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Susanne Robra-Bissantz: Herausforderung Webgesellschaft Neujahrsvortrag Rotenburg / Wümme
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Die Webgesellschaft als Herausforderung für mittelständische Unternehmen
Rotenburg/Wümme, 17.01.2013
(Vorlage)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich sehr, Sie beim Start in dieses neue Jahr begleiten zu dürfen. Beim
Start in das Jahr 2013.
Rechtzeitig zu diesem Jahr 2013 findet sich auf den Beststellerlisten das Werk von
Florian Illies – zum Jahr 1913. Was er im Wesentlichen beschreibt, ist eigentlich
ganz klar – trotzdem finde ich es super interessant, wie er aufzeigt, dass keiner in
diesem Jahr damit rechnete, wie stark sich die Welt im darauf folgenden Jahr 1914
ändern sollte. Leider ist es ja immer so, dass man erst im Nachhinein so richtig
schön und einfach erklären kann, warum und wie sich Entwicklungen andeuteten.
Wenn man mitten drin steckt, dann stellt man – wie z. B. 1913 fest, dass eine erste
Boutique einer Kleiderei in Paris eröffnet wird – heute Chanel, dass ein kleiner Junge
das erste Mal eine Trompete in der Hand hält – und dann Louis Armstrong wird, oder
Hitler, Stalin, Trotzki und Tito im Schlosspark Schönbrunn spazieren gehen, zwar
nicht gemeinsam aber im selben Jahr.
Doch bevor Sie nun beginnen, in Ihrer Einladung zu blättern, ob der diesjährige
Vortrag vielleicht doch eher über schöne Literatur als über das Internet gehen sollte –
halten Sie ein. Denn genau nun wenden wir uns wieder dem kommenden Jahr 2013
zu.
In diesem stecken wir nun auch schon wieder eine Zeitlang drin. Was erwarten wir,
was beobachten wir? Revolutionen in Nordafrika, eine Veränderung in politischen
Landschaften, von denen die mangelnde Wahlbeteiligung nur eine Sorge ist, sowie,
wie schon lange, Märkte, die immer enger werden, auf denen Kunden individuell und
mit ihren Bedürfnissen bedient werden wollen und auf denen wir uns, gerade als
mitteltständische Unternehmen immer aufs Neue Gedanken über neue
Technologien, eben z. B. diese Soziale Medien, neue Entwicklungen damit neue
Strategien machen müssen.
Aber was erwarten wir vielleicht nicht? Kann es nicht vielleicht sein, dass wir uns
auch mitten in einer großen Veränderung befinden? Dass diese Zeichen für eine
große Veränderung sprechen? Wir – unser Institut für Wirtschaftsinformatik glauben
das. Wir glauben, dass wir uns zur Zeit mitten in einer großen Transformation
befinden. In einer Transformation zu einer Webgesellschaft. Das ist sicher eine
deutlich angenehmere Aussicht, als diejenige, die man 1913 hätte voraussehen
können. Trotzdem ist es, jedenfalls für eine Gesellschaft und damit für ihre Mitglieder
– auch in und um Unternehmen - eine große Transformation. Ähnlich der letzten
großen Transformation – im letzten Jahrhundert, die den Wandel von einer Agrar- zu
einer Industriegesellschaft markierte. Die Gesellschaft passt sich an neue
Bedingungen an, an Bedingungen der Massenproduktion, mit individuellem
Gewinnstreben, mit hierarchischen und auf einen Markt ausgerichteten Strukturen
und nicht zuletzt mit einem Medienset, das auf entsprechend auf
Massenkommunikation ausgerichtet ist.
Das ist dann letztlich, wenn man einmal berücksichtigt, dass Medien Gesellschaften
beeinflussen, eine Gesellschaft der Massenmedien. Eine Gesellschaft, in der wir – so
Luhmann noch 1996 alles wichtige aus den Massenmedien erfährt. Eine Gesellschaft
aber auch, in welcher man sich, egal ob in Politik oder Wirtschaft, aber auch in der
Lehre oder in jeglichem Arbeitsprozess positioniert, eine Botschaft, eine Ausrichtung
formuliert und diese dann an eine Masse „durchkommuniziert“ – ein Lieblingswort
von mir, wenn es z. B. darum geht, Mitarbeiter von einer Strategie zu überzeugen.
Aber was soll nun, dem entgegen eine Webgesellschaft sein. Eine Webgesellschaft,
die laut des Titels meines heutigen Vortrags eine Herausforderung für
mittelständische Unternehmen darstellt?
Was ich über die Welt und aktuelle Entwicklungen weiß, weiß ich im Wesentlichen
über meine Freunde und Netzwerke – das ist ein neues Prinzip der Webgesellschaft.
Die Webgesellschaft, ist eine Gesellschaft, die auf einem neuen Medienset basiert,
nämlich auf dem Medienset des Internet, des Web 2.0, der Sozialen Medien, des
Facebook, Wikipedia, YouTube, Twitter und vielen mehr. Eine Gesellschaft, die sich
mit diesem Medienset in Zukunft insgesamt deutlich von einer Gesellschaft
unterscheiden kann, die auf Massenmedien beruht. Und genau das meinen wir,
wenn wir eine große Transformation kommen sehen. Eine ganz deutliche
Veränderung sehr vieler Gegebenheiten, Konventionen oder Prozesse. Mit ganz
deutlichen Auswirkungen auch auf Unternehmen, die sich in dieser Webgesellschaft
behaupten wollen.
Und hier wird sich, so meinen wir, Einiges ändern, denn die Revolution wird nicht
über Massenmedien übertragen. Gil Scott kritisierte mit dieser Äußerung die
persuasive Wirkung der Massenmedien auf die Gesellschaft, die keine eigenen, auf
Verständnis und Kontemplation beruhenden Ideen mehr entwickelt, sondern
Meinungen folgt. Und mit der man dann eben keine Revolution starten kann. Wenn
dies stimmt, so kann sich das mit dem neuen Medienset ändern, und das können wir
ja durchaus schon beobachten. Mehr jedoch - so können wir heute das Zitat neu
interpretieren – mit dem Medienverständnis „Fernsehen“ und mit den Regeln einer
Gesellschaft, die auf derartigen Medien basiert, werden wir die Revolution, die sich
durch die Sozialen Medien ergibt, nicht begreifen können.
Aber was haben wir und heute damit zu tun.
Naja, eigentlich alles. Denn so eine Webgesellschaft ändert sehr vieles. Vieles darin,
wie wir als Gesellschaft funktionieren, wie politische Prozesse ablaufen – ablaufen
können – hier zeigen uns z. B. die Piraten, egal was man von ihnen halten mag, und
vielleicht zum Teil auch noch nicht ganz gelungen, wie man die neuen Medien
einsetzen kann um in einer Liquid Democracy ganz anders zusammen zu arbeiten,
Meinungen einzufangen und Meinungen zu bilden.
Privat merken wir vielleicht auch schon, dass wir uns über Facebook vernetzen – das
ändert uns vielleicht noch nicht wirklich.
Das könnte aber auch daran liegen, dass wir tatsächlich so genannte „Digital
Immigrants“ sind, die erst langsam lernen, mit dieser neuen Welt zurecht zu
kommen. Bei den Digital Natives, Ihren Kindern ist es vielleicht anders. Ich kann von
meinem Digital Native zuhause – Hannes, typisch 17 – berichten, dass ich
tatsächlich das Gefühl habe, man geht anders miteinander um und erledigt
Aufgaben, z. B. so lästige, wie das anstehende Abitur ganz anders als noch wir in
der alten massenmedialen Gesellschaft. Ich habe einmal, als der Herr wieder ganz
kurzfristig mein Laptop kaperte, um mal kurz die Welt zu retten – respektive seine
Facebook-Nachrichten zu checken die Gelegenheit zu einem Einblick in das
moderne Facebook-Leben ergriffen. In die Facebook-Gruppe Abitur 2013 an seiner
Schule. Ok. Das ist jetzt weder pädagogisch wertvoll, noch ein gutes Verhalten in der
Webgesellschaft, in die Facebook-Gruppe des Kindes zu kucken, ich habe das aus
rein wissenschaftlichem Interesse getan – und er soll sich halt ausloggen, wenn es
ihm nicht passt...
Jedenfalls finde ich es absolut faszinierend, wie hier eine Gruppe von insgesamt 81
jungen Menschen zusammen dieses Abitur erledigt. Man hat sich hier eine Plattform
geschaffen, auf der man sich, völlig parallel zur eher noch massenmedialen
Vermittlung in der Schule, untereinander vernetzt, Wissen austauscht und sich
gegenseitig hilft. Eine eigene Sprache: Jeder Betreff ist standardisiert, in „Worum
geht es“ (meist irgendwelche Fächer, in welchen potenziell Prüfungen anstehen), in
Kurs (der Lehrer, bei dem man dieses Fach hat) sowie in Anliegen: Unterlagen, die
man braucht, Tipps, die man geben kann, Fragen zum Stoff usw. Und: jede einzelne
Nachricht in dieser Gruppe ist exakt von 81 Personen – vom gesamten Kurs –
gelesen, keine Frage bleibt unbeantwortet, keine Hilfesuche unbearbeitet.
Das ist Webgesellschaft. Nicht, dass die Kids in Facebook sind, sondern wie sie es
für sich nutzen. Sich vernetzen, sich informieren und sich gegenseitig unterstützen.
Gut. Doch das ist das private Leben. Das mag Sie jetzt heute nicht so sehr
interessieren, dafür gibt es auch regelmäßige Elternabende - diese jedoch eher zu
den Gefahren, die vom Internet für die Jugendlichen ausgehen.
Also Allgemeiner. Was bedeutet so eine Webgesellschaft erstmal grob. Wenn man
davon ausgeht, dass jeder über Medien eine Stimme hat, sich vernetzen und
beitragen kann?
Was passiert heute, auf den Plattformen mit den sozialen Medien?
Tatort Facebook. So titelte gerade jüngst ein durchaus noch meinungsbildendes Blatt
sozusagen bildlich. Das Medium kann dazu führen, dass sich Jugendliche dazu
verführen lassen, sich mit Unbekannten zu treffen, es kann dazu führen, dass
Schüler einen anderen mobben, dass unsere Kinder über wesentliche Kompetenzen
nicht mehr verfügen und dass Unternehmen sehr viel mehr über uns wissen, als wir
es für richtig halten.
Das Medium „kann“ dazu führen. Doch kann das Medium hier etwas dafür? Was ist
mit folgendem „Tatort“? Die Mensa der Universität? Hier treffen sich Studierende
untereinander, sie tauschen sich aus, sie berichten ihre Probleme im Studium und
sind verärgert und sie treffen dann – sozusagen ungeschützt - auf Professoren, die
ihnen das angetan haben. Und der Raum der Mensa bietet hierzu sogar Werkzeug,
frei verfügbar – Messer. Wäre dieser Raum sozialer Zusammenkunft nicht seit
Jahren gängig und eingeführt, man müsste sehr gut darüber nachdenken, ob er nicht
eine zu gefährliche Plattform ist.
Wir sehen also, es hängt an solchen Orten einer sozialen Zusammenkunft – egal ob
real oder virtuell - ganz wesentlich davon ab, wie wir sie sehen wollen, wie wir damit
umgehen, und wie wir sie, jeder Einzelne, gestalten.
Also. Zunächst. Wie wir sie sehen wollen.
Das Medium ist höchst gefährlich, weil es das Gedächtnis schwächt, Unbefugten den
Zugang zu weitreichenden Informationen erlaubt, zu läppischen Spielchen verführt,
die von der Realität ablenken und dazu verführt, Realität und ihr mediales Abbild zu
verwechseln.”
Ja. So sah Platon die Erfindung der Schrift und des Buches, schon ca. 400 vor
Christus. Und es ging nicht nur dem Medium Buch so, sondern es gibt eine ganz
typische Geschichte, wann immer ein neues Medium auftritt.
Man fragt sich, wer bitte dieses moderne Handy brauchen soll. Man kam ja auch
ohne Handy sehr gut zurecht. Doch irgendjemand scheint es zu nutzen. Das sind
dann meist entweder priviligierte oder zweifelhafte Minderheiten. Trotzdem nutzen es
immer mehr – es ist jedoch zumindest für Schwächere, bei Facebook gerade
Jugendliche, gefährlich. Wofür genau sollte man das neue Medium nutzen? Die
Warner-Brothers zum Beispiel konnten sich beim Aufkommen des Tonfilms nicht
vorstellen, was es bringen sollte, wenn man einen Schauspieler sprechen hört. Die
letzte Weigerung, wenn man beobachtet, dass viele es nutzen: „Bei mir klappt das
nicht!“. Dann nutzen es viele. Das geht sicher vorbei. Es ist fast so, als könnte man
ohne nicht leben – was sucht das Smartphone am Frühstückstisch oder, damals
ähnlich verwerflich, was sucht Buch, wenn man im Park sitzt. Das ist respektive das
war schlechtes Benehmen. Ganz zu schweigen natürlich von den verheerenden
Wirkungen des neuen Mediums auf genau das, was man früher ohne sie auch
schaffen konnte. Es mag sogar sein, dass der Taschenrechner dazu führt, dass man
nicht mehr so viel im Kopf rechnet und sicher haben die Schrift und das Buch dazu
geführt, dass man nicht mehr soviel memorieren muss. Jedoch führen vielleicht neue
Medien nicht immer allein zu Nachteilen sondern, in ihrer Nutzung, auch zu
Positivem.
Schauen wir doch einmal die sozialen Medien an – in ihren Grundfunktionen. Egal,
ob Facebook, Twitter, Google+ oder Wiki, soziale Medien verfügen über einige
Funktionen, die allerdings unterschiedlich zusammengesteckt werden.
In sozialen Medien habe ich gewöhnlich ein Profil, das ich mit persönlichen
Informationen fülle. Dazu gehören oft auch emotionale Dinge, wie meine Interessen,
meine Präferenzen und häufig auch das, was ich gerade tue. Da kann man dann
darüber nachdenken, was es bringt, wenn ich weiß, dass Herr Müller gerade einen
Kaffee im Cafe Stadtidyll trinkt. Vielleicht jedoch ist es genau das Positive, dass man
mitkriegt, welcher Freund gerade in der Nähe ist, was er tut, wofür er sich
interessiert. Denn das führt zu so etwas wie Sozialer Nähe, dass wir uns mit mehr
alten Freunden als früher nahe sind und zusammen tun können oder sogar auch mit
neuen Kontakten, die sich aus gemeinsamen Interessen ergeben.
In einem weiteren Bereich bin ich dann mit meinen „Freunden“ – einer vielleicht für
das Deutsche schlechten Übersetzung – vernetzt. Freunde bilden Gruppen und
folgen gegenseitig ihren Aktivitäten, wissen, was bei ihnen neues passiert. Man
findet Freunde von Freunden – das sind häufig dann diejenigen, die uns noch besser
weiter helfen können. Denn sie haben anderen Erfahrungen und daher oft neuere
Ideen. Das heißt dann „the Strenghth of weak ties“.
Freunde bleiben in Kontakt – um zumindest potenziell etwas gemeinsam zu tun. Und
das ist dann die dritte Grundfunktion. Wir nennen sie Wissen schaffen. Gemeinsam
Ideen entwickeln, gemeinsam Wissen vermehren, Meinungen verbreiten. Als Wiki-
Artikel, Tweets oder Facebook Status.
Wenn wir uns diese drei Grundfunktionen anschauen, dann entsprechen sie sehr
genau dem, was theoretisch als „Kooperation“ – Zusammenarbeit – definiert ist. Man
tut sich mit Partnern mit gleichen Zielen zusammen, man vernetzt sich. Man
unterstützt sich gegenseitig oder arbeitet zusammen und das tut man nicht, weil man
es muss, sondern man ist von sich aus oder durch die anderen motiviert und fühlt
sich verbunden– über gemeinsame Interessen und über die oft kleinen, persönlichen
Aktivitäten. Und genau das ist die typische Kooperation – aus einer irgendwie
gearteten Verbundenheit – nicht Gebundenheit - etwas gemeinsam zu bewirken.
Wir sind also der Meinung, dass soziale Medien eine Kooperation unterstützen
können. Sie bieten die Chance einer neuen und besseren Kooperation zwischen
Menschen – und nicht etwa zwischen IT-Systemen. Und das kann in Unternehmen,
Märkten, bis hin zu Politik und Gesellschaft sein. Damit haben wir zum ersten Mal ein
Medienset, über das man wirklich zusammen arbeiten kann. Das geht ganz natürlich
nicht über Massenmedien, das geht aber auch nicht über die Medien, die wir seit den
90er Jahren kennen, wie Email, EDI, elektronischer Datenaustausch oder eben die
ersten Webseiten. Damals hatten wir die Meinung, dass wir nun, mit diesen Medien,
ohne große Probleme auch weltweit zusammenarbeiten können. Wir haben im
Ausland produziert, outgesourct – und irgendwann fest gestellt, wie schwer es ist,
jemanden über Email zu motivieren.
Heute ist das Medienset vorhanden.
Aber was soll oder kann Kooperation bringen? In der Literatur zu Koopration findet
man hierzu Einiges. Zunächst zum Einzelnen. Kooperation verändert den Menschen.
Ein Mensch der kooperiert. Wirklich kooperiert. Der tut dies freiwillig. Das ist in
Unternehmensstrukturen sicher nicht einfach, aber man kann an der einen oder
anderen Stelle darauf hinwirken. Er tut dann etwas, weil er dazu motiviert ist. Stellt
der dann fest, dass er wirkungsvoll etwas beitragen kann, so stellt sich ein, dass er
teilhat an dem, was das Unternehmen schafft. Im Unternehmen können sich
Prozesse ändern – wir teilen Wissen und stellen nicht mehr, wie in der Schule, das
Buch zwischen uns. Und das, weil wir heute wissen, dass die Masse oft mehr weiß,
als ein einziger wissen kann. Das ist die kollektive Intelligenz. Wenn wir nun Angst
haben, wie wir mit dieser Masse an Wissen und Informationen umgehen sollen –
vielleicht bildet sich auch so etwas wie soziale Filter. Wir werden in Zukunft die
Menschen um uns gruppiert haben, die mit uns zusammen relevante Nachrichten
filtern, jeder trägt hierzu bei. Sodass das Wichtige zu uns gelangt, das wir wichtig
finden und nicht eine Redaktion. Wir unterstützen uns damit in vieler Hinsicht.
Damit ändert sich die Kultur. In der Kooperation. Wir vertrauen, bevor wir erst nach
Gründen für Misstrauen suchen. Wir sind uns persönlich verbunden, was natürlich
das Vertrauen einfacher macht – wir leben eine Gemeinschaft. Das erstaunliche, was
neuere Untersuchungen aber auch zeigen, ist, dass Kooperation auch Erfolg bringen
kann – bessere Qualität, aber auch geringerer Kosten – vielleicht dadurch, dass wir
vieles nicht doppelt tun. Bessere Qualität dann natürlich in allem, wo viele mehr
bewirken als Einzelne – das ist Wissen aber vor allem, durch divergentes
gemeinsames Denken und verschiedene Erfahrungen die Kreativität oder Innovation.
Aber wie können wir kooperieren – das ist die erste Herausforderung, eben diese
mögliche Kooperation auch in den Sozialen Medien zu leben.
Kooperieren wir mit unseren Kunden? Gewöhnlich nicht. Gewöhnlich versuchen wir-
wie hier, die Kunden überzeugen... Aber:
Wollen wir mit unseren Kunden kooperieren – Vielleicht. Aber: Geben uns die
Kunden noch lange die Chance, mit ihnen nicht zu kooperieren? Geben sie uns noch
lange die Chance, sie einfach so zu überzeugen und dazu zu bringen unsere
Produkte ohne große Nachfrage zu kaufen? Womöglich nicht.
Schon vor über zehn Jahren erschien hierzu ein erster großer Vorstoß. Im Cluetrain
Manifest taten sich große Denker zu Marktstrukturen zusammen und formulierten
gemeinsam einen Aufruf und ein Bekenntnis zu einem neuen, veränderten Markt.
Einem Markt, den sie schon sehr ähnlich einem Markt der Webgesellschaft
formulieren, der schon sehr nahe an einem Markt ist, der auf Kooperation basiert.
„Märkte sind Gespräche“. Heißt es im Cluetrain Manifest. Märkte sind von Person zu
Person vernetzt und werden dadurch intelligenter. Die Chance für Unternehmen ist,
mit ihren Märkten zu kommunizieren. Die einzige Chance übrigens – glaubt man den
Verfassern.
Was heißt das für uns – für unsere typischen marktlichen Aktivitäten? Märkte sind
Gespräche. Für das Beispiel von Coca Cola heißt das eben, dass nicht nur eine
Botschaft, nämlich diejenige von Coca cola existiert, sondern sehr viele
verschiedene. Mitarbeiter fühlen sich vielleicht nicht gut genug behandelt,
Greenpeace beklagt die schlechten Arbeitsbedingen der Coca-Bohnen-
Pflückerinnen, manche Kunden lieben das Getränk und andere erklären, dass es zu
dick macht.
Wie kommunizieren nun mit den Märkten? Wie mischen wir uns in Gespräche ein?
Das ist eigentlich sehr einfach. Wenn Märkte Gespräche sind, dann wird aus
- Markt forschen: das Zuhören,
- Aus dem typischen persuasiven Marketing das Mitreden,
- Aus den eher verständnisorientierten Public Relations wird das Diskutieren
und statt
- Beziehungen zu pflegen in einem Customer Relationship Management wird
dann letztendlich die Zusammenarbeit mit dem Kunden, zur Lösung seiner
und vielleicht auch gleichzeitig meiner Probleme – das Kooperieren. Denn,
wenn wir das einmal sehr einfach sehen, dann wäre die Idealsituation ja
durchaus, dass wir als Unternehmen dem Kunden genau das richtige für sein
Problem bieten können.
Wie hören wir zu, wie können wir heraus kriegen, was die Menschen da „draußen“ im
Markt bewegt. Wir können das soziale Netz durchstöbern, wir können das ganz
selber machen und einfach einmal schauen, was denn so im Netz über uns
geschrieben ist. Dazu gibt es Tools, die uns da einiges an Arbeit abnehmen und
sogar gleich eine Stimmung des Marktes mit heraus geben – das klappt, vor allem im
Deutschen nicht immer. Dazu können wir auch einen Dienstleister mit einem Social
Media Monitoring beauftragen. Wichtig ist, dass wir, egal ob wir das selber machen
oder auch machen lassen, nicht nur nach Tanzschule Seel, Hörgeräte Frisch oder
Haustechnik Schreiber suchen. Sondern nach: Freizeit, Wohlfühlen im Alter oder
gemütliches Zuhause. Mit ein bisschen Phantasie darin, zu welcher Problemstellung
aus Kundensicht unsere Produkte wohl passen. Und auch an verschiedenen Orten –
in Foren, in Blogs, auf Plattformen – heute finden sich zu allen Themen Orte im Netz,
an welchen darüber gesprochen wird.
Haben wir die Gespräche gefunden, dann können wir sie analysieren – natürlich. Gut
ist, z. B. im Vergleich zur typischen Marktforschung, dass wir auch Dinge
herauskriegen können, an die wir nie zu fragen gedacht hätten. Apple z. B. gab
jährlich die so genannten iPod-Studies herausgeben - eine große
Marktforschungsstudie. Allerdings hat sich bald gezeigt, dass in einer guten Analyse
von entsprechenden Foren und Blogs die selben Erkenntnisse erzielt werden
konnten – und darüber hinaus, warum Menschen den iPod tatsächlich bevorzugt
haben. Das war z. B. seine geringe Größe. Danach wurde nie gefragt.
In einem nächsten Schritt können wir auch mitreden, uns in die Gespräche
einbringen. Wie?
Ganz sicher nicht mit plakativen Filmen, die uns als die Besten darstellen.
Dann kann nämlich sehr schnell folgendes passieren.
RWE hat, mittlerweile vor einigen Jahren, seinen für die typische Fernsehwerbung
produzierten Spot in YouTube gestellt. Mit dem freundlichen Energieriesen, der
Windräder pflanzt und Gezeiten zur Stromgewinnung nutzt. Das ist kein Gespräch.
Das ist ähnlich, wie wenn Sie in eine Diskothek laufen und laut verkünden, dass Sie
der bessere Musikkenner sind und man nun bitte sofort Ihre Musik spielen soll. Das
kann so nicht mehr wirken. Vor allem, wenn die Tatsachen so nicht stimmen. Schon
kurz nach dem Energieriesen-Spot ist nämlich folgendes passiert. Vielleicht war das
ein Mitarbeiter von RWE, der seinem Unternehmen nicht wohl gesonnen war. Er hat
jedenfalls den Spot mit Untertiteln versehen, die beispielsweise aufzeigen, dass
RWE noch über überhaupt kein Gezeitenkraftwerk verfügt. Schlimmer wird es noch,
wenn sich professionelle Organisationen einschalten – Greenpeace zeigt in seinem
Spot zwar den Energieriesen, aber stellt ganz klar, dass dieser nur in der Werbung
existiert und in Realität RWE als garnicht freundlicher Energieriese mit Atomkraft
deutlichen Schaden anrichtet.
Das ist keine Kooperation. Also anders. Wie bringt man sich in Gespräche ein. Indem
ein Wiki oder einen Blog eröffnet, indem man auch schon auf Facebook ist oder
vielleicht als erster bei Google+?
Auch das ist bestenfalls der zweite Schritt. Das Medium. Davor steht das Konzept –
auch in sozialen Medien. Die Situation in der wir sind, als Unternehmen und in
unserem Markt und dann das Ziel, das wir mit unserem Auftritt in den sozialen
Medien erreichen wollen. Wollen wir zunächst auf uns aufmerksam machen, wollen
wir mit Kunden ihre Probleme oder Themen besprechen, oder mit ihnen neue
Produkte entwickeln?
Wir überlegen dann, wie wir diese Ziele mit Konzepten – mit einer Kampagne oder
mit einer Plattform umsetzen können. Erst dann denken wir darüber nach, wie wir
dazu die sozialen Medien, wie Facebook oder YouTube mit ihren Funktionen
einsetzen können.
Zunächst zur Aufmerksamkeit:
Aufmerksamkeit erzielen wir durch gute Ideen, interessante Inhalte, vielleicht etwas
Humor oder Mitmach-Angebote zu gewinnen. Und dabei vor allem darauf zu setzen,
dass die Kunden das interessant finden und selber weiter geben. Denn das ist eine
weitere Neuerung in den sozialen Medien – sie ermöglichen nicht nur jedem, zu
Gesprächen beizutragen, sondern die Beiträge sind nicht nur im direkten Kontakt
sondern auch örtlich und zeitlich verteilt verfügbar, sie sind gespeichert, sie führen
zur Vernetzung und allein mit der Kommunikation zu einem gemeinsamen Handeln.
Bei eigenen Beiträgen in sozialen Medien muss man natürlich ein bisschen
aufpassen, dass man z. B. nicht vergisst, die Verbindung zum Unternehmen zu
knüpfen. Denn nur mitreden, und Späße oder Spiele machen, ohne dass es als
unser Beitrag wahrgenommen wird und zu uns und dem was wir tun passt, das ist
tatsächlich herausgeworfenes Geld. Das ist z. B. dem ersten passiert, die großen
viralen Erfolg mit einem Spiel hatten – das Moorhuhn. Das kennen wir alle. Nur leider
wissen wir nicht, von wem es war.
Gelungen, zum Beispiel Whopper: You like your friends but you love the whopper –
für jeweils 10 Freunde, von denen man sich auf facebook trennt, gibt es einen
Gratiswhopper. Allerdings wurde diese Kampagne nach über 200.000 „Defriends“
von Facebook gestoppt, weil es nicht so richtig ihrem Geschäftsmodell entspricht –
das war übrigens nach ungefähr einem Tag.
Gelungen, zum Beispiel für ein kleineres, regionales Unternehmen – Joseph Brot,
eine Bäckerei, die mit aktuellen Berichten vom Eigentümer, Gewinnspielen und „Brot-
Teilen“ nach Kundenumfragen ca. 30% der Neukunden über Facebook-
Empfehlungen akquirierte.
MySwissChocolate nutzt Emotionen und die Liebe rund um die Schokolade um eine
Gruppe von 70.000 Freunden in knapp zwei Jahren um sich zu scharen. Sie binden
die Kunden ein – schon vor dem eigentlichen Webauftritt und nutzen Umfragen, um
zu neuen Ideen für ihre Schokoladen zu gelangen. Mit direkten Links zum Webshop
zeigt sich, dass auf jeden neuen Post bis zu 10 Bestellungen folgen und der Umsatz
konnte im letzten Jahr um über 25% Prozent gesteigert werden.
Mit MySwissChocolate zeigt sich schon ein typisches Beispiel für eine richtige
Zusammenarbeit im Sozialen Netz – Kunden haben die Möglichkeit, ihre Ideen für
neue Produkte einzubringen. Das geht vom Design - z. B. Pril, in einem Wettbewerb
für ein neue Flaschen – über eine Weiterentwicklung von Produkten - Mac Donalds
für einen Burger bis hin zu ganz neuen Produkten. Hier ganz vorne dabei sind schon
seit einigen Jahren Automobilkonzerne, die nach dem Auto der Zukunft suchen oder
nach neuen Funktionen für ihre Informations- und Entertainmentsysteme. Raffiniert
ist es, wenn man, z. B. über Votings, Kunden dazu bringt, nicht nur über eigene
Präferenzen nachzudenken, sondern auch über diejenigen von anderen. Dass sich
das lohnt, kann man durch Studien nachweisen. 80% der Innovationen, die von
Unternehmen herausgebracht werden haben keinen Erfolg. Auf der anderen Seite
aber sind 80% der Innovationen von Kunden erfolgreich.
Es ist jedoch ja auch mehr als logisch. Ganz direkt ist der Effekt, dass man einfach
denjenigen, der das Produkt kaufen soll, in seine Entwicklung einbindet. Aber die
Effekte gehen weiter. Denn Kunden vertrauen anderen Kunden und ihren Ideen und
im Weiteren kann der Entwickler auch sehr gut zu einem guten Meinungsführer
werden.
Um eine erste Aufmerksamkeit zu erzielen oder auch regional reale Kundenkontakte
zu erhöhen, liegt ein hohes Potenzial in einer Verknüpfung der virtuellen Plattform
mit der realen Welt. Das geht heute über diese QR-Codes, die auf Webadressen
verweisen können oder über ortsbezogene mobile Dienste, die bei Einloggen an z. B.
in einem Laden verschiedene Angebote ermöglichen.
Ein Paradebeispiel zur Verknüpfung von Plattformen war von Rittersport. Sie
reagieren auf Beiträge in Facebook, die die Olympia-Schokolade zurück fordern,
machen per Plakat auf einen Wettbewerb für einen neuen Werbespot aufmerksam,
sammeln die Einreichungen auf einer virtuellen Plattform, lassen dort auch die
Kunden über einen Sieger abstimmen, der dann – jetzt in Massenmedien – als
Werbespot gesendet wird.
Wichtig ist, dass das Unternehmen, wie es schon Joseph mit seinem Brot zeigt, nicht
mehr ein unnahbares Gefüge ist, dessen Marketing-Abteilung in Hochglanz-
Brochüren twittert. Menschen stehen für das Unternehmen. Die Menschen, aus
denen es besteht. Sie berichten aus dem Unternehmen, vielleicht nicht immer ganz
perfekt , sie führen Gespräche – in sozialen Medien steht die soziale, emotionale
Kommunikation vor der perfekt aufbereiteten Botschaft.
So hat sich z. B. die TU Braunschweig sich im Sozialen Netz sichtbar gemacht. Hier
sind drei Besonderheiten zu sehen. Zunächst hatten wir einen Grunde. Denn vor
zirka 3 Jahren stellten wir fest, dass wir anscheinend im Web nicht mitreden. Statt
dessen taucht bei Eingabe von „TU Braunschweig“ bei YouTube Bruder Abu Hamsi
auf, um über den Koran zu berichten. An ihn wurde ausversehen ein Raum der TU
vermietet. Wir haben dann unsere Studierenden eingebunden. Denn die TU besteht
aus ihnen. Sie sollten – über ein Seminar –zu Wort kommen lassen. Mit nur einer
Vorgabe. Am Ende des Semesters sollte in YouTube ein neues Bild zur TU
Braunschweig entstehen. Das Ergebnis, und das ist die dritte Besonderheit: ohne viel
Geld – denn Gespräche sind nicht „Hochglanz“. Sondern mit guten Ideen,
Kampagnen in der Mensa, Mobilisierung von großen Freundesgruppen konnten die
Studierenden ein Video zu den Studiengängen der TU auf über 100.000 Klicks in vier
Wochen bringen.
Das allerdings ist noch kein Gespräch. Hier geht es weiter, wie beispielsweise Frosta
bereits seit vielen Jahren zeigt. Wir sehen im Webauftritt von Frosta insbesondere
zwei Aspekte. Zunächst bleibt durchaus die Hochglanzkommunikation des
Marketing. Denn das brauchen wir als Kunden trotz aller Gespräche sicher auch
noch weiterhin. Wir wollen durchaus noch immer das Gefühl haben, beim
Unternehmen sicher aufgehoben zu sein und beispielsweise ökologisch wertvolle
Produkte zu kaufen. Aber, geht man weiter auf der Seite, dann gelangen wir zu
Diskussionen. Garnicht mehr Hochglanz, sondern, natürlich absichtlich garnicht so
perfekt, spricht das Unternehmen mit seinen Kunden. Und hier sprechen Mitarbeiter.
Zum Beispiel darüber, dass sie selber nicht wissen, wie das mit ihrem Carbon
Footprint, so ist. Wieviel CO2 pro Beutel Nudeln ist in Ordnung, wieviel entsteht,
wenn man solche Nudeln selber macht? Derartige Themen werden offen und mit den
Kunden in einem Blog diskutiert.
Noch mehr Diskussion entsteht potenziell, wenn der Kunde nicht mit uns zufrieden ist
und sich beschwert. Das wäre tatsächlich auch ein guter Ansatz, Gespräche im Netz
zu erzeugen. Doch, wollen wir das? Wollen wir, dass der Kunde sich beschwert?
Tatsächlich, neue Analysen zeigen, dass es wichtig ist, Beschwerden zu stimulieren
und sogar auf eine eigene Plattform zu holen. Was sonst tut er bei Unzufriedenheit –
er kommt nicht mehr und/oder erzählt seine Unzufriedenheit seinen Freunden. Auf
einer Beschwerdeplattform dagegen, kann das Unternehmen von Beschwerden
lernen und darauf reagieren. Ein einmal besprochenes Problem ist für alle anderen
beobachtbar. Häufig reagieren Kunden direkt untereinander und oft ist etwas, das ein
Kunde als Nachteil sieht, der Vorteil für einen anderen. Interessant daneben – der
Kunde lässt sich durchaus auf einen kontruktiven Dialog ein – auch bei zunächst
hoch emotionaler Beschwerde ist es eine Frage dessen, wie die Reaktion erfolgt. Die
Diskurstheorie oder landläufig das Sprichwort: Wie man in den Wald ruft, so schallt
es zurück – trifft zu. Reagiert das Unternehmen ehrlich, konstruktiv und gibt auch
einen Fehler zu, dann entwickelt sich so auch der weitere Dialog. Eigentlich ist es ja
sogar erfreulich, dass Kunden sich die Mühe des Dialogs machen. Häufig sind
Probleme dann die Keimzelle einer neuen, guten Idee. Und Kunden, die zunächst
Kritiker sind, werden über Dialog und gemeinsamen Problemlösung die größten
Anhänger des Unternehmens.
Die TU Braunschweig hat als erste Universität eine eigene Beschwerdeplattform
eröffnet – Sags uns. Studierende schauen nach, ob ihr Problem bereits behandelt
wird, wenn nein stellen sie es ein und diskutieren es internetöffentlich untereinander
und mit den entsprechenden Mitarbeitern.
Obwohl Studierende sicher nicht die einfachsten Kunden sind, konnten wir hier seit
drei Jahren insgesamt über 200 Probleme gemeinsam lösen – Irgendwelche
Skandale, Verleumndungen oder dauerhaft unsachliche Argumentationen traten
tatsächlich – was uns selber auch ehrlich gesagt auch fast ein bisschen erstaunt -
nicht auf.
Insgesamt. wenn man dies alles zusammen fassen will. Dann liegt das Geheimnis im
„Mitreden, Diskutieren und Kooperieren“ – oder im so genannten Social Media
Marketing, in einem AAAAAA-Effekt.
Aufmerksamkeit: Was wir in sozialen Medien tun, muss irgendwie gefunden werden
– über reale Verankerung, eine gute Idee oder über viele Gespräche, die wir führen
und damit im Web präsent sind. Dies führt dann dazu, dass wir für unsere
potenziellen Kunden mit einem Thema verbunden sind, dass sie sich unser
Unternehmen merken und, bei Bedarf, eher daran denken.
Aktivierung: Wir versuchen unsere Kunden, über Aktionen, Gewinnspiele oder
interessante Inhalte dazu zu motivieren, den Link auf unsere Kampagne weiter zu
geben, mitzumachen, selber Inhalte zu produzieren, damit nicht wir die einzigen sind,
die eine Plattform mit einem Redaktionsteam pflegen müssen. Und damit wir
vielleicht sogar, zusammen mit den Kunden, zu neuen guten Ideen für unsere
Produkte kommen.
Authentizität: Wir treten nicht als unnahbare Organisation auf, denn soziale Medien
leben von sozialer Nähe. Menschen kommunizieren, liken sich und geben ihre
Präferenzen weiter. Nicht Hochglanz-Dateien ohne Emotion.
Alternative: Wir stellen das, was wir tun genau so dar, wie der Kunde es als
Alternative zur Problemlösung in seinem Leben, seinem Lebensumfeld braucht. Nicht
das Auto, sondern die Mobilität, die dazu führt, dass wir uns treffen und begegnen,
nicht die Heizung, sondern da Wohlfühlen in einem Zuhause.
Akzeptanz: wir wollen als Partner akzeptiert sein, mit gleichen Interessen, mit
Transparenz und ehrlichen Beiträgen, vielleicht auch mit Fragen und Problemen, die
man vielleicht nicht einmal immer lösen kann. Jedenfalls sind wir nicht ein fernes,
ungreifbares, perfektes aber undurchschaubares Konstrukt.
Anschluss: wir wollen jedoch nicht vergessen, dass wir auf Märkten agieren. Daher
sorgen wir dafür, dass das was wir in sozialen Medien tun, mit unserem
Unternehmen in Verbindung gebracht wird und dass es Auswirkungen auf das reale
Leben, zum Beispiel in unseren Filialen hat. Wir verknüpfen unsere Aktionen im
sozialen Netz untereinander und vor allem mit unseren Webseiten hat – und dort mit
einer Möglichkeit zu weiteren Aktionen bis hin zum Kauf.
Warum das alles? Werbewirkung, schnelle Käufe? Das zählt, so denken inzwischen
die wesentlichen Strategen, auch im Marketing, nicht mehr. Im sozialen Netz zählt
jedoch, neben der Kundenbindung, eine ganz besondere Währung - die Reputation.
Die Reputation, oder auch der Ruf des Unternehmens ist mehr und dauerhafter, als
eine Meinung über ein Produkt, mehr als ein Image. Es ist auch mehr, als das, was
das Unternehmen darüber berichtet, was es insgesamt kann, über welche
Qualifikationen und Wissen seine Mitarbeiter verfügen und was es beispielsweise tut,
um die Qualität seiner Produkte aufrecht zu erhalten. Die Reputation ist die soziale
Anerkennung dieses Potenzials. Sie beruht auf Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit,
Vertrauenswürdigkeit und Verantwortung und sie entsteht durch Gespräche, und
damit eben dadurch, dass Menschen, über das, was das Unternehmen tut sprechen.
Eine Investition in soziale Medien ist damit eine Investition in Gespräche und damit in
den Ruf und die Reputation des Unternehmens – als Basis für gute Beziehungen zu
Kunden, aber zu allen anderen Stakeholdern, wie Mitarbeitern und zukünftigen
Mitarbeitern im Recruiting.
Abgesehen davon – nochmals zurück - ist allerdings mit Social Media Kampagnen
auch kurzfristig sichtbarer und messbarer Erfolg zu erzielen. Nehmen wir als Beispiel
Old Spice – das war viele Jahre nicht die Marke an Rasierwasser, die für auch nur
annähernd junge Zielgruppen attraktiv war. Mit dem Old-Spice-Man, der gut aussieht
und der in YouTube-Videos Tipps für ein erfolgreiches Leben, in Liebe, Erfolg und
Beruf gibt, hat Old-Spice, nach einem Kick-off bei einem Baseball-Spiel einen Video-
Dialog mit seinen Kunden gestartet – Kunden fragen, Old-Spice-Man antwortet. Und
das Resultat? .... und ein Umsatzwachstum von 120%.
Diesem Erfolg stehen – wenn man einmal die Kostenseite betrachtet, deutlich
geringere Kosten gegenüber, als in klassischen Medien. Weitergabe-Effekte
erreichen noch dazu häufig genau die richtige Zielgruppe, wenn es gut läuft in sehr
hohen Reichweiten.
Leider ist es nicht immer, und eigentlich nie so, dass wir als Unternehmen die
Kommunikation in der Hand haben. Auch wenn wir inzwischen der Meinung sind,
dass Soziale Medien durchaus zum Erfolg unseres Unternehmens beitragen können
– wir haben viel gehört, was uns Sorgen macht.
Von Nestle: gerade die neue Facebook-Seite eröffnet, meldet sich Greenpeace mit
einem Video, das schockierend darauf hinweist, dass Nestle Palmöl in seinem Riegel
Kitkat verwendet. Auf der Seite von Nestle findet etwas statt, das wir heute als
Shitstorm bezeichnen. Kunden fragen nach, kündigen die Freundschaft, erklären,
nichts mehr vom Konzern zu erwerben und variieren das Logo des Schokoriegels zu
Killer. Nestle verharrt in Schockstarre, verweist auf eine kommende Pressemitteilung
und verkündet letztlich hilflos dass das Logo so nicht gepostet werden darf – denn
sie machen die Regeln: We set the rules – und das sei schon immer so gewesen und
gelte auch für Facebook. Die Diskussion weitet sich sofort auch auf alle aus, die
darüber nachdenken, wie man in sozialen Medien umgehen sollte.
Pril veranstaltet einen Wettbewerb zur Gestaltung des Flaschenaufklebers. Das
Unternehmen ist nicht besonders erfreut darüber, dass die meisten Vorschläge, und
insbesondere diejenigen, die auf die vorderen Plätze gevoted sind, nicht sehr
ernsthaft sind. Zum Beispiel: schmeckt lecker nach Hühnchen. Die Kunden jedoch
sind kein bisschen erfreut, als Pril als Gewinner des Wettbewerbs Vorschläge
vorstellt, die ganz deutlich nicht diejenigen waren, für welche sie sich entschieden
hatten. Die Reaktionen auf Facebook verwandeln die geplante Facebook-Kampagne
in ein PR-Desaster. – in das, was heute oft als Shitstorm bezeichnet wird.
Oder: Dave Carroll, ein bis dahin eher unbekannter Country-Sänger flog mit United
Airlines. Seine Gitarre ging zu Bruch, das Servicepersonal nahm auf seine
Beschwerden keine Rücksicht. Auch nicht, als er ankündigt, zu diesem Vorfall ein
Lied zu komponieren und dieses in Youtube einzustellen. Sehr typische übrigens,
dass Beschwerden im Netz auf nicht berücksichtigte Beschwerden im „realen Leben“
folgen.
Sie sehen hier, was passierte: Über 12.000.000 Clicks, breite Öffentlichkeit in allen
großen Fernsehstationen Amerikas und – gab man United in Suchmaschinen im
Internet ein, war „Breaks guitar“ der häufigste Treffer.
Woran liegt das. Neuere Untersuchungen zeigen auf, dass natürlich häufig zunächst
ein Problem im Unternehmen liegt. Ist dieses in Sozialen Medien noch nicht stark
vertreten, ist es dort einfach anzugreifen. Der wesentliche Anfeuerung des
Shitstorms jedoch liegt in der Reaktion des Unternehmens – nach dem ersten
Angriff.
Nicht reagieren, Meinungen löschen, darauf beharren, dass man als großer Konzern
die Regeln macht – das ist nicht die richtige Lösung, es hat aber auch nichts mit
Kooperation zu tun, dem grundsätzlichen Paradigma sozialer Medien und damit im
gesamten Umfeld der Webgesellschaft.
Gießen wir es in eine Gleichung:
Erfolgreiches Agieren in der Webgesellschaft besteht daraus, das Medienset zu
kennen und damit umgehen zu können aber auch aus Kooperation – in den Medien
und auch als grundsätzliche Einstellung zum Umgang miteinander.
Als dritte Herausforderung stellt sich uns – zu kooperieren. Nicht nur, wenn wir uns
eine Kommunikation in Sozialen Medien überlegen, sondern in unserer Organisation,
mit unseren Kunden, in allen Beziehungen – in der Webgesellschaft.
Damit sehen wir uns in einer Webgesellschaft nicht allein damit konfrontiert, dass wir
uns in den Medien sicher bewegen – wir können, als Chance, wir sollten, vielleicht
müssen wir über einen insgesamt neuen Umgang miteinander nachdenken.
Und leider sind wir so stark in unserer individualistischen, leistungsorientierten
Wirtschaft verankert, dass wir, auch wir am Institut, das nicht einfach so können,
sondern bei jeglicher Gelegenheit darüber nachdenken sollten, wie man handeln
würde, wenn man kooperieren möchte.
Dabei gibt es eine Reihe von „schwierigen Seiten“ einer Kooperation.
Beginnen wir mit der Heterarchie, mit der Gleichberechtigung der Partner. Sehe ich
den Kunden als gleichberechtigt, dann nehme ich ihn ernst und kann nicht seine
Kommentare einfach löschen - wie es beispielsweise Volkswagen während seines
kürzlichen Shitstorms tat. Auch wie Nestle zu argumentieren, dass man selbst die
Regeln setzt, darf nicht passieren, wenn man kooperieren möchte. In der
Heterarchie, eben auch zwischen Kunde und Unternehmen kann es dann gut
passieren, dass Konflikte nicht lösbar sind. Dass z. B. das Palmöl für die Produktion
von Kitkat nicht verzichtbar ist. Mit diesem Konflikt, wenn er dann ein
ausgesprochener Dissenz ist, muss man dann leben. Vielleicht muss sogar der
Einzelne, ein Mitarbeiter, der bei Nestle arbeitet und trotzdem bei Greenpeace
organisiert ist, muss in seinen verschiedenen Rollen damit leben.
Zur Heterarchie gehört die Freiwilligkeit. Sich zu einer Gruppe zusammen zu
schließen, einen Beitrag zu verfassen – freiwillig. Wenn darum geht, sein Wissen
beizutragen oder Ideen zu entwickeln, dann wird es nicht funktionieren, wenn es
hierfür feste Zeitpunkte und Vorgaben gibt. Gut jedoch ist, genau darüber
nachzudenken, was den potenziell Beitragenden motivieren kann – was sein Nutzen
sein kann, ob er Anerkennung sucht oder soziale Kontakte. Vielleicht, und das zeigt
die jüngste Forschung, ist es ein Spiel, das ihn zu Leistung und Kreativität anreizt.
Was Freiwilligkeit für das Annehmen einer Aufgabe ist, ist Kohärenz für ihre
Durchführung. Kohärenz ist das Grundprinzip für die Kooperation. Es ist tatsächlich
ein medizinischer Begriff, der davon ausgeht, dass sich ein System in sich und
selber zu einem guten Ergebnis entwickelt. In dem, wenn es der Körper ist, nicht
Symptome kontrolliert und eingedämmt werden, sondern man nicht mehr tun kann,
als das System darin zu unterstützen, sich selber einem guten Zustand zuzuführen.
Für Kooperation im Sozialen Netz heißt das, dass man sich daran gewöhnen muss,
dass keine wirkliche Kontrolle möglich ist. Plattformen können angeboten werden,
aber was Kunden auf ihnen tun, wie im Fall Pril, ist nicht abzusehen.
Akzeptiert man eine Kohärenz, dann kann man jedoch vorab direkt darüber
nachdenken, wie sich die Interaktionen entwickeln können – man richtet die
Rahmenbedingungen gründlich und entsprechend ein und verspricht nicht – wie
wiederum im Beispiel von Pril, dass die am höchsten gerateten Designvorschläge
umgesetzt werden.
Ganz allgemein bedeutet eine Kohärenz, auch im Unternehmen, dass man es
beispielsweise Arbeitsgruppen selber überlässt zu entscheiden, wie sie arbeiten und
sich koordinieren. Man kontrolliert sie nicht stetig, sondern überlässt ihnen selbst,
über welche Schritte sie zu einem Ergebnis kommen.
Hier spielt dann ein weiterer nicht ganz einfacher Aspekt der Kooperation eine Rolle.
Die Verantwortung. Verantwortung übernimmt ein Mitarbeiter oder ein Kunde dann,
wenn er nicht mit einer Vielzahl von Regeln konfrontiert ist und seine wesentliche
Aufgabe darin sieht, diese zu befolgen. Sondern wenn er statt dessen selber über die
Folgen dessen, was er tut nachdenkt. Wenn zum Beispiel der Mitarbeiter, der im
Namen seiner Firma in den sozialen Medien auftritt – wie beispielsweise unsere
Studierenden im Video – als wesentliche Regel in sozialen Medien sieht, dass er
verantwortungsvoll und für das Unternehmen agiert.
Jeder kann in sozialen Medien agieren. Allerdings ist es auch eine Sache der
Verantwortung, dass man als agieren muss – jeder Einzelne, wenn man zu einer
Meinung betragen möchte. Wer still hält, wie Unternehmen es noch immer häufig
versuchen - wie auch im Beispiel Nestle selbst, kann nicht im Nachhinein über
andere Wege sein Recht einfordern. Nur diejenigen, die beitragen, formen das
Medium.
Verantwortungsbewusste Kunden und Mitarbeiter, Kohärenz statt Kontrolle – hier
kommt ein weiterer schwieriger Aspekt der Kooperation zum Tragen. Vertrauen.
Vertrauen ist, eine „riskante Vorleistung zu erbringen“ – zum Beispiel eben eine
offene Beschwerdeplattform zu eröffnen. Vertrauen ist hier nötig, zwischen allen
Partnern. Vertrauen des Unternehmens in seine Mitarbeiter, die im sozialen Netz
agieren. Vertrauen der Mitarbeiter darin, dass sie in sozialen Medien oder auch in
der Kooperation agieren dürfen. Vertrauen auch des Unternehmens in seine Kunden,
wenn sie beispielsweise, wie bei Frosta, auf einer offenen Diskussionsplattform
agieren.
Und: Man hat es jetzt schon vermutet - hierzu brauchen wir neue Konventionen.
Weniger z. B., Regeln verfolgen oder kontrollieren, als zu vertrauen aber auch
Verantwortung zu übernehmen. Und, sehr wesentlich, etwas, was ich gerne als
„Respekt“ bezeichne. In unserer Gesellschaft der Massenmedien kennen wir die
Konventionen. Wir können miteinander umgehen, wissen was sich gehört. Wenn wir
an einem Haus vorbei gehen, dann schauen wir nicht in die Fenster – wir wissen
zumindest dass wir das nicht tun sollten. Trotzdem halten wir es für „in Ordnung“ in
Facebook Bilder anzusehen, die nicht für uns gedacht sind.
Konventionen werden sich ändern und daran werden wir uns erst gewöhnen
müssen.
Was machen wir,
- wenn ein Mitarbeiter sich in sozialen Medien mit uns befreunden will – oder
befreunden wir uns mit ihnen?
- Wenn wir Fotos über einen Mitarbeiter im Netz finden,
- Wenn wir auf Dialoge stoßen, die uns nicht positiv darstellen?
Wir werden diese Fragen lösen müssen. Und wir sollten versuchen, das vor dem
Hintergrund der kooperativen Webgesellschaft zu tun. Mit auch den schwierigen
Seiten der Kooperation im Hinterkopf und mit dem Bewusstsein, dass diese Sozialen
Medien nicht irgendein virtueller Raum irgendwo sind – sondern Gesellschaft und
real.
Ich glaube, dass sich das lohnt. Kooperation ist eine Chance. Und für eine vielleicht
oder doch wahrscheinlich kommende Webgesellschaft kann die Kooperation die
Basis sein. Das hängt von uns ab. Ich finde, wir sollten die Chance ergreifen, und
kooperieren.
Kooperation ist so häufig das Motto von jedem beliebigen Verein, von
Organisationen und Staaten. Für Jahrestage und Danksagungen.
Aber die Webgesellschaft, von der ich Ihnen heute vielleicht ein Bild malen konnte,
fordert wirkliche Kooperation. Mit weniger Botschaften aber mehr Gesprächen. Mit
freiwilligen Gruppen, die eine gemeinsame Stimme haben und weniger Institutionen,
denen man sich anschließen soll. Mit weniger Hierarchie sondern
Gleichberechtigung. Und das dann mit neuen Mechanismen. Aushandlung statt
Entscheidung. Weniger hierarchisch gesteuerte Prozesse mit einer Kontrolle von
Meilensteinen, sondern, wenn es sinnvoll ist, eine Vernetzung, bei der man von
Kohärenz ausgeht.
Das fällt uns heute schwer – wir denken häufig nicht einmal daran.
Aber Kooperation ist die eigentliche Herausforderung der Webgesellschaft und dies
nicht nur in einer virtuellen Welt, sondern auch in der gesamten Beziehung zu
Kunden und im Unternehmen. Ich wünsche mir dass viele von uns viel häufiger
darüber nachdenken, ob man nicht versuchen sollte, wirklich zusammen zu arbeiten.
Das kann unsere Herausforderung für das Jahr 2013, auf dem Weg in die
Webgesellschaft oder vielleicht zumindest in die sozialen Medien sein.