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Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

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Page 1: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Hermeneutische Methoden

Textinterpretation

und

wissenschaftlicher Diskurs

Page 2: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Interpretation von Texten Schulwissen

Einleitung Inhaltsangabe Interpretationshypothese Formale Analyse Interpretation Schluss

Literaturkritische Interpretation Close Reading Textimmanente Interpretation Marxistische Textinterpretation New Historizism (...)

Kommentar vs. Text Primär: Diskussionsgegenstand Sekundär: Diskurs (Wird aber Hauptaugenmerk!)

Page 3: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Interpretation von Texten Schulwissen

Einleitung Inhaltsangabe Interpretationshypothese Formale Analyse Interpretation Schluss

Literaturkritische Interpretation Close Reading Textimmanente Interpretation Marxistische Textinterpretation New Historizism (...)

Kommentar vs. Text Primär: Diskussionsgegenstand Sekundär: Diskurs (Wird aber Hauptaugenmerk!)

Page 4: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Beispiele moderner Systematiken

Ralf Bohnsack Hermeneut. Wissenssoziologie / dokumentarische Methode

Michel Foucault Diskursanalyse

Philipp Mayring Qualitative Inhaltsanalyse

Ulrich Oevermann Objektive Hermeneutik

Siegfried Jäger Kritische Diskursanalyse

Page 5: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Hermeneutische Wissenssoziologie

Begründer: Hans Georg Soeffner

Weiterentwickelt durch Hitzler, Honer, Reichertz, ...

Rekonstruktion jeder Form gesellschaftlicher Interaktion

Frameanalyse

Page 6: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Frameanalyse

Quelle: http://forum.longshine.de/bilder/09071411.gif

Erlernte Erfahrungs-schemata

Eigener Wissens-vorrat

Primäre Rahmen Allgemein Ursprünglich Unmittelbar Normalitätsvorstellung Einordnung

Modulation

Page 7: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Grounded Theory Forschungsstil & Strategie der

Theoriegenerierung

Methodik zur Entwicklung einer datenverankerten Theorie

Grundlage: Symbolischer Interaktionismus

Menschliches Handeln und Interaktion zentral

Page 8: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Grounded Theory Dialogcharakter

Vielfalt an Erhebungsmethoden

Theoretical Sampling

Sättigungsprinzip

Theoretisches Kodieren

Feinanalyse

Kodierschemata

Theorie als Begriffsnetz

Page 9: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

FeinanalyseAuszug aus einem Interview zum Thema Gesundheit:Also-ick 1/ verbinde 2/ persönlich 3/ mit Gesundheit 4/: die vollständige Funktionstüchtigkeit 5/ des menschlichen Organismus 6/, alle 7/ die darein eingeschlossenen 8/ biochemischen Prozesse 9/ des Organismus 10/, alle Kreisläufe 11/, sowie aber auch 12/ den psychischen Zustand 13/ meiner Person 14/ und des Menschen überhaupt 15/ ...

1/ der Startschuss, einleitend2/ Zusammenhänge herstellen3/ Bezugnahme auf sich verstärkend, abgrenzend zu anderen, landestypische Floskel?, er muss nicht erst suchen4/ siehe 2, Aufgreifen der Fragestellung5/ technisch, gelernt, technischer Lehrbuchausdruck, Maschinenmodell, Normhaftigkeit, Normdenken, genormter Anspruch (wer nicht voll funktioniert ist krank)Kodes: Funktionstüchtigkeit, normativer Anspruch6/ distanzierend, allgemein, Widerspruch zur Einleitung (Ankündigung einer persönlichen Vorstellung), Lehrbuch, Bezug auf Mensch, aber als MaschineKode: mechanistisches Menschenbild7/ vollständig, allumfassend, maximal, keine Differenzierung, Gleichgewichtigkeit8/ Gefängnis, abgeschlossenes System, es gibt auch was außen, passiv, fremdgesteuert, Möglichkeit der Eigendynamik des Eingeschlossenen9/ Lehrbuchkategorie10/ siehe 611/ umfassend; Maschinenmodell, Regelkreis, Ablauf nach Regeln, Gegenteil von ChaosKode: mechanistisch-somatische Gesundheitsvorstellung12/ Ergänzung, neuer Aspekt im Gegensatz zu vorher Gesagtem, zum Gesundheitsbegriff gehören zwei (oder mehr) voneinander verschiedene DingeKode: Mehrdimensionalität13/ mechanistisch, negativer Beigeschmack, Missstand, statisch («wie ist denn sein Zustand? ») 14/ spricht Persönliches an, schafft aber gleich wieder Distanz, spricht sehr sachlich von dem, was ihn betrifft, Abwehr von zuviel Nähe zur Interviewerin und zu sichKode: Schwanken zwischen persönlicher und allgemeiner Ebene15/ allgemein, abstraktes Bild von Menschen, Normhaftigkeit, Singularität einfacher zuüberblickenKode: Distanz

Aus: Flick, U. (1995). Qualitative Forschung. Reinbek: Rowohlt, S. 199

Page 10: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Kodierschemata

Phänomen

Konsequenzen

Ursächliche Bedingung

Strategien

Kontext

Grafik nach: http://userpage.fu-berlin.de/~sruehl/ablauf/ablaufss05/7_legewie_gt.pdf

Page 11: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Text und Diskurs (Auswahl)

Qualitative Inhaltsanalyse

Objektive Hermeneutik

Grounded Theory

Kritische Diskursanalyse

TEXT

DISKURS

Analyse

Page 12: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Qualitative Inhaltsanalyse

Philipp Mayring: Qualitative Inhaltsanalyse, FQS, Vol1, No 2, Art. 20, Juni 2000

Grundkonzepte: Einordung, Regelgeleitetheit, Zentralkategorien,Gütekriterien

Vorgehen: Induktive Kategorienentwicklung – deduktive Kategorienanwendung

Page 13: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Induktive Kategorienbildung

Gegenstand, Fragestellung

Schrittweise induktive Kategorienbildung aus Material heraus in Bezug auf Definition und AbstraktionsniveauSubsumption unter alte Kategorien oder Kategorienneubildung

Festlegung von Kategoriendefinition (Selektionskriterium) und Abstraktionsniveau für die induktive Kategorienbildung

Überarbeitung der Kategorien nach ca. 10 – 50 % des Materials

Endgültiger Materialdurchgang

Auswertung, ev. quantitative Analysen (z.B. Häufigkeiten)

Formative Reliabilitätsprüfung

Summative Reliabilitätsprüfung

Aus: Mayring, Philipp, Qualitative Inhaltsanalyse, Forum Qualitative Sozialforschung 1.Jg. Nr. 2, 06/2000

Page 14: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Deduktive Kategorienanwendung

Gegenstand, Fragestellung

Theoriegeleitete Formulierung von Definitionen, Ankerbeispielen und Kodierregeln

Zusammenstellung zu einem Kodierleitfaden

Theoriegeleitete Festlegung der Strukturierungsdimensionen als Haupt- und ev. Unterkategorien

Überarbeitung der Kategorien und des Kodierleitfadens

Endgültiger Materialdurchgang

Auswertung, ev. quantitative Analysen (z.B. Häufigkeiten)

Formative Reliabilitätsprüfung

Summative Reliabilitätsprüfung

Aus: Mayring, Philipp, Qualitative Inhaltsanalyse, Forum Qualitative Sozialforschung 1.Jg. Nr. 2, 06/2000

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Kategorie & KodierleitfadenKategorie Definition Ankerbeispiele Kodierregeln

K1:

Hohes Selbstvertrauen

Hohe Subjektive Gewissheit, mit Anforderung gut fertig geworden zu sein, d.h.

-Klarheit über die Art der Anforderung und deren Bewältigung

-Positives, hoffnungsvolles Gefühl beim Umgang mit der Anforderung,

-Überzeugung, die Bewältigung der Anforderung selbst in der Hand gehabt zu haben

„Sicher hat‘s mal ein Problemchen gegeben, aber das wurde dann halt ausgeräumt, entweder von mir oder vom Schüler, je nachdem, wer den Fehler gemacht hat. Fehler macht ja ein jeder.“ (17, 23)

„Ja klar, Probleme gab‘s natürlich, aber zum Schluss hatten wir ein sehr gutes verhältnis, hatten wir uns zusammengerauft.“ (27,33)

Alle drei Aspekte der Definition müssen in Richtung „hoch“ weisen, es soll kein Aspekt auf nur mittleres Selbstvertrauen schließen lassen

Sonst Kodierung „mittleres S.“

K2:

Mittleres Selbstvertrauen

Nur teilweise oder schwankende Gewissheit, mit der Anforderung gut fertig geworden zu sein

„Ich hab mich da einigermaßen durchlaviert, aber es war oft eine Gratwanderung.“ (3,55)

(...)

Wenn nicht alle drei Definitionsaspekte auf „hoch“ oder „niedrig“ schließen lassen

K3:

Niedriges Selbstvertrauen

Überzeugung, mit der Anforderung schlecht fertig geworden zu sein, d.h.

-Wenig Klarheit über die Art der Anforderung,

-Negatives, pessimistisches Gefühl beim Umgang mit der Anforderung

-Überzeugung, den Umgang mit der Anforderung nicht selbst in der Hand gehabt zu haben.

„da hat mein Selbstvertrauen getroffen; da bin ich gemeint, ich bin eine Null – oder ein Minus.“ (5,34)

Alle drei Aspekte deuten auf ein niedriges Selbstvertrauen, auch keine Schwankungen erkennbar

Auffächerung einer Variablen, Beispiel nach Mayring, 200810

Page 16: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Anwendungsbeispiele

Sandro VICINI (1993) 14 offene Interviews, ErziehungsberaterInnen

Christa GERWIN (1994) 21 LehrerInnen, offene Tagebuchstudie

BECK / VOWE (1995) 25 Medienprodukte, Argumentationsmuster zu Multimedia

Joachim BAUER (1998) 12 Alzheimer Patienten, typisch biographische Muster

Mayring et al. (2000) 50 Interviews, arbeitslose LehrerInnen (Chancen & Risiken)

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Einschränkungen und Grenzen

Kategoriengrenze offene explorative variable Fragestellung

AufbaugrenzeStudie fordert ganzheitlichen nicht zergliedernd-schrittweisen Aufbau

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Objektive Hermeneutik

Ulrich Oevermann: Klinische Soziologie auf der Basis der Methodologie der Objektiven Hermeneutik – Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung, März 2002, Quelle: www.ihsk.de (09.11.2010)

Grundkonzepte: latente Sinn und objektive Bedeutungsstrukturen, Sinn und Stochastik, Ausdruck und Protokoll, Objektivität, Sequenzialität

Vorgehen: Erzeugungsregeln - Fallstuktur

Page 19: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Sequenzanalyse

Genaue Bestimmung des Ablaufs durch gedankenexperimentelle Explikation

Gegenstandsbezogene Anpassung an das reale humansoziale Geschehen

Jederzeitige strenge Falsifikationskriterien der kummulativ aufgebauten Fallrekonstruktionen

Page 20: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Strukturgeneralisierung

Jede Fallrekonstruktion Offene Fallbestimmung Konkrete Fälle sind in höher aggregierte Fallstrukturen

eingebettet Erfahrungen über die Geltung und Nichtgeltung von

Regeln der Sinnerzeugung Fallrekonstruktionen können als Ergebnis sozialer

Erneuerung aufgefasst werden Möglichkeit der Generalisierung mit praktischer Wirkung Möglichkeit der Transformation bzw. Etablierung neuer

sozialer Normierungen

Page 21: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Methode

Sequenzen maximal kontrastierender Fälle Keine Stichproben! Datenerhebung: nicht nur die aus der Erhebung

gewonnenen Daten, sondern auch von der Untersuchungswirklichkeit hergestellten Texte berücksichtigen

Problem der „Verdichtung“, bzw. „dichten Beschreibung“ Datenauswertung: starke Trennung von

Datenerhebung, Rekonstruktionslogik

Page 22: Hermeneutische Methoden Textinterpretation und wissenschaftlicher Diskurs

Ablaufmodell der O. H.

Quelle: http://qsf.e-learning.imb-uni-augsburg.de/node/778 (12.10.2010) nach: Mayring, Philipp, Einführung in die Methoden der qualitativen Sozialforschung, Beltz, Weinheim 2002, S. 125.

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Einschränkungen und Grenzen

Praxisgrenze

Routinierte Intervention

Normalablauf

Supervisionsfall

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Weitere Methoden (Auswahl)

Konversationsanalyse Basis: Alltagsgespräche, Telefonate, etc. Dzt.: Massenmedien, Gutachten

Diskursanalyse Psychosoziale Phänomene als diskursive Phänomene Hintergrund: Sozialer Konstruktivismus

Narrative Analyse Analyse des subjektiven Sinns Verfahren: narratives Interview Vorwiegend Biographieforschung (aber auch anderes)

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Narrative Analyse Analyseverfahren

Narrative Interviews – Ereignisse Narrative Daten - Lebenskonstruktionen

Ereignisrekonstruktion Formale Textanalyse Strukturelle Beschreibung Gesamtformung Wissensanalyse Kontrastive Vergleichsphase Konstruktion eines theoretischen Modells

Lebenskonstruktion Transkription des Interviews Darstellung des Textes als Einheit Unterteilung in Schlüsseleinheiten Sprachliche und interpretative Analyse jeder Einheit Serielle Entfaltung und Interpret. Der Bedeutungen für Subjekte Entwicklung einer Arbeitsinterpretation des Textes Überprüfung der Hypothese (folgende Textabschnitte) Begreifen des Textes als Ganzheit und Darstellung der div. vorkommenden

Interpretationen

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Welches Thema - welche Methode(n)?

Untersuchungsgegenstand Fragestellung Thesen

Beispiel: Radikalisierung Jugendlicher

Beim nächsten Mal – Bearbeitung indiv. Themen!

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Fragen?