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Herausforderungen für die Landwirtschaft nach 2020 aus der Sicht der Wissenschaft
Alfons Balmann
18. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft, Erfurt, 19.10.2017
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• Bevorstehende weitere Reform der EU-Agrarpolitik– Knappere Kassen infolge Brexit– Wachsende Begehrlichkeiten
• Ansprüche neuer Mitgliedsländer• Umwelt- und Tierschutzverbände• Mögliche Nutznießer von Umverteilungen
• Gesellschaftliche Kritik an der Landwirtschaft– Tierwohldefizite, Düngeprobleme, Treibhausgasemissionen,
Biodiversitätsverluste,...• Sorgen der Landwirtschaft
– Intern: Preisvolatilitäten, Bodenpreise, "Investoren",...– Extern: Digitalisierung, Arbeitskräfte, ländliche Infrastrukturen,
Attraktivität, ...
Politische Herausforderungen
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• Zunehmende Entfremdung Landwirtschaft – Gesellschaft– Vorwürfe teilweise berechtigt– Verleugnen vieler Probleme und Aufschieben von Lösungen– Lösung der Probleme sehr teuer und teilweise schwierig Landwirtschaft verlor Deutungshoheit in vielen Agrarfragen!Zunahme "postfaktischer" Agrarmythen!
• Besonderheiten der Landwirtschaft in den neuen Ländern– Heterogenität der Agrarstruktur
• Konfliktpotentiale innerhalb der Landwirtschaft– Größe und Rechtsform der Unternehmen
• Geringe Popularität, geringe Bekanntheit, geringes Verständnis• Spezifika: Lohnarbeit, Pachtflächen, Fremdkapital...
Risiko wenig zielgerichteter Unterstützung durch Politik!
Besondere Problemlagen
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• Zunehmende Entfremdung Landwirtschaft – Gesellschaft– Vorwürfe teilweise berechtigt– Verleugnen vieler Probleme und Aufschieben von Lösungen– Lösung der Probleme sehr teuer und teilweise schwierig Landwirtschaft verlor Deutungshoheit in vielen Agrarfragen!Zunahme "postfaktischer" Agrarmythen!
• Besonderheiten der Landwirtschaft in den neuen Ländern– Heterogenität der Agrarstruktur
• Konfliktpotentiale innerhalb der Landwirtschaft– Größe und Rechtsform der Unternehmen
• Geringe Popularität, geringe Bekanntheit, geringes Verständnis• Spezifika: Lohnarbeit, Pachtflächen, Fremdkapital, ...
Risiko wenig zielgerichteter Politik!
Besondere Problemlagen
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Landwirtschaft hat Handlungsbedarf teilweise erkannt– Neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit
• Bottom-up Initiativen• Soziale Medien• Offene Ställe
Entfremdung
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Aber: Öffentlichkeitsarbeit reicht nicht!– Zu viele Vorwürfe sind berechtigt!– Problem Sonderstellung der Landwirtschaft
• Hohe Direktzahlungen und weitere Subventionen• Privilegien im Bau-, Erb-, Steuer-, Umweltrecht, ...Konservierung des Status quoPermanenter RechtfertigungsbedarfZunehmende Verteilungs- und Verteidigungskämpfe
These:Probleme und Konflikte eng verbunden mit demMythos "bäuerliche Landwirtschaft"
Entfremdung
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• “Those who labour in the earth are the chosen people of God (...) Corruption of morals in the mass of cultivators is a phenomenon of which no age nor nation has furnished an example.” (Th. Jefferson, 1785)
• “das relative Gleichgewicht zwischen dem Maße der Bedürfnisbefriedigung der Familie und dem Quantum an Arbeitsaufwand und Arbeitsintensität bestimmt das Maß der Produktion der Bauernwirtschaft sowie den Grad der Selbstausbeutung der Familienarbeitskräfte.” (A.V. Tschajanow, 1922)
• “The average farmer is on a treadmill …. but by running faster he does not reach the goal of increased returns; the treadmill simply turns over faster.” (W.W. Cochrane, 1958)
Mythos "bäuerliche Landwirtschaft"
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Mythos "bäuerliche Landwirtschaft"
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M. Boehlje, A. Gray (2009)"Farming is in the midst of a major transformation—not only in technology and production practices, but also in size of business, resource control and operation, business model and linkages with buyers and suppliers." − "biological manufacturing"− "agricultural production is becoming more a science
and less an art"− "vertical integration"
Mythos "bäuerliche Landwirtschaft"
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• Abnehmende Betriebszahlen, steigende Größen• Gültigkeit der Pareto-Regel
– Anteile nach Größenklassen (ha LF) in Thüringen (2016)
» Betriebe mit > 500 ha• 12 % der Betriebe• 73 % der LF• 63 % der AK-E
Landwirtschaftliche Trends
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
0%
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40%
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unter 5 5 - 10 10 - 20 20 - 50 50 - 100 100 -200
200 -500
500 -1000
1000und
mehrLF in ha
Betriebe LF AK-E
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• Abnehmende Betriebszahlen, steigende Größen• Gültigkeit der Pareto-Regel• Steigender Anteil Fremdarbeitskräfte
Landwirtschaftliche Trends
Quelle: Statistisches Bundesamt eigene Berechnungen
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Deutschland
Bayern
Niedersachsen
Thüringen
Anteile verschiedener Arbeitskraftkategorien (2016)
Fam-AKE Ständige Fremd-AKE Saison-AKE
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• Abnehmende Betriebszahlen, steigende Größen• Gültigkeit der Pareto-Regel• Steigender Anteil Fremdarbeitskräfte• Zunehmende Kapital- und Wissensintensität
– Landwirtschaft ist technologiegetrieben– Zusätzlicher Schub durch Digitalisierung
• Zunehmende vertikale Integration (Vertragsproduktion)• Globalisierung• ...
Trends werden sich fortsetzen!
Landwirtschaftliche Trends
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• Abnehmende Betriebszahlen, steigende Größen• Gültigkeit der Pareto-Regel• Steigender Anteil Fremdarbeitskräfte• Zunehmende Kapital- und Wissensintensität
– Landwirtschaft ist technologiegetrieben– Zusätzlicher Schub durch Digitalisierung
• Zunehmende vertikale Integration (Vertragsproduktion)• Globalisierung• ...
Trends nicht ursächlich verantwortlich für Probleme!
Landwirtschaftliche Trends
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• Abnehmende Betriebszahlen, steigende Größen• Gültigkeit der Pareto-Regel• Steigender Anteil Fremdarbeitskräfte• Zunehmende Kapital- und Wissensintensität
– Landwirtschaft ist technologiegetrieben– Zusätzlicher Schub durch Digitalisierung
• Zunehmende vertikale Integration (Vertragsproduktion)• Globalisierung• ...Gesellschaftliche Erwartungen lassen sich nicht gegen
diese Trends erfüllen!
Landwirtschaftliche Trends
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• Abnehmende Betriebszahlen, steigende Größen• Gültigkeit der Pareto-Regel• Steigender Anteil Fremdarbeitskräfte• Zunehmende Kapital- und Wissensintensität
– Landwirtschaft ist technologiegetrieben– Zusätzlicher Schub durch Digitalisierung
• Zunehmende vertikale Integration (Vertragsproduktion)• Globalisierung• ... Landwirtschaft in den neuen Ländern besonders
betroffen!
Landwirtschaftliche Trends
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• Generationswechsel– Leitungsebene und Teilhaber Juristischer Personen– Sicherung des Arbeitskräftebedarfs
• Demographische Veränderungen ländlicher Räume– Birgt jedoch auch Chancen für Agrarunternehmen!
• Zersplitterte landwirtschaftliche Interessenverbände– Erschwert Identifikation– Erschwert Kommunikationsprozesse
• Zunehmende Leitbilddiskussionen– Wie Geschichte und heutige Gegebenheiten würdigen?– Wer ist eigentlich Landwirt?
Besonderheiten der neuen Länder
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• Wie kann Landwirtschaft Vertrauen zurück gewinnen? Zwei Wege:
– Landwirtschaft passt sich dem Bild der Öffentlichkeit an"Romantisieren"
– Landwirtschaft "erklärt" sich, wie sie ist"Entmythologisieren"
Herausforderungen
© fotolia / romurundi
© Claas
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• Strategie der "Romantisierung" verkennt Realität!– Zunehmende Diskrepanzen zwischen Realität und Erscheinungsbild!– Ignoranz ethischer Probleme heutiger Landwirtschaft!– Keine Kompatibilität mit unserer Gesellschaftsform!
Herausforderungen
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• "Entmythologisierung" setzt voraus, ...– dass die Landwirtschaft die von ihr verursachten Probleme verstehtVerlangt selbstkritische Analyse!
– dass die Bereitschaft besteht, Konsequenzen zu tragenVerlust von Privilegien!Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung (CSR)!
Herausforderungen
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• Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung (CSR)– Ausbalancierung unterschiedlicher Stakeholder-Interessen
• Partner in der Kette, Mitarbeiter, Geldgeber, ...• Lokale, nationale, globale Öffentlichkeit
– Das "eherne Gesetz der Verantwortung" (Davis 1960)• Mächtige Akteure verlieren ihre Macht,
wenn sie damit nicht verantwortlich umgehen!Soziale Verantwortung dient dem langfristigen Eigeninteresse!
Herausforderungen
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Herausforderungen
Pyramidenmodell der CSR nach A.B. Carroll (1991)
• Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung (CSR)– Besonderer moralischer Wert von Freiwilligkeit
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Herausforderungen
Pyramidenmodell der CSR nach A.B. Carroll (1991)
• Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung (CSR)– Besonderer moralischer Wert von Freiwilligkeit
Wer auf Gesetze wartet, gewinnt keine Anerkennung!
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• CSR Lösung für landwirtschaftliche Konfliktbereiche?– (Selbst große) Landwirtschaftliche Betriebe sind klein
• Geringe Sichtbarkeit jenseits des eigenen Dorfes• Trittbrettfahrerproblematik
– Tretmühlenproblematik• Geringe Gewinne erlauben nur geringe Spielräume
– Mentalitätsprobleme• CSR nicht mit einer Opferrolle kompatibel
– Subventionsproblematik• Verteilungskämpfe schaffen keine Wertschätzung
– Erforderlicher Aufholprozess hat seinen Preis• Gewinner + Verlierer: unterschiedliche Perspektiven
Herausforderungen
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Wie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?– Staatliche Interventionen
• Regelungen und Gesetze– Unterschiedliche Betroffenheit
» Verteilungskonflikte– Kontrollen und Sanktionen erforderlich
» Bürokratie– Geringe moralische Wertigkeit
• Anreize durch Förderungen– Mitnahmeeffekte -> Subventionen -> Verteilungskämpfe– Begrenzte moralische Wertigkeit
Lösungsansätze
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Wie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?– Zivilgesellschaftliche Aktivitäten
• Landwirtschaftliche Interessenverbände – Selbstreflektion– Selbstverpflichtungen– Problem:
Heterogenität in und zwischen Verbänden
Lösungsansätze
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Wie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?– Zivilgesellschaftliche Aktivitäten
• Landwirtschaftliche Interessenverbände – Selbstreflektion– Selbstverpflichtungen– Problem:
Heterogenität in und zwischen Verbänden• Vereinbarungen mit grünen NGOs
– Verfolgung gemeinsamer Ziele – Vereinbarung bietet Legitimation– Voraussetzung: Überwindung ideologischer Barrieren
Lösungsansätze
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Wie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?– Koordination durch Chain Captains (LEH, Markenhersteller)
• "Ehernes Gesetz der Verantwortung" greift• Beispiele
– GlobalGAP– Auslistung Käfigeier durch LEH– Rabobank: Compliance Anforderung an alle Kreditnehmer
• Voraussetzungen – Verbraucher / Gesellschaft reagieren auf "Skandale"– Gesellschaft nimmt Verarbeiter und LEH in die Verantwortung– Landwirtschaft verlässlicher Partner
Lösungsansätze
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Wie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?– Differenzierung
• Labels• Innovationen
– Produkte– Marken
• Voraussetzungen – Absatzkanäle– Sichtbarkeit– Transparenz und Vertrauen
• Herausforderung des Sektors– Überwindung des Nischendaseins
(impliziert geringe Renten)
Lösungsansätze
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Wie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?– Ideal:
konzertierte Aktionen von Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft• "Nutztierstrategie"• Leitbildprozess Sachsen-Anhalt?
– Letztlich kann auch jeder einzelne Landwirt handeln!• Auch lokales Renommee hat einen Wert!• CSR kostet nicht immer (viel)!
– bessere Qualifikation – erhöht Sozialkapital
Lösungsansätze
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Sicherung von Akzeptanz gewaltige Herausforderung! – Erheblicher Aufholbedarf– Größenordnung vergleichbar dem Transformationsprozess
CSR ist einer von mehreren essentiellen Bausteinen!– Ziel: Gewinnung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen für
Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Innovationen sind ein weiterer Baustein!
– Technisch, organisatorisch und institutionell Strukturwandel lässt sich nicht aufhalten!
– Trotz sozialer Kosten und Konfliktpotentiale Konstruktive Auseinandersetzungen erforderlich!
– Landwirtschaftsintern wichtiger als mit der Gesellschaft
Schlussfolgerungen
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• Kann ein Leitbild zur Problemlösung beitragen?– Was sind mögliche/sinnvolle Ziele?– Was sind sinnvolle Anforderungen?– Was sind wesentliche Hindernisse?– Was kann es bewirken? – Was wäre der Preis eines "unpassenden" Leitbildes?
Schlussfolgerungen
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• Kann ein Leitbild zur Problemlösung beitragen?– Beispiel: 10 Thesen der DLG
• Motivation – Staatliche Regulierung vergleichbar einem Holzhammer!– Probleme müssen letztlich vor Ort bewältigt werden
» Subsidiarität» Eigeninitiative
– Innovationen sind ein Schlüssel für künftige Entwicklung» Widerständen in Gesellschaft und Politik vorbeugen» Zusammenarbeit zwischen
Landwirten und mit Partnern in der Kette
Schlussfolgerungen
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• Was sind mögliche/sinnvolle Ziele eines Leitbildes?– Das Heft selber in die Hand nehmen,
statt es der Politik zu überlassen• Alternativen zur Regulierung entwickeln
– Den Sektor selber zusammenführen• Grenzen der Verbände überwinden• "Schwarze Schafen" Grenzen setzen
– Signale gegenüber anderen gesellschaftlichen Akteuren setzen• Vertrauen in Politik und Gesellschaft gewinnen• Sich selber nach innen und außen kommunizieren
– Mehrwert generieren, statt Pfründe verteilen• Nullsummenspiel überwinden
Schlussfolgerungen
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• Was sind sinnvolle Anforderungen?– Besonderheiten der (regionalen) Landwirtschaft würdigen
• Geschichte– Kollektivierung -> Unternehmensgrößen, Flächengrößen– Besondere Rolle von Unternehmertum
» Wiedereinrichter, Neueinrichter, LPG-Nachfolger• Heterogenität
– Größen, Rechtsformen, Ausrichtungen– Rollen: Wer ist Landwirt?
» Eigentümer/Anteilseigner» Betriebsleiter, Mitarbeiter, Grundbesitzer
• Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken adressieren– Vergleichsweise hohe Rentabilität– Vergleichsweise geringe Wertschöpfung je ha
Schlussfolgerungen
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• Was sind Hindernisse ein gutes Leitbild zu entwickeln?– Interessenkonflikte
• groß-klein• öko-konventionell• unterschiedliche Fähigkeiten der Anpassung
– Hohe intellektuelle Anforderungen• unterschiedliche mentale Modelle• Ideen und Lernprozesse erforderlich• Problem Zeitdruck
– Fehlende Motivation der Akteure– Politischer Opportunismus
Besser kein Leitbild, als ein Leidbild!?
Schlussfolgerungen
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Was kann die Gemeinsame Agrarpolitik der EU leisten? – Umverteilungsdiskussion trifft neue Bundesländer
• Mittelverlust• Verwerfungen innerhalb der Landwirtschaft
– Zunehmende Überwälzung der Direktzahlungen– Hoher Mittelbedarf für mehr gesellschaftliche Akzeptanz
Wären EU-Mittel nicht besser angelegt, für zielgerichtete Maßnahmen um Akzeptanz zu verbessern?
Schlussfolgerungen
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Was tun?