Heidegger Martin - Die Frage Nach Der Technik

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  • 8/3/2019 Heidegger Martin - Die Frage Nach Der Technik

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    Martin Heidegger:

    DIE FRAGE NACH DER TECHNIK

    Vortrag, gehalten am 18. November 1953 im Auditorium Maximum der Technischen

    Hochschule Mnchen, in der Reihe Die Knste im technischen Zeitalter, veranstaltet von

    der Bayerischen Akademie der Schnen Knste unter Leitung des Prsidenten Emil

    Preetorius, im Druck erschienen in Band III des Jahrbuches der Akademie (Redaktion:

    Clemens Graf Podewils), R. Oldenbourg Mnchen 1954, S. 70 ff.

    Im folgendenfragen wir nach der Technik. Das Fragen baut an einem Weg. Darum ist

    es ratsam, vor allem auf den Weg zu achten und nicht an einzelnen Stzen und Titelnhngenzubleiben. Der Weg ist ein Weg des Denkens. Alle Denkwege fhren, mehr oderweniger vernehmbar, auf eine ungewhnliche Weise durch die Sprache. Wir fragennach der Technikund mchten dadurch eine freie Beziehung zu ihr vorbereiten. Frei istdie Beziehung, wenn sie unser Dasein dem Wesen der Technik ffnet. Entsprechen wirdiesem, dann vermgen wir es, das Technische in seiner Begrenzung zu erfahren. DieTechnik ist nicht das gleiche wie das Wesen der Technik. Wenn wir das Wesen desBaumes suchen, mssen wir gewahr werden, da Jenes, was jeden Baum als Baumdurchwaltet, nicht selber ein Baum ist, der sich zwischen den brigen Bumen antreffenlt.

    So ist denn auch das Wesen der Technik ganz und gar nichts Technisches. Wir erfahrendarum niemals unsere Beziehung zum Wesen der Technik, solange wir nur dasTechnische vorstellen und betreiben, uns damit abfinden oder ihm ausweichen. berallbleiben wir unfrei an die Technik gekettet, ob wir sie leidenschaftlich bejahen oderverneinen. Am rgsten sind wir jedoch der Technik ausgeliefert, wenn wir sie als etwasNeutrales betrachten; denn diese Vorstellung, der man heute besonders gern huldigt,macht uns vollends blind gegen das Wesen der Technik.Als das Wesen von etwas gilt nach alter Lehre jenes, was etwas ist. Wir fragen nach derTechnik, wenn wir fragen, was sie sei. Jedermann kennt die beiden Aussagen, dieunsere Frage beantworten. Die eine sagt: Technik ist ein Mittel fr Zwecke. Die anderesagt: Technik ist ein Tun des Menschen. Beide Bestimmungen der Technik gehren

    zusammen. Denn Zwecke setzen, die Mittel dafr beschaffen und bentzen, ist einmenschliches Tun. Zu dem, was die Technik ist, gehrt das Verfertigen und Bentzenvon Zeug, Gert und Maschinen, gehrt dieses Verfertigte und Bentzte selbst, gehrendie Bedrfnisse und Zwecke, denen sie dienen. Das Ganze dieser Einrichtungen ist dieTechnik. Sie selber ist eine Einrichtung, lateinisch gesagt: ein instrumentum.Die gngige Vorstellung von der Technik, wonach sie ein Mittel ist und einmenschliches Tun, kann deshalb die instrumentale und anthropologische Bestimmungder Technik heien. Wer wollte leugnen, da sie richtig sei? Sie richtet sich offenkundignach dem, was man vor Augen hat, wenn man von Technik spricht. Die instrumentaleBestimmung der Technik ist sogar so unheimlich richtig, da sie auch noch fr diemoderne Technik zutrifft, von der man sonst mit einem gewissen Recht behauptet, siesei gegenber der lteren handwerklichen Technik etwas durchaus Anderes und darumNeues. Auch das Kraftwerk ist mit seinen Turbinen und Generatoren ein von Menschen

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    gefertigtes Mittel zu einem von Menschen gesetzten Zweck. Auch das Raketenflugzeug,auch die Hochfrequenzmaschine sind Mittel zu Zwecken. Natrlich ist eineRadarstation weniger einfach als eine Wetterfahne. Natrlich bedarf die Verfertigungeiner Hochfrequenzmaschine des Ineinandergreifens verschiedener Arbeitsgnge der

    technisch-industriellen Produktion. Natrlich ist eine Sgemhle in einem verlorenenSchwarzwaldtal ein primitives Mittel im Vergleich zum Wasserkraftwerk imRheinstrom.Es bleibt richtig: auch die moderne Technik ist ein Mittel zu Zwecken. Darum bestimmtdie instrumentale Vorstellung von der Technik jede Bemhung, den Menschen in denrechten Bezug zur Technik zu bringen. Alles liegt daran, die Technik als Mittel in dergemen Weise zu handhaben. Man will, wie es heit, die Technik geistig in die Handbekommen. Man will sie meistern. Das Meistern-wollen wird um so dringlicher, jemehr die Technik der Herrschaft des Menschen zu entgleiten droht. Gesetzt nun aber,die Technik sei kein bloes Mittel, wie steht es dann mit dem Willen, sie zu meistern?Allein wir sagten doch, die instrumentale Bestimmung der Technik sei richtig. Gewi.Das Richtige stellt an dem, was vorliegt, jedesmal irgend etwas Zutreffendes fest. DieFeststellung braucht jedoch, um richtig zu sein, das Vorliegende keineswegs in seinemWesen zu enthllen. Nur dort, wo solches Enthllen geschieht, ereignet sich das Wahre.Darum ist das blo Richtige noch nicht das Wahre. Erst dieses bringt uns in ein freiesVerhltnis zu dem, was uns aus seinem Wesen her angeht. Die richtige instrumentaleBestimmung der Technik zeigt uns demnach noch nicht ihr Wesen. Damit wir zudiesem oder wenigstens in seine Nhe gelangen, mssen wir durch das Richtigehindurch das Wahre suchen. Wir mssen fragen: was ist das Instrumentale selbst?Wohin gehrt dergleichen wie ein Mittel und ein Zweck? Ein Mittel ist solches,wodurch etwas bewirkt und so erreicht wird. Was eine Wirkung zur Folge hat, nennt

    man Ursache. Doch nicht nur jenes, mittels dessen ein anderes bewirkt wird, istUrsache. Auch der Zweck, demgem die Art der Mittel sich bestimmt, gilt als Ursache.Wo Zwecke verfolgt, Mittel verwendet werden, wo das Instrumentale herrscht, dawaltet Urschlichkeit, Kausalitt. Seit Jahrhunderten lehrt die Philosophie, es gbe vierUrsachen:l. die causa materialis, das Material, der Stoff, woraus z. B. eine silberne Schaleverfertigt wird; 2. die causa formalis, die Form, die Gestalt, in die das Material eingeht;3. die causa finalis, der Zweck, z. B. der Opferdienst, durch den die bentigte Schalenach Form und Stoff bestimmt wird; 4. die causa efficiens, die den Effekt, die fertigewirkliche Schale erwirkt, der Silberschmied. Was die Technik, als Mittel vorgestellt, ist,enthllt sich, wenn wir das Instrumentale auf die vierfache Kausalitt zurckfhren.

    Wie aber, wenn sich die Kausalitt ihrerseits in dem, was sie ist, ins Dunkel hllt? Zwartut man seit Jahrhunderten so, als sei die Lehre von den vier Ursachen wie einesonnenklare Wahrheit vom Himmel gefallen. Indessen drfte es an der Zeit sein zufragen: weshalb gibt es gerade vier Ursachen? Was heit in Bezug auf die genanntenvier eigentlich Ursache ? Woher bestimmt sich der Ursachecharakter der vierUrsachen so einheitlich, da sie zusammengehren?Solange wir uns auf diese Fragen nicht einlassen, bleibt die Kausalitt und mit ihr dasInstrumentale und mit diesem die gngige Bestimmung der Technik dunkel undgrundlos. Man pflegt seit langem die Ursache als das Bewirkende vorzustellen. Wirkenheit dabei: Erzielen von Erfolgen, Effekten. Die causa efficiens, die eine der vierUrsachen, bestimmt in magebender Weise alle Kausalitt. Das geht so weit, da mandie causa finalis, die Finalitt, berhaupt nicht mehr zur Kausalitt rechnet. Causa,

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    casus, gehrt zum Zeitwort cadere, fallen und bedeutet dasjenige, was bewirkt, daetwas im Erfolg so oder so ausfllt. Die Lehre von den vier Ursachen geht aufAristoteles zurck. Im Bereich des griechischen Denkens und fr dieses hat jedochalles, was die nachkommenden Zeitalter bei den Griechen unter der Vorstellung und

    dem Titel Kausalitt suchen, schlechthin nichts mit dem Wirken und Bewirken zutun. Was wir Ursache, die Rmer causa nennen, heit bei den Griechen aition, das, wasein anderes verschuldet. Die vier Ursachen sind die unter sich zusammengehrigenWeisen des Verschuldens. Ein Beispiel kann dies erlutern.Das Silber ist das, woraus die Silberschale verfertigt ist. Es ist als dieser Stoff (hyle)mitschuld an der Schale. Diese schuldet, d. h. verdankt dem Silber das, woraus siebesteht. Aber das Opfergert bleibt nicht nur an das Silber verschuldet. Als Schale er-scheint das an das Silber Verschuldete im Aussehen von Schale und nicht in demjenigenvon Spange oder Ring. Das Opfergert ist so zugleich an das Aussehen (eidos) vonSchalenhaftem verschuldet. Das Silber, worein das Aussehen als Schale eingelassen ist,das Aussehen, worin das Silberne erscheint, sind beide auf ihre Weise mitschuld amOpfergert. Schuld an ihm bleibt jedoch vor allem ein Drittes. Es ist jenes, was zumvoraus die Schale in den Bereich der Weihe und des Spendens eingrenzt. Dadurch wirdsie als Opfergert umgrenzt. Das Umgrenzende beendet das Ding. Mit diesem Ende hrtdas Ding nicht auf, sondern aus ihm her beginnt es als das, was es nach der Herstellungsein wird. Das Beendende, Vollendende in diesem Sinne heit griechisch telos, wasman allzuhufig durch Ziel und Zweck bersetzt und so mideutet. Das telosverschuldet, was als Stoff und was als Aussehen das Opfergert mitverschuldet.Schlielich ist ein Viertes mitschuld am Vor- und Bereitliegen des fertigenOpfergertes: der Silberschmied; aber keineswegs dadurch, da er wirkend die fertigeOpferschale als den Effekt eines Machens bewirkt, nicht als causa efficiens. Die Lehre

    des Aristoteles kennt weder die mit diesem Titel genannte Ursache, noch gebraucht sieeinen entsprechenden griechischen Namen.Der Silberschmied berlegt sich und versammelt die drei genannten Weisen desVerschuldens. berlegen heit griechisch legein, logos. Es beruht im ???, zumVorschein bringen. Der Silberschmied ist mitschuld als das, von wo her das Vorbringenund das Aufsichberuhen der Opferschale ihren ersten Ausgang nehmen und behalten.Die drei zuvor genannten Weisen des Verschuldens verdanken der berlegung desSilberschmieds, da sie und wie sie fr das Hervorbringen der Opferschale zumVorschein und ins Spiel kommen.In dem vor- und bereitliegenden Opfergert walten somit vier Weisen desVerschuldens. Sie sind unter sich verschieden und gehren doch zusammen. Was einigt

    sie im voraus? Worin spielt das Zusammenspiel der vier Weisen des Verschuldens?Woher stammt die Einheit der vier Ursachen? Was meint denn, griechisch gedacht,dieses Verschulden? Wir Heutigen sind zu leicht geneigt, das Verschulden entwedermoralisch als Verfehlung zu verstehen oder aber als eine Art des Wirkens zu deuten. Inbeiden Fllen versperren wir uns den Weg zum anfnglichen Sinn dessen, was manspter Kausalitt nennt. Solange sich dieser Weg nicht ffnet, erblicken wir auch nicht,was das Instrumentale, das im Kausalen beruht, eigentlich ist.Um uns vor den genannten Mideutungen des Verschuldens zu schtzen, verdeutlichenwir seine vier Weisen aus dem her, was sie verschulden. Nach dem Beispielverschulden sie das Vor- und Bereitliegen der Silberschale als Opfergert. Vorliegenund Bereitliegen (???) kennzeichnen das Anwesen eines Anwesenden. Die vier Weisendes Verschuldens bringen etwas ins Erscheinen. Sie lassen es in das An-wesen

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    vorkommen. Sie lassen es dahin los und lassen es so an, nmlich in seine vollendeteAnkunft. Das Verschulden hat den Grundzug dieses An-lassens in die Ankunft. ImSinne solchen Anlassens ist das Verschulden das Ver-an-lassen. Aus dem Blick auf das,was die Griechen im Verschulden, in der aitia, erfuhren, geben wir dem Wort ver-an-

    lassen jetzt einen weiteren Sinn, so da dieses Wort das Wesen der griechischgedachten Kausalitt benennt. Die gelufige und engere Bedeutung des WortesVeranlassung besagt dagegen nur soviel wie Ansto und Auslsung und meint eineArt von Nebenursache im Ganzen der Kausalitt. Worin spielt nun aber dasZusammenspiel der vier Weisen des Ver-an-lassens ? Sie lassen das noch nichtAnwesende ins Anwesen ankommen. Demnach sind sie einheitlich durchwaltet voneinem Bringen, das Anwesendes in den Vorschein bringt. Was dieses Bringen ist, sagtuns Platon in einem Satz des Symposion (205 b): ??? ???.Jede Veranlassung fr das, was immer aus dem Nicht-Anwesenden ber- und vorgehtin das Anwesen, istpoietis ist Her-vor-bringen.Alles liegt daran, da wir das Her-vor-bringen in seiner ganzen Weite und zugleich imSinne der Griechen denken. Ein Her-vor-bringen, poietis, ist nicht nur dashandwerkliche Verfertigen, nicht nur das knstlerisch-dichtende zum-Scheinen- undins-Bild-Bringen. Auch die physis das von-sich-her Aufgehen, ist ein Her-vor-bringen,ist poietis Die physis ist sogar poietis im hchsten Sinne. Denn das physei Anwesendehat den Aufbruch des Hervor-bringens, z. B. das Aufbrechen der Blte ins Erblhen, inihr selbst (en eanto). Dagegen hat das handwerklich und knstlerisch Her-vor-gebrachte, z. B. die Silberschale, den Aufbruch des Her-vor-bringens nicht in ihmselbst, sondern in einem anderen (en allo), im Handwerker und Knstler. Die Weisender Veranlassung, die vier Ursachen, spielen somit innerhalb des Her-vor-bringens.Durch dieses kommt sowohl das Gewachsene der Natur als auch das Verfertigte des

    Handwerks und der Knste jeweils zu seinem Vorschein. Wie aber geschieht das Her-vor-bringen, sei es in der Natur, sei es im Handwerk und in der Kunst? Was ist das Her-vor-bringen, darin die vierfache Weise des Veranlassens spielt? Das Veranlassen gehtdas Anwesen dessen an, was jeweils im Her-vor-bringen zum Vorschein kommt. DasHer-vor-bringen bringt aus der Verborgenheit her in die Unverborgenheit vor. Her-vor-bringen ereignet sich nur, insofern Verborgenes ins Unverborgene kommt. DiesesKommen beruht und schwingt in dem, was wir das Entbergen nennen. Die Griechenhaben dafr das Wort aleteia. Die Rmer bersetzen es durch veritas. Wir sagenWahrheit und verstehen sie gewhnlich als Richtigkeit des Vorstellens.

    Wohin haben wir uns verirrt? Wir fragen nach der Technik und sind jetzt bei der

    aleteia, beim Entbergen angelangt. Was hat das Wesen der Technik mit dem Entbergenzu tun? Antwort:Alles. Denn im Entbergen grndet jedes Her-vor-bringen. Dieses aber versammelt insich die vier Weisen der Veranlassung -die Kausalitt - und durchwaltet sie. In ihrenBereich gehren Zweck und Mittel, gehrt das Instrumentale. Dieses gilt als derGrundzug der Technik. Fragen wir Schritt fr Schritt, was die als Mittel vorgestellteTechnik eigentlich sei, dann gelangen wir zum Entbergen. In ihm beruht dieMglichkeit aller herstellenden Verfertigung.Die Technik ist also nicht blo ein Mittel. Die Technik ist eine Weise des Entbergens.Achten wir darauf, dann ffnet sich uns ein ganz anderer Bereich fr das Wesen derTechnik. Es ist der Bereich der Entbergung, d. h. der Wahr-heit. Dieser Ausblick

    befremdet uns. Er soll es auch, soll es mglichst lange und so bedrngend, da wirendlich auch einmal die schlichte Frage ernst nehmen, was denn der Name Technik

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    sage. Das Wort stammt aus der griechischen Sprache. Technikon meint solches, was zurtechne gehrt. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Wortes mssen wir zweierleibeachten. Einmal ist techne nicht nur der Name fr das handwerkliche Tun und Knnen,sondern auch fr die hohe Kunst und die schnen Knste. Die technegehrt zum Her-

    vor-bringen, zur poietis;sie ist etwas Poietisches.Das andere, was es hinsichtlich des Wortes techne zu bedenken gilt, ist nochgewichtiger. Das Wort techne geht von frh an bis in die Zeit Platons mit dem Wortepisteme zusammen. Beide Worte sind Namen fr das Erkennen im weitesten Sinne.Sie meinen das Sichauskennen in etwas, das Sichverstehen auf etwas. Das Erkennengibt Aufschlu. Als aufschlieendes ist es ein Entbergen. Aristoteles unterscheidet ineiner besonderen Betrachtung (Eth. Nie. VI, c. 3 und 4) die episteme und die techne undzwar im Hinblick darauf, was sie und wie sie entbergen. Die techne ist eine Weise desaleteiein. Sie entbirgt solches, was sich nicht selber her-vor-bringt und noch nicht vor-liegt, was deshalb bald so, bald anders aussehen und ausfallen kann. Wer ein Haus oderein Schiff baut oder eine Opferschale schmiedet, entbirgt das Her-vor-zu-bringendenach den Hinsichten der vier Weisen der Veranlassung. Dieses Entbergen versammeltim voraus das Aussehen und den Stoff von Schiff und Haus auf das vollendet erschautefertige Ding und bestimmt von da her die Art der Verfertigung. Das Entscheidende dertechne hegt somit keineswegs im Machen und Hantieren, nicht im Verwenden vonMitteln, sondern m dem genannten Entbergen. Als dieses, nicht aber als Verfertigen, istdie techneein Her-vor-bringen.So fhrt uns denn der Hinweis darauf, was das Wort techne sagt und wie die Griechendas Genannte bestimmen, in den selben Zusammenhang, der sich uns auftat, als wir derFrage nachgingen, was das Instrumentale als solches in Wahrheit sei. Technik ist eineWeise des Entbergens. Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und

    Unverborgenheit, wo aleteia, wo Wahrheit geschieht.Gegen diese Bestimmung des Wesensbereiches der Technik kann man einwenden, siegelte zwar fr das griechische Denken und passe im gnstigen Fall auf diehandwerkliche Technik, treffe jedoch nicht fr die moderne Kraftmaschinentechnik zu.Und gerade sie, sie allein ist das Beunruhigende, das uns bewegt, nach der Technikzu fragen. Man sagt, die moderne Technik sei eine unvergleichbar andere gegenberaller frheren, weil sie auf der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft beruhe. In-zwischen hat man deutlicher erkannt, da auch das Umgekehrte gilt: die neuzeitlichePhysik ist als experimentelle auf technische Apparaturen und auf den Fortschritt desApparatenbaues angewiesen. Die Feststellung dieses Wechselverhltnisses zwischenTechnik und Physik ist richtig. Aber sie bleibt eine blo historische Feststellung von

    Tatsachen und sagt nichts von dem, worin dieses Wechselverhltnis grndet. Dieentscheidende Frage bleibt doch: welchen Wesens ist die moderne Technik, da siedarauf verfallen kann, die exakte Naturwissenschaft zu verwenden ?Was ist die moderne Technik? Auch sie ist ein Entbergen. Erst wenn wir den Blick aufdiesem Grundzug ruhen lassen, zeigt sich uns das Neuartige der modernen Technik. DasEntbergen, das die moderne Technik durchherrscht, entfaltet sich nun aber nicht in einHer-vor-bringen im Sinne der poietis. Das in der modernen Technik waltendeEntbergen ist ein Herausfordern, das an die Natur das Ansinnen stellt, Energie zuliefern, die als solche heraus gefrdert und gespeichert werden kann. Gilt dies aber nichtauch von der alten Windmhle? Nein. Ihre Flgel drehen sich zwar im Winde, seinemWehen bleiben sie unmittelbar anheimgegeben. Die Windmhle erschliet aber nichtEnergien der Luftstrmung, um sie zu speichern.

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    Ein Landstrich wird dagegen in die Frderung von Kohle und Erzen herausgefordert.Das Erdreich entbirgt sich jetzt als Kohlenrevier, der Boden als Erzlagersttte. Anderserscheint das Feld, das der Bauer vormals bestellte, wobei bestellen noch hie:hegen und pflegen. Das buerliche Tun fordert den Ackerboden nicht heraus. Im Sen

    des Korns gibt es die Saat den Wachstumskrften anheim und htet ihr Gedeihen.Inzwischen ist auch die Feldbestellung in den Sog eines anders gearteten Be-stellensgeraten, das die Natur stellt. Es stellt sie im Sinne der Herausforderung. Ackerbau ist

    jetzt motorisierte Ernhrungsindustrie. Die Luft wird auf die Abgabe von Stickstoffhingestellt, der Boden auf Erze, das Erz z. B. auf Uran, dieses auf Atomenergie, die zurZerstrung oder friedlichen Nutzung entbunden werden kann.Das Stellen, das die Naturenergien herausfordert, ist ein Frdern in einem doppeltenSinne. Es frdert, indem es erschliet und herausstellt. Dieses Frdern bleibt jedoch imvoraus darauf abgestellt, anderes zu frdern, d. h. vorwrts zu treiben in diegrtmgliche Nutzung bei geringstem Aufwand. Die im Kohlenrevier gefrderteKohle wird nicht gestellt, damit sie nur berhaupt und irgendwo vorhanden sei. Sielagert, d. h. sie ist zur Stelle fr die Bestellung der in ihr gespeicherten Sonnenwrme.Diese wird herausgefordert auf Hitze, die bestellt ist, Dampf zu liefern, dessen Druckdas Getriebe treibt, wodurch eine Fabrik im Betrieb bleibt. Das Wasserkraftwerk ist inden Rheinstrom gestellt. Es stellt ihn auf seinen Wasserdruck, der die Turbinendaraufhin stellt, sich zu drehen, welche Drehung diejenige Maschine umtreibt, derenGetriebe den elektrischen Strom herstellt, fr den die berlandzentrale und ihrStromnetz zur Strombefrderung bestellt sind. Im Bereich dieser ineinandergreifendenFolgen der Bestellung elektrischer Energie erscheint auch der Rheinstrom als etwasBestelltes. Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut wie die alteHolzbrcke, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in

    das Kraftwerk verbaut. Er ist, was er jetzt als Strom ist, nmlich Wasserdrucklieferant,aus dem Wesen des Kraftwerks. Achten wir doch, um das Ungeheuere, das hier waltet,auch nur entfernt zu ermessen, fr einen Augenblick auf den Gegensatz, der sich in denbeiden Titeln ausspricht: Der Rhein, verbaut in das Kraftwerk, und Der Rhein,gesagt aus dem Kunstwerkder gleichnamigen Hymne Hlderlins. Aber der Rhein bleibtdoch, wird man entgegnen, Strom der Landschaft. Mag sein, aber wie? Nicht andersdenn als bestellbares Objekt der Besichtigung durch eine Reisegesellschaft, die eineUrlaubsindustrie dorthin bestellt hat.Das Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, hat den Charakter des Stellensim Sinne der Herausforderung. Diese geschieht dadurch, da die in der Naturverborgene Energie aufgeschlossen, das Erschlossene umgeformt, das Umgeformte

    gespeichert, das Gespeicherte wieder verteilt und das Verteilte erneut umgeschaltetwird. Erschlieen, umformen, speichern, verteilen, umschalten sind Weisen desEntbergens. Dieses luft jedoch nicht einfach ab. Es verluft sich auch nicht ins Unbe-stimmte. Das Entbergen entbirgt ihm selber seine eigenen, vielfach verzahnten Bahnendadurch, da es sie steuert. Die Steuerung selbst wird ihrerseits berall gesichert.Steuerung und Sicherung werden sogar die Hauptzge des herausforderndenEntbergens.Welche Art von Unverborgenheit eignet nun dem, was durch das herausforderndeStellen zustande kommt ? berall ist es bestellt, auf der Stelle zur Stelle zu stehen undzwar zu stehen, um selbst bestellbar zu sein fr ein weiteres Bestellen. Das so Bestelltehat seinen eigenen Stand. Wir nennen ihn den Bestand. Das Wort sagt hier mehr undWesentlicheres als nur Vorrat. Das Wort Bestand rckt jetzt in den Rang eines

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    Titels. Er kennzeichnet nichts Geringeres als die Weise, wie alles anwest, was vomherausfordernden Entbergen betroffen wird. Was im Sinne des Bestandes steht, stehtuns nicht mehr als Gegenstand gegenber.Aber ein Verkehrsflugzeug, das auf der Startbahn steht, ist doch ein Gegenstand.

    Gewi. Wir knnen die Maschine so vorstellen. Aber dann verbirgt sie sich in dem, wasund wie sie ist. Entborgen steht sie auf der Rollbahn nur als Bestand, insofern siebestellt ist, die Mglichkeit des Transports sicherzustellen. Hierfr mu sie selbst inihrem ganzen Bau, in jedem ihrer Bestandteile bestellfhig, d. h. startbereit sein. (Hierwre der Ort, Hegels Bestimmung der Maschine als eines selbstndigen Werkzeugs zuerrtern. Vom Werkzeug des Handwerks her gesehen, ist seine Kennzeichnung richtig.Allein, so ist die Maschine gerade nicht aus dem Wesen der Technik gedacht, in die siegehrt. Vom Bestand her gesehen, ist die Maschine schlechthin unselbstndig; denn siehat ihren Stand einzig aus dem Bestellen von Bestellbarem.)

    Da sich uns jetzt, wo wir versuchen, die moderne Technik als das herausfordernde

    Entbergen zu zeigen, die Worte stellen, bestellen, Bestand aufdrngen und sichin einer trockenen, einfrmigen und darum lstigen Weise hufen, hat seinen Grund indem, was zur Sprache kommt. Wer vollzieht das herausfordernde Stellen, wodurch das,was man das Wirkliche nennt, als Bestand entborgen wird? Offenbar der Mensch.Inwiefern vermag er solches Entbergen? Der Mensch kann zwar dieses oder jenes sooder so vorstellen, gestalten und betreiben. Allein ber die Unverborgenheit, worin sich

    jeweils das Wirkliche zeigt oder entzieht, verfgt der Mensch nicht. Da sich seit Platondas Wirkliche im Lichte von Ideen zeigt, hat nicht Platon gemacht. Der Denker hat nurdem entsprochen, was sich ihm zusprach. Nur insofern der Mensch seinerseits schonherausgefordert ist, die Naturenergien herauszufrdern, kann dieses bestellende

    Entbergen geschehen. Wenn der Mensch dazu herausgefordert, bestellt ist, gehrt dannnicht auch der Mensch, ursprnglicher noch als die Natur, in den Bestand? Dieumlaufende Rede vom Menschenmaterial, vom Krankenmaterial einer Klinik sprichtdafr. Der Forstwart, der im Wald das geschlagene Holz vermit und dem Anscheinnach wie sein Grovater in der gleichen Weise dieselben Waldwege begeht, ist heutevon der Holzverwertungsindustrie bestellt, ob er es wei oder nicht. Er ist in dieBestellbarkeit von Zellulose bestellt, die ihrerseits durch den Bedarf an Papierherausgefordert ist, das den Zeitungen und illustrierten Magazinen zugestellt wird.Diese aber stellen die ffentliche Meinung daraufhin, das Gedruckte zu verschlingen,um fr eine bestellte Meinungsherrichtung bestellbar zu werden. Doch gerade weil derMensch ursprnglicher als die Naturenergien herausgefordert ist, nmlich in das

    Bestellen, wird er niemals zu einem bloen Bestand. Indem der Mensch die Technikbetreibt, nimmt er am Bestellen als einer Weise des Entbergens teil. Allein dieUnverborgenheit selbst, innerhalb deren sich das Bestellen entfaltet, ist niemals einmenschliches Gemchte, so wenig wie der Bereich, den der Mensch jederzeit schondurchgeht, wenn er als Subjekt sich auf ein Objekt bezieht.Wo und wie geschieht das Entbergen, wenn es kein bloes Gemchte des Menschen ist?Wir brauchen nicht weit zu suchen. Ntig ist nur, unvoreingenommen Jenes zuvernehmen, was den Menschen immer schon in Anspruch genommen hat und dies soentschieden, da er nur als der so Angesprochene jeweils Mensch sein kann. Wo immerder Mensch sein Auge und Ohr ffnet, sein Herz aufschliet, sich in das Sinnen undTrachten, Bilden und Werken, Bitten und Danken freigibt, findet er sich berall schonins Unverborgene gebracht. Dessen Unverborgenheit hat sich schon ereignet, so oft sieden Menschen in die ihm zugemessenen Weisen des Entbergens hervorruft. Wenn der

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    Mensch auf seine Weise innerhalb der Unverborgenheit das Anwesende entbirgt, dannentspricht er nur dem Zuspruch der Unverborgenheit, selbst dort, wo er ihmwiderspricht. Wenn also der Mensch forschend, betrachtend der Natur als einem Bezirkseines Vorstellens nachstellt, dann ist er bereits von einer Weise der Entbergung

    beansprucht, die ihn herausfordert, die Natur als einen Gegenstand der Forschunganzugehen, bis auch der Gegenstand in das Gegenstandlose des Bestandesverschwindet. So ist denn die moderne Technik als das bestellende Entbergen kein blomenschliches Tun. Darum mssen wir auch jenes Herausfordern, das den Menschenstellt, das Wirkliche als Bestand zu bestellen, so nehmen, wie es sich zeigt. JenesHerausfordern versammelt den Menschen in das Bestellen. Dieses Versammelndekonzentriert den Menschen darauf, das Wirkliche als Bestand zu bestellen.Was die Berge ursprnglich zu Bergzgen entfaltet und sie in ihrem gefaltetenBeisammen durchzieht, ist das Versammelnde, das wir Gebirg nennen.Wir nennen jenes ursprnglich Versammelnde, daraus sich die Weisen entfalten, nachdenen uns so und so zumute ist, das Gemt.Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahinversammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen - das Ge-stell.Wir wagen es, dieses Wort in einem bisher vllig ungewohnten Sinne zu gebrauchen.Nach der gewhnlichen Bedeutung meint das Wort Gestell ein Gert, z. B. einBchergestell. Gestell heit auch ein Knochengerippe. Und so schaurig wie diesesscheint die uns jetzt zugemutete Verwendung des Wortes Gestell zu sein, ganz zuschweigen von der Willkr, mit der so Worte der gewachsenen Sprache mihandeltwerden. Kann man das Absonderliche noch weiter treiben? Gewi nicht. Allein diesesAbsonderliche ist alter Brauch des Denkens. Und zwar fgen sich ihm die Denkergerade dort, wo es das Hchste zu denken gilt. Wir Sptgeborenen sind nicht mehr

    imstande zu ermessen, was es heit, da Platon es wagt, fr das, was in allem und jedem west, das Wort eidos zu gebrauchen. Denn eidos bedeutet in der alltglichenSprache die Ansicht, die ein sichtbares Ding unserem sinnlichen Auge darbietet. Platonmutet jedoch diesem Wort das ganz Ungewhnliche zu, Jenes zu benennen, was geradenicht und niemals mit sinnlichen Augen vernehmbar wird. Aber auch so ist desUngewhnlichen noch keineswegs genug. Denn idea nennt nicht nur das nichtsinnlicheAussehen des sinnlich Sichtbaren. Aussehen, idea heit und ist auch, was im Hrbaren,Tastbaren Fhlbaren, in jeglichem, was irgendwie zugnglich ist, das Wesen ausmacht.Gegenber dem, was Platon der Sprache und dem Denken in diesem und anderen Fllenzumutet, ist der jetzt gewagte Gebrauch des Wortes Gestell als Name fr das Wesender modernen Technik beinahe harmlos. Indessen bleibt der jetzt verlangte

    Sprachgebrauch eine Zumutung und miverstndlich.Ge-stell heit das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, d. h.herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heit die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet undselber nichts Technisches ist. Zum Technischen gehrt dagegen alles, was wir alsGestnge und Geschiebe und Gerste kennen und Bestandstck dessen ist, was manMontage nennt. Diese fllt jedoch samt den genannten Bestandstcken in den Bezirkder technischen Arbeit, die stets nur der Herausforderung des Ge-stells entspricht, aberniemals dieses selbst ausmacht oder gar bewirkt.Das Wort stellen meint im Titel Ge-stell nicht nur das Herausfordern, es soll zugleichden Anklang an ein anderes Stellen bewahren, aus dem es abstammt, nmlich an

    jenes Her-und Dar-stellen, das im Sinne der poietis das Anwesende in die

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    Unverborgenheit hervorkommen lt. Dieses hervorbringende Her-stellen, z. B. dasAufstellen eines Standbildes im Tempelbezirk und das jetzt bedachte herausforderndeBestellen sind zwar grundverschieden und bleiben doch im Wesen verwandt. Beide sindWeisen des Entbergens, der aleteia. Im Ge-stell ereignet sich die Unverborgenheit,

    dergem die Arbeit der modernen Technik das Wirkliche als Bestand entbirgt. Sie istdarum weder nur ein menschliches Tun, noch gar ein bloes Mittel innerhalb solchenTuns. Die nur instrumentale, die nur anthropologische Bestimmung der Technik wirdim Prinzip hinfllig; sie lt sich nicht durch eine nur dahinter geschaltetemetaphysische oder religise Erklrung ergnzen. Wahr bleibt allerdings, da derMensch des technischen Zeitalters auf eine besonders hervorstechende Weise in dasEntbergen herausgefordert ist. Es betrifft zunchst die Natur als den Hauptspeicher desEnergiebestandes. Dementsprechend zeigt sich das bestellende Verhalten des Menschenzuerst im Aufkommen der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft. Ihre Art desVorstellens stellt der Natur als einem berechenbaren Krftezusammenhang nach. Dieneuzeitliche Physik ist nicht deshalb Experimentalphysik, weil sie Apparaturen zurBefragung der Natur ansetzt, sondern umgekehrt: weil die Physik und zwar schon alsreine Theorie die Natur daraufhin stellt, sich als einen vorausberechenbarenZusammenhang von Krften darzustellen, deshalb wird das Experiment bestellt,nmlich zur Befragung, ob sich die so gestellte Natur und wie sie sich meldet. Aber diemathematische Naturwissenschaft ist doch um fast zwei Jahrhunderte vor der modernenTechnik entstanden. Wie soll sie da schon von der modernen Technik in deren Dienstgestellt sein? Die Tatsachen sprechen fr das Gegenteil. Die moderne Technik kamdoch erst in Gang, als sie sich auf die exakte Naturwissenschaft sttzen konnte.Historisch gerechnet, bleibt dies richtig. Geschichtlich gedacht, trifft es nicht dasWahre.

    Die neuzeitliche physikalische Theorie der Natur ist die Wegbereiterin nicht erst derTechnik, sondern des Wesens der modernen Technik. Denn das herausforderndeVersammeln in das bestellende Entbergen waltet bereits in der Physik. Aber es kommtin ihr noch nicht eigens zum Vorschein. Die neuzeitliche Physik ist der in seinerHerkunft noch unbekannte Vorbote des Ge-stells. Das Wesen der modernen Technikverbirgt sich auf lange Zeit auch dort noch, wo bereits Kraftmaschinen erfunden, dieElektrotechnik auf die Bahn und die Atomtechnik in Gang gesetzt sind.Alles Wesende, nicht nur das der modernen Technik, hlt sich berall am lngstenverborgen. Gleichwohl bleibt es im Hinblick auf sein Walten solches, was allemvoraufgeht: das Frheste. Davon wuten schon die griechischen Denker, wenn siesagten: Jenes, was hinsichtlich des waltenden Aufgehens frher ist, wird uns Menschen

    erst spter offenkundig. Dem Menschen zeigt sich die anfngliche Frhe erst zuletzt.Darum ist im Bereich des Denkens eine Bemhung, das anfnglich Gedachte nochanfnglicher zu durchdenken, nicht der widersinnige Wille, Vergangenes zu erneuern,sondern die nchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frhe zu erstaunen. Frdie historische Zeitrechnung liegt der Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaft im17. Jahrhundert. Dagegen entwickelt sich die Kraftmaschinentechnik erst in der zweitenHlfte des 18. Jahrhunderts. Allein das fr die historische Feststellung Sptere, diemoderne Technik, ist hinsichtlich des in ihm waltenden Wesens das geschichtlichFrhere. Wenn die moderne Physik in zunehmendem Mae sich damit abfinden mu,da ihr Vorstellungsbereich unanschaulich bleibt, dann ist dieser Verzicht nicht vonirgendeiner Kommission von Forschern diktiert. Er ist vom Walten des Ge-stellsherausgefordert, das die Bestellbarkeit der Natur als Bestand verlangt. Darum kann die

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    Physik bei allem Rckzug aus dem bis vor kurzem allein magebenden, nur denGegenstnden zugewandten Vorstellen auf eines niemals verzichten: da sich die Naturin irgendeiner rechnerisch feststellbaren Weise meldet und als ein System vonInformationen bestellbar bleibt. Dieses System bestimmt sich dann aus einer noch

    einmal gewandelten Kausalitt. Sie zeigt jetzt weder den Charakter deshervorbringenden Veranlassens, noch die Art der causa efficiens oder gar der causaformalis. Vermutlich schrumpft die Kausalitt in ein herausgefordertes Meldengleichzeitig oder nacheinander sicherzustellender Bestnde zusammen. Dem entsprcheder Proze des zunehmenden Sichabfindens, den Heisenbergs Vortrag in eindrucks-voller Weise schilderte. (W. Heisenberg, Das Naturbild in der heutigen Physik, in: DieKnste im technischen Zeitalter, Mnchen 1954, S. 43 ff.).Weil das Wesen der modernen Technik im Ge-stell beruht, deshalb mu diese dieexakte Naturwissenschaft verwenden. Dadurch entsteht der trgerische Schein, als seidie moderne Technik angewandte Naturwissenschaft. Dieser Schein kann sich solangebehaupten, als weder die Wesensherkunft der neuzeitlichen Wissenschaft, noch gar dasWesen der modernen Technik hinreichend erfragt werden.

    Wir fragen nach der Technik, um unsere Beziehung zu ihrem Wesen ans Licht zuheben. Das Wesen der modernen Technik zeigt sich in dem, was wir das Ge-stellnennen. Allein der Hinweis darauf ist noch keineswegs die Antwort auf die Frage nachder Technik, wenn antworten heit: entsprechen, nmlich dem Wesen dessen, wonachgefragt wird. Wohin sehen wir uns gebracht, wenn wir jetzt noch um einen Schrittweiter dem nachdenken, was das Ge-stell als solches selber ist? Es ist nichtsTechnisches, nichts Maschinenartiges. Es ist die Weise, nach der sich das Wirkliche alsBestand entbirgt. Wiederum fragen wir: geschieht dieses Entbergen irgendwo jenseitsalles menschlichen Tuns ? Nein. Aber es geschieht auch nicht nur im Menschen undnicht magebend durch ihn. Das Ge-stell ist das Versammelnde jenes Stellens, das denMenschen stellt, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen.Als der so Herausgeforderte steht der Mensch im Wesensbereich des Ge-stells. Er kanngar nicht erst nachtrglich eine Beziehung zu ihm aufnehmen. Darum kommt die Frage,wie wir in eine Beziehung zum Wesen der Technik gelangen sollen, in dieser Form

    jederzeit zu spt. Aber nie zu spt kommt die Frage, ob wir uns eigens als diejenigenerfahren, deren Tun und Lassen berall, bald offenkundig, bald versteckt, vom Ge-stellherausgefordert ist. Nie zu spt kommt vor allem die Frage, ob und wie wir uns eigensauf das einlassen, worin das Ge-stell selber west.Das Wesen der modernen Technik bringt den Menschen auf den Weg jenes Entbergens,

    wodurch das Wirkliche berall, mehr oder weniger vernehmlich, zum Bestand wird.Auf einen Weg bringen dies heit in unserer Sprache: schicken. Wir nennen jenesversammelnde Schicken, das den Menschen erst auf einen Weg des Entbergens bringt,das Geschick. Von hier aus bestimmt sich das Wesen aller Geschichte. Sie ist weder nurder Gegenstand der Historie, noch nur der Vollzug menschlichen Tuns. Dieses wirdgeschichtlich erst als ein geschickliches. (vgl. Vom Wesen der Wahrheit 1930; in ersterAuflage gedruckt 1943, S. 16 f.) Und erst das Geschick in das vergegenstndlichendeVorstellen macht das Geschichtliche fr die Historie, d. h. eine Wissenschaft, alsGegenstand zugnglich und von hier aus erst die gngige Gleichsetzung desGeschichtlichen mit dem Historischen mglich. Als die Herausforderung ins Bestellenschickt das Ge-stell in eine Weise des Entbergens. Das Ge-stell ist eine Schickung des

    Geschickes wie jede Weise des Entbergens. Geschick in dem genannten Sinne ist auchdas Her-vor-bringen, die poitetis. Immer geht die Unverborgenheit dessen, was ist, auf

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    einem Weg des Entbergens. Immer durchwaltet den Menschen das Geschick derEntbergung. Aber es ist nie das Verhngnis eines Zwanges. Denn der Mensch wirdgerade erst frei, insofern er in den Bereich des Geschickes gehrt und so ein Hrenderwird, nicht aber ein Hriger.

    Das Wesen der Freiheit ist ursprunglich nicht dem Willen oder gar nur der Kausalittdes menschlichen Wollens zugeordnet. Die Freiheit verwaltet das Freie im Sinne desGelichteten, d. h. des Entborgenen. Das Geschehnis des Entbergens, d. h. der Wahrheit,ist es, zu dem die Freiheit in der nchsten und innigsten Verwandtschaft steht. AllesEntbergen gehrt in ein Bergen und Verbergen. Verborgen aber ist und immer sich ver-bergend das Befreiende, das Geheimnis. Alles Entbergen kommt aus dem Freien, gehtins Freie und bringt ins Freie. Die Freiheit des Freien besteht weder in derUngebundenheit der Willkr, noch in der Bindung durch bloe Gesetze. Die Freiheit istdas lichtend Verbergende, in dessen Lichtung jener Schleier weht, der das Wesendealler Wahrheit verhllt und den Schleier als den verhllenden erscheinen lt. DieFreiheit ist der Bereich des Geschickes, das jeweils eine Entbergung auf ihren Wegbringt. Das Wesen der modernen Technik beruht im Ge-stell. Dieses gehrt in dasGeschick der Entbergung. Die Stze sagen anderes als die fter verlautende Rede, dieTechnik sei das Schicksal unseres Zeitalters, wobei Schicksal meint: dasUnausweichliche eines unabnderlichen Verlaufs. Wenn wir jedoch das Wesen derTechnik bedenken, dann erfahren wir das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung. Sohalten wir uns schon im Freien des Geschickes auf, das uns keineswegs in einendumpfen Zwang einsperrt, die Technik blindlings zu betreiben oder, was das Selbebleibt, sich hilflos gegen sie aufzulehnen und sie als Teufelswerk zu verdammen. ImGegenteil:wenn wir uns dem Wesen der Technik eigens ffnen, finden wir uns unverhofft in einen

    befreienden Anspruch genommen. Das Wesen der Technik beruht im Ge-stell. SeinWalten gehrt in das Geschick. Weil dieses den Menschen jeweils auf einen Weg desEntbergens bringt, geht der Mensch, also unterwegs, immerfort am Rande derMglichkeit, nur das im Bestellen Entborgene zu verfolgen und zu betreiben und von daher alle Mae zu nehmen. Hierdurch verschliet sich die andere Mglichkeit, da derMensch eher und mehr und stets anfnglicher auf das Wesen des Unverborgenen undseine Unverborgenheit sich einlt, um die gebrauchte Zugehrigkeit zum Entbergen alssein Wesen zu erfahren.Zwischen diese Mglichkeiten gebracht, ist der Mensch aus dem Geschick hergefhrdet. Das Geschick der Entbergung ist als solches in jeder seiner Weisen unddarum notwendig Gefahr. In welcher Weise auch immer das Geschick der Entbergung

    walten mag, die Unverborgenheit, in der alles, was ist, sich jeweils zeigt, birgt dieGefahr, da der Mensch sich am Unverborgenen versieht und es mideutet. So kann,wo alles Anwesende sich im Lichte des Ursache-Wirkungszusammenhangs darstellt,sogar Gott fr das Vorstellen alles Heilige und Hohe, das Geheimnisvolle seiner Ferneverlieren. Gott kann im Lichte der Kausalitt zu einer Ursache, zur causa efficiens,herabsinken. Er wird dann sogar innerhalb der Theologie zum Gott der Philosophen,

    jener nmlich, die das Unverborgene und Verborgene nach der Kausalitt des Machensbestimmen, ohne dabei jemals die Wesensherkunft dieser Kausalitt zu bedenken.Insgleichen kann die Unverborgenheit, dergem sich die Natur als ein berechenbarerWirkungszusammenhang von Krften darstellt, zwar richtige Feststellungen verstatten,aber gerade durch diese Erfolge die Gefahr bleiben, da sich in allem Richtigen dasWahre entzieht.

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    Das Geschick der Entbergung ist in sich nicht irgendeine, sondern die Gefahr.Waltet jedoch das Geschick in der Weise des Ge-stells, dann ist es die hchste Gefahr.Sie bezeugt sich uns nach zwei Hinsichten. Sobald das Unverborgene nicht einmal mehrals Gegenstand, sondern ausschlielich als Bestand den Menschen angeht und der

    Mensch innerhalb des Gegenstandlosen nur noch der Besteller des Bestandes ist, - gehtder Mensch am uersten Band des Absturzes, dorthin nmlich, wo er selber nur nochals Bestand genommen werden soll. Indessen spreizt sich gerade der so bedrohteMensch in die Gestalt des Herrn der Erde auf. Dadurch macht sich der Anschein breit,alles was begegne, bestehe nur, insofern es ein Gemchte des Menschen sei. DieserAnschein zeitigt einen letzten trgerischen Schein. Nach ihm sieht es so aus, alsbegegne der Mensch berall nur noch sich selbst. Heisenberg hat mit vollem Rechtdaraufhingewiesen, da sich dem heutigen Menschen das Wirkliche so darstellen mu(a. a. 0. S. 60 ff.). Indessen begegnet der Mensch heute in Wahrheit gerade nirgendsmehr sich selber, d. h. seinem Wesen. Der Mensch steht so entschieden im Gefolge derHerausforderung des Ge-stells, da er dieses nicht als einen Anspruch vernimmt, da ersich selber als den Angesprochenen bersieht und damit auch jede Weise berhrt,inwiefern er aus seinem Wesen her im Bereich eines Zuspruchs ek-sistiert und darumniemals nur sich selber begegnen kann.Allein das Ge-stell gefhrdet nicht nur den Menschen in seinem Verhltnis zu sichselbst und zu allem, was ist. Als Geschick verweist es in das Entbergen von der Art desBestellens. Wo dieses herrscht, vertreibt es jede andere Mglichkeit der Entbergung.Vor allem verbirgt das Ge-stell jenes Entbergen, das im Sinne der poietis dasAnwesende ins Erscheinen her-vor-kommen lt. Im Vergleich hierzu drngt dasherausfordernde Stellen in den entgegengesetzt-gerichteten Bezug zu dem, was ist. Wodas Ge-stell waltet, prgen Steuerung und Sicherung des Bestandes alles Entbergen. Sie

    lassen sogar ihren eigenen Grundzug, nmlich dieses Entbergen als ein solches nichtmehr zum Vorschein kommen.So verbirgt denn das herausfordernde Ge-stell nicht nur eine vormalige Weise desEntbergens, das Her-vor-bringen, sondern es verbirgt das Entbergen als solches und mitihm Jenes, worin sich Unverborgenheit, d. h. Wahrheit ereignet. Das Ge-stell verstelltdas Scheinen und Walten der Wahrheit. Das Geschick, das in das Bestellen schickt, istsomit die uerste Gefahr. Das Gefhrliche ist nicht die Technik. Es gibt keine Dmonieder Technik, wohl dagegen das Geheimnis ihres Wesens. Das Wesen der Technik ist alsein Geschick des Entbergens die Gefahr. Die gewandelte Bedeutung des Wortes Ge-stell wird uns jetzt vielleicht schon um einiges vertrauter, wenn wir Ge-stell im Sinnevon Geschick und Gefahr denken. Die Bedrohung des Menschen kommt nicht erst von

    den mglicherweise tdlich wirkenden Maschinen und Apparaturen der Technik. Dieeigentliche Bedrohung hat den Menschen bereits in seinem Wesen angegangen. DieHerrschaft des Ge-stells droht mit der Mglichkeit, da dem Menschen versagt seinknnte, in ein ursprnglicheres Entbergen einzukehren und so den Zuspruch eineranfnglicheren Wahrheit zu erfahren. So ist denn, wo das Ge-stell herrscht, im hchstenSinne Gefahr.

    Wo aber Gefahr ist, wchst Das Rettende auch.

    Bedenken wir das Wort Hlderlins sorgsam. Was beit retten ? Gewhnlich meinenwir, es bedeute nur: das vom Untergang Bedrohte gerade noch erhaschen, um es inseinem bisherigen Fortbestehen zu sichern. Aber retten sagt mehr. Retten ist:

    einholen ins Wesen, um so das Wesen erst zu seinem eigentlichen Scheinen zu bringen.Wenn das Wesen der Technik, das Ge-stell, die uerste Gefahr ist und wenn zugleich

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    Hlderlins Wort Wahres sagt, dann kann sich die Herrschaft des Ge-stells nicht darinerschpfen, alles Leuchten jedes Entbergens, alles Scheinen der Wahrheit nur zuverstellen. Dann mu vielmehr gerade das Wesen der Technik das Wachstum desRettenden in sich bergen. Knnte dann aber nicht ein zureichender Blick in das, was das

    Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zumScheinen bringen? Inwiefern wchst dort, wo Gefahr ist, das Rettende auch? Wo etwaswchst, dort wurzelt es, von dort her gedeiht es. Beides geschieht verborgen und stillund zu seiner Zeit. Nach dem Wort des Dichters drfen wir aber gerade nicht erwarten,dort, wo Gefahr ist, das Rettende unmittelbar und unvorbereitet aufgreifen zu knnen.Darum mssen wir jetzt zuvor bedenken, inwiefern in dem, was die uerste Gefahr ist,inwiefern im Walten des Ge-stells das Rettende sogar am tiefsten wurzelt und vondorther gedeiht. Um solches zu bedenken, ist es ntig, durch einen letzten Schrittunseres Weges noch helleren Auges in die Gefahr zu blicken. Dementsprechend mssenwir noch einmal nach der Technik fragen. Denn in ihrem Wesen wurzelt und gedeihtnach dem Gesagten das Rettende. Wie sollen wir jedoch das Rettende im Wesen derTechnik erblicken, solange wir nicht bedenken, in welchem Sinne von Wesen dasGestell eigentlich das Wesen der Technik ist? Bisher verstanden wir das Wort Wesenin der gelufigen Bedeutung. In der Schulsprache der Philosophie heit Wesen jenes,was etwas ist, lateinisch: quid. Die quidditas, die Was-heit gibt Antwort auf die Fragenach dem Wesen. Was z. B. allen Arten von Bumen, der Eiche, Buche, Birke, Tannezukommt, ist das selbe Baumhafte. Unter dieses als die allgemeine Gattung, dasuniversale, fallen die wirklichen und mglichen Bume. Ist nun das Wesen derTechnik, das Ge-stell, die gemeinsame Gattung fr alles Technische ? Trfe dies zu,dann wre z. B. die Dampfturbine, wre der Rundfunksender, wre das Zyklotron einGe-stell. Aber das Wort Gestell meint jetzt kein Gert oder irgendeine Art von

    Apparaturen. Es meint noch weniger den allgemeinen Begriff solcher Bestnde. DieMaschinen und Apparate sind ebensowenig Flle und Arten des Ge-stells wie der Mannan der Schalttafel und der Ingenieur im Konstruktionsbureau. All dies gehrt zwar alsBestandstck, als Bestand, als Besteller je auf seine Art in das Ge-stell, aber dieses istniemals das Wesen der Technik im Sinne einer Gattung. Das Ge-stell ist einegeschickhafte Weise des Entbergens, nmlich das herausfordernde. Eine solchegeschickhafte Weise ist auch das hervor-bringende Entbergen, die poietis. Aber dieseWeisen sind nicht Arten, die nebeneinander geordnet unter den Begriff des Ent-bergensfallen. Die Entbergung ist jenes Geschick, das sich je und jh und allem Denkenunerklrbar in das hervorbringende und herausfordernde Entbergen verteilt und sichdem Menschen zuteilt. Das herausfordernde Entbergen hat im hervorbringenden seine

    geschickliche Herkunft. Aber zugleich verstellt das Ge-stell geschickhaft die poietis. Soist denn das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung zwar das Wesen der Technik, aberniemals Wesen im Sinne der Gattung und der essentia. Beachten wir dies, dann trifftuns etwas Erstaunliches: die Technik ist es, die von uns verlangt, das, was mangewhnlich unter Wesen versteht, in einem anderen Sinne zu denken. Aber inwelchem? Schon wenn wir Hauswesen, Staatswesen sagen, meinen wir nicht dasAllgemeine einer Gattung, sondern die Weise, wie Haus und Staat walten, sichverwalten, entfalten und verfallen. Es ist die Weise, wie sie wesen. J. P. Hebelgebraucht in einem Gedicht Gespenst an der Kanderer Strae, das Goethe besondersliebte, das alte Wort die Weserei. Es bedeutet das Rathaus, insofern sich dort dasGemeindeleben versammelt und das drfliche Dasein im Spiel bleibt, d. h. west. VomZeitwort wesen stammt erst das Hauptwort ab. Wesen, verbal verstanden, ist das

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    Selbe wie whren; nicht nur bedeutungsmig, sondern auch in der lautlichenWortbildung. Schon Sokrates und Platon denken das Wesen von etwas als das Wesendeim Sinne des Whrenden. Doch sie denken das Whrende als das Fortwhrende (aeion). Das Fortwhrende finden sie aber in dem, was sich als das Bleibende durchhlt bei

    jeglichem, was vorkommt. Dieses Bleibende wiederum entdecken sie im Aussehen(eidos, idea), z. B. in der Idee Haus. In ihr zeigt sich jenes, was jedes so Geartete ist.Die einzelnen wirklichen und mglichen Huser sind dagegen wechselnde undvergngliche Abwandlungen der Idee und gehren deshalb zu dem Nichtwhrenden.Nun ist aber auf keine Weise jemals zu begrnden, da das Whrende einzig und alleinin dem beruhen soll, was Platon als die idea, Aristoteles als to ti en einai (jenes, was

    jegliches je schon war), was die Metaphysik in den verschiedensten Auslegungen alsessentia denkt.Alles Wesende whrt. Aber ist das Whrende nur das Fortwhrende? Whrt das Wesender Technik im Sinne des Fortwhrens einer Idee, die ber allem Technischen schwebt,so da von hier aus der Anschein entsteht, der Name die Technik meine einmythisches Abstraktum ? Wie die Technik west, lt sich nur aus jenem Fortwhrenersehen, worin sich das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ereignet. Goethegebraucht einmal (Die Wahlverwandtschaften II. Teil, 10. Kap., in der Novelle Diewunderlichen Nachbarskinder) statt fortwhren das geheimnisvolle Wortfortgewhren. Sein Ohr hrt hier whren und gewhren in einemunausgesprochenen Einklang. Bedenken wir nun aber nachdenklicher als bisher, waseigentlich whrt und vielleicht einzig whrt, dann drfen wir sagen:Nur das Gewhrtewhrt. Das anfnglich aus der Frhe Wahrende ist das Gewhrende.Als das Wesende der Technik ist das Ge-stell das Whrende. Waltet dieses gar im Sinnedes Gewhrenden? Schon die Frage scheint ein offenkundiger Migriff zu sein. Denn

    das Ge-stell ist doch nach allem Gesagten ein Geschick, das in die herausforderndeEntbergung versammelt. Herausfordern ist alles andere, nur kein Gewhren. So sieht esaus, solange wir nicht darauf achten, da auch das Herausfordern in das Bestellen desWirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einenWeg des Entbergens bringt. Als dieses Geschick lt das Wesende der Technik denMenschen in Solches ein, was er selbst von sich aus weder erfinden, noch gar machenkann; denn so etwas wie einen Menschen, der einzig von sich aus nur Mensch ist, gibtes nicht. Allein wenn dieses Geschick, das Ge-stell, die uerste Gefahr ist, nicht nurfr das Menschenwesen, sondern fr alles Entbergen als solches, darf dann diesesSchicken noch ein Gewhren heien ? Allerdings und vollends dann, wenn in diesemGeschick das Rettende wachsen sollte. Jedes Geschick eines Entbergens ereignet sich

    aus dem Gewhren und als ein solches. Denn dieses trgt dem Menschen erst jenenAnteil am Entbergen zu, den das Ereignis der Entbergung braucht. Als der soGebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet. Das Gewhrende, dasso oder so in die Entbergung schickt, ist als solches das Rettende. Denn dieses lt denMenschen in die hchste Wrde seines Wesens schauen und einkehren. Sie beruhtdarin, die Unverborgenheit und mit ihr je zuvor die Verborgenheit alles Wesens aufdieser Erde zu hten. Gerade im Ge-stell, das den Menschen in das Bestellen als dievermeintlich einzige Weise der Entbergung fortzureien droht und so den Menschen indie Gefahr der Preisgabe seines freien Wesens stt, gerade in dieser uersten Gefahrkommt die innigste, unzerstrbare Zugehrigkeit des Menschen in das Gewhrende zumVorschein, gesetzt, da wir an unserem Teil beginnen, auf das Wesen der Technik zuachten. So birgt denn, was wir am wenigsten vermuten, das Wesende der Technik den

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    mglichen Aufgang des Rettenden in sich. Darum liegt alles daran, da wir denAufgang bedenken und andenkend hten. Wie geschieht dies? Vor allem anderen so,da wir das Wesende in der Technik erblicken, statt nur auf das Technische zu starren.Solange wir die Technik als Instrument vorstellen, bleiben wir im Willen hngen, sie zu

    meistern. Wir treiben am Wesen der Technik vorbei. Fragen wir indessen, wie dasInstrumentale als eine Art des Kausalen west, dann erfahren wir dieses Wesende als dasGeschick eines Entbergens.Bedenken wir zuletzt, da das Wesende des Wesens sich im Gewhrenden ereignet, dasden Menschen in den Anteil am Entbergen braucht, dann zeigt sich:Das Wesen der Technik ist in einem hohen Sinne zweideutig. Solche Zweideutigkeitdeutet in das Geheimnis aller Entbergung, d. h. der Wahrheit.Einmal fordert das Ge-stell in das Rasende des Bestellens heraus, das jeden Blick in dasEreignis der Entbergung verstellt und so den Bezug zum Wesen der Wahrheit vonGrund auf gefhrdet. Zum anderen ereignet sich das Ge-stell seinerseits im Gewh-renden, das den Menschen darin whren lt, unerfahren bislang, aber erfahrenervielleicht knftig, der Gebrauchte zu sein zur Wahrnis des Wesens der Wahrheit. Soerscheint der Aufgang des Rettenden.Das Unaufhaltsame des Bestellens und das Verhaltene des Rettenden ziehen aneinandervorbei wie im Gang der Gestirne die Bahn zweier Sterne. Allein dieser ihr Vorbeigangist das Verborgene ihrer Nhe.Blicken wir in das zweideutige Wesen der Technik, dann erblicken wir dieKonstellation, den Sternengang des Geheimnisses.Die Frage nach der Technik ist die Frage nach der Konstellation, in der sich Entbergungund Verbergung, in der sich das Wesende der Wahrheit ereignet.Doch was hilft uns der Blick in die Konstellation der Wahrheit ? Wir blicken in die

    Gefahr und erblicken das Wachstum des Rettenden.Dadurch sind wir noch nicht gerettet. Aber wir sind daraufhin angesprochen, imwachsenden Licht des Rettenden zu verhoffen. Wie kann dies geschehen ? Hier und

    jetzt und im Geringen so, da wir das Rettende in seinem Wachstum hegen. Diesschliet ein, da wir jederzeit die uerste Gefahr im Blick behalten.Das Wesende der Technik bedroht das Entbergen, droht mit der Mglichkeit, da allesEntbergen im Bestellen aufgeht und alles sich nur in der Unverborgenheit des Bestandesdarstellt. Menschliches Tun kann nie unmittelbar dieser Gefahr begegnen. MenschlicheLeistung kann nie allein die Gefahr bannen. Doch menschliche Besinnung kannbedenken, da alles Rettende hheren, aber zugleich verwandten Wesens sein mu wiedas Gefhrdete.

    Vermchte es dann vielleicht ein anfnglicher gewhrtes Entbergen, das Rettende zumersten Scheinen zu bringen inmitten der Gefahr, die sich im technischen Zeitalter ehernoch verbirgt als zeigt?Einstmals trug nicht nur die Technik den Namen techne. Einstmals hie techne auch

    jenes Entbergen, das die Wahrheit in den Glanz des Scheinenden hervorbringt.Einstmals hie techneauch das Hervorbringen des Wahren in das Schne. Techne hieauch die poietis der schnen Knste. Am Beginn des abendlndischen Geschickesstiegen in Griechenland die Knste in die hchste Hhe des ihnen gewhrten Ent-bergens. Sie brachten die Gegenwart der Gtter, brachten die Zwiesprache desgttlichen und menschlichen Geschickes zum Leuchten. Und die Kunst hie nur techne.Sie war ein einziges, vielfltiges Entbergen. Sie war fromm, promos, d. h. fgsam demWalten und Verwahren der Wahrheit. Die Knste entstammten nicht dem Artistischen.

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    Die Kunstwerke wurden nicht sthetisch genossen. Die Kunst war nicht Sektor einesKulturschaffens.Was war die Kunst? Vielleicht nur fr kurze, aber hohe Zeiten? Warum trug sie denschlichten Namen techne ? Weil sie ein her- und vor-bringendes Entbergen war und

    darum in die poietis gehrte. Diesen Namen erhielt zuletzt jenes Entbergen alsEigennamen, das alle Kunst des Schnen durchwaltet, die Poesie, das Dichterische.Der selbe Dichter, von dem wir das Wort hrten:

    Wo aber Gefahr ist, wchst Das Rettende auch.

    sagt uns:

    .. .dichterisch wohnet der Mensch auf dieser Erde.

    Das Dichterische bringt das Wahre in den Glanz dessen, was Platon im Phaidros toekvanestaton nennt, das am reinsten Her vorscheinende. Das Dichterische durchwest

    jede Kunst, jede Entbergung des Wesenden ins Schne. Sollten die schnen Knste in

    das dichterische Entbergen gerufen sein ? Sollte das Entbergen sie anfnglicher in denAnspruch nehmen, damit sie so an ihrem Teil das Wachstum des Rettenden eigenshegen, Blick und Zutrauen in das Gewhrende neu wecken und stiften?Ob der Kunst diese hchste Mglichkeit ihres Wesens inmitten der uersten Gefahrgewhrt ist, vermag niemand zu wissen. Doch wir knnen erstaunen. Wovor? Vor deranderen Mglichkeit, da berall das Rasende der Technik sich einrichtet, bis einesTages durch alles Technische hindurch das Wesen der Technik west im Ereignis derWahrheit. Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum mu diewesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Auseinandersetzung mitihr in einem Bereich geschehen, der einerseits mit dem Wesen der Technik verwandtund andererseits von ihm doch grundverschieden ist. Ein solcher Bereich ist die Kunst.Freilich nur dann, wenn die knstlerische Besinnung ihrerseits sich der Konstellationder Wahrheit nicht verschliet, nach der wir fragen.

    Also fragend bezeugen wir den Notstand, da wir das Wesende der Technik vor lauterTechnik noch nicht erfahren, da wir das Wesende der Kunst vor lauter sthetik nichtmehr bewahren. Je fragender wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, um sogeheimnisvoller wird das Wesen der Kunst. Je mehr wir uns der Gefahr nhern, um soheller beginnen die Wege ins Rettende zu leuchten, um so fragender werden wir. Denndas Fragen ist die Frmmigkeit des Denkens.

    Aus: MARTIN HEIDEGGER: VORTRGE UND AUFSTZE. Pfullingen, VerlagGnther Neske 1954, S. 13 - 44