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Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte herausgegeben von Heinz-Günther Borclz und Wolfgang Laufer unter Mitarbeit von Jost Hausmann 22. Jahrgang 1996 Verlag der Landesarchivverwaltung PJieinland-Pfalz 93 1492G

herausgegeben - MGH-Bibliothek · Zwar hat der Herausgeber und Mitautor Robert Fossier dann gleichwohl Heinrichs VII. ˚Kaiserkrönung" von 1312 erwähnt, aber nur als Nostalgiephänomen24,

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Page 1: herausgegeben - MGH-Bibliothek · Zwar hat der Herausgeber und Mitautor Robert Fossier dann gleichwohl Heinrichs VII. ˚Kaiserkrönung" von 1312 erwähnt, aber nur als Nostalgiephänomen24,

Jahrbuch

für westdeutsche Landesgeschichte

herausgegeben

von

Heinz-Günther Borclz und Wolfgang Laufer

unter Mitarbeit von Jost Hausmann

22. Jahrgang

1996

Verlag der Landesarchivverwaltung PJieinland-Pfalz

93 1492G

Page 2: herausgegeben - MGH-Bibliothek · Zwar hat der Herausgeber und Mitautor Robert Fossier dann gleichwohl Heinrichs VII. ˚Kaiserkrönung" von 1312 erwähnt, aber nur als Nostalgiephänomen24,

Reichsgrenzen und Vasallitäten - zur Einordnung des französisch- deutschen Grenzraums im Mittelalter"

von Kurt-Ulrich Jäschke

Übersicht: A) Heinrich VII. von Licremburg - ein unbedeutender Lehnsmann vieler Herren? S. 113 - B) Mehrfachvasallität in Grenzregionen S. 117 - I) Lehnsrechtliche Lage und politische Situation um 1300 in Westeuropa S. 117 - II) Die Pflichten Hein-

richs I'll. von Luxemburg laut Vertrag von Pontoise 1294 S. 125 - III) Frühere Va-

sallität bei einem französischen Herren und die Vorstellung von der Streugrenze S. 132 - IV) Doppelvasallitäten fin deutsch französischen Grenzbereich S. 135 - V) Doppelvasallität in Britannien S. 151 - C) Mehrfachvasallität im Reichsinneren S. 156 - D) Ligeität und die These von Doppelvasallität als Rechtsform von Neutra-

lität S. 171

A) Heinrich VII. von Luxemburg - ein unbedeutender Lehnsmann vieler Herren?

Als 1308 der römisch-deutsche Königs- und künftige Kaiserthron neu zu besetzen

war, haben die Kurfürsten - nur der damalige Böhmenkönig hielt sich abseits' - dem Kandidaten aus dem Kapetingerhaus schließlich ihre Stimmen versagt2; sie erhoben

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Die Abhandlung geht auf eine Materialsammlung zurück, aus der auf dem Warschauer Kolloquium

�Granice i pogranicza - jgzyk i historia" (27. und 28. Mai 1993) über �Mehrfachvasallitäten in Grenzregionen - ein Forschungsdesiderat? " vorgetragen worden war. Die Veröffentlichung in dem entsprechenden Tagungsband des Instytut Jpzyka Polskiewo der Universität Warschau (Warschau 1994) S. 65-117 beruhte unglücklicherweise nicht auf der eingereichten Manuskriptfassung, sondern auf der Diskette einer Vorstufe. Für die nunmehrige Neuveröffentlichung wurden einige zusätzliche Material- und Schrifttumshinweise eingearbeitet. Hierbei habe ich in A. 233 und 245 sowie nach A. 406f. dankbar Anregungen von Hans-Walter Herrmann (Saarbrücken) aufgenommen. Mit Abbildung der vollständigen Kurfürstenbank führt hier die sonst so instruktive Bilderchronik vor dem Balduineum I irre - wohl um nicht nur die Einmütigkeit, sondern auch schon die Einstimmigkeit der Wahl zu suggerieren. -Vgl. Georg Irmer, Die Romfahrt Kaiser Heinrich's VII. im Bildercy- clus des Codex Balduini Trevirensis (Berlin 1881) S. 19 zu Taf. 3[b]. - Franz-Josef Heyen, Kaiser Heinrichs Romfahrt. Die Bilderchronik von Kaiser Heinrich VII. und Kurfürst Balduin von Luxemburg 130S-1313 (Boppard 1965) S. 58 zu 3b, hier = dass. (= dtv. 1358, München 1978) S. 56 zu 3b, = ital. in: Mauro Tosti-Crocc (Hg. u. Übers. ), Il viaggio di Enrico VII in Italia (= Le grandi opere, Rom/Cittä di Castello: Edimond 1993) S. 76 zu 3[b]. Petra Roscheck, Französische Kandidaturen für den römischen Kaiserthron in Spätmittelalter und Frühneuzeit 1272173-1519. Phil. Diss. Saarbrücken 1984 (Saarbrücken 1984) S. 92-96.

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Heinrich den VII. von Luxemburg durch Wahl3, Altarsetzung und Weibes, wobei sie gleich seine Gemahlin Margarete von Brabant mitkrönten - übrigens sicher nicht mit der Reichskrone6. Da dieser Luxemburger Graf �kulturell mehr französisch als deutsch" und �am Pariser Hof erzogen" war, wird ihm sehr genaue Kenntnis der

�Gefahren" zugeschrieben, welche �die französische Ausdehnungspolitik für den Westen des Reichs bedeutete"'. Obgleich Graf Heinrich VII. �im November 1294 ... `nach Art der französischen Kronvasallen' dem französischen König den Lehnseid" geleistet hatte8, soll er doch �im Gegensatz zur französischen Politik zum König ge- wählt worden" sein9. Tatsächlich mochte er sich �die Widerstandskräfte" zunutzema- chen, �die sich hier, nicht zuletzt in den romanisch sprechenden Teilen des Reichs, gegen Frankreich regteni10. Gleichwohl hatte Graf Heinrich VII. als Lehnsmann auch der französischen Krone in jener Doppelvasallität gestanden, die als �keinesfalls ungewöhnlich"", sondern eher

�für die Verhältnisse an der deutschen Westgrenze" als typisch gilt. Immerhin war mit

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Camille 1V ampach, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Ter- ritorien bis zur burgundischen Zeit 7(Luxemburg 1949) S. 303ff. Nr. 1228 zu 1308 Xl 27. - Künftig: UQB. Irmer, Romfahrt-Bildercyclus (1881) S. 21 zu Abb. 4[a]. -Heycn, Kaiser Heinrichs Romfahrt (1965) S. 60 zu Abb. 4a = (1978) S. 5S zu Abb. 4a. -Tosti-Crocc, Viaggio (1993) S. 79 Abb. 4[a]. Wampach, UQB. 7(1949) S. 309f. Nr. 1233 zu 1309 1 6, auch zum Folgenden zu vgl. - Die Ta- gesdaten stehen zuverlässig bei Eg. l. Strubbc IL. Voct, De Chronologie van de Middelecu- wen en de Moderne Tijden in de Nederlanden (Antwerpen/Amsterdam 1960) S. 329 und 380. Heyen, Kaiser Heinrichs Romfahrt (1965) S. 60 zu Abb. 4b = (1978) S. 58 zu 4b. -Tosti- Croce, Viaggio (1993) S. 79 Abb. 4[b]. -Irmer. Romfahrt-Bildercyclus (1881) S. 22 führt irre, wenn er aus diesem Anlaß bemerkt, daß �in Aachen überhaupt nur drei deutsche Königinnen gekrönt worden" seien; denn neben Rudolfs 1. Gemahlin Anna und Sigmunds Gemahlin Eleonore übersieht er dabei Ludwigs des Baiern erste Gemahlin Beatrix 1314 XI 25; Gertrud Bcnkcr, Ludwig der Bayer 1282-1347. Ein Wittelsbacher auf dem Kaiserthron (München 1980) S. 84f. und Barbara li undt, Ludwig der Bayer. Der Kaiser aus dem Hause Wittelsbach 1282-1347 (Esslingen/München 1989) S. 95. - Diese Königin-Krönung ist übrigens nicht miterwähnt bei Johann Friedrich Bö 11 - mer, Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Baiern, König Friedrich [! ] des Schönen und König Johanns von Böhmen ... in Auszügen (= Regesta Imperii [7], Frankfurt a. M. 1839) S. I. - Jürgen Pcter- sohn, �Echte" und �falsche" Insignien im deutschen Krönungsbrauch des Mittelalters. Kritik eines Forschungsstereotyps (= SB. Wissenschaftliche Ges. Frankfurt a. M. 30 111, Stuttgart 1993) S. 28 A. 88, 5.33 A. 116, S. 116f. u. 119. So Otto Brunncr, Kaiser und Reich im Zeitalter der Habsburger und Luxemburger (in: Deut- sche Geschichte im Überblick, hg. von Peter Rassow, Stuttgart 1953, hier = 1973, hg. von Theodor Schieffer) 5217. - Vgl. unten A. 10. am Ende. So Klaus K1efisch, Kaiser Heinrich VII. als Graf von Luxemburg. Phil. Diss. Bonn 1970 (Bonn 1971) S. 19 mit Zitat aus dem Kopfregest bei Wampach, UQB. 6(1949) S. 1 zu Nr. 554, wo sich die �Art" allerdings auf die Belehnung bezieht. Angesichts des Texts ebd. S. 2 Z. 14f. (Text unten in A. 77) formuliert K1efisch jedoch korrekt, wenn laut seiner S. 33 auch kaum bewußt differenzie- rend. Brunner, Kaiser und Reich (1953, hier = 31973) 5217. Ebd. (1953) S. 217 = (31973) S218: In die durch den Rückentitel allein auf �Rassow" zurück- geführte �Deutsche Geschichte im Überblick". hg. von Martin Vogt (Stuttgart 1987), sind all diese Differenzierungen nicht eingegangen. K1cfisch, Graf (1971)S33.

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der Erhebung eines Kandidaten mit französischer Muttersprache und mit Ausbildung in französischer Adelskultur ein Weg beschritten worden, um gegenüber Frankreichs König Philipp IV., dem Schönen, die Provokation möglichst gering zu halten12. Mochte doch

�der ... Vasall Philipps IV. in gewisser Weise (als) eine Ausgleichsfigur

zwischen französischen und deutschen Interesseni13 angesehen werden. Er mochte gelten als �der geeignetste Mann zur Versöhnung der in ihren Hoffnungen enttäusch- ten Capetinger"'s. Darüber hinaus verfochten namentlich die rheinischen Kurfürsten auch gemeinsame Ziele, und die konnten sie auch als Königswähler geltend machen: Neben den je indi-

viduellen Wünschen für ihr eigenes Territorium und ihre Stellung im Reich - Hein-

richs \'II. Zusagen �an die Wahlfürsten (gelten als) ...

beängstigend großzügigi15 - dürfte ihnen noch ihre schwere Niederlage gegen den gerade ermordeten König Al- brecht I. - Stichwort

�Vernichtung des Niederheimbacher Kurvereins von Oktober

1300i16 - im Bewußtsein gewesen sein, als sie schließlich �einen ungefährlichen Mann aus ihrer eigenen Welt territorialer Zersplitterung" wählten'. Mit der Wendung

gegen einen Habsburger und für den Luxemburger war �ein Dynast von mittlerer

Rangstellung aus den politisch und territorial zerrissenen Westgebieten des Reiches",

aber immerhin ein Landesherr der hier zu konstatierenden �zweiten

Ebene" auf den Thron erhoben, mit dessen Hilfe die Folgen jener rheinischen Kurfürstenniederlage

gegen König Albrecht I. vergessen gemacht werden konnten18.

Die Zugehörigkeit zu solchen �westlichen Verhältnissen" hatte sich auch im eingangs erwähnten Kronvasallenvertrag vom November 1294 aus Pontoise niedergeschlagen. Nahm hier doch Graf Heinrich VII. vom Bündnisfall außerhalb von Grenzen des Königreichs Frankreich für Gebiete zwischen �Flandrischem Meer" und Herzogtum Burgund seine folgenden Lehnsherren aus: den König von Deutschland, �die Erzbi-

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Vgl. Hartmut Boockmann, Heinrich VII. 1308-1313 (in: Kaisergestalten des Mittelalters, hg. von Helmut Beumann, München 1984, '1991) S. 242. Werner Mägdefrau, Heinrich VII. 1308-1313 (in: Deutsche Könige und Kaiser des Mittelal- ters, hg. von Evamaria Enge1 und Eberhard Ho1tz, Leipzig etc. 1988, Nachdruck 1989) S. 269. Harald Zimmermann, Das Mittelalter 2 (Braunschweig 1979) S. 145. Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung (= Propyläen Geschichte Deutschlands 3, Berlin 1985) S. 226. Heinrich Ko 11 er in: Lexikon des Mittelalters 1 II(1978) Sp. 311; künftig: Lex. des MA. - Alfred Hessc1, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Albrecht I. von Habsburg (= Jahrbücher der Deutschen Geschichte 121], München 1931) S. 69f., 90f. und 92-107; künftig: Jbb. Vgl. Brunner, Kaiser und Reich (1953) S. 216 = (31973) S. 217. - Gegen eine Geringschätzung von Heinrichs Vlt. territorialer Basis argumentiert überzeugend Wilfried Reichert, Landes- herrschaft zwischen Reich und Frankreich. Verfassung, Wirtschaft und Territorialpolitik in der Graf- schaft Luxemburg von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (= TrierHistForsch 24, Trier 1993) S. 1ff. u. ü. Leo Stcrn /Erhard Voigt, Deutschland in der Epoche des vollentfalteten Feudalismus von der Mitte des 13. )! ] bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert (= Lehrbuch der deutschen Geschichte. Beiträge (2111), 2., veränderte Auflage bearbeitet von Johannes SchiId lt auer, Berlin 1976) S. 189. - 2. Ebene: Reichert, Landesherrschaft (1993) S. 1039.

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schöfe von Köln und Trier, den Bischof von Metz, den Grafen von Flandern" und Namen (frz. Namur),

�den Herzog von Brabant und d(en) Grafen von Hennegau"19.

Die moderne Forschung vermag dem anscheinend nichts hinzuzufügen 20. Neben den Königen waren das zwar noch drei hoch rangierende Kirchenfürsten und ein Herzog,

aber auch drei Grafen, also Standesgenossen des Luxemburgers. Dem Verdacht, er habe hierdurch um einiger Lehen willen auf Reichsebene seinen Heerschild gemin- dert, also eine Lehenniederung riskierte', wird man zunächst nur unvollkommen mit seiner Lehnsherrlichkeit über Graf Johann von Sponheim, Herrn von Starkenburg, seit 129922 und über Graf Heinrich von Salm seit 1307 sowie über die Grafen Gottfried

und Philipp II. von Vianden begegnen können'. Ein kleiner Graf, der vieler Herren Mann war: Das gibt eine gute Erklärung dafür ab, daß Heinrich VII. auch als König

und Kaiser in der französischsprachigen Forschung der Gegenwart wenig Ansehen

genießt. In einer repräsentativen Mittelalter-Geschichte aus französischen Federn von 1983

zählt er zu jenen Kaisern in den letzten Zügen der Macht (�le pouvoir aux abois"), die

sich mit Plänen aufblähten, ohne dadurch in Erinnerung zu bleiben; kenne man doch nicht einmal ihre Namen. Zwar hat der Herausgeber und Mitautor Robert Fossier dann gleichwohl Heinrichs VII. �Kaiserkrönung" von 1312 erwähnt, aber nur als Nostalgiephänomen24, und entsprechend fehlen in der zugehörigen Zeittafel denn auch Ereignis und Jahr. An deren Stelle wird dort zu 1310 von Heinrichs VII. Italienauf- enthalt so berichtet, als sei er von städtischen Aufständen dieses Jahrs in der Toskana und in Rom überdeckt worden'. So überrascht es nicht, daß nichts von alledem in die

�großen Daten des Mittelalters" Eingang gefunden hat, die in verhältnismäßig hohen

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Heyen, Kaiser Heinrichs Romfahn (1965) S. 17 = (21978) S. 16 mit Listenscltluß �dic Grafen von

Hennegau und Holland" ist geringfügig zu verbessern nach Wampach. UQB. 6(1949) S. 6 Nr. 556 §§ 4 bzw. 3, eingerückt unten in A. 108. - Im Hennegau amtierte 1280-1304 Johann l., in Hol- land 1256-96 Florenz V. und in Namen 1263-98 Wido I. von Dampierre, 1278-1305 auch Graf von Flandern; Str ubbe/Voet (1960) S366 und 370 bzw. 387 und 394. K1efisch, Graf (1971) S. 62 erwähnt das Erzbistum Trier, S. 75f. Flandern, Hcnncgau und Na- men. -Reichert, landesherrschaft (1993) liefert - trotz der Einschränkung cbd. S. 8 - ein- drucksvolle Überlegungen und Materialien .. nur" zum aktiven Lehnbereich der Luxemburger, z. B. anmerkungsweise S. 415ff. bzw. S. 745-1030 im jeweiligen Prosopographie-Abschnitt Ill zum gräfli- chen Lehnhof. - Vgl. Karl-Friedrich Kricgcr, Hccrschild (in: Lex. des MIA. 4.1989) Sp 2008, hier wörtlich = ders., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, ca. 1200-1437 (= Un- tersDtStaatsRG NF. 23, Aalen 1979) S. l 18. Klcfisch, Graf (1971) S. 80 unter Nr31 verweist auf Wampac lt . UQB. 6(1949) S. 226f. Nr. 759 von 1299 VII 21 und ebd. 7(1949) 5361 vor A. 63 in Nr. 1279. K1cfisch, Graf (1971) S. 81 unter Nr. 58 (Salm) verweist auf Wa nt pac lt , UQB. 7(1949) S. 143-146 Nr. 1088 von 1307 1 11 und ebd. S. 360 vor A. 51 in Nr. 1279. -Reichcrt, Landes- herrschaft (1993) S. 417 A. 44 u. 5.1005 (Gottfried) bzw. S. 430.916 u. 955 in Verbindung mit S. 604 A. 374 (hier Philipp 11., aber vorher schon Heinrich 11. von Vianden). Fos sic r, Le Kloyen Age 3(Paris 1983) S. l 10. Ebd. 5.516.

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Auflagen - die 5. Auflage von 1981 verzeichnete das 45. Tausend - durch die Reihe

�que sais je? " verbreitet werden. 26

B) hlehrfaclrvasallität in Grenzregionen

Unabhängig vom Erklärungspotential für Wahlgeschehen und spätere Reichspolitik

verdient der Sachverhalt solcher Besitzverhältnisse und Strukturverzahnungen beider- seits von Reichsgrenzen Beachtung. Jene Doppelvasallitäten könnten Indikatoren sein für die verschiedenartige Durchlässigkeit von Grenzen während des Mittelalters.

B 1) Lehnrechtliche Lage und politische Situation um 1300 in Westeuropa

Wie bereits anklang: Die Position der Luxemburger war nicht singulär. Am Vorabend

eines Königswahlbündnisses zu Nivelles vom 12. Mai 1308 hatten niederlothringi- sche Große mit dem Herzog von Brabant an der Spitze von gemeinsamer Gegner-

schaft ausdrücklich �ihre Lehnsherren, die Könige von Deutschland und Frankreich",

ausgenommene'. Entsprechend hat die Forschung festhalten können, daß sie alle mit Ausnahme des Herren von Looz damals Vasallen auch von Frankreichs König waren, also der Brabanter Herzog Johann II. ebenso wie die Grafen von Hennegau-Holland, von Luxemburg, von Namen (frz. Namur) und von Jülich28. Man berücksichtige dafür die Pariser Perspektive: Jene Luxemburger Grafendynastie war spätestens �seit

dem 12. November 1294 dem König von Frankreich durch einen ligischen Lehnseid in besonderer Weise verbunden". Deshalb bedeutete im Jahr 1308 ihre Politik und be-

sonders das Verhalten des jungen Erzbischofs Balduin von Trier29 für den französi-

schen Königshof möglicherweise auch eine besondere Enttäuschung. Betrieb doch Balduin die Königserhebung seines Bruders Graf Heinrich VII. von Luxemburg und unterstützte nicht diejenige des kapetingischen Kandidaten und französischen

26 Jean DeI or me. Les grandes dates du Moyen Age (= que sais je 1088, Paris 1964,51981) S. 100- insgesamt 11 8 Text- und Zahlenseiten.

, ... nmu ne nos meffadzons enters nos seigneurs, cest assavoir le roy d Alemaingne et le roy de Fran- ce; \V ampach, UQB. 7(1949) S. 233 Nr. 1173 §1= Monumenta Germaniae Historica. Constitu- tiones et acta publics 41(1906) S 201 Z2f. Nr. 237 §1 von 1308 IV 11. - Künftig: MGH. Const.

=$ Weitgehend wörtlich nach Heinz Tho ni as, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250-1500 (Stuttgart etc. 1983) S. 13 1.

29 Ebd. 5.132, auch zum Folgenden zu vergleichen.

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Königsbruders Großgraf Karl von Valois, und das alles, obgleich Balduin auch per- sönlich für seine Karriere dem König Frankreichs zu Dank verpflichtet sein konnte und diesem noch im April 1308 zu Paris ein schriftliches Treuegelöbnis hatte zu- kommen lassen30. Trotz seinem Versprechen,

�stets zum Nutzen Frankreichs zu han- deln,

... machte [ausgerechnet] Balduin Philipp (dem) IV. einen Strich durch die Rechnunga31. Besonders gravierend wirkt dieser Sachverhalt, wenn man eine grenzspezifische Fra- gestellung mit politischen Haupttendenzen der Zeit verknüpft: Hatten doch unter den Kapetingern Philipp III., dem Kühnen (1270-85), und seinem Sohn Philipp dem Schönen (1285-1314) sogenannte französische Ausdehnungstendenzen einen solchen Höhepunkt erreicht, daß man sie in die Vorgeschichte jener französischen Rheinpoli- tik einordnen konnte, für die seit Karl VII., dem Siegreichen (1422-61) - er heißt so wegen seiner Erfolge gegen Burgunder und Engländer - erstmals ein amtlich formu- lierter Beleg bekannt ist, nämlich von seinem Zug gegen Metz 144432. Der moderne Historiker liest dies daran ab, daß eben um 1300 im

�Gesamtbereich zwischen Nord-

see und Rhonetal ...

Frankreichs Jurisdiktion vorgeschoben" wurde; Beispiele werden nämlich gesehen �im

Hennegau und in der Freigrafschaft (Burgund), in Bar, Toul und Verdun, in Lyon [ähnlich] wie in Valenciennes [: ] an allen Abschnitten der Grenze'03. Ausgerechnet

�seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts" endete die

Jahrhundertealte Stabilität" der bisherigen �Grenze zwischen ...

Imperium' und 'Regnum'

... in auffallend vehementer Weise

... zu Lasten der deutschen Seitei33. Hatten sich doch inzwischen

�präzisierte Anschauungen über Wesen und äußere Ge- stalt des Staates

... verbreitet und wurden praktisch angewandt"35. Doch verblüffenderweise sind weder Erzbischof Balduin noch König und Kaiser Heinrich VII. von französischer Seite je der Felonie geziehen worden, obgleich sich gerade aus großfranzösischer Sicht Gegner des Kaisers noch zu Lebzeiten formierten und sich unmittelbar nach dessen Tod in ihren Argumenten bis zum Vorschlag an den

30 Wampach, UQB. 7(1949) S 228ff. Nr. 1170. -Thomas. Deutsche Geschichte 1250-1500 (1983) 5.131 ff. Magdefrau, Heinrich Vii. (1989)S26S. Paul Egon Hübinger, Die Anfänge der französischen Rheinpolitik als historisches Problem (in: Historische Zeitschrift 171,1951) S31 und 43. - Die ebd. S. 30 A. l angekündigte Arbeit erschien ohne Nachweise unter dem Titel �Die 'Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik' im Lichte von Ver- fassungsstruktur und Staatsidee des mittelalterlichen Deutschland und Frankreich" in: 11 übin- ger, Ausgewählte Aufsätze und Vorträge, hg. von Magnus Ditschc und Raymund Kottjc (= BonnHistForsch 53. Siegburg 1990) S. 223-239, hier S. 225. - Dieter Hcck- in ann, Andre Vocy de Ryneck. Phil. Diss. Saarbrücken 1985 (Saarbrücken 1986) S. 69. Hübingcr, Rheinpolitik (1951) S. 30 mit Verweis auf die ,. erschöpfende Darstellung" bei Fritz Kcrn, Die Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik bis zum Jahre 1308 (Tübingen 1910) ab S. 69. 1-1 übingcr. Ausdehnungspolitik (1990) S. 225,237 und 239. Ebd. S. 228. - Zu dem oben anschließenden Argumentum c silentio vgl. die analoge Überlegung bei Pctersohn, �echte" und ., falsche` Insignien (1993) S. 97 zur krönungsrechtlichen Bewertung der Reichskrone: . Einreden ... sind nicht bekannt. "

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Papst verstiegen, das deutsche Königtum nunmehr unbesetzt zu lassen36. Darüber hinaus exerzierte der französische Königshof mittels des Pariser Parlaments gegen- über Englands König ja gerade vor, wie man mit unbotmäßigen Vasallen umzugehen gedachte37. Auch im römisch-deutschen Reich des Spätmittelalters wurde gegen Kronvasallen bisweilen noch auf lehnrechtlicher Grundlage vorgegangen38: Als 1295 Pfalzgraf Ottenin von Burgund mit Aussicht auf Verheiratung seiner erstgeborenen Tochter an den kapetingischen Thronfolger dessen Vater, also König Philipp dem Schönen, sein Land vertraglich �in

die Hände spielte` 39, oder besser: für 100 000 Pfund plus Jahres- rente von 10 000 Pfund verkaufte`, scheute sich König Adolf nicht, während des Frankfurter Reichshoftags von Ende Juni 1296 ein Fürstenurteil herbeizuführen, durch das dem Pfalzgrafen seine Lehen und seine Güter aberkannt wurden41; im Reich galt dieser nunmehr vielfach als �ehemaliger Graf Burgunds". Pfalzgraf Ottenin hatte im Oktober 1293 im Lager vor Colmar dem Römerkönig Adolf als zukünftigem Kaiser gehuldigt", und eine Huldigung Graf Heinrichs VII. von Luxemburg gegenüber Kö-

nig Adolf ist ebenfalls bezeugt - übrigens verbunden mit einer Lehnsvermehrung",

nicht nur einer Besitzbestätigung hinsichtlich der väterlichen Lehen'S. Gleichwohl ist auch von römisch-deutscher Seite der Felonieverdacht gegen den Luxemburger nur in der Forschung. ', nicht von den Zeitgenossen geäußert worden.

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Jäschke. Zu universalen und regionalen Reichskonzeptionen beim Tode Kaiser Heinrichs VII. (in: Festschrift für Berent Schwineköper, Sigmaringen 1982) S. 420-35 mit Ergebnis S. 435 § 1. [Frederick] Maurice Powicke, The Thirteenth Century, 1216-1307 (= The Oxford History of England 4. Oxford 1953, hier = 21962) S. 646ff. Krieger, Lehnshoheit (1979) S. 497f. Eduard Ziehen, König Adolf von Nassau, Mittelrhein und Reich (in: NassAnn 59,1939) S. 14. Vincenz Sa ni anek (Bearb. ), Die Regesten des Kaiserreiches unter ... Adolf ... (= J[ohann] F[riedrich] Böhmer. Regesta Imperii 6 11, Innsbruck 1948) S. 184 Nr. 550 von 12951112. Ziehen, König Adolf (1939) S. 14 und Krieger, Lehnshoheit (1979) S. 498 mit A. 79, beide allerdings mit �Reichstag". -Böhme r/ Samanek (1948) S. 251f. Nr. 734 von 1296 VI 27. - Ute RödeI. Die Zeit Adolfs von Nassau, Albrechts I. von Habsburg, Heinrichs von Luxemburg, 1292-1313 (= Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451 Bd. 4, Köln etc. 1992) S. 84ff. Nrn. 117f.

... quondam comes Burgundie; Röde1,1292-1313 (1992) S. 85 Anm. zu Nr. 117. Böhme r/Sa ma ne k (1948) S. 107f. Nr. 322 von 1293X23.

... in incrementtt» t jeodi sui; Böhme r/ Samanek (1948) 5.150 Nr. 443 zu 1294 IX nach Nürnberg. - Seither neu gedruckt bei 1V ampach, UQB. 6(1949) S. 70ff. Nr. 613 zu ca. 1295 ge- mäß dem Acnun Nurberg I! ] circa an uun Domini M. CC. XCV. S. 71, wo der Beleg zum Ort im Register S. 486 ausgefallen ist. - Zu 1293 IVN gezogen bei K1efisch, Graf (1971) S. 32; vgl. Böh- me r/ Samanek (1948) S. 81-84 Nrn. 230-236. - Um 1293-95: Reichert, Landesherr- schaft (1993) S. 133 A. 280, vgl. ebd. S217 A. 176. - �Gegen 1295": ebd. 5.146, vgl. ebd. S. 155 A. 400, S. 169 A. 464 und S-599 A. 342. Dies könnte aus dem Kopfregest bei 1V ampach, UQB. 6(1949) S. 70 herausgelesen werden. Kern, Anfänge (1910) 5.330, eingerückt unten in A. 109. - Carl D. Dietmar, Heinrich VII., Graf von Luxemburg. römischer König und Kaiser (in: Balduin von Luxemburg ... 1285-1354. Fest- schrift aus Anlaß des 700. Geburtsjahres, hg. unter Mitwirkung von Johannes Mötsch von Franz- Josef Heyen= QAmrkKG 53, Mainz 1985) S. 44. - Vorsichtig zum Subsidienraub von 1295 KIcfisch, Graf (1971) S. 83. - Vorsichtig distanzierend Reichert, Landesherrschaft (1993) S. 217ff.. zum Folgenden ebd. S221.

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Auf Grund der nahezu wörtlichen Bestätigung jener Lehnsvermchrung durch König Albrecht I. im Anschluß an dessen ersten Nürnberger Reichshoftag mit Königinweihe vom Sonntag nach Martini 1298i7 hat man gar annehmen können, daß Heinrich VII. als der damals so genannte �geliebte Getreue", der dem neuen König �und dem Heili- gen Römischen Reich ... willkommene Dienste ... geleistet" haben soll`, am Hoftag teilgenommen hat19. So fragt man sich, was dem französischen König 1294 und 1308 im Detail versprochen worden war und in welche Zusammenhänge diese Versprechen gehörten. Beginnen wir mit der Situation des neuen Erzbischofs Balduin von Trier! Als jüngster Grafensohn war er 1285/86 geboren, also nur wenige Jahre vor dem Schlachtentod seines Vaters, des Grafen Heinrich VI. von Luxemburg, bei Worringen 128850. Dem- nach oblag die Sorge für die Karriere zunächst der wie ein Vormund regierenden Mutter und dann dem regierenden Bruder, also Heinrich dem VII. Die geistliche Kar- riere wurde mit Pariser Studien, die mit nur zweijähriger Unterbrechung, möglicher- weise erzwungen durch Philipps des Schönen erneutes Vorgehen gegen Wido von Dampierre, von spätestens 1299-1307/08 währtenS1, programmiert, und so ließen denn auch benachbarte Domkanonikate, nämlich in Metz und Trier, nicht auf sich warten: Gar �noch vor 1304 zum (Trierer) Dompropst" gewählt, soll bereits 1305/06 eine Bewerbung um den Mainzer Erzstuhl gescheitert seins2, ehe er ani 7. Dezember 1307 in zwiespältiger Wahl schließlich erfolgreicher Mehrheitskandidat für den Trierer Erzstuhl wurde. Das war das auslösende Moment, nach dem nun auch königlich-französische Unter- stützung für seine Postulation beim Papst greifen konnte - mit Erfolg; denn unter dem

47 Vgl. Johann Friedrich Böhmer. Albrecht (in: Regesta Imperii lode ab anno MCCXLVI usque ad annum MCCCXIII, Stuttgart 1844) S. 204 mit S. 206 Nr. 82 sowie Wampach, UQB. 6(1949) S. 72 Nr. 613 mit S. 199 Nr. 735, wo die wörtliche Übereinstimmung weder vermerkt noch auf den frühe- ren Text verwiesen wird. Attendentes grata obsequia, que spectabilis vir lleinricus. comes de Lützellenburch, frdelis nosier dilectus, nobis ei sacro Romano inpendit iarperio ...; Wampach. UQB. 6(1949) S. 198f. Nr. 735 von 1298 XI 21 aus Nürnberg [mit geringfügig ergänzter Interpunktion]. Ebd. S. 198, Vorbemerkung zu Nr. 735. Vgl. Lex. des MA. 4(1989) Sp 2072 s. v. �Heinrich III.. Graf von Luxemburg und La Roche" [ungezeichnet] mit Franz-Josef Heyen. Balduin von Luxemburg (ebd. I. 1980) Sp. 1372. - Dorti- ges �Heinrich III. " für den Vater Balduins (und Heinrichs VII. ) wird inzwischen unüblich - und in Lu- xemburg auch nicht verstanden; vgl. Wampach. UQB. 5(1948) S. 20" A. 3 und Paul Marguc, Luxemburg in Mittelalter und Neuzeit, 10. bis 18. Jahrhundert (= Handbuch der Lu- xemburger Geschichte 2,1974, =1978) S. 7217. - Vgl. unten vor A. 137. 1297-1302 und 1304-08: Sabine Krüger, Balduin von Luxemburg (in: NDB. I, 1953) S. 553 Sp. l. - 1299-1307 mit zwei Jahren Unterbrechung: 1cycn, Balduin (1980) Sp. 1372. - Betroffen- heit der Luxemburger durch das Vorgehen gegen Graf Wido erschließt Heinz Thomas. Das Reich um 1300 (in: Balduin von Luxemburg (wie oben A. 461,1985) S. 39. vgl. auch unten vor A. 73. - Für Balduins Parisaufenthalt noch im Januar 1308 spricht Wampach. UQB. 7(1949) S. 195f. Nr. 1136 [Regest] von 1308121 aus Poitiers an seine Adresse. Krugcr , Balduin (1953) S353 Sp. l. -Heycn. Balduin (1980) Sp. 1372, auch zum Folgenden zu vgl.

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12. Februar 1308 providierte Papst Clemens V. von Poitiers aus den eigentlich noch zu jungen Luxemburger für den Trierer Erzstuhl53, und nach Garantie der notwendi- gen Summen für den Papst und dessen Familiare sowie für die Kardinäle durch Graf Heinrich VII. und zwei Trierer Domkanonikec54 stand den notwendigen Weihen zu Poitiers wahrscheinlich am 10. und 11. März 1308 kein Hindernis mehr entgegenss Wohl noch Ende März 1308 in Poitiers, so daß es einer schriftlichen Mahnung des Papstes zum Aufbruch nach Trier bedurfte56, scheint er dann fast den ganzen April in Paris geblieben zu sein, und in diesen Aufenthalt - dem voraussichtlich letzten nach fast zehn Jahren dortigen Studierens, wenn auch mit der erwähnten Unterbrechung - füllt der Schwur, sich dem König Frankreichs und dessen königlichen Erben dankbar zu erweisen. Und doch nicht uneingeschränkt: In der beurkundeten Fassung nimmt Balduin sehr wohl die Pflichten aus, die er gegenüber der

�heiligen Kirche von Rom [! ] und gegenüber dem König von Deutschland" zu erfüllen habe57. Mit dieser Klausel wurde eine grundsätzliche Rangfolge sichtlich auch vom Empfänger des Treueids konzediert: Kirche - eigener König - König Frankreichs. In ähnlicher Weise hatte bei einem Parisaufenthalt vom 6. Februar 1305 der Verduner Bischof Thomas von Blämont - 1303 providiert und nach dem 5. Februar 1304 ge- weihtSB - den Papst und den �König Deutschlands" von seinem Verteidigungsbündnis

�gegen alle" zugunsten König Philipps des Schönen, zugunsten von dessen Unterta- nen und von dessen Land ausgenommen59. Hier waren dann umfangreiche Bestim- mungen gefolgt, die jedwede Angriffsabsicht von seiten des genannten �Königs Deutschlands" gegen das �Königreich Frankreich" bis an die Grenze von des Bischofs Felonie hindern sollten und auch sonst enge Zusammenarbeit regelten60. Ihnen gegen- über wirken die Zusicherungen Erzbischof Balduins merkwürdig substanzlos, so schnell die Paris-Verduner Absichtserklärungen auch gegenstandslos geworden wa- ren: War doch Bischof Thomas von Blämont bereits viereinhalb Monate später ge- storben61. Wenig später hatte Kölns erzbischöflicher Elekt Heinrich von Virneburg unter dem 19. Dezember 1305 in Lyon - einen Tag nach seiner dortigen Provision durch Papst Clemens V. - ein dankbares Treueversprechen zugunsten von Frankreichs Königen

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W am pach. UQB. 7(1949) S. 197ff. Nr. 1139. Ebd. S. 199f. Nr. 1140 von 1303 1120 aus Poitiers. Ebd. S. 204 Nr. 1146. -Hcyen, Balduin (1980) Sp. 1372. Vgl. Wampac li . UQB. 7(1949) S208f. Nr. 1151 von 1308 111 30 bis S. 218 Nr. 1168 von 1113 1. ... saure 1'obligacion. en la quelle nous poons estre destrainz a la sainte esglise de Ronune et au roi d'Alemaingnc. ebd. S230 Nr. 1170 von 1308 IV - zum Vorherigen auch die dortige Vorbemerkung 5229. Alben Hauck. Kirchengeschichte Deutschlands 5 I1(Leipzig 1920) S. 1161. ... contra onures preterquanr contra .. sumnttun pontificent ei contra .. regest Aletnannie per bunc modum...; NIGH. Const. d 1l(1909ff. ) S. 1249 Nr. 1200 § 1. Ebd. S. 1249f. §§ I ff., in §I mit sen"audo ftdenr nostrain S. 1250 Z. 5. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands 511(1920) S. 1 161: VI 22.

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für die Dauer von zwei Generationen festhalten lassen, in dem gar nur Kaiserreich

und Kaiser sowie die eigene, also Kölner, Kirche höher rangieren sollten. Hiernach fungierte König Philipp der Schöne als des Elekten Herr, als sei auch er des Kölners Lehnsherr62. Auch hier sollte der diplomatische und militärische Beistand gegen einen gegebenenfalls angreifenden �Kaiser oder Römerkönig" gleichsam bis an die Grenze der Felonie gehen'. Für die entsprechende Treue und Handlungsweise verbürgte sich im selben Schreiben übrigens des Elekten leiblicher Bruder: Robert, von Gottes Gna- den Graf von Virneburg, und machte jetzt dies Versprechen auch für seine eigenen Erben geltend, als werde in Erwägung gezogen, daß Elekt Heinrich ihn erheblich überleben könnte. Ohnehin hielt dieser sich seine Karriere offen; leistete er doch sein Versprechen für jedweden Stand, in dem er sich befinden möge. Auch diesem Versprechen gegenüber fiel das Pariser des neuen Erzbischofs Balduin von Trier an Konkretheit und Garantiedrängen ab. Und so wie in all diesen überlie- ferten Texten die Treue gegenüber Frankreichs König dessen Königreich zugute- kommen sollte, so dürfte auch der �König von Deutschland" eben für dessen Reich gestanden haben, auch wo dies - im Unterschied zum Kölner Versprechen aus Lyon - nicht eigens formuliert wurde. Und welch höheres Reichsinteresse gab es als die kir- chentreue Beteiligung des Trierer Kurfürsten an der Erhebung des Römerkönigs und künftigen Kaisers? Ohnehin gehört dieses Treueversprechen wohl tatsächlich eher in den Bereich formalisierender Dankesgesten; denn eine lehnrechtliche Bedeutung wurde ihm nicht unterstellt. Ein dingliches Substrat und Termini wie (droit (le) fie oder Itonunage (lige) fehlen hier nämlich ebenso wie las feudi oder homagium ligiwn in den Verduner und Kölner Texten. Für einen Vorwurf an den Trierer, bei der Kö- nigswahl im November 1308 seinen Treueid gebrochen zu haben, blieb gerade bei einer solchen Angelegenheit kein Raum, zumal der Kirchenfürst nicht nur seinen leiblichen Bruder, sondern auch einen bisherigen Lehnstriger des französischen Kö- nigs mitwählte. In welchen Zusammenhang hatte des Bruders ligische Lehnsmann-

62 ... nos, in quocunque statu fuerinuu, ipsi domino nostro Francie regi illustri ei eins heredi regi Francie fideles erinws contra onuses, saka fidditate. ad quam Romano imperia ei eins mori ac nosire ecdesic tenesnur; MGH. Const. 4 ll(1909ff. ) 5.1251 Nr. 1202, auch zum Folgenden zu vgl. 63 ... salva fideliiate nosira; ebd. Z. 42. - Die militärische Verpflichtung liebt hervor Tho in as, Das Reich um 1300 (1985) S. 36.

64 Vgl. die vorige Anm. am Anfang sowie den vorletzten Textsatz: Ei nos. Robertas, Dci gratia comes Virnemburgensis, ipsius elecii Coloniensis frater. pro prcmissis auendcndis. tenendis ei adintplendis ab eodenz fratre nostro nos ei nosira ad requisicionem ipsius frutris nostri specialiter ei erpresse obli- gamus eaque tenere ei adinsplere promittimus pro nobis ei heredibus nostris. nos ei ipsos hcrcdes ad hoc efficaciter obliganies; ebd. 5.1251 f. Nr. 1202. - Rolf GroBe. Allianz- und Lchnsvcnräge Köl- ner Erzbischöfe und Ritter mit dem französischen König (in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. Festschrift für Odilo Engels zum 65. Gebunstag. hg. von Manna Vo 11 - rath und Stefan 1V cinfurtcr= Kölner Historische Abhandlungen 39. Köln 1993) war mir noch nicht zugänglich.

65 ... son honour, son profit ei It bon esst de son royaunie ei des apartenences d'icdi noes procurerons

Wampach, UQB. 7(1949) S. 229 in Nr. 1170.

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schaft gehört? Wirklich nur in denjenigen der �französischen Ausdehnungspolitik" nach Osten? Auf der europäischen Bühne kündete sich Ende des 13. Jahrhunderts für den rück- schauenden Historiker jene Verschärfung der jahrhundertealten englisch- französischen Auseinandersetzungen an, die schließlich in den wahrlich Mehr-als- hundertjährigen Krieg mit seinen verheerenden Vernichtungsschlachten und Nationa- lismusfolgen münden sollten. Als König Eduard I. nach der erfolgreichen Unterwer- fung von Wales in den Jahren 1277-8367 nunmehr durch die Erhebung Johann Balliols

zum Schottenkönig 1292 die Hände freizubekommen schien - in Wirklichkeit hielt

sich Balliol allerdings nur bis 1296, da er sich in ein anti-englisches Bündnis ein- ließ65 -, drohte die Konzentrierung englischer Energien auf die Festlandbesitzungen des Hauses Plantagenet, auch wenn die überregional aggressiven Maßnahmen eher vom französischen Königshof ausgingen und den englischen König überraschten. Daß

anglo-gascognische und franko-normannische Schiffe Mitte Mai 1293 vor der Bre-

tagne-Küste von Saint-Malte in ein Gefecht gerieten69 und die siegreichen Engländer

anschließend La Rochelle in ihrer alten Weinlandschaft Aunis plünderten, gab den Vorwand ab, Englands König vor das Pariser Parlament zu zitieren: Eduard I. sollte sich für die Angriffe gascognischer Seeleute auf französische verantworten. Späte-

stens Anfang Februar 1294 erklärte sich Eduards I. Beauftragter schließlich bereit,

aquitanische Amtsträger auszuliefern und für die Zeitspanne einer entsprechenden Untersuchung gascognische Burgen zu öffnen; auch sollte Eduard I. ins Haus Capet

einheiraten, um eine aquitanische Sekundogenitur zu eröffnen70. Als von französi-

scher Seite daraufhin fast die ganze Gascogne besetzt wurde, war der Krieg da: Edu-

ard I. sagte seine kapetingische Lehnstreue auf. Beide Seiten suchten und fanden Bündner - Eduard I. z. B. in Römerkönig Adolf, der sich im Nürnberger Vertrag vom 21. August 1294 zugunsten der englischen gegen die französische Seite erklärte".

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Nigel SauI, The Batsford Companion to Medieval England (London 1983) S. 132-136. - Philippe Conta in ine in: Lex. des MA. 51(1990) Sp. 214ff. R[obenl Rees] Davics, Conquest, Coexistence and Change. Wales 1063-1415 (= The History of Wales 2. Oxford 1987) S. 334-54. - Michael [Charles] Prestwich, Edward I (London 1988) S. 170-201. Ranald NichoIson, Scotland - the Later Middle Ages (= The Edinburgh History of Scotland 2, Edinburg 1974) S. 47-51. -Prest wich , Edward 1(1988) S. 366 und 473f. Robin L. Storey, Chronology of the Medieval World (London 1973) S. 366. - Daß die Flotte des 5-Hafenst5dte-Bunds eine normannische Flotte besiegte, betont Powicke, 13'h Century (1962) S. 644. auch zum Folgenden zu vgl. - Fritz Trautz, Die Könige von England und das Reich 1272- 1377 (Heidelberg 1961) S. 129. Powickc, 13° Century (1962) S. 647. - Joseph R. Strayer, The Reign of Philipp the Fair (Princeton 1950) S318, auch zum Folgenden zu vgl. - Jean Favier, Gold und Gewürze. Der Auf- stieg des Kaufmanns im Mittelalter. Aus dem Französischen [Paris 1987] von Roswitha Sch in id (Hamburg 1992) S31ß3 mit Scestraßenkanenskizze S. 32. Böh in erISamanck (1948) S. 142f. Nr. 427. - VIII 24 bei Storey, Chronology (1973) S36S dürfte Druckfehler sein. -Trautz, 1272-1377 (1961) S. 130f. - Zu weiteren Vorbereitungen Eduards I. vgl. unten nach A. 272.

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Daß eine walisische Revolte von Ende September 1294 den König Englands von einer Frankreichinvasion abhielt'=, konnte bestenfalls einen Aufschub mit sich brin- gen; denn im Oktober 1294 hatte der französische König Philipp der Schöne gerade den flandrischen Grafen Wido von Dampierre das erste Mal festsetzen lassen, weil dieser ohne zu fragen trotz einer kapetingischen Lehnsbindung im Vertrag zu Lier (frz. Lierre) vom 31. August 1294 eine kleine Tochter mit König Eduards I. zehnjäh- rigem Sohn Eduard �von Caernarvon", dem späteren Englandkönig Eduard II., ver- lobt hatte; während Graf Wido nach einigen Monaten freikam, sollte die ebenfalls in Paris festgehaltene Grafentochter Philippine im Goldenen Käfig, nämlich am franzö- sischen Hof, ihr junges Leben beschließen (1306)73. Hautnaher betroffen war Graf Heinrich VII. von Luxemburg durch die generationen- lange Spannung zur Nachbargrafschaft Bar. Sie erreichte einen gewissen Höhepunkt, als Heinrich VII. mit der Stadt Verdun 1293 einen Schirmvertrag einging, die Bürger- schaft sich aber jahrs darauf wieder dem gräflich barischen Schutz unterstellte. Man rechnet sogar damit, daß es dem französischen König bei den gleich zu schildernden Verträgen mit dem Luxemburger Grafen vor allem um die Perpetuierung des luxem- burgisch-barischen Gegensatzes, wohl bis hin zu einer Lähmung der barischen Handlungsfreiheit, gegangen sei. Des weiteren wird im Hintergrund eine latente Be- drohung der Luxemburger durch Herzog Johann 11. (1294-1312) von Brabant gese- hen, der bereits vor Graf Heinrich III. von Bar mit einer - natürlich: weiteren - Toch- ter König Eduards I. verheiratet war und durch die Verehelichung seiner Schwester Margarete mit Heinrich VII. von Mitte 1292 keineswegs als des Luxemburgers auto- matischer Verbündeter festgelegt war. Ohnehin sollte sich der Herzog im Frühjahr 1295 gegen hohe Subsidienzahlung als Führer von 2000 Reitern vertraglich auch auf die Kriegsseite seines Schwiegervaters schlagen. Nur ein halbes Jahr zuvor fand das Novembertreffen zwischen Frankreichs König und dem späteren Römerkaiser zu Pontoise statt. Was steht in den einschlägigen Urkunden?

72 Storey, Chronology (1973) S368 zu IX 30. ebenso Davics, Conquest (1987) S. 382-86. Prest wich , Edward 1(1988)S219-25und 232 Storcy, Chronology (1973) S. 36S ohne Festlegung auf eine bestimmte Zeit des Jahres 1294. - Powickc, 13' Century (1962) S. 659. - Jcan Favicr. Philippe Ic Del (Paris 1978) S. 216. - Strayer. Reign (1980) S318. - Lier liegt 15 km sUdöstlich von Antwerpen. - Vgl. oben vor A. 51. - Das Folgende nach Rcichert. Landcsherrschaft (1993) S 222ff.

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Reicltsgrenzen und Vasallitäten 125

B 11) Die Pflichten Heinrichs VII. von Luxemburg laut Vertrag von Pontoise 1294

König Philipp von Frankreich geht davon aus, daß Graf Heinrich von Luxemburg ihm

wohlgesonnen sei und den nachdrücklichen Wunsch hege, bei der Verteidigung von Philipps Königreich Frankreich zu helfen'. Um den Grafen noch stärker an sich zu binden und um der Verteidigung seines Königreichs Frankreich willen habe der Kö-

nig dem Grafen, dessen Erben und dessen Nachfolgern in der Grafschaft Luxemburg

eine Rente von 500 Pfund Turnosen ausgesetzt75. Die müsse der Graf jedes Jahr im Templer-Kloster zu Paris entgegennehmen 76. Dies sei das Lehen für die ligische Hul- digung gegenüber dem König und dessen Erben und dessen Nachfolgekönigen von Frankreich seitens des Grafen, ebenfalls für dessen Erben und dessen Nachfolgegra- fen von Luxemburg, und zwar gemäß dem Brauch und überkommenen Recht der königlichen Barone und anderer Lehnträger von Frankreich77: Gemeint ist eine Stel-

lung als französischer Kronvasall78. Weder der Graf noch seine Nachfolger dürfen

dieses Geldlehen aus der Hand geben79. Die Auszahlung der genannten 500 Pfund soll am nächsten Mariä-Lichtmeß-Fest, also 1295, beginnen und als Vorauszahlung für das jeweils nächste Jahr an eben diesem Festtag erfolgen80. Angekündigt wird die Besiegelung durch den König, und tatsächlich ist denn auch am Pariser Original das königliche Majestätssiegel �aus dunkelgrünem Wachs" und �an grünroter Seidenschnur" erhaltenS1. Als Handlungs- und anscheinend auch Beurkun-

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._ natu, pensanz er regardanz la grant affeccion, que nobles lions Henris, contes de Lttxentbourc, a rer nous et la bonne volente ei lc grant desir, qu'il a de nous servir et d' aidier en la defense de nostre roiaume de France, nous...: Wa in pach, UQB. 6(1949) S. 2 Nr. 554. - Fritz Kern (Ed. ), Acta Imperii, Angliae et Franciae ab a. 1267 ad a. 1313 (Tübingen 1911) S. 64f. Nr. 901iest geringfügig an- ders.

... nous pour li plus especiaument obliger a nous et pour li plus fointent atraire a nous amer ei servir ei a la defense de nostre roiaume de France donnons et octroionz a li et a ses hoirz et a ses successeurL conies de Ltucntbourc, cinc eettz livres de rente Tournois, a prendre ...; Wampach, UQB. 6(1949) S. 2 Nr. 554.

... a prendre au Temple a Paris ehascun an, a tenir...; ebd.

... a ra: ir en fie et par droit de fie, par hommage lige de nous et de nos hoirz et de nos successeurz rois de France dc li ei de ses hoirs ei de ses successeurz contes de Luxentbottre as uz ei as coustuntes de nos barons et de nos mares hormnages de France, ainsit toutevoies...; ebd. So die Regesten bei Kern, Acta Imperii (1911) S. 64 zu Nr. 90 und bei Wa in pach UQB. 6(1949) S. 1 zu Nr. 554.

... ainsit toutn-oies, que li dis cuens ne si successeur, contes de Ltrxembotac, ne les pourront aliener ne n: enre har-_ de leur main a vie vu a snort en nut caz ne en nulle ntaniere, qui avenir puisse. Et cont- mencera...: 1V ampach. UQB. 6(1949) S. 2 Nr. 554. Ei eonurunceru la premiere pale de dies eine cenz livres a ce prouchainne Chandelettr et seront paiez de lvr_ en avant dwscun an a cde meissne feste. Er pour ce ...; Wa in pach, UQB. 6(1949) S. 2 NrS54. Ei pour ee que soit fenr, e chose et estable a touiour� nous avonz fet mettre a ces presentes lettres nostre scel. Dorne ...; Wa ni pach, UQB. 6(1949) S. 2 Nr. 554 bzw. Kern, Acta Imperii (1911) S. 65 zu Nr. 90.

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dungsort wird die königliche Liebfrauenabtei zu Pontoise festgehalten=. Die Urkunde ist heute aus der Originalüberlieferung im Urkundenschatz des Pariser Nationalar-

chivs bekannt, und das könnte darauf deuten, daß sie nie in luxemburgische Hände

gelangt ist - anderseits wird aber schon von der älteren Forschung vermutet, Graf Heinrich VII. habe

�nach seiner Wahl zum Römischen König 1308 ...

die Vertragsur- kunde zurückgesandt". Tatsächlich bewahrheitet sich der Verdacht, die Pariser Überlieferung der Belehnungsurkunde König Philipps des Schönen von Frankreich für Graf Heinrich VII. von Luxemburg könne darauf hinweisen, daß dieser Lehnsver- trag nicht rechtskräftig geworden sei, ja, vielleicht nicht einmal abgeschlossen wurde, nicht; denn: 1) Bloße Urkundenentwürfe pflegten nicht unter Majestätssiegel aufbewahrt zu wer- den. 2) Im besiegelten Original erhalten, und zwar jetzt in unanstößiger Pariser Überliefe-

rung, ist gleichsam die Gegenurkunde Heinrichs, Grafen von Luxemburg und Laroche und Markgrafen von Arel. In ihr soll Heinrich VII. festgehalten haben, daß er von Philipp dem Schönen eine erbliche Jahresrente in Höhe von 500 Pfund Turnosen

�für sich und seine Nachfolger in der Grafschaft Luxemburg empfangen" habe'. Damit wird der Eindruck erweckt, es handle sich um eine Quasi-Quittung für tatsächlichen Geldempfang. Doch aus dein Text erfährt man, daß der Graf jene 500 Pfund alljährlich beim Pariser Templer- Konvent abzuholen habe; dafür sei Heinrich VII. ligischer Lehnsmann nach Art französischer Vasallen geworden: mit ligischem Homagiumm. Diese Urkunde ist somit zwar noch nicht die Quittung für den Empfang der ersten Summe vom Mariä- Lichtmeß-Tag 1295; aber sie kann als Lehnsrevers des neuen Lehnsmanns gelten und liefert zudem präzise Ergänzungen zum Diplom Philipps des Schönen, u. a. mit der genauen Datierung auf den 12. November 1294 nach Pontoise". Allerdings wird man das Diplom Philipps des Schönen vom November 1294 aus Pontoise gegen Fritz Kern' und mit Camille Wampachs' nicht unbedingt auf densel-

82 Donne ei otroie en 1 abbaie Nostre Dame la Roial de los Pontoise en l 'an de grace Mf. CC. quatrevins ei quatorze, on mois de Novembre; Wa in pach. UQB. 6(1949) S. 2 Nr. 554 - hier etwas hilfreicher als der Druck bei Kern . Acta Imperii (1911) S. 65 Nr. 90. So Kcrn. Acta Imperii (1911) S. 65 zu Nr. 90 - nicht aufgegriffen bei 1V a ni pac lt UQB. 6(1949) S. 1f. zu Nr. 554. - Unter dem Gesichtspunkt des Lohnrechts sind die Abkommen zwi- schen Philipp dem Schönen und Heinrich VII. behandelt bei Fritz Kcrn. Die Anfänge der französi- schen Ausdehnungspolitik bis zum Jahre 130S (Tübingen 1910) 5228-31. So das Regest bei \V ampach. UQB. 6(1949) S. '_ zu Nr. 555.

... a prendre au Temple de Paris chascun an ...; ebd. S3 Nr. 555 § 1. Vgl. das Regest bei Wampach. UQB. 6(1949) S2 zu Nr. 555 und den Text ebd. S. 4 § 2:... avouunes jet homnrage lige en la founne ei en la tnaniere. qui si autre honune de France li funl horrt- ntage. Ce jut jet en I'an de grace M. CC. quarre vinz et quatorze a Pontoise. le vendre [! ] apres la feste saint Martin en yver; ebd. S. 4 Nr. 555. Acta Imperii (1911) S. 64 zu Nr. 90. UQB. 6(1949) S. 1 zu Nr. 554.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 127

ben Tag wie den Lehnsrevers Graf Heinrichs VII. zu datieren haben, so gleichzeitig die den jeweiligen Urkunden entsprechenden Handlungen auch stattgefunden haben mögen; denn im Unterschied zu modernen Vertragsunterzeichnungen oder zu demon- strativ-feierlichen Haupt- und Staatsaktionen auch schon im Mittelalter - man denke an den Urkundentausch beim Abschluß des heute so genannten Wormser Konkordats von 112290 auf der

�Laubwiese vor den Toren der Stadt"91 - wird man bei dieser Be- lehnung kaum mit einem abschließenden Austausch von Urkunden zu rechnen haben. Die zusammenhängende Gruppe der Rentenleben soll zwar in Frankreich für auslän- dische Große bereits unter Philipp III. und verblüffenderweise 1281 mit Geldern be- gonnen haben=; aber der Spitzenbeleg wirkt insofern untypisch, als es sich um eine Ablösesumme in Höhe von Einkünften handelt, auf die Graf Reinald I. von Geldern (1271-1326)93 in der Normandie verzichtete; auch war diese Summe erst noch zu errechnen. Das luxemburgische Beispiel von 1294 wäre dann gar der erste bekannte Fall eines typischen Börsenlehns aus dieser Gruppe; doch die oberlothringischen aus der Zeit Philipps des Kühnen und von 1287 liegen früher94. Allerdings scheint sich das französische Rentenlehnsystem auch im Innern des Königreichs gerade erst da-

mals ausgebildet zu haben9S, und hierbei ging es gerade um kurzfristig und durch den Lehnsherrn einseitig, ja, kündbar zu etablierende Abhängigkeiten, nicht um feierlich

zu begründende Dauerverhältnisse. Nicht der so augenfällige Augenblicksnutzen für den gleichsam besoldeten Vasallen, sondern die mühelose Auflösbarkeit eines solchen Geldlehnsverhältnisses durch den Lehnsherren machte den politischen Gewinn aus. Dieselbe geringfügige Unsicherheit über den Ausstellungstag gilt auch für den dritten Überrest der

�Verträge von Pontoise`95: Laut besiegelter Originalurkunde vom No-

90 Ekkehardi Chtonica IV zu 1122: Huiusmodi [= die unmittelbar vorher eingerückten] scripta atque rescripta propter infinite nutltinrdinis cotnventunt loco campestri iuxta Rhenutn lecta sunt, data et ac- cepta...; Franz-Josef Schmale / Irene Schma1e-Ott (Ed. u. Übers. ), Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die Anonyme Kaiserchronik (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Ge- schichte des MA. 15. Darmstadt 1972) S. 360. - Künftig: Ausgew. Quell. Gerold MeyervonKnonau, Jbb. unter Heinrich IV. und Heinrich V. 7(= Jbb. [14] VII, Leipzig 1909) S. 206 A. 222. - Peter CIassen, Das Wormser Konkordat in der deutschen Verfas- sungsgeschichte (in: Inrestiturstreit und Reichsverfassung, hg. von Josef Fleckenstein= VortrrForsch 17, Sigmaringen 1973) S. 412. Kricger, Lehnshoheit (1979) S. 73 A. 36 nennt als I. Fall Kern, Acta (1911) S. 12f. Nr. 21 von 1281 VIII aus Asnieres. - Allgemeiner vgl. unten nach A. 191. St rub be/ V oct (1960)S. 360f. Gegen die Liste bei Krieger, Lehnshoheit (1979) S. 73 A. 36 mit insgesamt 6 Beispielen bis 1305 [11126. den 2500 Pfund Tumosen Pariser Kammerlehen] für Savoyen; MGH. Const. 4 II(1909ff. ) S. 1250f. Nr. 1201. - Vgl. unten bei A. 182 zu Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 273 Nr. 303 sowie vor A. 192 zu M%% 10677. Kienast, Untertaneneid und Treuvorbehalt in Frankreich und England. Studien zur vergleichen- den Verfassungsgeschichte des Mittelalters (Weimar 1952) S. 163f. stellt nur auf die Zeit Philipps des Schönen ab und nennt Beispiele erst seit 400 Pfund Turnosen von 1295 I für den Grafen von Ar- magnac. Diese Bemerkung gegen Kern, Acta Imperii (1911) S. 66 zu Nr. 92 und gegen Wampach, UQB. 6(1949) S. 4 zu Nr. 556.

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128 Kurt-Ulrich Jäschkc

vember 1294 aus Pontoise verpflichtete sich Heinrich, Graf von Luxemburg und La-

roche, Markgraf von Arel, gegen �6000 Pfund Turnosen, dem französischen König

unter bestimmten Bedingungen Kriegshilfe zu leisten"". Gelegentlich wird unterstellt, der Luxemburger sei �Lehnsmann des Königs Philipp von Frankreich gegen eine Summe von 6000 Pfund Turnosen" geworden, habe �ihm Hilfe ... im Kriege gegen England" zugesagt und von diesem Bündnis alle ausgenommen, �an die ihn sein Eid bisher geknüpft" habe95. Von einem erneuten Geld- oder Börsenlehen - es wurde von der älteren Forschung auch �Kammerleben" genannt', obgleich die Summe von 6000 Pfund im Pariser Templer-Konvent abzuholen war - kann jedoch keine Rede sein; denn König Philipps des Schönen Rechtstellung als Lehnsherr wurde jetzt bereits zu Beginn dieser Urkunden-Narratio vorausgesetzt100, und so steht das auch im bereits

erwähnten Lehnsrevers vom 12. November 1294 in diesbezüglich wörtlicher Überein-

stimmung101. Während es in der Belehnungsurkunde und im Lehnsrevers nur allge- mein um den Schutz von Philipps des Schönen Königreich Frankreich ging, werden jetzt die Gegner ausdrücklich namhaft gemacht, und eben für den Kampf gegen den König von England, dessen Alliierten und dessen Helfershelfer sind die 6000 Pfund Turnosen geflossen10-. Dabei scheint es sich weniger um Subsidien im Sinne kriegs- bedingter Hilfsgelder für eine verbündete Regierung103 denn um Sold zu handeln. Ist doch das Geld ausgesprochenermaßen auch für Graf Heinrichs VII. Leute bestimmt, und so wird denn auch deren Zahl festgehalten, nämlich 200 Schwerbewaffnete. Noch auffälliger1°' wirkt allerdings, daß Graf Heinrich VII. sich zum Einsatz für die Vertei- digung des Königreichs Frankreich gegen ausnahmslos jedermann bereiterklärt105. Ohnehin ist Graf Heinrich VII. auch bereit, Frankreichs König sogar außerhalb von

97 So das Kopfregest bei Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 66 zu Nr. 92. - Besiegelung und Pariser Über- lieferung: ebd., Nachbemerkung. sowie \V a in pach. UQB. 6(1949) S. 5 Zu Nr. 556.

98 So das Kopfregest bei \V ampach. UQB. 6(1949) S. 4 zu Nr. 556, wörtlich wiederholt bei KlefIsch, Graf (1971)S33.

99 So Kern, Anfange (1910) S328. 100 Nous Henris. conies de Luxemboure ei de la Roche et marchis dErlau. jaisons sat"oir a tau ceu; qui

ces leitres verroni (11, que co nme ices haus ei tres nobles princes, nostre eher seigncur Philippe, ...; Wampach. UQB. 6(1949) S. 5 Nr. 556 - ähnlich Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 66 Nr. 92. - Die Interpunktion habe ich hier und im Folgenden geringfügig ergänzt.

101 \V ampach, UQB. 6(1949) S. 3 Nr. 55. - Ähnlich Kern, Acta Imperii (1911) S. 65 Nr. 91. - Der Unterschied: ... ces presences lettres... 102

... Philippe, par la grace Dieu [! [ rois de France, nous ail donne si: mile lirres Tournois pour nous ei nos gens a tourer ei areer a Jul sen"ir en teste guerre, que il a contre le roi d'Angleterre, ses alles ei ses aidans, ...; Wa in pach. UQB. 6(1949) S. 5 Nr. 556 §I- geringfügig besser aufbereitet als der Druck bei Kern. Acta Imperii (1911) S. 66 Nr. 92.

103 Eugen Habcrkcrn /Joseph Friedrich Wa 11 ach. Hilfswörterbuch für Historiker. Mittel- alter und Neuzeit (Bem/München 21964) S. 603 Sp .2s. v. Subsidium 2. "

1()4 So schon Wampach. UQB. 6(1949) S. 5 A. 1 z. St. 105

... a defendre le roiaume de France eonlre le roi d Angleterre deratudit, ses alles et ses aidans ei generaunent contre tout, sau accepter nullui. a taut CC anneures de fer en prenant de nostre eher seigneur del'a edit .... Wa in pach. UQB. 6(1949) S3 Nr. 556 § 2. - Die unerheblichen Abwei- chungen bei Kern, Acta Imperii (1911) S. 66 7-12 in Nr. 92 §2 betreffen nur die Orthographic.

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Reiclcsgrenzen und Vasallitäten 129

dessen Reich militärische Unterstützung zu liefern; doch als Verpflichtung ist dies eingeschränkt auf das Land �zwischen dem Meer von Flandern und dem (äußersten Süd-)Ende des Herzogtums Burgundi106. Vorangegangen waren dieser schriftlichen Fixierung die üblichen Treuvorbehalte zugunsten von Graf Heinrichs VII. sonstigen Lehnsherren, und zwar mit �dem König von Deutschland" an der Spitze. Es folgen - wie eingangs schon berichtet"' - die Erzbischöfe von Köln und Trier, der Bischof von Metz sowie der Graf von Flandern, der Herzog von Brabant, der Graf von Hennegau und der Graf von Namen in eben dieser Reihung103 und damit grundsätzlicher gefaßt, als es die damalige Personalunion von Flandern und Namen nahelegte. Schaut man genau hin, so gelten die Ausnahmen nur für Feldzüge außerhalb Frank- reichs in der genannten geographischen Erstreckung, nicht jedoch für den Schutz Frankreichs selbst: Aber ist es wirklich so zu verstehen? War das, was hier vertraglich vereinbart wurde, �vom Standpunkt des Reichslehnrechts" nicht nur schlicht ungültig, sondern das vorgesehene Verhalten des Luxemburgers unmißverständlich Felonie'°9? Darauf stand in Deutschland ebenso wie in Italien Lehnsverlust10. Während Erzbi-

schof Balduin bei seinem Abschied von Paris 1308 mit der Salvierungsklausel zugun- sten des hier so genannten �Königs von Deutschland" reichsrechtlich konform han- delte"', hätte sein älterer, aber seinerzeit im Reichslehnverband kaum erfahrener Bruder Heinrich VII. diesen letztlich hintangestellt, und zwar dann wohl zugunsten eines ethischen Grundsatzes, der lehnsverbandsübergreifenden ritterlichen Vorstel- lungen entsprach: ritterliche Unterstützung gebührt dem schuldlos Angegriffenen

gegen jedweden Angreifer. Wurde dem Römerkönig jetzt tatsächlich ein solcher An-

griff zugetraut? Anscheinend unter dem Eindruck von Römerkönig Adolfs Ratifizierungsurkunde

vom 21. August 1294 für sein Bündnis mit Englands König Eduard I»2 wird von der

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III

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... outre la mer de Flandres ne outre la fist du duchimune de Bourgoigne, en prenant la fin du dir duchiawne iuque la, ou il se puist plus loing estendre; 1V ampach, UQB. 6(1949) S. 6 Nr. 556 §4. - Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 66 Nr. 92 §3[! ]. Oben bei A. 19.

... excepies nos seigneurs ci desott: nontntcs, a ques nous soönnes ten us par reson d'onnnage, c'est a savoir le rov d'lcmeigne. le archeveque dc Couloigne, l archeveque de Treves, I'eveque de Mez, le conto de Eiandres, le duc de Braban, le conto de Henaut, le conto de Namurz

...; Wampach,

UQB. 6(1949) S. 6 Nr. 556 § 3; weniger benutzerfreundlich Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 66 Nr. 92 § 3. -Zum Folgenden oben A. 19. Vgl. Kern. Anfänge (1910) 5.330: �Es versteht sich, daß vom Standpunkt des Reichslehnrechts dieser Versrag ungiltig und sowohl die Verteidigung des Reichsfeinds gegen den deutschen König als [auch] die Bekämpfung %on Reichsangehörigen einfache [! ] Felonie war" - u. a. mit Verweis auf MGH. Consi. l(1893) S. 247 Nr. 177 §3[!, wohl Druckfehler; vgl. die nächste Fußnote] und ebd. 3(1904ff. ) S. 493 Nr. 12 §5 von 1155 bzw. 1294 VIII 21, dies auch zum Folgenden zu vgl. AiGH. Con$Ll(l893) S. 247 ZS-12 Nr. 176 § 13 [Libri Feudorum]. - Ebd. S. 248 Z. 14-19 Nr. 177 von Nosember 1158. § 5.

... ut in omni sacramauo fidclitatis nontinarim imperator excipiarur; MGH. Const. 1(1893) S. 249 Nr. 177 § 10. -Zum Folgenden vgl. Rcichert, Landesherrschaft (1993) S. 220f. MIGII. Const3(1904ff. ) S. 492ff. Nr. 512. -Böhmc r/ Sa in anek (1948) S. 142f. Nr. 427.

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130 Kurt-Ulrich Jäschlce

Forschung aus dem wohl drei Wochen jüngeren Vertrag von Pontoise herausgelesen,

daß ihmzufolge Graf Heinrich VII. gemäß der Klausel �gegen

jeden ohne Ausnahme"

auch �den deutschen König" hätte anvisieren sollen13. Auch dieser sein erster Lehns- herr werde nunmehr hintangestellt, und zwar angeblich deshalb, weil �sich

Heinrich VII. ganz dem Vasallensystem des Franzosenkönigs" einordnete. So gilt denn auch nicht nur die Klausel

�gegen jeden ohne Ausnahme" als - wie bereits vermerkt -

�besonders auffallend"*, sondern das Versprechen des Luxemburgers insgesamt als

�für einen deutschen Dynasten sehr weitgehend""s. Seine eigentümliche Qualität

gewinne ein derartiger Vertrag allerdings wohl erst, wenn man zwei Momente be-

rücksichtige: Wer - wie jetzt Graf Heinrich VII. - �Leben vom deutschen und vom französischen König" trage, könne sich �gleichsam mitteninne" stellen und bei Bedarf

wählen, wem �er im gegebenen Fall helfen soll""'. Und doch muß dann gleichsam

übernationales Standesrecht als übergeordnet eingeräumt werden: Die Wahlfreiheit des Doppelvasallen werde eingeschränkt durch

�den ersten Grundsatz des internatio-

nalen Lehnsrechts [! ] ...:

der Doppelvasall unterstützt jeweils den angegriffenen Herrn

gegen den angreifenden""' - �in der niedrigeren Sphäre des Rittertuns" habe dies

ohnehin gegolten116. Der zeitnahe Beleg hierfür, der Geldlehnsrevers eines Ritters Galahad, Herrn von Dorendor, vom 7. Februar 1303 aus einem Hospital zu Corbeil19, fällt nun tatsächlich eindeutig aus: Ritter Galahad will Philipp dem Schönen so wie ein ligischer Lehnsmann gegen 200 Pfund jährlicher Rente auf Lebenszeit dienen,

nimmt von seinen Leistungen gemäß Treueid und Homagium aber den Grafen von Jülich aus, weil er diesem zuerst - oder. als erstem - verpflichtet sei'=Ö; sollte sich der Jülicher Graf jedoch eine Invasion Frankreichs zuschulden kommen lassen oder die-

sem Königreich zu schaden versuchen - anscheinend sollte schon der Versuch als strafbar gelten -, werde jene Einschränkung entfallen und Ritter Galahad die üblichen

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Dies bei Kcrn, Anfänge (1910) S329. Vgl. oben A. 104 den Verweis auf Wampach, UQB. 6(1949) S. 5 A. 1 zu Nr. 556 § 2. Heyen, Kaiser Heinrichs Romfahrt (1965) S. 17 = (1978) S. 16f. Kern , Anfänge (1910)S330A. 1. Ebd. S. 329. Ebd. A. 3 mit Verweis auf dens., Acta Imperii (1911) S. 97 Nr. 148, auch zum Folgenden zu vgl. Welches ist gemeint? - Corbeil war beliebte Kapetingerpfalz und häufiges Küniginnenwittum in nur rund 30 Flußkm Entfernung südsüdöstlich von Paris; Alain Dccaux1 Andr6 CasteIot (Direction), Dictionnaire d'Histoire de France (Paris 1981, hier = 21986) S. 253; Robert-Henri Bauticr in: Lex. des MA3 1(1984) Sp218f. - Hiernach und gemäß historischen Karten gegen- über der Essonne-Mündung auf dem rechten Seine-Ufer zu suchen, soll der [kirchlich relevante? ] Teil der Stadt gleichwohl auf dem linken Seine-Ufer am Essonne-Einfluß gelegen haben; so M. 1' r6vost in: DHGILI3(1956) Sp. 806.

... ipsi tanquant suus lranro ligius ser"iemus ei omnia. que ad fidelitatent er Ironutgiuut pertinent, facie- mus contra quascuntque personas. preterquam contra nobilent vinun con: itetn de Julers; cui prima su- mus astricii nisi ...; Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 57 Nr. 148 (mit geringfdgig anderer Interpunkti- on].

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 131

Lehnsdienste leisten'21. Die praktische Bedeutung der Verpflichtung für die französi- sche Seite ist auf dem besiegelten Original mit dem Rückvermerk

�auf Lebenszeit"

festgehalten worden'2-. Sicher war �diesem Königreich zu schaden versuchen" inter- pretierbar; aber kann man tatsächlich unterstellen, daß nur der Zahler und nicht mehr der Empfänger feststellen durfte, wann ein solcher Schädigungsversuch vorliege? Ritterliches Ethos war auch um 1300 keinesfalls nur an den titelmäßig fixierbaren Ritter- und Herrenstand gebunden, und so wird man wohl die Eindeutigkeit, mit der auf die angebliche Unrechtmäßigkeit des Vertrags von Pontoise hingewiesen worden ist, in Zweifel ziehen dürfen. Mit Fritz Kern darf jedoch ein anderes Teilresümee festgehalten werden: �Für ein (Börsen-)Lehen von 500 Pfund aus dem Staatsschatz wird der Graf Ligius des Königs `nach den Bräuchen und Gewohnheiten der Kronva- sallen und andern Lehnshuldigungen Frankreichs'.

... Der Graf von Lützelburg bleibt

als solcher natürlich im Reichslehnsverband. Aber als [Geld-]Lehnsempfänger ist er fortan zugleich französischer Kronvasall. Er empfängt einen zweiten Rechtssta- tus"'B und unterstreicht damit seine Handlungsfähigkeit zwischen mächtigeren Nach- barn. Ja, man wird sich angesichts tatsächlicher, teilweiser Hoffolge des Luxembur-

gers beim französischen König124 und angesichts eines Subsidienraubs zu Lasten der

�englischen" Seite in Höhe von 12 000 Pfund Turnosen und weiteren hohen Geldge-

winns'ts, aber gleichwohl anhaltender kriegerischer Inaktivität in der englisch- französischen Auseinandersetzung trotz anderweitiger Fehdebereitschaft, z. B. in Nachbarschaftskonflikten mit dem Grafen von Bar und der Stadt Trier126, zu fragen haben, ob es tatsächlich als �für einen deutschen Dynasten sehr weitgehend" gelten darf, was Graf Heinrich VII. an Versprechungen hinsichtlich der Kriegsteilnahme

�zum Schutz der Grenzen des Königreiches [Frankreich] gegen jedermann" geleistet

habe't'. Resümiert man vorstehende Überlegungen, so zeichnet sich folgendes Zwischener- gebnis ab: Das dankerfüllte Treueversprechen Erzbischof Balduins von Trier bei seinem Abschied vom langjährigen Studienort Paris im April 1308 erweist sich im Vergleich mit wenig älteren und weitergehenden urkundlichen Erklärungen des neuen Verduner Bischofs Thomas von Blämont und des erzbischöflich-kölnischen Elekten

121 ... nisi idem comes regnum Francie invaderet sen aggrederetur vel eidem regno nocumentum attempta- ret prestare. In quo casu eidem domino regi servire tenebinnrr ei onmia facere, que ad frdelitatem ei homagium pertinebunt; ebd. [dito].

1=' Ebd. Nachbemerkung S. 98: ad vitae. - Zum Folgenden hinsichtlich des Ritterethos vgl. Tho- mas, Das Reich um 1300 (1985) S . 26f. und 38f.

123 Kern, Anfänge (1910) S. 328f. mit �Kammerlehen". - Baron wird auf �Kronvasall" gedeutet auch bei Kern , Acta Imperii (1911) S. 64 zu Nr. 19 und Wampach, UQB. 6(1949) S. 1 zu Nr. 554.

123 Wampach, UQB. 6(1949) S. 343 Nr. 871 von 1302 IV 10. 1: 5 Ebd. S. 53ff. Nr. 602 von 1295 X1 aus Canterbury. -K1efisch, Graf (1971) S. 34,51 und 53. - Reichert, Landesherrschaft (1993) S. 224,419f. u. 1037. 1226 K1efisch, Graf (1971) S. 46 und 60f. bzw. 67ff. - Vgl. Reichert, Landesherrschaft

(1993) S 222ff., wo insgesamt aber etwas anders akzentuiert wird, bzw. 5.155 u. 275. 121 So Hepen. Kaiser Heinrichs Romfahrt (1965) S. 17 = (1978) S. 16f. - Vgl. bereits oben bei A. 115.

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132 Kurt-Ulrich Jiischke

Heinrich von Virneburg - beide aus dem Jahr 1305 - als unspektakulär, zumal Pflich- ten gegenüber Römischer Kirche und König von Deutschland Vorrang behalten soll- ten. Entsprechend interessieren vordringlich der Zusammenhang und die Inhalte von Graf Heinrichs VII. Kronvasalliät seit 1294; sie lassen sich in drei Sätzen zusammen- fassen: I) Den historischen Zusammenhang liefern die Wege zum �Mehr-als-

hundertjährigen Krieg", aber auch regionale Einbindungen und Gegensätze. 2) Der Vertragsinhalt entpuppt sich als ligisches Geldlehnverhältnis auf 500 Pfund

Turnosen jährlich unter Betonung des französischen Kronvasallenstatus' für den

neuen Lehnsmann. 3) Doch für konkrete militärische Hilfe gegen jedweden Angriff aufs französische

Königreich wird ein gesonderter Soldvertrag geschlossen, der mit 6 000 Pfund Turnosen recht ansehnlich dotiert ist und auf 200 Schwerbewaffnete zielt.

Lehnrechtlich war Heinrichs VII. Kronvasallenstatus in Frankreich übrigens eher ein Aufstieg denn eine Minderung. Hatte doch sein Großvater Mitte des 13. Jahrhunderts

gar ein französisches Afterlehnsverhältnis als Mittel gewählt, um erheirateten Einfluß in der Herrschaft Ligny-en-Barrois westlich der Maas, aber damals noch auf römisch- deutschem Reichsboden', zu wahren.

B III) Frühere Luxemburger Vasallitüt bei einem französischen Herrn lord die Vor- stellung ron der Streugrenze

Im September 1252 wurde Heinrich V., der Blonde, Graf von Luxemburg (1235/36- 1281), für sich und seine Nachfolger ligischer Lehnsmann von Theobald IV., König

von Navarra und Pfalzgraf der Champagne, sowie von dessen Nachfolgern, und zwar gegen eine Jahresrente

�von 200 Pfund" Landeswährung; diese kommen von �Gütern

in der Herrschaft Ligny". Sein neuer königlicher Lehnsherr rangiert für Graf Heinrich den Blonden nach dem Kaiser` - gemeint ist anscheinend der Inhaber des römisch- deutschen Throns, auch wenn die abendländische Kaiserwürde spätestens mit dem Ableben Friedrichs II. 1250 als vakant galt -, sowie nach dein Bischof von Lüttich

und dem Grafen von Flandern13°. Weiter nimmt Graf Heinrich der Blonde von seiner

128 20 km westsüdwestlich von Commercy. 15 km südöstlich von Bar-le-Duc. 129 Vgl. hIGH. Const. l(1593) S. 249 Nr. 177 von 1158, § 10, zitiert oben in A. 1 11. 130

... Ge, llenris, euers de Lecemborc. fas assavoira tour ces. qui ces lettres º"erroeu. que ie" sui lions libes Thibaut [! J par la grace de Dieu roi de Navarre. de [! ] Cliampaigne et de Brie conic palazin. apres I'ampereor el 1'evesque de Uege et le comic de Flandres, et ie ne doi ...; Wa in pach, UQB. 3(1939) 5.123 Nr. 120 § 1. mit Komm vor comic pala: in.

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Hilfsverpflichtung gegen gemeinsame Gegner auch Züge gegen den Erzbischof von Trier und den Herzog von Limburg aus131, natürlich auch den

�Herren" der Champa-

gne, wenn König Theobald dies einmal nicht mehr sein werde 132. Eigentliche Lehnho- heit soll bei der Champagne liegen, und diese Verpflichtung ist Graf Heinrich mit Zustimmung seiner Gattin Margarete (von Bar) eingegangen; gehören doch die ge- nannten Güter zu deren Erbe 133. Graf Heinrichs des Blonden Schwager Theobald II., Graf von Bar, gab dazu - mit Einschränkung zugunsten der Leistungsfreiheit der Stadt Ligny selbst - unter dem 12. September 1252 seine Zustimmung134 Als solle selbst für den Fall des Ausbleibens eines Leibeserben die champagnisch-luxemburgische Lehnsbindung aufrechterhalten werden, hat auch Gräfin Margarete von Luxemburg dieses Homagium gutgeheißen und zusätzlich sich und ihre Nachfolger in der Graf-

schaft verpflichtet, dieses Homagium zu leisten 135; auch dies wurde noch im Septem- ber 1252 beurkundet136. Entsprechende Stufungen von Lehnsherren waren auch auf etwas niedrigerer Ebene üblich, wie der spätere Graf Heinrich VI. von Luxemburg - durch die Forschung zubenannt �von

Worringen", weil er dort am Bonifatiustag 1288

gefallen ist137 - noch als ältester Grafensohn 1270 dem Herrn Heinrich von Mirwart

urkundlich bestätigte: Dieser damals neue ligius des Luxemburger Grafen Heinrich V., des Blonden, ließ sich damit ausdrücklich den Vorrang seiner sonstigen ligietas

gegenüber �dem Bischof von Lüttich, dem Grafen von Bar und dem Abt von Sankt

Hubert" bestätigen'38 .

Da es noch weitere grenzübergreifende Doppelvasallitäten jener Art gab, hat die For- schung einschlägige Folgerungen gezogen: Die deutsch-französische Grenze dürfe trotz ihrem jahrhundertelangen Bestehen �nicht im modernen Sinne als scharfe Linie" verstanden werden, �die Dasein und Bewußtsein der Anwohner wesentlich mitbe- stimmt" habe. Sie sei vielmehr �weithin überdeckt (gewesen) von Territorien, die rittlings auf ihr saßen, " sei �umsponnen (gewesen) von vielfältigen Lehnsbindungen hinüber und herüber, die sie in einem undurchdringlichen Dickicht" verborgen hät- ten139. Beim �Südteil des Königreiches Burgund" vermißt man gar eine �durch-

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... ie ne doi pas aidier [! ] neon signor le roi devant dir encontre l'arceevesque [! ] de Trieves, encontre le duc de Lamborc...; ebd. ... ne encontre le signor de Chanpaigne, qui est et qui sera; ebd. Ei cet homage fai ie au signor de Chanpaigne ... et cette obligation ai ie faire par l'assa t Marguerite [! ], ma fence, de ciu heritage Its choses devant dices maevent; ebd. S. 123f. Nr. 120 § 4. Ebd. 5.124 Nr. 121 [Regest]. Ei s'il avenoit, que ie euse hoir dou conto devant dir de Lucemborc, cil, qui tenra la zerre devant nom- mee apres moi, sera tents de faire /'homage devant dir; ebd. S. 124 Nr. 122 [Regest, wo im Zitat jedwe- des Satzzeichen fehlt]. Qui fürent faires en l an de 1'incanmtion nostre Signor, qui corroit par M. CC. LII. ans, ou [! ] mois de septenrbre; ebd. S. 125 Nr. 22. Wampach, UQB. 5(1948) S. 20* A. 3 u. S. 1. - Vgl. oben bei A. 50. '\l' ampach, UQB. 4(1940) S. 261f. Nr. 189 von 1270V!!! [Regest; als Ganzes ungedruckt]. Walther Kienast, Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit 900-1270. Weltkaiser und Einzelkönige 1(= Monographien zur Geschichte des Mittelalters 91, Stuttgart 1974) S. 6.

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laufende Grenze"; vielmehr seien �einzelne Burgen, Orte, Herrschaften ... zum einen oder anderen Reiche" gerechnet worden, je nachdem ihre Besitzer der capetingi- sehen Monarchie oder dem Imperium" angehört hätten140. Bei solchen Gegebenheiten

wäre beispielsweise mit einem Begriff wie �Exklave" der Tatbestand nicht zu fassen;

denn er unterstellt ja gerade ununterbrochenes Durchlaufen von Grenzen. Sooft es dieses auch gegeben haben möge, so sei doch bei �sich gegenseitig zum Teil überdek- kenden und durchdringenden mittelalterlichen Territorien" zumindest im Einflußbe-

reich von römisch-deutschem Reich und französischer Monarchie �streckenweise mit einer `Streugrenze' ... (zu) rechnen""". Vielleicht in Extremfällen, aber anscheinend doch wiederholt, wenn nicht gar �häufig, (habe) man nicht (gewußt), ob ein Ort oder Gebietsstück zum [römisch-deutschen] Reich oder zur [französischen] Monarchie

gehörea14'. Ohnehin seien grenzübergreifende Lehnsbindungen ohne Berücksichti-

gung quasi-nationaler Abschottung im Mittelalter nichts Besonderes gewesen, und das habe gute Gründe gehabt: �Das mittelalterliche Lehnrecht (sei) seiner Natur nach überstaatlich (gewesen) und (habe) keine [Staats-]Grenzen" gekannt1'. Entsprechend hat man feststellen können, �das strenge Lehnsrecht kenn[e] eben ... Staaten ... über- haupt (nicht); die Rechtsgrenzen, die der Staat um sich zieh[e], l[ieß]en sich dem Feudalismus nicht organisch einfügen". Gleichwohl waren oft genug Grenzlinien

und Randsäume deutlich genug bekannt14S. Zudem gab es in Verhandlungspraxis und lehnrechtlichen Alltagsregelungen durchaus das Betonen von Grenzlinien. So weiß man beispielsweise vom Herzog der Normandie, daß er bis zum Beginn des 13. Jahr- hunderts dem König Frankreichs gewöhnlich den Lehnseid �auf der Grenze zwischen beiden Gebieten" leistete; ähnliches galt für den Champagne-Grafen

�als Vasallen des Herzogs von Burgund" und �für verschiedene kirchliche Herren im 12. und 13. Jahr- hundert": Sie alle leisteten Mannschaft �auf der Grenze", nämlich in locis in tttar- chiam deputatis oder in utarchia oder en marclte14b. Zweifellos gab es gerade in Westeuropa bewußt reicheübergreifende Lehnsbindungen in großer Fülle.

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Kienast, Deutschland und Frankreich 1(1974) S. 6. Ebd. 3(1975) S. 539 mit A. 1543 und ebd. 1(1974) S. 6. wo der Terminus als Eigcnprigung herausge- stellt wird. Ebd. 1(1974) S. 6 A. 15 mit Verwcis auf ,. einige Beispiele" bei Roger Dion. Les frontic`res dc la France (Paris 1947) S. 43ff. Kienast Deutschland und Frankreich 3(1975) S. 542 ohne Entlehnungsnachwcis - vgl. Heinrich Mittcis, Der Staat des hohen Mittelalters (Weimar '1974 ='1953) S. 79:..... da das Lohnrecht keine Staatsgrenzen kannte, seiner Natur nach überstaatlich war und feudale Vertrage die Vasallen ei- nes Fürsten auch an ausländische Herren binden konnten .. " Kcrn, Anfänge (1910) S. 326 A. 3. Vgl. J ii schke. 1250 Jahre Heilbronn? (In: Region und Reich = Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn 1, Heilbronn 1992) S. 108C., 114f. und 127. Francois Louis Ganshof. Was ist das Lehnswesen? Aus dem Französischen übersetzt von Ruth und Dieter Groh (Darmstadt 1961; '1953 ist durch Anhänge erweitert; '1959 = Reprint) S. 80 mit Belegen in A. 21.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 135

B IV) Doppelvasallitäten im deutsch französischen Grenzbereich

Dietrich II. von Holland-Westfriesland erhielt durch König Lothar von Westfranken- Frankreich 969 den Forst lVasedu

�zwischen Lille und dem Lys" in Südostflandern"'. Man kann hierin eine karolingisch-ottonische Doppelvasallität sehen18, und ihr ent- sprach auf ottonischer Seite kaiserliche Aktivität in Nordostflandern beiderseits jener Schipgracht, die unmittelbar östlich Gents von der Schelde nach Norden führte und als Grenzorientierung zwischen westfränkisch-französischem und ostfränkisch- deutschem Reich diente; sie erhielt durch die Mönche von St. Bavo in Gent - diese

residierten diesseits der Gracht - später den Namen �Ottograben": wohl nach Kaiser

Otto II., der sich in St. Bavos Klostergemeinschaft ehrenhalber aufnehmen ließ, aber auch für das Kloster Blandigny jenseits der Schipgracht sorgte. Man hat dem karolin-

gisch-ottonischen Ausgleich zu Margut am Chiers von 980 - unweit von Ivois gelegen

- sogar zuschreiben können, daß Anerkennung des ostfränkisch-deutschen Reichsan-

spruchs auf Nordostflandern einschließlich seiner großen St. -Bavo-Pfarrei mit dem

westfränkischen Abschwören von Ansprüchen auf Niederlothringen zusammen- gingta9 Zu einer kapetingisch -ottonischen Doppelvasallität kam es jedoch nach dem Umsturz im Westreich von 987 nicht so recht: Dem erwähnten Grafen Dietrich II. von Holland-Westfriesland ist noch kurz vor seinem Tod, der für 988 angenommen150 oder nach 988 angesetzt wird151, durch König Hugo Capet �sein französisches Kronlehen" entzogen worden152. Dietrich II. hat spätestens seit der Umwandlung seiner Reichsle- hen in Allod, wie sie in einem Diplom König Ottos III. aus Nimwegen 985 festgehal- ten wurde, zu den Stützen der quasi-vormundschaftlichen Regierung im Nordwesten des Ottonenreichs gezählt153, die hier den Anschluß an die Politik Ottos II. zu wahren suchte, und man sagt dem �Grafen im späteren Holland" sogar nach, er habe im Ein- verständnis mit der östlichen Reichsregierung den Teil Flanderns um Gent �aus dem Westreich herauszulösen versucht". Vielleicht sollte man aber das gemeinsame karo-

147 Kienast, Deutschland und Frankreich 1(1974) S. 98 A. 219a mit Verweis auf wahrscheinliches foreman Wasedu in Leodio conriraru, konjiziert aus D. Lo. IV. 32 S. 79 Z. 2 bei A. C. F. Koch, Grenz- verhältnisse an der Niederschelde, vornehmlich im 10. Jahrhundert (in: RhVjsbll 21,1956) S. 204f.

149 Vgl. Kienast, Deutschland und Frankreich 1(1974) S. 121: �deutsch-französische Doppelvasal- lität", ähnlich ebd. S. 161.

149 Ebd. S. 97f. mit A . 219a. tso 988 V 6: Strubb e/ Voet (1960) S. 368. - 988 V 5/6: Kienast, Deutschland und Frank-

reich 1(1974) S. 121 A. 278a nach Koch, Grenzverhältnisse (1956) S. 210. - 988: Alfred Heit, Erzbischof Egbert von Trier (in: Lex. des MA. 3 VIII, 1985) Sp. 1600.

151 So Dirk Peter B1ok, Dietrich II. (in: Lex. des MA. 3 V, 1985) Sp. 1022. 152 Kienast, Deutschland und Frankreich 1(1974) S. 120f. 153 Die Regesten des Kaiserreichs unter Otto 111.980/83-1002. Nach Johann Friedrich Böhmer

neubearbeitet von Mathilde Uh1irz (= Regesta Imperii 2 III, Graz/Köln 1956) Nr. 975 von 985 VIII 25 mit Nachbemerkungen.

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lingerzeitliche Erbe dieser Zwischenregionen höher veranschlagen denn bereits fi-

xierte Reichevorstellungen. Muß doch ebenso beachtet werden, daß Dietrichs II. Sohn Egbert154 über die ottonische Hofkapelle und Ottos 11. Reichshofkanzlei (976) durch Erhebung seitens dieses Kaisers schon seit 977 auch Erzbischof von Trier war und nach dieses Kaisers Tod von 983 gleichwohl zunächst die Bestrebungen des vorletz- ten Karolingerkönigs zur Eingliederung von Lothringen in dessen Reich begünstigt hatte155 Die Grafen von Flandern waren seit 1015 dank ihrer Belehnung mit der Insel Walche-

ren und mit Valenciennes - dem Anfang von �Reichsflandern" - als Doppelvasallen der französischen und der römisch-deutschen Krone einflußreiche Herren beiderseits der Schelde. Dies war zunächst vielleicht durch starke Spannungen zwischen des Kaisers neuem Lehnsmann Balduin IV., dem Bärtigen (988-1035/36), zum kapetingi-

sehen König Robert II., dem Frommen (996-1031)156, hervorgerufen, ist aber dann nie mehr auf Dauer zugunsten eines alleinigen Reichsvasallen rückgängig gemacht wor- den. Flanderns Grafen bieten ohnehin wenig später Beispiele für reicheübergrcifende Mehrfachvasallitäten: Sowohl für Karl den Guten, der durch seine Ermordung von 1127 erst richtig berühmt geworden ist157, als auch für dessen zweiten Nachfolger Dietrich vom Elsaß (1128-I 168)158 bezeugt Galbert von Brügge, der durch die For- schung als penibler Tagebuchschreiber mit scharfer Beobachtungsgabe hoch geschätzt wird1S9, als Zeitgenosse, daß sie nicht nur von Frankreichs, sondern auch von Eng- lands König Lehen innehatten1°. Galbert war damals gräflich-flandrischer nozariu2 61; besondere Zurückhaltung gegenüber der England-Nachricht, wie sie durch die jüngste Forschung geübt wird163, müßte besonders begründet werden, und da des Flanderngra- fen Lehnsverhältnis zum römisch-deutschen König und Kaiser ohnehin zur Zeit Kon- rads III. und Friedrichs 1. Barbarossa gut gepflegt wurde, gerade weil erbitterte Kon- kurrenz zu Graf Balduin IV. von Hennegau (1120-71) bestand`, waren Flanderns

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Vgl. B1ok. Dietrich 11. (1985). Heit, Egbert (1985) Sp. 1600. Vgl. Kienast, Deutschland und Frankreich 1(1974) S. 141. -J :ischkc, Die Anglonor- mannen (= Urban Taschenbuch 334. Stuttgart etc. 1981) S242. Henri Pirennc (Ed. ). Galbert de Bruges. Histoire du meurtre dc Charles Ic Bon ... (= Collection de textes [10], Paris 1891) S 20ff. = Galbert 12. - Marc Ryckacrt in: Lex. des MA. 5 IV(I990) Sp. 991. Strubbe1Voet (1960)S. 392. -Geringfügig anders datiert TL'ri: se dc Hcniptin - ne, Dietrich v. Elsaß (in: Lex. des MA-3 V, 1985) Sp. 1021 f. Marc Ryckaert. Galbert von Brügge (in: Lex. des MA. 4 V, 1988) Sp. 108I f. Complacuit ergo sibi uiriusque regni scilicet re. r Franciae ei rex Angliae super eomire nosiro 77ieudo- rico, ei imvestituras feodonun er benefrciorum, quae ab ipsis sanciissinuts er piissimus canes Karolus obtinuerat, gratanierdedenun; Galben 12 S. 176 (Pircnnc). Ryckaert, Galbert (1988) Sp. I082. dcHe in ptinnc. Dietrich v. Elsaß (1985) Sp. 1022: �Festigung der vasallitischen Bindung an Ludwig VI..... gleichzeitig (Anlehnung) an den König von England". Strubbe1Voet (1960) 5366. - Vgl. Jean-Marie V auch ies. licnnegau (in: Lex. des MA. 4,1989) Sp"2131 mit dc Hem pt inn c. Dietrich v. Elsaß (1985) Sp. 102-1.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 137

Grafen damals nicht nur Doppe1 vasallen. Es kennzeichnet die Elastizität solcher Lehnsbindungen, aber natürlich auch den Charakter der internen Herrschaftsdurchset-

zung in Flandern, daß Dietrich vom Elsaß als gleichzeitig dreier Könige Mann sich

nur bei der ersten seiner vier Palästinafahrten daheim durch seine (zweite) Gattin Sibylle von Anjou vertreten lassen konnte; später gehörte der Grafenvertretung stets einer seiner Söhne (mit) an". Hinsichtlich der reicheübergreifenden Mehrfachvasal- lität verdient Beachtung, daß Flanderns Grafen 1262'6$ oder 1263166 in Gestalt der Grafschaft Namen (frz. Namur) ein weiteres Reichslehen erlangten, als sie Konstan-

tinopels relativ erfolglosem Lateinischen Kaiser Balduin 11. von Courtenay (1228-31,

i 1273) eben das Namurois abkauften167 und sich infolge Verzichts des Luxemburger Grafen Heinrich des Blonden im Mai 1264 auch bis zum erneuten Verkauf - jetzt an Philipp H., den Guten, von Burgund 1421 - hier ebenfalls durchsetzten168. Schließlich hat es im Hennegau, der zweifellos zum römisch-deutschen Reich zählte, seit 1051 das Haus Flandern gegeben, aus dem durch Personalunion mit ihrer Stammgrafschaft

eben auch viele Grafen von Flandern amtierten: bis zum Ableben jener Gräfin-Mutter

Margarete von Konstantinopel 1280, die sich in den Hennegau nach ihrer flandrischen

Abdankung von Ende 1278 zurückgezogen hatte'69.

Zwar rechnet man schon für das zweite Drittel des 11. Jahrhunderts mit �häufiger" Doppelvasallität, aber doch mit deren Seltenheit, wenn es sich um so etwas wie das Überschreiten von üblichen Reichsgrenzen durch einen hochrangierenden Fürsten handelte: Herzog Gozelo von (Nieder-)Lothringen (1023 bzw. 1033-1044)170 hatte im Gefolge seines Schlachtensiegs von Bar-le-Duc über den kometenhaft aufgestiegenen Odo, Grafen von Blois, Chartres und der Champagne, 1037 Donchery an der Maas

vom kapetingischen König Heinrich I. als Lehen erhalten. Der Reichtum dieses Guts, das Eigentum von Saint-Mddard zu Soissons war, mochte dem Lothringer gelegen kommen, und doch gab er es wenig später dem Kloster zurück: wie man annimmt, um dem Unwillen des Kaisers über diese grenzübergreifende Doppelvasallität zu entge- hen171. Diese Hypothese verdient um so stärkere Beachtung, als Donchery (Dip. Ar-

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Strubb e/ Voet (1960) S. 393 zu Philipp vom Elsaß, zu ergänzen durch deHemp- tinne, Dietrich v. Elsaß (1985) Sp. 1022. Brockhaus Enz. 13(1971) S. 186 = ebd. 15('211991) 5.319. -Köb1er, Historisches Lexikon (1992) S. 168 Sp. 2 und S. 401 Sp2. Leopold Genicot, Namur (in: Lex. des MA. 6 V, 1992) Sp. 10 12. - Strubbe/Vo et (1960) S. 386: 1263111 19. Antonio Carile in: Lex. des 11MA. l(1980) Sp. 1369f. -Genicot, Namur (1992) Sp. 1012. Strubbe/Voet (1960) S. 386f. sowie S. 388 und 396. -Maurice Vandermae sen, Margarete von Konstantinopel (in: Lex. des MA. 6 II, 1992) Sp. 240. - Irreführend Lex. der dt. Ge- schichte (Stuttgart '1977) S. 838: 1188-1421 hennegauisch. Strubbe/Voet (1960)S. 365f. und394. - V anderin aesen, Margarete von Kon- stantinopel (1992) Sp 240. Michel Parisse in: Lex. des MA. 4(1989) Sp. 1616. Kienast, Deutschland und Frankreich 1(1974) S. 161 mit Belegen, auch zum Folgenden zu vgl.

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dennes), nur 5 km westlich von Sedan, auf dem rechten Maasufer und bereits auf römisch-deutschem Reichsboden lag. Für einen von Frankreichs größten Baronen, den Grafen der Champagne`, wurde im Gefolge der staufisch-kapetingischen Entfremdung zu Saint-Jean-de-Losne vom Au- gust/September 1162"' ein Lehnsverhältnis wirksam, als dessen dingliche Substrate 1218 durch den römisch-deutschen Reichskanzler Konrad I. von Scharfenberg, Bi- schof von Speyer und Metz, auf der Grundlage von �Nachforschungen

in der kaiserli-

chen Registratur" neun Burgen ermittelt wurden. Von ihnen lagen Raucourt, Belrain, Gondrecourt-le-Chäteau, Reynel, Lafauche, und Bourmont auf römisch-deutscher Seite, auf französischer hingegen Cornay, Dampierre-le-Chäteau und Possesse"'. Andere werten nur Dampierre und Possesse, die übrigens zu Beginn des 13. Jahrhun- derts vorübergehend Reichslehen wurden"', als französisch: beides im Sinne einer eigentlich erst jüngeren Terminologie. 1220 erzwang gar die Champagne-Gräfin Blanche vom (ober-)lothringischen Herzog die Lehnsauftragung von �Neufchäteau an der oberen Maasa16. Damit ist die gele- gentliche Doppelstellung Oberlothringens angesprochen: Betroffen war hiervon jener Herzog Theobald 1., der bei Bouvines 1214 auf Kaiserseite, wenn auch Ottos IV., gegen den Kapetinger-König Philipp II. August gekämpft hatte. Ansonsten lassen sich aber seit dem berühmten Lehnsvertrag des Lothringen-Herzogs Friedrich IV. (oder Ferri III., 1251-1303) vom 14. März 1259" - wegen des Marienjahrs auf der Iberi- schen Halbinsel nicht schon von 125 8179 - aus Toledo, in dem die erste Lehnsfahne für herzogliche Amtsgewalt und die Quasi-Erzwürde eines Obersten Seneschalls am Königshof diesseits und damit natürlich westlich des Rheins genannt wurde19, bis in

172 Walther Kienast, Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte bis zum Tode Philipps des Schönen von Frankreich 1(= Bijdragen van het lnstituut voor middclceuwsche Geschiedenis der Rijks- Universiteit te Utrecht 10, Utrecht und München/Leipzig 1924) S. 15.

173 Karl Jordan in: [Bruno) Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 9., neubearbei- tete Auflage hg. von Herbert Grundmann 1(Stuttgart 1970) S. 396.

174 Kienast,... im Dienste der Westmächte 1(1924) S. 15ff. - Zu Konrad 1. zusammenfassend Peter Thorau in: Lex. des MA. 5(1991) Sp. 1355.

175 Vgl. auch Kcrn, Anfänge (1910) S. 318. 176 Vgl. Heinz Thomas, Die lehnrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen zum Reich

von der Mitte des 13. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts (in: RhVjsbIl. 38,1974) S. 177 mit Michel Bur, Champagne (in: Lex. des MA. 2,1983) Sp. 1682.

177 Thomas, Lehnrechtliche Beziehungen Lothringens (1974) S. 170f. und S. 167 [! [ mit A. 7. 178 So jedoch Lorenz Wcinrich (Obers. ). Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch- deutschen Reiches im Spätmittelalter. 1250-1500 (= Ausgew. Quell. 33, Darmstadt 1983) S. 44-49 Nr. 13, und zwar gegen die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich 11, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198-1272. Nach der Neubearbeitung und dem Nachlasse Johann Friedrich Böhmcr 's hg. und ergänzt von Julius Fickcr und Eduard WinkcImann (= Regesta Imperii 5. Innsbruck 1882-1901) Nr. 5501; künftig: BFW. - Vgl. auch Hermann Grotefcnd. Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 12. Auflage bearb. von Jürgen Asch (Hannover 1932) S. 14 Abschnitt c. 179 ... printunt vexill in daraus eibi pro ducanr in feudunr. in quo er per quad debes esse sununus seite- scalcus in aula nosira cirra Renum.... 11' cinrich. Verfassungsquellen (2[ (1983) S. 44 Nr. 13. - Dazu Thomas. Lehnrechtliche Beziehungen Lothringens (1974) S. 172f. (wo S. 172 und dann

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die Königzeit Ludwigs des Baiern immer wieder Belege und Indizien für lothringi- sche Lehnsnahmen vom römisch-deutschen Reich beibringen18'. Unter ihnen geben drei Diplome binnen dreier Tage kurz vor Römerkönig Heinrichs VII. Aufbruch zum Italienzug 1310 zu erkennen, daß in Details für die �Vermehrung der (lothringischen) Lehen, die (Herzog Theobald [1303-12]) von König und Reich innehat"", unter- schiedliche Bedingungsgefüge angestrebt wurden". Ohnehin hatte bereits der kapetingische König Philipp III. (1270-85) eben jenen Loth- ringen-Herzog Friedrich IV., der 1259 den Vertrag von Toledo abgeschlossen hatte, in

seine ligische Lehnsmannschaft gegen 300 Pfund Turnosen jährlichen Börsenlehens einbezogen. Unter dem 2. September 1287 erhöhte König Philipp IV., der Schöne, Friedrich dem IV. das Geldlehen seines Pariser Vorgängers auf 500 Pfund Turnosen jährlich, um das ligische Lehnsverhältnis aufrechtzuerhalten. Das Geld konnte bei den Pariser Templern alljährlich an Mariä-Lichtmeß entgegengenommen werden. Das entsprechende Diplom Philipps des Schönen, der übrigens noch als �Frankenkönig" [! ] firmiert, galt als Ausweis für die Empfangsberechtigung; auf ein entsprechendes Spezialmandat wurde ausdrücklich verzichtet 183. Entsprechend hat Herzog Friedrich IV., obgleich römisch-deutscher Reichslehnsmann König Adolfs, im Krieg zwischen englischem und französischem Königshaus 1294-97 die Angriffsbefehle König Adolfs überhört; er hat allerdings auch persönlich kein kapetingisches Geld ange- nommen1& . Seinen Sohn Theobald ließ Herzog Friedrich IV. allerdings die französi-

schen Lehnspflichten erfüllen, da jener �als Herr von Rümingen champagnischer

auch 175 citra verblüffenderweise mit , jenseits" wiedergegeben wird, als stehe dort und S. 46 Z. 4

�trsns" oder �ultra Renum". ] - Auf Entsprechung zum rheinischen Pfalzgrafen als dem Erztruchsessen des Reichs verweist Kurt Andermann in: HRG. 4 Lief. 31 (1989) Sp. 1632.

, so Thomas, Lehnrechtliche Beziehungen Lothringens (1974) S. 174-183. 181

... in augntentum feodonuu s: tonun, que a rege et imperio tenet ...; Kern, Acta Imperii (1911) S. 132 Nr. 197 von 1310 IX 10 aus Dorlisheim, 20 km westsüdwestlich Straßburgs.

182 Vgl. Thomas, Lehnrechtliche Beziehungen Lothringens (1974) S. 181f., zum Folgenden S. 177. 183 Ph(ilippus). Dei gratia Franconun rex, universis presentes litteras inspecturis saluten:.

Noture facimus, quod, cum carissimus dotninus et genitor noster dedisset dilecto et fideli nostro Ferri- co. duci Lotl: oring(ie) [! ] ei n: archioni, in feodu: n et I: on: agiun: ligiun: trecentas libras Tttr(onetssiun: ) percipiendas er habendas de nostro apud Tentplun: Paris(ius), qua: ndiu vixerit tantunmtodo, singulis annis ad festes:: Candelose, nos, donationem dicti genitoris nostri ratan: ei gratan: I: abentes, daraus et concedimus predicto duci in a(u)gu: entationen: eiusden: feodi ei hontagii ducentas libras T: tr(onensiuni) percipiendas ab eoden:, quamditt sintiliter vixerit, cun: predictis trecentis libris apud Ten: plwn Paris(ius) termino supradicto, n: andwues tenore presentiun: thesaurario donuts Tentpli Pa- ris(ius), qui pro tempore fuerit. vel ei, qui loco eins fiterit, quatinus predictas quingentas libras pre- dicto duci vel eins mandato presentes litteras deferenti supradicto termino sine qualibet difficultate persoira1, nullo alio mandato nostro super hoc expectato. Actun: Paris(ius) die Maths post decollationen: beati Johannis baptiste anno Domini M°CC° octogesi- mo sepnn: o; Kern, Acta Imperii (1911) S. 273 Nr. 303 aus Pariser Original der BN., CoII. Lorr. - hier geringfügig in Großschreibung und Interpunktion verändert.

184 K(19S. Böhme r/ Samanek (1948) Nrn. 319-322 von 1293 X 22f., 586f, von 1295 IV 8 und 590 aus demselben Monat.

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Vasall" war185. Außerdem hat Theobald insgesamt 5000 Pfund französischen Kriegs-

solds genommen und als französischer Vorposten �gegen den eifrigen Reichskriegs- kommissar Heinrich von Bar" gefochten'. Im Juli 1300 nahm Herzog Friedrich IV.

von König Philipp dem Schönen Neufchsteau, Chätenois, Grand, Montfort und Frouard zu Lehen. Damit wurde Lothringen zwar noch nicht �französisches Hoheits-

gebiet" 187, aber der Herzog verstärkt französischer Kronvasall1B. Im Hintergrund steht der allmähliche Anfall der Champagne an die französische Krondomäne, da König Philipp der Schöne (Pfalz-)Graf Heinrichs III. Erbtochter Johanna geheiratet hatte und Lehnsleute des Champagne-Fürsten wie Kronvasallen behandelte189. Neben Neuf-

chäteau konnten hierfür auch Nancy, Port und Luneville als dingliche Substrate bean-

sprucht werden190. Ins niederlothringische Gebiet führt die gelegentliche Doppelvasallität der Brabanter Herzöge. Sie sahen sich 1184/90 am römisch-deutschen Kaiser- und Königshof teil- weise durch die Grafen vom Hennegau überspielt, und nachdem Herzog Heinrich 1.

von Brabant (1190-1235)191 bereits 1190 als Entschädigung für erheiratete Ansprüche

auf die Grafschaft Boulogne 500 Pfund Jahresrente vom kapetingischen König erhan- delt hatte, kam es im Februar 1205, also kurz nach der kapetingischen Durchsetzung

gegen die Plantagenets auf dem kontinentalen Festland bis 1204, die 1206 zum Waf- fenstillstand von Thouars führen sollte, in Passt' zum ersten Kammerlehen in der französisch-deutschen Geschichte: Gegen ein Rentensubstrat von 200 Mark Silber, das er jedes Jahr in Paris abholen konnte, leistete der Brabanter �Mannschaft gegen alle" und nahm nur Philipp von Schwaben und - sollte dieser sterben - dessen einmü- tig gewählten Nachfolger aus19'. Die Boulogneser Rente wurde auf 600 Pfund er- höht 193. Nach Wechselfällen im deutschen Thronstreit, wo sich der Brabanter gar als zeitweiliger Thronkandidat lancieren ließ, wurde das Verhältnis zu Philipp II. Au- gustus weiter gefestigt: Im April 1213 leistete Herzog Heinrich I. von Brabant als Herzog von (Nieder-)Lothringen Frankreichs König Philipp dem II. Augustus den Lehnseid, der schriftlich überliefert ist. Laut diesem Text versprach er zwar Hilfe gegen alle Männer und Frauen, nahm aber König Friedrich den 11. als Römerkönig

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Kern, Anfänge (1910) S. 171 mit Verweis auf dens., Acta Imperii (1911) S. 73 Nr. 105 von Mariä Himmelfahrt 1295: Je, 77ziebaus de Lorreigne. sires de Remignei, fais sal oir... Kcrn, Anfänge (1910) S. 172. u. a. [wenn auch mit Druckfehler S. "655,5"] nach MGH. Const. 3(1904ff. ) S. 633 7-9 in Nr. 645 von ca. 1298, §8 [77iibaut dc Lorcigne]. So jedoch Kern, Anfänge (1910) S214f. Vgl. Michel Parissc. Friedrich IVJFerri II1., Herzog von Oberlothringen (in: Lex. des MA. 4 V, 1988) Sp. 953, wo erst mit 1300 von Kronvasallität die Rede ist. Vgl. Michel Bur, Champagne (in: Lex. des MA. '_, 1983) Sp. I684 bzw. 1683. Pa r isse, Friedrich IV. (1988). St rub be/Voct (1960) 5.358. - Heini Thomas

, Brabant I (in: Lex. des MA. 2111,1982) Sp. 529f. Kicnast, Deutschland und Frankreich 3(1975) 5.551. - BF1V. 10677. - 1204 und 1206: Bernd Schneidmü11er, Philipp II. Augustus (in: Lex. des MA. 6,1993) Sp. 2059. Kicnast, Deutschland und Frankreich 3(1975) Sä52; zum Folgenden ebd. S. 555ff.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 141

aus und auch denjenigen, der im Falle eines Ablebens Friedrichs II. von den Wahlbe-

rechtigten mit Zustimmung Philipps II. Augustus zum Römerkaiser [! ] gewählt wer- de"". Ansonsten blieb man in Brabant reichsorientiert, und als mit dem Worringer Sieg von 1288 der Erwerb des Herzogtums Limburg perfekt war, wurde das Heilige Reich sogar Titelbestandteil: Niederlothringens mächtigster Fürst nannte sich nicht nur �von

Gottes Gnaden Herzog von Lothringen, von Brabant und von Limburg"195,

sondern zusätzlich noch �Markgraf des Heiligen Reichsi196. Tatsächlich war die Markgrafschaft Antwerpen 1106-1335 in Brabanter Hand 197. Reichsorientierung be- deutete allerdings nicht, daß einträgliche Börsenlehen Philipps des Schönen ausge- schlagen worden wären: Unter dem 26. September 1304 stellte Johann II. von Brabant

vor Ryssel als Herzog von Lothringen, Brabant und Limburg dem König von Frank-

reich einen Lehnsrevers aus, demzufolge der Herzog gegen eine lebenslange Rente

von 2500 Pfund schwarzer kleiner Turnosen eben Philipp dem Schönen huldigte198. Übrigens scheint eine Urkunde desselben Ausstellers, mit der er eine Seefahrt zu- sammen mit König Philipp dem Schönen gelobte, verloren zu sein'. An ein Überset-

zen nach England ist dabei aber nicht gedacht; denn neben Johanns II. von Brabant als bekannt vorausgesetzten Lehnsherren werden auch der König von England und des-

sen Söhne ebenso ausgenommen wie Herzog Johanns II. Blutsverwandtschaft in Flandern20. Weniger überrascht die Nichtberücksichtigung Englands als eines gemeinsamen Geg- ners ein halbes Jahr später im kapetingisch-savoyardischen Verhältnis: Unter dem 25. März 1305 stellte König Philipp der Schöne zu Passy für Graf Amadeus von Savoyen

eine Urkunde aus, derzufolge der Graf gegen eine Jahresrente von 2500 Tumosen der Ligius des Ausstellers wurde. Ausgenommen blieb von dem �ligischen Homagium

194 ... luvabo bona fide contra onuses hotnines et jeminas, qui possint vivere et mori, preterquant contra illustrem Romanonun regem Fridericum, quantdiu vixerit rex Romanorten, vel preterquant contra il- lum, guide assensu domini mei regis Franconun Philippi electus esset in imperatorent Romanorunt ab illis, qui potestatent habent eligendi, si forte de predicto Friderico huntanitus accideret, ...; Auszug aus der Herzogsurkunde bei J[ean]-L[ouis]-A[Ifonse] Hu i1 1ard-Br6ho 11 e s, Historia di- plomatica Friderici Secundi ... l(Paris 1852) S. 267 = Werner Goez, Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter (= Historische Texte - Mittelalter 11,1969) S. 35 Nr. 22.

195 So beispielsweise Johann I. in: \V ampach, UQB. 5(1948) S. 455 Nr. 433 von 1292 IV 15; ebd. S. 459 Nr. 435 von 1292 IV 21.

196 Tho in as, Brabant 1 (1952) Sp. 529 modernisiert folgendermaßen: ... par la grace de Dieu duc de Ladder, dc Brabatu er dc Limbourg ei marquis du Saint Empire [mit Komma hinter Dieu].

197 Adriaan Verhuist in: Lex. des MA. 1 IV(1979) Sp. 737f. -Thomas, Brabant I (1982) Sp. 529.

19s Kern, Acta Imperii (1911) S. 100 Nr. 152 - wo verwiesen wird auf die königliche �Gegenurkunde" bei [J. F. ] Wi11e ni s, De brabantsche Yeesten 1(1839) S. 719 Nr. 107. 199 liens littera ducis Brabantie, per quarr protnisit, transfretare cunt rege Philippo steht vor der vorge-

nannten Urkunde als Regest im Inventar Peters von Etampes; Kern, Acta Imperii (1911) S. 100 zu Nr. 152 unter Vereis auf Paris, Archives Nationales, JJ 1,12 fol. 43 Nr. 87.

200 ... saue la joy ei l'omage de nos outres seigneurs en qui homage nous estiens a le date de ces lettres, ei aussi hors mis le.. roy d'Etgleterre ei son fill et toes ceaus de nostre linage de Flanderes, en teil con- dition.... Kern, Acta Imperii (191 I) S. 100 Z. 9ff. Nr. 152.

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gegen alle ... der Kaiser, wenn er gewählt werde, und der König von England"'. Schon im Dezember 1294 waren �Delphin Humbert von Vienne und sein Sohn Jo- hann" ein ligisches Lehnsverhältnis mit Frankreichs Krone eingegangen. In König Philipps des Schönen zugehöriger Urkunde wurde auch ein Kriegsbündnis auf Zeit

gegen Englands König festgehalten, für das unterbestimmten Bedingungen 200 Mann bereitzustellen waren. Ausgenommen wurde als möglicher Gegner des Delphins übri- gens nicht irgendein römisch-deutscher Köni, sondern unpersönlich jeder von Hum- C:

Lehnsherren mit den �Kaisern" und �Königen Siziliens" an der Spitze202. Ei-

gentümlicherweise wird vorab das Lehen nicht bezeichnet; aber �für das Homagium" hat der hier sogenannte �Franzosenkönig" dem Delphin und dessen Sohn 500 Pfund kleiner Turnosen jährlich auf den Pariser Tempel angewiesen. Die Leistung des Ho-

magiums wird ausdrücklich davon getrennt: Die Geldrente wirkt gar wie der Dank dafür203, soll aber wohl die Leistung des Lehnsdiensts finanzieren. Weiter nördlich, im burgundischen Gebiet, reichte kapetingisch-nachbarliche Doppel-

vasallität mindestens bis 1172173 zurück: Damals ließ Graf Gerhard von Mäcon Kö-

nig Ludwig dem VII. einige Burgen auf dem königlich-französischen Saone-Ufer auf und leistete dem König und dessen voraussichtlichem Thronfolger Philipp (II. Au-

gustus) den Lehnseid, behielt sich aber �Treue zu seinem Bruder und Lehnsherrn, dem Grafen Stephan von Auxonne", vor, und dieser gilt als �reichsburgundische(r) Herr" - übrigens mit gutem Grund; denn selbst als Stephans Sohn Johann von Cha- Ion �die Stadt (Auxonne) 1237 an Herzog Hugo IV. von Burgund ... verkaufte", blieb

sie, die auf dem linken, östlichen Saone-Ufer lag, Teil des Imperiums und geriet

�nicht unter die Souveränität der Könige von Frankreich"03.

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Pour les quelles deux mille ei cinq Bens livres il note a fait homanage lige contre sous honunes excepie l'entpereur, quant il sera tree, ei le roy d'Angleterre ...; ebd. S. 104 7-34 ff. Nr. 157. - Ebd. S. 105 ver- weist Kern auf die gräfliche Gegenurkunde vom folgenden Tag: AMGH. Const. 4 11(1908-I I) S. 1250f. Nr. 1201, wo allerdings S. 1251 Z. 15 richtiges Pacy mit falschem �Paris" verwechselt ist: ent- sprechend irrig wurde ebd. Z. 5 Par(y) für �Par(is)" ergänzt. Außerdem soll in Z. 6 seur statt sur zu le- sen sein. Kern, Acta Imperii (1911) S . 276f. Nr. 307, obiges Zitat aus dem dortigen Kopfrcgest. - Primo videlicet, quad ident Dalphinus ei loannes, eius filius, ac eorum heredes sibi in Dalphinaat Vienn(ertsi) in postenun successuri nobis homagium ligium facieni successive, salvis fidelitatibtu ei homagiis da. minorunt suorunt imperatorum, regum Sicilie, archiepiscopi Vienn(ensis), Aniciensis, Gratia- nop(olitani) episcoporum; ebd. S276 7.3943 aus § 1. Quad quident /tomagiurn predicti Dalphinus ei loannes nobis, ut predicitur, lain fecer uu. Ei nos pro eodent homagio ipsis Dalphino ei ftlio quingentas libras parvorun: Turonensiunt annui redditus as- signavimus, ab eisdent ei successoribus in dicto Dalphinaau pereipiendas perpetuo Parisius ad Templum; ebd. S. 277 §§ 1f. Kicnast, Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 84 auf der Grundlage von D. Lu. Vll. 628: Comes Girardus recognovii. se hominem nostrum esse ei in easantenttun recepisse de nobis, salva fu- delitate primogeniti fratris sui comitis Stephani. trio Castro ...; Gallia Christiana 4(Paris 1728) SP. 1073D, datiert nach Achille Luchairc, Etudes sur Its actcs de Louis VII (= Ilistoire des in- stitutions monarchiques de la France. %limoires et documents, Paris 1885) S. 297f. - .. D. " + Anfangs- buchstabe(n) eines Namens wird auch im folgenden als Abkürzung für ein Diplom des entsprechenden Herrschers verwandt. Jean Richard in: Lex. desAIA. l(19S0) Sp. 1281.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 143

Verhältnismäßig nahe mochte es liegen, lothringische Bischöfe zu französischen

Kronvasallen zu machen. Burchard von Avesnes, Ende 1282 bis November 1296

Bischof von Metz auf Betreiben Widos von Dampierre, des Grafen von Flandern, gilt als ligischer Lehnsmann Philipps des Schönen206. Anderseits hat das Ziel jenes Kir-

chenfürsten, den �weltlichen

Besitz ... seines Bistums" zu vergrößern, die Orientie-

rung zum Reich hin verstärkt, und zwar unabhängig davon, ob ihm der Rückkauf der Grafschaft [! ] Blieskastel gelang207 oder ob ihm im Gefolge des

�Blieskasteler Erbfol-

gekriegs (1276-1291) ... Burg und Flecken Blieskastel" zugefallen sind208. Auf jeden

Fall hat der Bischof seine Position als vornehmster Lehnsherr der Grafen von Blieska-

stel zu nutzen versucht, obgleich Blieskastels letzter Graf Heinrich schon 1237 ge-

storben warp'. In eine ähnliche Richtung weist, daß Bischof Burchard 1295 Papst

Bonifaz den VIII. dafür gewann, die Benediktinerabtei Gorze mit der mensa episco- palis der Metzer Bischofskirche zu vereinigen, um deren Schuldenlast zu tilgen: an- scheinend mit dem Erfolg, daß diese Maßnahme der Abtei 1297 eine Schuldenlast

von mehr als 25000 Pfund Turnosen einbrachte, von der sich die Mönche nie mehr

ganz befreien konnten'-". Wirft man einen Blick auf Bischof Burchards Geldlehnsre-

vers, den er unter dem 24. August 1296 in Paris ausgestellt hat, so drängt sich die

Folgerung auf, daß sich König Philipp der Schöne die Doppelvasallität des Metzer

Kirchenfürsten ungleich mehr kosten ließ als diejenige des Luxemburger Grafen: Es

war �eine Rente von 2000 Pfund kleiner Turnosen", mit der er für die Ligeität des

Königs von Frankreich gewonnen wurde211. Zwar wurde Deutschlands König erklär- termaßen ausgenommetr''2, für den Kriegsfall auffälligerweise aber nur seine Per-

son2". Mag man bei deni Metzer Bischof nicht ausschließen, daß die Summen vom Pariser Tempel auch der Finanzierung aufwendigen Auftretens am französischen Königshof dienen sollten, so ist ein Bündnis mit seinem Lehnsherren König Philipp dem Schö-

nen, das Bischof Theobald von Lüttich zu Mariä-Geburt 1304 beurkundete und auf seine Lebenszeit veranschlagte'-';, anders begründet worden. Wenn die ältere For-

206 So Michel Parisse, Burchard/Bouchard d'Avesnes (in: Lex. des MA. 2 V, 1982) Sp. 945 o. Schr. 207 So Parisse, Burchard/Bouchard (1982). 218 So Hans-Walter Herrmann, Grafen von Blieskastel (in: Lex. des MA. 2 11,1981) Sp. 278 - u. a.

nach Walter Mohr, Geschichte des Herzogtums Lothringen 3(Saarbrücken 1979) [5.119]. 2w \'gl. Herrmann , Grafen von Blieskastel (1981). 210 Vgl. Parisse, Burchard/Bouchard (1982) Sp. 945 mit Jean Schneider in: Dictionnaire

d'histoire et de geographie ecclesiastiques 21(1986) Sp. 815. 211 Kern. Acta lmperii (1911) S. 78 Nr. 114. 212

... nous dc nostre bonne volentc wanes entre en foy ei en honunage lige envers nostre chier seigneurs le roy de France ei sownes devenuz ses horns liges, excepte le roy d'Alemaigne, ...; Kern, Acta Im- perii (1911) S. 78 Z. 30ff. Nr. 114 § I.

=13 ... encontre toutes gen z- ercepie la personae don roy d'Alemaigne Cant seulement; ebd. Z. 34f.

214 ... 7hiebmu, par la grace Dieu evesque de Liege, salut. Sachent twit, que noes sonunes alie a nostre Tres chier seigneur Phclippe. par la grace Dieu [! ] roi de France, a estre lent a li tout le cours de no- sire vie en la maniere, qui sensieut. Ce est a savoir, que nous sununes ...; Kern, Acta Imperii (1911) S. 99 7-4-7 Nr. 151 aus besiegeltem Original in Paris.

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schung betont hat, daß dieses durch Theobald geschilderte Bündnis von ihm als Lütti-

eher Bischof und nicht als französischer Vasall eingegangen worden sei", so wird

�unser hochlieber Herr" (nostre tres chier seigneur) nicht als Terminus technicus für den Lehnsherren verstanden. Die gleiche Terminologie findet sich aber auch bei der Beschreibung des gewünschten Kriegsdienstes: Theobald sieht sich verpflichtet, sei- nem erwähnten Herrn, dem König von Frankreich, gegen jedermann im Gebiet

�zwischen Seine und Maas ... " zu helfen; ausgenommen werden lediglich �des Bi-

schofs eigene Vasallen, soweit (sie) Lütticher Lehen" tragen 216. Diese Kriegshilfe könne nicht in Geld geleistet werden; pe rs önIich müsse der Bischof �mit mindestens 200 Brunnen auf französische Kosten, jederzeit, drei Monate im Jahr" zur Verfügung stehen, wo sich auch �des Königs oder des Kronprinzen Person" auflhal- te 17. Es handelte sich wohl um Defensivpflichten; denn �die Seine bezeichnete die innere Grenze", an die sich der Bischof bei seiner Truppenbewegung zu halten habe,

�die Maas die äußere". Theobald gehörte dem Hause Bar an, dürfte also über die lokalen Verhältnisse Bescheid gewußt haben oder sich doch haben informieren kön-

nen. Um so stärker fällt auf, daß hier ohne Rücksicht auf Reichsgebiet links der Maas

eben dieser Fluß fast wie eine Grenze verstanden wurde, wenn auch in der Forschung die Frage der Maasgrenze nach 1299 offen bleibt=18. Unmißverständlich als Doppelvasall wird Theobald dann im weiteren Teil der Urkun- de greifbar: Drei französische Burgen habe ihm �sein Lehnsherr, der König" verlie- hen, und zwar eben auf des Bischofs Lebzeiten. Auf dieser Grundlage habe Bischof Theobald dem König ligisches Homagium geleistet, und zwar gegen alles Lebendige mit Ausnahme des Königs von Deutschland=". Die Ausnahme wird aber noch beson- ders eingeschränkt: Sollte der König von Deutschland den König von Frankreich oder das Königreich Frankreich angreifen, so werde Theobald ihn nach seinem Vermögen und guten Glaubens zu hindern suchen; könne dies nur bei Verletzung der Treue- pflicht gegenüber dem Reich geschehen, so werde der Bischof zumindest neutral

215 Kern, Anfänge (19 10) S335. 216 Ebd. auf der Grundlage des folgenden Texts: ... Nous sununes tens: dc sen"ir le dir nostrc seigneur lc

roi de France contre roue eeus, a qui il ara a faire. entre Sainne ei Aluese, excepie no: honunes tan: seulement en ce, que il tendroient de hour. et autre part non ...; Kern, Acta Impcrii (1911) S. 99 Z. 7-10 Nr. 151 § 1.

217 Kern, Anfänge (1910) S335 nach folgendem Text: Et lu manierc du service est tole, que partout an le cors du roi sera. noes summes tenu: de venir en nostre personne, routes foi: que nous en serious requis, a deux cen: honunes d'arnies, ei la, vu son fl ainsne serail. aussi, pour le fait dou ro)"aunu; Kern , Acta Imperii (1911) S. 99 Z. 10-13 Nr. 151 § I.

218 So Ker it , Anfänge (1910) S335 A3. 219

... pour ce, que nous soiens plus renn: ei plus obligie: an dir nostrc seigneur lc roi. il nous a donne trois chas: eaer, ce est assacoir Lamarche. Chasteillon ei Conjlai: o Lautes les aparienances de iceus a tenir tout le cours de nostrc vie. Des quier trois ehas: eacr noun at ors fair lige hommage au dir nostre seigneur le roi Bonire tos: eeu , qui pueent vivre er marlr, ercepte.. le roi d'Ale: mtigne, tan: srulement an la rnaniere, qui s'ensui:. Ce est assav-oir. que ...; Kcr it , Acta Imperii (1911) S. 99 Z. 22-27 Nr. 151 § 2, geringfügig verdeutlicht.

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Reiclzsgrenzen und Vasallitäten 145

bleiben'-'. Sollte dabei aber damit seine Treue gegenüber Deutschlands König noch nicht abgegolten sein, so werde er diesem

�gegen den König von Frankreich und dessen Königreich dienen, " aber zu deren geringstmöglichem Schaden, ohne hinwie- derum seine Treuepflicht zum König Deutschlands zu verletzenu'. Doch selbst in diesem Fall habe Bischof Theobald die zehn Helme, die für sein französisches Lehen pflichtig seien, uneingeschränkt zu stellen'. Damit wurde der Problematik realisier- ter Doppelvasallität gründlich Rechnung getragen und das jeweilige Bedingungsgefü-

ge so deutlich gefaßt, daß im Verweigerungsfall Felonie bestimmbar gewesen wäre. Diese Bestimmbarkeit scheint ohnehin bei solchen Verhältnissen das Hauptproblem

gewesen zu sein: Unter dem 2. Januar 1306 versprach Graf Heinrich VII. von Luxemburg und Laroche, Markgraf von Arel, Philipp dem Schönen als dem König von Frankreich für sich und seinen Bruder Balduin, in welchen Stand dieser auch immer gelangen möge, dem König als Lehnsherren treu zu sein und ihn zu unterstützen; von einem irgendwie

gearteten Lehen war jedoch nicht die Rede'-'-'. Den Umfang der Lehnsdienste sollen die edlen und mächtigen Herren Ludwig, Graf von Evreux, gleichzeitig Bruder des

Königs, sowie die Herren Robert, Herzog von Burgund, und Johann, Graf von Dreux,

zu dritt oder zu zweit festlegen "4. Bei Nichtbefolgung von deren Anordnung sollen Heinrich VII. und Balduin der Strafe von 20000 Pfund kleiner Turnosen verfallen. Diese Regelung dürfte notwendig geworden sein, weil das Lehnsverhältnis vorausge-

Z2ý3 Kcrn. Anfange (1910) S335 - nach folgendem Text: Ce cst assavoir quc, se li rois de Alentaigne

t»uloit parier do=: age au talon au royauntc dc France, quc ja n'avicgne, nous 1'cn destottrberiwts a nostrc poair en routes ! cs n: ar: ieres, quc notrs pourrions sanz nous nte�Q''aire vers le dit roi de Alemaig-

nc. Eise nous ne V en poions dcstourfxr et nous nous poions tcnir dc li scrvir sauvant nostrefoi sanz meffairc a li, nous nous en soufferrions: ei ou ens ...; Kern, Acta Imperii (1911) S. 99 Z. 27-32 § 2.

==t Kern. Anfange (1910) S. 335 mit �immer die Reichstreue in Ehren" - nach folgendem Text: ... et au eas la, ou nous ne pourrians raus unirsauvant nostre foi et sa»z ineffaire envers li, nous le sen, irions au mains de donanase du toi ei du ro* vauntc de France, que nous pourrions sanz tneffaire au dir roi de Alfcmaigr. c ei sanz ºYnir cor. trc r. ostrc jai. Ei pour cc ...; Kcrn, Acta Intpcrii (1911) S. 99 Z. 32-35 Nr. 151 § 2.

'- -' Ei pour ce ne lairions rous p: u, que nous ne sen'issions lc roi defrance de tel service, comme nous li devons pour reran des di, doaruaur, ee cst assavoir de dis honunes d'annes; ei touz ceus ...: Kcrn. Acta impcrii (1911) S. 99 -351i: Nr. 151 § 2.

==; Abur IlrnrýY, cvcns dc lrccmlwurc et dc in Roche ei inarchis d'Erlotts, faisons savoir a touz, que nous a»ons promis ei promrtors a tres e. iccllent prince Ph(ilippe), par la grace de Dieu roi de France prtrcnt ei rrmunt rastre pmr.. cssc. que nous et Uaudoin, nostrc tres dticr frere, a quefcunque estat quc erlui Ilnu, foin t'icgrc (vgl. dazu oben A. 621, serotu feattx et loiaus audit nostre seigneur le roi, ei li ganfcrons et ferons a/ui aliancc de jauuei et de loiaute tdes, contnte ...; \V ampach, UQB. 7(19.9) S. 9S 1r. 1050; vgl. auch (nicht so benutzerfreundlich) Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 107 Nr. 161. - Bcide aus Parixer Original mit Resten von Heinrichs VII. rotem Grafensiegel an Per- gat: nturcifrn.

==z ... Corrine rnblcr litun. n: cs ei puirsr: rt, n: issircs L(o)"s), cuens d'Evreux, frere d'icclui nosire le

.. roy, miuirrr Rlrahtn). rede 1kwºgoiSr. t, et mir-sire J(ecm), eucns de Dreux ou dens de ens ordeneront. Et cc _,,:

Wampach. UQB. 7(1949) S. 9S Nr. 1050 -Kcrn, Acta Itnpcrii (1911) S. 107 Nr. 162 licu Euvrrus.

==$ ... a pcir. c de tYnt rr. ilc lit rrs dc Tistn: ois pctiL lesquclcs nous prontetons a poier au dir nostre seigneur je .. rot'...: \\' a nt pach. UQB. 7(1949) S. 9S Nr. 1050.

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146 Kurt-Ulrich Jäschke

setzt wurde, ohne daß ein Lehen genannt ist. Übrigens verpflichtete sich der Ausstel- ler, hierüber noch seine und des Bruders Urkunde zu liefern, und zwar ebenfalls nach dem Urteil der drei genannten Adligen`. Interpretiert wird dies als �Spruch der Kronvasallen Frankreichs"'-''. Tatsächlich sollte Balduin dann ja sogar noch als frisch

geweihter Erzbischof auf dem \Veg vom Papsthof zu Poitiers nach Trier fast einen ganzen Monat in Paris bleiben und dort Philipp dem Schönen als Frankreichs König

ein Treueversprechen schriftlich geben, von dessen Verpflichtung - wie bereits dar-

gelegt - lediglich die heilige römische Kirche und der König von Deutschland ausge- nommen wurden =. Hiermit wurden Bindungen honoriert, die erklärtermaßen auf gegenseitigen Nutzen angelegt waren, eine Vorgeschichte seit spätestens 1294 hatten

und doch auch über das kapetingisch-luxemburgische Verhältnis hinaus in die dyna-

mische Expansionsbewegung königlich-französischen Einflusses im lotharingischen Raum hineingehörten. Daß hierfür das Vorschieben des französischen Rechtsinstituts der garde eine Rolle spielt' und sich Lotharingien auf diese Weise als besonders deutlich erkennbarer Interferenzraum erweist - analog zu Gottesfriedens- und kirchli-

cher Reformbewegung, zur Verbreitung des Kreuzzugsgedankens, zum ligischen Lehnswesen und zur romanischen Schriftkulturvermittlung -, sei lediglich in Erinne-

rung gerufen. Allerdings machten entsprechende Einflußzonen keineswegs am Rande von Landes- herrschaften halt, wie es bei der Beschränkung auf personale Bindungen entsprechen- der Landesherren an die französische Krone nahegelegen hätte. Parallel zur Nutzung lehnrechtlicher Bindungen wurden gleichsam objektive Gegebenheiten beachtet oder doch besonders betont, und es ist nicht auszuschließen, daß dabei bereits das Bewußt- sein von Staatsgrenzen eine Rolle spielte. Zur Zeit von Frankreichs König Philipp III. sind mindestens drei Landesherrschaften entlang einer Flußgrenze �in eine französi-

sche und eine deutsche Reichshälfte geteilt" gewesen: �Flandern von Gent bis Hel- chin, [die Herrschaft] Beaujeux von Thoissey bis zur Lyoner Grenze [und] das Va- lentinois vom Einfluß der Isere bis Rochemaure"30. Gegen Ende der Regierungszeit von Philipps III. Sohn und Nachfolger Philipp dem Schönen waren zusätzlich noch folgende Landesherrschaften entsprechend geteilt: Hennegau-Osterbant und vielleicht

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Ei seur ce bailleroru nous ei lui no: lettres ouºertes en la ntaniere. que les trois desus di: ou deus deviseront ei ordoneront ...: ebd. So ebd. S. 97 im Kopfregest zu Nr. 1050. - Zum Folgenden oben bei A. 57. 1V ampach. UQB. 7(1949) S 228ff. Nr. 1170 von 1308 IV aus Paris. Durch diesen Druck wird die Bekanntmachung des Stücks bei Kern, Acta Imperii (1911) S. 1 18 Nr. 177 überholt: doch vgl. noch ebd. S. 108 A. 1 zu Nr. 162 u. dens.. Anfänge (1910) S. 260 sowie Friedrich Schncidcr. Kaiser Heinrich VII. I(Greiz/ Leipzig 1924) S. 9. Vgl. Manfred Doncckcr. Schutzverträge im deutsch-französischen Grenzraum im MA. (in: RhVjsbIl 43,1979) S. 196-235 und dazu teilaeisc kritisch Thomas, Das Reich uni 1300 (1985) S. 37. Kcrn, Anfänge (1910) S. 320. - .. Beaujcu" (Dzp. Rhone) wird heute ohne z" geschrieben.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 147

auch Kamericht31 entlang der Schelde, die Grafschaft Bar und die Touler Kirchenlan- de entlang der Maas. Bezeichnenderweise machte die Herrschaft des französischen Königs nicht an Flußgrenzen halt für Lyon, das Herzogtum Lothringen und das bari-

sche Bassigny 23'-.

Die Argumentation schwankte: Vor Mitte August 1297 wird eine �Denkschrift der französischen Regierung über die Rechte Frankreichs auf Lyon" einzuordnen sein233, da sie im 9. von insgesamt 24 Paragraphen noch nicht die Kanonisation König Lud-

wigs IX., des Heiligen, berücksichtigt; diese wurde am 11. August 1297 durch Papst Bonifaz IX. mit der Kanonisationsbulle abgeschlossen 234. Die französische Regierung hat die Denkschrift �an

den Papst in der Absicht (gerichtet), die Aufhebung des Inter- dikts in Lyon zu erwirken und eine friedliche Vereinbarung der Parteien zu ermögli- chen"3S. Hier werden Flüsse als Herrschaftsgrenzen historisch erklärt, und zwar als Rettung aus einer Situation, die sonst zum Kriege führe. Eingesetzt wird mit der Un-

terstellung einer schriftlichen Vorlage, um der historischen Schilderung größere Glaubwürdigkeit zu verleihent36. Ein Frankenkönig habe einst zwei Söhne gehabt:

einen als König des Frankenreichs und einen anderen als Kaiser237. Ein großer Streit

sei unter ihnen über die Grenzen zwischen Königreich und Imperium ausgebrochen; aber als sie schon unter Waffen auf dem Schlachtfeld gestanden hätten, um sich um- zubringen, sei zwischen ihnen durch gemeinsame Freunde folgende Übereinkunft

erzielt worden`: Die vier Flüsse Schelde, Maas, Rhone und Saone sollen fortan die Grenzen sein'39 - man hört Nachklänge des Verduner Vertrags vom August 843. Gebe

es einige Städte, Dörfer, Burgen und Lehen, deren Haupt im Königreich läge, die aber

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M

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Niederländisch �Kamerijk-", französisch �Cambrai"; Robert Fossier in: Lex. des MA. 2(1983) Sp. 1407. -K ern , Anfänge (1910) S. 322 A. 2, S. 361 Sp. 1 u. ö. verwendet �Kamerik". Kern, Anfänge (1910) S. 321f. Kopfregest bei Kern, Acta Imperii (1911) S. 201 Nr. 274: �vor 1297 Aug. ". - Einschlägige Grenz- vorstellungen bis in die 1280er Jahre erörtert Horst Bitsch, Das Erzstift Lyon zwischen Frank- reich und dem Reich im Hohen Mittelalter (= Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 42, Göt- tingen etc. 1971) S. 185-207. Richard Otto Zöpffe I/ Albert Hauck in: Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche 3('1S97) S. 296 Z. 58f. - HelmutL ahrkamp in: Lexikon für Theologie und Kirche 6(=1961) Sp. 1190 [künftig: LThK. ). So das Kopfregest bei Kcrn, Acta Imperii (1911) S. 201 für Nr. 274. Item inn"enitur in scripturis ei litteris antiquis fidem facientibtts, quod ohm ...; Kern, Acta Imperii (1911) S205 Nr. 274 § 16 am Anfang.

... quod olim quidam res Francie /abuit duos filios, quorum tuns fait rex Francie ei alter imperator, ei quod magna brigs ...; ebd. 7-12f . ... et quod magna briga futil inter cos orta super finibus regni ei imperii, ei ipsis in campis congregatis earn annis paratisque ad occidenduut, ltincirnde fuit inter eos per amicos corm uses concordatum, quod quatuor flurnina ...; ebd. Z. toff.

... quad quatuor flanina Scalcus, Mozn, Radanus ei Sagona essent pro ftnibus de cetera regni ei impe- rii, ei si...; ebd. Z. 16f.

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einiges Zubehör im Imperium besäßen, dann gehöre das Ganze zum Königreich - umgekehrt sei ähnlich verfahren worden'i0. Deshalb gebe es jenseits der genannten Gewässer bis heute innerhalb des Gebiets des Königreichs Frankreich viele Örtlichkeiten, über die Recht durch Leute des Imperi-

ums gesprochen werde und die zum Imperium gerechnet würden: gleichsam Zubehör

zu Hauptlehen, die im Gebiet des Kaiserreichs lägen'-'. Und ähnlich [! ] finde sich dasselbe an vielen Örtlichkeiten, die innerhalb der Gebiete des Kaiserreichs lägen: Sie

würden zum Königreich gerechnet, über sie werde Recht durch Leute des Königreichs Frankreich gesprochen, und gemeinhin würden solche Örtlichkeiten

�Lehnsenklaven" genannt242 - man könnte wohl auch von Außenlehen sprechen"", wenn dadurch nicht die territoriale Grenzverfestigung vorausgesetzt würde. Der Pariser Regierung ging es um die Anwendung auf Lyon: Aus dem dargelegten

gehe hervor, daß jener Teil der Stadt, der zwischen Rhöne und Saöne liege - selbst wenn er innerhalb des Gebiets des Imperiums wäre, wovon aber das Gegenteil wahr sei - dennoch infolge jenes Friedensschlusses zum Königreich Frankreich gehöre; denn zweifellos liege das Haupt dieser Stadt in und gehöre zu dem Königreich Frank-

reich, und jener Teilbereich zwischen Saöne und Rhöne werde �Ortsenklave" ge- nannt=". Noch 1272 war durch Frankreichs König das Erzbistum Lyon �nur bis zur Saöne beansprucht" worden; somit bedeutet die Denkschrift von 1297, daß die Vier- Ströme-Hypothese nicht mehr ausreichte und mittels des Enklavenprinzips inzwi-

schen mehr erreichbar zu sein schien'ss. Doch damit nicht genug: Im September 1307 ließ Philipp der Schöne eine �Denkschrift ... über seine Rechte auf Lyon und seine Verhandlungen mit der Kirche von Lyon" anfertigerr46. Hier er- fährt man, daß Erzbischof und Kapitel die Oberhoheit des Königs nur bis zu den Flüs- sen Saöne und Rhöne gelten lassen wvollten247. Der Fluß Saöne oder ein anderer seien

240 ... ei si essent alique ciritates, rile. eastra velfeuda, quorum capud [! ] esse: in regno ei Itaberent aliqua accessoria in imperio, quad totum esse de regno. ei e conrerso similiter finit actunt. Dine es:...; ebd. Z. 17ff. Ninc est adbuc, quod infra fines regni Francie per dicias aquas positos sunt tmdta toca, que iustitian- tur per genies imperil ei reputantur esse de /imperi/o (Handschrift: regno]: tmnquant accessoria feo- darum principaliunt infra fines imperii sitorum. Ei similiter...; ebd. Z. 19-22 mit N. a. Ei similiter hoc idem itnrnitur in multis /ocis positis infra fines inrperii. qui reputantur esse de regno ei iustiüiantur per genies regni Francie, ei dicuntur eonununiter talia taco

, feuda inclarara ". Er predictis

ebd. Z. 22ff. Vgl. Haberkern1Wa 11 ach. Hilfswörtcrbuch (=1965) S. 54 Sp. l und S. 198 Sp. l s. vv. �Außenlehen" bzw. �feudum inclavatum". Er predictis liquet, quod. esto quad ilia pars civitatis. que est inter Rodanuut ei Sagonam, esset infra fines imperii, cuius tanzen eontraritan serum est. tarnen per illant pacetu ad dontinunt regem Francie pertineret. cum capud [! ] ipsius civitatis absque dubitatione aliqua sit in ei tie regno Franck ei dice- retur illa particula interSagonant ei Rodamtnt "locus inctaratus"; ebd. Zw4-28. Vgl. Kern, Anfinge (1910) S. 18 u. S. 26 mit A. 6. - 13 its ch, Erzstift Lyon (1971) S. 205f. So das Kopfregest bei Kcrn, Acta Impcrii (1911) S? 225 zu Nr. 285. Non obstat insuper quod archiepiscopus et eapitulum memorati dicebant. umnum nostrum superiori- tatis eriendi saltim ultra flurium Sagone vet Rollani non debere. Flurrun ...; cbd. S. 229 Nr. 285 §7a. A.

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nirgends das Gebietsende von Philipps des Schönen Königreich248; denn die Gebiete der Königreiche würden keineswegs immer durch solche Flüsse voneinander geschie- den, sondern durch die eingeborenen Völker des Vaterlandes und durch Landgebiete, soweit sie einem jeden Königreich von Anfang an zugehörig gewesen seien249. Das sei besonders deutlich bei den weltlichen Rechten der übrigen Kirchen der Provinz Lyon erkennbar; denn deren Regalien habe der König an Örtlichkeiten ihres weltlichen Besitzes sowohl jenseits, als auch diesseits der Saone übernommen 25°. Das gehe auch aus vielen Örtlichkeiten jenseits der Saone hervor, die durch die Frankenkönige, die keine Kaiser gewesen seien, verschiedenen Kirchen in diesen Gebieten übertragen, ja, mit deren Hilfe eben diese Kirchen durch jene Könige gegründet worden seien25'. Angeschlossen werden Beispiele aus dem weltlichen Besitz des Bistums Lyon, aber auch aus der Stadt selbst: Von alters her hätten hier schon Philipps des Schönen Vor- gänger Rechte wahrgenommen, ohne durch die Saone gehindert worden zu sein252. Garde und Mehrfachvasallitäten waren somit nicht die einzigen Mittel, um Einfluß in Randbereichen zu stärken oder gar neu zu gewinnen. Waren Flußlinien als Grenzen inopportun, so hat man auch sie zu überwinden gewußt, und konnte sich dabei - si- cherlich wiederholt mit guten Gründen - auf ein Herkommen stützen, demzufolge Gewässer zu Verbindungen genutzt und gerade nicht als scharfe Trennlinien oder gar Niemandsbereich gepflegt worden waren. Gleichwohl wird man doch so gewichten dürfen, daß grenzübergreifende Doppelvasallitäten sich besonders gut zum Überwin- den von Grenzsäumen oder auch Grenzlinien eigneten. Der Begriff �Streugrenze" dürfte allerdings eher dem Enklavencharakter von Lehnspertinenzen gerecht werden als den gestuften Loyalitäten aus Mehrfachvasallitäten. Luxemburgs grenzübergreifende, ja, reicheverbindende Doppelvasallität seit 1252 und 1294 hat sich als ähnlich unspektakulär erwiesen wie Erzbischof Balduins Treue- versprechen von 1308. Nach einem karolingisch-ottonischen Vorläufer im flandrisch- holländischen Gebiet waren Doppelvasallen der westfränkisch-französischen und der römisch-deutschen Krone seit 1015 die Grafen von Flandern: spätestens seit Karl dem

248 Ruinen enim Sagone vel aliud non statt usquequaque termini ftnitnn regni nostri, nec ...; ebd. S. 229 Z. 28. -Kern, Anfänge (1910) S. 26 interpretiert

�die Grenzen sind im Marsch" und übersetzt �bilden nirgendwo für die Grenzen unseres Königreiches einen Abschluß".

249 ... ncc enim fines regnonun scraper per talia fluvia distinguuntur, sed per nationes patrie atque terras, prow euilibet regno ab initio fuerint subiecte. Quoll apparel ...; Kern, Acta Imperii (1911) S. 229 Z. 28ff. Nr. 285 § 7. - Ders., Anfänge (1910) S. 2617. übersetzt �denn nicht / immer werden die Staaten- grenzen durch Flüsse bestimmt, sondern durch die nationale Zugehörigkeit der Völker (nationes patrie) und die ursprüngliche Staatszugehörigkeit der Landstriche". Dies ist ebd. S. I auch Motto für Buch 1 �Grundlagen". 250 Quod apparel lute clarius in temporalitatibus ceterarum ecclesiarunt provincie Lugdunensis, quanun iura regalia recipinrus in locis tentporalitanun ipsanan ultra Sagona sicut citra Sagonam constitutis, zit apparel...: Kern . Acta Imperii (1911) S. 229 Z. 30-33 Nr. 285 § 7.

251 ... zit apparel eliatn in locis pluribus ultra Sagonain situatis, per reges Francorunr, qui irnperatores non fiuerunt, ecclesiis parriunt illanu» diversis collatis, de quibus ipse ecclesie fuerunt per ipsos reges ftut- date. Quad elictrt ...; ebd. -33f.

25: Ebd. S. 2219f. §7a. E.

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Guten (ermordet 1127) wiederholt gar dreier Könige Mannen, nämlich auch eines englischen Königs. In Gestalt der Grafschaft Namen erwarben Gräfin und Graf von Flandern übrigens um 1263 noch ein weiteres Reichslehen, während das sogenannte

�Haus Flandern" im reichslehnbaren Hennegau noch bis 1280 regierte. Demgegen- über scheint kapetingisch-salischer Vasall Herzog Gozelo von Lothringen seit 1037

nur kurze Zeit gewesen zu sein, länger schon der Graf von der Champagne kapetin-

gisch-staufischer seit 1162; anderseits zwang die Champagne-Gräfin Blanche 1220

gar den oberlothringischen Herzog zur Lehnsauftragung von Neufchäteau an der

oberen Maas. Und Frankreichs König? In dessen Lehnsmannschaft ließ sich Oberloth-

ringens Herzog unter Philipp dem Kühnen, der 1285 starb, mittels Börsenlehn von 300 Pfund jährlicher Tumosen einbeziehen, und dieses Jahrgeld hat Philipp der Schö-

ne 1287 auf 500 Pfund jährlich erhöht: gut sieben Jahre vor deni Vertrag von Pontoise

mit Graf Heinrich dem VII. von Luxemburg. Ältestes Kammerlehn zu Paris trug unter den Lehnsfürsten des römisch-deutschen Reichs allerdings Herzog Heinrich der I. von Brabant, der den Anspruchstitel eines Herzogs von (Nieder-)Lothringen führte. Für ihn ist bereits seit einem Entschädi-

gungsjahrgeld von 1190 gegen die Aufgabe von Ansprüchen auf Boulogne eine Art Stufenfolge über ein Kammerlehn von 1205 zum schriftlich überlieferten Lehnseid für den kapetingischen König zu belegen. Anderseits war der Brabanter Herzog nach dem Worringer Sieg von 1288 Niederlothringens mächtigster Fürst, laut Intitulationes gar

�Markgraf des Heiligen Reichs", und doch auch 1304 gegen ein 2500-Pfund- Börsenlehen beim König von Frankreich nicht gefeit. Die Lehnsverhältnisse weiter südlich unterschieden sich grundsätzlich kaum von den resümierten; doch geben wei- tere Beispiele aus Burgund seit 1172173 mit Burglehen auf dem französischen Saöne- Ufer, anderseits aus dem Dauphine seit 1294 und aus dem Bistum Metz - eigentlich aus Paris - von 1296 mit �Geldrenten" von 500-2000 Pfund Turnosen-Pfennigen zu erkennen, daß nunmehr das Börsenlehen immer häufiger eingesetzt wurde. Daß dies gleichzeitig die Periode ist, in der die Vier-Ströme-Theorie - Rhone, Saone, Maas und Schelde als Grenzen - durch die Pertinenzhypothese gleichsam überwunden wurde, sei als mittelalterlicher Vorläufer der Vorstellung von der Streugrenze nur erwähnt. Es drängt sich die Frage auf, ob nicht auch an anderen Grenzen von Reichen und Lehnspyramiden vergleichbare Verhältnisse aufgetreten sind.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 151

B V) Doppelvasallität in Britannien

1234-41 verfügt Großgraf Gilbert Marshall über Güter in England, Wales, Irland und Schottland'". Gilberts Vater, der berühmte Wilhelm Marshall, Großgraf von Pembro- ke (1 1219), war übrigens vom landlosen Ritter nicht nur �zu einem der bedeutendsten Magnaten im Königreich" England aufgestiegen, sondern auch 1205 zum grenzüber- greifenden Doppelvasallen, als er �König Philipp dem II. Augustus von Frankreich ... für seine Ländereien in der Normandie huldigte"u°. 1328 machte Englands Regierung Friede mit Schottland, indem sie auf territorialen Gewinn und auf einen eigenen Kö- nigskandidaten verzichtete und Robert den I. Bruce (1306-1329 VI 7) als Schottenkö- nig anerkannte. Ausgerechnet dieses Friedensjahr gilt als Zeitpunkt, bis zu dem niemand grundsätzlich daran gehindert worden sei, als Landeigentümer in England auch Eigentum oder Besitz im Königreich Schottland zu erwerben und umgekehrt. Dies wird gar für alle Gesellschaftsschichten unterstellt, auch wenn die bedeutendsten und dauerhaftesten Konsequenzen für baronale und ritterliche Familien bestanden. Bei grenzübergreifender Doppelvasallität mochte der Loyalitätskonflikt zugunsten desjenigen Lehnsherren entschieden werden, in dessen Reich der Lehnsmann übli- cherweise Aufenthalt nahm oder seine Hauptresidenz unterhielt 6. Dieser Grundsatz gelangte auch zur Anwendung, wenn eine Kronlehnträgerin beider Könige (wieder) heiraten sollte: Sie brauchte lediglich die Erlaubnis desjenigen Kö- nigs einzuholen, in dessen Reich sie derzeit lebte und nun die Ehe einging. Unbestrit- ten scheint dieser Grundsatz allerdings nicht gegolten zu haben; mußte er doch 1286 von Schottlands Reichsverwesern ausdrücklich in einem Schreiben an Englands Ver- weser festgehalten werden; damals war der Schottenkönig tot und Englands König in der Gascogne'. Noch nicht unter dem Terminus

�Doppelvasallität" subsumieren läßt

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Robin Frame, Aristocracies and the Political Configuration of the British Isles (in: The British Isles, 1100-1500. Comparisons, contrasts and connections, hg. von R[obert] Rees] Davies, Edinburg 1988) S. I51. Michael Charles Prestwich in: Lex. des MA. 6 11(1992) Sp. 330 - wo über Gilbert Marshall nur vermerkt wird, daß er 1241 seinen Tod beim Turnier fand und wie alle seine Brüder keine Leibeserben hinterließ; vgl. Handbook of British Chronology, 3. Auflage hg. von E[dmund] B. Fryde, D. E. Grcenway, S. Porter und I. Roy (= Royal Historical Society. Guides and Handbooks 2, London 1956) S. 477. - Künftig: Hdb. 3. Storey, Chronology (1973) S. 406. - Hdb. (31986) S. 59. - W. M. 0r in rod, The Reign of Edward III (New Haven/London 1990) S. S. Geoffrey Barrow, Frontier and Settlement - which influenced which? England and Scotland, 1100-1300 (in: Medieval Frontier Societies, hg. v. Robert Bartfet t/ Angus MacKay, Ox- ford 1959) S. 12 ohne Belege, aber mit anschließenden Beispielen. Barrow, Frontier and Settlement (1989) S. 12f. mit Verweis auf Joseph Stevenson (Ed. ), Documents Illustrative of the History of Scotland 1286-1306, Bd. l(Edinburg 1870) S. 26f., hier S. 27 Nr XV von 1286 XI 1I aus Haddington: ... usitatwn sit inter regna memorata, quod nudieres Inaritan-

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sich, was im Gefolge der Normannischen Eroberung an Absetzungsbewegungen aus Nordengland nach Schottland übergriff. Gleichwohl hat Aufstieg im Exil zur schließ- lichen Doppelvasallität eines Hauses wie desjenigen der Grafen von Dunbar geführt. Die namengebende Befestigung an der Nordsee östlich von Edinburg war anschei- nend erst zum Mittelpunkt einer Grafschaft geworden", als ein solcher Exulant hier durch den Schottenkönig Malcolm den III. Großkopf mit umfangreichen Ländereien

ausgestattet worden war. Gestützt wurde auf diese Weise jener Graf Gospatric von Nordhumbrien (1068-72), der nach Beteiligung an Erhebungen gegen König Wilhelm den Eroberer 1072 endgültig sein Amt in Nordengland verlor und nach flandrischem Exil schließlich in Schottland Fuß faßte; stammte er doch nur mütterlicherseits von angelsächsischen Grafen ab, während er väterlicherseits auf den Schottenkönig Dun-

can I. (1034-40) zurückging. Von den fünf seiner Nachkommen und Nachfolger, die von 1152/82-1368 den Namen Patricius von Dunbar trugen und nach 1290 ge- wöhnlich �Grafen der Mark" hießen', ist nicht nur ihr umfangreicher Landbesitz in Schottland bekannt. Vielmehr verfügten sie auch über Güter im Norden von Nor- thumberland, und zwar angeblich auf der Grundlage einer Landleiheform, die noch vor allgemeiner Anerkennung des Lehnswesens ausgebildet worden war261. Seit 1233, also seit Patricius 11. (t 1248), ist sogar regelmäßig die Investitur mit �englischen Ländereien" bezeugt26t. Als es 1296 zum englisch-schottischen Krieg kam, hat Patri- cius IV. (1241/42-1308) für seine Person dem Schottenkönig Johann Balliol (1292- 1296 VII 10, t 1313) aufgesagt und sich Englands König Eduard I. angeschlossen. Seine Ehefrau jedoch hielt Burg Dunbar namens des Schottenkönigs gegen die engli- sche Invasionsarmee73. Ein weiteres Mal sollte dies noch 1338 einer Gräfin gelingen: der Schwarzen Agnes, Ehefrau von Patricius V. (um 1283-1368)=63. Dem Großgrafen Roger de Quincy (t 1264)'65 wird nachgesagt, er brauchte sich im Falle einer Reise von Perthshire bis zum englischen Kanal kaum mehr als 45 oder 65 km von eigenem Landbesitz zu entfernen, allerdings mit Ausnahme eines Reiseab- schnitts von rund 160 km ausgerechnet in Nordengland! Gleichwohl ist seine Titula- tur in der modernen Forschung sprechend genug: �Graf von Winchester und Konne-

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doe, lrabenles terms el lenementa in utroque regno. maritare se valeanl de consensu principis el regis in regno, in quo euislant el inveniantur tempore. quo suns maritatdae ... Geoffrey W. S. Barro %v /Donald A. BuIIoug It in: Lex. des MA. 3 Vll(1985) Sp. 1452f. - Barrow, Scotland and its Neighbours in the Middle Ages (London/Rio Grande 1992) S. 60f. Nicholas P. Brooks in: Lex. des MA311(1984) Sp. 302. - Hdb. (31986) S. 56.

�Earls of March"; Hdb. ('1986) S. 506f. und 514. Barrow, Frontier and Settlement (1989) S. 13 mit A. 33 unter Verweis auf William Percy HedIey, Northumberland Families I(Newcastle upon Tyne 1968) S. 238.

�Livery of English lands"; Hdb. (31986) S. 506f., auch zum Folgenden zu vergleichen. Barrow, Frontier and Settlement (19S9) S. 13 mit A32 unter Vcrwcis auf James Balfour PauI (fig. ), The Scotts Peerage 3(Edinburg 1906) S .

262f. Barrow/BuIIough (1985)Sp. 1453. -fidb. (31986)S. 507. - N icItoIson, Later Middle Ages (1974) S. 137. Hdb. (' 1986) S. 487.

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Reichsgrenzen und Vasallitätert 153

tabel von Schottland". Ebenfalls während des 13. Jahrhunderts grenzübergreifend belehnt waren die Familien Bruce, Balliol und Comyn sowie die jeweiligen Großgra- fen von Huntingdon'. Daß das schottische Standbein in Huntingdonshire und Cam- bridgeshire auf einen weiblich vermittelten Erbfall ans schottische Königshaus zugun- sten des späteren Königs David I. (1124-53) zurückging und schon seit 1113/14 faß- bar ist2", läßt die lange Tradition solcher Bindungen, aber auch ihre erbrechtliche Begründbarkeit erkennen. Allgemein wird man für die Zeit vor 1296 feststellen kön-

nen, daß trotz dem Auslaufen der anglo-normannischen Schottlandkolonisation des 12. Jahrhunderts grenzübergreifende Besitzverhältnisse laufend erneuert und ausge- weitet wurden, und zwar durch Übertragungen in beide Richtungen269. In der praktischen Politik scheint sich beispielsweise Englands König Heinrich III. 1255 ganz selbstverständlich auf solche Doppelvasallen gestützt zu haben, als er in die Zusammensetzung des Kronrats für den noch minderjährigen Schottenkönig Alexander II. eingriff: Die bisherige Gruppe unter Führung von Walter Comyn, dem Grafen von Menteith (1233/34-1258), ersetzte er durch einen neuen Rat unter Leitung des Großgrafen Patricius von Dunbar. Da die personelle Zusammensetzung beider Ratskollegien bekannt ist, läßt sich in beiden die Zusammensetzung aus großen Dop-

pelvasallen feststellen: Der Neue Rat von 1255 gilt als mindestens ebenso anglo- schottisch wie der alte`. Entsprechend weiß man, daß aus dem neuen Rat beispiels-

weise bereits Großgraf Patricius III. von Dunbar (1248-89), Graf Malise von Strathearn (1244-71) und Robert Bruce eben Englands König Heinrich dem 111. ge- huldigt hatten: Patricius III. spätestens 1248272. Als König Eduard I. 1294 einen Zug in die Gascogne vorbereitete, begnügte er sich nicht mit der Aufforderung an den Schottenkönig Johann Balliol, �seinen Dienst" nach London zu schicken, um dann

mit auf den Kontinent zu ziehen, sondern richtete militärische Aufgebotsschreiben

auch an Robert Bruce als Herrn von Annandale, an Johann Comyn als Grafen von Buchan zusammen mit anderen sowie an Patricius IV. von Dunbar als Grafen der Mark und 16 weitere Herren273. Daß solch grenzübergreifende Doppelvasallitäten

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Zto Mt

rn2

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Grant G. Simpson, The Familia of Roger de Quincy, Earl of Winchester and Constable of Scotland (in: Essays on the Nobility of Medieval Scotland, hg. von Keith John Stringer, Edin- burg 1985) 5.103. Ebd. S. 104. Hdb. (31986) S. 57,453 und 466 mit A. 2. Frame. Aristocracies (1988) 5.150. unter Verweis auf Keith John Stringer, Earl David of Huntingdon, 1152-1219. A study in Anglo-Scottish history (Edinburg 1985). Frame, Aristocracies (I9SS) 5.150. - Hdb. (31986) S. 514f. Nr. 4/1. Frame, Aristocracies (I9SS) S. 150f. mit Vereis auf Edward] L. G. Stones (Ed. ), Anglo- Scottish Relations, 1171-1328 (= [Nelson's] Medieval Texts, Edinburg und London 1965) Nr. 10 S. 31f. = erg: muer Neudruck (= Oxford Medieval Texts, 1970) S. 62ff. von 1255 IX 20 aus Sprouston. Frame, Aristocracies (I9SS) S. 151. - Hdb. (31986) S. 506 und 521. - Zum Folgenden vgl. oben nach A. 70. Thomas Duffus Hardy. Syllabus in English of the Documents Relating to England and Other Kingdoms Contained in the Collection Known as �Rymer's Foedera" 1(London 1869) S. l 15 zu 1294 V129.

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ausgerechnet nach einem Friedensschluß wie dem ersten Vertrag zu Edinburg von 1328 ungewöhnlich wurden, läßt sich mit der damaligen Anerkennung von Schott-

lands Unabhängigkeit, also mit dem Verzicht auf englische Oberlehnsherrlichkeit2" im Unterschied zur konzeptionellen, aber politisch von Schottland aus möglichst zurückgedrängten Existenz eines einheitlich englisch-schottischen Lehnsverbands

erklären: Seit sich der Schottenkönig Malcolm III. Großkopf 1072 zu Abernethy un- weit der Südküste der Tay-Förde, also mitten im eigenen Reich, zur Lehnsnahme von König Wilhelm 1., dem Eroberer, bequemt hatte='s, war die Lehnsabhängigkeit eines Schottenkönigs immer wieder demonstrativ eingeschärft worden. Bei der Mitkönigs-

weihe von Heinrichs II. projektiertem Thronfolger Jungheinrich zum rex Anglorum ei dux Nor, nannorum ei conies Andegaronmr wurden 1170'76 der Schottenkönig Wil- helm der Löwe und sein Bruder David an der Spitze von Englands Großgrafen, Baro-

nen und Freisassen Lehnsleute des Neugeweihten-m, übrigens mit Treuvorbehalt

zugunsten Heinrichs H. selbst-76. Es spricht für sich, daß Wilhelms des Löwen Sohn

und Nachfolger in Schottland Alexander H. zu den verläßlichsten Verbündeten der

Aufständischen gegen König Johann Ohneland zählte und entsprechend laut Magna Carta 59 von 1215 auch wie einer von des Königs Baronen in England behandelt

werden sollte. Daß 1294 König Eduard I. erwartete, daß der Schottenkönig Johann Balliol

�seinen Dienst entsenden" werde, um von London aus mit in die Gascogne zu

ziehen, war bereits mitgeteilt worden='". Gleichwohl scheint es selten gewesen zu sein, daß Englands Könige zugunsten von

�Doppelvasallen" direkt in die schottische Lehnspyramide eingriffen. So hat König Eduard I. eben nur während seiner direkten Schottland-Regierung 1306 die südwest- schottische Grafschaft Carrick, einst Teil der Herrschaft Galloway ý'0, an jenen Hein- rich Percy (t 1352) ausgegeben'', der in Englands nördlichen Grenzgrafschaften begütert, seit spätestens 1297 durch den König mit militärischen Aufgaben in Schott- land betraut gewesen war und nunmehr ein besonderes Kommando in Nordwest-

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281

VgI. Gordon Dona1dsonI Robert S. Morpcth, A Dictionary of Scottish History (Edinburg 1977) S. 68 Sp. 2 und S. 164 Sp. 2 mit Alexander Grant. Vertrag von Edinburgh (in: Lex. des MA. 3,1986) Sp. 1576. - Or m rod . Reign of Edward Ill (1990)Sä. Jrsc It kc Anglonormannen (1981) 5.98.226 A. 52 und S. '_33. Hdb. (' 1986) S. 36. In crastino autent huius eonseerationis feel: res Willelmum. regent Scoriae. et David. Iratrein swan, et omnes cotnites et barones et francos tenentes regni sui devenire l: omines not"i regis, flu sui. et jecit cos super sanctontm relliquias iurare illl ligantias et ftdelitates contra ortutes hwnines, salra ftdelitate sua; Gesta regis Henrici Secundi zu 1170 (ed. von William Stubbs in: Rolls Series 14911,1867) S. 6 [mit anderer Interpunktion). Kienast. Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 2 10. Nos (= Johann Ohneland) jaciemus Alexandro. regi Scononun.... secwuhun forma::. in qua facietnus aliis baronibus nostrisAnglie...; J(ames) C(larl. e) Ho1t. Magna Carta (Cambridge 1965) S. 332 - vgl. ebd. S. 193f. und 258. - Oben vor A. 273 und II ardy. Syllabus 1(1869) S. 115: ,.... requires John King of Scotland to send his service -- DonaIdsonorpet It . Dictionary (1977) S. 36 Sp. 2 und S. 8 I Sp. 1. Hdb. ('1986) S. 504.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 155

England und Galloway gegen aufständische schottische Große einzurichten hatte"'. Nach 1328 wird so etwas selten, namentlich auch von schottischer Seite. 1332/33

wurde jener Johann von Warenne (t 1347) zum Grafen von Strathearn - westsüd- westlich von Perth und ungefähr erstreckungsgleich mit dem Bistum Dunblane283, also diesmal in Schottlands Zentrum - erhoben, der bereits seit 1306 Graf von Surrey

war's''; bestellt hat ihn allerdings sein Vetter Eduard Balliol, der als Rivale des Schot-

tenkönigs David 11. (1329-71) sich nur mit Unterstützung aus England kurzzeitig halten konnte und dabei Eduards 111. Oberlehnsherrschaft formell anerkannte285. Ent-

sprechend umstritten blieb Warennes Position, und es verwundert fast, daß erst 1344

ein quasi-Nachfolger für ihn in Strathearn durch König David II. bestellt wurde286. 1359 ist durch eben diesen König zum Grafen von Moray in Nordostschottland jener Heinrich von Grosmont (t 1361) erhoben worden, der bereits in England reich ausge- stattet war. Seit 1337 schon Graf von Derby, hatte er 1345 von seinem Vater die Graf-

schaften Leicester und Lancaster geerbt und erlangte für dieses 1351 gar die Her-

zogswürde, nachdem er 1349 auch die Grafschaft Lincoln in die Hand bekommen

hatte. Seit 1345 auch Oberster Senescha11287 gemäß der Erblichkeit dieser Würde im

Hause Leicester schon seit dem 12. Jahrhundert288, gehörte er zu den engsten Beratern

und aktiven Mitarbeitern König Eduards III. und sollte wohl als solcher durch König David II. gewonnen werden. Grosmont hat seinen schottischen Titel nie geführt289 und auch in Schottlands Geschichte nie eine Rolle gespie1t290. Doch paßt zur oben vorge- tragenen Hypothese für das Motiv zu Grosmonts und Davids II. schottischer Würde die Tatsache, daß andere Grafen von Moray erst wieder nach Grosmonts Tod belegt

sind. Ob dieser noch mit Grosmonts Schwiegersohn Johann von Gent gerechnet hatte'? Der Widerruf des Ersten Edinburger Vertrags als Akt von König Eduards III.

selbständiger Regierung 1332 wider den Schandfrieden292 mochte für so manche Doppelvasallitäten noch die ehemalige Rechtsgrundlage suggerieren. Während im französisch-deutschen Bereich Doppelvasallitäten anhielten, ebbten sie beiderseits der englisch-schottischen Grenze infolge der Auseinandersetzungen von 1296-1328 und darüber hinaus sichtlich ab. Letztlich reichte �Doppelbesitz" hier gar

=s- Powicke, 13° Century (1962) S. 684ff. und 715. 210 Vgl. DanaIdsonIht orpeth, Dictionary (1977) S. 210 Sp. 2 mit S. 62 Sp. 2. zsr Hdb. (31956) S. 521 bzw. 484. -1\ew Encyclopxdia Britannica 11(1988) S. 413 Sp. 2, auch zum Folgen-

den zu vgl. : a5 Hdb. (31956) S. 59. - Robin LStorcy in: Lex. des MA. 1(1980) Sp. 1388. 2S6 Vgl. Hdb. (31986) S. 521 mit Donaldson/Morpeth, Dictionary (1977) S. 210 Sp. 2. =7 Hdb. (31956) S. 516 bzw. 45S, 468 und 470. - Michael Jones, Heinrich von Grosmont (in: Lex. des

MA. 4.1989) Sp. 2071. 2ý-s Haberkcr n/ 1V a11ach. Hilfswörterbuch (31964) S. 401 Sp. 1. =b9 Hdb. (31986) S. 516. -Ianes. Heinrich von Grosmont (1989). ew Er fehlt im Register bei Nicho1son, Later Middle Ages (1974) - und auch bei Dona 1d-

so n/ Morpeth. Dictionary (1977), z. B. S. 155 s. v. �Earldom of Moray". 291 Vgl. Hdb. (31986) 5316 mit ebd. 5.468 und Jones, Heinrich von Grosmont (1989). 292 Grant , Vcnrag von Edinburgh (1986) Sp. 1577.

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156 Kurz-Ulrich Jäschke

in die �vorfeudale" Zeit wohl des 10. Jahrhunderts zurück, als schottischen Königen für ihre Reisen schon an den angelsächsischen Königshof Güter in England zugewie- sen worden sein dürften. Daran knüpfte königlich-schottische Verfügung über Eng- lands Zentralgrafschaft Huntingdon an, während für das 13. Jahrhundert die Namen der Familien Bruce, Balliol, Comyn, Dunbar, Marshall und Quincy einschlägig sind. Daß ausgerechnet mit dem Ersten Edinburger Vertrag von 1328, in dem Englands Regierung Schottlands Selbständigkeit anerkannte, Besitzverhältnisse beiderseits der Grenze auf höchster Ebene aufhörten, möchte ich auf die seither immer intensivere Zurückweisung des englischen Oberlehnsherrschaftsanspruchs durch die Schotten

zurückführen. Nunmehr ließ sich ein Schottenkönig nicht mehr - wie noch bei einer angevinischen Mitkönigserhebung 1170 und in der Magna Carta von 1215 geschehen - als einer von Englands Baronen behandeln. Grenzübergreifenden Vasallitäten hat man - je nach politischen Bedingungen und Intentionen - einen Riegel vorzuschieben versucht und Einschränkungen zu machen gewußt, so daß sich die Grundsatzfrage nach der Mehrfachvasallität erhebt.

C)AIeGrfaclnasallitüt im Reiclrsinnern

Sie gilt als erstmals 895 belegt=". Damals führten Propst und Vogt von St. Martin zu Tours Klage

�beim Grafen von Le Mans über einen von dessen Vasallen" namens

Patericus. Der Graf begründete seine Weigerung, die Klage entgegenzunehmen, da-

mit, daß Patericus nicht nur s ei n Vasall sei, obwohl dieser etwas von seinem Lehngut innehabe, sondern auch und eher Vasall seines Freundes Robert; denn von diesem besitze jener Patericus

�ein größeres Beneficium"". An die Besprechung

293

294

Marc B1och, La SociA6 Feudale I(= L'fvolution dc l'humanitf 34 1, Paris 1949) S. 326. - Ders., Feudal Society. Translated by L. A. Manyon 1(1961) S. 211 mit A. 2. - Marc Bloch, Die Feudalgesellschaft. Übersetzt von Eberhard Bohm in Zusammenarbeit mit anderen (6) (Frankfurt a. M. 1982) S. 258. -Ganshof/Groh (61983) S. 51 und 108, hier identisch mit (11961). - Die zugrundeliegende Notiz wird vom Editor zu 89Q gezogen; Bartholomeus 11 aureau (Ed. ), Gallia Christiana 14. Instrumenta (Paris 1856) Sp. 53B. - In der Narratio wird ein 24. April als Montag einge- führt; das traf damals nur 887 und 898 zu, also gar nicht während der Königszeit jenes Odo, der am 13. Juni doch wohl desselben Jahrs in Tours anwesend gewesen sein soll; ebd. Sp. 53CD. Die Schlulklatic- rung stulscripsi in eivitale Turonus. arrto /V regnante donuto OJone rege, idibus lwtii (ebd. Sp. 53E) führt auf 891 und ebenfalls VI 13; doch konnte der König dann schon VI 16 in Vcrbcrie (Ar. Scnlis) sein? Vgl. D. Odos 25 und ebd. (1967) S. CLV. - �Ansonsten" in Tours belegt ist König Odo im Som- mer 893 sowie 895 VII (! ] 14; ebd. S. CLVI. " Anscheinend nicht behandelt ist jener Vorgang von 895 bei Walther Kicnast. Die fränkische Vasallität. Von den Hausmcicrn bis zu Ludwig dem Kind und Karl dem Einfältigen, hg. von Peter li erdc= Frankfurter wissenschaftliche llciträge. Kul- turwissenschaftliche Reihe IS (Frankfurt a.. MI. 1990). So übersetzen Gans hof/G roh (1961) S. 52 die Stelle bei 11 aureau, Gallia Christiana 14, Instrumenta (1856) Sp33C Nr. 37:... Beringerius comes respondir. quoll not esst! sous snlrunnuxlrr

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 157

dieses Belegs wird von der Forschung die Folgerung angeschlossen, �zu dieser Zeit

(sei) zumindest in Westfranken die Doppelvasallität fast überall zugelassen" gewesen, und zwar entgegen dem ursprünglichen Charakter der Lehns(bindung)"295. Für Deutschland wird unterstellt, daß hier zu Beginn des 11. Jahrhunderts Mehrfachvasal- lität noch nicht üblich gewesen sei-96. Als Beleg gilt der Brief eines Tegernseer Mönchs an einen Grafen aus seiner Verwandtschaft, um einem von dessen Vasallen

ein Lehen zu verschaffen - habe sich doch der Vasall beklagt, bislang �noch kein

Beneficium erhalten zu habeni-" .

Zwar ist dies keineswegs ein Beleg für die Unüb- lichkeit von Mehrfachvasallität, sondern eher für einen Vasallen der Hausgefolg-

schaft, der noch nicht abgeschichtet worden war: einen vassus non casatus298; aber Baiern scheint besonders im Blick zu sein. Entsprechend wird denn auch auf einen baierischen Dichter des 11. Jahrhunderts verwiesen, dem Mehrfachvasallität als durchaus üblich gelte. Gemeint ist jener mittellateinische Ruodlieb-Roman29, der in die MitteO3 oder die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts datiert301 und mit Wahr-

scheinlichkeit ins bairische Kloster Tegernsee lokalisiert wird302 Die Details laden allerdings zur Überprüfung ein: Aus den zitierten Ruodlieb-Versen

geht lediglich hervor, daß der Held sich in den Dienst vieler reicher Herren begeben haben soll, immer öfter deren Willen erfüllt habe und doch nichts von den �Ehren", die er nach seiner Überzeugung verdiente, sich habe verdienen können303. Daraufhin habe der ahnenreiche Mann seinen Besitz der Mutter unterstellt, das Vaterland verlas- sen und auswärtige Königreiche aufgesuche", uni als �fahrender Ritter" mehr Erfolg

zu haben3° . Das erweckt den Eindruck, als sei mit der eigentlich gebührenden Ehre

ein Lehen gemeint, und dieses habe er vergeblich zu erlangen gesucht. Geschildert

193 1%

247 245 2w

300

301

302

303

304

3tt5

ti"asallus. quamvis exsuo beneficio aliquid haberet, sed patios vasallus Rotberti, amici sui, quia plus ab ipso beneficiwn tenebat. Ganshof/Groh (1961)S. 52. Gansho f/ Groh (1961) S. IOS mit Verweis auf S. l0l und Tegernseer Briefsammlung 72 S. 80 (Strecker 1925). So die Übersetzung bei Gans hof /Groh (1961) S. 101 von se adlwc carere beneficio. Ebd. S. 85.10ff. u. 107. Bloch , SocitEte F&xlale l(1949) S. 326 =B1och /Many on1 (1961) S. 211 mit A. 1 auf S. 212 nach der Edition von F. Sc icr1 (1882) Teil I Vers 3. Karl Langosch. Waltharius, Rundlich. Märchenepen (Darmstadt 1956) S. 369. - Franz BrunhöIzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 2(München 1992) S. 467. Dieter Kartschokc, Geschichte der deutschen Literatur im frühen Mittelalter (= dtv. 4551, 'München 1990) S. 232. - Paul KIopsch, Ruodlieb (in: Die deutsche Literatur des MA. Verfas- serlexikon S 11. -'1991) Sp396. Kartschoke (1990)S. 232. - K1opsch, Ruodlieb(1991)Sp. 395und 396. - Brun- hö1zl2(1992)S. 467. Qui dominos plures Izabuisse dater locupletes. /Saepius ad libitum quibus is famulans et hononun /Nil deservisse poruit. putar ut meruisse; Ruodlieb 13ff., bei Langosch, Waltharius (1956) S. 86 mit desenrisse. Rebus dispasitis eunctis n atrique subactis, /Tandem de patria pergens petit extera regna; Ruodlieb I 16f. S. 86 (Langosch).

, tliles peregrinus z. B. 1149 S. 96 (L angosc It ).

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158 Kurt-Ulrich Jlischke

wird demnach eher die Lage desjenigen, der zu seinem schmalen Allod, über das er

schließlich zugunsten seiner Mutter verfügt, noch Lehen dazuenverben möchte, und dabei bleibt er trotz Dienst bei vielen Herren im Vaterland erfolglos: Eine Belehnung findet gerade nicht statt! Der Unterschied von �Dienst bei vie1en Herren" und

�nicht einmal einer Belehnung" könnte dabei durch die moderne Nachdichtung

überbetont worden sein"'. Daß selbst bei Ablegen eines mehrgliedrigen Treueids das Lehen nicht selbstver-

ständlich folgen, sondern besser erst durch Rat und Hilfe verdient werden sollte, hat beispielsweise 1020/21 Bischof Fulbert von Chartres dein aquitanischen Herzog Wil-

helm V. geraten307. Das war immerhin der Rat eines hochangesehenen Verwaltungs-, Schul- und Kirchenmannes, der - anscheinend um 960 in Italien geboren - seinen Weg

aus kleinen Verhältnissen bis auf den Bischofsstuhl von Chartres gemacht hatte30' und nunmehr selber über viele Vasallen gebot. Ohnehin bleibt offen, ob sich der Diensteif-

rige, der im Ruodlied geschildert wird, nacheinander mehreren Herren zu-

wandte oder ob er es gleichzeitig mehreren hatte recht machen wollen. Man

wird somit die Frage stellen dürfen, ob - so wie in Frankreich seit dein 10. Jahrhun-

dert - in Deutschland schon im Laufe des 11. Jahrhunderts Mehrfachvasallität als unanstößig durchgesetzt wurde'. Immerhin gelten als die Jahrhunderte mit den in-

struktivsten Beispielen das 12310 und das 13.311- wiewohl hier mit �den letzten Jahren des 13. Jahrhunderts" sehr wahrscheinlich das Ende des 12. gemeint ist. Das wird jedenfalls durch die Beispiele nahegelegt: Ausgerechnet wiederum nach Baiern, wenn auch nun ins 12. Jahrhundert, führt der Hinweis auf Graf Siboto IV. von Neuburg-Falkenstein. Er soll nach Ausweis des Verzeichnisses seiner Passivlehen312

306 ,... doch konnt' er von den Ehren. / die - meint' er - nach Verdienst ihm frommen, nicht einmal eine nur bekommen"; Langosch. Waltharius (1956) S. 87 für 1 4f. - Ähnlich sechs Verse später ., Stets wandte treulos sich das Glück: sie schenkten ihm kein einzig Stück. / Sie gaben immer große Verspre- chen, doch wußten sie sie stets zu brechen", und zwar auf der Grundlage von 1 11 f.: Nil Bibi fortuna prohibente dabant male fida. /Semper promiuunr promissaquc dissinrulabanr ebd. S. 86.

307 Frederick Behrends (Ed. u. Übers. ). The Letters and Poems of Fulbert of Chartres (= Oxford Medieval Texts, 1976) S. 90ff. Nr. 51.

308 Vgl. Ulrike M6rschcI in: Lex. des MA. 4 V(1988) Sp. 1004f. - wo übrigens die zweisprachige Edition von Bchrends (1976) nicht zitiert ist. - Für Ep. 51 ist der Text in: MPL. 141(1853) Sp. 229f. unter NrSB unbrauchbar. weil hier Sp 230 Z. l sacramrnuuu statt casamennun gelesen wird.

309 Diesen Eindruck erwecken Gansho f/ Groh (1961) S. 107f. 310 Ebd. S. 108 mit Verweis auf einen Grafen Siboto in Baiern. -

= 311 BIocli. Societe Ffodal 1(199) S. 326 =B Ioch/NI anyon 1(1961) S. 212 Bloc h/Bohm (19S2)S258.

312 Elisabeth NoichI (Ed. ). Codex Falkcnsteinensis. Die Rechtsaufzeichnungen der Grafen von Falkenstein (= Quellen u. Erörterungen zur bayerischen Geschichte, NF. 29.1978) S. 4-7 Nr. 2 - nicht berücksichtigt bei seiner knappen Ubersicht über Lehnbücher "vor dem Jahre 1300" durch Walter Pictseh, Die Entwicklung des Territoriums der Herren von Eppstein im 12. und 13. Jahrhundert (in: Hcss)bLdG 12.1962) S. 16. - . Burg Falkenstein (lag) bei Flintsbach am Inn". 15 km südlich von Rosenheim; Noich1S. 211 Sp 2.

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Reichsgrenzen und Vasallitäten 159

im Codex Falkensteinensis, das als ältestes seiner Art auf deutschem Boden gilt313,

�gegen 1180" entweder 19314 oder 20 verschiedene Herren gehabt haben315. Der wahr-

scheinlich 1166 angelegte Codex Falkensteinensis wurde zur Zeit Graf Sibotos IV.

(* 1126,1 um 1200) noch bis 1196 geführt316. Jenes Lehnsverzeichnis allerdings wird dem Grundstock, der von erster Hand

�in einem Zug geschrieben" worden ist, zuge- rechnet, und entsprechend ebenfalls bereits ins Jahr 1166 und gar in dessen Sommer datiert3n. Schaut man genauer hin, so entpuppen sich �die

letzten 3 Zeilen" als etwas späterer Nachtrag von zweiter Hand, und zwar für die beiden ersten Worte auf roter Zeilen- füllung von Hand 1318. Der Nachtrag ist syntaktisch selbständig und bringt auch in-

haltlich etwas Neues, nämlich Lehen vom bairischen Pfalzgrafen Friedrich319. Es

waren somit - wenn auch aus anderen Gründen, als von der Forschung dargetan32° - zunächst 19 Lehnsherren, die in einem Zuge erfaßt worden waren - und doch braucht

auf die runde Zahl 20 nicht verzichtet zu werden: Zwar suggeriert ein überschauendes Resümee, in dem korrekt

�drei Herzöge, zwei Pfalzgrafen, zwei Markgrafen, sieben

Grafen sowie ein Erzbischof, vier Bischöfe und ein Abt" aufgezählt werden321, syste-

matischen Aufbau; hier wäre ein angehängtes Pfalzgrafenlehen tatsächlich system- widrig und dann wohl auch faktisch später anzusetzen. Aber der Blick in den Text

selbst - bereits provoziert durch die verblüffende Spitzenstellung der vier weltlichen Ränge vor drei geistlichen - belehrt über den andersartigen Charakter dieser summa

predionan aique beneficionun ... a diversis dominis. Denn trotz Stellung am Anfang

der Vermögensübersicht (adnotatio)3=`' scheint in jener mit einer gewissen Hast und

unter Zeitdruck an die Spitze gestellt worden zu sein, was besitzmäßig besonders

wichtig dünkte - konnte es doch beim Mannfall gegebenenfalls mehreren oder gar unmündigen Erben allzuleicht streitig gemacht werden3'ý. Nach der Aufzählung in

313 Lutz Fenske1 Ulrich Schwarz, Das Lehnsverzeichnis Graf Heinrichs I. von Regenstein 1212211227 (= Veröff. des Max-Planck-Instituts für Geschichte 94, Göttingen 1990) S. 17.

314 So nachdrücklich Walther Kienast, Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 83 A. 2 gegen bis dahin genannte 20. Er identifiziert den unten unter 4) aufgelisteten palatinus comes Otto scilicet junior mit dem am Schluß stehenden palatinus comes Fridericus; Noich1, Cod. Falk. (1978) S. 6 [Z. 22] bzw. S. 7 [7-201 in Nr. 2.

315 Ganshof1Groh (1961) S. 108 ohne Beleg - bei B1och, Soci6t6 F6odal 1(1949) S. 326 = Bloch1NIanyon (1961)5212= Bloch/B ohm (1982) S. 258 wird dieses Beispiel versehentlich ans Ende des 13. Jahrhunderts gezogen.

316 Vgl. Pankraz Fried in: Lex. des NIA2(1983) Sp. 2204 und Franz-Rasso Böck, ebd. 4 11(1987) Sp. 241 mit Noich1, Cod. Falk. (1978) S. 42*f.

317 NoichI, Cod. Falk. (1978) S. 40*f. und S. 4 zu Nr. 2. 318 Ebd. S. 70* und S. 4 [Zitatl sowie S. 7 N. g und h zu Nr. 2. 319 A palatino contite Friderico habet benefichan ...; Noich1, Cod. Falk. (1978) S. 7, dazu ebd. S. 193

SP .2 [Register]. 320 Vgl. Kicnast, Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 83 A. 2 und dazu oben A. 314. 321 Ebd. S. 70* A. 4. 32-' So die entsprechend aufeinanderfolgenden Titelwörter ebd. S. 5 Nr. 2 und dazu ebd. S. 70*. 323 Nach drei Ortsnamen: et alia ad hec pertinentia, que non posstutl describi, propter urgentent catrsam

earnque. quia. si ministeriales ducis Orientalis provincie venerint et inbeneficiati ftterint, de eo [wohl =

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160 Kurt-Ulrich Jäschke

dem Verzeichnis selbst sind es die folgenden Herren, von denen der Falkensteiner Lehen innehat: 1) der Bischof von Passau - mehr als 400 Mansen 2) die Söhne des Grafen Gebhard I. von Burghausen (1 1163 XI14) - dito"' 3) Graf Gebhard III. von Sulzbach - rund 400 Mansen 4) der bairische Pfalzgraf Otto VI., der Jüngere - 100 Mansen'=" 5) der Bischof von Trient - fast 400 Mansen 6) Markgraf Engelbert III. von Kraiburg (i 1173 X 6) - fast 300 Mansen76 7) der Graf von Reichenhall/Wasserburg - 250 Mansen 8) Herzog Welf - 200 Mansen 9) der Graf von Schallaburg - zwei Orte und mehr 10) Graf Konrad von Peilstein - vier Afterlehen 11) der Herzog von Baiern - Grafschaft Leukental 12) die Herzöge von Österreich - Gerechtsame 13) der Markgraf von der Steiermark - zwei Orte 14) der [Erz-]Bischof von Salzburg - drei Vogteien 15) der Bischof von Regensburg - ein Afterlehen und mehr 16) der Abt von Tegernsee - zwei Höfe, eine Mühle und viele Leute 17) Graf Rapoto von Ortenburg - Wein aus dem Brixental u. a. 18) der Bischof von Freising - Vogtei über Petersberg, früher Madron, am Inn 19) Graf Berthold V. von Andechs - ein Afterlehen. Darauf folgt eine zusammenfassende Schlußformel und erst hiernach 20) Pfalzgraf Friedrich - 20 Mansen. Gemeint ist Ottos V., des Älteren (1 1183 als Baiemherzog), und Ottos VI., des Jün- geren (t 1189), Bruder Friedrich II., der 1198/99 als Laienbruder im Kloster Inders- dorf starb''-'. Ob die 20 Mansen von Nr. 20 bei der Erstaufnahme vergessen oder ob sie erst später erlangt wurden, läßt diese Anordnung offen, und auch auf der Grundlage des zugehörigen Namenmaterials im Codex Falkensteinensis läßt sich dies nicht ent- scheiden. Diese Lehnsherrenliste hätte mehrfache Lehnniederung bedeuten können, ebenso jene

eines Rheingrafen: Möglicherweise 1171 nutzte Rheingraf Embricho 11. den bevorste- henden Aufbruch Erzbischof Christians von Mainz nach Italien für eine Abmachung

beneficio] Hallo inodo frlii sui possunt eis eripere. er sic perderur, Noich, I. Cod. Falk. (1978) S. 6. mit ihrer Interpunktion. - Causam eamquc, quia kann allerdings ccrwirren; ich schlage vor cau sam eamquc quia. si. um zu verstehen �wegen einer dringenden Ursache, und zwar der folgenden: Wenn

.1 324 Noich1. Cod. Fall". (1978) S. 6 Nr. 2 und dazu S. 41". 325 Ebd. S. 6 Nr. 2 und dazu 5.193 Sp 2 IRegisterJ. 326 Ebd. S. 6 Nr. 2 und dazu S. 41 *. 327 Huben G1aser (Hg. ). Vittclsbach und Baycrn I I(Alünchen2ürich 1980). Genealogische Tafcl

[1J a. E.

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Reiclisgrenzen und Vasallitäten 161

zugunsten seines Neffen Wolfram von Rheingrafenstein, auch �vom Stein" ge-

nannt3=8: Dieser sollte im Falle des lehnserbenlosen Tods von Embricho II. dessen Lehnserbe werden, und Erzbischof Christian war damit einverstanden3Z9. Embricho II., dessen Todesjahr nicht bekannt ist und der 1158 noch als unmündig gegolten hatte, erwirkte dann spätestens bis 1196 - in diesem Jahr ist Wolfram unmißverständ- lich als alleiniger Rheingraf erwähnt330 - noch sieben vergleichbare Lehnserbverträge,

nämlich mit den Grafen von Veldenz, von Looz, von Nassau, von Katzenelnbogen,

von Nürings und von Tecklenburg sowie mit dem Wildgrafen331: insgesamt also min- destens acht Lehnsherren, von denen strenggenommen sieben ranggleich waren! Üb-

rigens liegt nahe, Embrichos II. Initiative bei seinem Mainzer Lehnsherrn und bei den

sieben weiteren zeitlich möglichst nahe zusammenzurücken, zumal in der Notiz über das Erbeinverständnis der Grafen von Nürings von derselben Italienfahrt wie bei Christian von Mainz die Rede ist332. Die Grafen von Nürings gelten nämlich als �nach 1170 erloschen"333, weil 1171 [! ] letztmals lebend erwähnt334. Ausgestorben sollen sie vor335 oder um 1180 sein336; daß in Barbarossas rheinfränkischer Landfriedenserneue-

rung vom 18. Februar 1179 eine Grafschaft nach einem längst verstorbenen Grafen Berthold von Nürings benannt ist337, dürfte - auch wenn hier ein Text aus dessen Leb-

zeiten vor 1140 zugrundegelegen haben mag338 - dafür sprechen, daß 1179 der ge-

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So Wilhelm Fabricius (Ed. ), Güter-Verzeichnisse und Weistümer der Wild- und Rheingraf- schaft (= TrierArch, Erg: Heft 12, Trier 1911) S. 2. - Dagegen

�von Stein" heißt Rheingraf Wolfram bei Pietsch, Territorium der Herren von Eppstein (1962) S. 16f. ...

Einbrico ringravius ob fer%oreu: dilectionis et anoris necnon ei iusticie filiwn sororis su p Luicardis Wolframun: notnine bereden: feudonun suorutn constituit ea conditione, quod, si ipse Embrico pre- dictus berede beneficii carens decederet, nefeuda sua in alienas transferrentur personas, ipse Woifra- mus predicws heres feudonun suonun esset. Ordinavit itaque prima, quod episcopus Cristianus Mo- guntinus. cum ian: in expeditionen iussu cesaris Friderici ad Longobardos acgredi proponeret, con- cessit eiden: 11'olframo, quicquid beneficii ipse Embrico de episcopatu Mogontino possideret. Ordina- vit eiiam ...;

Peter Acht (Ed. ), Mainzer Urkundenbuch 2 I(= Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission Darmstadt, Darmstadt 1968) S. 576 Nr. 339 - zur Einordnung ebd. S. 575 [Vorbemerkung]. Acht2 l(196S) S. 572 A. 21 und S. 576 A. 1f. Ebd. S. 575 in der Vorbemerkung zu Nr. 339 unter Verweis auf Fabricius, Güter-Verzeichnisse (1911) S. 11 [Abschnitt 111 Nm 2-8.

... cones de Nurinchis concessit eideun Wolfran: o in Baden expeditione onnia feuda, que ipse Embrico ab eo possedit...; Fabricius, Güter-Verzeichnisse (1911) S. 11 Nr. 7 in Abschnitt Ii. Karl E[mstj Dcmandt, Geschichte des Landes Hessen (Kassel 21972, verbesserter Nachdruck 1980) S. 158.444 u. 458. Fritz Geisthardt, Nürings [im] Obertaunuskreis (in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 4, Stuttgart 1960) S. 325, hier = (31976) S. 353. - Gerhardt Köb1er, Historisches Lexikon der deutschen Länder (München'` 1992) S. 426. Ge ist hardt, Nürings (1960) S. 325 = (31976) S. 353. Karl E[mstj Demandt, Die Mittelrheinlande (in: Territorien-Ploetz 1, Würzburg 1964) S. 184 - ebd. S. 183 wird hierfür 117080 suggeriert. -�Uni 1170" in der Brockhaus Enz. 13(1971) S. 610 Sp. 2 liegt zu früh - das Stichwort �Nürings" fehlt übrigens ebd. 16(12)1991) S. 45 und auch im Lex. des MA. 6(1993) Sp. 1317. - Nach De in andt, Geschichte (1980) S. 150 gehörten �die Nüringer" zu den bedeutenden Grafensippen ähnlich den Rupertinem, Konradinern und Luxemburg-Gleibergern.

... ubi finiuur comitia Berdoldi dc 4Voringes; D. F. 1.774 S. 330 Z. 29. Das wird er%% ogen in der Vorbemerkung zu D. F. 1.774 S. 328.

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nealogisch letzte Graf von Nürings, nämlich ein gewisser Graf Gerhard339, bereits verstorben war. Seine Besitzungen sollen dem staufeschen Reichsland, den Herren von Bolanden33° und den Herren von Münzenberg zugutegekommen sein3", die alle drei noch nicht in der �Liste von 1171" erscheinen, und diese geht erklärtermaßen noch auf Embricho II. zurück. Der Neffe sollte dieses Spektrum erheblich anreichern: Aus dem Lehnbuch des Rheingrafen Wolfram ist ersehen worden, daß er bis zu seinem Ableben 1220 minde- stens 343'3 oder 35 verschiedene Lehnsherren gehabt hat13, unter ihnen 15 Grafen und sieben oder acht einfache Herren. Die zeitnahe Überlieferung - schriftgeschicht- lich um 1210/20 mit Nachträgen nach Graf Wolframs Tod - weist diesen Aufzeich- nungen, die nahezu systematisch vom Reich (ab Imperio) über die Erzbischöfe von Mainz und Trier bis zu einem oder zwei Herren namens Voltaar reichen, einen Platz noch vor dem ältesten Bolander Lehnbuch zu3". Denn dieses gehört kaum noch ins 12. Jahrhundert33b oder genau ins Jahr 11903" oder gar ins letzte Jahrzehnt Kaiser Friedrichs I. 3", sondern eher ins 3. Viertel des 13. Jahrhunderts, und das gälte ent- sprechend sprechend für das Beispiel der Herren von Bolanden mit 45 Lehnsherren, wenn die

339 Dcmandt, Geschichte (1950) S. 15S und 451 - die ebd. S. 687 Sp. l genannte Fundstelle �S. 157"

ist Druckfehler. -Geisthardt, Nilrings (1960) S325 = (31976) 5.353. Demandt, Mittelrheinlande (1964) S. 1S4. - Den., Geschichte (1980) 5.447. Köbier, Historisches Lex. (1992) S398 und 426. Ordinavit (sc. Entbrico) etiem leitet auch die Notizen für die gräflichen Lehnsherren ein; Fabri- cius, Güter-Verzeichnisse (1911) S. l I Abschnitt II Nm 2-S. So Werner Goez (Hg. ), Lehnacht und Staatsgewalt im deutschen Mittelalter (= Historische Texte. Mittelalter 11. Göttingen 1969) S. 35-39 Nr. 23. Fabricius, Güter-Verzeichnisse (1911) S.! und Text S. 6-11 sowie Einordnungsversuch S. 19. - Fensk e/ Schwarz, Lehnverzeichnis Regenstein (1990) S. 20. Albrecht Eckhardt. Das älteste Bolander Lehnbuch. Versuch einer Neudatierung (in: ArchDipl 22,1976) S. 343f. - Um 1215: Acht2 1(1968) S. 575 im Überlieferungsnachweis zu Nr. 339 und Gocz. Lehnrcht-Tcxte (1969) S35 zu Nr. 23. - Präzis 1215: Pictsch, Territorium der Her- ren von Eppstein (1962) S. 16; das dortige Listchen der Lehnbücher vor 1300 beginnt mit den Bolan- dem. So Woldemar Lipperi. Die deutschen Lehnbücher. Beitrag zum Registerwesen und Lehnacht des Mittelalters (Leipzig 1903) S. 131 nach der Edition von [Wilhelm) Saucr, Die ältesten Lehns- bücher [! ) der Herrschaft Bolanden (\ViesbadenlPhiladelphia 1882) S. 13-37. Diese Textwiedergabe wird als mustergültig geschätzt; Eckhardt. Bolandcr Lehnbuch (1976) S. 318 - und sie gehört sicher nicht ins Jahr 1822: gegen Pietsch. Territorium der Herren von Eppstcin (1962) S. 16 A. 7 [mit zwei weiteren Druckfehlern). -Acht 211(1971) 5.1128 zu Nr. 691 von 1194/98. So allerdings Kicnast. Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 83 A. 2. So jedoch Wolfgang Mctz, Staufische Güterverzeichnisse (Berlin 1964) S. 53f. sowie gar zur Überlieferung schon �uni 1190- ebd. S32 A. 3 und S. 152 zu Beilage 1. - Dazu kritisch Acht2 11(1971) 5.1129 in der Vorbemerkung zu Nr. 691. - Die Einordnung durch Mctz akzeptiert Noich1, Cod-Falk. (1978) S. 70" mit A2 insofern, als sie das Falkenteiner Lchenvcrzeichnis nicht als das älteste schlechthin uertet. Bloch, Societe Feodale 1(1949) S. 326 sowie Bloc h/ Manyon 1(1961) S. 212 und BIochIBohm (1982) S258 sprechen von 43 Lehnsherren in den letzten Jahren des 13. Jahr- hunderts, obgleich dabei auf Lippcrt, Deutsche Lehnbücher (1903) S2(4) verwiesen wird. Hier nennt Lipycrt aber 45 und beansprucht sie für Werner 11. von Bolanden (t 1198), wie es Sauer, Alteste Lehnbücher (I S82) S. 9 getan hatte. - Inzwischen bringt Eckhardt, Ältestes Bolandcr Lehnbuch (1976) die überlieferte Fassung mit dein Todesjahr \Vemcrs IV. (1258) oder mit

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Forschung nicht davon überzeugt wäre, daß hier Vorlagen seit spätestens 1184 eine entscheidende Rolle gespielt haben35o, ja, daß weiterhin mit einem - wenn nunmehr auch verlorenen und nur als Vorlage erschließbaren - Lehnbuch Werners II. von Bo- landen zu rechnen ist, das vielleicht als sein Testament vor einer Kreuzfahrt entstan- den sei351. Ein Teil gehört aber zweifellos frühestens ins 2. Jahrzehnt des 13. Jahrhun- derts, und wenn als Motiv für die Gesamtniederschrift das Ableben Werners IV. von Bolanden 1258 oder eine Bolander Erbteilung von 1262 erwogen wird352, dann ist die berühmte Zahl der 45 Lehnsherren

�einer bedeutenden Persönlichkeit im Dienste des Reiches"353 kaum mehr uneingeschränkt hinzunehmen - unter ihnen übrigens 19 Grafen und fünf sonstige Herren. Vollends verblüfft, daß es sich hierbei nicht um seltene Ausnahmefälle handeln soll, obgleich in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Wertung für

�das märkische Geschlecht von Saldern [dann doch nur] zwölf Lehnsherren" des 14. Jahrhunderts summiert werden353. Dies ist denn auch die Mindestzahl, die für passive Lehnsgrup-

pen Graf Siegfrieds I. von Blankenburg aus reichsfürstlicher Provenienz ermittelt wird, nur daß die entsprechenden Angaben schon für das 2. und 3. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts gelten355. Sein Bruder Graf Heinrich I. von Regenstein, dessen Lehns-

verzeichnis für die von Siegfried I. unabhängige Herrschaft 1212/27 datiert wird, hat immerhin zwölf Reichsfürsten als Lehnsherren gehabt, unter ihnen den Grafen von AnhalOm, der seit 1218 als einziger Graf im Fürstenrang verblieben war357. Tatsäch- lich paßt eher in diese Größenordnung, daß für 1250-60 aus dem ersten erhalte- nen358 Lehnverzeichnis der Herren von Eppstein 14 Lehnsherren erhoben werden; doch wie unvollständig diese Liste ist, scheint daraus hervorzugehen, daß bereits für 1282183 im zweiten Lehnverzeichnis der Eppsteiner die doppelte Anzahl steht und auch die als noch zu niedrig gilt; bischöflich-bambergsche Lehen z. B. fehlen auch

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der bolandischen Erbteilung von 1262 in Zusammenhang. Daraus liest Odilo Enge1s in: Lex. des MA. 21I(1981) Sp. 356 Entstehung in den Jahren 1250/60 heraus. Eckhardt. Ältestes Bolander Lehnbuch (1976) S. 322-326. Fensk e/ Schwarz, Lehnsverzeichnis Regenstein (1990) S. 19. -Eckhardt, Ältestes Bolander Lehnbuch (1976) S. 322. Eckhardt Ältestes Bolander Lehnbuch (1976) 5.342. Fensk e/ Schwarz, Lehnsverzeichnis Regenstein (1990) S. 17f. - Sperrung von mir. - Das Folgende nach Sauer, Älteste Lehnsbücher (1882) S. 9. Lippert, Lehnbücher (1903) S. 24 mit A. 29 unter Verweis auf Adolph Friedrich Riedel (Ed. ), Codex diplomaticus Brandenburgensis 1 I1(1847) S. 87. Fensk e/ Schwarz, Lehnsverzeichnis Regenstein (1990) S. 498-501,505f. und 510ff. Ebd. S. 23 und 90-136. Köb1er, Historisches Lexikon (1992) S. 14 Sp. 2. Pietsch, Territorium der Herren von Eppstein (1962) S. 17f. möchte ein verlorenes Lehnver- zeichnis der Eppsteiner ,. aus der Zeit des Thronstreites" zwischen Staufern und Welfen erschließen und Gottfried dem 1. (1189-1220) zuordnen und verwertet dabei Anregungen von Paul Wagner, Die eppsteinschen Lehensverzeichnisse und Zinsregister des XIII. Jahrhunderts nach dem eppsteinschen Lehenbuche (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 8, Wiesbaden/München 1927) S. 8,16 und 20f.

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hier359. Diese Zahl fällt aber insofern aus, als dieses zweite der erhaltenen Eppsteiner Verzeichnisse nachweislich mehrere Güter unkommentiert mitauflistet, �die sich um 1280 nachweislich nicht mehr in eppsteinischem Besitz befanden"31 und auch Dop-

pelungen anscheinend bisher nicht ausgeschlossen wvurden361. Eine Systematik hat

ohnehin weder in dem Verzeichnis von 1250/60 noch in demjenigen von 1282183

erkannt werden können. Die Eppsteiner gelten als Mannen von Reich und Erzstiften

einschließlich des Mainzer Domkapitels sowie des Abts von Fulda, des rheinischen

�Pfalzgrafen und anderer Hochadelsgeschlechter"36=; hiermit gemeint sind anschei- nend weniger die Äbtissinnen vom Altmünster in Mainz als der Landgraf von Hessen

sowie die Grafen von Diez, von Gleiberg, von Leiningen, von Nassau, von Nidda,

von Nürings [! ], von Rieneck, von Schaumburg, von Sponheim und von Wertheim im älteren, zusätzlich neben den Erzbischöfen von Köln und von Trier, den Bischöfen

von Speyer und von Worms, dem Abt von Hornbach sowie dem Propst von Aschaf- fenburg noch die Markgrafen von Meißen und die Grafen von Henncberg, von Hoch-

staden, von Looz und von Veldenz im jüngeren Verzeichnis. Daß sie nicht alle gleichzeitig eppsteinische Lehnsherren waren, liegt auf der Hand. Als Beleg dafür, daß ein Lehnsherr allein mittelalterlichen Adligen nicht ausreichend Wirtschaftskraft �für die Aufrechterhaltung eines rittermäßigen Lebens und die Be- wahrung der adligen Macht durch sein Lehn bieten konnte"363, werden für 1360 der Ritter Heinrich Biß von St. Goar mit gar nur viee, die Brüder Kesselhut 1365 mit nur sechs3`i5 und für das 15. Jahrhundert die Ritter von Hatzfeld mit immerhin elf Lehnsherren genannt; diese reichen hier von den Erzstiften Mainz und Köln über das Bistum Worms und die Reichsabtei Fulda bis zur Landgrafschaft Hessen und der stattlichen Zahl von sechs Grafen: Hanau, Katzenelnbogen, Nassau, Sayn, Sohns und Ziegenhain366. Auf kleine und kleinste (After-)Lehnstriger kann es hier nicht ankom-

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Kienast, Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 83 A. 2 nach 1V agncr. Eppsteinsche Lchensverzcichnissc (1927) S25 (und 156) sowie öfter. -Kicnast verwendet mittelalterliches ., Eppenstein" und könnte damit mißverständlich nach Baiern und Kärnten weisen; ähnlich übrigens Walter Martini, Der Lehnshof der Mainzer Erzbischöfe im späten Mittelalter. Phil. Diss. Mainz 1970 (Teildruck o. O. 1971) S. 1 A. la. - Ausdrücklich �nicht alle kleinen Aktiv- und Passivlchen be- rücksichtigt" Pictsch. Territorium der Herren von Eppstein (1962) laut ebd. S. 49. Pictsch. Territorium der Herren von Eppstein (1962) S. 18. Vgl. Kienast. Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 83 A. 2 a. E. Pictsch, Territorium der Herren von Eppstcin (1962) S. I8 und 41ff. - Alois GcrIich in: Lex. des MA. 3(1986) Sp 2092 (Zitatj. - Zum Folgenden die Belege bei Wagncr, Eppsteinsche Lebensverzeichnisse (1927) § 95.83.94.85.91.83.86.87.129. 'X). 93 und 92 bzw. 150.149.153, 151.182,181 und 185.155.173.162.154 und 163. So Bernhard Dicstc1kamp. Das Lehrrecht der Grafschaft Katzenelnbogen [vom] 13. Jh. bis 1479 ... (=UntersDtStaatsRG NF 11. Aalen 1969) S. 146, das Folgende aus A. 1 ebd. Karl Ernst Dcmandt (Bearb. ). Regesten der Grafen von Katzcnelnbogen 1060-1486 Bd. l (=Vcröff}JisiKommNass 111. Wiesbaden 1953) Nr. 1251 S369f. Ebd. Nr. 1333 S. 389. -Diestc1kamp aaO. zahlt nur fünf. Dies teI kam p. Lehnecht Katzcnelnbogen (1969) S. 146 A. 1 nach G(corgl Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer 4 (Kasse) 1839) S. 166ff. - "168ff. " bei Dicstc1- ka in p ist Druckfehler.

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men, wohl aber auf kritische Bewertung des Urteils, in Deutschland und wohl auch �in dem stärker durchfeudalisierten Frankreich" habe es während des 12. und 13. Jahrhunderts

�Große mit zwanzig und mehr Lehnsherren" gegeben367: Das ist eine andere Größenordnung als 45 oder auch 35 und überzeugt eher denn die Orientierung an angeblich nur zufälligen �Spitzenwerten". Ähnlich überschaubar sah es bei den Grafen von Katzenelnbogen aus. Passivlehen der Katzenelnbogener rührten von mindestens 17 Herren her: Die Stammburg war �nebst einigen anderen Gütern" Lehen vom Bleidenstädter Abt - dessen Kloster war erzbi- schöflich-mainzische Eigenkirche: Man ahnt, warum eben Burg Katzenelnbogen durch die Grafen in keiner ihrer Lehnsurkunden ausdrücklich erwähnt wurde; an- scheinend sollte suggeriert werden, es handele sich bei ihr um Allod368. Auch sonst rührten die ältesten, wenn z. T. auch nur zeitweisen Lehen der Katzenelnbogener viel- fach von Kirchen her, nämlich vom Erzstift Köln mit Bezeugung nicht erst vor 1176369, sondern bereits von 1066/75370 - von den Marienfelser Grafen von Arnstein, was seit 1089 bezeugt ist und dem Erlangen wichtiger Positionen zu St. Goar und Braubach diente371. Als diese Einrich-Grafen mit Ludwig, inzwischen Abt des Prä-

monstratenser-Klosters Arnstein, 1185 ausstarben372, erlangten die Katzenelnbogener nun Lehen direkt von der Abtei Prüm, wie seit kurz vor 1190 bezeugt ist373. Weitere Lehnsherren waren die Abtei Fulda, wie seit spätestens 1250 belegt ist374, und das

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36S So Kienast, Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 83 mit A. 2. DiesteIkamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 208 mit A. 6 und S. 341 unter Verweis auf Demandt Regesten Katzenelnbogen 2 (1954) S. 1491 Nr. 5328, Nachbemerkung mit A. 1. - Alois Ger1ich, Grafschaft Katzenelnbogen (in: Lex. des MA. 5 V, 1990) Sp. 1080 zitiert als letzte Mo- nographie �B. DiesteIkamp, Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen im 14. und 15. Jahrhundert (1980)"; diesen Titel habe ich nicht nachweisen können, und er wird auch nicht ebd. 5 IX (1991) Sp. 181 I durch den angeblichen Autor zitiert. Vgl. DiesteIkamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 340 nach Demandt, Rege- sten Katzenelnbogen 1(1953) S. 76 Nr. 42 von 1175. Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 55 und 70 Nr. 2. - Von Siegburger Vogteirechten der Grafen spricht Alois GerIic lt , Grafschaft Katzenelnbogen (1990) Sp. 1080. Belege dafür sind mir entgangen. - Das Katzenelnbogener Eigenkloster Gronau wurde um 1130 siegburgisch ge- formt, blieb aber entgegen sonstigen Tradierungstendenzen der Siegburger an Bischofskirchen eben Katzenelnbogener Eigenkloster, Josef Semm1er

, Die Klosterreform von Siegburg. Ihre Aus- breitung und ihr Reformprogramm im 11. und 12. Jahrhundert (= RheinArch 53, Bonn 1959) S. 105f. und 234 bzw. 232-235. Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 55 und S. 60 Nr. 3. -Ger1ich, Grafschaft Katzenelnbogen (1990). - Vgl. Hellmuth Gensicke in: Hdb. der historischen Stätten Deutsch- lands 5(Stuttgart 11976) S. 226 und 16 zur Unterscheidung von den mitteldeutschen Arnsteinern; über diese informiert Gerd Heinric lt , Die Grafen von Arnstein (= Mitteldeutsche Forschungen 21, Köln/Graz 1961), besonders Stammtaf. l, wo im 12. Jahrhundert der Name �Walther" dominiert. Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 77 Nr. 48 zu 1185 X 25. - Norbert Bac k- mund in: LThK. l(, 1957) Sp. 898 - im Lex. des MA. l(1980) anscheinend entbehrlich, z. B. Sp. 1012. Vgl. Dieste1kamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 341 nach Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 78 Nr. 51. Dieste1kamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 342 nach Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 88 Nr. 104.

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Bistum Würzburg, wie es seit 1264 beurkundet wurde: übrigens zugunsten gegebe- nenfalls weiblicher Erbfolge3zs. Dies alles waren Reichskirchen, und so dürften die Katzenelnbogener auch schon früher Reichslehen innegehabt haben, als es die allgemeine Vererbungserlaubnis - auch in weiblicher Linie - durch König Richard von 1269 voraussetzt37c. Auch sonst sind nunmehr zusätzlich weltliche Lehnsherren namhaft zu machen; es sind - neben weiteren Kirchen - die folgenden, und zwar mit dem jeweils ältesten Beurkundungs- jahr: die Pfalzgrafschaft bei Rhein 126737, und nicht schon 123137, die Grafschaft Henneberg 127037, das Kloster Lorsch 12721', das Erzstift Trier 1284351, das Erzstift Mainz 129635'-, die Grafschaft Luxemburg 132', das Herzogtum Brabant 134335', das Herzogtum Berg-Ravensberg 13923, die Landgrafschaft Hessen 13983, das Bistum Worms 14033" und das Herzogtum Jülich-Geldern 141235. Dieser Zeittafel läßt sich entnehmen, daß bis zum Ende des 12. Jahrhunderts 3 Lehns- herren bezeugt sind, während es dann 11 sind bis 1300,15 bis 1400 und 17 bis ein- schließlich 1412 - der letzte Graf von Katzenelnbogen und Diez starb 1479 auf seiner Residenzburg Rheinfels bei St. Goar3a9 denn wohl auch als Lehnsmann von jenen 17

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DiestcIkamp. Lohnrecht Katzcnclnbogcn (1969) 5.341 nach Dc in andt. Rcgcstcn Katzenclnbogcn 1(1953) S. 105 Nr. 152. DiesteIkamp. Lehnecht Katzenclnbogcn (1969) 5329 r"ertticist auf De nt andt. Rege- sten Katzenelnbogen 1(1953) SA 10 Nr. 173 = 13 öhmc r/ Ficker (1881182) Nr. 5462 von 1269 V 25 aus Frankfurt a. M. DiesteIkamp, Lehnrecht Katzenelnbogcn (1969) S. 329f. nach Dc in andt. Regcsten Katzcnclnbogen 1(1953) S. 107 Nr. 158f. Karl-Heinz Spic6 (Ed. ). Das älteste Lehnsbuch der Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401 Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in 13adcn-\\'üritcmbcrg A 30. Stuttgart 1981) S. 99 zu Dcmandt. Regcsten Katzenclnbogen 1(1953) S. 85 Nr. 89: Braubach. Dicstelkamp. Lohnrecht Katzcncinbogcn (1969) S. 330 nach Dc in andt Rcgcstcn Katzenelnbogen 1(1953) S. 112 Nr. 177. Diestc1kamp. Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 342 nach Dcmandt. Regesten Katzcnelnbogen 1(1953) 5.113 Nr. llr(. - Diese Reichsabtei war 1232 an F. rwift und Erzbischof von Mainz gelangt: Hubert Scibcrt in: Lex. des MAS(1991) Sp. 21 18. Dieste1kamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 339 nach Dc in andt, Rcgcsten Katzenelnbogen 1(1953) S. 132 Nr. 273 und S. 133 Nr. 276. Dieste1kamp. Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 340 nach Dc nt ands. Regcsten Katzenelnbogen 1(1953) S. 154f. Nr. 382. DiestcIkamp. Lchnrccht Katzenclnbogen (1969) S. 331 nach Dc nt andI. Regesten Katzenclnbogcn 1(1953) S232 Nr. 690. Dicstc1kamp, Lchnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 331 nach De tn andt Rcgcstcn Katzenelnbogen 1(1953) S. 295 Nr. 936. Dicstc1ka nt p. Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 331 nach Dc fit andt, Rcgcstcn Katzcnelnbogen 10 953) S559f. Nr. 1960. DicstcIka nt p. Lehnrccht Katzenclnbogen (1969) S. 330 nach Dcmandt. Rcgcstcn Katzcnclnbogcn 1(1953) S. 600f. Nr 2114. DicsteIka nt p. Lehnrccht Katzenclnbogen (1969) S. 341 nach Dc fit andt Rcgestcn Katzenelnbogen 1(1953) S. 642L Nr. 2303. Dicstclkamp. Lehnrccht Katzenelnbogen (1969) S. 33I nach Dcmandt. Rcgcstcn Katzenclnbogcn 1(1953) S. 750 Nr. 2690. DcmandI. Regesten Katzenelnbogen 2(1954) 5.1681 Nr. 6034 zu 1479 Vii 28 ohne Ort. aber in castra Rir fds.

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Herren. Der �Sprung" während des 13. Jahrhunderts dürfte mit der allgemeinen Ver-

besserung der Quellenlage zusammenzusehen sein; das insgesamt aber kontinuierliche Anwachsen könnte ein Indiz für die Finanzkraft dieses Hauses sein, dessen reiche Zolleinnahmen ja bis in den Nachlaß für die hessischen Landgrafen hinein wegen seiner gefüllten Truhen, Scheuern und Keller berühmt waren390. Da entsprechende Einnahmen vielen anderen Standesgenossen der Katzenelnbogener Grafen nicht oder nur in Bruchteilen dieses Umfangs zur Verfügung standen, wäre diese Zunahme der Lehnsherrenzahl kaum typisch. Tatsächlich ist dieses Anwachsen jedoch nur mittelbar mit dem Geldreichtum der Grafen zusammenzusehen: Wenn durch Kauf 1453 ein Viertel der Grafschaft Diez391 oder 1478 die Herrschaft Ziegenberg392 von Gottfried, Herrn zu Eppstein, 1377 ein Zwölftel der Burg Tannenberg von Ulrich von Ha-

nau393 oder 1441 die fünfte Ganerbenschaft an Schloß Hattstein394 - so vielleicht eini- ge der spektakulärsten Beispiele39s - erworben wurden, so waren das z. T. Investiti-

onsmaßnahmen ohne Erlangung neuer Passivlehen, und dasselbe gilt für den nur sechs Jahre langen Besitz des Dorfs Weiterstadt396 ebenso wie für den Erwerb der

Dörfer Bärstadt vor der Höhe 1315 bei Pauline von Frauenstein391 oder Wallerstädten

von der Sippe des Ritters Winter 1379398 oder Wallmenach und Reitzenhain bei Graf

Philipp von Nassau-Saarbrücken 1416 zu Eigen399. Insofern bleibt das Beispiel der Grafen von Katzenelnbogen doch sprechend für die Lage auch ihrer weniger einnah- mebegünstigten Standesgenossen, und zwar hinsichtlich der Passivlehen im Reichsin-

nern. Was �nach

Größe und Struktur" als uneingeschränkt beispielhaft �für nicht wenige vergleichbare Lehnshöfe" gilt, ist allerdings der Katzenelnbogener [! ] Lehnsver- band300, also Menge und Organisation der Aktivlehen. Aber auch die eigene Stellung

390 Ebd. §2 aus Johannes Nuhns deutschsprachigem Chronicon Thuringiae et Hassiae bei Heinrich Chri- stian Senckenberg (Ed. ), Selecta iuris et historiarum ... 5(Frankfurt a. M. 1739) S. 502 - Demandts Rekurs auf Bd. 2[1734] ist Druckfehler. - Karl E[rnst] Demandt, Kultur und Leben am Hofe der Katzenelnbogener Grafen (in: NassAnn 61,1950) S. 150f. - Heinrich Mau1- hardt, Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafschaft Katzenelnbogen im 14. und 15. Jahrhundert (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 39, Darmstadt/Marburg 1980) S. 127-136 und 234. - Karl E[mstl Demandt (Ed. ), Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584,3 Bde. (_ Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 25 I-1I1, Wiesbaden 1978-81), besonders die methodisch bedenkenswerten Warnungen ebd. 1 S. 15-18.

391 Demandt, Regesten Katzenelnbogen 2(1954) 5.1339 Nr. 4801 von 1453 VII 12. 392 Ebd. 2(1954) S. 1667 Nr. 5977 von 1478 VII 1. 393 Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 455 Nr. 1573 von 1377 1113 1. 394 Demandt, Regesten Katzenelnbogen 2(1954) S. 1119 Nr. 3998 von 1441 IV 24. 395 Es sind die jeweils ersten Belege bei Mau1 It ardt, Wirtschaftliche Grundlagen (1980) S. 182

mit A. 3ff. 396 Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 169f. Nr. 440 von 1303 1123/24, vgl. ebd. S. 117

Nr. 199 von ca. 1275. 397 Ebd. S. 197f. Nr. 559 von 1315 VIII 3. 398 Ebd. S. 469 Nr. 1626 von 1379 III 28. 399 Ebd. S. 787 Nr. 2814 von 1416 V 31. 400 Dieste1kamp, Lehnecht Katzenelnbogen (1969) S. 9,208f. und 289-320.

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dieser Grafen im Lehnsverband, also als Lehnstrsger, dürfte für die Standesgenossen der Zeit ein instruktives Beispiel liefern. Als Titulargrafen edelfreier Herkunft schon seit dem 12. JahrhunderC, die aber - im Unterschied beispielsweise zu den Henne- bergern und Savoyern 1310, Nürnbergern 1363 und Nassauern 1366102 - weder zu Fürstengenossen noch zu Reichsfürsten'3 aufstiegen, standen die Katzenelnbogener theoretisch für den vierten Rang der wie herren in der Heerschildordnung des 12.13. Jahrhunderts. Und doch hatten sie sich nicht gescheut, Lehen von prinzipiell rangglei- chen Grafen zu tragen. Daß die Beispiele dafür aber ausgerechnet solche seinerzeit gräfliche Lehnsherren betreffen, die ihrerseits während der nächsten Generation offi- ziell reichsfürstlichen Rang oder gar die Fürstenwürde erlangten, nämlich Henneberg (1310) und Luxemburg (1354)x'''`, könnte den Ausnahmen etwas von ihrem Gewicht nehmen. Ohnehin gilt Katzenelnbogens Beispielcharakter nur für spätmittelalter- liches Territoriallehnrecht in Deutschland. Anderseits ist zu berücksichtigen, daß systembeschreibende Aussagen von den �Urkunden e in es einheitIi- chen Rechtsbildungskreises" auszugehen pflegen'. Akzeptiert man diese metho- dische Voraussetzung, dann wäre exemplarischer Charakter cines Grafenhauses letztlich erst dann zu unterstellen, wenn die große Mehrheit aller Grafenhäuser ent- sprechend aufgearbeitet ist - wobei dann auch auf eine gräflich-Veldenzer Lehnsauf- tragung an Gräfin Ermesinde von Luxemburg von 1237 oder auf seit 1313 bezeugte Lehnsabhängigkeiten der Grafen von Homburg im Bliesgau von den Grafen von Saarbrücken, von Zweibrücken und von Sponheim einzugehen wäre. Das konnte für die hier vorgelegten Überlegungen nicht geschehen, so daß lediglich vergleichend festgehalten werden darf Es war keineswegs völlig ungewöhnlich, wenn - wie bereits für die Luxemburger am Beispiel von 1252 berichtet, aber auch zu 1299 und 1307 für die Gegenrichtung erwähnt' - ein Graf Lehnsmann eines anderen Grafen wurde. Im allgemeinen ist nicht auszuschließen, daß eine Häufung von Lehnsnahmen bei be- nachbarten Grafen als Indiz für gesellschaftlichen Abstieg und im Fall von Rentenle-

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Ebd. S. 19,26 und 208 mit Erstbeleg für eine Grafentitulatur von 1138 aus De m an dt, Regestcn Katzenelnbogen 1(1953) Nr. 11. Günther Engc1bert. Die Erhebungen in den Rcichsfürstenstand bis zum Ausgang des Mittel- alters. Phil. Diss. Marburg 1948 (masch. ) S. 110.24.136f. und 210.215 unter Betonung von Sacoycns Sonderstellung. - Gegen den zu starren Terminus . Reichsfürstenstand" plädiert R0dcI, 1292-1313 (1992) S. XV A. 44. Vgl. Krieger. Lehnhoheit (1979) S. 199ff. Vgl. DicsteIkamp, Lehnecht Katzenclnbogcn (1969) S MY). Dieste1kamp. Lehnecht Katzcnelnbogen (1969) S. 10. So die methodische Grundforderung ebd. S. 7.10 und 13 I7-itat. Hervorhebung von mir]. - Die beiden nächsten Beispiele nach Wampach. UQB. 2 (1938) S. 343f. Nr. 319 von 1237 1124, wo still- schweigend die Nichtberücksichtigung des mos . tifrrcnais in der Urkundendatierung bei Carl P6hImann. Rcgesten der Lchnsurkundcn der Grafen von Vcldcnz (= Vcrüff'fGes 3. Speyer 1928) S. 60 Nr. 25 zu 123¢ verbessert wird. - llans-Walter 11 crr nt ann, Die Grafen von Hom- burg. Beitrý. ige zur Geschichte eines Vestricher Adclsgeschlechtcs (in: MI IVPf 77.1979) S. 52f. Oben bei A. 129 sowie bei A 21ff. - Zum Folgenden vgl. ebd. sowie Text und Belege bei 11 crr- in ann, Grafen von Homburg (1979) S. 52f.

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hen sogar für wirtschaftliche Not gewertet werden darf. Grenzlandtypisches Verhalten jedoch lag 1252 keineswegs vor, und der Navarreser Königstitel des Champagne- Grafen und Pfalzgrafen dürfte ohnehin in diesem aktuellen Fall die Mannschaft er- leichtert haben. Außerdem war man in Luxemburg längst

�anderer Grafen Herr" geworden, allerdings

nie über Lotharingiens alte Westgrenze hinaus. Das läßt sich an den Namen der be-

troffenen Dynastenfamilien ablesen: Sponheim und Salm ebenso wie Looz und Chiny, Blieskastel, Bar, Veldenz, Vianden, Virneburg und gar Oberlothringen. 1244 hatte Arnulf V., Graf von Looz und Chiny, einer Vermehrung seiner Lehen, die er durch Gräfin Ermesinde von Luxemburg erhalten hatte, zugestimmt408. Die Grafen

von Looz und Chiny verfügten noch im 14. Jahrhundert auch über Reichslehen409; insofern hat man in Luxemburg auf Arnulfs V. Lehnsnahme noch um 1309 Wert

gelegt, als ein Verzeichnis von Lehnsleuten angelegt wurde410. Das gilt nicht für die Lehnsabhängigkeit der Grafen von Blieskastel, die bereits seit Februar 1202 urkund- lich zu fassen ist41, im Februar 1232 erneuert412 und im Mai 1233 auf eine geringfü-

97 gig verbreiterte Grundlage gestellt worden war41; scheinen die Luxemburger nach dem Blieskasteler Erbfolgekrieg von 1276-91 doch nicht an einem irgendwie gearte- ten Erbe beteiligt worden zu sein - im Unterschied zum Grafen von Salm414. Tatsäch- lich hatte Gräfin Ermesinde von Luxemburg in der Rangfolge der Blieskasteler Lehnsherren nicht nur hinter dem Römerkaiser und dem Trierer Erzbischof, sondern auch hinter den Bischöfen von Metz und Verdun rangiert415. Aus einem Zusatz zu einem Lehnsrevers, den Walram, Herr von Montjoie und Marville, 1262 für seinen Onkel Graf Heinrich V., den Blonden (t 1281), ausstellte, geht hervor, daß der Graf

von Bar luxemburgischer Lehnsmann geworden wat^16, und dies wurde auch bei Ver- größerung des dinglichen Substrats im Januar 1272417 und im Jahr 1277 durch Graf Theobald 11. von Bar vorausgesetzt418. Philipp, Graf von Vianden und Herr von Grim- bergen, erklärte 1269 Burg Vianden mit Zubehör zum fie lige gegenüber Graf Hein- rich dem Blonden419 und beurkundete 1271 eine Lehnsvergrößerung420. Die Grafen

von Virneburg reversierten 1270 zugunsten Graf Heinrichs VI., von Worringen, noch

408 Wampach, UQB. 2(1938) S. 505f. Nr. 457 von 1244 XII 6. 4w Wolfgang Her born in: Lex. des MA. 5(1991) Sp. 2109. 410 Wampach, UQB. 7(1949) S. 362 vor A. 79 in Nr. 1279. 411 Ebd. 2(1938)S. 11 Nr. 8 [Regest). 412 Ebd. S. 259ff. Nr. 243; vgl. S. 265 Nr. 246 von 1232 VI 8 aus Luxemburg. 413 Ebd. S . 274f. Nr. 254. 414 Vgl. Hans-Walter Herrmann, Grafen von Blieskastel (in: Lex. des MA. 211(1981) Sp. 278. 415 Wampach UQB. 2(1938) S. 11 Nr. 8 [Regest] und S. 261 Nr. 243 § 1. 416 Wampach, UQB. 3(1939) S. 426 A. 2 zu Nr. 394 von 1362 VIII 1. 417 Wampach UQB. 4(1940) S. 366f. Nr. 267 [Regest]. 418 Ebd. S. 503ff. Nr. 403 von 1277 V 23. 419 Ebd. 4(1940) S201f. Nr. 140 von 1269 VI 11. 420 Ebd. Sä09-312 Nr. 225 von 12711117.

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bei Lebzeiten von dessen Vater Heinrich dem Blonden'=, und Graf Philipp von Vian- den scheint dann Wert darauf gelegt zu haben, daß er das gleiche Verhältnis zu den Luxemburger Grafen unterhalte wie die Virneburgerz-. Sein gleichnamiger ältester Sohn reversierte 1306 gleich zweimal'. 1264 hatte gar Friedrich I., Herzog von Oberlothringen und Markgraf, auch bekannt als Ferri III. (1251/55 - 1303)2', sich nicht gescheut, im Zuge seiner dynamischen Erwerbspolitik und in Analogie zu seiner punktuellen Lehnsabhängigkeit vom Grafen der Champagne auch Lehnsmann seines Onkels Graf Heinrich des Blonden von Luxemburg zu werden's. All diese Lehnsver- hältnisse waren noch um 1309 in Erinnerung, als Luxemburger Gefolgsleute aufgeli- stet wurden12'. Rückblickend ergibt sich folgendes: Daß der Luxemburger Graf um 1300 Lehnsmann von zwei Königen, zwei Erzbischöfen, einem Bischof, einem Herzog und drei Grafen, also von sechs höher- und drei gleichrangierenden Lehnsherren war, wirkte grenzspe- zifisch nur hinsichtlich der beiden Könige. Denn im Reichsinnern ließen sich in dür-

ren Zahlen feststellen

- Graf Siboto IV. von Neuburg-Falkenstein hielt im Jahr 1166 Lehen von 19-20 Lehnsherren, darunter sieben Grafen

- wohl 1171 erwirkte Rheingraf Embricho 11. Lehnserbvertrige mit acht Herren, von denen sieben den Grafentitel führten

- sein Erbe Rheingraf Wolfram hat bis zu seinem Ableben (um) 1220 mindestens 34 Herren gehabt, von denen sieben bis acht �bloße Herren" waren

- die Herren von Bolanden sollen es vom ausgehenden 12. Jahrhundert bis späte- stens um 1262 auf 45 Lehnsherren gebracht haben, was zwar nicht als Größenord- nung für streng gleichzeitige Lehnsverhältnisse überzeugt, aber mit fünf sonstigen Herren doch ein wichtiges Schlaglicht wirft

- mindestens zwölf passive Lehnsgruppen fürstlicher Provenienz sind aus den Jah- ren 1210-30 für Graf Siegfried von Blankenburg, zwölf Herren gleicher Qualität für seinen Bruder Graf Heinrich I. von Regenstein zu den Jahren 1212-27 ermittelt worden

- für die Herren von Eppstein sind es 1250/60 mindestens 14 aus hohem Adel, 1282/83 angeblich mindestens 24 Herren, wenn auch kaum gleichzeitig

- die Passivlehen der Grafen von Katzenelnbogen vom 12. bis ins 15. Jahrhundert rührten von mindestens 17 urkundlich faßbaren Lehnsherren her; unter ihnen wa- ren einige Grafen.

421 Ebd. S. 273-276 Nr. 199 von 1270 VII 13. 422 Ebd. S. 357f. Nr. 261, Notiz von ca. 1271. 423 Ebd. 7(1949) S. 127f. Nr. 1077 und S. 133-136 Nr. IOS3 von 1306 IX 2 bzw. XI 28. 424 Michel Parissc in: Lex. des ? IA. 4 IV(I9SS) Sp. 953, auch zum Folgenden zu vgl. au Wa ni pach, UQB. 3(1939) 5.541 f. Nr. 484 von 1264 V1115. 426 Ebd 7(1949) 5.361 in Nr. 1279. dessen Belegen in den dortigen Anm. 67,69,64 und 62 ich weitgehend

gefolgt bin.

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Anderseits gingen von Luxemburger Grafen des 13. und 14. Jahrhunderts eben auch Grafen von Looz und Chiny, Blieskastel, Bar, Veldenz, Vianden und Virneburg, Sponheim und Salm sowie einmal gar Oberlothringens Herzog Ferri III. (1264) zu Lehen, was sich zum großen Teil in einem Lehnsleuteverzeichnis von ca. 1309 spie- gelte. Die Luxemburger verhielten sich nicht anders als ihre Standesgenossen im Reich.

D) Ligeität und die These von Doppelvasallität als Rechtsform von Neutralität

Um bei Lehnsnahme von mehreren Herren hinsichtlich der Dienstpflichten und im Konfliktfall einem den Vorrang zu verschaffen, wurde in Frankreich seit der Mitte des 11. Jahrhunderts die Ligeität entwickelt. Ziel war, dem dominus ligius vorrangig den Dienst des homo ligius zu sichern427. Doch diese Lösung erwies sich insofern als wenig dauerhaft, als sehr bald auch mehrere ligische Lehnsverhältnisse eingegangen wurden. Am französischen Königshof wurde daraus während des 13. Jahrhunderts die Folgerung gezogen, daß für Frankreichs König die Stellung eines dominus ligius ante onines zu sichern sei, und das galt für Englands anglo-normannische und angewini- sche Könige schon lange428! Was zur Anglonormannenzeit bereits der Erobererkönig mit dem Aftervasalleneid von Salisbury 1086 in England beanspruchte' 29, steht in Frankreich am Ende der Entwicklung, nämlich der Treuvorbehalt zugunsten des Kö- nigs'30. Dagegen ist in Deutschland durch das ministeriale Dienstrecht die schichtenweise Übersteigerung des Lehnrechts zunächst nicht in gleicher Weise nötig gewesen: Die großen Lehnsherren halfen sich mit (Reichs-)Ministerialen431. Zwar hat während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Friedrich Barbarossa im römisch-deutschen Reich die Ligeität nach französischem Vorbild einzuführen gesucht; es blieb jedoch bei dem Versuch'32, und das gilt auch für Heinrich VII433. Im Unterschied dazu spielte die

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Gansho f/ Groh (1961) S. 109f. mit Belegen. - Volker Henn, Das ligische Lehnswesen im Westen und Nordwesten des mittelalterlichen deutschen Reiches. Phil. Diss. Bonn 1969 (München [1971]) S. 9f. und 118. Kienast, Untertaneneid und Treuvorbehalt (1952) S. 303. -Mitteis, Staat (1953) S. 291. - Ganshof/(froh (1961)S. 110f. Cecily CIark (Ed. ), The Peterborough Chronicle 1070-1154(Oxford 21970) S. 9 [Text] und S. 73. - Kienast, Untertaneneid (1952) 5.175-84 u. ö. NI itteis, Staat (1953)S292. Vgl. Karl Bos1, Das ius ministerialium. Dienstrecht und Lehnrecht im deutschen Mittelalter (in: Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen = VortrrForsch 5, Lindau/Konstanz 1960) S. 90. Ganshof/Groh (1961)S. 111. Krieger, Lehnshoheit (1979) S. 396 mit A. 27.

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ligische Lehnsbindung beim Territorialaufbau im Westen des röniisch-deutschen Reichs eine wichtige Rolle, und es wird angenommen, daß sie bereits seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in westlichen Reichsgebieten wie Lüttich und dem Hen- negau (1071) oder Kamerich (1094) genutzt wurde. Wohl von Lüttich ausstrahlend, ist die Ligeität seit Mitte des 12. Jahrhunderts auch . in den Erzbistümern Trier und Köln quellenmäßig bezeugt"; seit dem 13. Jahrhundert wird sie in allen westlichen Territorien bis hin zur Weser faßbar und erweist sich als Mittel, allodiale Herrschaften aufzusaugen''. Im Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen erlangte Ligeität keine Bedeutung, auch wenn in Offenhausverträgen Stufungen von Bindungen vorkommen konnten"s. Für die Pfalzgrafen bei Rhein ist gezeigt worden, daß die Ligeität funktio- nal ins Aufsageverbot mündete und die Pfalzgrafen sich auf diese Weise

�vorbehaltlosen Treueanspruch sicherten''436 . Ähnliches galt für geistliche und weltliche Fürsten auch im Reichslehnrecht"'; doch daß der römisch-deutsche König �Kapitallehnsherr der Reichsangehörigen" wir` 5,

stand nur auf dem Pergament, und das zeitigte hier die sprichwörtliche Geduld des Papiers439: Derartige Überlegungen blieben unverbindlich. Sogar für einen staufischen Reichsministerialen wie Heinrichs VI. Truchseß Mark-ward von Anisweiler scheint - wohl Anfang 1196 - die Entgegennahme eines Lehens von König Philipp dem 11. Augustus von Frankreich keine Schwierigkeit bedeutet zu haben, obgleich Markward nach dem Ableben Kaiser Heinrichs VI. 1197 für das regnunt ulriusquc Siciline bis zu seinem Tod im September 1202 nahezu als Reichsverweser fungierte' i0. Mehrfachva- sallität mag als rechte Räude des Lehnswesens gewertet werden", aber schon aus wirtschaftlichen Gründen gilt sie als unerläßlich, so sehr die Begründung verblüffen mag, sie sei deshalb �für den Adel des Mittelalters eine zwingende Notwendigkeit (gewesen, weil) keiner der Lehnsherren allein eine genügende wirtschaftliche Grund- lage für die Aufrechterhaltung eines rittermäßigen Lebens und die Bewahrung der

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Henn, Ligisches Lehnswesen (1971) S. 118 und 121. - Vgl. SpicB, Lehnsrecht der Pfalzgrafen bei Rhein (1978) S. 3, aber auch die einschrinkendc Kritik ebd. S 205 A. 190 zur Offenhausthesc. Das Stichwort fehlt im Register bei DiesteIkamp. Lchnrccht Katzcnelnbogcn (1969) S. 457; doch vgl. ebd. S. 146. - Das ebd. S. 151 zu 1316 angeführte �Ledig-Burgleltn" meint in Dc- mandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 199 Nr. 564 einen casrrenscn: absolurrun, quad I! ] lc- dich burgnurn diciluc Dieser braucht auf Stadecken nicht zu residieren. SpicB. Lehnsrecht der Pfalzgrafen bei Rhein (1978) S . 203f., 209f. und 263 [Zitat]. li enn, Ligisches Lehnswesen (1971) S. 109f� 113f. und 121. So Kcrn, Anfänge (1910) 5.327. - Vgl. auch II übingcr. Ausdehnungspolitik (1990) S. 230f. Die deutschen Sprichwärter. Gesammelt von Karl Si nt rock. Einleitung von Wolfgang Ist icdcr (= Reclams Unis crsal"Bibliothek 8453. Stuttgart 1988) S. 395f. Nm 7712 und 7712a. Nach D1 ittcis. Staat (1953) S 2S9 war es ein Rentenleben. nach BosI, Dicnstrccht (1960) S. 89 ein Stück Land. - Auf Leberau im Elsaß %ersseist Herbat Zie1inski in: NDI3.16(1990) S. 225 Sp .2 -jedoch nicht erwähnt bei Ronald Ncumann in: l. cx. des i\1A. 611(1992) Sp. 314f.

veritable lcprc de la vassalite": B1och, Societe Feodalc 1(1949) S. 334. - B1oc h/Ata npon 1(1961)5217: _.. the true scourgeof vassalagc". - 111oc lt/13oltm (1982) S. 265: �... eine wahre Leprakrankheit der Vasallit: it. "

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adligen Macht durch sein Lehn [! ]" habe bieten können442. Auf der Ebene von Mehr- fach-Ligeität soll sie gar juristische Form der Neutralität geworden" sein443. Die Abwandlung, es handle sich bei Doppelvasallität eher um �die politische Form der Neutralität`, trägt kaum zu größerer Überzeugungskraft bei. In Katze- nelnboger Lehnsurkunden, die seit Belehnungen von 1237 und Reversen von 1254 bis ins letzte Viertel des 15. Jahrhunderts hinein in Regesten vorliegen`, kommt

�ein ausdrücklicher Treuevorbehalt [! ] zugunsten des Reiches oder anderer Lehnsherren" nicht vor-6. Gleichwohl wird hier auch bei Doppelvasallitäten nicht mit gleichsam institutionalisierter Neutralität gerechnet: Der Mann durfte bei einem Konflikt seiner Herren keineswegs stille sitzen, um sich selbstverständlich neutral zu verhalten; ',

sondern hatte sich für eine der krieg- bzw. felideführenden Parteien zu entschei- den und der oder den gegnerischen aufzusagen448. Erklärungsrecht und Aufsagepflicht des Doppelvasallen bei Herrenstreit soll sich vom Treuvorbehalt nun lediglich da- durch unterschieden haben,

�daß weniger rechtliche [denn] tatsächliche Gründe wie die Größe der empfangenen Lehen für die Entscheidung des Vasallen maßgebend gewesen sein dürfteni39. Damit wird einem Denkmodell gehuldigt, wie es bereits im Zusammenhang mit dem unbestrittenen Beleg für Mehrfachvasallität aus dem Ende des 9. Jahrhunderts in Tours aufgezeichnet worden war: ... quia plus ab ipso benefici-

uni teneba? °. Die berühmte �Aufweichung der Westgrenze" des römisch-deutschen

Reichs durch ligische Lehnsnahmen Reichsangehöriger von Frankreichs Köni-

gen4S' sollte gerade auch für die Fälle, wo Deutschlands König oder der Kaiser nicht

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Dieste1kamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 146 - u. a. nach Kienast, Unterta- neneid (1952) S. 83 A. 2, wo allerdings diese Begründung gerade nicht steht, sondern nur eine Liste von Mehrfachvasallitäten. Mitteis, Staat (1953) S. 172. - Vgl. dens., Die Rechtsidee in der Geschichte. Gesammelte Ab- handlungen und Vorträge (Weimar 1957) S. 187 [ursprünglich 1932]. -Kienast, Untertaneneid (1952) S. 125. - Nachdrücklich zustimmend Martini, Lehnshof der Mainzer Erzbischöfe (1971) S. 19. So Diestelkamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 146f. nach Heinrich Mitteis Lehnrecht und Staatsgewalt (Weimar 1933) S. 310f. Diestelkamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 45 mit Verweis auf Demandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 85 Nr. 92 bzw. S. 90 Nr. 115 sowie auf insgesamt 2094 Stücke bis 1479. Diestelkamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 146. So jedoch Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt (1933) S. 310. - Dagegen Dieste 1- kamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) 5.147. - �Doppel- und Mehrfachvasallität brachte" Neu- tralität mit sich: Peter-Johannes Schu1er in: Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. von Peter Dinzelbacher (Stuttgart 1992) S. 476 Sp. 1. Dieste1kamp, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 147 mit eindeutigen Belegen allerdings erst seit 1415. wiewohl er ähnliche Ausgangsbedingungen auch für Aufsagen seit 1378 erwägt. - Karl- Heinz SpieB, Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein im Spät- mittelalter (= Geschichtliche Landeskunde 18, Wiesbaden 1978) S. 209. Diestc1ka nt p, Lehnrecht Katzenelnbogen (1969) S. 146. Haureau, Gallia Christiana 14(1856), Instrumenta Sp. 56 C in Nr. 37, zitiert oben in A. 294. Henn, Ligisches Lehnswesen (1971) S. t 15ff. und 121f. nach Kern, Anfänge (1910) S. 324 und Hübinger, Rheinpolitik (1951) S. 42 - nicht nach ebd. S. 30.

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ausdrücklich ausgenommen wurden, weniger als Rechtsproblem denn als je wirksa- mer politischer Sachverhalt gesehen werden. Darüber hinaus ist aus dem en-lisch-schottischen Grenzbereich das Residenz- und das Aufenthaltsargument in Erinnerung'!. Doch das Entscheidende war wohl, daß Treu- vorbehalt a priori band, während dem erklärenden Mann Optionen offenstanden, und insofern war ein Doppelvasall ohne Treuvorbehalt oder Stufung in seinem Vertrags- verhältnis ein potentiell umworbener Partner. Dem wurde nicht nur durch moralische und historische Gegenpropaganda zu begegnen gesucht'}, sondern gar durch regel- rechte Verbote. Für sie stand ja der Zeit höchste Autorität zur Verfügung, nämlich Jesu Christi Bergpredigt-Wort wider falsches Schätzesammeln und Sorgen �Niemand kann zwei Herren dienen ..:..

'. Dieses berühmte Apöphthegma hätte als um so ein- schlägiger empfunden werden können, als durch das Neue Testament neben der Matthäus-Fassung noch eine geringfügig variierende Version in einem Lukas- Abschnitt über Ehrlichkeit und Treue verbreitet war, und zwar als krönende Schluß- feststellung gegen die Gier der Pharisäers. Anderseits war die Wirkung der Lukas- Passage dadurch beeinträchtigt, daß hier nicht von Edlen, sondern nur von einem Meier (vilicus) und gar vom Knecht (sen, us) die Rede war. Tatsächlich fällt auf, daß die Unbedingtheit der Aussage bei ihrer lehnrechtlichen Benutzung verlorenging. Nachdem im Gefolge des angevinischen Normandie- Verlusts von 1204 bereits wechselseitig rücksichtslose Lehneinziehungen vorgekom- men waren 'SG, soll 1244 Frankreichs König Ludwig IX., der Heilige, verfügt haben, daß Lehnträger in England und Frankreich �zwischen beiden wählen" müßten; [angeblich] �da niemand zwei Herren dienen könne", dürfe man �in Zukunft ... nur einen Lehnsherren haben"'-7. Aus dem zugrundeliegenden Bericht des Matthaeus Parisiensis geht hervor, daß der �Franzosenkönig" alle �Überseeischen" - also doch wohl die in seinem Reich südlich des Kanals Residierenden - nach Paris gerufen habe, und zwar diejenigen, die �Ländereien in England besessen hätten". Eben sie habe er vor die Wahl gestellt, entweder ihm oder Englands König ungeteilt treu zu sein: Kön- ne doch keiner angemessen zwei Herren dienen'! Daraufhin hätten sich einige

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Vgl. oben bei A. 256. BIoch. Societe fcodale 1(1949) S325f1. - vorgebliches .. cc qua Dieu ne plaice" (S. 326 als Zi- tatübersetzung) steht allerdings nicht in AIGII. Const. l(IS93) S. 662 Nr. 447 ¢ 5: Si autcru forte. quoll absit (! ], aceidat, ut ident mili: es divenol dominos propter diversa acquinva beneftcia... Nemo pofest duobus dominos sen-ire: Aut enim unum odio lutbehit et altenurt diliget auf tauen stutine- bit et altenan contenme: Non potestis Deo sen-ire et ntamonae. Alt VI 24 bei Roben Wcbcr (Ed. ), Biblia Sacra iuxta vulgatam %cnioncm (Stutigan '1975) S. 153-1. Lk XVl 13 mit den Varianten Nemo serous pofest und auf uni adherebit et alrenun eonten net. - Un- mittelbar anschlicl end Vers 14: Atulielani autem amnia hoer Pharisuri, qui erant avari er deridrb vet ilhw:; Wcbcr (1975) S. 1640. auch zum Folgenden zu %gl. Kicnast. Unienanenctd und Treuvorbehalt (1952) S. 101 A. 3 und S . 263f. mit A. 3 auf S . 2W. Kicnast. Deutschland ur. J Frankreich 3(1975) S. 540.

... rex Francorum Parisleu eonsocator arnrrs ultra,:: annos. qui terms habueruu in Anglia. sic est affatus:.. Quieunque (! ] in rrgno n: eo con 'rsatur. habrtu terms in Anglia. cunt nequeat quis compe.

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unter Aufgabe ihrer Ländereien und Einkünfte in England für ihre Besitzungen in Frankreich entschieden, andere umgekehrt459. Auf diese Nachricht hin habe Englands König alle aus dem französischen Reich und besonders die Normannen hinsichtlich ihrer Ländereien in England enteignen lassen460. Dem König der Franzosen sei dies wie ein Bruch ihres Waffenstillstands erschienen; habe doch im Unterschied zu ihm der König der Engländer den Betroffenen nicht freigestellt, welchem von beiden Kö- nigen sie sich anschließen wollten461. Doch habe Ludwig IX. keinen Krieg vom Zaun brechen wollen, da er nach seiner Rückkehr aus Poitiers körperlich sehr geschwächt gewesen sei; er habe sich verstellt und die Angelegenheit übergangen, ja, sich sogar bemüht, die ungestümen Beschwerden der Normannen und ihre Begier, gegen den König Englands Krieg zu führen, zu unterdrücken46z Auch an einer anderen Front kam es zu deutlichen Reaktionen: Englands König Hein-

rich III. hat über die Antwort auf das Vorgehen König Ludwigs IX. von 1244 hinaus

auch �einem Bischof von Durham sein Lehen (entzogen), weil (dieser) sein Lehns-

verhältnis zu Schottland nicht lösen wolltei463. Das wirkt wie das Schließen eines Kreises im Hinblick auf die Ligeität; denn über sie läßt sich folgendes resümieren: Um die Mitte des 11. Jahrhunderts ist Ligeität zur Abstufung von Mehrfachvasallitä-

ten in Frankreich entwickelt und schon seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts im

Nordwesten des römisch-deutschen Reichs - die ersten Belege datieren aus Lüttich

und dem Hennegau 1071 und aus Kamerich (frz. Cambrai) 1094 - zum Territorialauf- bau genutzt worden. In Frankreich wiederholte sich jedoch die Entwicklung des vorli- gischen Lehnswesens auch in ligischer Zeit: Wohl schon im 12. Jahrhundert wurden mehrere ligische Verhältnisse nebeneinander eingegangen, und als Frankreichs König im 13. Jahrhundert seine Stellung als dominus ligius ante omnies zu sichern suchte, drang er damit im Unterschied zu Englands Erobererkönig schon 1086 nicht ohne weiteres durch. Daß Mehrfach-Ligeität wie Doppelvasallität zum juristischen For-

menschatz der Neutralität geworden sei, ist eine Hypothese, die an dem tatsächlichen Erklärungsrecht und an der parteigebundenen Aufsagepflicht des Doppelvasallen

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tenter duobus dotninis sen-ire, vel penitus ntihi vel regi Anglia: inseparabiliter adhareat. " Unde ...; Matthei Parisiensis Chronica Maiora zu 1244 (in: Rolls Series [57] IV, 1877) S. 288. Unde aliqui, terras et redditus habentes in Anglia, eas relinquentes, possessionibus quas habebant in Francia, adlursent. aliqui e converso. Super...; ebd., Interpunktion leicht ergänzt. Super quo certificatus, rex Anglia, ones de regno Franciw, pracipue Noraannos, iussit terris suis, quas in Anglia habuerunt, disseisiri. Unde ...; ebd. mit leicht veränderter Zeichensetzung. - Im Text steht tatsächlich disseisiri, nicht dissaisiri; vgl. Dictionary of Medieval Latin from British Sources 3(London 1986) S. 693 Sp. 3. Unde regi Franconun videbatur, quod rex Anglorunt, quia non in adoptionent eorunz statuit conditio- nent terris hint vel rode Buis privandonun, ut ad alterutrum region transinigrarent libere, sicut et ipse rex Francorum fecerat, treugas initas inter eos confregisset. Sed ...; Matthaei Paris. Chron. Mai. zu 1244S288. Sed quia nimis corpore debilitatus post reditum saun de Pictavia fuerat, noluit certanina suscitare, inato potius dissinndando pertransire, et impetuosas Nortnantorunt querelas et insurgendi in regem Anglia proterviam et avidan voluntatea reprimere satagebat; ebd., Zeichensetzung etwas vereinfacht. Mitteis, Staat (1953) 5.432.

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beim Konflikt zwischen seinen Lehnsherren vorbeigeht. Daneben gab es im englisch- schottischen Grenzbereich das Residenz- und Aufenthaltsargument: Der �mehrfache" Lehnsmann hatte demjenigen Herrn zu folgen, in dessen Herrschaftsbereich er resi- dierte oder sich vornehmlich aufhielt. Um dem Erklärungsrecht der Doppelvasallen vorzubeugen, ist in Frankreich und England seit 1244 unter Zuhilfenahme von Mt VI 24 und Lk XVI 13, wonach

�niemand zwei Herren dienen" könne, englisch-französische Doppelvasallität regel- recht verboten und das Verbot auch durchgesetzt worden. Insgesamt zeichnen sich nach vorstehenden Überblicken ein Gesamteindruck und drei Hypothesen ab: Verglichen mit den Verhältnissen im Innern von Reichen waren Mehrfachvasallitäten in Grenzregionen ungleich eingeschränkter verbreitet und wiederholt politisch uner- wünscht. Insofern ist der Saum-, Streu- oder auch Osmosecharakter mittelalterlicher Grenzen in Westeuropa lediglich Indiz allgemein geringerer und je unterschiedlicher Verwaltungsintensität von Zentralgewalten, und zwar im Vergleich mit jüngeren Geschichtsperioden. Gleichwohl: 1) Reicheübergreifende Doppel- oder gar Mchrfachvasallitäten lassen sich in Grenz-

regionen West- und Nordwesteuropas wiederholt beobachten und dürften zu deren Interferenzcharakter beigetragen haben.

2) Wo Landbesitz als dingliches Substrat diente, drängte sich jeweils eine Lehn- spyramide als Verfassungsstruktur von eincm der beteiligten Reiche in den Vordergrund.

3) Um den damit verbundenen Konsequenzen für Herrschaftsbereiche geographi- schen Charakters zu entgehen, sind seit dem 13. Jahrhundert Geldlehen benutzt worden.

Welche allgemeinhistorischen Perspektiven sind zu beachten? Als klassische Zeit des Lehnswesens gilt vielfach das 10. -13. Jahrhundert', wenn dabei auch das territoriale Lehnswesen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit unterbewertet zu werden drohe'. Eine besondere westeuropäische Ausprägung des Lehnswesens ist von der Forschung für Frankreich, England und Deutschland festgestellt worden". Einzubeziehen ist das Königreich Burgund: Wie Lotharingien 925 war es 1033 durch vasallitische Kommendation an den deutschen König gelangt, auch wenn Kaiser °67

464 Gans hof /Grob (1961) S. XVI, 65 u. ö: Gerhard Thcuer kauf , land- und Lehnswe- sen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert

... des Hochstifts Münster ... (= Neue Münstcrsche Ileitr'. ige zur Geschichtsforschung 7, Köln/Graz 1961) S. 16f. -Spicß, Lehnsrecht der Pfalzgrafen bei Rhein (1978)S. 2.

465 Theuerkauf (1961) S. 18f. und 88ff. -Diestc1ka nt p, Lehnrecht Katzcnclnbogcn (1969) S. 2f. u. ö., zusammenfassend S . 279f. -SpicB, Lchnsrccht der Pfalzgrafen bei Rhein (1978) S. 2f. und 260-64.

466 GanshofIG roh (1961)S. 65-69. 467 HUbinger, Ausdehnungspolitik (1990) S226f.

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Konrad II. diesen Titel gerade nicht führte. Das Königreich Burgund - nicht das Herzogtum - war seit den 30er Jahren des 11. Jahrhunderts auf der Königsebene

�durch Personalunion (mit) Deutschland" verbunden, stand aber �in seiner [sozial- geschichtJlichen Entwicklung Frankreich sehr nahe"468. Aus systematischem Gesichtswinkel ist schließlich auch auf jene reicheübergreifen- den Doppelvasallitäten zu achten, durch welche Persönlichkeiten von überregionaler,

wenn nicht gar europäischer Bedeutung gewonnen, honoriert, einbezogen werden sollten - unabhängig davon, ob sie in Grenzregionen verwurzelt waren oder nicht. Da

mochten sich viele Motive überschneiden - beim Lehnsherrn ebenso wie beim Lehnsmann. Graf Eberhard I. von Katzenelnbogen (j' 1311) konnte sich mindestens 2x 250 Pfund Sterling erhoffen, als er im November 1294 Englands König Eduard dem I. seine Burgen Homburg und Steinheim zu Lehen auftrug469. Auf Heinrich von Grosmont ( 1361) war bereits 7° hingewiesen worden. Ein fast exakter Zeitgenosse

war, wenn auch noch nicht völlig grenzfern, Wilhelm V. von Jülich, um 1299 gebo- ren"' und 1328 als Graf Nachfolger seines Vaters Gerhard V. (1297-1328); er konnte

sich seit 1336 auch Markgraf nennen und sollte 1356 gar die erbliche Herzogswürde

erlangen472.1340 hat ihn König Eduard III. zum Grafen von Cambridge und Peer (paris regne erheben lassen, und ein einheimischer Nachfolger ist für ihn tatsächlich

erst nach seinem Tod vom Februar 1361 ernannt worden, nämlich 1362 XI in Gestalt

von König Eduards III. fünftem Sohn Edmund aus Langley. Herzog Wilhelms V. Sohn Wilhelm VI. (1361-93) mag gar erst Mitte Juni 1366 formell auf den Cambrid-

ger Titel verzichtet haben473. Wilhelms V. �überragende

Rolle" auf Europas politi- scher Bühne473 war kaum abzusehen gewesen, als er 1317, noch nicht einmal regie- render Graf, in der Person von Johanna (t 1374) eine Tochter Graf Wilhelms III. von Holland, Seeland und Hennegau (1304-37)475 ehelichte; und doch wurde er dadurch

später Schwager zunächst des Römerkönigs Ludwig des Baiern (1314-47, zweite Eheschließung 1324) und dann auch König Eduards III., als diesen 1326/28 seine Mutter und ihr Liebhaber mit Johannas Schwester Philippa (t 1369) verheirateten476.

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Ganshof1Groh (1961) S. 67 mit �in seiner gesellschaftlichen Entwicklung". Kienast,... im Dienste der Westmächte 1(1924) S. 18, geringfügig zu korrigieren mit De- mandt, Regesten Katzenelnbogen 1(1953) S. 152f. Nrn. 370ff. Oben bei A. 287. Hdb. (31986)S. 453. -Ordnungszahlnach Isenburg/Freytag von Loringho- ven 1(1953) Taf. 187. Köb1er, Histor. Lex . (4 1992) S. 293 Sp. 2. - Wolfgang Herborn, Jülich (in: Lex. des MA. 5 IV, 1990) Sp. 803 und 804. - Georg Droege, Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter (Bonn 1969) S. 163f. Trautz, 1272-1377(1961)S298f. - I senburg/Freytag von Loring- hovenI Taf. 187. - Hdb. (31986) S. 453 mit A. 6 gegen TrautzS. 403 mit A. 408. Herborn, Jülich (1990) Sp. 804. Isenburg/Freytag von Loringhoven 1(1953)Taf. 187und2(1953)Taf. 5. - Strubbe/Voet (1960) S. 367 und 370. Isenburg/Freytag von Loringhoven 2(1953)Taf. 5und60. -Hdb. (31986) S. 39. -0rmrod. Reign of Edward 111 (1990) S. 6 und 43.

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Angesichts seines Durchsetzungsvermögens, aber auch seines diplomatischen Ge-

schicks agierte der Markgraf von Jülich beispielsweise als eine der �Hauptstütze(n) der großen Koalition von 1337", in der Kaiser Ludwig der Baier, König Eduard 111., Kurpfalz und niederländische Fürsten zusammengeführt wurden". Obgleich auch Lehnsmann des französischen Königs, war er doch für seine Schwäger und insbeson- dere den Kaiser lebenslang ein zuverlässiger Bundesgenosse78. - Ich breche hier ab und erlaube mir die vergleicheheischende Frage: Wie steht es hinsichtlich der vorge- tragenen Sachverhalte und der vorherrschend elastischen Konzeptionen grenzüber- greifender Doppelvasallität in anderen Grenzregionen?

477 Trautz. 1272-1377 (1961) 5.411 mit den Details ebd. S. 23945. 478 Vgl. Oswald Rcd1ich in: Allgemeine Deutsche Biographie 43(1898) S. 97. - Manuskript abge-

schlossen am 17. V1.1993; Nachträge am 16.111.1996.