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handeln ›››››› DAS MAGAZIN DES HILFSWERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ | Nr. 327 1 / Februar 2015 Kaffee das Gold Haitis

HEKS-Magazin handeln, Nr. 327, Februar 2015

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Sie fragen sich, wie Themenschwerpunkte in HEKS-Projekten umgesetzt werden und wie die Arbeit praktisch aussieht? Es interessiert Sie, wie HEKS funktioniert und wer die Menschen dahinter sind? Das HEKS-Magazin «handeln» gibt Einblick in die vielfältige Arbeit des Hilfswerks und dessen Partnerorganisationen im In- und Ausland. Schwerpunkt in diesem Heft: Kaffee – das Gold Haitis

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handeln››››››DAS MAGAZIN DES HILFSWERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ | Nr. 327 1 / Februar 2015

Kaffee –das Gold Haitis

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2 EDITORIAL INHALT

Liebe Leserin, lieber LeserIm letzten November entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte inStrassburg, dass die Schweiz eine sechsköpfige Flüchtlingsfamilie aus Afghanistannicht nach Italien ausschaffen kann, ohne dass eine Garantie besteht, dass dort einealtersgerechte Unterbringung und Betreuung der Kinder sichergestellt ist (siehe dazuden Artikel auf den Seiten 18 und 19). Dieses Urteil hat Wellen geworfen.

Der Fall wurde auch politisch kommentiert. Sowar etwa zu lesen, das Urteil zeige, dass das Dublin-Abkommen gescheitert sei und letztlich jene Länderam besten fahren würden, welche die Bedingungenfür Flüchtlinge möglichst harsch gestalten und damiteine abschreckende Wirkung erzielen würden. DieSchweiz sei viel zu attraktiv und müsse rasch ihr Re-gime für Asylsuchende weiter verschärfen, hiess es

etwa in Zeitungskommentaren und in Zuschriften an uns.Wer das Urteil aus Strassburg sorgfältig liest, kommt jedoch zum Schluss, dass

es alles andere als eine Absage an das Dublin-Abkommen ist. Es ist im Gegenteileine Bestätigung dafür, dass sich nur mit einer engen Zusammenarbeit und der So-lidarität zwischen europäischen Staaten ein vernünftiger Umgang mit den Menschenfinden lässt, die bei uns Zuflucht suchen. Indem Italien mehr oder weniger deutlichdafür gerügt wird, dass seine Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge unge-nügend sind und vor allem einer Familie mit kleinen Kindern nicht zugemutet wer-den kann, dass sie allenfalls auf der Strasse landet, wird unmissverständlich zumAusdruck gebracht, dass eine Politik der Abschreckung nicht toleriert wird. Das istein deutliches Zeichen an die Adresse all jener Staaten und politischen Exponenten,die glauben, man müsse Asylsuchende nur schlecht genug behandeln und «das Pro-blem» würde sich von selbst lösen.

Das Urteil des Strassburger Gerichts macht aber auch deutlich, dass das Dublin-Abkommen dringend weiterentwickelt werden muss. Bundesrätin Simonetta Som-maruga hat dies unmittelbar nach dessen Bekanntwerden klar zum Ausdruckgebracht. Periphere Länder, welche sich einem grossen Migrationsdruck aus Afrikaoder dem Mittleren Osten ausgesetzt sehen, sind viel mehr belastet als jene Staaten,die allein aufgrund ihrer geografischen Lage viel weniger Asylgesuche verzeichnen.

Dass Schutzsuchende nicht in mehreren Ländern gleichzeitig Asyl beantragenkönnen, macht Sinn. Aber die Verteilung der Asylsuchenden und anerkanntenFlüchtlinge auf die europäischen Länder muss fairer werden und die nationalen Ver-fahren zur Prüfung von Asylanträgen müssen harmonisiert werden. Nur eine ver-stärkte Kooperation der Staaten bringt gerechte Lösungen im europäischen Raumund schafft menschenwürdige Verhältnisse in allen Aufnahmeländern. Und nur dieSolidarität aller Unterzeichnerstaaten des Dublin-Abkommens kann die heute be-sonders stark von Flüchtlingsströmen betroffenen Länder entlasten.

Das Dublin-Abkommen ist zwar revisionsbedürftig – aber es ist wichtiger dennje! Und die Schweiz ist gut beraten, weiterhin aktiv in diesem Verbund mitzuarbei-ten und ihren Teil zur Linderung der Not von Menschen auf der Flucht beizutragen.

Ob in der Schweiz oder anderswo, HEKS setzt sich dafür ein, dass die Würde vonMenschen, die auf der Flucht sind, weil sie um ihr Leben fürchten, gewahrt wird.Dafür, dass Sie uns dabei unterstützen, danke ich Ihnen von ganzem Herzen.

Ueli Locher

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2 Editorial

3 Mit Land gegen Hunger und

Armut

4 Kaffee – das Gold Haitis

9 Interview mit Matthias Herren

zur Lage in Transkarpatien

12 Wir stellen vor:

Die HEKS-Regionalstelle Bern

15 Patenschaft für Kinder und

Jugendliche in Tschechien

16 10 Jahre nach dem Tsunami:

HEKS zieht Bilanz

18 Kommentar: Ein Plädoyer

für die Menschenwürde

20 Klick

21 10 Fragen an Erica Barate

22 Vermischtes

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3ENTWICKLUNG LÄNDLICHER GEMEINSCHAFTEN

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Mit Land gegen Hunger und Armut

Der fehlende Zugang zu Land ist einer der Hauptgründe für Hunger und Armut. An einer Fachtagung, die HEKS und die DEZA im vergangenen Dezember zu diesem Thema durchführten,standen Landkonflikte und Landrechte im Zentrum. Gerade die Konfliktperspektive sei im internationalen Diskurs zum Thema Zugang zu Land unterrepräsentiert, sagt MartinSchmid, Leiter des Themenberaterteams bei HEKS. INTERVIEW: OLIVIER SCHMID / CHRISTINE SPIRIG

Martin Schmid, gibt es ein Recht auf Land?

Das Recht auf Zugang zu Land istbisher nicht in den Menschenrechtenverankert. Es leitet sich jedoch vomRecht auf Zugang zu Nahrung ab, dasim Internationalen Pakt über wirt-schaftliche, soziale und kulturelleMenschenrechte festgelegt ist. DieVertragsstaaten haben sich verpflich-tet, das Recht auf Nahrung zu re-spektieren und damit den Zugang zunatürlichen Ressourcen wie Saatgut,Wasser und Land zu gewährleisten. Invielen Ländern gibt es zudem einengültigen Rechtsrahmen, der den Zu-gang zu Land regelt. Die Umsetzungist jedoch häufig ungenügend.

Welche Rolle spielen Landkonflikte beim Zugang zu Land?

Der internationale Diskurs zumZugang zu Land findet vor allem ausden drei Perspektiven ländliche Ent-wicklung, Menschenrechte und Wirt-schaftspolitik statt. Die Konfliktkom-ponente als vierte Betrachtungsweiseist unterrepräsentiert. Dabei sind Pro-

bleme rund um den Zugang zu Landfast immer von offenen oder latentenKonflikten begleitet.

Welches Ziel verfolgte die Fach-tagung «Landkonflikte und Land-rechte» von HEKS und der DEZA?

Es ging darum, das Thema weiterzu vertiefen und die eigene Arbeit imVergleich mit anderen Organisationenzu reflektieren. Wichtig waren auchdie Diskussionen über mögliche ge-meinsame Perspektiven und Anstren-gungen.

HEKS hat ein Arbeitspapier zum Thema Zugang zu Land erarbeitet und an der Veranstaltung vorge-stellt. Was beinhaltet es?

Das Dokument beschreibt ein Ana-lyseinstrument, welches dazu dient, dieUrsachen von Landkonflikten odereinem eingeschränkten Zugang zuLand systematisch zu untersuchenund auf dieser Basis geeignete Inter-ventionsstrategien zu entwickeln.Damit können wir noch zielgerichte-ter und wirkungsorientierter arbeiten.

Entstanden ist das Dokument aus der Analyse ausgewählter Projektbei-spiele von HEKS.

HEKS hat langjährige Erfahrung darin, ländliche Gemeinschaften beim Zugang zu Land zu unterstüt-zen. Was sind die wichtigsten Erfolge der letzten Jahre?

In Indien verteilte die RegierungLandtitel für 8600 Hektaren Land an9500 Familien. In Brasilien hat dieländliche Gemeinschaft in VeredaFunda nach 15-jährigem Kampf einenkollektiven Landtitel für rund 5000Hektaren gemeinschaftlich genutztesTerritorium erhalten. In Niger wurden140 Kilometer Durchgangskorridorefür Viehherden geschaffen und soLandkonflikte zwischen sesshaftenBauernfamilien und nomadisierendenViehzüchtern geschlichtet. Erwäh-nenswert sind auch Zwischenerfolgewie in Honduras, wo Betroffene einKomitee zum Schutz vor Gewalt ge-gründet haben und der Landkonfliktnun eine erhöhte internationale Auf-merksamkeit bekommt.

Vertrieben von ihrem Land, leiden die indigenen Guaraní in Brasilien unter Hunger und Armut. Jährlich sterben 41 von 1000 Kindern anUnterernährung, dreimal mehr als im landesweiten Durchschnitt.

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4 ENTWICKLUNG LÄNDLICHER GEMEINSCHAFTEN

Kaffee – das Gold HaitisZu Besuch in der Projektregion Grand’Anse in Haiti. Dort unterstützt HEKS rund 1000 Kaffeebäuerinnen und -bauern in den Gebieten Roseaux und Beaumont. Ziel ist es, die Vertriebskette vom Anbau bis zum Kaffeehandel wiederherzustellen.VON ANNELIES HEGNAUER

ES I S T S E C H S U H R M O R G E N S . In den Dörfernentlang der holprigen, staubigen Durchgangs-strassen der Grand’Anse, ganz im Westen Hai-

tis, herrscht bereits geschäftiges Treiben. Frauen –gelegentlich auch Männer – holen Wasser an oftweit entfernt gelegenen Brunnen oder Bächen.«Zugang zu sauberem Wasser ist das HauptproblemHaitis», sagt Norman F. Wiener, der Regierungsver-treter in der Grand’Anse. Über das verschmutzteWasser verbreitet sich auch die Cholera, an der imsehr armen Karibikstaat viele Menschen erkrankenund oft auch daran sterben. Gemäss Jean WidalFanor, dem Projektkoordinator von HEKS in Jérémie,im westlichsten Zipfel Haitis, hat sich die Situationin den letzten Jahren jedoch verbessert. Grunddafür ist eine breit angelegte Sensibilisierungskam-pagne in Zusammenarbeit mit im Gesundheitsbe-reich tätigen internationalen Hilfswerken sowie diestaatliche Abgabe von Desinfektionsmitteln an dieBevölkerung.

Lange SchulwegeAuch die Kinder machen sich sehr früh auf denWeg zur Schule. Oft sind die Schulwege sehr lang,vor allem für Kinder, die abgelegen wohnen. Nuran den für Busse befahrbaren Verbindungsstrassen

Rechts: Janis Tseloe Silvain vor ihrem Hausbeim Trocknungssieb.Die Bohnen müssen abund zu bewegt werden,damit sie gleichmässigtrocknen.

Links: Die Kinder habenoft sehr lange und be-schwerliche Schulwege.

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6 ENTWICKLUNG LÄNDLICHER GEMEINSCHAFTEN

Links: Versammlung ineinem weit abgelege-nen Dorf.

Rechts oben: Eine grosseSorge der Bevölkerungsind die schlechten undgefährlichen Wege.

Rechts unten: AntoineTseloe schneidet vonSchädlingen befalleneÄste.

ist es etwas einfacher. Dort werden die Schulkinderkostenlos befördert. Sie müssen nur von ihrem Dorfan die Strasse kommen, was dennoch oft weit undbeschwerlich ist. «Für den Transport der Schülerin-nen und Schüler sorgt das Regierungsprogramm‹PSUGO› (‹Programme scolaire universel gratuit etobligatoire›), das vor zwei Jahren eingeführt wor-den ist», berichtet Jean Widal Fanor. Auch bereitsfrüh am Morgen waschen Frauen oder Männer dieWäsche und reinigen die Vorplätze. Männer ver-schwinden mit ihren Macheten im Busch oder inden Gärten, um etwas Essbares wie Mais, Maniok,Früchte oder ein Huhn zu holen. Essen, das für dieganze Familie einen Tag lang reichen wird.

Transport von Gütern und MenschenLastwagen werden mit Waren und Tieren beladen,Menschen drängen sich dazwischen oder findenauf dem Dach einen Platz. Alle wollen sie nach Port-au-Prince, in die Hauptstadt Haitis, wo der Marktspielt. Die Marktchancen sind für die meisten Pro-dukte sehr gut, denn Importwaren sind für dieDurchschnittsbevölkerung unerschwinglich. Im Aus-land begehrt sind vor allem Kaffee und Kakao. InHaiti wachsen spezielle Sorten, für die auf demMarkt die Nachfrage das Angebot bei Weitemübersteigt. An diesem Punkt setzt das HEKS-Projekt«Stärkung von KaffeeproduzentInnen» an.

«Zurzeit werden in der Grand’Anse nur noch5000 Tonnen Kaffee geerntet. Früher waren es20 000. Weil der Weltmarktpreis fiel, die Werk-zeuge für die Verarbeitung fehlten und die Leute

Haiti ist eines der ärmstenLänder der Welt. Schätzun-gen zufolge leben 80 Pro-zent der Bevölkerung unterder Armutsgrenze, 54 Pro-zent davon in extremerArmut. Mehr als sechs deracht Millionen HaitianerIn-nen können ihre Grundbe-dürfnisse nicht befriedigenund haben beispielsweisekeinen Zugang zu Gesund-heitsversorgung. Über dieHälfte der Bevölkerung istarbeitslos. Immer wieder er-schüttern auch Naturkata-strophen das Land undvereiteln die Anstrengun-gen der Produzentinnenund Produzenten zur Er-nährungssicherung. Insbe-sondere das Erdbeben vom Januar 2010 hatte fürzahlreiche Menschen aufHaiti verheerende Folgen.

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nichts mehr zu essen hatten, rissen viele einen Teilihrer nicht mehr lukrativen Kaffeesträucher aus undbegannen stattdessen mit dem Anbau von Mais,Bohnen oder Maniok, um die Familie wenigstensmit dem Notwendigsten versorgen zu können», er-zählt HEKS-Projektkoordinator Antoine Marie Bien-vil. Jetzt, wo sich durch eine Umfeldanalyse gezeigthat, wie einzigartig diese haitianische KaffeesorteTypica, ein hochqualitativer Arabica-Kaffee, ist, hilftdie Partnerorganisation den Begünstigten, die «Kaf-feeplantagen» mit jungen, gesunden Setzlingen,einer abwechslungsreichen Bepflanzung und pro-fessioneller Pflege, biologischer Düngung undSchädlingsbekämpfung wieder urbar zu machenund die Vermarktung zu verbessern.

Jede Familie besitzt etwa eine halbe HektareLand. Auf diesem wachsen verschiedene Früchte-,Getreide- und Gemüsesorten für den Eigenbedarf.Ergänzend pflanzen die Bäuerinnen und BauernKaffee an, um damit zu verdienen, was Schulgeld,Schulmaterial, Salz, Kleider oder Schuhe kosten. Bisjetzt werden die Bohnen getrocknet verkauft, meistan Zwischenhändler, die einen schlechten Preis be-zahlen.

Zum Beispiel …Auch die Familien Tseloe Silvain profitieren vomHEKS-Projekt. Janis (70) ist Mutter von zehn Kin-dern im Alter von 22 bis 44 Jahren. Fünf Familiendes Clans bewirtschaften gemeinsam die Kaffee-pflanzungen. Der jährliche Ertrag liegt bei 25 bis 40Säcken à 60 Kilo. Die Produktionsmenge konnte be-reits deutlich gesteigert werden, Haupterntezeit istim Juli/August. Kleine Mengen können das ganzeJahr über geerntet werden. Im letzten Jahr aller-dings frass der «Scolyte» (Kaffeekirschenbohrer)den Familien fast die halbe Ernte weg. Sie lernten,diesen Käfer biologisch zu bekämpfen. Da es kein biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel zumSpritzen gibt, müssen die befallenen Beeren vonHand abgelesen, vernichtet und anschliessend diebetroffenen Äste geschnitten werden. Mit einemspeziellen, in Wasser aufgelösten Kalkpulver wer-den die Pflanzen gedüngt, was ihnen die not- wendige Widerstandskraft gegen die Schädlingeverleiht. Dank diesen Massnahmen sind die Pflan-zen deutlich gesünder geworden und die Familiensind guter Hoffnung, dass sie im nächsten Jahr kei-nen Ernteausfall mehr zu beklagen haben. Sie er-hielten zudem Kaffeepflanzen-Setzlinge, um ihrenoch vorhandenen Kulturen zu ergänzen, undWerkzeug wie Baumscheren, Macheten und Sägen,mit denen die Pflanzen etwas einfacher und pro-fessioneller bearbeitet werden können. Siebe die-nen dazu, die zum Trocknen ausgelegten Bohnenbei Regen sofort ans Trockene zu bringen.

Wie die Familien Tseloe Silvain profitieren nochrund tausend weitere Familien vom HEKS-Projekt,das aktuell die Verbesserung von Produktions-menge und die Optimierung des Trocknungsvor-gangs zum Ziel hat. Die Bäuerinnen und Bauern

organisieren sich in Fünfergruppen, eine Personübernimmt die Verantwortung. Diese wird geschultund gibt das Wissen weiter an die anderen Grup-penmitglieder. Die Gruppe verkauft den Kaffee ge-meinsam, was grössere Abnahmemengen unddamit einen besseren Preis ermöglicht.

Das Dorf trifft sichHin und wieder finden Versammlungen der Dorf-gemeinschaften statt. Auch bei unserem Projektbe-such versammeln sich rund hundert Frauen undMänner, um über ihre Probleme zu diskutieren.Diese sind vielfältig. Die grösste Sorge ist jedoch derschlechte Weg zum nächstgelegenen grösserenOrt, Beaumont. Die Frauen gehen grosse Risiken ein, da sie auf dem glitschigen Pfad, auf dem ausser

Menschen nur noch Maultiere etwastransportieren können, ihre Waren stun-denlang auf dem Kopf hin- und hertra-gen müssen. Der erste Schritt ist es nun,beim Staat den Bau einer Wegverbin-dung einzufordern. Gelingt dies nicht,könnte die Lösung für die Vermarktungder Produkte eine Mischung zwischentechnischer und finanzieller Unterstüt-zung und Eigenleistung der Bevölkerungbeim Bau eines besseren Weges sein.

Erste Schritte sind gemacht Die Qualität des ohnehin schon gutenKaffees ist besser geworden, die Produk-tionsmenge wurde erhöht und derSchädling «Scolyte» kann in Schach ge-halten werden. Mit dem gemeinsamenVerkauf des Kaffees innerhalb der gebil-deten Gruppen ist der Verkaufspreis ge-stiegen.

Die Gruppenführer wissen um denWert ihres Kaffees und lassen sich vonden Zwischenhändlern nicht mehr wiefrüher über den Tisch ziehen. WeitereSchritte in der Verarbeitung und direk-ten Vermarktung sind geplant: So müs-sen sich die Bäuerinnen und Bauernnoch besser organisieren und ihr Wissenüber die Gruppen hinaus austauschen.Die Trocknungsgitter haben sich be-währt, reichen aber für grössere Men-gen Kaffeebohnen nicht aus, weshalbzusätzlich grössere Gitter geplant sind.Die Produktionsmenge wird weiter ge-steigert und der differenzierte Anbauverbessert.

Für die direkte Vermarktung brauchtes bessere Transportwege. Mit diesen zusätzlichen Massnahmen werden dieKaffeebäuerinnen und -bauern dereinstweniger abhängig sein von Zwischen-händlern und Verarbeitungsfirmen undso ein Einkommen erwirtschaften kön-nen, das sie entscheidend weiterbringt.

Humanitäre Hilfe in derGrand’AnseSeit dreissig Jahren ist HEKS in derGrand’Anse im Bereich Entwick-lungszusammenarbeit tätig. VomErdbeben im Jahr 2010 blieb die Region zwar weitgehend ver-schont. Jedoch kehrten viele Menschen, die einst aus wirt-schaftlichen Gründen die Grand’Anse verlassen und in der Haupt-stadt Port-au-Prince oder in derPetit Goâve ihr Glück versuchthatten, in ihre ehemalige Heimatzurück. Arme Familien musstennun plötzlich zusätzlich Angehö-rige oder Bekannte versorgen, ob-wohl sie oft kaum genügendNahrung für sich selbst hatten.Deshalb unterstützte HEKS Be-günstigte mit Saatgut und Werk-zeugen, die ihnen ermöglichten,mehr Bananen, Gemüse und Reisanzubauen und damit zumindestdie Ernährung zu sichern.

Um die prekäre Situation zuverbessern, wurden zudem 25Häuser renoviert, 15 Kilometer Zugangsstrassen in ländlichen Ge-bieten erneuert und 1080 Stipen-dien an Kinder vergeben, umihnen den Schulbesuch zu ermög-lichen. Diese beiden Phasen derHumanitären Hilfe konnten erfolg-reich umgesetzt und abgeschlos-sen werden. In seinem Engage-ment wendet sich HEKS nunwieder langfristigen Entwicklungs-projekten zu.

Weitere Informationen zu den HEKS-Projekten in Haiti:

www.heks.ch/haiti

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9KIRCHLICHE ZUSAMMENARBEIT

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Matthias Herren, Sie waren kürzlich in Transkarpatien. Warumist HEKS in dieser Region tätig?

Die Region liegt hinter den Kar-paten sehr abgelegen und isoliert

Was sind die Aufgaben des Diakonischen Zentrums?

Die reformierte Kirche über-nimmt in dieser Region eine sehrwichtige Aufgabe und leistet mit demDiakonischen Zentrum Hilfe für dieÄrmsten. Das Zentrum betreibt eineSuppenküche, die täglich rund 240vorwiegend ältere Menschen mitSuppe und Brot versorgt, und verteiltHilfsgüter an Bedürftige. Es führt wei-ter ein Altersheim, weil immer mehrJunge abwandern und die alten Men-schen auf sich alleine gestellt zurück-

vom Rest des Landes. Die Armut unddie sozialen Missstände sind dort sehrgross. Die Arbeitslosigkeit liegt offi-ziell bei etwa 60 Prozent, inoffiziellsind es sogar noch mehr. Es gibt sehrviele kranke Leute. Warum, ist nichtganz klar, aber es könnte damit zu-sammenhängen, dass zu Sowjetzei-ten die Armee in der Region einenAtomwaffenstützpunkt unterhieltund die Gebiete dort zum Teil konta-miniert sind. Zudem ist die Gesund-heitsversorgung in der Region sehrschlecht.

«Die Menschen sind auf Hilfe angewiesen»HEKS unterstützt in der Region Transkarpatien, die ganz im Westen der Ukraine liegt, das Diakonische Zentrum in Beregszász/Berehowe. Ein grosser Teil der Menschen in dieser Region lebt in grosser Armut. Matthias Herren, verantwortlich für die Projekte in der Ukraine, hat die Region kurz vor Weihnachten besucht. VON BETTINA FILACANAVO

Die Armut und die sozialen Missstände in Transkarpatien sind sehr gross.

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Die Menschen können sich Heizkosten und Lebensmittel kaum mehr leisten.

bleiben. Seit einem Jahr gibt es einFrauenhaus für Frauen und Mütter,die in schwierigen Situationen dortZuflucht finden.

Seit längerem herrscht in der Ukraine ein bewaffneter Konflikt mit russischen Separatisten. Wie beeinflusst der Krieg den Westen der Ukraine?

Der Konflikt im Osten betrifft dasganze Land, auch den Westen. Schonvor dem Krieg hatte die Ukraine vielzu wenig Mittel für soziale Aufgaben.Jetzt steht das Land kurz vor demBankrott. Es geht sogar so weit, dassMänner, die von der Armee eingezo-gen werden, ins Diakoniezentrum derreformierten Kirche geschickt wer-den, um dort Hosen, Stiefel und eineJacke zu besorgen. Der Staat ist nichtin der Lage, sie auszurüsten. Hinzukommt, dass Tausende von staatli-chen Stellen gestrichen wurden.Diese Leute stehen heute auf derStrasse. Mit der Sozialhilfe oder Mini-malrente von 80 Schweizerfrankenim Monat kann man nicht leben. Ausdieser Not heraus hat auch die Klein-kriminalität zugenommen.

Transkarpatien ist eineRegion im äussersten Westen der heutigenUkraine und etwa dop-pelt so gross wie der Kanton Zürich. Der ukrai-nische Staat kümmert sichwenig um diese abgele-gene Region, in der eingrosser Teil der Bevölke-rung Ungarisch spricht.Rund 30 Prozent der Be-völkerung Transkarpatiensleben unter dem Existenz-minimum.

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Wie geht die Kirche mit der politi-schen Situation um?

Die Kirche hält sich in politischenFragen stark zurück. Einerseits sagtBischof Sándor Zán Fábián, dass dieKirche für den Frieden da sei und sichnicht in den Konflikt einschaltendürfe. Sie will gerade in einer Situa-tion von Instabilität für die Menscheneine Insel sein. Die reformierte Kirchemuss aber auch vorsichtig sein. Ihrgehören die Ungarischsprachigen an.Diese ethnische Minderheit mit

150 000 Personen kann schnell ein-mal ins Visier des erstarkten ukraini-schen Nationalismus kommen. «HeilUkraine» wurde zu einem gängigenGruss, den sogar Moderatoren amFernsehen benutzen.

Sie haben erwähnt, dass viele junge Menschen migrieren. Was heisst dasfür die Region?

Der Abwanderungsdruck hat seitdem Krieg noch mehr zugenommen.Vor allem die Männer verlassen die

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Vor allem ältere Menschen brauchen Hilfe. Von der kleinen Rente können sie nicht leben.

Ukraine, weil sie grosse Angst haben,von der Armee eingezogen zu wer-den. Mit den Rekrutierungslisten,neben offiziellen auch gefälschten,wird viel Angst und Geld gemacht.Da gibt es auch eine ganze Reihe vonProfiteuren, die Männer gegen Geldvon den Listen entfernen. Verstärktwird auch im Westen des Landes re-krutiert, weil dort die Wahrschein-lichkeit, auf russische Sympathisantenzu stossen, relativ klein ist. Es ist abergerade für die ungarische Minderheit,

die seit bald hundert Jahren in einemfremden Staat lebt, ein Absurdum,für die Ukraine in den Krieg zu zie-hen. Der Krieg und die wirtschaftlicheNot bewirken daher, dass vor allemdie älteren Menschen zurückbleiben.Diese sind meist auf sich alleine ge-stellt und viele davon sind wegenihrer Gebrechlichkeit auf Hilfe ange-wiesen.

Es ist Winter und die Lebensum-stände werden dadurch noch schwieriger, wie überleben die Menschen?

Für viele wird es zunehmendschwieriger. Im Sommer haben sie inihren Gärten noch Gemüse ange-pflanzt oder Hühner gehalten undsich zu einem Teil selber versorgt.Doch im Winter fallen diese Möglich-keiten weg und viele leiden Hunger.Lebensmittel einzukaufen, ist für sieebenfalls fast unmöglich, denn diePreise sind um 20 Prozent gestiegenund höher als in Ungarn. Zur pre-kären Ernährungssituation kommt jetzt zusätzlich noch die Kälte. Viele können ihre Häuser nicht heizen. AusKostengründen hat der Staat ent-schieden, dass im Januar und Februar

die Schulen geschlossen bleiben, weildamit Heizkosten und Lehrerlöhnegespart werden können. Das bedeu-tet aber auch gleichzeitig, dass dieKinder auf ihre einzige warme Mahl-zeit am Tag verzichten müssen.

Wie hilft HEKS zusammen mit dem Diakonischen Zentrum den Men-schen über diese schwierige Zeit?

Zusammen mit unseren Partnernschauen wir, dass in jedem Dorf einGemeinschaftsgebäude geheizt wird,in dem die Menschen Zuflucht vorder Kälte finden. Es sollen gut siebzigÖfen eingebaut werden, die entwe-der mit Holz oder Öl geheizt werdenkönnen. Geplant ist auch die Vertei-lung von Nahrungsmittelpaketen analte, alleinstehende Menschen, dievon der Minimalrente leben müssen.

Weitere Informationen zu denHEKS-Projekten in der Ukraine:

www.heks.ch/ukraine

Das können Sie tun: Spenden für eine warmeStube!Der Einbau eines Ofens für die Behei-zung eines Gemeinschaftszentrumsin Transkarpatien kostet 550 Franken,ein Lebensmittelpaket mit Grundnah-rungsmitteln kostet 10 Franken. HEKSunterstützt diese beiden Projekte.Helfen Sie mit, damit die Menschenin dieser Region sich aufwärmen kön-nen und genug zu essen haben. Vie-len Dank! Spenden mit Vermerk«Projekt 951308»

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12HEKS-REGIONALSTELLEN IN DER SCHWEIZ

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«Ein kleiner Beitrag zu mehr Chancengleichheit»Arbeitsintegration, Vermittlung von Sprachkompetenz und soziale Integration bilden dieSchwerpunkte im vielfältigen Angebot der HEKS-Regionalstelle Bern. Diese Vielfalt sollmöglichst auch in Zukunft gepflegt werden – dem auch im Kanton und in der Bundeshaupt-stadt deutlich spürbaren Spardruck auf die öffentlichen Finanzhaushalte zum Trotz.

VON DIETER WÜTHRICH

«Wir wollen nahe bei den Menschensein.» So umschreibt Ronald Bae-riswyl, Leiter der HEKS-RegionalstelleBern, das Credo seines beruflichenEngagements und desjenigen seinerrund 30 Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter und etwa 50 Kursleitenden an den beiden Standorten Bern und Burgdorf. Allen HEKS-Angebo-ten gemein sei, dass leistungsbeein-trächtigte Jugendliche, Arbeitslose,Sozialhilfebezüger, Migrantinnen undMigranten in ihren intellektuellen,handwerklichen und sozialen Res-sourcen und in ihrer Eigenverant-wortlichkeit und Selbstbestimmunggefördert werden sollen.

In den verschiedenen Integrati-onsprogrammen und Sprachkursen,die die Regionalstelle Bern zum Teilschon seit bald 25 Jahren anbietet,können sich Migrantinnen und Mi-granten, anerkannte Flüchtlinge undvorläufig Aufgenommene mit derKultur und den Gepflogenheiten desGastlandes Schweiz vertraut machen.Die Kurse böten zudem Raum für

einen intensiven interkulturellen Aus-tausch, sässen dort doch zum Bei-spiel ein eritreischer Jungsoldat undeine iranische Ingenieurin nebenein-ander, erzählt Ronald Baeriswyl.

Coaching bei LehrstellensucheUnterstützt und begleitet bei ihrer In-tegration in den schweizerischen Le-bensalltag werden jedoch nicht nurFlüchtlinge und Migrantinnen; die Re-gionalstelle Bern bietet im Rahmendes Programms HEKS KICK auch Ju-gendlichen, die nach der obligatori-schen Schulzeit noch keine beruflicheAnschlusslösung gefunden haben,ein umfassendes Coaching an. DasProgramm zielt zum einen auf dieVerbesserung der schulischen und so-zialen Kompetenzen und bietet zumanderen ein Training in internenWerkstätten an als Vorbereitung aufein externes Berufspraktikum und –im Idealfall – auf eine nachfolgendeBerufslehre. Annähernd die Hälfte derTeilnehmenden seien Jugendliche miteinem Migrationshintergrund, weissRonald Baeriswyl. Die Jugendlichenwürden HEKS in der Regel entwederdurch die kommunalen Sozialdienste,die regionalen Arbeitsvermittlungs-zentren (RAV) oder die Jugendge-richte zugewiesen. «Die Jugendlichenkönnen zwar zu einem solchen Pro-gramm verpflichtet werden, abergrundsätzlich streben wir ein hohesMass an Freiwilligkeit an.» In derRegel seien die Jugendlichen auchtatsächlich motiviert. «Wirklich harteNüsse sind die Ausnahme», betontRonald Baeriswyl.

Doch nicht nur Jugendliche fin-den bei der HEKS-Regionalstelle BernUnterstützung bei der Jobsuche. ImHEKS Stellennetz werden Arbeitslosein rund 400 Unternehmen und Hand-werksbetriebe vermittelt, wo sie einetemporäre, auf ihre Bedürfnisse undKompetenzen angepasste Tätigkeitausüben können. Parallel dazu wer-den sie in Bewerbungstrainings undpersönlichkeitsorientierten Schulun-gen auf eine Rückkehr in den soge-nannten ersten Arbeitsmarkt in derfreien Wirtschaft vorbereitet. Aller-dings, so schränkt Ronald Baeriswylein, je niedriger die Zahl der Arbeits-losen sei, desto schwieriger sei es für die Menschen im HEKS Stellen-netz, eine Arbeitsstelle zu finden.«Es gibt eine Sockelarbeitslosigkeit,und diese bekommen die Leute, dievom HEKS Stellennetz begleitet undunterstützt werden, besonders deut-lich zu spüren», meint Baeriswyl.Langzeitarbeitslose, für die die Rück-kehr in den ersten Arbeitsmarkt zu-sätzlich erschwert ist, werden imProgramm HEKS Visio bei der Ent-wicklung alternativer Perspektivenunterstützt, etwa mit einem Arbeits-einsatz in öffentlich-rechtlichen In-stitutionen.

Neue Gärten – eine ErfolgsgeschichteEine veritable Erfolgsgeschichte imAngebot der Regionalstelle Bernschreibt das Projekt «Neue Gärten».Migrantinnen und Migranten undinsbesondere Flüchtlingsfrauen kön-nen auf von HEKS gepachteten Fami-

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Ronald Baeriswyl, Leiter der HEKS-Regionalstelle Bern

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liengarten-Parzellen in Bern, Burgdorfund Biel zum Eigengebrauch Gemüseund Früchte anbauen und sich gleich-zeitig im Mikrokosmos Familien- garten mit den schweizerischen Ge-pflogenheiten vertraut machen. DieHobbygärtnerinnen und -gärtnerwerden dabei von einer Fachfrau derRegionalstelle Bern unterstützt undbeim fachgerechten Anbaut des Ge-müses angeleitet. Am Anfang sei sei-tens der Schweizer Familiengärtnerschon eine gewisse Skepsis gegen-über den Fremden spürbar gewesen.«Aber diese anfängliche Skepsisweicht meist sehr bald einer gegen-seitigen Akzeptanz. Grosse Konflikteauch unter den Migrantinnen undMigranten hatten wir noch nie undkleine Meinungsverschiedenheitenlassen sich meist sehr gut und raschklären», erzählt Ronald Baeriswyl. Dassei nicht selbstverständlich, denn bisein gegenseitiges Verständnis zwi-schen einem Syrer und einer Tibete-

rin oder einem Kurden entstehe,brauche es schon einiges.

«Vieles ist nur bedingt messbar»Zwar erfreuten sich die Angebote vonHEKS grosser Nachfrage und stiessenauch bei Kanton, Stadt und Gemein-den auf breite Akzeptanz; gleichwohlzeige der Spardruck auf die öffentli-chen Haushalte auch bei der Regio-nalstelle Bern Wirkung, stellt RonaldBaeriswyl fest. Die Frage nach derWirkung eines Projektes oder einerMassnahme werde heute sehr schnellund eindringlich gestellt. Vieles lassesich zwar quantitativ messen und essei sicher legitim, dass sowohl Privat-spender wie auch öffentliche Geldge-ber darauf drängt, dass die von ihnenzur Verfügung gestellten Mittel sowirksam wie möglich eingesetzt wür-den. «Doch die Messbarkeit hat auchihre Grenzen», warnt Ronald Bae-riswyl. Und nennt auch gleich ein Beispiel: «Wenn es einem traumati-

Der junge Eritreer Tesfa-gabir ist Teilnehmer beimProgramm HEKS KICK inBurgdorf. Er absolvierteinen Stage bei der Sani-tärfirma Aeschlimann.HEKS KICK unterstütztstellensuchende Jugend-liche, um ihnen den Ein-stieg in die Berufsweltzu erleichtern.

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14HEKS REGIONALSTELLEN IN DER SCHWEIZ

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sierten Flüchtling, der als Folge seinesseit drei Jahren hängigen Asylverfah-rens depressiv und selbstgefährdet ist,plötzlich besser geht, weil er beimProjekt ‹Neue Gärten› mitmacht,dann ist es wohl ziemlich schwierig,genau zu ermitteln, welchen Anteildie Bewirtschaftung der eigenen Gar-tenparzelle an der Verbesserung sei-nes Gesundheitszustandes hat.» Ein weiteres Problem sieht Baeriswyldarin, dass zwar einerseits der Kos-tendruck ständig steige, gleichzeitigjedoch die zunehmende Komplexitätder Probleme der Klientinnen undKlienten eine immer stärker indivi-dualisierte Betreuung verlange, dieaber wiederum tendenziell mehr Mit-tel erfordere. Grundsätzlich laufe dieZusammenarbeit mit Kanton und Ge-meinden allerdings sehr gut, betontRonald Baeriswyl.«HEKS hat ein gutesImage und wird auch stärker und po-sitiver wahrgenommen als noch voreinigen Jahren. Auf dem Platz Bern

sind wir allerdings nach wie vor einrelativ kleiner Player.»

Gute RahmenbedingungenschaffenRonald Baeriswyl ist es ein Anliegen,seinen Mitarbeitenden auch bei teilweise schwieriger gewordenenRahmenbedingungen ein gutes Ar-beitsumfeld zu ermöglichen. «Ichmöchte eine Atmosphäre schaffen, inder konstruktive Arbeit möglich ist, inder die Mitarbeitenden Freude habenund Zufriedenheit empfinden kön-nen.» Ihn selber, der seit nunmehrsechs Jahren bei HEKS arbeitet, moti-viert vor allem «das spannende Um-feld einer sinnstiftenden Arbeit, woich die Möglichkeit habe, im Kleineneinen Beitrag zu leisten für mehr Chan-cengleichheit».

Und vor allem: «S fägt eifach, mitso motivierte Lüüt zämme z schaffe.»

Das Projekt «Neue Gär-ten» Bern ermöglichtMigrantinnen und Mi-granten und insbeson-dere Flüchtlingsfrauen,in einem von HEKS gepachteten Familien-garten Gemüse undFrüchte anzubauen.

Die HEKS-RegionalstellenMit dieser Serie möchten wir Ihnen die HEKS-Regionalstellen etwas näherbringen. HEKS be-treibt in der Schweiz sechs Regionalstellen, undzwar in Aarau, Basel, Bern, Amriswil, Zürich und das Secrétariat romand in Lausanne. HEKSsetzt sich mit seinen Projekten dafür ein, dassalle Menschen in diesem Land Zugang zum sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaft-lichen Leben haben. Sie erfahren mehr über die Arbeit von HEKS in der Schweiz für sozialbenachteiligte Menschen und über Veränderun-gen, Erreichtes und Herausforderungen in unter-schiedlichen politischen Umfeldern, in denen die Regionalstellen arbeiten.

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15PATENSCHAFT

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Das können Sie tun: Schenken Sie Nächstenliebe!

Mit der Patenschaft «Kirchliche Angebote für die Jugend» unterstützt HEKS unter anderem die Jugendarbeit der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder(EKBB) in Tschechien. Die Kirche mit rund 90 000 Mitgliedern organisiert Jugendtage, Sommerlager und Ferienwochen für behinderte Kinder und Jugendlichemit ihren Angehörigen.VON MONIKA ZWIMPFER

Jedes Jahr bietet die Evangelische Kir-che der Böhmischen Brüder Ferien-wochen für Kinder mit einer Be-hinderung an. Dies ist nur möglichdank des grossen Engagements derKirche und der vielen jungen freiwilli-gen Helferinnen und Helfern. Auchfür die Familie Stefek sind diese be-treuten Ferienlager die einzige Mög-lichkeit, um mit ihren Kindern Ferienzu machen.

Věra und Jan Stefek haben zweiTöchter und zwei Söhne. TochterLucie und Sohn Michal leiden an dergenetisch bedingten Fahr-Krankheit.Verkalkungen im Gehirn schränkenihre geistigen und körperlichen Fä-higkeiten stark ein, und beide sindauf den Rollstuhl angewiesen. Gäbees das Angebot der EKBB nicht, hättedie Familie keine Möglichkeit, ge-meinsam in die Ferien zu fahren.

Schon mehrmals hat Familie Ste-fek eine Woche Ferien in Běleč ver-bracht. Jan möchte das Angebotnicht mehr missen. Er meint: «DieWoche in Běleč ist eine Herzensan-gelegenheit. Wir können uns hiernicht nur erholen, sondern lernenauch andere Eltern mit behindertenKindern sowie liebenswürdige Assis-tentinnen und Assistenten aus ganzTschechien kennen. Unter ihnen istauch Berenika, die uns die ganzeWoche als Freiwillige unterstützt hat.Wir alle haben sie ins Herz geschlos-sen.»

Wichtige FreiwilligeOhne die Hilfe von Freiwilligen wärendie vier Sommerlager, welche dieEKBB jährlich durchführt, nicht denk-bar. Berenika hat sich in einem Kurszur Helferin ausbilden lassen und gibtnun eine Woche ihrer Ferien her, umFamilie Stefek zu begleiten. So kön-nen alle Familienangehörigen etwasErholung geniessen.

Die Lager und Anlässe der Kirchesind für alle Teilnehmenden offen undfinanzieren sich weitgehend selbst.HEKS unterstützt die EKBB bei der Re-krutierung und Ausbildung der frei-willigen Helferinnen und Helfer. Mitihren Angeboten für Kinder und Ju-

gendliche kann die kleine, aber äusserst lebendige Kirche ihre Basisstärken und ihre protestantisch-evan-gelischen Werte an die Gesellschaftweitergeben.

Familie Stefek mit Bere-nika (hinten, mit rotemHaar) und zwei weiterenAssistentinnen. Fo

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Unterstützen Sie dieses wertvolleEngagement mit einer Patenschaftund helfen Sie mit, Nächstenliebein die Tat umzusetzen! Wir dankenIhnen dafür von Herzen. WeitereAuskunft erteilt Ihnen SusanneLoosli, [email protected], Tel 044 36088 09. Den Anmeldetalon findenSie auf der Rückseite dieser Aus-gabe.

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Zehn Jahre nach dem verheerenden Tsunami:

HEKS zieht Bilanz

Am 26. Dezember 2004 löste ein gewaltiges Seebeben vor der Küste Sumatras

eine ganze Reihe verheerender Tsunamis aus. Die riesigen Flutwellen forderten annähernd

250 000 Menschenleben und richteten an den Küsten des Indischen Ozeans

unbeschreibliche Verwüstungen an. Bereits in denersten Stunden leistete das Hilfswerk

der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) mit seinen lokalen Partner-

organisationen humanitäre Soforthilfe. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hat

HEKS zudem zahlreiche Wiederaufbauprojekte initiiert, finanziert und begleitet.

VON DIETER WÜTHRICH

DIE ERKENNTN IS ÜBER DAS WAHRE AUSMASS der Tsunami-Kata-strophe löste weltweit eine bisher beispiellose Welle der Soli-darität aus. In der Schweiz wurden rund 300 Mio. Franken

zugunsten der Tsunami-Opfer gespendet. Auch HEKS beteiligte sich,unterstützt von der Glückskette, der DEZA (Direktion für Entwicklungund Zusammenarbeit) sowie zahlreichen weiteren institutionellen undprivaten Spendern, mit insgesamt zwanzig Projekten im Umfang vonrund 25 Mio. Franken an der Nothilfe und am Wiederaufbau in dendrei mit am stärksten betroffenen Ländern Sri Lanka, Indien und In-donesien.

Neue Häuser und SchulenRund 15,5 Mio. Franken flossen in HEKS-Projekte in Sri Lanka. Davonwurden 10 Mio. Franken für den Wiederaufbau von 5000 zerstörtenoder schwer beschädigten Privathäusern verwendet. Mit 5 Mio. Fran-ken finanziert wurde zudem der Wiederaufbau von zwei Schulen. Dadiese nur 50 bis 75 Meter vom Meeresufer entfernt lagen, wurde derneue Schulkomplex an einem hochwassergeschützten Standort rund1,5 Kilometer im Hinterland errichtet. Ebenfalls stellte das Projekt dieWasserversorgung der Schulen sicher und es wurde eine Gemein-schaftszone gestaltet, die nach der Schule für Aktivitäten der Kinderund Jugendlichen sowie der Dorfbewohner zur Verfügung steht. Fürdie Klassen- und Lehrerzimmer, die Spezialunterrichts- und Verwal-tungsräume sowie die Bibliothek und die Kantine wurden Stühle,Bänke und Tische für alle Schülerinnen und Schüler angeschafft.

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In Indonesien unterstützte HEKS – nebst der humanitären Sofort-hilfe in den Tagen und Wochen nach der Katastrophe – auch denetappenweisen Wiederaufbau von acht abgelegenen, vom Tsunamibesonders schwer getroffenen Dörfern. Insgesamt wurden von HEKSfür alle Soforthilfe- und Wiederaufbauprojekte in Indonesien rund6,276 Mio. Franken eingesetzt.

In Südindien schliesslich fokussierte die Unterstützung durchHEKS auf den Wiederaufbau eines zerstörten Fischerdorfes. Dort wur-den rund 500 erdbebensichere und sturmresistente Häuser, ein Ge-meindesaal für Feste und Versammlungen sowie ein Schutzraumerstellt. Die neuen Häuser wurden 500 Meter von der von der Regie-rung festgelegten Pufferzone entfernt gebaut, was eine weitere Si-cherheitsvorkehrung im Falle einer Naturkatastrophe darstellt. Zudemwurde ein Fischmarkt aufgebaut, damit die Fischer ihren Fang selberund ohne Umweg über Zwischenhändler lagern und verkaufen kön-nen, wodurch sich ihr Einkommen um rund ein Fünftel verbessernliess. Mehrere Jugendliche konnten zudem eine Ausbildung als Mau-rer absolvieren und so beim Aufbau des Fischmarkts und der Unterkünfte mitarbeiten. Schliesslich wurden auch Strassen und Kanalisation instand gestellt. Insgesamt setzte HEKS rund 3,42 Mio.Franken Eigen- und Drittmittel aus Spenden für Nothilfe- und Wie-deraufbauprojekte in Indien ein.

Wirksame HilfeZehn Jahre nach der Katastrophe hat sich die Lebenssituation der imRahmen der verschiedenen HEKS-Projekte unterstützten Tsunami-Opfer spürbar verbessert. Als nachhaltigste und erfolgreichste Mass-nahme nebst der humanitären Soforthilfe erwies sich der Wiederaufbauzerstörter oder schwer beschädigter Häuser. Sie bildeten das Funda-ment für die Sicherstellung der individuellen Lebensgrundlagen derbetroffenen Menschen. Ebenfalls als Erfolg darf rückblickend der vonHEKS initiierte und begleitete Wiederaufbau von zwei Schulen in SriLanka beurteilt werden, die nach einigen Startschwierigkeiten wegenanfänglich zu geringer Schülerzahlen heute auch von den sri-lanki-schen Behörden als Musterbeispiele für das nationale Schulwesen ge-lobt werden. Zu wünschen übrig lässt hingegen der Unterhalt der vonHEKS mitfinanzierten Gemeinschaftszone der beiden Schulen, die of-fenbar nicht (mehr) einem prioritären Bedürfnis der potenziellen Nut-zerinnen und Nutzer entspricht.

Insgesamt aber stellen sowohl die begünstigten Menschen in SriLanka, Indonesien und Indien als auch die lokalen Partnerorganisa-tionen sowie verschiedene, in den letzten Jahren immer wieder durchgeführte unabhängige Evaluationen den Nothilfe- und Wieder-aufbauprojekten von HEKS ein sehr gutes Zeugnis aus. Aus Sicht derunzähligen privaten wie institutionellen Spenderinnen und Spenderbesonders erfreulich ist sicher die Gewissheit, dass ihre von HEKS treu-händerisch eingesetzten Mittel massgeblich dazu beigetragen haben,dass die begünstigten Menschen in den vom Tsunami am schwerstengetroffenen Ländern sich von der Katastrophe erholt haben und neue,zukunftsorientierte Lebensperspektiven entwickeln konnten.

Nach dem Tsunami halfHEKS in Sri Lanka beim Wie-deraufbau von 5000 Privat-häusern und zwei

Schulanlagen. In Südindienwurde ein zerstörtes Fischer-dorf wiederaufgebaut.

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18ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE

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AM 4. NOVEMBER hat der Euro-päische Gerichtshof für Men-schenrechte ein wichtiges

Urteil gefällt betreffend eine afghani-sche Flüchtlingsfamilie mit sechs Kindern, die sich gegen eine Weg-weisung nach Italien aufgrund desDubliner Übereinkommens gewehrthatte (siehe auch «handeln» 4/2014,Anm. Redaktion). Das komplexeThema bot Anlass zu einer auch ineiner breiteren Öffentlichkeit kontro-vers geführten Debatte. Deshalb er-scheint es sinnvoll, noch einmalaufzuzeigen, warum HEKS sich zu-gunsten dieser Familie eingesetzt hat.

Im Auftrag des SchweizerischenEvangelischen Kirchenbundes arbei-tet HEKS seit 1949 für die Flücht-lingshilfe und hat sich dieser af-ghanischen Flüchtlingsfamilie im Rah-men einer Rechtsberatung angenom-men. HEKS bietet asylsuchendenPersonen in der Schweiz kostenloseRechtsberatung an sieben verschie-denen Anlaufstellen. Die Familie re-kurrierte gegen den Entscheid desBundesamts für Migration (BFM) –ihre Wegweisung nach Italien. Nach-dem das Bundesverwaltungsgerichtdas Gesuch abgelehnt hatte, hat un-sere Rechtsberatungsstelle für Asylsu-chende in Lausanne den Fall vor denEuropäischen Gerichtshof für Men-schenrechte gebracht und um die ge-naue Prüfung der folgenden beidenPunkte gebeten. Der erste Punkt be-traf die Frage nach der Unterbrin-gungssituation der Flüchtlinge inItalien: Sind die Bedingungen soschlecht, dass das Wohlergehen derFamilie bei einer Rückführung nachItalien gefährdet wäre? HEKS hat ge-stützt auf zahlreiche Berichte fol-

gende Fakten aufgezeigt: In Italienhat es mehr als 60 000 Asylsuchende,aber weniger als 10 000 Unterkunfts-möglichkeiten. Zahlreiche Flüchtlingelanden deswegen auf der Strasse.

Der zweite Punkt bezog sich aufdas Asylverfahren gemäss Dubli-ner Abkommen, welches von denSchweizer Behörden geführt wordenwar: Wurde der Sachverhalt ausrei-chend geprüft, um der Familie dieGründe für die Ablehnung der Rück-führung nach Italien darzulegen?HEKS vertrat den Standpunkt, dassdas Bundesamt für Migration dasDublin-Übereinkommen ungenügendumgesetzt habe. Weiter war HEKSder Meinung, dass die Verhandlungzu wenig auf die besondere Situationdieser Flüchtlingsfamilie eingegangenwar: Die Familie mit kleinen Kindernwurde genau gleich behandelt wieein gesunder, 21-jähriger, alleinste-hender Mann.

Was sagt nun das Urteil des Gerichtshofs aus? Zunächst und imGegensatz dazu, was häufig gesagtwurde, verurteilt es weder dieSchweiz noch stellt es das Dublin-Ab-kommen in Frage. Es sagt hauptsäch-lich und im Konjunktiv aus, dass «derArtikel 3 der Europäischen Men-schrechtskonvention verletzt würde,wenn die Flüchtlinge nach Italien zu-rückgeschafft würden, ohne dass dieSchweiz bei den italienischen Behör-den vorgängig eine Garantie für diealtersgerechte Betreuung der Kinderund die Wahrung des Familienver-bands eingeholt hatte». Die prekärenUmstände in Italien wurden zum ersten Mal anerkannt, ohne dass dasLand dafür verurteilt wurde, was das Dublin-Übereinkommen verletzt

hätte. Der Gerichtshof hat seine Rolleals Hüter der Menschenrechte wahr-genommen und durch die Forderungnach der Einholung der Garantienumgesetzt. Der Gerichtshof stellte dieWürde der Schwächsten im DublinerSystem ins Zentrum seiner Erwägun-gen und erinnerte daran, dass sich dieUmsetzung nicht auf die Verwaltungvon menschlichen Ressourcen redu-zieren lässt.

Warum hat sich HEKS für dieFlüchtlingsfamilie eingesetzt? Weilder Respekt der Menschenwürde imMittelpunkt unseres Engagementssteht, sowohl in diesem Fall als auchin unserer ganzen Arbeit in derSchweiz und auf der ganzen Welt. Improtestantischen Erbe unserer Orga-nisation und auch in der Europäi-schen Menschenrechtskonvention istdie Menschenwürde nicht als eine ab-strakte Idee verankert, sondern wirdgeachtet. Die Einzigartigkeit jedesMenschen zählt. Der Fall, für den wiruns engagiert haben, ist nicht längerein anonymes «Dublin-Verfahren»,sondern eine besondere Familie. IhreWürde wurde wiederhergestellt.

Mehr Informationen:www.heks.ch/strassburgEGMR

Ein Plädoyer für die Menschenwürde KOMMENTAR VON PHILIPPE BOVEY (LEITER SECRÉTARIAT ROMAND)

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Südsudan: Die Idylle trügt, ein Viehbauer vom Stamm der Dinka mit seinenZeburindern in der Abendsonne. Die Dinka sind eine afrikanische Ethnie imSüdsudan. Dort herrscht seit über einem Jahr ein grausamer Bürgerkrieg.

Bereits seit Februar2014 unterstütztHEKS in enger Zu-sammenarbeit mitseiner norwegischenSchwesterorganisa-tion NorwegianChurch Aid (NCA)ein Nothilfeprojekt in zwei Flüchtlings-camps der ProvinzCentral Equatoria. ImSüdsudan sind zweiMillionen Menschenvor dem tobendenBürgerkrieg auf derFlucht, mehr als20 000 sind gestor-ben. Tausende Kin-der leiden Hunger.Das Projekt wird vonder Glückskette mit-finanziert.

Spenden bitte aufdas PC-Konto 80-1115-1 mit dem Ver-merk «HumanitäreHilfe Südsudan». Fo

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Was machen Sie heute beruflich?

Seit einem halben Jahr arbeite ichim Diakonischen Zentrum der refor-mierten Kirche in Beregszász in Trans-karpatien.

Was beschäftigt Sie momentan am meisten?

Für mich ist es am wichtigsten,armen Menschen zu helfen undderen Leben ein wenig glücklicher zumachen. Dann versuche ich, meinenneuen, anspruchsvollen Job so gutwie möglich auszuführen. Mich be-schäftigt auch die Situation in derUkraine sehr, denn der Krieg bringt soviele Probleme mit sich. Die Schulenhaben zum Beispiel kein Geld mehrfür die Heizung und das Essen für dieKinder.

Wie sind Sie mit HEKS in Kontakt gekommen?

Ich hörte bereits von HEKS, alsich in meiner Wohngemeinde Ka-szony in die Kirche ging. Und seit ich

natürlich im Diakonischen Zentrumarbeite, das von HEKS unterstütztwird.

Wie wohnen Sie?Ich wohne zusammen mit mei-

nen Eltern in Kaszony, das etwazwanzig Kilometer von Beregszászliegt.

Was haben Sie gestern geges-sen?

Ich habe gestern etwas von zuHause mitgenommen. Am Mittaghabe ich zudem Suppe aus der Sup-penküche gegessen.

Was macht Sie glücklich?Ich bin gerne mit anderen Men-

schen zusammen und mag es, mitihnen über das Leben zu diskutieren.Wenn ich dann in einem Gesprächein Problem von jemandem lösenkann, macht mich das glücklich. Ichfreue mich auch, wenn ich mal inTranskarpatien oder nach Ungarn rei-sen kann.

Was macht Ihnen Angst?Ich bin eigentlich keine ängstliche

Person. Ich versuche, auf Gott zu ver-trauen. Betreffend die Situation in derUkraine versuche ich, die positivenSeiten zu sehen. Manchmal fürchteich mich davor, alleine in der Dunkel-heit zu laufen.

Was bringt Sie zum Lachen?Wenn meine Freunde lustige Ge-

schichten erzählen oder ich solchelese, oder Komödien am Fernsehen.

Ein schöner Moment, an den Sie sich erinnern?

Als mich meine Freunde an mei-nem Geburtstag mit einer Party über-raschten. Ich versuche jeden Tag,glückliche Momente zu entdecken.

Was ist Ihr grösster Wunsch?Ich möchte die Menschen um

mich herum glücklicher und meine in-teressante Arbeit weiter machen.

10 Fragen an Erica Barate

Erica Barate ist 21 Jahre alt und wohnt in Kaszony im Westen der Ukraine. Sie ist Mitarbeiterin im DiakonischenZentrum in Beregszász.

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22 VERMISCHTES

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IMPRESSUM Nr. 327 1 / FEBRUAR 2015handeln. Das Magazin des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz. Erscheint 4-mal jährlich. Auflage 52 000 Redaktionsleitung:Dieter Wüthrich Redaktion: Bettina Filacanavo Fotoredaktion: Sabine Buri Korrektorat: www.korr.ch Gestaltung: Herzog Design, Zürich Druck:Kyburz AG, Dielsdorf Papier: LEIPA ultraLux silk /Recycled /FSC Material Abonnement: Fr. 10.–/Jahr, wird jährlich einmal von Ihrer Spende abgezogenAdresse: HEKS, Seminarstrasse 28, Postfach, 8042 Zürich, Telefon 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01, E-Mail [email protected], Internet www.heks.ch bzw.www.eper.ch HEKS-Spendenkonto: Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, PC 80-1115-1

5. Langnauer Benefiz-BrunnenkonzertVor Weihnachten fand in der reformierten Kirche Lang-nau am Albis das fünfte Benefiz-Brunnenkonzert statt.22 Jugendliche musizierten und sammelten für einBrunnenprojekt von HEKS. Dieses Jahr wurde wieder einabwechslungsreiches Programm geboten. Insgesamtkamen 1117 Franken an Spendengeldern im Rahmender Konzertkollekte zusammen. Das HEKS-Projekt um-fasst den Bau von sechs Brunnen und den Trinkwasser-zugang von neun Dörfern. Zielgruppe des HEKS-Projektssind 26 000 Menschen und 6000 Tiere. Wir bedankenuns ganz herzlich für das soziale Engagement der jun-gen Musikerinnen und Musiker.

HEKS-Weihnachtssong «Ensemble»Um sich bei seinen Spenderinnen und Spendern zu be-danken, haben fünfzehn Mitarbeitende von HEKS im De-zember den Weihnachtssong «Ensemble» aufgenommen.«Ensemble» wurde im Rahmen der Migros-Spendenak-tion vor Weihnachten zum Download angeboten, gesun-gen von dreiundzwanzig bekannten KünstlerInnen ausder Schweizer Musikszene. Die Spendengelder dieser Ak-tion sind auch HEKS zugutegekommen. Das Video wurdeals Weihnachtsgruss und als Dank an die Spendenden vonHEKS mit dem Newsletter verschickt. Wer das Video nochnicht gesehen hat, der kann es sich hier anschauen:www.heks.ch/weihnachtsgruss

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Kommen Sie mit auf unsere HEKS-Reise in die Republik Moldau

Möchten Sie die Republik Moldau kennenlernen? Im kleinen Landnördlich des Donaudeltas mischen sich Einflüsse von Orient undOkzident. Die Moldau hat mit ihren unberührten Wäldern, end-losen Weinbergen und Baumnussalleen, alten Felsenklöstern undmalerischen Dörfern viel zu bieten. Auf der Reise können Sie das

bei uns kaum bekannte Land unter der kundigen Führung unse-rer einheimischen Koordinatorin kennenlernen und haben dabeiauch die Gelegenheit, HEKS-Projekte zu besuchen und mit ein-heimischen Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen.

Anmeldung für die Reise und weitere Informationen auf www.heks.ch/Veranstaltungenoder bei Regula Demuth, [email protected]. Anmelde-schluss ist der 31. Mai 2015.