotzfrech.

Ludwig: Ich sagte, lass diesen Sarkasmus.

Johann Sebastian: Zynismus. Du sagtest, lass diesen Zynismus, und außerdem sind das deine Worte. Zitat: Ludwig.

Ludwig: Für dich bin ich nicht Ludwig Dürrnagel, sondern dein Vater.

Johann Sebastian: Also doch Vater. Ich darf es weiterhin lallen?

Ludwig: (außer sich) Aber nicht Herrrr Vater.

Johann Sebastian: Du bist doch der Herr im Palast. Das sind deine Worte. Zitat: Vater.

Ludwig: Mein Gott, wenn ich daran denke, als du noch auf der Schal-mei...

Johann Sebastian: Flöte... Flöte...

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Ludwig: ... als du noch auf der Flöte unter‘m Tannenbaum ‚Stille Nacht‘ geblasen hast...

Johann Sebastian: Geflötet. Es heißt: geflötet. Solltest du eigentlich von deinem Beethoven wissen.

Ludwig: (laut) ... unterm Tannenbaum geflötet hast...

Johann Sebastian: Vor dem Tannenbaum. Nicht unter dem Tannenbaum. Dann hätte ich ja im Liegen flöten müssen.

Ludwig: (schreit) ... als du noch unter der Flöte gelegen hast...

Johann Sebastian: Jetzt wirst du aber unglaubwürdig, Vater.

Ludwig: (erschöpft) Ein Schlaganfall wird mich dahinraffen...

Johann Sebastian: Das glaube ich kaum. Du kommst noch nicht einmal mit deiner Geige zurecht, geschweige denn, dass dich ein Anfall am Schlagzeug ereilt. Da gehört viel Können dazu. Kann ich jetzt meine Musik wieder hören?

Ludwig: In diesem Hause herrscht Beethoven!!!

Johann Sebastian: Warum kleidest du dich eigentlich nicht in Felle und läufst mit einer Keule umher?

Ludwig: Verdammt, weil das aus der Mode ist. Man geht mit der Zeit. - Was soll denn der Unsinn?

Johann Sebastian: Das tue ich ja gerade.

Ludwig: Was tust du gerade?

Johann Sebastian: Mit der Zeit gehen. Beethoven ist out. (?- Name der Rockband) ist in.

Ludwig: Das werden wir seh'n!

Johann Sebastian: Wir werden es hören.

(Ludwig Dürrnagel eilt in das linke, Johann Sebastian in das rechte Zimmer. Dann hört man wieder zur gleichen Zeit ‚Musik‘.)

I, 2. Szene Dorothea: (kommt von links aus dem Wohnungseingang auf die

Szene, sie schreit) Ludwig!!! Sind wir hier in einem Irrenhaus? (sie öffnet die linke Tür und ruft hinein) A u f h ö r e n !!! (sie öffnet die rechte Tür und ruft hinein) Johann Sebastian!!! Es ist Schluss!!!

(Die Musik in beiden Zimmern verstummt. Ludwig Dürrnagel und Johann Sebastian kommen aus den Türen.)

Dorothea: (laut) Das Haus stürzt noch ein. Und es würde mich nicht wundern, wenn sich die Maus wieder beschwert.

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I, 3. Szene Hedwig: (betritt von rechts die Szene) Dorothea:

Was hab‘ ich gesagt? Hedwig: (aufgeregt und laut)

Wenn Sie mich auf den Friedhof bringen wollen, dann machen Sie nur so weiter... nur so weiter.

Ludwig: Das haben wir gleich. Den Stecker in die Wand und ab geht's.

Johann Sebastian: Wenn sie ihre Pupillen auf Null stellen will, dann sind wir uns einig. Saft auf die Boxen!

(Beide wollen in ihre Zimmer gehen.)

Dorothea: (schreit) Wollt ihr wohl hier bleiben?

(Die beiden bleiben kurz vor ihren Türen stehen.)

Ludwig: Also weiterhin Terror.

Johann Sebastian: Knechtschaft.

Ludwig: Sklaverei.

Dorothea: Frau Maus, Sie können sich darauf verlassen, es gibt jetzt Ru-he.

Ludwig: Bist du wahnsinnig?! Jetzt will sie schon mal auf den Friedhof und du vermasselst ihr den letzten Gang.

Dorothea: Sie müssen entschuldigen, Frau Maus, aber der Beethoven hat meinen Mann völlig im Griff.

Hedwig: Was es nicht alles gibt. Holz und Ölöfen sind mir ja bekannt, aber Bet’öfen? Ihr Mann macht mir gar nicht so einen frommen Eindruck, dass er betet. Und auch noch an einem Ofen.

Ludwig: (schlägt die Hände an den Kopf) Um Himmelswillen, lasst sie auf den Friedhof.

Johann Sebastian: Bingo!

I, 4. Szene Carmen: (kommt von links aus der Wohnung)

Ich geh‘ zum Arzt; Mama. Dorothea:

Ist gut mein Kind. Carmen:

Habt ihr wieder Zores? Johann Sebastian:

Trouble!!! Hedwig:

Ihre Tochter ist die Einzige, die hier noch vernünftig ist. Ludwig:

Ach du lieber Gott. Carmen:

Jedenfalls bekomme ich meinen Personalausweis ohne Kran-kenschein.

Ludwig: (unwirsch) Sieh zu, dass du zu deinem Doktor kommst.

Carmen: Bis nachher! (sie verlässt nach rechts die Szene)

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Ludwig: Was will sie eigentlich beim Arzt?

Dorothea: Was weiß ich? ... So Frau Maus, und Sie können jetzt beruhigt nach unten geh’n.

Ludwig: Lenk‘ nicht ab!

Dorothea: Das Kind ist neunzehn Jahre und kann zum Arzt geh'n, so oft es will.

Johann Sebastian: (zu seinem Vater) Gehört? Da glaubst du glatt’, dich rammt ein Rotkehlchen.

Ludwig: (stöhnt) Das ertrage ich nur noch mit Beethoven.

Hedwig: Wenn noch einmal... nur noch einmal... der Feuerwerksmarsch mit dem Funkenflug und die räudige Katzenmusik ‚erklingt‘, steht die Polizei vor Ihrer Tür, Herr Dürrnagel.

Dorothea: (energisch) Sie können sich darauf verlassen, Frau Maus, es bleibt ruhig. (sie geht mit Hedwig Maus nach rechts zum Ausgang) Man wird Sie nicht mehr stör’n.

Hedwig: Ich hoffe es. Ich hoffe es für Sie. (sie verlässt nach rechts die Szene)

I, 5. Szene Ludwig:

Du machst wieder Versprechungen, die du nicht halten kannst. Dorothea:

Sie hat Recht. Wenn ich auch nur einen Ton... e i n e n Ton... aus eurem Zimmer höre, dann fliegen euch die Götterfunken und die Trommelstöcke um die Ohr’n und dann ist ein für alle Mal Schluss.

Johann Sebastian: Da boxt doch der Papst im Kettenhemd! Du willst es uns verbie-ten? Da muß ich doch g‘rad und extra ‘ne Glitzerrille in die Spielkiste stecken.

Ludwig: Du legst gar nichts auf. In diesem Hause hier schwebt der Geist Beethovens, so wahr ich Ludwig van Dürrnagel heiße.

Dorothea: Das ist aber der einzige Geist, der bei dir schwebt.

Johann Sebastian: Aber Mama, willst du damit sagen, dass mein Vater nicht mehr alle Steine in der Schleuder hat?

Ludwig: Wenn du jetzt nicht deinen vorlauten Mund hältst...

Dorothea: ... dann gibt's den größten Ärger. Und jetzt ist Schluss. Geht in eure Zimmer und setzt die Kopfhörer auf, wenn ihr schon die verrückte Musik hören müsst.

I, 6. Szene Aida Dürrnagel: (betritt von links die Szene)

Was höre ich da? Du willst schon wieder meinem Jungen Beet-hoven verbieten? Ich hab's ja schon immer gesagt. Ludwig, du findest in diesem Hause kein Gehör für das einzig Wahre und Reine. Hättest du damals die Frau mit Klavier geheiratet, dann wärst du heute längst Generalmusikdirektor.

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Dorothea: (lacht zynisch) General? Dass ich nicht lache. Er hat beim Barras den Eintopf aus der Gulaschkanone verteilt.

Ludwig: (befehlend) Dorothea!!! Was soll der Kleine von mir denken?

Dorothea: Warum soll er denn nicht wissen, dass du bei der Verpflegung warst?

Johann Sebastian: Ist doch astrein, da brauchte er wenigstens nicht zu schießen.

Dorothea: Was meinst du, wie oft der einen Bock in der Küche geschos-sen hat und die Soldaten nicht von der Toilettenschüssel run-terkamen...

Aida: Und du? Wie oft müssen wir deine verbrannten Koteletts es-sen? Die zähen Klöße? Die klumpige Soße?

Ludwig: So ist es! So ist es! Aber das gehört nicht hierher. Schließlich wurde ich an jedem Wochenende zum Heeresmusikchor ab-kommandiert. - dein Vater, mein Bub, war einer der standhaf-testen bei Konzerten an denen Beethoven interpretiert worden ist.

Dorothea: Da hat er Recht. So einen guten Fahnenträger wie deinen Va-ter, gibt es nie mehr. Musst dir mal das Loch in seinem Nabel ansehen. So groß wie ein Zweieurostück.

Johann Sebastian: Aber Chef! Was hör‘ ich da vom Stresskommitee? So war's wohl eine Fahne und nicht des Cellos Holz?! Oh guter Vater Ludewig, ihr sinket in des Sohnes Stolz.

Aida: (zornig) Wie redest du denn von deinem Vater? Beethoven würde sich erhängen, müsste er deine Totengräbermusik hören.

Johann Sebastian: Aber Großmutter Aida... Erstens knackt die Mumie längst in der Kiste und zweitens hätte er sich bei seinem bekanntemaßen abgehalfterten Trommelfell die Lampe nicht ausgeschossen.

Aida: Was soll denn das heißen?

Johann Sebastian: (er zeigt mit beiden Fingern auf seine Ohren) Die Ohren... Programmabsturz... Chipinfarkt.

Ludwig: (wütend, betonend) Er ... war ... taub.

Johann Sebastian: Yeah.

I, 7. Szene Albert: (betritt von rechts die Szene, kommt von draußen) Dorothea: (laut)

Es langt jetzt. Verzieht euch in die Zimmer und Ruhe ist. Albert: (zu Johann Sebastian)

High Ableger! Haben dir die Gruftis schon wieder die Tuba ver-bogen? (laut zu den anderen) Müsst ihr Fuzzis denn immer meinem Enkelchen die Blombe aus der Sicherung kippen? Ihr habt doch ‘nen Hänger.

Johann Sebastian: Cool. Nehmt euch ein Beispiel an Opa Albert. Ist der aufge-weckteste Sponsor in eurem Fossilien-Kabinett. Echt geil.

Albert: (holt eine CD aus der Tasche und gibt sie ihm) Hier, hab‘ ich dir mitgebracht. Die Neueste. Saugeiles Zeug. Knallt enorm. Zieh’s dir mal rein. Whooow!!! (er verlässt mit ver-rückten Bewegungen, wie sie die Interpreten von Heavy Metal-Musik machen, nach links die Szene)

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I, 8. Szene Ludwig:

War er eigentlich schon mal beim Arzt? (zu Dorothea) du soll-test ihm schleunigst einen Termin besorgen, bevor es gänzlich ausbricht.

Johann Sebastian: Arzt? Termin? Der lässt eher ‘ne Kuh fliegen, als dass er sich ein Loch ins Hemd macht. – also, ich geh dann mal. High Ma-cker. (er geht in das rechte Zimmer)

Aida: Ludwig, stark bleiben! Wir siegen! Deine Mutter und Beethoven lassen dich nicht im Stich. (während sie nach links die Szene verlässt, hält sie Zeige- und Mittelfinger zum Zeichen des Sie-ges in die Höhe und intoniert dabei die ersten vier Takte aus Beethovens Sinfonie Nr. 5) Da da da daaa!!!

Ludwig: (hält ebenfalls "victoryzeigend" die Finger nach oben) Da da da daaa!!!

Dorothea: (händeringend, stöhnend) Ich werde meinen Lebensabend in der Irrenanstalt verbringen müssen.

Ludwig: Und du sagst immer, du hättest keine Zukunft.

Dorothea: Lieber Gott, nimm ihm die Geige ab! (sie verlässt nach links die Szene)

I, 9. Szene Ludwig: (schaut sich überall um, spricht zu sich)

Ich muss Cosima anrufen. Hoffentlich kommt das nicht mal raus! Wenn sie erfährt, dass ich ein anderer bin, als sie glaubt... Dass ich gar nicht Adam Nolle, sondern Ludwig Dürrnagel bin. Und wenn's erst die Dorothea erfährt, dass ich ein Verhältnis... aber, nicht dran denken... (während er zum Telefon geht) nein, nicht dran denken, Ludwig. (wählt) Hallooo... hier spricht Adam Nolle. Ist dort das Musikkonservatorium? ... Ja?... Könnten Sie mich mit Frau Cosima Hunzel verbinden?... C o s i m a H u n z e l !!!... Ja der Leiterin. Mein Gott, ihr habt doch nur eine... - Danke. (spricht wieder zu sich) Irgendwann muss ich wieder mit ihr Schluss machen. Obwohl eigentlich hat es ja noch gar nicht richtig angefangen... Hallooo?... Cosima?... Hier ist dein Adam. Beethoven in memoriam... Cosima, ich denke den ganzen Tag an dich. Wenn ich mit dem Geigenbogen über die Saiten strei-che, dann ist das gerade so, als würde ich über deine blonden Haare... bitte?... Ach du hast keine blonden Haa... ?... Schwar-ze? Ja so genau hab ich da noch nicht... Wie gerne wäre ich jetzt mit dir in einem Konzert. ‚Freude schöner Götterfunken.‘ Oder beim Violinenkonzert in D-Dur, Opus einundsechzig. Wenn die Holzbläser von den Geigen untermalt werden und das Orchester zum Fortissimo überleitet, dann würde ich deine Hand nehmen und mein Blick würde an dir hochwandern, dass du meinst, Beethoven selbst würde dich ansehen... Ach, Cosi-ma’chen. Wir zwei im Konzert. Parkett, vorne, Mitte. Rote Pols-terklappsitze. Unsere Herzen würden schlagen. Bis zum Hals. Und wenn beim Rondo allegro im dritten Satz die Hörner ein-setzen. (übermütig auf Hessisch) Und dann wieder die Gei-sche... mer könnt grad kreische!!

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I, 10. Szene Dorothea: (betritt von links die Szene) Ludwig: (erschrickt, stottert in's Telefon)

Schö... schönen Dank. Und schicken Sie die Noten an mei... meine Adresse. Sie wissen ja, Adam Nolle. Auf wie... Aufwie-derseh... wiederhör’n. (er legt den Hörer auf)

Dorothea: Ich hab's geahnt, es ist soweit.

Ludwig: (noch immer verstört) Was?... Äh... ahnst?... hast du... ?

Dorothea: Wenn du schon nicht mehr weißt, wie du heißt? Adam Nolle... Adam Nolle!!!

Ludwig: (völlig perplex) Adam Nolle? Wer ist Adam Nolle?

Dorothea: Du hast am Telefon gesagt, Adam Nolle.

Ludwig: Ach ja? - Das sag ich doch nur, damit... (zu sich) verflixt! (wie-der zu Dorothea) Das ist... äh... eine Vorsichtsmaßnahme. Die schicken doch sonst wieder zentnerweise Prospekte. Und des-halb... äh... geb‘ ich immer einen anderen Namen an. Heute ist Nolle dran.

Dorothea: Ludwig, Ludwig, dein Beethoven bringt dich noch in's Grab.

Ludwig: Und was ist mit dem da? (er zeigt nach der Türe zu Johann Se-bastian’s Zimmer)

Dorothea: Der bläst sich irgendwann den letzten Rest Power aus dem Schädel.

Ludwig: Und dann werde ich ihn zu Beethoven führen. Da da da daa-aa!!!

Dorothea: (im gleichen Tonfall singend) Dann isser da, wo er waaaar.

Ludwig: (geht in die linke Tür)

I, 11. Szene Man hört aus der rechten Tür wieder Heavyrock und aus der linken Tür "Freude, schöner Götterfunken". Dorothea: (lässt einen irren Schrei los, der aber offensichtlich

ungehört verhallt) Krimhild: (in beiden Ohren weit herausstehende Wattepfropfen,

betritt von rechts/ von draußen kommend die Szene. Sie setzt sich an den Tisch und blättert völlig unbeteiligt in einer Illustrier-ten)

Dorothea: Ein Vorgeschmack des jüngsten Gerichtes.

Albert: (betritt von links die Szene, laut) Der Bub übt schon wieder fleißig?

Aida: (betritt ebenfalls von links die Szene, laut) Freude, schöner Götterfunken... herrlich!!!

Dorothea: I c h w e r d e w a h n s i n n i g !!!

(Das Telefon beginnt zu läuten.)

Albert: (ruft) Telefoooon.

Aida: (dto.) Telefoooon.

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Hedwig: (betritt von rechts draußen die Szene, schreit) Das Fass läuft über, Telefoooon.

Dorothea: Ruuuhe!!! Telefoooon.

(Beide Musikstücke verstummen. Ludwig und Johann Sebastian kommen aus ihren Zimmern.)

Dorothea: (nimmt den Hörer ab) Dürrnagel... .(sie erschrickt) Allmächtiger!!!... Nein!!!... Es ist nicht wahr!!! (ohne aufzulegen, noch den Hörer in der Hand, sinkt sie auf einen Stuhl)

Aida: Was ist passiert?

Albert: Um Himmelswillen, was hast du?

Johann Sebastian: Mir klappt die Kinnlade weg. - Randale?

Hedwig: Wenn das nicht die Bullen sind.

Ludwig: Ein Unglück?

Dorothea: (stöhnt) So kann man sagen.

Ludwig: Ja und???

Dorothea: Unsere Tochter ist schwanger.

Ludwig: (hebt die Hände zum Gebet nach oben, erleichtert) Und ich hab‘ schon gedacht, das Konzert am Samstag würde ausfallen.

Krimhild: (nimmt aus beiden Ohren die Wattepfropfen heraus und blickt freudestrahlend in die Runde) Gibt's Essen?

- Vorhang -

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II. AKT

1. Szene Johann Sebastian und seine Schwester Carmen sind auf der Sze-ne. Johann Sebastian:

Und du kennst ihn schon länger? Carmen:

Ein viertel Jahr. Johann Sebastian:

Bleibt er dein Sultan, oder macht er die Flatter, wo du jetzt bald ein Baby kriegst?

Carmen: Wir werden heiraten.

Johann Sebastian: Ihr wollt den Hobel ansetzen? Und was ackert dein Freier?

Carmen; Bäcker.

Johann Sebastian: Bäcker? Echt scharf. Haste immer Torte unterm Giebel. Und was mackert er sonst noch?

Carmen: Spielt Basketball.

Johann Sebastian: Whow! Starker Typ. Und ihr wollt also im Dom mit Schleier und so?

Carmen: Na ja. Was heißt wollen? Das sollte wohl erst später sein.

Johann Sebastian: Es ist nicht zu fassen. Und das nur weil meine kleine Schwester die Partymurmel auf der Kommode geparkt hat.

Carmen: Nenn mich nicht deine kleine Schwester... .Und überhaupt, was redest du für einen Unsinn?

Johann Sebastian: (betont) Ich sagte, und das nur, weil du die Pille vergessen hast. Mein Gott, das ist doch das Erste, was man checkt, wenn man mit seinem Lover 'ne Flocke in die Heide macht.

Carmen: (spricht kindisch, zynisch) Und du mein kleiner Pennäler hältst dich so lange da heraus, bis man dir erzählt hat, dass es auch anders geht, als mit den Bienen und dem Blütenstaub.

Johann Sebastian: (äfft sie nach) Ich weiß längst, woher die kleinen Kinder kommen: ‚Wenn der Pappi und die Mutti sich ganz, ganz lieb haben, dann nimmt der Pappi sein...‘

Carmen: (unterbricht ihn jäh, wütend) Willst du wohl aufhör'n!

Johann Sebastian: Das hätte dein Macker tun sollen, wo du doch die Murmel...

Carmen: (laut) Es reicht jetzt!!!

Johann Sebastian: Aber es stimmt doch. Da wird so'ne Zweieraktion veranstaltet, ihr macht den Rasputin und dann ist der Pennfuzzi derart ab-gebaggert, dass er vergisst sich aus zuklinken.

Carmen: (böse) Sebastian! Wo hast du nur diese Sülze her?

Johann Sebastian: Lernste auf der Penne. Aber sag' mal, was is‘ eigentlich so fet-zig an der ganzen Sache?

Carmen: Was soll das schon wieder heißen?

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Johann Sebastian: Na, ihr mit eurem Wahnsinnstango. Brennt einem da wirklich der Kittel?... Jetzt sag‘ schon! Was passiert in der Birne? Hört man echt die Himmelstussies? Was peitscht in der Nuss? Los, sag‘ schon!?

(Man hört aus der linken Tür laut "Freude, schöner Götterfunken".)

II, 2. Szene Dorothea: (kommt von links auf die Szene und reißt die linke Tür

auf) Wirst du jetzt wohl Schluss machen - und endlich ein Gespräch mit deiner Tochter führen!?!

(Die Musik verstummt.)

Ludwig: (kommt mit Notenblättern in der Hand aus der linken Tür) Johann Sebastian:

Schocking! Jetzt bimmelt die Glocke. Ludwig:

Was soll ich noch mit ihr reden? - du hast ihr doch erlaubt, dass sie alleine in's Kino gehen darf.

Dorothea: Ludwig!!! Deine Tochter ist neunzehn Jahre alt. Ich bitte dich.

Ludwig: Ich weiß, ist mir noch in Erinnerung.

Johann Sebastian: Mamaaa?

Dorothea: (mürrisch) Was ist?

Johann Sebastian: Mir qualmt das Hemd. Ich war doch solo im Theater. Ich werde doch – oh Gott – kein Vater.

Dorothea: Musst du gerade jetzt deine dummen Sprüche machen? Ich glaube, das ist wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt.

Ludwig: (unterbricht, die Arme hebend, das Gespräch) Was nicht mehr zu ändern ist, ist nicht mehr zu ändern. Es ist passiert und wir nehmen es, wie es ist.

Dorothea: (verblüfft) Ludwig!!!... Ludwig!!! Was ist denn mit dir los? So kennt man dich ja gar nicht. - Ludwig!!!?

Carmen: (freudig) Papaaa!!!

Johann Sebastian: Mich streift 'ne Scholle. Der brütet 'n Ei aus.

Dorothea: Willst du jetzt endlich mal deinen Mund halten, wo dein Vater mit uns einmal einer Meinung ist.

Ludwig: Ruhe!!! - Also Kind, wenn jetzt dein Freund... oder wie muss ich sagen? Wenn jetzt der Vater von dem Kind... nein, wenn dein Mann von dem Enkelkind... von dem Neugeborenen... also der...

Johann Sebastian: Big Mäc.

Ludwig: Wenn mein zukünftiger Schwiegersohn...

Alle anderen: (applaudieren) Bravooo!!!

Ludwig: ...zukünftiger Schwiegersohn hier in's Haus kommt, dann ist es doch selbstverständlich...

Alle anderen: (applaudieren erneut)

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Ludwig: ...dass wir beide... uns gemeinsam ganz dem geliebten... Beet-hoven widmen werden, und ich hoffe...

Dorothea: (wütend, laut) Ludwig!!!

Carmen: (ebenso wütend und laut) Papaaa!!!

Johann Sebastian: Na bitte. Wer sagt‘s denn. Ich hab's gewusst.

Carmen: (beginnt zu weinen) Vielleicht kann dein Beethoven ja auch die Patenschaft über-nehmen.

Ludwig: Ja, wenn er noch leben würde, ich würde ihn darum bitten.

Carmen: Das arme Kind.

Dorothea: (nimmt ein Taschentuch und putzt Carmen die Nase) Ludwig:

Und bei der Taufe... bei der Taufe... Freude, schöner Götter-funken!!!

Carmen: (lauf aufheulend) Ich stürze mich vom höchsten Berg!!!

Johann Sebastian: Au weia, wir fahr‘n zum Himalaya.

Dorothea: (laut, bestimmend) Die Taufe findet hier statt.

Carmen: (läuft heulend nach links von der Szene) Ich geh‘ ins Wasser!!!

Dorothea: (läuft ihr hinterher) Mein Ein und Alles... .Tu's nicht!!!

II, 3. Szene Johann Sebastian: (zu Ludwig Dürrnagel)

Jetzt hast du aber Panik an der Waffel. Ludwig: (jedes Wort einzeln betonend)

Wer in diesem Hause seine Zelte aufschlägt, muss wissen, dass er das Dach mit Beethoven teilt.

Johann Sebastian: Das wird ein Flop. Da macht dein künftiger Eidam den Abflug. Aber mein Stoff hält ihn auf der Matte.

Ludwig: Wenn deine Musik laufen sollte, und er nur einmal... auch nur einmal... seinen Kopf nach deiner Tür dreht, dann stürzt hier die Kuppel ein.

Johann Sebastian: Und es wird ihn nicht mal jucken. Ein müdes Lächeln wird auf seinen Lippen zucken. Lediglich.

Ludwig: Und wenn er trotzdem rüber guckt, dann hat sein Grinsen aus-gezuckt.

II, 4. Szene Albert: (betritt von links kommend die Szene)

Was ist denn hier für ein Zoff? Johann Sebastian: (deutet auf seinen Vater)

Dein Schwiegersohn hortet Minuspunkte. Ludwig:

Schon bald wird kein einziger Ton mehr von dieser Schaufel-bagger-Musik in diesem Hause zu hören sein.

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Albert: Warten wir doch erst einmal ab! In Kürze läuft Carmens Django hier im Viereckpalast ein.

Ludwig: Wer?... Was?

Albert: (ironisch) Tja, dein künftiger Schwiegersohn kommt jeden Moment zu Kaffee und Biskuit in unser Obdach.

Ludwig: (empört) Und warum sagt mir das keiner.

Johann Sebastian: Opa Albert hat es dir soeben unterbreitet.

Ludwig: (hektisch) Mein Gott, da bleibt mir ja noch nicht einmal Zeit, die Geige zu stimmen.

Albert: Ich würde sie in der Kiste lassen.

Johann Sebastian: Opa hat Recht!! Lass den Bäcker unbescholten kommen

Ludwig: Ich wünsche so etwas künftig früher zu erfahren... sagtest du Bäcker?

Johann Sebastian: Korrekt. Brotmaker.

Albert: Halte ihn dir gut. Dann hast du immer Hörnchen im Depot.

Ludwig: (überlegt kurz, dann wieder hektisch) Warum nicht? Beethoven hat sicherlich auch das tägliche Brot nicht verachtet. Aber ich muss ja noch... Mein Gott, was für eine plötzliche Hektik. (er verlässt eilends nach links die Szene)

II, 5. Szene Das Telefon klingelt. Albert: (nimmt den Hörer ab)

Schlottmann bei Dürrnagel... Wer?... Krull?... Tabea Krull?... Ach Sie sind die Mutter von Carmens Lover?... Sie sind auf dem Weg?... Hierher?... Sind schon unten?... Kommen jetzt?... Ich werde es ausrichten, Frau... äh... Krull. (er legt den Hörer auf) Die Nebelkrähe hat ein Autotelefon. Ist mit ihrem Sohn schon unten. Die sind ja schneller als der Schall. Sicher können sie es kaum erwarten, uns kennen zu lernen. Was werden die uns noch kennen lernen. (er geht an den linken Ein- und Aus-gang und ruft) Dorotheaaa... Aiiidaaa... sie kommen!

Dorothea: (ruft von draußen) Um Himmelswillen, halte sie auf, ich bin noch nicht so weit.

Albert: (zu Johann Sebastian) Deine Mutter zwängt sich wieder in den guten Kaftan.

Johann Sebastian: Ich verdunste. Die sind ja jetzt schon auf Hundert. Da warte ich lieber, bis die Clique wieder abgezogen ist. (er geht in das rech-te Zimmer)

Albert: Dann bin also ich mal wieder das Empfangskomitee. Also ich würde mich total erschrecken, wenn ich der erste Eindruck von der Sippschaft wäre, in die man hineinheiraten soll.

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II, 6. Szene Aida: (kommt, bereits umgezogen, von links auf die Szene) Albert: (betrachtet sie von oben bis unten)

Na Gott sei Dank, geteilter Schock ist halber Schock. Aida:

Sitzt mein Kleid? Albert:

Ich würde sagen... es hängt. Aida:

Pah, sehr charmant!... - Ob's paßt?... Soll ich es anbehalten? Albert:

Also, ich würde es anbehalten. Es macht wahrhaftig keinen gu-ten Eindruck, wenn man schon gleich beim ersten Mal fremde Leute im Unterhemd begrüßt.

Aida: Deine Ironie bringt dich noch einmal ins Grab.

Albert: Der Tod, liebe Aida, der Tod wird mich hineinbringen.

(Es klingelt.)

Hedwig: (betritt von rechts draußen die Szene) Es hat geklingelt. Sie bekommen Besuch und da habe ich un-ten gerade geöffnet. Vor dem Haus hält ein Wagen und da dachte ich, das kann eigentlich nur für die Dürrnagels sein. Sind das Verwandte? Die habe ich noch nie bei Ihnen geseh'n. Da ist ein junger Mann dabei. Ist das der Poussierer von der Car-men? Sieht nicht schlecht aus. Wer ist dann diese Frau, die e-benfalls im Wagen saß? Ist ein bisschen affig und riecht nach Mottenpulver. (Tabea und Christoph betreten zielstrebig von rechts draußen

kommend die Szene. Tabea Krull ist wie ein Paradiesvogel geklei-det und hat ihren Sohn Christoph an der Hand, den sie hinter sich

herzieht. Christoph hat einen großen Radiorecorder dabei.)

Tabea: (öffnet ihre Handtasche, nimmt ein Geldstück heraus und gibt es Frau Maus) Danke, Sie können geh'n. (zu Aida Dürrnagel) Seien Sie froh. Man findet ja heute kaum noch Personal. (sie gibt ihr die Hand) Guten Tag. Ich hatte Sie mir jünger vorgestellt. Mein Gott die Zeit. Ja, ja, sie huscht einfach nicht faltenfrei vorüber.

Aida: Tag! Dürrnagel. Aida Dürrnagel. Ich bin die Oma von der Car-men - und wer sind Sie?

Tabea: Oh... verzeihen Sie bitte. Ich dachte Sie wüssten... dass... äh... ich bin Tabea Krull. Inspektorenwitwe. (sie weist auf Christoph) Das ist Christoph, unser Sohn. (sie schiebt ihn zu Aida Dürrna-gel) Sag‘ guten Tag!

Christoph: (gibt Aida Dürrnagel die Hand) Tach, Oma.

Aida: Tach, mein Kleiner.

Christoph: (deutet auf Albert Schlottmann) Dem auch?

Tabea: (gibt Albert Schlottmann die Hand) Guten Tag. Krull. Tabea.

Albert: Guten Tag. Schlottmann. Großvater.

Tabea: (zu Christoph) Jetzt du!

Christoph: Tach, Großvater.

Tabea: (zu Albert Schlottmann) Sie sagten Schlottmann?

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Albert: So ist es. Carmen hatte alles doppelt. Zwei Großmütter und zwei Großväter. Ich bin noch übrig von der einen Sorte und dort die Aida von der anderen.

Tabea: (seufzt) Ach ja. Christophs Vater starb im vergangenen Jahr plötzlich und unerwartet an einer Vergiftung. Er war leidenschaftlicher Pilzsammler.

Hedwig: Das kenne ich. Einmal nicht aufgepasst und schon betrachtet man sich die Dinger von unten.

Aida: Ach Frau Maus, sagte nicht vorhin Frau Krull, dass sie gehen können? (zu den anderen) Tja, das Personal. Muss immer alles aufschnappen.

Hedwig: Personal?... Personal?

Albert: (führt Hedwig Maus zum rechten Ausgang, dann zu Tabea Krull) Sie müssen entschuldigen, aber die haben wir neu.

Tabea: Ja ja, neue Besen kehren nicht immer gut.

Albert: Besen?... Trifft zu.

II, 7. Szene Dorothea Dürrnagel: (ebenfalls in einem anderem Kleid, kommt

von links auf die Szene und gibt Tabea Krull die Hand) Tabea: (kommt ihr zuvor)

Guten Tag, ich bin die Mutter (sie deutet auf Christoph)... das ist Christoph.

Dorothea: (tut überfreundlich) Guten Tag, was für ein Zufall, ich bin auch die Mutter! - Carmen ist noch auf ihrem Zimmer.

Tabea: (zu Christoph) Na? Sag schön guten Tag!

Christoph: (geht zu Dorothea Dürrnagel und gibt ihr die Hand) Tag, Frau Mutter.

Albert: (zum Publikum) Allmächtiger, haben die Streusalz in den Frikadellen.

II, 8. Szene Ludwig: (kommt von links auf die Szene gestürmt. Er ist gekleidet

wie Beethoven und trägt eine Perücke mit der Frisur Beetho-vens. In der linken Hand hält er seine Geige. Er streckt beide Arme weit aus) Da da da daaa!!!

Albert: Der Herr steh' uns bei, er macht wieder den Bajazzo.

Ludwig: (verneigt sich leicht) Allegro con brio. Andante con moto. Allegro scherzo, Allegro. Ludwig van Dürrnagel. Ich begrüße Sie im Beethoven‘schen Musentempel. Lassen wir die Klänge klingen... Sie sind die be-gnadete Mutter von Carmens feurigem Liebhaber? Laßen Sie’s mich wissen!

Tabea: Oh Gott, wer ist das?

Albert: Das fragen wir uns auch gelegentlich.

Dorothea: Das ist mein Mann.

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Tabea: Sind Sie sicher?

Dorothea: Hin und wieder.

Aida: Mein Bub wird hier leider völlig verkannt. Sein Genie kann sich einfach nicht entfalten. Ludwig lebt nur die Musik.

Albert: Und tagsüber in einer Fabrik für die Herstellung von Reini-gungsmilch für Kinderpo's., damit wir was zu Essen und zu Trinken haben.

Dorothea: Mein Mann ist Abteilungsleiter für Toilettenartikel bei einem der größten Hersteller Deutschlands.

Albert: (zum Publikum) Wir dürfen hier leider keine Werbung für Penaten machen, sonst fühlt sich Nivea hintergangen.

(Dieser szenische Witz kann/ soll auf den Darsteller des Ludwig gemünzt sein – bitte ggf. anpassen!)

Ludwig: Vergeuden wir doch unsere kostbare Zeit nicht mit Vaseline und wenden uns wieder der Musik zu. (zu Tabea Krull) Ihr Sohn hat hoffentlich ein gutes Gehör.

Dorothea: (wütend) L u d w i g !!!

Tabea: Na ja, er hört zwar nicht immer, aber im allgemeinen ist er sehr folgsam.

Ludwig: Gnädige Frau, ich meinte das Gehör für die Musik. M u s i k . Da da da daaa!!!

Tabea: (deutet auf den Radiorecorder, den Christoph dabei hat) Ja., da hat er Musik...

Ludwig: Ich sehe es. Wir werden das nicht brauchen In meinem Musik-zimmer steht eine Anlage, die die Feinheiten jeder Fuge für das verwöhnte Ohr wie in einem Orchester wiedergibt.

II, 19. Szene Carmen: (betritt von links kommend die Szene. Sie hat sich eben-

falls umgezogen) Dorothea:

Da ist ja das Kind. Tabea: (reicht Carmen die Hand)

Lass‘ dich anschau'n. Ja, du paßt zu ihm. Ich bin angenehm überrascht. Die jungen Dinger, die er bisher kennen lernte, wa-ren allesamt keine vorzeigbaren Geschöpfe. Hatten alle Pickel. Du bist wirklich eine Ausnahme.

Albert: Kein Wunder. Wir haben zentnerweise Creme im Haus.

Carmen: (ironisch) Vielen Dank, Opa. (sie geht zu Christoph) C h r i s t o p h !!!

Tabea: (nimmt Christophs Hand und hält ihn fest) Christoph: (löst sich von der Mutter und fällt Carmen um den Hals) Tabea: (energisch)

Um Himmelswillen, Christoph!!! Albert:

Ach Frau Krull, das hilft jetzt auch nix mehr. Was nützt es, wenn Sie dem Kind von der genaschten Schokolade das letzte Stückchen wegnehmen, wenn die ganze Tafel schon verschna-buliert ist.

Ludwig: Jetzt werde ich ihnen das Musikzimmer zeigen.

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Dorothea: (erzürnt) Ludwig; muss das sein?

Ludwig: Unser Besuch soll schließlich wissen, welch tiefe Wurzeln die Kultur in diesem Hause geschlagen hat.

Carmen: Christoph bleibt hier. Papa kann ihn immer noch durch die Aus-stellung führen.

(Ludwig Dürrnagel und Tabea Krull gehen in das linke Zimmer.)

Albert: (zu Christoph) Es reicht, wenn deine Mutter nachher mit einem Nervenzu-sammenbruch aus diesem Zimmer dort getragen wird.

Dorothea: Dann werden wir schon mal den Kaffeetisch herrichten. Komm‘ Aida! (sie ruft beim Hinausgehen nach links zu Ludwig Dürrna-gel) Und ich höre nicht die Neunte.

Aida: (ruft ebenfalls beim Hinausgehen nach links zu Ludwig: Und ich höre die Neunte!!!

Albert: Ich muss noch mal runter. Dann seid ihr einen Augenblick unter euch... Die haben doch alle einen Sprung in der Schüssel. Dass ich meinen Lebensabend ausgerechnet hier bei Beethoven verbringen muss. Aber ich sag' mir immer... Albert, sag ich mir, das Kreuz durchdrücken, nur Fledermäuse lassen sich hängen. (er verlässt nach rechts draußen die Szene)

II, 10. Szene Carmen: (bedrängt Christoph)

Christoph, bevor Papa wieder hier ist, muss ich dir noch etwas sagen. Wenn er dich nach Beethoven fragt, sag' um Himmels-willen nicht, ‚wer ist Beethoven‘.

Christoph: Nein, ich weiß. Er hat Faust geschrieben.

Carmen: Um Himmelswillen. Das war Goethe. Beethoven ist ein Kompo-nist.

Christoph: Er ist ein Komponist.

Carmen: Gut. Und weiter... ?

Christoph: Er hat komponiert.

Carmen: Natürlich. Und was hat er komponiert?

Christoph: Lieder.

Carmen: Ja, so was Ähnliches. Symphonien, Konzerte, Ouvertüren und-soweiter. Und zum Schluss hörte er nichts mehr. Das solltest du wissen.

Christoph: Schlimm. Hatte er kein Hörgerät. Mama hat so ein Ding hinterm Ohr. Pfeift ab und zu. So... (er pfeift einen monotonen Ton)

Carmen: Nein, so ein Gerät gab es damals nicht. Er hatte seine Musik im Kopf.

Christoph: Im Kopf? Toll! Wie seid ihr mit dem verwandt? War er dein On-kel, oder wie?

Carmen: (schlägt die Hände vor das Gesicht) Oh, Christoph.

Christoph: Was hat er komponiert?

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(Man hört plötzlich "Freude, schöner Götterfunken“.)

Carmen: (laut) Das!!!

II,11. Szene Dorothea und Aida Dürrnagel stürmen von links auf die Szene und eilen in das linke Zimmer. Carmen: (laut)

Es wird gleich Ruhe geben. Christoph: (ebenso laut)

Warum? Es war doch sehr schön bis jetzt. Carmen: (laut)

Sag das meinem Vater, dass du das schön findest. (Die Musik verstummt. Ludwig Dürrnagel, Tabea Krull , Dorothea

und Aida Dürrnagel kommen aus der linken Tür. Sie stützen Tabea Krull, die sich kaum noch halten kann.)

Tabea: Es war umwerfend. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Christoph: Ich finde es schön. Ich finde es sehr schön.

Tabea: Du findest es schön?

Christoph: Carmen sagt, dass ich es schön finde.

Ludwig: Schön, dass du es schön findest... Du spielst auch, mein Sohn?

Christoph: Ja, sehr.

Ludwig: Und wo?

Christoph: Überall.

Ludwig: Oh, ihr geht auf Tournee?

Christoph: Ja oft. Mit dem Bus.

Ludwig: Und wie ist die Besetzung?

Christoph: Fünf Spieler und sieben Auswechselspieler.

Ludwig: Auswechselspieler? Mein Gott, davon hab' ich ja noch gar nichts gehört. Auswechselspieler. - Na, ja, wenn ich an die Neunte denke. Da kommt man schon in's Schwitzen. Und auch noch bei nur fünf Spielern.

Christoph: Die Neunte? Das fetzt schon in der Ersten. Aber so richtig sau-heiß wird das in der Dreißigsten... Fünfunddreißigsten.

Ludwig: Die Dreißigste?... Fünfunddreißigste?... Die kenn' ich ja gar nicht.

Christoph: Kann auch schon früher aus sein.

Ludwig: (völlig perplex) Früher aus? Ihr macht früher Schluss? Spielt ihr das Ganze schneller, äh, als vorgegeben?

Christoph: Bei Spielverzögerungen dauert es natürlich länger.

Ludwig: Spielverzögerungen? - Ach so, wenn ein paar Geigen den Ein-satz verpassen.

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Christoph: So ein paar Geigen haben wir auch. Aber die werden dann ge-sperrt.

Ludwig: Gesperrt?... Warum eigentlich nicht. Das ist eine Idee. Einfach nicht mehr spielen lassen. Dann reißen die sich beim nächsten Mal zusammen... Frau Krull, Ihr Sohn ist in Ordnung. Wir neh-men ihn. Carmen, du kannst ihn behalten. Was werden wir eine Freude haben. Ich, mein Schwiegersohn und... Beethoven. (er singt "Freude, schöner Götterfunken“)

Christoph: Beethoven spielt auch? Und du? Seid ihr nicht etwas zu alt.

II, 12. Szene Albert: (kommt von rechts wieder auf die Szene) Ludwig:

Die alten Meister werden immer auf dem Spielplan stehen, mein Sohn.

Christoph: Sie waren einmal Meister?

Albert: Ja, bevor er zur Reinigungsmilch gekommen ist. Küchenmeister beim Bund.

Ludwig: Jetzt lasst uns endlich hören, welch großes Werk du uns hier ständig vorenthältst, mein Sohn.

Christoph: (schaltet den Radiorecorder ein und man hört das ‚Kufsteinlied‘)

Ludwig: (sinkt schockiert auf einen Stuhl, ruft) Dorothea! Rasch! Doktor Gerber! Ruf ihn an. Die Nummer liegt beim Telefon. Verlier' keine Zeit!!!

II, 13. Szene Johann Sebastian: (kommt aus dem rechten Zimmer)

Da hängt doch eine Drogerie in der Eiger Nordwand. Das gibt 'nen flotten Dreier. Beethoven, (?- Name seiner Lieblingsband) und Maria Hellwig (?- oder anderen Volksmusikstar nennen).

Krimhild: (kommt von links auf die Szene und nimmt sich die Wat-testopfen aus den Ohren) Übrigens, das Kaffeewasser kocht über.

Ludwig: (ruft mit letzter Kraft) Dorothea, den Notarzt.

- Vorhang -

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III. AKT

1. Szene Die kirchliche Trauung steht kurz bevor. Auf der Szene sind Car-men Dürrnagel, Dorothea Dürrnagel, Aida Dürrnagel, Albert Schlottmann und Krimhild Dürrnagel. Carmen steht im weißen Brautkleid in der Mitte der Szene. Die anderen sind festlich geklei-det. Dorothea und Aida Dürrnagel nesteln am Kleid Carmens her-um. Dorothea: (setzt ihr ein Krönchen mit daran befestigtem kurzem

Brautschleier auf) Wackel doch nicht so mit dem Kopf und halt endlich Ruh!

Aida: Etwas rüber! Mehr nach links!

Dorothea: Wieso nach links? Es muss nach hinten.

Aida: Das hält nicht. Die verliert das doch in der Kirche. Lass mich mal.

Dorothea: Nichts da! Das ist die Aufgabe der Brautmutter. Mütter setzen immer ihrer Töchter die Krone auf den Kopf, wenn sie heiraten.

Aida: Aber nicht so weit nach hinten. Kronen sitzen immer mitten auf dem Kopf. Außerdem hat das Gesteck keinen Halt..

Dorothea: Red' keinen Unsinn.

Aida: Na ja, mir ist es egal, wenn das Ding dem Pfarrer vor die Füße fällt - während der Trauung.

Dorothea: Da kommen noch zwei Klammern hinein unn dann hält der Schleier.

Aida: Aber nicht so weit nach hinten.

Albert: Mein Gott, das ist ja schlimmer wie bei der Krönung der Queen. Wenn ihr so weiter macht, ist der Pfarrer weg und dann könnt ihr seh'n, wer das Mädchen unter die Haube bringt.

Carmen: (ungeduldig) Opa hat Recht. Habt ihr‘s jetzt endlich bald?

Krimhild: (nimmt die Wattestopfen aus den Ohren) Der Schleier rutscht.

Carmen: (geht von den beiden weg und setzt sich selbst das Krön-chen richtig auf)

Dorothea: Bitte schön, wenn du meinst, dann mach deinen Kram selbst. Wenn dir deine Mutter nicht mal an deinem höchsten Tag die Krone aufsetzen darf.

Carmen: Aber Mama! Sei doch nicht so nervös. Schließlich heirate ich.

Dorothea: Eine Mutter heiratet immer mit, wenn die Tochter die Ringe wechselt.

Albert: Halte die Augen auf, mein Kind. Nicht dass sie auch noch dei-nen Bäcker mitheiratet...

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III, 2. Szene Christoph Krull und Tabea Krull betreten von rechts kommend die Szene. Christoph Krull trägt einen völlig unmodernen Hochzeitsan-zug und Tabea Krull ein ‚auffallend festliches‘ Gewand. Tabea: (grüßt und geht direkt auf Carmen zu, überschwänglich)

Grüß Gott! Grüß Gott! Wie hübsch. Außergewöhnlich hübsch. Aber sitzt das Krönchen nicht etwas zu weit hinten?

Albert: Na endlich, jetzt haben wir wenigstens eine Kronzeugin.

Aida: Dann hatte ich ja wieder mal Recht.

Carmen: (unwirrsch) Jetzt ist aber Schluss. (zu Christoph) Hallo Christoph! (sie be-trachtet ihn von oben bis unten) Donnerwetter, dein Anzug! Sowas kriegt man hier gar nicht.

Christoph: Nee. Von Papa. Genau meine Größe.

Albert: Sag' ich's nicht immer. Man soll nie etwas wegwerfen.

Dorothea: (verwirrt, zu Christoph) Der Anzug ist... von deinem Vater?

Tabea: Oh ja, das ist Wolfram-Georgs Anzug. Es war sein Wunsch. Sollte Christoph einmal heiraten, dann nur im Hochzeitsanzug seines Vaters. Das steht im Testament.

Christoph: Ja, steht im Testament.

Albert: (zu Carmen) Kind, das Testament würde ich mir erst einmal zeigen lassen. Wer weiß, was da noch alles drinsteht. Womöglich muss dein Mann noch mit einem Bettwärmer und einem Angorajäckchen in den Kahn.

Dorothea: (drängelnd) Jetzt ist's aber gut. Wir müssen in die Kirche... Und? Wie gefällt euch das Carmenchen?

Carmen: (ärgerlich, betonend) Mama!!! Sag bitte nicht immer Carmenchen zu mir!

Albert: Recht hat sie. Jetzt wo sie heiratet sagt man nicht mehr Car-menchen zu Carmenchen. Gell Carmenchen?

Dorothea: Ach Papa!! - Na, was ist? Wie gefällt sie euch?

Krimhild: Der Schleier rutscht.

Dorothea: (zornig) Der Schleier hält!!!

Aida: Jetzt wird's aber wirklich Zeit. Wo ist denn Ludwig? (sie ruft nach links) Ludwig, mir müssen!!!

III, 3. Szene Ludwig: (betritt aus der linken Tür die Szene. Er ist gekleidet wie

Beethoven und trägt eine Perücke mit der Frisur Beethovens. In der linken Hand hält er seine Geige. Er verneigt sich tief vor den Anwesenden. Dabei streckt er beide Arme weit nach hin-ten) Da, da, da, daaa!!!

Dorothea: (völlig erschrocken, ruft laut) Der Herr steh' mir bei! Ich überleb‘ es nicht. Das ist mein Tod.

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Albert: Auch gut. Dann geht alles in einem Aufwasch hin. Haben wir den Beerdigungskuchen gespart.

Dorothea: (zu Ludwig Dürrnagel, außer sich) Du lieber Gott im Himmel - du wirst doch nicht so in die Kirche geh'n wollen?!! Und dann auch noch mit Geige!??

Ludwig: (enthusiastisch) Lasst uns zur Vermählung meiner über alles geliebten Tochter Carmen unter der heiligen Kuppel der Waldkirche Beethovens Ode an die Freude hören. (er singt) ‚Freude, schöner Götter-funken...‘

Aida: (singt weiter) ... ‚Tochter aus Elysium‘ ...

Albert: Das hatten wir noch nicht. Ein gemischter Chor.

Tabea: (empört, laut) Ja wo bin ich denn hier?

Albert: Beim Gesangswettstreit der Ludwig-Singers. (er holt aus der Innentasche seiner Anzugjacke eine weiße Pappkarte mit der Aufschrift 5,4 heraus und hält sie hoch) Fünf Komma Vier!!!

Christoph: (holt ebenfalls aus seiner Innentasche eine weiße Pappkarte mit der Aufschrift 5,7 heraus und hält sie hoch) Fünf Komma Sieben!!! Qualifiziert!

(Beide stecken die Pappkarten wieder in die Innentasche der An-zugjacke.)

Carmen: (zornig, laut) Sind wir hier beim Eiskunstlauf oder beim Heiraten? - Und Pa-pa! Sollte ich in der Kirche auch nur einen einzigen Ton von deinem tauben Beethoven hören, dann...

III, 4. Szene Johann Sebastian: (kommt mit seiner E-Gitarre aus der rechten

Tür und unterbricht Carmen) ...werd‘ ich volle Kanne dazwischenfetzen... da macht der Fun-kenkomponist 'nen Abgang...

Dorothea: (laut) Willst du wohl diese elektrische Kiste wieder in dein Zimmer bringen?

Johann Sebastian: Wenn Papa in der Kirche seinen Trip fährt, dann will ich auch ‘n Ei abbrodeln.

Dorothea: Der tript nicht und du bruzzelst nicht.

Johann Sebastian: Aber Mama, da sind so viele junge Macker im Dom, die ma-chen sich nichts aus Mumienmusik. Da muss Power hin. Hat uns der Mann im schwarzen Umhang gesagt...

Albert: Der meint den Pfarrer.

Johann Sebastian: Genau Opa, genau. Die wollen jetzt mit der Zeit geh'n, haben sie gelabert.

Tabea: (laut) Wann hört man denn hier endlich ein vernünftiges Wort?

Krimhild: (nimmt die Wattestopfen aus den Ohren) Der Schleier rutscht.

Tabea: Das ist ja nicht zum Aushalten.

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III, 5. Szene Frl. Schnarrer: (betritt mit einer Kollegmappe völlig außer Atem

von rechts die Szene) Entschuldigen Sie bitte, es ging nicht eher. Sie wissen ja, der Samstagsverkehr. Aber wie ich sehe, bin ich noch zeitig.

Ludwig: (geht auf sie zu und reicht ihr die Hand) Wir wollten gerade aufbrechen. Haben Sie alles dabei?

Frl. Schnarrer: (deutet auf ihre Kollegmappe) Ich habe vorsichtshalber noch einmal die Noten von der Fünf-ten mitgebracht, falls es die Gäste oder der Pfarrer wünschen sollten. Die Akustik ist wundervoll.

Dorothea: (jedes Wort einzeln betonend) W a s s a g e n S i e ?

Frl. Schnarrer: Ich sagte, die Akustik ist wundervoll. Wir hatten leider keine Möglichkeit in unserer Kirche zu proben.

Dorothea: Wer ist wir?

Frl. Schnarrer: Herr Dürrnagel und ich. - Oh, entschuldigen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin die Organistin. Wir haben Beet-hovens ‚Ode an die Freude‘ mit Orgelbegleitung zur Hochzeit von Fräulein Dürrnagel einstudiert.

Carmen: (wütend, laut. Reißt sich den Schleier vom Kopf und wirft ihn im hohen Bogen hinter die Kulissen) Es hat sich ausgehochzeitet. Soll in der Klapsmühle doch heira-ten wer will.

Alle anderen: (sind geschockt, perplex) Krimhild: (nimmt sich die Wattestopfen aus den Ohren)

Der Schleier ist weg. Dorothea: (fassungslos, einer Ohnmacht nahe)

Aber, mein Kind!!! Aida:

Heilige Mutter Gottes! Albert:

Und wer isst jetzt den ganzen Kuchen? Christoph:

Kuchen? Oh ja. Bitte zweimal Frankfurter Kranz. Tabea: (nimmt Christoph bei der Hand; hochnäsig befehlend)

Christoph! Wir gehen! Das ist ein Tollhaus. Christoph:

Sollte ich vielleicht nicht erst heiraten? Tabea:

In diesem Hause? Nein!!! (Christoph hinter sich herziehend ver-lässt sie nach rechts die Szene)

Carmen: (läuft hinter ihnen her) Christoph, so warte doch! Das hat doch nichts mit uns zu tun.

III, 6. Szene Dorothea: (zornig zu Ludwig Dürrnagel)

Das haben wir alles dir zu verdanken. (weinerlich) Was machen wir denn jetzt? Was machen wir denn jetzt?

Aida: Wer weiß für was es gut ist, wo der doch seinen Kopf nur für das ‚Kufsteinlied‘ hat.

Ludwig: Das Kind kriegen wir auch so groß.

Dorothea: (beginnt zu heulen) Ach das Kind, daran hab ich ja gar nicht mehr gedacht. Das arme Kind . Das arme Kind.

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Hedwig: (betritt im Mantel mit Hut und Fuchspelz und einer Hand-tasche, die fast bis zum Boden hinunterreicht, von rechts die Szene) Wir können geh'n, ich bin so weit. - Ach Gott, Frau Dürrnagel, weinen Sie doch nicht. Ihr Kind is‘ ja nicht aus der Welt.

Albert: Wir haben geschlossen. Braut und Bräutigam sind vergriffen. Fort.

Hedwig: Wer is‘ fort

Krimhild: (nimmt die Wattestopfen aus den Ohren) Der Schleier ist fort.

Johann Sebastian: Dann nehmen wir eben die Nadel von der Rille. War wohl nix. Anstrengend so 'ne Hochzeit. Hätt' ich nicht gedacht. Aber ei-nes weiß ich. Heiraten? Ist bei mir nicht drin. Bin doch nicht be-kloppt. (er geht in das rechte Zimmer)

Albert: Und ich kann meinen Frack auch wieder ausziehen. Passt mir sowieso nicht. Spannt über den Schultern. (er verlässt nach links die Szene)

Aida: Ludwig, stark bleiben, wir siegen! Da, da, da, daaa!!! (sie ver-lässt ebenfalls nach links die Szene)

Ludwig: (mit dünner Stimme, kleinlaut) Da, da, da, daaa.

Dorothea: (zu Fräulein Schnarrer und Frau Maus) Ja, und sie können sich auch wieder verabschieden. Die Vor-stellung ist aus, ehe sie angefangen hat.

Frl. Schnarrer: Und was ist mit meinem Honorar?

Dorothea: Das kann Ihnen Beethoven überweisen.

Hedwig: Da setzt man sich zwei Stunden mit den Lockenwicklern vor den offenen Backofen und dann halten sie einem das Maul sauber.

Dorothea: Machen Sie's halb lang. Sie haben doch sowieso einen Hut auf.

Hedwig: Das war die erste und letzte Hochzeit, die ich bei ihnen mitma-che.

Dorothea: Es hat Sie niemand eingeladen.

Frl. Schnarrer: Was ist nun mit der Liquidation?

Dorothea: Ich sagte Ihnen doch, halten Sie sich (zeigt) an den Violinisten.

Hedwig: (zu Fräulein Schnarrer) Ach, die Dürrnagels schulden Ihnen Geld. Das ist ja interes-sant. Tja, nach außen sieht man das den Leuten meist gar nicht an.

Ludwig: (zu Frau Maus) Gehen Sie wieder nach unten und nehmen Sie den ausgefrans-ten Hamster vom Mantel. In der Schüssel läuft die (? – z.B. ‚Hochzeit vom Immenhof‘ oder vergleichbare TV-Serie). Die können Sie sich ansehen, dann haben Sie Ihre Trauung.

Hedwig: (während sie die Szene nach rechts verlässt) Glauben Sie ja nicht, wenn Sie jetzt liquidiert werden, dass ich mit auf den Friedhof gehe.

Ludwig: (laut) Sie sind noch nicht unten?

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Ganz können wir Ihnen diesen Spieltext hier nicht geben. Ist doch klar, oder?! Wenn Sie dieses Stück spielen wollen – rufen Sie uns an:

Impuls-Theater-Verlag Tel.: 089 / 859 75 77

Dann besprechen wir alles weitere!

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