10
1

Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Leseprobe: Heidemarie Opfinger: Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen, Taschenbuch, 94 Seiten, 10,30 Euro. Unsere Erde und damit auch unsere Umgebung ist voller Pflanzen. Wer sich die Mühe macht, diese auf Augenhöhe zu betrachten, dem werden sie viele Geschichten erzählen. Einige davon sind in diesem Bändchen zusammengetragen. Sie sind mal traurig, mal fröhlich oder nachdenklich, zum Schmunzeln oder einfach nur zum Genießen. Sie sind zum Vorlesen und selber Lesen und für Jung und Alt gleichermaßen geeignet.

Citation preview

Page 1: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

1

Page 2: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Titelbild: © Marisha - Fotolia.comInnenillustration: © Doreen Salcher - Fotolia.comLektorat: Hedda Esselborn

1. Auflage 2012ISBN: 978-3-86196-159-8

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Copyright (©) 2012 by Papierfresserchens MTM-Verlag GbR Heimholzer Straße 2, 88138 Sigmarszell, Deutschland

www.papierfresserchen.de [email protected]

Page 3: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

3

Die Orchideenprinzessin und andere

Pflanzenmärchen

von Heidemarie Opfinger

Page 4: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

4

Page 5: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

5

Anna und die Gänseblümchen 7Augentrost 11Blumenwunder 15Buchen sollst du suchen 18Das Bäumchen der ewigen Liebe 21Das Nesselhemd 25Der Eisenhut 28Die Ährenfee 32Die Orchideenprinzessin 38Die schöne Tulipan 62Die Wacholderkönigin 67Eschenmann und Erlenfrau 69Himmelsschlüssel 73Liebeszauber 78Mohntinte 83Wie die Sonnenblumen zu ihrem Namen kamen 87

Inhalt

Page 6: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

6

Page 7: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

7

Anna und die Gänseblümchen

Es war einmal ein kleines Mädchen namens Anna. Es leb-te mit seinen Eltern und Geschwistern und vielen Tieren auf einem Bauernhof. Der Hof lag abseits des Trubels in einem idyllischen Wiesental, das von dunklen Tannen und hohen Bergen umgeben war. Die kleine Anna liebte es, allein mit den Tieren zu sein. Hier konnte sie ihnen ungestört ihre fan-tastischen Geschichten erzählen, die sie sich gerne ausdachte. Eines Tages aber gab es eine große Überraschung.

Wieder einmal saß Anna auf der Wiese bei einer Schar Gän-se. Die Wiese war übersät mit den hübschen kleinen Blüten der Gänseblümchen. Anna pflückte viele davon, um sich eine Kette und ein Krönchen zu basteln. Dazu ritzte sie mit dem Fingernagel den Blütenstiel ein Stückchen ein und steckte den nächsten hindurch und immer so weiter, bis die Länge einer Kette erreicht war. Dann schmückte sie sich damit. Dabei er-zählte sie den Gänsen: „Ob ihr das verstehen könnt, das weiß ich nicht. Aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als klein zu bleiben. Dann brauche ich nie in die Schule zu gehen und kann immer mit Mama kuscheln und mit euch spielen. Ach, wäre das schön!“

Page 8: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

8

Plötzlich glaubte sie ein Raunen zu hören, dann waren die Worte ganz deutlich: „Du musst Gänseblümchen essen!“ Anna glaubte, sich verhört zu haben. Doch nachdem sie die-sen Satz noch ein zweites und drittes Mal vernommen hatte, verspeiste sie eine Handvoll von den kleinen Blütenköpfchen.

Ein seltsames Gefühl breitete sich daraufhin in ihrem Körper aus und bald merkte sie, dass sie ein Stückchen ge-schrumpft war. Aber nicht nur das. Sie konnte plötzlich ver-stehen, was sich die Gänse so zu schnatterten.

Eine, die sie Bella nannten, weil sie so hübsch war, meinte: „Ich will auch so eine Blumenkette haben. Schließlich bin ich die Schönste hier.“

Da riefen zwei andere: „Du bist schon schön, du brauchst keine Kette mehr. Die wollen wir haben.“

Und eine dritte schnatterte: „Ich bin die Älteste. Ich habe wohl die Kette am meisten verdient.“

Und ehe es sich Anna versah, war ein heftiger Streit mit Zwicken und Federzupfen ausgebrochen. Schnell nahm sie ihre Kette ab, teilte sie, legte jeder Gans eine um und sagte: „So, jetzt müsst ihr nicht mehr streiten. Und wirklich hübsch seid ihr alle.“ Dann zogen sie gemeinsam an den fröhlich plät-schernden Bach, wo sich jede noch einmal im Wasserspiegel bewundern konnte.

Anna hatte insgeheim noch eine ganze Handvoll von den kleinen Gänseblümchen mitgenommen. Und weil sie ange-nehm süß schmeckten, knabberte sie immer wieder ein Blüm-chen. Mit jedem Mal schrumpfte sie ein kleines Stück.

Als sie schon kleiner als die größte Gans war, wandte sich auf einmal der große Gänserich an sie und sagte: „Komm, steig auf meinen Rücken. Ich will dich mitnehmen auf eine kleine Reise.“

Das ließ sich Anna nicht zweimal sagen. Mit einem behän-den Sprung saß sie auf. Dann ging es ab auf dem Bach. Wohl

Page 9: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

9

behütet saß sie zwischen den Flügeln des Gänserichs, die er noch ein wenig angehoben hatte, um Anna mehr Schutz ge-ben zu können.

Was gab es doch in dem Bach alles zu sehen! Geduldig er-klärte der Gänserich: „Die Fische mit den hell schimmernden Punkten sind Bachforellen. Schau, wie sie gegen die Strömung stehen, damit sie immer frisches Wasser bekommen.“ Als es im Uferbereich leise piepste und zwitscherte, machte der Vo-gel Halt und raunte Anna zu: „Verhalte dich ganz still, dann kannst du bald das kleine Wesen entdecken. Schau, das spitze Näschen ist schon zu sehen. Eine Wasserspitzmaus!“

Weiter ging es. Anna hängte ihre Füßchen ins Wasser, zog sie aber mit einem Schrei wieder heraus. An einer ihrer Zehen hing ein kleiner Krebs.

Der Gänserich lachte. „Das ist ein junger Flusskrebs“, er-klärte er schnatternd. Die anderen Gänse lachten. Auch sie hatten so etwas schon erlebt.

Der Bach floss nun in mehreren großen Schleifen, sodass sich ein paar ruhige Buchten gebildet hatten. Im seichten Wasser stand ein Schwarm kleiner Fischchen.

„Das sind junge Gründlinge“, ergriff Bella das Wort, „und dort im Uferschlamm sitzen immer Wasserfrösche. Wenn es Abend wird, hört man hier lautes Quaken.“ Plötzlich fiel ein Stock ins Wasser. Die Gänse schnatterten aufgeregt.

„Schnell weg hier“, rief Anna, „ich habe Angst.“ Aber der große Gänserich beruhigte sie. „Das war nur eine Ringelnatter, die auf Wasserjagd ging. Sie ist ungefährlich, aber trotzdem ist es besser, du hängst deine Füße nicht mehr ins Wasser.“

In einer der anderen Buchten machten sie einen Landaus-flug. Ganz neue Eindrücke eröffneten sich Anna. Blumen und Kräuter, die ihr sonst kaum bis an die Knie reichten, überrag-

Page 10: Heidemarie Opfinger - Die Orchideenprinzessin und andere Pflanzenmärchen

10

ten sie jetzt, und sie konnte nicht einmal mehr einen Strauß für ihre Mutter pflücken. Auch die Vögel in den Bäumen, die sie sonst so liebte, waren fast Ungeheuer. Schlimmer war es noch mit den Fliegen. Die wurden zu echten Plagegeistern, wenn sie diese auch erstmals ohne Vergrößerungsglas ganz nah betrachten konnte.

Die Schar Gänse spürte ihre wachsende Unsicherheit und Unruhe und so rief der Gänserich schnatternd zum Aufbruch. Anna bestieg wieder seinen Rücken. Recht schweigsam ging es zum Ausgangspunkt zurück. Dort bedankte sich Anna für die wunderbare Reise und sagte dann, recht kleinlaut geworden: „Muss ich nun für immer so klein bleiben? Ich möchte doch lieber erwachsen werden.“ Sogar ein paar dicke Tränen kuller-ten ihr jetzt über ihre Bäckchen.

Da entgegnete schnatternd der Ganter: „Wenn du keine Gänseblümchen mehr isst, erreichst du bis Sonnenuntergang wieder deine normale Größe. Dann ist der Zauber vorbei. Du sollst aber zur Erinnerung jedes Jahr die ersten drei Gänse-blümchenblüten essen, die du findest. Dann wirst du das Jahr über gesund bleiben.“

Erschöpft legte sich Anna bei der Gänseschar in die Wie-se und schlief bald ein, während ihr die Gänse ein Schlaflied schnatterten. Als sie bei Sonnenuntergang erwachte, waren die Gänse verschwunden und Anna hatte ihre normale Größe wieder erreicht.