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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Hessen und der Brexit – Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft

Hessen und der Brexit – Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft · 2018-01-08 · Der Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main als attraktive Alternative zu London als Finanzplatz innerhalb

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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

Hessen und der Brexit – Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft

Herausgeber:

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

Kaiser-Friedrich-Ring 7565185 Wiesbaden

www.wirtschaft.hessen.de

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Hessen und der Brexit:Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft

Dr. Alexander Werner

Dr. Claus Bauer

Gergana Petkova

Prof. Dr. Johannes Harsche

HA-Report Nr. 939

Wiesbaden 2017

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IMPRESSUM HERAUSGEBER Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung BEARBEITUNG HA Hessen Agentur GmbH KONTAKT HA Hessen Agentur GmbH Konradinerallee 9 65185 Wiesbaden Tel +49 611 95017-80 /-85 Fax +49 611 95017-8466 [email protected] VERFASSER Dr. Alexander Werner, Dr. Claus Bauer, Gergana Petkova, Prof. Dr. Johannes Harsche STAND April 2017 HINWEISE ZUR VERWENDUNG Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Ein-legen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig da-von, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw. personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer/Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gel-ten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter. Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten. DRUCK Hessisches Statistisches Landesamt AUFLAGE 500 BESTELLUNG Download unter www.hessen-agentur.de/mediathek

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Hessen und der Brexit: Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft

Inhalt Seite

Vorwort I 

1  Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung 1 

2  Vereinigtes Königreich im Überblick 3 

2.1  Geopolitische Lage und Bevölkerung 3 

2.2  Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsentwicklung 5 

2.3  Außenwirtschaftliche Beziehungen des Vereinigten Königreichs 11 

3  Außenwirtschaftliche Beziehungen zwischen Hessen und dem

Vereinigten Königreich 14 

3.1 Außenhandel 14

3.2 Direktinvestitionen 24

4  Brexit: Verhandlungen, Austrittsszenarien und Auswirkungen 30 

4.1 Ablauf und Auswirkungen der Verhandlungsphase 30

4.2 Austrittsszenarien 31

4.3 Brexit-Folgen aus der Sicht von ökonomischen Studien 33

4.4 Brexit-Folgen aus der Sicht von Unternehmensbefragungen 35

5  Befragung hessischer Unternehmen zum Brexit 38 

5.1 Zielsetzung und Methodik der Unternehmensbefragung 38

5.2 Erwartungen der hessischen Unternehmen an die Brexit-

Verhandlungen und das Verhandlungsergebnis 41

5.3 Auswirkungen des Brexit auf hessische Unternehmen und ihre

Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich 44

5.4 Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich –

Auswirkungen und Risiken des Brexit sowie Stand der Vorbereitung 54

5.5 Auswirkungen des Brexit auf den Wirtschaftsstandort Hessen 67

6  Brexit-Aktivitäten des Landes Hessen 74 

7  Zusammenfassung und Fazit 77 

Abbildungsverzeichnis 81 

Tabellenverzeichnis 83 

Literaturverzeichnis 84 

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

I

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

das beabsichtigte Ausscheiden Großbritan-

niens aus der EU nach Jahrzehnten europä-

ischer Integration ist nicht nur eine politische

Zäsur, sondern auch eine ökonomische.

Auch für unser Bundesland wird der Brexit

spürbare Auswirkungen haben, denn die

wirtschaftlichen Beziehungen sind eng. Das

Vereinigte Königreich ist derzeit mit einem

Handelsvolumen von 7,8 Mrd. Euro unser

fünftwichtigster Außenhandelspartner. Hes-

sische Investoren haben mehr als 20 Milliarden Euro im Vereinigten Königreich investiert,

und in Hessen gibt es allein in der Realwirtschaft mehr als 350 Unternehmen mit britischem

Kapitalhintergrund.

Daher stellt sich die Frage, wie die Auswirkungen für die hessischen Unternehmerinnen

und Unternehmer konkret aussehen werden. Antworten liefert die vorliegende Studie, für

die knapp 4.100 hessische Unternehmen um ihre Einschätzung gebeten wurden. Dabei

wurden Sorgen geäußert – etwa vor der Errichtung von Handelsbarrieren und der Ein-

schränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit – aber es werden auch Chancen gesehen. So

erwarten die Unternehmen, dass der Finanzplatz Frankfurt vom Brexit profitieren wird.

Die Landesregierung wird die hessische Wirtschaft dabei unterstützen, die mit dem Brexit

verbundenen Herausforderungen zu meistern und die Chancen zu nutzen. Sie hat im Som-

mer 2016 rasch auf den Ausgang des Referendums reagiert und zahlreiche Maßnahmen

gestartet. Dazu zählt in erster Linie eine intensive Werbung für den Standort Hessen – im

Vereinigten Königreich, aber auch in anderen Ländern.

Ich bedanke mich bei allen Unternehmen, die uns mit ihren Beiträgen zu dieser Umfrage

einen detaillierten Blick auf die Auswirkungen des Brexit in Hessen ermöglicht haben, und

wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Tarek Al-Wazir,

Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

1

1 Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

Die britische Regierung hat am 29. März 2017 gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags offiziell

bekundet, dass das Vereinigte Königreich (UK) aus der Europäischen Union (EU) austreten

will. Damit wird dem Ergebnis der Volksabstimmung vom Juni 2016, bei der 51,9 % der

Wähler im UK für den sogenannten Brexit votierten, Rechnung getragen.

Wie lange die Austrittsverhandlungen dauern werden, wie das Austrittsabkommen im Detail

gestaltet sein wird und wie erfolgreich letztlich eine Neupositionierung des Landes außer-

halb der EU sein kann, lässt sich nur schwerlich vorhersagen. Klar ist jedoch, dass ein

Austritt der drittgrößten Volkswirtschaft der EU nicht nur für das UK selbst, sondern auch

für andere Länder über die unterschiedlichsten Transmissionskanäle vielfältige Auswirkun-

gen mit sich bringen wird. Die Bandbreite reicht von wechselkurs- oder konjunkturbedingt

geringeren Exporten in das UK über einen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen

in das UK – der sich in einer Verlagerung von Arbeitsplätzen weg von der „Insel“ äußern

könnte – bis hin zu Worst-Case-Szenarien wie dem Austritt weiterer EU-Mitglieder. Auswir-

kungen werden zudem keineswegs erst nach dem Austritt eintreten, sondern der Brexit wirft

aufgrund der bestehenden Unsicherheiten bereits seine Schatten voraus.

Hessen verfügt als ausgesprochen international ausgerichteter Standort über intensive

Wirtschaftsbeziehungen zum UK. Dies gilt nicht nur für den Außenhandel, sondern auch für

die ausgeprägten Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und dem UK. Über die

Herausforderungen, vor denen etwa ein hessischer Exporteur steht, für den das UK ein

wichtiger Absatzmarkt ist, sind jedoch auch die Chancen für Hessen nicht zu übersehen.

Der Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main als attraktive Alternative zu London als Finanzplatz

innerhalb der EU ist hierfür das herausragende Beispiel – und bildet folglich einen derzeiti-

gen Schwerpunkt der Brexit-Aktivitäten der Hessischen Landesregierung.

Vor diesem Hintergrund hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und

Landesentwicklung die Hessen Agentur mit der vorliegenden Untersuchung beauftragt. De-

ren Ziel ist es, Aufschluss über die möglichen Folgen des Brexit für Hessen zu erhalten und

damit auch Ansatzpunkte für die Landespolitik zu ermitteln – um einerseits Risiken des

Brexit zu minimieren und andererseits sich eröffnende Chancen wahrzunehmen.

Die Studie gliedert sich wie folgt:

Im sich anschließenden Kapitel 2 werden in Form eines Länderprofils grundlegende Infor-

mationen zum UK gegeben (z.B. Bevölkerung, Wirtschaftsstruktur) und die Entwicklung der

britischen Volkswirtschaft anhand von Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt oder Arbeitslo-

sigkeit skizziert. Darüber hinaus wird auf die außenwirtschaftlichen Verflechtungen des Ver-

einigten Königreichs (Außenhandel und Direktinvestitionen) eingegangen.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

2

Gegenstand des Kapitels 3 ist eine detaillierte Analyse der außenwirtschaftlichen Verflech-

tungen zwischen Hessen und dem UK. Struktur und Entwicklung des Außenhandels wer-

den untersucht, getrennt nach Einfuhr und Ausfuhr und jeweils differenziert nach den wich-

tigsten Gütergruppen. Nicht nur der Außenhandel als traditionelle grenzüberschreitende

Verflechtung ist Untersuchungsgegenstand, sondern auch die Struktur und die Entwicklung

der hessischen Direktinvestitionsbeziehungen zum UK werden einbezogen. Als Vergleichs-

maßstab wird jeweils die Bundesebene herangezogen.

Kapitel 4 gibt einen Überblick über mögliche wirtschaftliche Auswirkungen des Brexit sowie

der Verhandlungsphase. Nach einer Diskussion denkbarer Verhandlungsergebnisse bzw.

Austrittsszenarien werden ausgewählte Modellrechnungen und Befragungen vorgestellt,

wobei der Fokus nicht auf dem UK, sondern auf den Auswirkungen für Deutschland liegt.

Der zentrale Teil der vorliegenden Studie ist das Kapitel 5, in dem ein auf breiter Basis

stehendes, differenziertes Meinungsbild hessischer Unternehmen zum Brexit vorgestellt

wird. Die Durchführung und Auswertung einer bei rund 4.100 hessischen Unternehmen

durchgeführten Primärerhebung bildet die Grundlage dieses Kapitels. Der Fokus der schrift-

lichen Befragung liegt dabei auf hessischen Unternehmen mit Konzernmutter im UK sowie

auf hessischen Unternehmen, die Wirtschaftsbeziehungen zum UK (Export, Import, Toch-

terunternehmen im UK etc.) unterhalten. Die Befragung thematisiert nicht nur die Folgen

für die Unternehmen, sondern gibt u.a. auch Aufschluss über die möglichen Auswirkungen

des EU-Austritts für Hessen insgesamt.

In Kapitel 6 wird ein Blick auf die vielfältigen Brexit-Aktivitäten des Landes Hessen gewor-

fen. Eine Zusammenfassung in Kapitel 7 rundet die Studie „Hessen und der Brexit“ ab.

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2 Vereinigtes Königreich im Überblick

2.1 Geopolitische Lage und Bevölkerung

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland – im Folgenden kurz als Verei-

nigtes Königreich bzw. UK bezeichnet – ist der größte Inselstaat Europas (vgl. Abbildung

1). Das Vereinigte Königreich besteht aus der Hauptinsel Großbritannien,1 einem Teil von

Irland (Nordirland) und mehreren hundert weiteren kleineren Inseln.2 Der mit Abstand

größte der vier Landesteile ist England gefolgt von Schottland, Wales und Nordirland.

Das Vereinigte Königreich trat 1973 der Europäischen Union bei, die sich zum damaligen

Zeitpunkt aus den Gründungsstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg

und Niederlande zusammensetzte. Zeitgleich mit dem Vereinigten Königreich wurden auch

Irland und Dänemark in die EU aufgenommen. In den folgenden Jahrzehnten haben sich

insgesamt 28 Staaten innerhalb der EU organisiert. Nach dem Referendum zum EU-Austritt

des Vereinigten Königreichs am 23. Juni 2016 – 51,9 % der Wähler im UK stimmten für den

Brexit3 – hat das Vereinigte Königreich am 29. März 2017 den EU-Austritt offiziell beantragt.

Nun muss in Verhandlungen festgelegt werden, wie der Austritt umgesetzt und die zukünf-

tigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich ge-

staltet werden sollen. Am Ende des Prozesses wird voraussichtlich erstmals in der Ge-

schichte der Europäische Union ein Mitgliedsland diese wieder verlassen.

Das Vereinigte Königreich erreicht hinsichtlich der Größe etwa 70 % der Fläche und mit

65 Mio. Einwohnern knapp 80 % der Einwohnerzahl Deutschlands (vgl. Tabelle 1). Die Ein-

wohnerdichte liegt – bei großen regionalen Unterschieden – mit 266 Personen pro Quad-

ratkilometer über dem Wert Deutschlands (227) und weit über dem Wert für die gesamte

EU (117). Gemessen an der Einwohnerzahl ist das Vereinigte Königreich nach Frankreich

und Deutschland das drittgrößte EU-Mitglied.

Aufgrund des vergleichsweise niedrigen Durchschnittsalters im Vereinigten Königreich –

der Median liegt bei 40 Jahren und damit nicht nur unter dem Wert für Deutschland mit

knapp 46 Jahren, sondern auch unter dem EU-Durchschnitt von knapp 43 Jahren – und

des vergleichsweise hohen Anteils an jüngerer Bevölkerung wird für die Bevölkerungszahl

im UK ein Wachstum prognostiziert.

1 Insofern ist die Gleichsetzung des UK mit Großbritannien nicht korrekt, da sich die Bezeichnung Großbritannien nur auf die Haupt-insel bezieht.

2 Die Kanalinseln und die Isle of Man sind nicht Teil des Vereinigten Königreichs, sondern direkt der britischen Krone unterstellt. 3 Die Landesteile haben beim Referendum unterschiedlich abgestimmt: Während in Schottland und Nordirland die Mehrheit der Wäh-

ler (62,0 % bzw. 55,8 %) für den Verbleib in der EU votierten, stimmten in England 53,4 % und in Wales 52,5 % für den Brexit.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Abbildung 1: Europäische Union und Vereinigtes Königreich

Quelle: www.gadem.org für die Verwaltungsgrenzen, Darstellung der Hessen Agentur

In Langfristprognosen erreicht das Vereinigte Königreich bis zum Jahr 2030 einen Zuwachs

der Bevölkerung um 5 Mio. Personen, während für Deutschland eine stagnierende Entwick-

lung erwartet wird. Die aktuelle Bevölkerungsentwicklung wird jeweils durch die Zuwande-

rung – eines der Themen schlechthin im Kontext mit dem Brexit – beeinflusst. Im Gegensatz

zur langfristigen Prognose lag der Bevölkerungszuwachs hierdurch zuletzt für Deutschland

mit 1,2 % sogar höher als für das Vereinigte Königreich (0,8 %).

Bereits die nachstehenden Zahlen zur Bevölkerung verdeutlichen die beträchtlichen Kon-

sequenzen eines Brexit auf die zukünftige Gestalt der EU, denn deren Einwohnerzahl

würde sich um knapp 13 % verringern.

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Tabelle 1: Vergleich statistischer Kennzahlen: Vereinigtes Königreich, Deutschland und Europäische Union 2015

Vereinigtes Königreich

Deutschland Europäische

Union

Landesfläche in qkm 243.610 357.022 4.324.782

Bevölkerung, 1.000 Einwohner (01.01.2016, Eurostat) 65.383 82.162 510.088

Bevölkerungsdichte in Einwohner je qkm 266 227 117

Relative Bevölkerungsveränderung von 2014 bis 2015, in % 0,79 1,19 0,33

Prognostizierte Bevölkerung im Jahr 2030 70.113 79.294 k.A.

Lebenserwartung bei der Geburt (Frauen), Jahre (2014) 83,2 83,6 83,6

Lebenserwartung bei der Geburt (Männer), Jahre (2014) 79,5 78,7 78,1

Anteil der Alterskohorte 0 bis unter 15 Jahren an der Bevölkerung, in % 17,7 13,2 15,6

Anteil der Alterskohorte 15 bis unter 65 Jahren an der Bevölkerung in % 64,6 65,9 65,5

Anteil der Alterskohorte 65 Jahre und älter an der Bevölkerung, in % 17,7 21,0 18,9

Median Alter 40,0 45,9 42,4

Quelle: CIA Factbook, Eurostat, UN, Darstellung der Hessen Agentur

2.2 Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsentwicklung

Das Vereinigte Königreich ist als Mitglied der G74 eines der wirtschaftlich bedeutendsten

Länder weltweit und weist eine weit zurückreichende Wirtschaftsgeschichte auf. Es ist das

Ursprungsland der Industrialisierung und hat die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahr-

hunderten zeitweise geprägt. Letztlich ist hierdurch Englisch die weltweit bedeutendste

Sprache im internationalen Geschäftsverkehr, was bis heute einen wichtigen Standortvor-

teil des Landes darstellt. Das Vereinigte Königreich gilt als offene Volkswirtschaft mit hohem

Liberalisierungsgrad, die international traditionell für Marktwirtschaft und Freihandel eintritt.

Das UK erwirtschaftete in 2015 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,85 Mrd. US-Dollar, das

ist ein Anteil von 17,6 % des gesamten BIP der EU (vgl. Tabelle 2). Nur Deutschland er-

reicht mit 3,36 Mrd. US-Dollar bzw. 20,6 % einen noch höheren Anteil.5 Sowohl das UK als

auch Deutschland weisen ein BIP pro Einwohner auf, das deutlich über dem EU-Durch-

schnitt liegt. Für das UK ist der mit 80,0 % äußerst hohe Anteil des Dienstleistungssektors

am BIP kennzeichnend, der den bereits hohen Wert in Deutschland (69,1 %) nochmals

übersteigt.

4 Die „Gruppe der Sieben“ wurde 1975 als informelle Organisation der (zum damaligen Zeitpunkt) sieben wichtigsten westlichen Industrienationen gegründet.

5 Hierbei wird auf die international übliche Vergleichseinheit US-Dollar zurückgegriffen. Zu beachten ist, dass die jeweiligen Landes-währungen innerhalb der EU unterschiedliche Wechselkursentwicklungen aufweisen, wodurch sich der Anteil eines Landes am gesamten BIP deutlich verschieben kann.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

6

Tabelle 2: Vergleich volkswirtschaftlicher Kennzahlen: Vereinigtes Königreich, Deutschland und Europäische Union 2016

Vereinigtes Königreich

Deutschland Europäische

Union

BIP in Mio. US-Dollar (2015) 2.849 3.356 16.229

BIP je Einwohner (zu laufenden Preisen, in US-Dollar, 2015) 43.734 41.219 31.843

Veränderungsrate des BIP in Landeswährung zu konstanten Preisen 2016 ggü. 2015, in %

1,8* 1,7* 1,9*

Anteil des Primärsektors am BIP, in % 0,6* 0,6* 1,6*

Anteil des Sekundärsektors am BIP, in % 19,2* 30,3* 25,5*

Anteil des Tertiärsektors am BIP, in % 80,2* 69,1* 73,6*

* Schätzung

Quelle: CIA Factbook, Weltbank, Statistisches Bundesamt

Ein detaillierter Blick auf die Wirtschaftsstruktur des Vereinigten Königreichs (vgl. Abbildung

2) zeigt, dass das Verarbeitende Gewerbe mit 9,8 % einen sehr geringen Anteil an der

Bruttowertschöpfung des Landes einnimmt. Zum Vergleich: In Deutschland fällt der Indust-

rieanteil mit 22,8 % mehr als doppelt so hoch aus. Im Gegenzug sind insbesondere der

Anteil des Wirtschaftsabschnitts Handel, Gaststätten, Hotels mit 13,9 % gegenüber 11,3 %

und der Anteil der Sonstigen Dienstleistungen mit 54,9 % gegenüber 48,3 % deutlich höher

als in Deutschland. Ob man in diesem Kontext vom Niedergang der britischen Industrie

spricht, neutrale Begriffe wie den des Strukturwandels verwendet oder das Wachstum und

die große Bedeutung des britischen Finanzsektors6 hervorhebt, ist letztlich Ansichtssache.

Abbildung 2: Wirtschaftsstruktur im Vereinigten Königreich und in Deutschland – Anteile der Wirt-schaftssektoren an der Bruttowertschöpfung 2015

Vereinigtes Königreich Deutschland Legende

Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur

6 Laut Auswärtigem Amt (Hrsg.) (2016) erreicht der Anteil des Finanzsektors im UK 12 % der Bruttowertschöpfung (BWS). Zum Vergleich: Für Hessen bzw. Deutschland ergibt sich in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ein Anteil der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen von 7 % bzw. 4 %.

0,7% 3,5%9,8%

6,1%

13,9%

11,1%

54,9%

0,6% 3,1%

22,8%

4,6%

11,3%

9,2%

48,3%

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Bergbau und Versorgung

Verarbeitendes Gewerbe

Baugewerbe

Handel, Gaststätten, Hotels

Transport, Lagerei, Kommunikation

Sonstige Dienstleistungen (u.a.Finanzsektor, öffentlicher Sektor)

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7

Wie bereits erwähnt, liegt das nominale BIP des UK aktuell bei 2,85 Mrd. US-Dollar. Seit

1990, als das BIP bei etwa 1,09 Mrd. US-Dollar lag, ist es damit um rund 161 % angestie-

gen (vgl. Abbildung 3). Es ist damit stärker gewachsen als in Deutschland, das im gleichen

Zeitraum von 1,76 Mrd. US-Dollar auf 3,36 Mrd. US-Dollar, d.h. um 90 %, angestiegen ist.

Für das UK ist insbesondere ein deutlicher Anstieg des nominalen BIP zwischen 2001 und

2007 zu beobachten. Im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ging das BIP

2008 und 2009 deutlich zurück. Nach der anschließenden Erholung sank das nominale BIP

im Jahr 2015 wieder.

Abbildung 3: Nominales Bruttoinlandsprodukt des Vereinigten Königreichs 1990-2015 (in Mrd. US-Dollar)

Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur

Die teils starken Veränderungen des nominalen BIP in US-Dollar sind zu einem gewissen

Grad auf Schwankungen des Wechselkurses zwischen dem Britischen Pfund und dem US-

Dollar zurückzuführen (vgl. Abbildung 4). So liegt dem deutlichen Wachstum des nominalen

BIP ab dem Jahr 2000 zum Teil der Wertzuwachs des britischen Pfunds gegenüber dem

US-Dollar zugrunde. Ebenso ist die Ursache für den Rückgang in den Jahren 2008 und

2009 sowie am aktuellen Rand des Untersuchungszeitraums zum großen Teil der Wertver-

lust des Pfunds gegenüber dem US-Dollar.

Vor dem Hintergrund des Brexit ist die Entwicklung des Wechselkurses zwischen Euro und

Britischem Pfund von Interesse. Gegenüber dem Euro sank der Wert des britischen Pfunds

zwischen 2000 und 2009. Insbesondere in den Jahren 2003, 2008 und 2009 wertete das

Britische Pfund kräftig gegenüber dem Euro ab, während die Wechselkursschwankungen

von 2004 bis 2007 minimal waren. Aktuell sind die jährlichen Wechselkursschwankungen

zunehmend volatil. Während u.a. aufgrund der Probleme durch die Staatsschuldenkrise im

Euroraum der Wert des Britischen Pfunds in den Jahren 2014 und 2015 stieg, sank sein

Wert gegenüber dem Euro in 2016 auch als Folge der Brexit-Entscheidung deutlich.

0

500

1.000

1.500

2.000

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3.000

3.500

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Abbildung 4: Entwicklung des Wechselkurses von US-Dollar bzw. Euro pro Britisches Pfund

Quelle: Weltbank, Deutsche Bundesbank, Darstellung der Hessen Agentur

Das im internationalen Vergleich üblicherweise herangezogene nominale BIP in US-Dollar

spiegelt wie dargestellt neben der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes vor allem

Wechselkursschwankungen wider. Daher ist zur Bewertung der wirtschaftlichen Entwick-

lung des Vereinigten Königreichs das jährliche Wachstum des realen BIP heranzuziehen,

das in Abbildung 5 dargestellt ist. Hierbei wird die Entwicklung des BIP in der Landeswäh-

rung betrachtet – d.h. es finden keine Überlagerungen durch Wechselkurseffekte statt –

und es wird die in Abbildung 6 wiedergegebene Inflationsrate im Vereinigten Königreich

berücksichtigt. Das Vereinigte Königreich erlitt im Jahr 2009 im Zuge der weltweiten Krise

einen starken Rückgang des realen BIP von -4,2 %, der damit jedoch geringer ausfiel als

etwa in Deutschland (-5,6 %). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im UK die weltweite Krise

bereits im Jahr 2008 zu einem Rückgang von -0,5 % des BIP führte, während in Deutsch-

land noch ein Zuwachs von 1,1 % erreicht wurde. Hierin dürfte sich sowohl die engere Ver-

bindung vom UK und den USA als auch die höhere Bedeutung der Finanzwirtschaft im

Vereinigten Königreich gegenüber Deutschland widerspiegeln, sodass die vom Immobilien-

und Finanzbereich in den USA ausgehende Krise das Vereinigte Königreich früher er-

-0,7 -0,5

-14,5

2,0 3,1

-1,1

4,91,2

-2,3

-6,5-4,9

4,1

8,912,1

-0,7

1,2

8,7

-8,1

-15,3

-0,8

3,7

-1,4 -1,0

5,3

-7,2

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0,5

1,0

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5

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15

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2016

Jährliche Änderung in % Wechselkurs US-Dollar pro Britisches Pfund% US-Dollar proBritisches Pfund

-1,1

-9,1

2,0

-0,8

0,3

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2016

Jährliche Änderung in % Wechselkurs Euro pro Britisches Pfund% Euro proBritisches Pfund

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9

reichte. Im Hinblick auf die langfristige Entwicklung zeichnet sich die Wirtschaft des Verei-

nigten Königreichs allerdings durch ein stabiles und robustes Wachstum des realen BIP –

mit jährlichen Wachstumsraten von meist über 2 % seit Mitte der 1990er Jahre – aus.

Abbildung 5: Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts im UK 1990-2015 gegenüber dem Vorjahr

Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur

Während Anfang der 1990er Jahre die Preissteigerungsraten noch relativ hoch ausfielen

(vgl. Abbildung 6), bewegen sich die jährlichen Inflationsraten über nahezu den gesamten

Betrachtungszeitraum im Bereich zwischen 1 % und 3 %. Diese Höhe der Inflationsrate wird

von vielen Notenbanken weltweit als Zielgröße angestrebt, da sie gleichermaßen eine aus-

reichende Geldwertstabilität beinhaltet und einen gewissen Abstand zur Nullzinslinie auf-

rechterhält, wodurch konjunkturelle Maßnahmen der Notenbank ermöglicht werden (Weid-

mann 2015).

Abbildung 6: Jährliche Inflationsrate im UK 1990-2015 gegenüber dem Vorjahr (in %)

Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur

0,6%

-1,3%

0,4%

2,6%

4,0%

2,5%2,7%3,1%3,4%3,1%

3,8%

2,8%2,5%3,3%

2,5%3,0%2,7%2,6%

-0,5%

-4,2%

1,5%2,0%

1,2%

2,2%2,9%

2,3%

-5%-4%-3%-2%-1%0%1%2%3%4%5%

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

8,1

6,6

3,32,6

1,2

2,7

4,0

2,31,6

1,1

2,3

1,1

2,5 2,7 2,9 2,9 3,0 2,9 2,92,0

3,1

2,11,6

2,0 1,8

0,3

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

10

Der Arbeitsmarkt im UK hat sich seit Beginn der 1990er Jahre dahingehend günstig entwi-

ckelt, als dass sich die Arbeitslosenquote von in der Spitze 10,5 % im Jahr 1993 bis zum

Jahr 2008 auf 5,4 % reduziert hat (vgl. Abbildung 7). Im Gegensatz zum deutschen Arbeits-

markt, der sich im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise äußerst robust präsen-

tierte, stieg die Arbeitslosenquote des UK im Jahr 2009 um mehr als 2 %-Punkte gegenüber

dem Vorjahr auf 7,8 %. Bis 2012 verharrte die Arbeitslosenquote etwa auf diesem Niveau

und sank zuletzt wieder auf 6,3 % im Jahr 2014.

Abbildung 7: Arbeitslosenquote im Vereinigten Königreich 1991-2014 (in %)

Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur

Die Staatsverschuldung nahm während der Finanzkrise deutlich zu (vgl. Abbildung 8). Be-

trug sie zwischen 1990 und 2007 noch 30 % bis knapp 50 % des BIP, stieg diese Quote bis

zum Jahr 2015 auf 90 % an, – womit naturgemäß der Handlungsspielraum der öffentlichen

Haushalte z.B. in Bezug auf konjunkturelle Maßnahmen und Investitionen eingeengt wird.

Abbildung 8: Staatsverschuldung im Vereinigten Königreich 1990-2015 (in % am BIP)

Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur

8,5

9,910,5

9,88,7 8,3

7,26,2 6,0 5,6

4,8 5,2 4,9 4,7 4,85,5 5,4 5,4

7,8 7,9 7,8 8,07,5

6,3

0

2

4

6

8

10

12

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

0102030405060708090

100

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

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11

2.3 Außenwirtschaftliche Beziehungen des Vereinigten Königreichs

Das Vereinigte Königreich ist intensiv in den weltweiten wirtschaftlichen Austausch einge-

bunden. Die Exportquote – gemessen als nominaler Export bezogen auf das nominale BIP

– betrug im Jahr 2015 rund 16,4 %. Hierbei ist zu beachten, dass Dienstleistungsexporte

nicht berücksichtigt sind, was insbesondere für die stark auf Dienstleistungen ausgerichtete

britische Wirtschaft von Bedeutung ist.7 Der Export von Waren beläuft sich aktuell auf ein

Volumen von 466 Mrd. US-Dollar (vgl. Abbildung 9). Hierunter entfallen 69,4 Mrd. US-Dollar

auf die USA, die mit einem Anteil von 14,9 % den bedeutendsten Exportmarkt des Verei-

nigten Königreichs bilden. Mit 46,6 Mrd. US-Dollar und einem Anteil von 10,0 % liegt

Deutschland auf Rang 2 unter den Exportdestinationen des Vereinigten Königreichs.

Deutschland ist mit großem Abstand das wichtigste Herkunftsland von Importgütern im Ver-

einigten Königreich. Warenlieferungen im Wert von knapp 95 Mrd. US-Dollar stammen aus

Deutschland. Damit entfallen 15,0 % des gesamten Imports des UK in Höhe von 630 Mrd.

US-Dollar auf Deutschland. Weitere wichtige Herkunftsländer sind auf Rang 2 China mit

Importen im Wert von 63 Mrd. US-Dollar und auf Rang 3 die USA (58 Mrd. US-Dollar).

Abbildung 9: Exporte und Importe des UK 2005-2015

Export aus dem UK in Mio. US-Dollar Anteil der nach Deutschland exportierten Waren

Import in das UK in Mio. US-Dollar Anteil der aus Deutschland importierten Waren

Die wichtigsten Exportdestinationen in 2015 Die wichtigsten Herkunftsländer in 2015

Rang Land Mio. US-Dollar Anteil in % Rang Land Mio. US-Dollar Anteil in %

1 USA 69.381 14,9 1 Deutschland 94.348 15,0

2 Deutschland 46.632 10,0 2 Volksrepublik China 62.980 10,0

3 Schweiz 34.022 7,3 3 USA 58.066 9,2

Quelle: UN Comtrade, Darstellung der Hessen Agentur

7 Laut Auswärtigem Amt (Hrsg.) (2016) beläuft sich der Dienstleistungsanteil am Gesamtexport im UK auf etwa 40 %. Zum Vergleich: In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (Statistisches Bundesamt) erreichen die Dienstleistungsexporte Deutschlands einen Anteil von etwa 17 % am Gesamtexport.

0,0%2,0%4,0%6,0%8,0%10,0%12,0%14,0%16,0%

0100.000200.000300.000400.000500.000600.000700.000800.000

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

Export Anteil Deutschland

0,0%2,0%4,0%6,0%8,0%10,0%12,0%14,0%16,0%

0100.000200.000300.000400.000500.000600.000700.000800.000

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

Import Anteil Deutschland

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

12

Das Vereinigte Königreich weist umfangreiche Investitionsbeziehungen weltweit auf. Hier-

für sind neben den offenkundigen Ursachen des großen Volumens und des hohen Entwick-

lungsstandes der britischen Volkswirtschaft für das Vereinigte Königreich zwei spezifische

Faktoren bedeutsam – und zwar die weit zurückreichende Tradition der internationalen Aus-

richtung der Wirtschaft und die häufig engen wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehema-

ligen Kolonialgebieten sowie insbesondere die „City of London“ als eines der bedeutends-

ten Finanzzentren der Welt.

Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich halten im Jahr 2012 einen Investitionsbe-

stand von über 1.700 Mrd. US-Dollar im Ausland (vgl. Abbildung 10). Das bedeutendste

Zielland von FDI aus dem Vereinigten Königreich sind die USA, auf die mit 324 Mrd. US-

Dollar knapp 19 % aller FDI entfallen. Auf den Plätzen zwei und drei folgen mit Luxemburg

(220 Mrd. US-Dollar, 12,8 %) und den Niederlanden (199 Mrd. US-Dollar, 11,6 %) zwei EU-

Länder. Für dieses hohe Investitionsvolumen dürften insbesondere die rechtlichen und

steuerlichen Regelungen dort ursächlich sein. Der FDI-Bestand in Deutschland, das unter

den Zielländern für FDI aus dem Vereinigten Königreich auf Rang 11 liegt, ist zwar relativ

gering, erreicht aber in absoluten Werten betrachtet mit rund 30 Mrd. US-Dollar trotzdem

ein nicht unerhebliches Volumen.

Abbildung 10: Ausländische Direktinvestitionen (FDI) im Ausland und aus dem Ausland 2003-2012

FDI aus dem UK weltweit in Mio. US-Dollar Anteil der FDI in Deutschland

FDI in das UK aus dem Ausland in Mio. US-Dollar Anteil der FDI aus Deutschland

Die wichtigsten Zielländer für FDI in 2012 Die wichtigsten Herkunftsländer von FDI in 2012

Rang Land Mio. US-Dollar Anteil in % Rang Land Mio. US-Dollar Anteil in %

1 USA 323.651 18,9 1 USA 425.238 28,8

2 Luxemburg 220.355 12,8 2 Niederlande 227.398 15,4

3 Niederlande 199.203 11,6 3 Frankreich 123.789 8,4

11 Deutschland 30.275 1,8 4 Deutschland 102.848 7,0

Quelle: UNCTAD, Darstellung der Hessen Agentur

0,0%

1,0%

2,0%

3,0%

4,0%

0

500.000

1.000.000

1.500.000

2.000.000

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

FDI in der Welt Anteil Deutschland

0,0%

3,0%

6,0%

9,0%

12,0%

0

400.000

800.000

1.200.000

1.600.000

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

FDI aus der Welt Anteil Deutschland

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

13

Auch in der umgekehrten Richtung ist das Vereinigte Königreich für ausländische Unter-

nehmen eine attraktive Destination für Direktinvestitionen. Im Jahr 2012 liegt der Bestand

der FDI aus dem Ausland im Vereinigten Königreich bei 1.500 Mrd. US-Dollar. Mit Aus-

nahme eines starken Rückgangs im Jahr 2008 ist der Bestand an FDI im Vereinigten Kö-

nigreich seit 2003 deutlich gewachsen. In 2003 erreichten die FDI ein Volumen von rund

600 Mrd. US-Dollar. Der Anteil Deutschlands als Herkunftsland ist seit 2009 gefallen und

nimmt – nachdem er zuvor zwischen 9 % und 11 % lag – Werte von etwa 6 % bis 7 % an.

Trotz dieses Rückgangs liegt Deutschland im Jahr 2012 mit einem FDI-Bestand von

100 Mrd. US-Dollar auf Rang 4 der Herkunftsländer. Die USA sind mit großem Abstand das

bedeutendste Herkunftsland von Investitionen im Vereinigten Königreich. Die Bestände be-

laufen sich in 2012 auf mehr als 425 Mrd. US-Dollar, womit auf die USA 28,8 % aller FDI

im Vereinigten Königreich entfallen. Auf Rang 2 folgen die Niederlande mit rund 227 Mrd.

US-Dollar (15,4 %) und auf Rang 3 Frankreich mit knapp 124 Mrd. US-Dollar (8,4 %).

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

14

3 Außenwirtschaftliche Beziehungen zwischen Hessen und dem Vereinigten Königreich

Zwischen Hessen und dem Vereinigten Königreich bestehen intensive Wirtschaftsbezie-

hungen, die nachfolgend anhand des Güteraußenhandels und auf Basis der Direktinvesti-

tionen veranschaulicht und analysiert werden. Zur besseren Einordnung des Umfangs und

der spezifisch hessischen Strukturen in den Beziehungen zum UK dienen die entsprechen-

den Werte für Deutschland insgesamt als Orientierungsrahmen.8

3.1 Außenhandel

Aus methodischer Sicht sind den verwendeten Außenhandelsdaten zwei Anmerkungen vo-

ranzustellen. Zum einen beziehen sich die Angaben auf den Außenhandel mit Gütern, da

keine nach Bundesländern differenzierten Daten für den grenzüberschreitenden Dienstleis-

tungshandel vorliegen. Zum anderen werden auf der Ebene der Bundesländer – in Abwei-

chung von der Bundesebene – Einfuhr und Ausfuhr nach unterschiedlichen Konzepten er-

fasst: Erstere nach dem Konzept des Generalhandels, Letztere gemäß dem Erhebungs-

konzept des Spezialhandels. Damit ist eine Saldierung von Einfuhr und Ausfuhr auf

Bundesländerebene, d.h. sozusagen die Bildung eines hessischen Außenhandelssaldos

mit dem UK, nicht statthaft. Ebenso ist der Vergleich zwischen der Einfuhr auf Bundesebene

und der auf Hessenebene eingeschränkt.

Hessische Exporte in das Vereinigte Königreich

Im Jahr 2015 summierten sich die Exporte der hessischen Wirtschaft in das UK auf 4,5 Mrd.

Euro, was einem Anteil von 7,5 % an den hessischen Exporten weltweit entspricht. Das UK

ist damit – nach den USA und Frankreich – der drittwichtigste hessische Exportmarkt. Dies

gilt ebenfalls bzgl. der Exporte Deutschlands insgesamt in das UK.

Mit einem Wert von knapp 1,5 Mrd. Euro stellen Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör

33,4 % aller hessischen Ausfuhren des Jahres 2015 in das UK (vgl. Abbildung 11). Damit

ist diese Warengruppe mit klarem Abstand „Exportschlager“ Hessens im Warenaustausch

mit dem UK. Ein erheblicher Teil dieses Exports sind komplette Personenkraftwagen

(1,1 Mrd. Euro), wobei es sich ganz überwiegend um Fahrzeuge von Opel9 handeln dürfte,

die im UK unter dem Namen der Schwestermarke Vauxhall verkauft werden. Das UK ist

neben Deutschland für Opel der wichtigste Absatzmarkt. Ein beachtlicher Teil des hessi-

schen Exports in das UK ist folglich auf ein Unternehmen zurückzuführen, womit z.B. auch

8 Es ist zu beachten, dass die Angaben zu Deutschland in diesem Kapitel nicht direkt mit den Angaben aus dem vorangegangenen Kapitel vergleichbar sind, da – um Informationen auf Hessenebene zur Verfügung zu stellen – auf eine andere Datenquelle und damit abweichende Abgrenzungen zurückgegriffen werden muss.

9 Welche Auswirkungen die Übernahme von Opel durch die französische Groupe PSA auf die Export- und Importverflechtungen zwischen Hessen und dem UK sowie auf die Produktionsstandorte von GM / Opel im UK haben wird, lässt sich zum jetzigen Zeit-punkt noch nicht abschätzen.

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

15

dort getroffene Unternehmensentscheidungen auf den hessischen Export in das UK insge-

samt „durchschlagen“ können. Dieser Aspekt wird weiter unten bei der Betrachtung der

zeitlichen Entwicklung des Außenhandels nochmals aufgegriffen. Zudem exportierte Hes-

sen Kraftfahrzeugteile und -zubehör für 246 Mio. Euro. Darüber hinaus fanden Luftfahr-

zeuge bzw. -teile im Wert von 169 Mio. Euro einen Käufer im UK. Die weiteren Positionen

der Warengruppe Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör wie Nutz- und Schienenfahr-

zeuge sind 2015 von untergeordneter Bedeutung – in einzelnen Jahren kann es jedoch

durch die Auslieferung von Großaufträgen durchaus auch in diesen Segmenten zu signifi-

kanten Abweichungen nach oben kommen.

Auf dem zweiten Rang (19,4 %) befinden sich chemische und pharmazeutische Erzeug-

nisse „Made in Hessen“, die im Jahr 2015 für 872 Mio. Euro den Weg über den Ärmelkanal

antraten. Hiervon entfallen 532 Mio. Euro auf Erzeugnisse der chemischen Industrie und

340 Mio. Euro auf Pharmazeutika. Wiederum mit Abstand belegen elektrotechnische Er-

zeugnisse mit 435 Mio. Euro bzw. einem Anteil von 9,7 % den dritten Platz in der Rangliste

der wichtigsten hessischen Exportgüter im Handel mit dem UK. Geräte der Elektrizitätser-

zeugung und -verteilung stellen mit 228 Mio. Euro gut die Hälfte dieser Ausfuhren. Diese

drei wichtigsten Exportgüter machen 62,4 % aller Exporte Hessens in das UK im Jahre

2015 aus.

Abbildung 11: Hessischer Außenhandel mit dem UK: Exportgüter 2015

Export in Mio. Euro

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur

4,97,57,68,928,834,338,263,871,3

120,2135,3152,1

186,4193,2

228,6314,9

434,5872,2

1.499,9

0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600

Schuhe, Lederwaren, LederRohstoffe

Schmuckwaren, Gold- und SilberschmiedewarenStein-, Glaswaren, keramische Erz. (oh. Baukeramik)

Holz und Holzwaren, MöbelSonstige Fertigwaren

Textil ien und PelzwarenPapier und Papierwaren, DruckerzeugnisseSportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren

HalbwarenWaren aus Kunststoffen

ErnährungswirtschaftKautschukwaren

Feinmechanische und optische ErzeugnisseEisen- und Metallwaren

MaschinenElektrotechnische Erzeugnisse

Chemische und pharmazeutische ErzeugnisseFahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

16

Aufschlussreich ist die Gegenüberstellung dieser Spitzenreiter mit denen des UK-Handel

Deutschlands (vgl. Abbildung 12). Auch im Außenhandel Deutschlands mit dem UK liegt

die Warengruppe der Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör mit einem Anteil von 37,3 %

mit erheblichem Vorsprung auf dem ersten Rang – gefolgt von chemischen und pharma-

zeutischen Erzeugnissen (14,0 %) sowie Maschinen (10,2 %). Das UK ist also keineswegs

nur für Opel ein wichtiger Markt, sondern ebenfalls für andere deutsche Automobilhersteller

und auch für Zulieferer.

Der Vergleich der wichtigsten Exportgüter Hessens in das UK mit den wichtigsten Export-

gütern im weltweiten Handel Hessens ist ebenfalls aufschlussreich: Weltweit sind im Unter-

schied zum UK chemische und pharmazeutische Erzeugnisse die bedeutendste Waren-

gruppe, worin sich die traditionell starke Position der heimischen Chemie- und Pharmabran-

che widerspiegelt. Im Jahr 2015 stellten diese Erzeugnisse 31,8 % des gesamten

hessischen Exports. Es folgen auf dem zweiten Rang Maschinen (11,1 %) nahezu gleichauf

mit Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und -zubehör auf Platz drei (10,8 %).

Damit präsentiert sich der hessische Export in das UK – bezogen auf die drei wichtigsten

Warengruppen – ähnlich wie der deutsche Export in das UK, weicht aber stark von der

Exportgüterstruktur Hessens weltweit ab. Grob vereinfacht: Was im weltweiten Handel Hes-

sens die Produkte der chemischen und pharmazeutischen Industrie darstellen, sind im Han-

del mit dem UK Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör.

Abbildung 12: Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Exportgüter 2015 (in %)

Exportanteil je Warengruppe* am Gesamtexport

*absteigend sortiert nach dem Anteil am hessischen Export in das UK

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur

Die viertwichtigste Warengruppe bzgl. des hessischen Exports in das UK sind Maschinen

(315 Mio. Euro bzw. Exportanteil von 7,0 %), womit deren Bedeutung im Vergleich sowohl

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Eisen- und Metallwaren

Maschinen

Elektrotechnische Erzeugnisse

Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse

Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör

Hessen Deutschland

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

17

zu Hessen insgesamt als auch zum deutschen Handel mit dem UK klar unterdurchschnitt-

lich ausfällt. Ebenfalls noch über der Marke von 200 Mio. Euro liegt der Export von Eisen-

und Metallwaren (229 Mio. Euro bzw. 5,1 %), woraus der fünfte Platz in der Rangliste der

wichtigsten hessischen Exportgüter im Handel mit dem UK im Jahr 2015 resultiert.

Abbildung 13 veranschaulicht, wie sich die hessischen Exporte in das UK in den letzten

zehn Jahren entwickelt haben. Bis einschließlich 2008 legten die Exporte zu, wobei die

Dynamik verhaltener als bei den hessischen Exporten weltweit ausfiel. Dies gilt entspre-

chend auch für die Ausfuhr Deutschlands in das UK, so dass die UK-Anteile am Gesamt-

export jeweils um einen Prozentpunkt abnahmen – und zwar in 2008 auf 7,3 % für Hessen

und auf 6,2 % für Deutschland. Die Jahre kurz vor der Rezession 2009 waren durch einen

Boom der Exporte nach Asien und insbesondere in die VR China geprägt – europäische

Absatzmärkte konnten mit dieser Entwicklung nicht mithalten. Die im Herbst 2007 einset-

zende deutliche Abwertung des britischen Pfundes dürfte allerdings ebenfalls eine Rolle

gespielt haben. Dem folgenden weltweiten Konjunktureinbruch konnte sich die Wirtschaft

im UK ebenso wenig entziehen wie die in Hessen; die Exporte gingen massiv zurück. Sie

belebten sich allerdings schnell wieder, wozu Wechselkurseffekte, d.h. der Aufwärtstrend

des Pfunds über mehrere Jahre hinweg, beigetragen haben dürften. Die Jahre 2012 und

2013 verdeutlichen die große Bedeutung des Automobilsektors für die Schwankungen der

hessischen Exporte in das UK, denn die Abnahme im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr

ist weitestgehend auf dieses Segment der hessischen Wirtschaft zurückzuführen. Umge-

kehrt dann 2013: Der Export von Personenkraftwagen über den Ärmelkanal hat sich mehr

als verdoppelt, was wiederum auf die hessischen Exporte in das UK insgesamt durch-

schlägt.

Abbildung 13: Export zwischen Hessen / Deutschland und dem UK 2005-2015

Exportvolumen Hessens in das UK in Mrd. Euro Jährliche Veränderung in %

Exportvolumen Deutschlands in das UK in Mrd. Euro Jährliche Veränderung in %

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur

3,3 3,4 3,6 3,73,1 3,5

3,93,5

4,24,7 4,5

0,0

2,0

4,0

6,0

60,4 64,7 69,8 64,253,2 58,7 65,6 70,8 71,3

79,289,0

0,0

50,0

100,0

4,8 6,3 2,6

-16,6

10,7 13,1

-11,7

20,4 14,2

-5,3

-40

-20

0

20

40

05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15in %

7,2 7,8

-8,0-17,0

10,2 11,8 8,00,6

11,1 12,4

-40

-20

0

20

40

05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15in %

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

18

Wie bereits eingangs erwähnt, fanden 7,5 % der gesamten hessischen Exporte in 2015

einen Abnehmer im UK, womit der Anteil mit dem auf Bundesebene (7,5 %) übereinstimmt

(vgl. Abbildung 14). Zehn Jahre zuvor fiel die Bedeutung vom UK als Absatzmarkt noch

etwas höher aus (Hessen: 8,3 %, Deutschland: 7,7%). Nach wie vor gilt jedoch: Das UK ist

für Hessen wie auch für Deutschland insgesamt der drittwichtigste Absatzmarkt weltweit –

nach den USA und nach Frankreich. Auf die jüngste Entwicklung (ab dem Jahr 2016) wird

anhand von vorläufigen Monatsdaten weiter unten eingegangen.

Abbildung 14: Relative Bedeutung des Exports in das UK für Hessen / Deutschland 2005-2015 (in %)

Anteil des UK am gesamten Export

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur

Hessische Importe aus dem Vereinigten Königreich

Der hessische Außenhandel mit dem UK folgt selbstverständlich keineswegs dem Prinzip

einer Einbahnstraße, sondern Hessen importiert auch in beträchtlichem Ausmaß aus dem

UK. So führte Hessen im Jahr 2015 Güter im Gesamtwert von 3,3 Mrd. Euro aus dem UK

ein. Somit beläuft sich der Anteil der hessischen Importe aus dem UK am gesamten hessi-

schen Import auf 4,0 %. Das UK belegt damit in der Rangliste der wichtigsten hessischen

Bezugsländer den neunten Rang, was auch aus der Sicht der Importe Deutschlands aus

dem UK gilt. Wie stellt sich die Importstruktur dar, d.h. welche Güter bezieht die hessische

Wirtschaft in welchem Umfang aus dem UK?

Unangefochten an der Spitze stehen chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, die

2015 im Wert von 918 Mio. Euro – 501 Mio. Euro chemische Erzeugnisse und 417 Mio.

Euro pharmazeutische Erzeugnisse – aus dem UK eingeführt wurden (vgl. Abbildung 15).

Dies entspricht 27,7 % des gesamten hessischen Imports aus dem UK. Rang zwei belegen

Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör (551 Mio. Euro bzw. Importanteil von 16,7 %). Hier-

unter stellen komplette Personenkraftwagen (349 Mio. Euro) vor Luftfahrzeugen bzw. -tei-

len (93 Mio. Euro) sowie Kraftfahrzeugteilen und -zubehör (73 Mio. Euro) den größten An-

teil. Bei Personenkraftwagen ist in erster Linie an die Produktionsstandorte von GM / Opel

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15

Hessen Deutschlandin %

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

19

in Ellesmere Port (zurzeit Astra) und Luton (zurzeit Vivaro) zu denken – aber auch bekannte

britische Marken wie z.B. Jaguar, Land Rover und Mini sind zu nennen. Diese sind zwar

nicht mehr eigenständig, produzieren jedoch zum Teil noch im UK. Den dritten Platz im

Ranking der hessischen Importe aus dem UK nehmen mit einem Importwert von 482 Mio.

Euro bzw. einem Importanteil von 14,6 % Maschinen aller Art ein.

Abbildung 15: Hessischer Außenhandel mit dem UK: Importgüter 2015

Import in Mio. Euro

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur

In Relation zur Importstruktur Hessens im weltweiten Handel sind die drei wichtigsten Wa-

rengruppen der hessischen Importe aus dem UK überproportional ausgeprägt: Die entspre-

chenden Anteile belaufen sich für chemische und pharmazeutische Erzeugnisse auf 13,3 %

(Rang 2), für Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör auf 12,2 % (Rang 3) und für Maschi-

nen auf 11,2 % (Rang 4). Der Spitzenreiter bei den hessischen Einfuhren insgesamt sind

elektrotechnische Erzeugnisse mit einem Anteil von 14,6 %, während dieser Wert beim

hessischen Import aus dem UK nur bei 5,5 % liegt, denn elektrotechnische Erzeugnisse

werden zum erheblichen Teil aus Fernost bezogen. Der Vergleich mit den Importen aus

dem UK auf Bundesebene (vgl. Abbildung 16) zeigt, dass für Deutschland insgesamt Fahr-

zeuge, Fahrzeugteile und -zubehör die wichtigsten Importgüter aus dem UK sind (27,5 %),

während die chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse (14,5 %) den zweiten Rang

belegen, d.h. die Reihenfolge ist im Bund umgekehrt wie in Hessen.

0,40,41,22,94,37,312,716,518,124,431,343,044,1

72,984,595,1

182,2207,6

285,6481,5

551,3918,0

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000

Vollständige FabrikationsanlagenErsatzlieferungen

Schmuckwaren, Gold- und SilberschmiedewarenSportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren

RohstoffeSchuhe, Lederwaren, LederHolz und Holzwaren, Möbel

RückwarenStein-, Glaswaren, keramische Erz. (oh. Baukeramik)

Sonstige FertigwarenTextil ien und PelzwarenWaren aus Kunststoffen

Papier und Papierwaren, DruckerzeugnisseErnährungswirtschaft

KautschukwarenEisen- und Metallwaren

Elektrotechnische ErzeugnisseFeinmechanische und optische Erzeugnisse

HalbwarenMaschinen

Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehörChemische und pharmazeutische Erzeugnisse

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

20

Die viertwichtigste Warengruppe der hessischen Einfuhr aus dem UK (286 Mio. Euro bzw.

8,6 %) besteht aus sogenannten Halbwaren. Hierbei handelt es sich um Waren, die hin-

sichtlich des Bearbeitungsprozesses zwischen Rohstoffen auf der einen Seite und Fertig-

erzeugnissen auf der anderen Seite einzuordnen sind. In dieser Gruppe werden unter-

schiedlichste Güter zusammengefasst – von Garnen und Schnittholz über Legierungen bis

hin zu Gold für gewerbliche Zwecke, wodurch sie sich einer Interpretation weitestgehend

entzieht. Ebenfalls noch über der 200 Mio. Euro-Marke liegen die Importe von feinmecha-

nischen und optischen Erzeugnissen (208 Mio. Euro bzw. 6,8 %) auf dem fünften Rang,

wozu auch medizinische Geräte zählen.

Abbildung 16: Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Importgüter 2015 (in %)

Importanteil je Warengruppe* am Gesamtimport

*absteigend sortiert nach dem Anteil am hessischen Import aus dem UK

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur

Die Entwicklung des hessischen Importvolumens im Handel mit dem UK verlief bis 2012

weitgehend parallel zur Bundesebene (vgl. Abbildung 17). Während für Deutschland insge-

samt in den Folgejahren die Importe aus dem UK sukzessive zurückgingen, fand für Hessen

der Rückgang schlagartig im Jahr 2013 statt. Der regelrechte Einbruch der hessischen Im-

porte von 2012 auf 2013 ist wesentlich auf die Automobilindustrie zurückzuführen, denn die

Einfuhren von Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und -zubehör haben sich von 1,6 Mrd. auf

760 Mio. Euro mehr als halbiert. Hierbei dürfte es sich sozusagen um das Gegenstück des

massiven Exportanstiegs im gleichen Zeitraum handeln. Offenbar wurde die Produktion im

UK, die zum Teil nach Hessen exportiert wurde, zugunsten der Produktion in Hessen, die

zum Teil in das UK exportiert wird, zurückgefahren.

0 5 10 15 20 25 30

Feinmechanische und optische Erzeugnisse

Halbwaren

Maschinen

Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör

Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse

Hessen Deutschland

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

21

Abbildung 17: Import zwischen Hessen / Deutschland und dem UK 2005-2015

Importvolumen Hessens aus dem UK in Mrd. Euro Jährliche Veränderung in %

Importvolumen Deutschlands aus dem UK in Mrd. Euro Jährliche Veränderung in %

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur

Im Jahr 2005 wurden noch 7,5 % der gesamten hessischen Importe (Deutschland: 6,2 %)

aus dem UK bezogen (vgl. Abbildung 18). Zehn Jahre später beläuft sich der Anteil für

Hessen wie für Deutschland lediglich noch auf 4,0 %. Damit ging ein Abstieg in der Rang-

liste der wichtigsten Importländer 2005 von Rang 5 für Hessen wie auch für Deutschland

auf jeweils Rang 9 im Jahr 2015 einher.

Abbildung 18: Relative Bedeutung des Imports aus dem UK für Hessen / Deutschland 2005-2015 (in %)

Anteil des UK am gesamten Import

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur

4,2 4,6 4,5 4,43,5

4,04,7 4,6

3,4 3,3 3,3

0,0

2,0

4,0

6,0

39,1 40,8 42,0 41,632,5

37,944,7 41,5 39,5 38,538,4

0,0

20,0

40,0

60,0

8,9

-0,9 -2,1

-21,8

15,5 17,8

-2,7

-24,9

-4,6

0,6

-40

-20

0

20

40

05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15in %

4,5 2,8

-0,8

-22,1

16,9 18,0

-7,3 -4,8 -2,3 -0,3

-40

-20

0

20

40

05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15in %

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15

Hessen Deutschlandin %

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

22

Jüngste Export- und Importentwicklung

Wie gestaltet sich die jüngste Entwicklung der Außenhandelsbeziehungen mit dem Verei-

nigten Königreich? Hierzu liegen monatliche Informationen bis einschließlich Januar 2017

vor (vgl. Abbildung 19), d.h. auch Daten unmittelbar vor und nach der Entscheidung der

britischen Bevölkerung für einen Brexit. Diese unterjährigen, zum Teil noch vorläufigen Da-

ten sollten jedoch nicht überbewertet werden, weshalb von einer detaillierten Interpretation

einzelner Monatswerte abgesehen wird.

Der Blick auf die Handelsvolumina mit dem Vereinigten Königreich in den ersten Monaten

nach dem Brexit-Votum zeigt sowohl auf Hessen- als auch auf Bundesebene insgesamt

gesehen keine gravierenden Auffälligkeiten. So sind weder Export noch Import stark zu-

rückgegangen oder etwa gar eingebrochen. In dieser kurzen Frist war dies jedoch auch

nicht zu erwarten, denn es existieren z.B. längerfristige Liefer- und Abnehmerverträge. Zu-

dem liegt die britische Wirtschaft keineswegs darnieder und auch der Wert des britischen

Pfund ist nicht ins Bodenlose gefallen. Wechselkursschwankungen sind im Übrigen kein

neues Phänomen für die hessische Exportwirtschaft im Handel mit dem Vereinigten König-

reich – so manches größere Geschäft dürfte zudem gegen Währungsrisiken abgesichert

sein. Dies schließt keineswegs aus, dass das eine oder andere hessische Unternehmen im

Vereinigten Königreich deutlich weniger absetzt als vorher bzw. wechselkursbedingte Er-

tragseinbußen in diesem Absatzmarkt verkraften muss. Ein Einbruch der Wirtschaftsbezie-

hungen Hessens zum Vereinigten Königreich – oder im Falle des Importes aus dem Verei-

nigten Königreich ein Importboom durch die Abwertung des britischen Pfunds gegenüber

dem Euro – kann jedoch in der kurzen Frist nicht konstatiert werden. Allerdings bleibt der

Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich 2016 sowohl in Hessen als auch auf Bundes-

ebene hinter den Ergebnissen des Jahres 2015 zurück. Gemäß den vorläufigen monatli-

chen Angaben für das Jahr 2016 geht der hessische Import aus dem Vereinigten Königreich

gegenüber 2015 um 1,7 % zurück. Bundesweit beträgt der Rückgang 7,2 %. Der hessische

Export nach dem Vereinigten Königreich ist im Jahr 2016 um 9,8 % niedriger als in 2015.

Auch bundesweit ist eine Abnahme des Exports nach dem Vereinigten Königreich um 3,3 %

zu verzeichnen. Inwiefern dies bereits strategische Entscheidungen der Unternehmen im

Hinblick auf den Brexit widerspiegelt – und damit auch langfristige Veränderungen in den

Handelsbeziehungen einläutet – oder sich eher teils wirtschaftliche, teils rein statistische

Effekte der deutlichen Wechselkursänderung nach dem Brexit-Votum zeigen, ist noch nicht

genau zuzuordnen.

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

23

Abbildung 19: Exporte und Importe zwischen Hessen / Deutschland und dem UK Januar 2015 bis Januar 2017 (in Mio. Euro)

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur

0

100

200

300

400

500

Jan

15

Feb

15

Mrz

15

Apr

15

Mai

15

Jun

15

Jul 1

5

Aug

15

Sep

15

Okt

15

Nov

15

Dez

15

Jan

16

Feb

16

Mrz

16

Apr

16

Mai

16

Jun

16

Jul 1

6

Aug

16

Sep

16

Okt

16

Nov

16

Dez

16

Jan

17

Export in das UK aus Hessen

0

100

200

300

400

Jan

15

Feb

15

Mrz

15

Apr

15

Mai

15

Jun

15

Jul 1

5

Aug

15

Sep

15

Okt

15

Nov

15

Dez

15

Jan

16

Feb

16

Mrz

16

Apr

16

Mai

16

Jun

16

Jul 1

6

Aug

16

Sep

16

Okt

16

Nov

16

Dez

16

Jan

17

Import aus dem UK in Hessen

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

Jan

15

Feb

15

Mrz

15

Apr

15

Mai

15

Jun

15

Jul 1

5

Aug

15

Sep

15

Okt

15

Nov

15

Dez

15

Jan

16

Feb

16

Mrz

16

Apr

16

Mai

16

Jun

16

Jul 1

6

Aug

16

Sep

16

Okt

16

Nov

16

Dez

16

Jan

17

Export in das UK aus Deutschland

0

1.000

2.000

3.000

4.000

Jan

15

Feb

15

Mrz

15

Apr

15

Mai

15

Jun

15

Jul 1

5

Aug

15

Sep

15

Okt

15

Nov

15

Dez

15

Jan

16

Feb

16

Mrz

16

Apr

16

Mai

16

Jun

16

Jul 1

6

Aug

16

Sep

16

Okt

16

Nov

16

Dez

16

Jan

17

Import aus dem UK in Deutschland

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

24

3.2 Direktinvestitionen

Während im vorangegangenen Kapitel die Wirtschaftsbeziehungen Hessens mit dem UK

auf der Güterebene analysiert wurden, sollen nachfolgend die Verflechtungen der Unter-

nehmen auf der Kapitalebene thematisiert werden. In Zeiten der Globalisierung sind die

länderübergreifenden Unternehmensstrukturen von außerordentlicher Komplexität. Es

existieren keineswegs nur 100-%-Beteiligungen an einem Unternehmen im Ausland, son-

dern auch Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen, von unterschiedlichen Unternehmen

gemeinsam gehaltene Tochterunternehmen, unmittelbare und mittelbare Beteiligungen,

Beteiligungen, die sozusagen auf dem „Umweg“ über andere Staaten gehalten werden,

verschiedenste Zweckgesellschaften im Ausland (z.B. zur Fremdkapitalbeschaffung, zum

Cashpooling oder mit der Funktion einer Zwischenholding) und vieles mehr. Diese kompli-

zierten Strukturen und deren Veränderungen im Zeitablauf sind nur schwer zu erfassen und

abzubilden. Insofern können die folgenden Ergebnisse nur einen kleinen Einblick geben.

Als Datengrundlage dient die Statistik der Bestandserhebung über Direktinvestitionen (FDI)

der Deutschen Bundesbank. Diese basiert auf Meldungen von inländischen Unternehmen

(und Privatpersonen) über das Vermögen von Inländern im Ausland sowie Ausländern im

Inland. Als Direktinvestitionen gelten dabei gemäß internationaler Konventionen grenzüber-

schreitende Anteile am Kapital oder an den Stimmrechten eines Unternehmens von min-

destens 10 %. Mittelbare Beteiligungen werden dann einbezogen, wenn sie mehrheitlich

gehalten werden. Die Direktinvestitionsbestände werden – grob vereinfacht – aus dem Be-

teiligungskapital unter Berücksichtigung der wechselseitigen Kreditbeziehungen berechnet.

Aufgrund einer Meldefreigrenze erfasst die Bundesbank Direktinvestitionsobjekte erst ab

einer Bilanzsumme von über drei Mio. Euro. Dies bedeutet, dass etwa das Vertriebsbüro

eines Mittelständlers im UK regelmäßig nicht Bestandteil der Direktinvestitionsstatistik sein

wird, da kleinere Investments nicht erfasst werden. Aus der Definition kann zudem abgelei-

tet werden, dass diese das Verständnis von Direktinvestitionen als Schaffung von Realka-

pital – idealtypisch die Errichtung einer Produktionsstätte auf der sprichwörtlichen grünen

Wiese („greenfield investment“) – zwar einschließt, aber bei weitem umfassender angelegt

ist. Wird etwa ein hessisches Unternehmen von einem britischen Investor übernommen

oder investiert ein Unternehmen aus Hessen in Finanzanlagen auf der Insel, so handelt es

sich um eine Direktinvestition, ohne dass Realkapital geschaffen wurde. Auch können ge-

mäß der Definition der Bundesbank Direktinvestitionen durch sogenannte „reverse invest-

ments“ negative Werte annehmen. Dieser Fall kann z.B. eintreten, wenn ein im UK ansäs-

siges Tochterunternehmen der Mutter in Hessen einen Kredit gewährt. Schließlich ist zu

beachten, dass etwa das asiatische Unternehmen in Frankfurt, das zur in London ansässi-

gen Europazentrale des Unternehmens gehört, in der Statistik als Direktinvestition aus dem

UK ausgewiesen wird.10

10 Gemäß Bundesbank wird zurzeit daran gearbeitet, zukünftig auch Daten zur Verfügung zu stellen, die derartige Fälle berücksichti-gen. Zum Teil ist es allerdings aufgrund der Komplexität der Verflechtungen nicht möglich, die Konzernmutter ausfindig zu machen.

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25

Der so definierte Direktinvestitionsbestand der hessischen Wirtschaft im UK belief sich zum

Jahresende 2014 auf 20,3 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 3). Nach einem deutlichen Rückgang von

2011 auf 2012 haben die Direktinvestitionen damit wieder leicht zugenommen. Dieses Vo-

lumen von 20,3 Mrd. Euro entspricht 11,8 % der gesamten hessischen Direktinvestitionen

im Ausland – ein beträchtlicher Anteil, womit das UK für Hessen das drittwichtigste Anlage-

land darstellt. Auf Bundesebene fällt der Anteil nahezu gleich hoch aus (11,5 %). Aus Sicht

der deutschen Wirtschaft insgesamt, die 109,9 Mrd. Euro im UK investiert hat, belegt das

UK den zweiten Platz in der Rangliste der wichtigsten Anlageländer.

Tabelle 3: Ausländische Direktinvestitionen (FDI) zwischen dem UK und Hessen / Deutschland 2010-2014 (Bestände zum jeweiligen Jahresende)

Hessen Deutschland

2010 2011 2012 2013 2014* 2010 2011 2012 2013 2014*

FDI in das UK (in Mio Euro) 24.548 24.237 19.714 19.601 20.332 99.796 103.466 104.268 105.909 109.921

Anteil an FDI in alle Länder 14,0% 14,4% 12,1% 12,4% 11,8% 12,0% 11,8% 11,3% 11,6% 11,5%

FDI aus dem UK (in Mio Euro) 2.615 5.638 5.776 3.861 5.631 32.813 31.361 35.978 30.517 37.928

Anteil an FDI aus allen Ländern 4,5% 9,1% 8,7% 5,8% 8,6% 8,5% 7,8% 8,2% 6,6% 8,2%

* vorläufige Angaben

Quelle: Deutsche Bundesbank, Berechnungen der Hessen Agentur

In umgekehrter Richtung – aus dem UK in Hessen bzw. in Deutschland – liegen die Direkt-

investitionen beträchtlich niedriger. Ende 2014 stehen für Hessen 5,6 Mrd. Euro zu Buche,

auf Bundesebene sind es 37,9 Mrd. Euro. Damit ist das UK sowohl für Hessen als auch für

den Bund der drittwichtigste ausländische Investor mit Anteilen am jeweiligen Direktinves-

titionsbestand von 8,6 % bzw. 8,2 %.

Die erhebliche Differenz zwischen den hessischen Direktinvestitionen im Vereinigten Kö-

nigreich und denen aus dem Vereinigten Königreich in Hessen ist somit kein Spezifikum

der hessischen Wirtschaftsbeziehungen zum UK, sondern trifft auch für Deutschland ins-

gesamt zu. Zudem gilt: Die Summe aller Direktinvestitionsbestände Hessens bzw. Deutsch-

lands im Ausland fällt deutlich höher aus als die des Auslands in Hessen bzw. in Deutsch-

land. Ebenfalls sind die zum Teil beträchtlichen Schwankungen in den Direktinvestitionsbe-

ziehungen mit dem UK nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr ein Charakteristikum der

Direktinvestitionsverflechtungen insgesamt, für die Veränderungen in Milliardenhöhe von

Jahr zu Jahr sozusagen gang und gäbe sind.

Welche Rolle kommt Hessen in den Direktinvestitionsbeziehungen Deutschlands insge-

samt mit dem Vereinigten Königreich zu? Hessen stellt knapp 20 % des deutschen Direkt-

investitionsbestandes Ende 2014 im UK, womit Hessen nach den – ungleich größeren –

Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern und noch vor Baden-Württemberg der

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

26

drittwichtigste Investor aus Deutschland im Vereinigten Königreich ist. Im Hinblick auf die

Direktinvestitionen des Vereinigten Königreichs in Deutschland beträgt der Anteil Hessens

rund ein Sechstel, wobei die Reihenfolge im Bundesländervergleich ähnlich ist: Bayern,

Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg.

Wo liegen die Branchenschwerpunkte der Direktinvestitionen, d.h. welche Teile der hessi-

schen Wirtschaft sind in welchen Wirtschaftszweigen der britischen Wirtschaft engagiert

und in welchen Bereichen der hessischen Wirtschaft sind umgekehrt die Unternehmen aus

dem UK investiert (vgl. Tabelle 4)?

Auf diese Fragen gibt es überspitzt formuliert nur eine Antwort: Finanz- und Versicherungs-

dienstleister bzw. Finanzplatz Frankfurt und Finanzplatz London. Die Direktinvestitionsver-

flechtungen zwischen Hessen und dem UK werden dominiert durch das wechselseitige in-

vestive Engagement der Finanzwirtschaft – und hierunter vor allem der Banken. So entfal-

len 18,9 Mrd. des 20,3 Mrd. Euro umfassenden Direktinvestitionsbestands Ende 2014 im

UK auf den hessischen Bankensektor. Mit großem Abstand folgen Beteiligungsgesellschaf-

ten (1,3 Mrd. Euro). Dieser Bereich umfasst nicht nur Holdinggesellschaften, deren Haupt-

funktion darin besteht, Eigentümer von Tochtergesellschaften zu sein, sondern auch solche

Gesellschaften, die Managementtätigkeiten für diese ausüben, d.h. auch Konzernzentralen.

Erstere könnte man durchaus auch dem Finanzbereich im weiteren Sinne zuordnen, womit

dieser nochmals an Relevanz gewönne. Alle weiteren Teile der hessischen Wirtschaft sind

von klar nachgeordneter Bedeutung.

Die Fokussierung auf den Finanz- und Versicherungssektor gilt auch hinsichtlich der Inves-

titionsobjekte der hessischen Investoren im UK, denn 19,1 Mrd. entfallen auf den dortigen

Finanz- und Versicherungsbereich – davon 16,2 Mrd. Euro auf Banken. Weitere 1,8 Mrd.

Euro sind dem Finanzsegment „Fonds; Private Equity Funds und Wagniskapitalgeber / Ven-

ture Capital Unternehmen; Sonstige Finanzierungsinstitutionen“ zuzuordnen.

Das intensive Engagement des hessischen Finanzplatzes im UK bzw. genauer gesagt am

Londoner Finanzplatz und umgekehrt verdeutlichen exemplarisch Deutsche Bank und

Commerzbank, die beide über zahlreiche Tochterunternehmen bzw. Beteiligungen im UK

verfügen. Die Deutsche Bank zählt über 8.000 Mitarbeiter im UK, die Commerzbank über

1.000 Beschäftigte. Gemessen an den von den Banken ausgewiesenen länderspezifischen

Umsätzen (Nettoerträge) ist das UK für die Deutsche Bank mit 6,3 Mrd. Euro (2015) der

drittgrößte Markt nach Deutschland und den USA. Für die Commerzbank (2015: 1,1 Mrd.

Euro) ist es sogar nach Deutschland der zweitgrößte Markt. Umgekehrt halten die Banken

nicht nur Anteile im UK, sondern Investoren aus dem UK halten auch Anteile an beiden

Banken.

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

27

Tabelle 4: FDI aus Hessen im UK und aus dem UK in Hessen nach ausgewählten Wirtschafts-zweigen* 2014 (Bestände zum Jahresende)

Wirtschaftszweig

Hessische FDI im Ausland nach dem Wirtschaftszweig

des …

Hessische FDI im UK nach dem Wirtschaftszweig des

… FDI aus dem

Ausland in Hessen

FDI aus dem UK in

Hessen … hessischen Investors

… ausländischen Investitions-

objekts

… hessischen Investors

… ausländischen Investitions-

objekts

in Mio. Euro

Insgesamt 172.644 172.644 20.322 20.322 65.748 5.631

darunter:

Verarbeitendes Gewerbe 10.161 23.928 -372 272 8.218 -176

darunter:

Chemische Erzeugnisse 1.382 5.026 x 128 2.206 108

Pharmazeutische Erzeugnisse 3.905 9.296 146 18 1.655 x

Gummi- u. Kunststoffwaren 400 793 x 0 1.402 170

Meß- u. Kontrollgeräte, Uhren u. elektromedizinische Geräte

2.576 1.084 141 23 2.196 230

Handel; Instandhaltung u. Reparatur v. Kraftfahrzeugen

1.631 12.842 281 149 8.371 834

Information u. Kommunikation 1.137 1.867 177 179 1.251 195

Erbringung v. Finanz- u. Versicherungsdienstleistungen

102.137 98.288 18.907 19.144 23.355 2.057

darunter:

Banken 93.692 62.286 18.838 16.230 14.576 1.725

Fonds; Private Equity Funds u. Wagnis-kapitalgeber / Venture Capital Unter-nehmen; Sonstige Finanzierungs-institutionen

459 28.843 x 1.803 7.543 308

Verwaltung u. Führung v. Unternehmen u. Betrieben (Beteiligungsgesellschaften)

6.394 3.752 1.259 220 315 1.830

Erbringung v. sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen

950 1.005 60 x 2.421 420

* Auswahl gemäß der Bedeutung für die Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und dem UK x Angaben aufgrund der Geheimhaltung von Einzelangaben nicht veröffentlicht

Quelle: Deutsche Bundesbank (vorläufige Angaben)

Der Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main spiegelt sich in besonderem Maße in den Direktin-

vestitionsbeziehungen speziell mit dem UK wider, schlägt sich naturgemäß aber auch in

den Direktinvestitionen Hessens insgesamt nieder. So zeichnet der hessische Finanzsektor

für 102,1 Mrd. Euro bzw. rund 60 % des 172,6 Mrd. Euro umfassenden Direktinvestitions-

bestands Hessens weltweit verantwortlich. Die Gegenüberstellung vom UK und der Welt

verdeutlicht aber auch, dass der hessische Finanzsektor keineswegs nur im UK investiert,

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

28

denn auf das UK entfallen lediglich rund 20 % der Direktinvestitionen dieses Teils der hes-

sischen Wirtschaft. Noch vor dem Vereinigten Königreich sind hier die USA als wichtigstes

Anlageland zu nennen.

Was für die britischen Direktinvestitionen in Hessen insgesamt gilt, trifft auch für die UK-

Investitionen in den hessischen Finanz- und Versicherungsbereich zu: Mit insgesamt

2,1 Mrd. Euro – darunter: 1,7 Mrd. Euro in den Bankensektor – fallen diese klar niedriger

aus als die entsprechenden Direktinvestitionen Hessens im UK. Doch nicht nur dem Finanz-

und Versicherungsbereich, sondern auch den Beteiligungsgesellschaften (1,8 Mrd. Euro)

und einer Branche der sogenannten Realwirtschaft – und zwar dem Handel (830 Mio. Euro)

– kommen eine wichtige Rolle als hessische Investitionsobjekte für britische Investoren zu.

Somit sind die britischen Investitionen in Hessen diversifizierter als umgekehrt die hessi-

schen Investitionen im UK. Nur knapp 10 % der Direktinvestitionen in den hessischen Fi-

nanzsektor wurden von dem UK getätigt – ein Anteil, der sich aufgrund des Brexit und dar-

aus möglicherweise resultierender Verlagerungen von Unternehmensaktivitäten in Rich-

tung Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main durchaus ändern könnte.

Zum Abschluss der Betrachtung der hessischen Direktinvestitionsverflechtungen mit dem

UK sei anhand der Tabelle 5 ein kurzer Blick auf die Bundesebene geworfen. Die Gegen-

überstellung zeigt, dass sich die Struktur der Direktinvestitionen nach Wirtschaftszweigen

erheblich von der in Hessen unterscheidet: Zwar kommt auf Bundesebene dem Finanzbe-

reich ebenfalls eine wesentliche Rolle als Investor bzw. als Investitionsobjekt zu, doch die

sogenannte Realwirtschaft ist im Vergleich zu Hessen wesentlich bedeutender. Als Beispiel

ist der Sektor Information und Kommunikation anzuführen, der für die britischen Direktin-

vestitionen in Deutschland mit 11,3 Mrd. Euro wichtiger als der Finanzbereich (7,3 Mrd.

Euro) ist. Oder das Verarbeitende Gewerbe, das mit Direktinvestitionen im UK in Höhe von

17,7 Mrd. Euro nicht nur absolut gesehen eine beachtliche Größe ist, sondern auch im Ver-

hältnis zum Finanzsektor (25,8 Mrd. Euro).

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29

Tabelle 5: FDI aus Deutschland im UK und aus dem UK in Deutschland nach ausgewählten Wirtschaftszweigen* 2014 (Bestände zum Jahresende)

Wirtschaftszweig

Deutsche FDI im Ausland nach dem Wirtschaftszweig

des …

Deutsche FDI im UK nach dem Wirtschaftszweig des

… FDI aus dem

Ausland in Deutsch-

land

FDI aus dem UK in Deutsch-

land … deutschen Investors

… ausländischen Investitions-

objekts

… deutschen Investors

… ausländischen Investitions-

objekts

in Mio. Euro

Insgesamt 957.930 957.930 109.621 109.621 461.833 37.928

darunter:

Verarbeitendes Gewerbe 240.084 341.432 17.692 10.658 114.091 7.304

darunter:

Chemische Erzeugnisse 44.386 77.426 1.392 1.770 14.199 1.381

Pharmazeutische Erzeugnissen 5.776 23.410 166 74 10.260 697

Gummi- u. Kunststoffwaren 5.121 12.598 221 313 5.721 484

Meß- u. Kontrollgeräte, Uhren u. elektromedizinische Geräte

6.141 28.330 435 1.669 7.980 446

Handel; Instandhaltung u. Reparatur v. Kraftfahrzeugen

18.810 149.270 1.876 10.418 50.731 4.372

Information u. Kommunikation 9.387 48.609 8.852 1.282 52.286 11.308

Erbringung v. Finanz- u. Versicherungsdienstleistungen

174.083 204.672 25.836 58.321 94.303 7.293

darunter:

Banken 112.622 83.217 22.361 19.746 54.758 3.733

Fonds; Private Equity Funds u. Wagnis-kapitalgeber / Venture Capital Unter-nehmen; Sonstige Finanzierungs-institutionen

3.578 40.810 359 30.571 26.230 3.432

Verwaltung u. Führung v. Unternehmen u. Betrieben (Beteiligungsgesellschaften)

463.460 65.446 48.577 8.983 80.221 5.355

Erbringung v. sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen

3.677 13.124 258 1.225 5.860 -48

* Auswahl gemäß der Bedeutung für die Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Deutschland und dem UK x Angaben aufgrund der Geheimhaltung von Einzelangaben nicht veröffentlicht

Quelle: Deutsche Bundesbank (vorläufige Angaben)

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

30

4 Brexit: Verhandlungen, Austrittsszenarien und Auswirkungen

Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen des Brexit sind im engen Kontext zum Verhand-

lungsergebnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über die Ausgestaltung

des Brexit zu sehen. Doch die im Vorfeld bestehenden Unsicherheiten sowie die Erwartun-

gen hinsichtlich der zukünftigen Position und Entwicklung des Vereinigten Königreichs au-

ßerhalb der EU dürften bereits weit vor dem Abschluss der Verhandlungen Auswirkungen

zeigen, die damit letztlich unabhängig vom Verhandlungsergebnis eintreten. In einem ers-

ten Schritt wird daher kurz auf den Ablauf der Verhandlungen und die während der Ver-

handlungsphase zu erwartenden wirtschaftlichen Effekte eingegangen. Nachfolgend wer-

den verschiedene potenzielle Verhandlungsergebnisse kurz vorgestellt, da sie als Szenarien

in die ökonomischen Modelle und Prognosen für die Folgen des Brexit eingehen.

In verschiedenen Analysen wurden die Auswirkungen des Brexit – auf das Vereinigte Kö-

nigreich selbst, die EU und zum Teil einzelnen Mitgliedsstaaten – betrachtet. Analysen zu

den Folgen des Brexit wurden bereits vor dem Referendum veröffentlicht und flossen in die

Argumentation der Brexit-Befürworter wie Brexit-Gegner ein. Mittlerweile ist zwar eine Viel-

zahl von Veröffentlichungen zur Thematik Brexit verfügbar, Schwerpunkt dieser Untersu-

chungen sind jedoch – leicht nachvollziehbar – zumeist die Auswirkungen auf das UK

selbst. Im dritten Abschnitt dieses Kapitels werden dagegen ausgewählte Untersuchungen

vorgestellt, in denen Abschätzungen für die langfristigen wirtschaftlichen Konsequenzen in

Deutschland getroffen werden. Schließlich wurden neben volkswirtschaftlichen Analysen

zu den quantitativen Effekten des Brexit auch durch verschiedene Umfragen wichtige As-

pekte des Brexit beleuchtet, die im letzten Abschnitt dieses Kapitels ebenfalls überblicksar-

tig zusammengefasst werden.

4.1 Ablauf und Auswirkungen der Verhandlungsphase

Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat den Antrag zum Austritt des Landes bei der

EU eingereicht und damit den ersten Schritt zur – nicht unumstrittenen – Umsetzung des

Referendums getan. Es ergibt sich folgender Ablaufplan für den Brexit: Im Rahmen des EU-

Vertrages ist eine zweijährige Frist für die Verhandlung des EU-Austritts eines Mitgliedes

vorgesehen. Diese Frist begann jedoch nicht mit dem Referendum, sondern erst mit der

offiziellen Abgabe des Austrittsgesuchs. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat am

29. März 2017 diesen Antrag gestellt. Der Europäische Rat kann allerdings im Einverneh-

men mit dem Vereinigten Königreich die Verhandlungsfrist verlängern. Das Verhandlungs-

ergebnis bleibt abzuwarten, es werden verschiedene grundsätzliche Szenarien diskutiert.

Dabei reicht die Spanne von einer weiterhin sehr engen Anbindung des Vereinigten König-

reichs an die EU über verschiedene Modelle mit vergleichbarem Status wie etwa Norwegen

oder die Schweiz bis hin zu einer deutlichen Trennung oder einem ungeregelten Austritt,

falls keine Einigung erzielt werden kann (vgl. im Detail Kapitel 4.2).

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Bereits in der Verhandlungsphase werden aufgrund der Unsicherheit des Verhandlungser-

gebnisses ökonomische Konsequenzen sowohl für die Wirtschaft im Vereinigten Königreich

als auch der Wirtschaftspartner erwartet. Das DIW – Rieth, M., Michelsen, C., Piffer, M.

(2016) – rechnet für Deutschland mit einer geringeren Zunahme des realen BIP um 0,1 %-

Punkte in 2016 und 0,3 %-Punkte in 2017. Auch die Helaba – Helaba (Hrsg.) (2016) – geht

für 2016 von einer Verringerung um 0,1 %-Punkte und für 2017 von mindestens 0,2 %-

Punkten für Deutschland sowie die Eurozone aus. In einer Einschätzung der OECD (Hrsg.)

(2016) wird für die EU erwartet, dass das reale BIP 2018 etwa 1,1 % unter dem Wert liegt,

der ohne den Brexit angenommen wird (kumulierter Effekt). Die Weltbankprognose für das

BIP-Wachstum in der Eurozone wurde nach dem Referendum nicht – wie zuvor geplant –

angehoben und für das Jahr 2017 um 0,2 %-Punkte verringert. Auch der Sachverständi-

genrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beschäftigt sich in seinem

Jahresgutachten 2016 / 2017 ausführlich mit den Effekten des Brexit, gibt jedoch keinen

Prognosevergleich an.

4.2 Austrittsszenarien

Aktuell lassen sich die Auswirkungen des Brexit nur schwer abschätzen, da unklar ist, wel-

che Austrittsregelungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich

getroffen werden. Dabei ist eine große Bandbreite denkbar, inwiefern das Vereinigte Kö-

nigreich weiterhin eng mit der EU verbunden bleibt oder ob es sich deutlich von der EU

„entfernt“. Zur Verdeutlichung werden einige aktuelle Vereinbarungen zwischen der EU und

anderen Ländern vorgestellt.

Der härteste Einschnitt hinsichtlich des wirtschaftlichen Austauschs zwischen der EU und

dem Vereinigten Königreich tritt ein, wenn keine spezifischen Regelungen zwischen beiden

Handelspartnern getroffen werden. Dann greifen die Regularien der Welthandelsorganisa-

tion WTO, die trotz der zahlreichen Handelserleichterungen, die in diesem Rahmen multi-

lateral vereinbart wurden und gegenüber allen WTO-Mitglieder gelten, zu deutlichen Han-

delseinschränkungen führen. In vielen Bereichen würden Handelszölle auftreten. Für etwa

90 % der Produkte des Exportes vom UK nach Europa würden Zölle anfallen. Im Mittel sind

die Außenzölle Europas zwar mit 4,2 % relativ gering, allerdings gibt es einzelne Produktka-

tegorien wie etwa Personenkraftwagen, die mit 10 % Einfuhrzoll belegt sind. Zudem müs-

sen britische Exporteure die entsprechenden nicht-tarifären Handelsbarrieren überwinden,

da sie nicht mehr unter die Regelungen der Firmen mit Sitz in der EU fallen. Schließlich

muss das UK selbst entsprechende Vereinbarungen mit der WTO aushandeln, in der die

Außenzölle des Landes und entsprechende weitere Regelungen wie etwa Quoten und

Marktzugang festgelegt werden, die dann gegenüber den übrigen WTO-Mitgliedern – und

damit auch der Europäischen Union – Anwendung finden (Busch, B., Matthes, J. (2016)).

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Eine weitere Möglichkeit stellt der Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der

EU und dem Vereinigten Königreich dar. In dessen Rahmen können entsprechende Rege-

lungen zu einem weitgehend freien Waren- und Dienstleistungsverkehr getroffen werden,

ohne dass das UK institutionell in die EU eingebunden ist. Dieses Verhandlungsziel wurde

in der Grundsatzrede der Premierministerin May vom 17.01.2017 für das UK ausgegeben.11

Die Premierministerin strebt dagegen explizit keine wie auch immer geartete (Teil-)mitglied-

schaft im EU-Binnenmarkt an, da dies von Seiten der übrigen EU-Staaten stets mit der

Akzeptanz der vier Freiheiten – Freier Warenverkehr, Freier Dienstleistungsverkehr, Freier

Kapitalverkehr und Freier Personenverkehr – verbunden sei. Denn die Einschränkung der

Zuwanderung aus anderen europäischen Staaten – und damit die Aufgabe des freien Per-

sonenverkehrs – war eine der zentralen Forderungen der Brexit-Befürworter. Zudem be-

tonte May in ihrer Grundsatzrede die weiteren Ziele, die mit dem Brexit verfolgt würden und

entsprechend in den Verhandlungen umzusetzen seien. Insbesondere eine Erhöhung der

politischen Souveränität und Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf die Institutio-

nen des Vereinigten Königreichs sowie die Abschaffung der Zahlungen in den EU-Haushalt

werden angestrebt.

Weitere Möglichkeiten der zukünftigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen der EU und

dem UK befinden sich in der Diskussion und orientieren sich an den derzeit bestehenden

Vereinbarungen der EU mit anderen Nicht-EU-Staaten, die eine enge wirtschaftliche Bezie-

hung mit der EU aufweisen. Hierbei stehen drei Modelle im Mittelpunkt:

Die Türkei hat sich der europäischen Zollunion angeschlossen. Auf Exporte und Importe

zwischen den teilnehmenden Ländern12 werden keine Zölle erhoben und es gelten gemein-

same Zollsätze gegenüber Drittländern. Die Türkei zahlt im Rahmen dieser Vereinbarung

keine Beiträge in den EU-Haushalt, hat jedoch auch keine Einflussmöglichkeiten auf die

Zollsätze, keinen freien Zugang zum EU-Kapitalverkehr und es besteht keine Arbeitneh-

merfreizügigkeit.

Die Schweiz bildet mit Liechtenstein, Island und Norwegen die European Free Trade

Association (EFTA). Zwischen der EFTA und der EU bestehen verschiedene Regelungen

zum wirtschaftlichen Austausch. Die Teilnahme an der EFTA ermöglicht jedoch auch indi-

viduelle Vereinbarungen für einzelne Länder – was aktuell nur die Schweiz nutzt. Das

Schweizer Modell enthält damit bilaterale Regelungen für einzelne Sektoren und ermöglicht

der Schweiz einen begrenzten Zugang zum EU-Kapitalverkehr. Zwischen der Schweiz und

der EU besteht die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Schweiz zahlt im Rahmen dieser Verein-

barungen geringe Beiträge in den EU-Haushalt.

11 Inwieweit dieses erste Angebot bereits das tatsächliche Verhandlungsziel widerspiegelt, oder ob mit hohen Forderungen in die Verhandlungen eingetreten wird, um dann auf dem Weg zu einer Einigung Kompromisse eingehen zu können, bleibt abzuwarten. Nach einer aktuellen Meinungsumfrage – DIHK (Hrsg.) (2017) – ist die Mehrheit der britischen Bevölkerung gegen den harten Brexit-Kurs der Regierung

12 Neben der Türkei und den EU-Mitgliedstaaten sind dies die europäischen Kleinstaaten Andorra und San Marino.

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Ein vertieftes Freihandelsabkommen bildet der Europäische Wirtschaftsraum (EWR), der

sich aus den drei weiteren EFTA-Mitgliedern (Liechtenstein, Island und Norwegen) und der

EU zusammensetzt. Innerhalb des EWR gelten überwiegend EU-Regelungen, wodurch ne-

ben Zöllen auch nichttarifäre Handelsbarrieren abgebaut werden. Die Nicht-EU-Staaten

des EWR besitzen allerdings keine Möglichkeit der direkten politischen Einflussnahme auf

die Ausgestaltung der Regeln. Es gibt zudem keine Möglichkeit zur Verhandlung von Son-

derregelungen für einzelne Länder innerhalb des EWR. Die Teilnehmer sind allerdings be-

rechtigt, gegenüber Drittstaaten ihre Handelspolitik selbst zu gestalten und so z.B. eigene

Zollsätze festzulegen. Die Länder erhalten den vollen Zugang zum EU-Kapitalverkehr und

es besteht Arbeitnehmerfreizügigkeit. Es wird davon ausgegangen, dass für das UK ein

Beitritt zu dieser Vereinbarung dazu führt, dass weiterhin Beiträge zum EU-Haushalt – etwa

in Höhe von 50-70 % der derzeitigen Beiträge – zu entrichten sind.

Ein viertes Modell, dass insbesondere in Reaktion auf die Grundsatzrede der Premiermi-

nisterin stärker diskutiert wird, ist das Assoziierungs- und Handelsabkommen der EU mit

der Ukraine. Nach diesem Modell können die EU und das Vereinigte Königreich eine enge

Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik, ein Freihandelsabkommen und eine

Kapitalmarktunion vereinbaren, ohne dass das Vereinigte Königreich an EU-Recht gebun-

den ist oder Freizügigkeit von Personen besteht. Allerdings dürfte ein entsprechendes Ab-

kommen an finanzielle Forderungen der EU gekoppelt sein.

4.3 Brexit-Folgen aus der Sicht von ökonomischen Studien

Im Vorfeld des Brexit-Referendums wurden von Befürwortern des Austritts ökonomische

Vorteile und von Gegnern ökonomische Nachteile für das Vereinigte Königreich prognosti-

ziert und jeweils als Argument in die Debatte eingebracht. Einen Überblick zu Studien über

die Auswirkungen auf das UK liefern etwa Busch, B. und Matthes, J. (2016).13 Sie kommen

zu dem Ergebnis, dass die meisten Studien BIP-Verluste im UK von -1 % bis ca. -5 % vor-

hersagen. Die Autoren heben allerdings hervor, dass die potenziellen Verluste bzw. auftre-

tende Kosten durch den Brexit für das UK nicht vollständig erfasst werden und der BIP-

Rückgang damit deutlich höher liegen könnte. Trotzdem stehen den Studien, die für das

UK ökonomische Verluste vorhersagen, vereinzelt Untersuchungen gegenüber, in denen

sogar positive Auswirkungen für das UK prognostiziert werden.

Die Auswirkungen auf das UK sind jedoch nur eine Konsequenz des Brexit und sollen nicht

weiter vertieft werden. Nachfolgend stehen die Auswirkungen für die Partner wie insbeson-

dere EU und Deutschland im Vordergrund, um darüber Rückschlüsse auf Hessen ziehen

zu können. Die langfristigen Auswirkungen des Brexit auf andere Länder sind zwar das

Thema verschiedener ökonomischer Analysen, im Vergleich zu den Analysen für das UK

13 Auch der Sachverständigenrat (2016, S. 149) fasst die berechneten Effekten auf die BIP-Entwicklung im UK aus verschiedenen Studien zusammen.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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sind diese aber relativ selten.14 Quantifizierbare Ergebnisse bestimmen nur wenige Studien

– oftmals werden lediglich potenzielle Transmissionskanäle beschrieben, durch die Auswir-

kungen auf die Wirtschaftspartner des UK auftreten können. Der Sachverständigenrat zur

Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2016, S. 148-149) betont, dass die

Auswirkungen für Deutschland und die weiteren EU-Länder deutlich geringer sein dürften

als die für das UK berechneten Effekte, da sich die Folgen des Nachfragerückgangs im UK

auf viele Wirtschaftspartner verteilen und auch gegenläufige Effekte auftreten.

Aufgrund der hohen Unsicherheit hinsichtlich des Ergebnisses der Verhandlungen werden

für die volkswirtschaftlichen Analysen der ökonomischen Konsequenzen meist verschie-

dene Szenarien herangezogen. Einen Überblick zu ausgewählten Studien enthält Tabelle

6. Die drei aufgeführten Studien sind kurz vor dem Brexit veröffentlicht worden. Sie beruhen

meist auf umfangreichen Länderdaten. Die Ergebnisse werden im Allgemeinen nur für eine

Auswahl von Ländern veröffentlicht. Während den Studien der Bertelsmann Stiftung und

Euler Hermes Simulationsanalysen makroökonomischer Modelle zugrunde liegen, beruht

die Studie von Standard & Poor‘s auf einer Analyse von verschiedenen derzeitigen wirt-

schaftlichen Beziehungen zwischen dem UK und anderen Ländern sowie der Zusammen-

fassung dieser Daten zu einem Index-Wert. Im Ergebnis zählt Deutschland nicht zu den am

stärksten betroffenen Ländern durch den Brexit, da andere Staaten relativ enger mit dem

UK verflochten sind. Trotzdem erreichen die absoluten Effekte für Deutschland eine nen-

nenswerte Größenordnung.

14 Aus dem Blickwinkel anderer Länder – insbesondere den verbleibenden EU-Ländern – wurden dagegen häufig die politischen Implikationen des Brexit analysiert.

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Tabelle 6: Studien zu den Auswirkungen des Brexit auf Deutschland im Überblick

Titel der Veröffentlichung Brexit – Mögliche wirtschaft-liche Folgen eines britischen EU-Austritts

Brexit: What does it mean for Europe?

Who Has The Most To Lose From Brexit? Introducing The Brexit Sensitivity Index

Veröffentlichungszeitpunkt Mai 2015 Mai 2016 Juni 2016 (vor Brexit-Votum)

Herausgeber Bertelsmann Stiftung www.bertelsmann-stif-tung.de

Euler Hermes Economic Research www.eulerhermes.com

S&P Global Ratings www.agefi.fr

Länder (Ergebnisdarstellung) Ausgewählte europäische Länder

19 Länder (überwiegend europäische Länder)

Top20 Länder (überwiegend europäische Länder)

Methodik

Szenarioanalyse, Unter-scheidung statischer und dynamischer Effekte sowie weicher und harter Brexit

Szenarioanalyse, Ergebnisse für verschiedene Indikatoren, Szenarien: Weicher Brexit: Brexit mit einem Freihandelsabkommen Harter Brexit: Brexit ohne ein Freihandelsabkommen

Bildung eines Index über Daten zu den bestehenden Beziehun-gen des jeweiligen Landes mit dem UK (z.B. Export, Forderun-gen Finanzsektor, Eingehende FDI, gegenseitige Migration), Abbildung der Intensität und Be-deutung der Beziehungen zum UK

Zentrale Aussagen und ausgewählte Ergebnisse

Deutschland: Reales BIP pro Einwohner im Jahr 2030 um 0,1 % bis 0,3 % niedriger (statische Be-trachtung) bzw. um 0,3 % bis 2 % niedriger (dynami-sche Betrachtung). Am stärksten betroffen ist Fahr-zeugbau, daneben auch Elektronikbranche, Metall-erzeugung, Lebensmittel-branche.

Nach den Niederlanden, Irland und Belgien ist Deutschland am stärksten betroffen. Im weichen (harten) Szenario wird ein Rück-gang des realen BIP-Wachs-tums um -0,2 Prozentpunkte (-0,4 Prozentpunkte) erwartet. Die Warenexporte gehen kumu-liert von 2017-19 um 5,2 Mrd. Euro (6,8 Mrd. Euro) zurück. Besonders betroffen sind Fahr-zeugbau, Maschinenbau und chemische Industrie. Im Modell werden zudem Rückgänge von Dienstleistungsexporten, FDI und ein Anstieg von Unterneh-mensinsolvenzen durch den Brexit prognostiziert.

Unter den zwanzig am stärksten vom Brexit betroffenen Ländern rangiert Deutschland im Mittel-feld. Am stärksten betroffen sind Irland, Malta, Luxemburg, Zypern und Schweiz.

Quelle: Recherchen der Hessen Agentur

4.4 Brexit-Folgen aus der Sicht von Unternehmensbefragungen

Nicht nur in Form von Modellrechnungen und Szenarioanalysen – wie im vorangegangenen

Abschnitt gezeigt – werden die Folgen des Brexit untersucht, sondern auch mittels Befra-

gungen. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen des Brexit kommt hierbei sicherlich den

Befragungen von Unternehmen ein besonderer Stellenwert zu. In Tabelle 7 sind einige sol-

cher Unternehmensbefragungen mit ausgewählten Ergebnissen und zentralen Aussagen

vorgestellt. Es sind zum einen nur Befragungen aufgenommen, die entweder kurz vor oder

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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nach dem Referendum durchgeführt wurden. Zum anderen fokussiert die Synopse auf Un-

tersuchungen aus Deutschland, d.h. deutscher Blickwinkel und Unternehmen in Deutsch-

land spielen eine gewichtige Rolle.

Wie die chronologisch sortierte Übersicht zeigt, gibt es nur vereinzelte Unternehmensbe-

fragungen, die sich dem Brexit in einer größeren thematischen Breite widmen – von denen

die Untersuchung der Unternehmensberatung Deloitte und dem Bundesverband der Deut-

schen Industrie (BDI) zudem noch vor dem Brexit-Referendum durchgeführt wurde. Zwei

der Studien beschränken sich mit dem Bankensektor bzw. der Immobilienwirtschaft auf ei-

nen vergleichsweise kleinen Ausschnitt der Wirtschaft. Bei keiner der Befragungen handelt

es sich um eine Untersuchung aus dem spezifischen Blickwinkel eines Bundeslandes.

Tabelle 7: Aktuelle Unternehmensbefragungen aus Deutschland zum Brexit im Überblick

Titel der Veröffentlichung Deutsche Unternehmen sehen den Brexit gelassen

Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Herbst 2016

Ersteinschätzung der Unter-nehmen in Deutschland zum Brexit (IHK-Blitzumfrage)

Veröffentlichungszeitpunkt Januar 2017 Oktober 2016 Juli 2016

Herausgeber Institut der deutschen Wirt-schaft Köln www.iwkoeln.de

Verband der Vereine Creditreform www.creditreform.de

DIHK www.dihk.de

Zeitraum der Befragung Oktober und November 2016 Herbst 2016

Juni 2016 (unmittelbar im An-schluss an das Votum)

Befragungssample Unternehmen Mittelständische Unternehmen (bis 500 Beschäftigte, bis 50 Mio. Umsatz)

IHK-Mitgliedsunternehmen

Ausgewertete Antworten knapp 2.900 1.179 rund 5.600

Zentrale Aussagen und ausgewählte Ergebnisse

„Mehr als 90 Prozent der be-fragten Unternehmen sehen keine starken Auswirkungen des Brexit auf die genannten Geschäftstätigkeiten [Exporte, Investitionen, Beschäftigung, Personalplanung und Ge-schäftsprozesse]“ „Am stärksten betroffen sind die Exportperspektiven in das UK. Knapp 10 Prozent der be-fragten Firmen erwarten hier mittelfristig (ab 2018) starke Beeinträchtigungen aufgrund der Abwertung des britischen Pfunds.“

Anmerkung: Es wurde im Rah-men der turnusmäßigen Herbstbefragung lediglich eine explizite Frage zum Brexit ge-stellt. „Internationaler deutscher Mit-telstand sieht Schaden für die EU“: Knapp die Hälfte der Be-fragten gibt an, Brexit schadet der EU, jeder siebte sieht einen Vorteil für die EU, gut ein Drittel kann / will sich nicht festlegen“

„Der Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich erhält eine spürbare Delle, mittelfristig dürfte er aufgrund des be-schlossenen Austritts aus der EU sogar noch stärker sinken. Investitionen und Beschäfti-gung deutscher Unternehmen im Vereinigten Königreich wer-den sinken. Unternehmen befürchten vor allem eine Zunahme von Han-delshemmnissen durch den bri-tischen EU-Austritt. Politische und rechtliche Unsicherheit, wie z.B. hinsichtlich der Stabili-tät des EU-Binnenmarkts, wer-den ebenfalls als hohes Risiko genannt.“

Quelle: Recherchen der Hessen Agentur

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

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Tabelle 7 (Forts.): Aktuelle Unternehmensbefragungen aus Deutschland zum Brexit im Überblick

Titel der Veröffentlichung Snapshot Immobilienwirtschaft – Brexit und die Folgen

Brexit – Banker, quo vadis? EU Referendum: Brexit und die Folgen für deutsche Unterneh-men

Veröffentlichungszeitpunkt Juli 2016 Juli 2016 Juni 2016 (nach Brexit-Votum)

Herausgeber Ernst & Young Real Estate www.ey.com

The Boston Consulting Group www.bcg.de

Deloitte und BDI www.bdi.eu

Zeitraum der Befragung 29.06.2016 bis 04.07.2016 Juni 2016 (zwei Wochen vor dem EU-Referendum)

17.05 bis 19.05.2016

Befragungssample Immobilienbranche (vom Pro-jektentwickler über Investor und Finanzierer bis zum Berater)

Entscheider im Bankensektor aus USA, Deutschland, Frank-reich und im UK. Es wurden nur Unternehmen berücksich-tigt, die mindestens einen Standort im UK besitzen.

Unternehmen, „die im UK wirt-schaftlich aktiv sind“

Ausgewertete Antworten 555 rund 360 215

Zentrale Aussagen und ausgewählte Ergebnisse

„Die Folgen des Brexits sind für die Immobilienwirtschaft noch nicht absehbar. Ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass der Brexit doch nicht kommt. Die Entwicklung des Immobi-lien-und Finanzierungsmarktes wird für Deutschland sehr posi-tiv gesehen. Kurzfristig wird eine Verstär-kung des deutschen Immobili-enbooms erwartet, langfristig eine Abschwächung der Fol-gen. Der Standort Frankfurt am Main wird als großer Gewinner des Brexits eingeschätzt, Dublin folgt auf Platz 2. Ein Großteil der Unternehmen weiß nicht, wie sich ihr UK-Ge-schäft entwickeln wird.“

„Entscheider denken nach über Alternativen zum Standort Lon-don“. „Rund 20 Prozent der Finanzdienstleistungs-Jobs in London könnten an andere glo-bale Finanzplätze verlagert werden“. „Zwei Drittel der Finanzunternehmen haben noch keine genauen Pläne für eine mögliche Standortverlage-rung nach dem Brexit.“ „Hohes Maß an Unsicherheit über die weiteren Entwicklun-gen“ „Fast 60 Prozent rechnen mit dauerhaften Einschränkun-gen beim Zugang zum EU-Markt oder lang anhaltender Unsicherheit, bis die EU und Großbritannien entsprechende Vereinbarungen als Konse-quenz aus dem Brexit treffen werden.“

„Möglicher Brexit verunsichert deutsche Unternehmen. 30 Prozent rechnen fest mit ne-gativen Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Nur ein Viertel ist auf den Brexit vorbereitet.“

Quelle: Recherchen der Hessen Agentur

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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5 Befragung hessischer Unternehmen zum Brexit

5.1 Zielsetzung und Methodik der Unternehmensbefragung

Ziel der Unternehmensbefragung ist es, aus erster Hand ein auf breiter Basis stehendes,

differenziertes Meinungsbild hessischer Unternehmen zum Brexit zu erhalten. Dieses soll

nicht nur die Folgen für die Unternehmen thematisieren, sondern auch Aufschluss über die

möglichen Auswirkungen des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs auf Hessen insge-

samt geben. Mit der Befragung sollen zudem Ansatzpunkte für die Landespolitik aus Sicht

der betroffenen hessischen Unternehmen ermittelt werden, um einerseits Risiken des Brexit

für Hessen zu minimieren und andererseits sich eröffnende Chancen wahrzunehmen.

Der Fokus der vorliegenden Primärerhebung liegt auf hessischen Unternehmen, die Wirt-

schaftsbeziehungen zum UK (Export, Import, Konzernmutter, Tochterunternehmen etc.)

unterhalten. Es wurden also gezielt solche Unternehmen befragt, die aufgrund ihrer Ver-

flechtungen mit dem UK mehr oder minder stark von den Folgen desselbigen tangiert sein

dürften. Dieses Untersuchungsdesign erlaubt sowohl die Konzentration der Befragung auf

das Erkenntnisobjekt als auch mit relativ geringem Aufwand eine hohe Anzahl von Antwor-

ten aus der primär interessierenden Zielgruppe zu erhalten. Somit sind differenzierte Aus-

wertungen bei zugleich guter Fundierung der Ergebnisse möglich. Bei der Interpretation ist

allerdings entsprechend zu beachten, dass die Befragungserkenntnisse nicht den Anspruch

erheben können (und wollen) für die hessische Wirtschaft in ihrer Gesamtheit zu stehen.

Adressgrundlage für die Unternehmensbefragung ist die Unternehmensdatenbank MAR-

KUS (Creditreform / Bureau van Dijk), die eine hohe Aktualität und Qualität der Daten auf-

weist. Zudem eröffnet diese Unternehmensdatenbank die Möglichkeit, durch Suchstrate-

gien Unternehmen z.B. nach Branche oder Unternehmensverflechtungen zu selektieren.

Auf diese Art und Weise konnte ein Teil der Brexit-Zielgruppe in MARKUS grundsätzlich

identifiziert werden: Unternehmen mit Sitz in Hessen und Konzernmutter im UK sowie Un-

ternehmen mit Sitz in Hessen, die im UK mit Tochtergesellschaften vertreten sind – d.h.

sozusagen die höchste Stufe eines grenzüberschreitenden Engagements. Um Erkennt-

nisse über die weiteren hessischen Unternehmen mit Wirtschaftsbeziehungen zum UK –

hier sind vor allem Export und Import anzuführen – zu erlangen, wurden zudem Unterneh-

men in das Befragungssample aufgenommen, die aufgrund ihrer Größe und ihres Tätig-

keitsspektrums eine hohe Wahrscheinlichkeit für internationale Aktivitäten und potenzielle

Geschäftsbeziehungen mit dem UK aufweisen. Auf der Basis von Recherchen und Vor-

überlegungen zu internationalen Verflechtungen wurden Unternehmen mit Sitz in Hessen

mit über 50 Mitarbeitern aufgenommen, wobei die Wirtschaftszweige Einzelhandel, Gast-

gewerbe, Baugewerbe, Land- und Forstwirtschaft, Staat, Gesundheits- und Sozialwesen

sowie der Bereich der persönlichen Dienstleistungen ausgeschlossen wurde.15

15 Für einen Teil der ausgewählten Unternehmen wird diese Vermutung nicht zutreffen. Obgleich nicht primäre Zielgruppe, liefert die Befragung damit auch Erkenntnisse zum Brexit aus Sicht hessischer Unternehmen ohne Wirtschaftsbeziehungen zum UK.

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39

Die so ausgewählten Unternehmen wurden anschließend um Überschneidungen zwischen

den einzelnen Gruppen bereinigt. Ein letzter Schritt diente weiteren qualitätssichernden

Maßnahmen (z.B. Bereinigung bei mehreren verbundenen Unternehmen an gleicher Ad-

resse). Nach Abschluss dieser Arbeiten umfasste das Sample für die Brexit-Befragung letzt-

lich 4.092 Unternehmen mit Sitz in Hessen.

Die Feldphase der Unternehmensbefragung war Dezember 2016 / Januar 2017, wobei die

wenigen nach dem offiziellen Einsendeschluss Mitte Januar eintreffenden Antworten eben-

falls noch in die Auswertung einbezogen wurden. Die Befragung erfolgte schriftlich-posta-

lisch mit der Option, den Fragebogen online auszufüllen. Rund ein Viertel der antwortenden

Unternehmen machte hiervon Gebrauch.

Tabelle 8: Charakteristika der Unternehmensbefragung „Hessen und der Brexit – Auswirkungen eines EU-Austritts des Vereinigten Königreichs auf die hessische Wirtschaft“ im Überblick

Angaben zur Erhebung der Hessen Agentur

Befragungssample16

A. Alle Unternehmen mit Sitz in Hessen und einer Konzernmutter im Vereinigten Königreich B. Alle Unternehmen mit Sitz in Hessen und einer Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich C. Unternehmen mit Sitz in Hessen und mehr als 50 Mitarbeitern

ohne die Branchen: Einzelhandel, Gastgewerbe, Baugewerbe, Land- / Forstwirtschaft, Staat, Gesundheits- und Sozialwesen sowie den Bereich der persönlichen Dienstleistungen

Befragungsumfang 4.092 Unternehmen

Befragungszeitraum Dezember 2016 – Januar 2017

Befragungsart schriftlich-postalisch, Antwort auch online möglich

Rücklauf und Rücklaufquote

672 ausgewertete Antworten, was einer Rücklaufquote von 16,4 % entspricht.

Themenfelder

Erwartungen an die Brexit-Verhandlungen und das Verhandlungsergebnis

Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich

Auswirkungen des Brexit auf die Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich

Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen und auf Hessen

Wirtschaftspolitik des Landes Hessen

Quelle: Darstellung der Hessen Agentur

672 Antworten wurden ausgewertet, was – bezogen auf die Zahl der versendeten Frage-

bögen – einer Rücklaufquote von 16,4 % entspricht. Damit fällt nicht nur die Rücklaufquote

erfreulich hoch aus, sondern den in den nachfolgenden Kapiteln im Detail vorgestellten Er-

gebnissen liegt auch absolut gesehen eine beträchtliche Anzahl von Antworten zugrunde.

Dies ermöglicht z.B. eine differenzierte Betrachtung der befragten hessischen Unterneh-

men nach der Art der Geschäftsbeziehung zum UK. Hinsichtlich der in der Befragung un-

tersuchten Themenkomplexe sei auf die Übersicht in Tabelle 8 verwiesen.

16 Der Rücklauf der einzelnen Gruppen wurde gemeinsam erfasst. Eine Auswertung anhand der Zielgruppen erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der eigenen Angaben der Unternehmen in der Unternehmensbefragung selbst.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

40

Nahezu alle befragten Unternehmen haben Angaben zu ihrer Beschäftigtenzahl und der

Branchenzuordnung gemacht. Hinsichtlich der Unternehmensgröße nach Beschäftigten

(vgl. Abbildung 20) lassen sich vier Gruppen bilden. 17 % der Unternehmen haben weniger

als 50 Beschäftigte. Entsprechend des Befragungssamples sind hierunter überwiegend Un-

ternehmen zu finden, die Mutter- oder Tochterunternehmen im UK aufweisen. Mit 58 % der

Unternehmen bilden die „mittelständischen“ Unternehmen bis 250 Beschäftigte die größte

Gruppe. Ein Viertel der Unternehmen sind Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftig-

ten. Hierzu zählt mit 40 Unternehmen (6 %) eine nennenswerte Zahl sehr großer Unterneh-

men mit mehr als 1.000 Beschäftigten.

Abbildung 20: Größenstruktur der befragten Unternehmen nach Beschäftigten

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Anhand der Branchenangaben der Unternehmen lassen sich 325 Unternehmen dem Ver-

arbeitenden Gewerbe zuordnen. Am stärksten vertreten sind hierunter die Branchen Che-

mie, Pharma, Gummi, Kunststoff mit 85 Unternehmen, Maschinenbau (60), Metall und

Elektrotechnik (37). Dem Dienstleistungsbereich sind 251 Unternehmen zuzuordnen, wo-

runter Unternehmen der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (77), EDV / IT, Tele-

kommunikation, Verlage (41), Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschafts-

prüfung, Werbung (34) sowie Verkehr und Lagerei (28) fallen.

Über das Verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungen hinaus haben 83 Handelsun-

ternehmen – dies sind aufgrund der Branchenauswahl des Befragungssamples überwie-

gend Großhändler – an der Befragung teilgenommen. In den nachfolgenden Analysen las-

sen sich teils Unterschiede zwischen Verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungen sowie

zwischen den einzelnen darunterfallenden Branchen nachweisen. Dabei werden nur Bran-

chen berücksichtigt, bei der die Anzahl der antwortenden Unternehmen hoch genug ist, um

statistisch abgesicherte, aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.17

17 Ausnahme bildet der Fahrzeugbau, dessen Umfrageergebnisse trotz der relativ geringen Zahl antwortender Unternehmen aufgrund der hohen Bedeutung in den außenwirtschaftlichen Beziehungen (vgl. Kapitel 3) explizit ausgewiesen werden.

über 1.000 Beschäftigte

über 250 bis 1.000 Beschäftigte

über 50 bis 250 Beschäftigte

bis 50 Beschäftigte

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

6%

19%

58%

17%

Wie viele Beschäftigte hat Ihr Unternehmen?n=658

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41

Abbildung 21: Branchenstruktur der befragten Unternehmen

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

5.2 Erwartungen der hessischen Unternehmen an die Brexit-Verhandlungen und

das Verhandlungsergebnis

Zwar hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs mehrheitlich für den Brexit gestimmt

– es besteht jedoch auch gut ein halbes Jahr nach dem Referendum noch weitgehend Un-

klarheit über den weiteren Fahrplan auf dem Weg zum Austritt und auch über das Ergebnis,

das am Ende der Verhandlungen zwischen der EU und dem UK stehen wird (vgl. hierzu

ausführlich Kapitel 4). Welche Erwartungen haben die befragten hessischen Unternehmen

hierzu?

Übrige Branchen

Handel

Sonstige Dienstleistungen

Architektur- und Ingenieurbüros

Grundstücks- und Wohnungswesen

Arbeitnehmerüberlassung

Verkehr und Lagerei

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen

Dienstleistungendarunter:

Sonstiges Verarbeitendes Gewerbe

Fahrzeugbau

Ernährungsgewerbe

Elektrotechnik

Metall

Maschinenbau

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff

Verarbeitendes Gewerbedarunter:

0 50 100 150 200 250 300 350

In welcher Branche ist Ihr Unternehmen tätig?

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

42

Abbildung 22: Einschätzungen hessischer Unternehmen zur Verhandlungsphase des Brexit

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Die Antworten in Abbildung 22 (a) zeigen, dass sich die befragten Unternehmen der Kom-

plexität der anstehenden Verhandlungen, der potenziellen Schwierigkeiten und der teil-

weise sicherlich gegenläufigen Interessen von der EU auf der einen und dem UK auf der

anderen Seite bewusst sind. Eine deutliche Mehrheit (73 %) hält es deshalb für (sehr) wahr-

scheinlich, dass die Verhandlungen langwierig werden und harte Auseinandersetzungen

auftreten. Insofern stützt die Befragung hessischer Unternehmen die Erwartung einer län-

ger andauernden Phase der Unsicherheit – an eine schnelle und geräuschlose „Scheidung“

glauben nur vergleichsweise wenige hessische Unternehmen.

Klar fällt auch die Erwartung hinsichtlich zweier Extremszenarien zum Verhandlungsverlauf

bzw. -ergebnis aus. Diese sind zum einen ein Scheitern der Verhandlungen und ein damit

6 = sehr unwahrscheinlich

5

4

3

2

1 = sehr wahrscheinlich

0% 10% 20% 30% 40%

4%

6%

4%

13%

42%

31%

a) Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Ansicht nach,dass die Verhandlungen sich lange hinziehen und es

zu harten Auseinandersetzungen kommt, bisletztlich ein Austrittsabkommen geschlossen wird?

n=622

6 = sehr unwahrscheinlich

5

4

3

2

1 = sehr wahrscheinlich

0% 10% 20% 30% 40%

2%

26%

36%

16%

13%

8%

b) Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Ansicht nach,dass die Austrittsverhandlungen scheitern und das

Vereinigte Königreich „ungeregelt“ aus der EUausscheiden wird?

n=591

6 = sehr unwahrscheinlich

5

4

3

2

1 = sehr wahrscheinlich

0% 10% 20% 30% 40%

6%

3%

40%

29%

11%

11%

c) Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Ansicht nach,dass das Vereinigte Königreich in der EU

verbleibt, da kein Austrittsgesuch eingereichtbzw. dieses widerrufen wird?

n=598

6 = sehr unwahrscheinlich

5

4

3

2

1 = sehr wahrscheinlich

0% 10% 20% 30% 40%

10%

21%

15%

17%

26%

11%

d) Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Ansicht nach,dass der Austrittsantrag des Vereinigten

Königreichs – wie angekündigt – spätestens im März2017 eingereicht wird?

n=605

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43

verbundenes „ungeregeltes“ Ausscheiden aus der EU (b) sowie zum anderen ein Zurück-

ziehen oder Nichteinreichen des Austrittsantrags und damit ein Verbleib in der EU (c). Le-

diglich jeweils rund 10 % halten eine derartige Entwicklung für (sehr) wahrscheinlich – zwei-

fellos eine Minderheit. Dennoch ist festzuhalten, dass es durchaus hessische Unternehmen

gibt, die etwa mit einem „Exit vom Brexit“ rechnen.

Uneinheitlich war hingegen die Einschätzung der Unternehmen im Hinblick auf den ersten

Meilenstein auf dem Weg zum Brexit – der Einreichung des Austrittantrags gegenüber der

EU (d) – zum Zeitpunkt der Befragung. Mit der Einreichung des Antrags am 29. März 2017

hat die britische Regierung ihre Ankündigung eingehalten, dass sie den Brexit bis Ende

März 2017 auf den Weg bringt.

Die Einschätzungen der antwortenden Unternehmen hinsichtlich des Verhandlungsergeb-

nisses (vgl. Abbildung 23) korrespondieren mit denen zum Verhandlungsablauf: Extreme

Ergebnisse – die in den Brexit-Verhandlungen getroffenen Vereinbarungen führen dazu,

dass sich das UK sehr stark oder nur unwesentlich von der EU „entfernt“ – werden nur von

wenigen hessischen Unternehmen erwartet. Die Verteilung der Antworten über die gesamte

Skala von 1 bis 6 zeigt aber die unterschiedlichen Erwartungen der Unternehmen zum Zeit-

punkt der Befragung über die Härte des Einschnitts durch den Brexit. Es überwiegen die

Erwartungen im mittleren Bereich der Skala (3-4), auf den rund 58 % der Antworten entfal-

len. Der Mittelwert der Einschätzungen weicht mit 3,7 nur geringfügig von dem neutralen

Wert 3,5 ab. Es lässt sich mit 53 % gegenüber 47 % lediglich ein leichtes Übergewicht der

Einschätzungen, dass der „Abstand“ zwischen dem Vereinigten Königreich und der Euro-

päischen Union eher gering bleibt (4-6), nachweisen.

Abbildung 23: Erwartungen hessischer Unternehmen an das Verhandlungsergebnis

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

6 = unwesentlich

5

4

3

2

1 = sehr stark

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35%

5%

1%

22%

26%

32%

14%

Welches Brexit-Verhandlungsergebnis erwarten Sie:Wie stark wird sich das Vereinigte Königreich

sozusagen von der EU entfernen?n=630

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

44

Im Hinblick auf diese grundsätzlichen Einschätzungen zum Brexit sind keine nennenswer-

ten Auffälligkeiten zwischen den befragten hessischen Unternehmen – z.B. differenziert

nach bestehenden Geschäftsbeziehungen mit dem UK, Branchen, Größenklassen (Be-

schäftigte) oder anderen Merkmalen – feststellbar.

5.3 Auswirkungen des Brexit auf hessische Unternehmen und ihre Geschäfts-

beziehungen zum Vereinigten Königreich

Die Auswirkungen des Brexit auf hessische Unternehmen können über verschiedene

Transmissionskanäle erfolgen. Hierbei besteht ein naheliegender Wirkungsmechanismus

darin, dass die Geschäftsbeziehungen von hessischen Unternehmen mit dem Vereinigten

Königreich durch neue Regelungen direkt beeinflusst werden. Zusätzlich können die Ge-

schäftsbeziehungen zwischen hessischen Unternehmen und dem Vereinigten Königreich

über indirekte Effekte beeinflusst werden. Ein weiterer potenzieller Wirkungskanal des

Brexit besteht durch indirekte Effekte auf die gesamte Geschäftstätigkeit der Unternehmen

– diese Effekte sind aber nicht nur für Unternehmen spürbar, die direkte Geschäftsbezie-

hungen mit dem Vereinigten Königreich aufweisen, sondern wirken sich auf alle Unterneh-

men aus.

Insgesamt erwartet die Mehrzahl der befragten hessischen Unternehmen (62 %) keine Aus-

wirkungen durch den Brexit auf das eigene Unternehmen bzw. geht davon aus, dass sich

eventuelle positive und negative Effekte die Waage halten (vgl. Abbildung 24). Bei denjeni-

gen, die sich positiv oder negativ positionieren (38 %), überwiegen die Unternehmen, die

eher negative oder eindeutig negative Auswirkungen auf ihr Unternehmen befürchten

(33 %) diejenigen Unternehmen, die eher positive oder eindeutig positive Erwartungen mit

dem Brexit verbinden (6 %), eindeutig.

Dieses erste Bild der Auswirkungen des Brexit auf die befragten hessischen Unternehmen

gewinnt noch an Aussagekraft, wenn hinsichtlich der direkten und indirekten Wirkungsme-

chanismen unterschieden wird, d.h. zwischen hessischen Unternehmen mit Geschäftsbe-

ziehungen zum UK (z.B. Güterexport, Tochter- oder Mutterunternehmen im UK) und sol-

chen ohne direkten Verbindungen zum UK sind deutliche Unterschiede zu erkennen. Un-

ternehmen mit Geschäftsbeziehungen schätzen die Auswirkungen des Brexit auf ihr

Unternehmen deutlich pessimistischer als Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen ein.

Unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen erwartet zwar die Hälfte (50 %) keine

Auswirkungen des Brexit, aber es gehen fast genauso viele Unternehmen (46%) von nega-

tiven Effekten aus, während lediglich 4 % positive Effekte auf ihr Unternehmen erwarten.

Demgegenüber äußern sich unter den Unternehmen ohne bestehende Geschäftsbeziehun-

gen mit dem UK 79 % dahingehend, dass sie keine Auswirkungen erwarten. Nur rund 12 %

der Unternehmen erwarten eher negative Effekte – diese können z.B. auf indirekte Effekte

wie eine befürchtete Abschwächung des Wirtschaftswachstums durch den Brexit insgesamt

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45

oder auf eine befürchtete schwächere Entwicklung bei Kunden zurückzuführen sein. Um-

gekehrt erwarten 8 % der Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen mit dem UK positive

Effekte durch den Brexit, wofür z.B. erhoffte Wettbewerbsvorteile gegenüber britischen

Konkurrenten im EU-Markt ursächlich sein könnten.

Abbildung 24: Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen: Hessische Unternehmen mit und ohne Geschäftsbeziehungen mit dem UK

Legende

mit Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich = alle Unternehmen =

ohne Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Mehr als die Hälfte (59 %) aller Unternehmen der Befragung gibt an, Geschäftsbeziehun-

gen zum Vereinigten Königreich zu unterhalten, während 41 % der befragten Unternehmen

keine Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich haben. Unter diesen befragten

hessischen Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen mit dem UK erwirtschaften deutlich

mehr als die Hälfte (57 %) der Unternehmen auch einen gewissen Anteil ihres Umsatzes

im Ausland – womit insgesamt mehr als 82 % der antwortenden Unternehmen internatio-

nale Geschäftsbeziehungen aufweisen. Diese Ergebnisse stützen das Design des Befra-

gungssamples, mit dem diejenigen hessischen Unternehmen in den Fokus genommen wer-

den sollten, die aufgrund ihrer Größe und ihres Tätigkeitsspektrums, d.h. der Branchenzu-

gehörigkeit, eine hohe Wahrscheinlichkeit für internationale Aktivitäten und potenzielle

Geschäftsbeziehungen mit dem UK aufweisen.

Die Branchen unterscheiden sich deutlich in Bezug auf den Anteil der Unternehmen mit

Geschäftsbeziehungen mit dem UK (vgl. Abbildung 25). Mit 84 % ist der Anteil in der Bran-

che Fahrzeugbau am höchsten, was sich auch in den in Kapitel 3.1 dargestellten Handels-

beziehungen widerspiegelt. Die Branche Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff folgt mit

eindeutig negativ -2

eher negativ -1

neutral ohne Auswirkungen +0

eher positiv +1

eindeutig positiv +2

0% 20% 40% 60% 80%

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexitinsgesamt gesehen auf Ihr Unternehmen ein?

mit Geschäftsbeziehungen: n=383, ohne Geschäftsbeziehungen: n=260

Ja: 58,7% Nein: 41,3%

Unterhält Ihr UnternehmenGeschäftsbeziehungen zum Vereinigten

Königreich?n=671

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

46

82 % und im Maschinenbau liegt der Anteil bei 77 %. Mit Ausnahme der Branche Arbeit-

nehmerüberlassung – in der von 16 Unternehmen nur ein Unternehmen Geschäftsbezie-

hungen mit dem UK hat – unterhält in allen Branchen eine nennenswerte Zahl von Unter-

nehmen Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich, d.h. der Brexit ist branchen-

übergreifend ein bedeutsames Thema. Dabei ist hervorzuheben, dass die Befragungs-

methodik darauf abzielte, einen möglichst hohen Anteil direkt betroffener Unternehmen,

also mit Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich, in die Erhebung aufzuneh-

men.

Abbildung 25: Anteil der Unternehmen mit und ohne Geschäftsbeziehungen zum UK nach Branchen

Legende

mit Geschäftsbeziehungen zum UK = ohne Geschäftsbeziehungen zum UK =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Übrige Branchen n=13

Handel n=83

Arbeitnehmerüberlassung n=16

Verkehr und Lagerei n=27

Grundstücks- und Wohnungswesen n=11

Architektur- und Ingenieurbüros n=10

Sonstige Dienstleistungen n=33

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=78

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=41

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=34

Dienstleistungen, darunter: n=250

Sonstiges Verarbeitendes Gewerbe n=52

Ernährungsgewerbe n=22

Elektrotechnik n=37

Metall n=50

Maschinenbau n=60

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=85

Fahrzeugbau n=19

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=325

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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47

Von zentraler Bedeutung ist die Fragestellung, wie die Unternehmen den Gesamteffekt des

Brexit für sich einschätzen. Im Verarbeitenden Gewerbe erwarten nur 2 % der Unterneh-

men – gefragt wurden Unternehmen sowohl mit als auch ohne Geschäftsbeziehungen zum

UK – einen (eher) positiven Effekt durch den Brexit. Demgegenüber erwarten 33 % der

Unternehmen eher negative und 3 % sogar eindeutig negative Effekte. Im Dienstleistungs-

bereich vermuten mit 24 % bzw. 2 % der Unternehmen ein geringerer Anteil von Unterneh-

men eher bzw. eindeutig negative Effekte. Zudem erkennen im Dienstleistungsbereich auch

mehr Unternehmen Chancen für sich durch den Brexit: 10 % erwarten eher und 1 % erwar-

tet eindeutig positive Effekte. Mit jeweils knapp über 60 % erwartet der größte Teil der Un-

ternehmen allerdings keine Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen insgesamt.

Abbildung 26: Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen nach Branchen

Legende

eindeutig positiv = eher positiv = neutral / keine Auswirkungen = eher negativ = eindeutig negativ =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Im Folgenden werden im Detail die erwarteten Auswirkungen des Brexit auf die Geschäfts-

beziehungen der befragten hessischen Unternehmen zum UK thematisiert. Die der Analyse

zugrundeliegenden Fragen waren daher nur von Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen

zum UK zu beantworten. Dies trifft für insgesamt 394 Unternehmen der Untersuchung zu.

Geschäftsbeziehungen zwischen hessischen Unternehmen und Unternehmen des Verei-

nigten Königreichs bestehen auf vielfältigen Ebenen. Die Unternehmen wurden daher ge-

beten, ihre Geschäftsbeziehungen näher zu spezifizieren – wobei Mehrfachnennungen

selbstverständlich möglich waren (vgl. Abbildung 27). Zum Zwecke der Auswertung werden

Handel n=77

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=34

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=40

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=74

Dienstleistungen, darunter: n=240

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=80

Metall n=48

Elektrotechnik n=35

Fahrzeugbau n=19

Maschinenbau n=60

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=313

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

48

die unterschiedlichen Geschäftsbeziehungen bei manchen Fragestellungen in vier Katego-

rien zusammengefasst.

Die klassische grenzüberschreitende Geschäftsbeziehung ist der Warenhandel, d.h. der

Export und Import von Gütern. Rund 54 % der Unternehmen exportieren Waren in das UK.

Auch der Bezug von Waren aus dem Vereinigten Königreich wird von einem bedeutenden,

obgleich deutlich kleinerem Anteil der Unternehmen (23 %) betrieben. Diese Befragungs-

ergebnisse unterstreichen das große Gewicht des Warenhandels mit dem UK für Hessen,

wie sie sich auch aus der Auswertung der Außenhandelsstatistik in Kapitel 3.1 ergibt.

Die Außenhandelsstatistik kann allerdings keine Informationen über den Dienstleistungs-

außenhandel einzelner Bundesländer zur Verfügung stellen. Die Befragung zeigt die Be-

deutung des hessischen Ex- und Imports von Dienstleistungen für hessische Unternehmen

auf: Unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK exportieren 15 % Dienst-

leistungen in das UK und 11 % importieren Dienstleistungen aus dem UK, wobei Finanz-

dienstleistungen nicht einbezogen sind. Unternehmen mit mindestens einer der vier Ge-

schäftsbeziehungen Export und Import von Gütern und Dienstleistungen (ohne Finanz-

dienstleistungen) bilden die Gruppe der Unternehmen mit realwirtschaftlichen Ver-

flechtungen zum UK (rosa).

Sowohl für Hessen als auch für das Vereinigte Königreich sind Finanzdienstleistungen von

hoher Bedeutung – mit Frankfurt und London sind jeweils wichtige Finanzmetropolen in den

Wirtschaftsräumen lokalisiert. In diesem Bereich sind unter den Unternehmen 4 % im Ex-

port und 5 % im Import tätig. Um spezifische finanzielle Geschäftsbeziehungen mit dem UK

gezielter betrachten zu können, wurden die hessischen Unternehmen zudem nach Ge-

schäftsbeziehungen im Sinne von Kapitalanlagen (5 %) und Finanzierungen (5 %) im Ver-

einigten Königreich sowie speziell Aktivitäten am dortigen Geldmarkt (3 %) befragt. Unter-

nehmen, die im Im- und Export von Finanzdienstleistungen tätig sind bzw. Angaben zu

spezifischen finanziellen Geschäftsbeziehungen mit dem UK gemacht haben, werden als

Gruppe der Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen zum UK (grün) zusam-

mengefasst. Hierunter fallen zwar erwartungsgemäß viele Unternehmen der Finanz- und

Versicherungsbranche, aber auch eine nennenswerte Zahl von Unternehmen aus anderen

Branchen unterhält entsprechende Geschäftsbeziehungen mit dem UK.

Von besonders engen, wechselseitigen Beziehungen zwischen hessischen Unternehmen

und Unternehmen im Vereinigten Königreich auf der Ebene der unterschiedlichsten betrieb-

lichen Funktionen (Beschaffung, Vertrieb, Finanzierung, Personalwesen etc.) ist bei institu-

tionalisierten Beziehungen auszugehen. D.h., der Sitz des Mutterunternehmens bzw. der

Europazentrale des hessischen Unternehmens befindet sich im UK oder / und das hessi-

sche Unternehmen verfügt über Produktionsstätten bzw. Einrichtungen zur Dienstleistungs-

erbringung und Repräsentanzen bzw. Vertriebseinrichtungen im UK. Diese Unternehmen

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49

wurden als besonders vom Brexit betroffene Zielgruppe innerhalb der hessischen Wirt-

schaft gezielt angeschrieben, es erfolgte eine Vollerhebung auf Basis der zugrundeliegen-

den Unternehmensdatenbank, wodurch ein relativ hoher Anteil der Unternehmen auf diese

Art der Geschäftsbeziehung entfällt.

17 % bzw. 9 % der befragten Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK gaben an,

dass sich ihre Konzernmutter bzw. die Europazentrale des Konzerns im Vereinigten König-

reich befindet. Eine genaue Abgrenzung zwischen Mutterunternehmen und Europazentrale

ist nicht immer möglich, sodass 24 % der Unternehmen in die zusammengefasste Katego-

rie (orange) fallen.

Abbildung 27: Art der Geschäftsbeziehungen hessischer Unternehmen mit dem UK

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

In umgekehrter Richtung investieren hessische Unternehmen auch im Vereinigten König-

reich. 17 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK betreiben Produktions-

stätten bzw. Einrichtungen zur Dienstleistungserbringung im UK und 21 % unterhalten Re-

präsentanzen bzw. Vertriebseinrichtungen dort. Da viele Unternehmen sowohl Produktion

Aktivitäten am Geldmarkt in UK

Finanzierung am Finanzmarkt in UK / Finanzplatz London

Kapitalanlagen (z.B. Bonds, Aktien, Anleihen) in UK

Import von Finanzdienstleistungen aus UK

Export von Finanzdienstleistungen nach UK

Import von sonstigen Dienstleistungen aus UK

Import von Gütern aus UK

Export von sonstigen Dienstleistungen nach UK

Export von Gütern nach UK

Wir haben eigene oder in Kooperation betriebeneRepräsentanzen / Vertriebseinrichtungen in UK.

Wir haben eigene oder in Kooperation betriebeneProduktionsstätten / Büros zur Dienstleistungserbringung in UK.

Unsere Europazentrale hat den Sitz in UK.

Unser Mutterunternehmen hat den Sitz in UK.

0% 20% 40% 60% 80%

3%

5%

5%

5%

4%

11%

9%

23%

15%

54%

21%

17%

17%

Welche Geschäftsbeziehungen unterhält dasUnternehmen mit UK?

n=394, Mehrfachnennungen möglich

Mutter/Europazentrale in UK24%

Tochter in UK33%

RealwirtschaftlicheVerflechtungen mit UK

75%

FinanzwirtschaftlicheVerflechtungen mit UK13%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

50

als auch Vertrieb im UK in Form von Tochtergesellschaften abwickeln, fallen unter die zu-

sammengefasste Kategorie 33 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK

(gelb).

Über die Art der Geschäftsbeziehung zum UK hinaus ist die Bedeutung des Vereinigten

Königreichs – d.h. sozusagen die Intensität der Verbindung – von Interesse (vgl. Abbildung

28). Nur wenige der befragten Unternehmen in Hessen mit Geschäftsbeziehungen zum

Vereinigten Königreich bezeichnen dieses als ihren wichtigsten Auslandsmarkt (4 %). Für

24 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK zählt das UK jedoch zu den

fünf wichtigsten Auslandsmärkten, wodurch die Rolle des Landes als Wirtschaftspartner

Hessens unterstrichen wird. Dies gilt erst recht für die hessischen Unternehmen mit finanz-

wirtschaftlichen Verflechtungen zum UK: Für rund 47 % dieser Unternehmen zählt das UK

zu den fünf wichtigsten bzw. ist sogar der wichtigste Auslandsmarkt. Auch für hessische

Unternehmen mit einer Mutter bzw. der Europazentrale im UK (42 %) sowie für hessische

Unternehmen mit einer Tochter im UK (41 %) fällt dieser Anteil überdurchschnittlich aus.

Abbildung 28: Bedeutung des UK unter den Auslandsmärkten hessischer Unternehmen

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Hinsichtlich des Anteils an Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK weist das Ver-

arbeitende Gewerbe mit 71 % einen deutlich höheren Anteil als die Dienstleistungen mit

50 % auf (vgl. Abbildung 25). Allerdings ist unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehun-

gen zum UK die Bedeutung des Vereinigten Königreichs im Dienstleistungsbereich höher

(vgl. Abbildung 29). Während im Dienstleistungsbereich mehr als 40 % der Unternehmen

das UK unter den fünf wichtigsten oder sogar als wichtigsten Auslandsmarkt einstufen, liegt

dieser Anteil im Verarbeitenden Gewerbe nur bei 20 %. Innerhalb des Dienstleistungsbe-

reichs hat das UK als Auslandsmarkt insbesondere für einen großen Anteil der Finanz- und

Versicherungsdienstleister mit 56 % sowie der unternehmensnahen Dienstleister (Rechts-,

Steuer-, Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung) mit 47 % eine hohe Be-

nicht unter den TOP5

TOP5 Auslandsmarkt

wichtigster Auslandsmarkt

0% 20% 40% 60%

4%

72%

24%

Welche Bedeutung hat das Vereinigte Königreichunter den Auslandsmärkten des Unternehmens?

n=367

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51

deutung. Unter den Branchen im Verarbeitenden Gewerbe ist dieser Anteil beim Fahrzeug-

bau (33 %) und in der Branche Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff (24 %) besonders

hoch, was mit den Ergebnissen der Exportstatistik korrespondiert (vgl. Kapitel 3).

Abbildung 29: Bedeutung des Auslandsmarktes UK nach Branchen

Legende

wichtigster Auslandsmarkt = unter den fünf wichtigsten Auslandsmärkten=

nicht unter den fünf wichtigsten Auslandsmärkten =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Ein weiterer Aspekt der Verflechtungen zwischen Hessen und dem UK besteht im Hinblick

auf Arbeitskräfte (vgl. Abbildung 30). Dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU

können Unternehmen britische Staatsbürger hier vor Ort in Hessen beschäftigen und um-

gekehrt können hessische Bürgerinnen und Bürger sowie Staatsbürger anderer EU-Staa-

ten bei Unternehmen im UK beschäftigt sein. Hierbei handelt es sich keineswegs nur um

ein theoretisches Konstrukt, dem in der Realität des Wirtschaftslebens keine Relevanz zu-

kommt, denn unter den antwortenden hessischen Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen

zum UK sind für 23 % Beschäftigte aus der EU im UK tätig. Dabei muss dies nicht mit einem

institutionalisierten Sitz (z.B. Mutter- oder Tochterunternehmen) im Vereinigten Königreich

einhergehen, sondern auch Beschäftigte, die über einen längeren Zeitraum im UK tätig

sind, werden erfasst. Knapp ein Viertel der Unternehmen mit Beschäftigten im UK wickeln

diese Tätigkeiten ohne einen eigenen Sitz im Vereinigten Königreich ab.

Hessische Unternehmen sind im Wettbewerb um die geeignetsten Mitarbeiter auf dem in-

ternationalen Arbeitsmarkt aktiv, sodass Staatsbürger aus dem UK in hessischen Unter-

nehmen beschäftigt sind. Der Anteil der Unternehmen, die britische Staatsbürger in Hessen

Handel n=27

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=22

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=21

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=41

Dienstleistungen, darunter: n=116

Maschinenbau n=44

Metall n=33

Elektrotechnik n=23

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=65

Fahrzeugbau n=15

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=219

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

52

beschäftigen, ist mit 20 % nur unwesentlich geringer als der Anteil der Unternehmen, die

europäische Bürger ohne britische Staatsbürgerschaft im UK beschäftigen.

Die überproportionalen Werte für hessische Unternehmen mit Tochter im UK (37 % haben

EU-Beschäftigte im UK bzw. 24 % haben Beschäftigte aus dem UK in Hessen) sowie mit

Mutter / Europazentrale im UK (44 % bzw. 30 %) betonen nochmals die engen grenzüber-

schreitenden Beziehungen im Unternehmensverbund. Die Thematik der Beschäftigung

ausländischer Mitarbeiter ist für die Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen

von nochmals höherer Bedeutung: 54 % dieser Unternehmen beschäftigen EU-Bürger im

UK und 33 % zählen britische Staatsbürger zu ihrer Belegschaft in Hessen.

Vor dem Hintergrund des Ziels der Brexit-Befürworter, eine Verringerung der Zuwanderung

in das UK zu erreichen, könnte diese Praxis zukünftig erschwert werden – auch wenn die

britische Premierministerin angekündigt hat, für die aktuell bereits wechselseitig „ausge-

tauschten“ Arbeitskräfte eine entsprechend unkomplizierte Aufenthaltsgenehmigung ver-

einbaren zu wollen. Denkbar sind ebenfalls Regelungen, das Bleiberecht an die Qualifika-

tion der Beschäftigten zu knüpfen, was aus Sicht der hessischen Unternehmen die Proble-

matik entschärfen dürfte.

Abbildung 30: Hessische Unternehmen: Beschäftigte aus der EU im UK und aus dem UK in Hessen

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Hinsichtlich der Beschäftigung von EU-Ausländern im UK und britischen Staatsbürgern in

Hessen bestehen branchenspezifische Unterschiede (vgl. Abbildung 31). Während 41 %

der Unternehmen im Dienstleistungsbereich EU-Ausländer im UK beschäftigen, betrifft dies

vor dem Hintergrund der gefährdeten Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem Abschluss des

Brexit im Verarbeitenden Gewerbe 15 % der Unternehmen. Ein ähnlicher Unterschied tritt

zwischen Verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungen hinsichtlich der Beschäftigung

von britischen Staatsbürgern in Hessen auf. 14 % der Unternehmen des Verarbeitenden

Gewerbes und 32 % der Unternehmen im Dienstleistungsbereich beschäftigen Briten in

Hessen.

Nein

Ja

0% 20% 40% 60% 80%

77%

23%

Beschäftigt Ihr Unternehmen EU-Bürger in UK, dienicht aus UK selbst stammen?

n=377

Nein

Ja

0% 20% 40% 60% 80%

80%

20%

Beschäftigt Ihr Unternehmen britische Staatsbürgerin Hessen?

n=384

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53

Abbildung 31: Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU: Beschäftigung von EU-Ausländern im UK und von britischen Staatsbürgern in Hessen nach Branchen

Beschäftigung von EU-Ausländern im UK

Beschäftigung britischer Staatsbürger in Hessen

Legende

ja = nein =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Handel n=30

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=21

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=24

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=41

Dienstleistungen, darunter: n=118

Metall n=31

Maschinenbau n=46

Elektrotechnik n=24

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=68

Fahrzeugbau n=14

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=224

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Handel n=31

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=41

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=24

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=23

Dienstleistungen, darunter: n=120

Metall n=34

Maschinenbau n=45

Elektrotechnik n=23

Fahrzeugbau n=16

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=67

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=227

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

54

5.4 Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich –

Auswirkungen und Risiken des Brexit sowie Stand der Vorbereitung

In Abbildung 24 wurde deutlich, dass rund die Hälfte der Unternehmen mit Geschäftsbezie-

hungen zum UK von neutralen und annähernd die andere Hälfte dieser Unternehmen von

(eher) negativen Auswirkungen des Brexit auf ihr Unternehmen ausgehen. Lediglich ver-

einzelt werden positive Effekte erwartet. Welche Auswirkungen des Brexit auf die unter-

schiedlichen Geschäftsbeziehungen mit dem UK liegen dieser Einschätzungen zugrunde,

d.h. wie wird der Brexit voraussichtlich im Detail wirken?

A priori sind die Auswirkungen des Brexit auf die verschiedenen Geschäftsbeziehungen als

unterschiedlich anzusehen – je nachdem, ob etwa Zölle eingeführt oder andere Regulie-

rungen den zukünftigen Austausch beeinflussen. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Ana-

lyse der Auswirkungen besteht in der zeitlichen Dimension. Nach dem Brexit-Votum ist eine

beträchtliche Verunsicherung entstanden, die sich z.B. in einem deutlichen Wertverlust des

Britischen Pfunds gegenüber dem Euro geäußert hat. Diese Unsicherheit besteht, nachdem

das Austrittsgesuch am 29. März 2017 überreicht wurde, nach wie vor. Zudem ist anzuneh-

men, dass die Unsicherheit während der gesamten Verhandlungsphase bestehen bleibt –

wofür auch die Befragungsergebnisse aus Kapitel 5.2 sprechen. Und Unsicherheit ist ja

bekanntlich „Gift für die Wirtschaft“.18 Damit stellen sich möglicherweise bereits kurzfristig

– d.h. während oder sogar noch vor Beginn der Verhandlungsphase – Auswirkungen auf

die Geschäftsbeziehungen ein, obwohl der Rechtsrahmen noch gar keine Veränderungen

erfahren hat. Hierfür kann z.B. ein langer Planungshorizont für Investitionsentscheidungen

eine Ursache sein. Von dieser vergleichsweise kurzfristigen Sichtweise ist die langfristige

Einschätzung der Unternehmen – also nach dem Vollzug des Brexit – zu unterscheiden.

Hierbei ist zu beachten, dass nur wenige hessische Unternehmen mit einem sehr „harten“

Brexit oder mit einem sehr „weichen“ Brexit rechnen (vgl. Abbildung 23).

Für alle realwirtschaftlichen Export- und Importverflechtungen zeigt Abbildung 32 ein ähnli-

ches Bild: In kurzer Frist rechnen sowohl bezogen auf Export als auch Import von Gütern

und Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen) rund 80 % der antwortenden Unter-

nehmen nicht mit einer Veränderung ihrer Geschäftsbeziehungen zum UK. Jeweils 15 %

bis 20 % der Unternehmen allerdings gehen von einer Verringerung des Ex- bzw. Imports

aus. Bestätigen sich diese Erwartungen – denen bei dem einen oder anderen hessischen

Unternehmen möglicherweise bereits entsprechende Planungen oder gar erste Effekte zu-

grunde liegen –, so wird sich der Brexit in beachtlichem Ausmaße bereits vor dem eigentli-

chen Austritt des Vereinigten Königreichs bemerkbar machen.

Langfristig – d.h. nach dem Brexit – geht zwar noch immer die Mehrheit der befragten hes-

sischen Unternehmen von unveränderten Geschäftsbeziehungen mit dem UK aus – ihr An-

18 So etwa der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in einem Interview zum Brexit. Vgl. Höver, P. (2016).

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55

teil sinkt allerdings auf 60 % (Güterexport) und auf 52 % (Güterimport). Für den Dienstleis-

tungsaußenhandel liegen die entsprechenden Anteile mit 58 % bzw. 53 % nahezu gleich.

Im Gegenzug steigt die Zahl der Unternehmen, die einen Rückgang ihrer Geschäftsbezie-

hungen zum UK erwarten, gegenüber der kurzfristigen Einschätzung deutlich: Unter den

Güterexporteuren erwarten 35 % der Unternehmen langfristig einen Rückgang, auf Seiten

der Importeure sind dies sogar 46 % der Unternehmen. Bei den Exporteuren und Import-

euren von Dienstleistungen liegt der Anteil der Unternehmen, die langfristig einen Rück-

gang der Geschäftsbeziehungen erwarten, jeweils bei knapp 40 %.

Abbildung 32: Entwicklung der Geschäftsbeziehungen hessischer Unternehmen mit dem UK – kurzfristige und langfristige Effekte

Realwirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK

Legende langfristig = kurzfristig =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Die Einschätzungen zu den finanzwirtschaftlichen Verflechtungen hessischer Unternehmen

mit dem UK können aufgrund der geringen absoluten Zahl (10 bis 20 Unternehmen) der

Antworten lediglich in der Tendenz ausgewertet werden. In kurzer Frist sind die Einschät-

zungen ähnlich denen der realwirtschaftlichen Verflechtungen: Die große Mehrheit der Un-

ternehmen geht davon aus, dass die finanzwirtschaftlichen Verflechtungen zunächst unver-

ändert bleiben. Dies ändert sich allerdings beträchtlich in einer langfristigen Einschätzung

nach dem Brexit. Für alle untersuchten finanzwirtschaftlichen Verflechtungen, d.h. Export

geringer

unverändert

höher

0% 20% 40% 60% 80%

Export von Gütern nach UKkurzfristig: n=209, langfristig: n=206

geringer

unverändert

höher

0% 20% 40% 60% 80%

Import von Gütern aus UKkurzfristig: n=84, langfristig: n=83

geringer

unverändert

höher

0% 20% 40% 60% 80%

Export von sonstigenDienstleistungen nach UK

kurzfristig: n=54, langfristig: n=52

geringer

unverändert

höher

0% 20% 40% 60% 80%

Import von sonstigenDienstleistungen aus UK

kurzfristig: n=38, langfristig: n=38

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

56

und Import von Finanzdienstleistungen, Kapitalanlagen, Finanzierungen und Geldmarktak-

tivitäten, gibt eine Mehrheit der Unternehmen an, dass diese Geschäftsbeziehungen ab-

nehmen werden.

Lediglich vereinzelte Unternehmen – in langer Frist etwas mehr als in kurzer Frist – gehen

von einer positiven Entwicklung ihrer Geschäftsbeziehungen zum UK aus. Obwohl es nur

sehr wenige Unternehmen sind, überrascht eine solche Aussage auf den ersten Blick. Denn

der Brexit steht sinnbildlich für die (Wieder-)Errichtung von Handelsbarrieren zwischen der

EU – und damit auch Hessen – und dem UK. Ergänzende Bemerkungen der befragten

Unternehmen lassen darauf schließen, dass es unternehmensindividuelle Gründe in Ver-

bindung mit einer ausgeprägten Gelassenheit gegenüber dem Brexit („Umbrüche eröffnen

immer auch Chancen“) sein dürften, die zu solchen Erwartungen führen.

Neben den zeitlichen Aspekten – vor und nach dem Brexit – der Auswirkungen auf die

Geschäftsbeziehungen ist die Frage interessant, wie sich die Unternehmensstandorte bzw.

Märkte der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK insgesamt entwickeln. Als

Maß hierfür wird der Umsatz und die Beschäftigung19 – jeweils am Standort Hessen und

am Standort UK – herangezogen (vgl. Abbildung 33).

Obwohl die Unternehmen zu einem großen Teil mit einer Verringerung der Geschäftsbe-

ziehungen mit dem UK nach dem Brexit rechnen, reagiert der Unternehmensstandort in

Hessen hierauf robust. 82 % der Unternehmen erwarten einen unveränderten Umsatz, und

mit 11 % liegt der Anteil der Unternehmen, die von sinkenden Umsätzen ausgehen, nur

knapp über dem Anteil von 7 % für Unternehmen, die steigende Umsätze erwarten. Hin-

sichtlich der Beschäftigung am Unternehmensstandort in Hessen ist die Entwicklung noch

günstiger einzuschätzen. 88 % der Unternehmen erwarten keinen Einfluss auf die Beschäf-

tigung, und der Anteil der Unternehmen mit steigenden Beschäftigungserwartungen liegt

mit 7 % leicht über den Unternehmen mit sinkenden Beschäftigungserwartungen.

Anders stellt sich die Situation für die hessischen Unternehmen im Vereinigten Königreich

dar. Zwar gehen auch für den britischen Markt die Mehrzahl der Unternehmen von Stabilität

bei Umsatz (62 %) und Beschäftigten (72 %) aus, aber der Anteil von Unternehmen, die mit

sinkenden Werten (Umsatz: 33 %, Beschäftigte: 26 %) rechnen, liegt jeweils deutlich über

dem Anteil mit steigenden Erwartungen (Umsatz: 5 %, Beschäftigte: 2 %). Die Ergebnisse

decken sich mit den Einschätzungen etwa des Sachverständigenrates zur Begutachtung

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dass negative Effekte des Brexit auf das UK weit-

aus größer als auf die Wirtschaftspartner sein werden.

19 Es sei darauf hingewiesen, dass diese Tendenzaussagen zur Beschäftigung nur auf denjenigen Unternehmen beruhen (können), die bereits zum Befragungszeitraum einen Standort in Hessen hatten. Positive Beschäftigungseffekte etwa durch ein asiatisches Unternehmen, das zurzeit sein Europageschäft ausschließlich von London aus steuert, aber im Zuge des Brexit eine Verlagerung der Europazentrale in das Rhein-Main-Gebiet vornimmt, sind damit nicht berücksichtigt.

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57

Abbildung 33: Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung nach dem Brexit – Effekte an den Stand-orten Hessen und Vereinigtes Königreich

Legende

in Hessen = im Vereinigten Königreich =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Zwischen dem Verarbeitenden Gewerbe und den Dienstleistungen bestehen deutliche Un-

terschiede hinsichtlich der Einschätzungen auf das zukünftige Wachstum von Umsatz (vgl.

Abbildung 34) und Beschäftigung (vgl. Abbildung 35) in Hessen und im UK. Allerdings ist

beiden Wirtschaftszweigen gemeinsam, dass der größte Anteil der Unternehmen weder

positive noch negative Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen des Brexit hat.

Hinsichtlich des Umsatzes in Hessen gehen 11 % der Unternehmen des Verarbeitenden

Gewerbes von sinkendem und 4 % der Unternehmen von steigendem Umsatz aus. Dage-

gen überwiegt bei den Dienstleistungen die Zahl der positiven Erwartungen mit 14 % den

Anteil der Unternehmen mit der Erwartung eines sinkenden Umsatzes (7 %). Im Hinblick

auf den Umsatz im UK erwarten 29 % der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes

einen Rückgang und 6 % einen Zuwachs. Im Unterschied zur entsprechenden Einschät-

zung für Hessen sind die Erwartungen im Dienstleistungsbereich noch schwächer: 39 %

der Unternehmen erwarten sinkende und nur 2 % steigende Umsätze im UK.

Nicht nur zwischen Verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungen bestehen deutliche Un-

terschiede in der Einschätzung der Umsatzentwicklung, sondern auch zwischen den darun-

terfallenden Branchen. So glauben im Bereich Metall 19 % der Unternehmen, dass sich der

Brexit negativ auf den Umsatz am Standort Hessen auswirkt, kein Unternehmen erwartet

Umsatzsteigerungen. Dagegen ist der Unterschied zwischen diesen Anteilen im Bereich

Chemie, Pharma, Kunststoff, Gummi mit 6 % (sinkender Umsatz) gegenüber 4 % (steigen-

der Umsatz) nur unwesentlich. Unter den Dienstleistungen sticht der Bereich Finanz- und

Versicherungsdienstleistungen hervor, wo 26 % der Unternehmen positive Erwartungen für

die Umsatzentwicklung am Standort Hessen durch den Brexit haben. Bis zu einem gewis-

sen Grad überraschend ist, dass kein Unternehmen des Bereichs der unternehmensnahen

Dienstleistungen positive Erwartungen mit dem Brexit verbindet, da durch den Brexit z.B.

sinken

unverändert

steigen

0% 20% 40% 60% 80%

Umsatzin Hessen: n=362, im Vereinigten Königreich: n=244

sinken

unverändert

steigen

0% 20% 40% 60% 80%

Zahl der Beschäftigtenin Hessen: n=347, im Vereinigten Königreich: n=221

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

58

entsprechender Beratungsbedarf bei Kunden der Branche entstehen könnte. Hinsichtlich

der Umsatzentwicklung im UK sind insbesondere im Maschinenbau die Erwartungen un-

günstig, 52 % der Unternehmen befürchten einen Umsatzrückgang durch den Brexit.

Abbildung 34: Entwicklung des Umsatzes in Hessen und im UK nach Branchen

Umsatz Hessen

Umsatz UK

Legende

sinken = unverändert = steigen =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Handel n=28

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=23

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=35

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=23

Dienstleistungen, darunter: n=109

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=68

Maschinenbau n=45

Fahrzeugbau n=15

Elektrotechnik n=23

Metall n=31

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=219

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Handel n=19

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=15

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=29

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=15

Dienstleistungen, darunter: n=80

Elektrotechnik n=18

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=48

Metall n=17

Fahrzeugbau n=8

Maschinenbau n=25

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=140

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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59

Abbildung 35: Entwicklung der Beschäftigung in Hessen und im UK nach Branchen

Beschäftigte Hessen

Beschäftigte UK

Legende

sinken = unverändert = steigen =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Bei den Beschäftigten entspricht die Entwicklung derjenigen beim Umsatz. Der Dienstleis-

tungsbereich hat für die Beschäftigung im UK eine schwächere Einschätzung (34 % der

Unternehmen Rückgang, 1 % Zuwachs) als das Verarbeitende Gewerbe (24 % ggü. 2 %).

Dagegen überwiegen für den Unternehmensstandort Hessen im Verarbeitenden Gewerbe

Handel n=27

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=35

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=23

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=22

Dienstleistungen, darunter: n=108

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=65

Maschinenbau n=41

Fahrzeugbau n=15

Elektrotechnik n=21

Metall n=29

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=206

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Handel n=17

EDV / IT, Telekommunikation, Verlage n=13

Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Werbung n=15

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen n=27

Dienstleistungen, darunter: n=76

Chemie, Pharma, Gummi, Kunststoff n=42

Metall n=16

Elektrotechnik n=16

Maschinenbau n=21

Fahrzeugbau n=8

Verarbeitendes Gewerbe, darunter: n=124

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

60

die Einschätzungen zu einem Abbau von Beschäftigung durch den Brexit (7 % ggü. 2 %

Zuwachs), während im Dienstleitungsbereich 14 % der Unternehmen von einem Zuwachs

und nur 4 % von einem Rückgang der Beschäftigung ausgehen. Insgesamt lässt sich fest-

halten, dass die große Mehrheit der Unternehmen von stabilen Beschäftigtenzahlen aus-

geht.

Über den Brexit wurde bereits im Vorfeld des Referendums intensiv in den Medien berichtet.

Nach der Abstimmung erfährt das Thema – durchaus über Wirtschaft und Politik hinaus –

erst recht große Aufmerksamkeit. Angesichts der Tatsache, dass voraussichtlich erstmalig

ein Mitglied die Europäische Union verlassen wird und dieses Land eine der größten Volks-

wirtschaften der EU, ja weltweit ist, kann dies nicht verwundern. Für die hessischen Unter-

nehmen stellt sich die Frage, inwieweit und wie sie sich auf ein solches Ereignis vorbereiten

können, um bestehende Risiken zu minimieren und sich ergebende Chancen möglichst

nutzen zu können:20

Von den befragten hessischen Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK geben

32 % an, bereits Schritte eingeleitet zu haben, um sich auf den Brexit vorzubereiten (vgl.

Abbildung 36). Hingegen haben 46 % der Unternehmen noch nichts unternommen, weil

noch zu unklar ist, was der Brexit letztlich für ihr Unternehmen bedeutet. Weitere 22 %

haben nichts unternommen, weil sie davon ausgehen, dass der Brexit ihr Unternehmen

nicht betrifft. Hierunter fallen insbesondere Unternehmen, deren Geschäftsbeziehungen mit

dem UK so gering sind, dass das Geschäft mit dem UK letztlich nicht ins Gewicht fällt. Nur

vereinzelt haben Unternehmen, für die das UK zu den fünf wichtigsten Auslandsmärkten

liegt, diese Antwortoption gewählt. Möglicherweise gehen sie davon aus, dass in ihrem Ge-

schäftsfeld keine spürbaren Handelshemmnisse entstehen werden.

Je nach Art der Geschäftsbeziehung mit dem UK bestehen deutliche Unterschiede hinsicht-

lich der Vorbereitungen der Unternehmen. 44 % der Unternehmen mit einer Konzernmutter

bzw. Europazentrale im UK haben bereits Schritte eingeleitet, um sich auf den Brexit vor-

zubereiten. Mit 46 % liegt dieser Anteil bei den befragten hessischen Unternehmen, die

eine Tochter im Vereinigten Königreich haben, ähnlich hoch. Im Finanzbereich besteht ak-

tuell die größte „Unruhe“ hinsichtlich des Brexit – dementsprechend haben bereits 66 % der

hessischen Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen zum UK Schritte einge-

leitet, um sich auf den Brexit vorzubereiten. Im Vergleich dazu präsentieren sich die Unter-

nehmen mit realwirtschaftlichen Beziehungen zum UK erheblich „entspannter“, denn ledig-

lich 25 % haben bereits Schritte zur Vorbereitung auf den Brexit eingeleitet.

Der Vorbereitungsgrad der Unternehmen auf den Brexit variiert auch zwischen den Bran-

chen. Ähnlich der Unterscheidung nach Geschäftsbeziehungen zeigt sich, dass unter den

Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes nur 27 % erste Schritte eingeleitet haben,

20 Vor dieser Frage bzw. Aufgabe stehen nicht nur die Entscheidungsträger in der Wirtschaft, sondern selbstverständlich auch jene in der Politik. Dieser Aspekt wird in Kapitel 5.5 und 6 thematisiert.

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61

während dies im Dienstleistungsbereich für nahezu die Hälfte (47 %) der Unternehmen gilt.

Unter den Dienstleistern sind insbesondere die Finanz- und Versicherungsdienstleitungen

hervorzuheben, da in diesem Bereich bereits 73 % der Unternehmen erste Schritte zur Vor-

bereitung auf den Brexit eingeleitet haben.

Abbildung 36: Vorbereitungen der Unternehmen auf den Brexit – ja oder nein

Legende

mit Geschäftsbeziehungen zum UK = Mutter/Europazentrale im UK = Tochterunternehmen im UK = realwirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK = finanzwirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Unter den Unternehmen, die Schritte eingeleitet haben, um sich auf den Brexit vorzuberei-

ten, haben sich etwa 63 % aus fachkundigen Quellen gezielt informiert (vgl. Abbildung 37).

Mit 66 % liegt der Anteil an Unternehmen, die Chancen und Risiken durch den Brexit ana-

lysiert haben, etwa auf dem gleichen Niveau. Dabei handelt es sich vermutlich häufig noch

um eine erste, relativ allgemein gehaltene Analyse, da eine Bestandsaufnahme von sämt-

lichen Geschäftsbeziehungen mit dem UK bisher von weniger Unternehmen (33 %) durch-

geführt wurde. Ein weitreichender Schritt zur Vorbereitung auf den Brexit besteht in der

Ausarbeitung von Strategien und Konzepten, um auf den Brexit reagieren zu können. Diese

haben bereits 34 % der Unternehmen in der Vorbereitung. Während die Mehrheit der Un-

ternehmen bisher mit internen Ressourcen die strategischen Fragestellungen des Brexit

angeht, haben etwa 17 % der Unternehmen externe Beratung hinzugezogen. Vergleichbar

mit der Frage, ob überhaupt Schritte zur Vorbereitung auf den Brexit vorbereitet wurden,

zeigt sich auch hinsichtlich der konkreten Maßnahmen: Je stärker die Unternehmen durch

den Brexit betroffen sein dürften, desto weitreichendere Vorbereitungen werden getroffen.

Der Anteil der Unternehmen, die zur Vorbereitung auf den Brexit externe Beratung hinzu-

gezogen haben, ist in den stark betroffenen Unternehmensgruppen überproportional hoch.

Nein, wir haben nichts unternommen, weil wir vom Brexit nicht betroffen sein werden.

Nein, wir haben noch nichts unternommen, weil noch zu unklar ist,was der Brexit letztlich für unser Unternehmen bedeuten wird.

Ja

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%

Haben Sie bereits Schritte eingeleitet, um IhrUnternehmen auf den Brexit vorzubereiten?

mit Geschäftsbeziehungen zu UK: n=394, Mutter/Europazentrale in UK: n=93,Tochterunternehmen in UK: n=130, realwirtschaftliche Verflechtungen mit UK: n=294,

finanzwirtschaftliche Verflechtungen mit UK: n=51

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

62

So liegt der Anteil für Unternehmen mit Mutter / Europazentrale im UK bei 30 %, für Unter-

nehmen mit Töchtern im UK bei 20 % und für Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Ver-

flechtungen mit dem UK bei 24 %. Hinsichtlich der weiteren abgefragten Vorbereitungs-

maßnahmen lassen sich keine nennenswerten Unterschiede nach Unternehmenskatego-

rien nachweisen.

Abbildung 37: Vorbereitungen der Unternehmen auf den Brexit – Welche Schritte?

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Der Brexit wird zu einer Neuordnung der rechtlichen Verhältnisse zwischen der EU und

dem UK führen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen. In

welchen Bereichen sehen die befragten hessischen Unternehmen durch den Brexit Risiken

für ihre Geschäfte mit dem UK? Von den Befragten zusätzlich angeführte unternehmens-

spezifische Risiken sind beispielhaft in die Interpretation der Untersuchungsergebnisse ein-

gearbeitet.

Wie Abbildung 38 zeigt, rangieren die Risiken einer Zunahme nicht-tarifärer und tarifärer

Handelshemmnisse (63 % bzw. 58 %) bei den Unternehmen auf den ersten beiden Plätzen.

Diese Sorgen treiben naturgemäß vor allem die hessischen Unternehmen mit realwirt-

schaftlichen Verflechtungen zum UK (64 % und 72 %) und / oder mit Tochterunternehmen

(z.B. Vertriebseinrichtungen, Produktionsstätten) im UK (65 % bzw. 67 %) um. So gilt die

Erhebung von Zöllen geradezu als Paradebeispiel für Protektionismus und konterkariert die

Freihandelsbemühungen – es ist nicht überraschend, dass die Unternehmen sensibel rea-

gieren, wenn sie die Zollfreiheit gefährdet sehen. Dabei muss der Export nicht aus Hessen

erfolgen, um von möglichen Zöllen betroffen zu sein: So gibt z.B. ein befragtes Unterneh-

men an, den britischen Markt über ein Tochterunternehmen in Irland zu bearbeiten. Ob-

gleich zumeist der Export im Mittelpunkt des Interesses steht, trifft dies auch für den Import

aus dem UK zu. Insofern ist – eine symmetrische Ausgestaltung des Zolls vorausgesetzt –

Strategie / Konzept ausgearbeitet,um auf Brexit reagieren zu können

Chancen und Risiken des Brexit fürdas Unternehmen analysiert

Bestandsaufnahme sämtlicher Geschäftsbeziehungendes Unternehmens zu UK durchgeführt

externe Beratung hinzugezogen(z.B. Rechtsanwalt, Steuerberater)

aus Fachpresse bzw. bei Kammern, Verbänden,Wirtschaftsförderung etc. über Brexit informiert

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%

34%

66%

33%

17%

63%

Welche Schritte haben Sie eingeleitet, um IhrUnternehmen auf den Brexit vorzubereiten?

n=126

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63

auch ein in Hessen ansässiges Unternehmen, das aus dem UK Vorprodukte importiert,

diese in Hessen weiterverarbeitet und dann exportiert, von Zöllen im Rahmen eines Brexit

betroffen. Selbst bei nur geringen Zollsätzen geht eine Verzollung auf jeden Fall mit For-

malitäten wie Zollanmeldung und Warenverkehrsbescheinigungen sowie ggf. Wartezeiten

an der Grenze einher – und ist somit über den Zollsatz hinaus mit weiteren Hemmnissen

und weiteren Kosten verbunden. Importquoten, Kennzeichnungsregeln und Verpackungs-

vorschriften sind weitere Beispiele für nicht-tarifäre Handelshemmnisse.

Die Hälfte der Unternehmen (50 %) sieht Risiken durch eine Erhöhung der Komplexität und

damit der Kosten durch abweichende Regulierungen zwischen der EU und dem UK. Im

Kern wird von den Unternehmen befürchtet, dass nach einem EU-Austritt die in den letzten

Jahren und Jahrzehnten eingeführten EU-weiten Regelungen nicht mehr gültig sind und an

deren Stelle aufseiten des UK wieder länderspezifische Regelungen treten. Hiervon können

diese Unternehmen auf unterschiedliche Weise betroffen sein. Nachfolgend sind beispiel-

haft einige von den befragten Unternehmen genannte Aspekte aufgeführt, wobei speziell

der Finanzsektor weiter unten behandelt wird:

Warenimport aus dem UK ist nach dem Brexit kein innergemeinschaftlicher Erwerb

mehr, d.h. es kann beim hessischen Importeur Einfuhrumsatzsteuer anfallen. Innerge-

meinschaftliche Dreiecksgeschäfte – die der Vereinfachung der Umsatzbesteuerung

dienen – werden unter Beteiligungen von Unternehmen aus dem UK nicht mehr mög-

lich sein. Ebenfalls verlieren die Umsatzsteueridentifikationsnummern – die der einfa-

chen Abwicklung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs in der EU dienen – der UK-

Unternehmen ihre Gültigkeit, womit das Reverse-Charge-Verfahren bei grenzüber-

schreitenden Dienstleistungen in Frage gestellt wird.

Lizenzzahlungen einer britischen Tochter in Hessen an die Muttergesellschaft im UK

werden möglicherweise steuerpflichtig („Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie“).

Ausschüttungen einer hessischen Tochter an ihre Mutter im UK werden möglicher-

weise steuerpflichtig („Mutter-Tochter-Richtlinie“).

Der grenzüberschreitende Handel von Daten wie auch der Austausch von Daten zwi-

schen Mutter und Tochter könnte erschwert werden bzw. zusätzlichen Anforderungen

unterliegen, denn die erst kürzlich in Kraft getretene Verordnung („Datenschutz-Grund-

verordnung“) gilt nach dem Brexit im UK nicht mehr.

Zukünftig könnte für die temporäre Einführung von Waren wie Messegüter oder Waren-

muster in das UK ein sogenanntes Carnet (spezielles Zolldokument) erforderlich sein.

Die in der EU und im UK geltenden internationalen Rechnungslegungsvorschriften

(IFRS) könnten sich zukünftig auseinanderbewegen.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

64

Abbildung 38: Risiken für die Geschäftstätigkeit der Unternehmen differenziert nach Art der Geschäftsbeziehung

Legende

mit Geschäftsbeziehungen zum UK = Mutter / Europazentrale im UK = Tochterunternehmen im UK = realwirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK = finanzwirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Brexit stellt Teile unserer Geschäftstätigkeitmit / im Vereinigten Königreich in Frage

Aufgrund Sitz der Konzernmutter / der Europazentrale im Vereinigten Königreichbeinhaltet der Brexit beträchtliche Risiken / erfordert beträchtliche Anpassungen

Erschwernis der grenzüberschreitendenZusammenarbeit zwischen Mutter- und Tochterunternehmen

Einschränkung der grenzüberschreitendenErbringung von Finanzdienstleistungen

Erschwernis des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs

Einschränkung der grenzüberschreitendenErbringung von Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen)

Einschränkung der grenzüberschreitendenMobilität der Beschäftigten

Erhöhung der Komplexität / Kosten durch abweichende Regulierungen(z.B. Steuerrecht und Produktstandards) zwischen EU und Vereinigtem Königreich

Zunahme tarifärer Handelshemmnisse (z.B. Zölle)

Zunahme nicht-tarifärer Handelshemmnisse(z.B. Zollanmeldungen, Warenverkehrsbescheinigungen etc.)

0% 20% 40% 60%

Welche Risiken für die Geschäftstätigkeit IhresUnternehmens sehen Sie?

mit Geschäftsbeziehungen zu UK: n=394, Mutter/Europazentrale in UK: n=93,Tochterunternehmen in UK: n=130, realwirtschaftliche Verflechtungen mit UK: n=294,

finanzwirtschaftliche Verflechtungen mit UK: n=51

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

65

Ein ebenfalls von relativ vielen Unternehmen genanntes Risiko sind Einschränkungen der

grenzüberschreitenden Mobilität der Beschäftigten (37 %). Dies ist in engem Zusammen-

hang mit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen (außer Finanzdienst-

leistungen) zu sehen, da diese oftmals durch Beschäftigte vor Ort im Ausland erfolgt. Eine

solche Dienstleistungserbringung kann zum Teil aber auch z.B. über das Internet erfolgen,

was auch den geringeren Anteil von Unternehmen, die in diesem Bereich ein Risiko durch

den Brexit sehen (21 %), erklärt.

Doch zurück zur grenzüberschreitenden Mobilität der Beschäftigten. In Zeiten der Globali-

sierung ist die länderübergreifende Zusammenarbeit in internationalen Konzernen aber

auch in international ausgerichteten mittelständischen Unternehmen sozusagen der Nor-

malfall. Allen technologischen Errungenschaften zum Trotz (Videokonferenzen etc.) gehö-

ren dazu z.B. Dienstreisen zur britischen Zentrale, ein mehrmonatiger projektbedingter Auf-

enthalt eines Briten im hessischen Tochterunternehmen, die Entsendung eines Technikers

in das UK zur Montage einer Maschine oder auch mehrjährige Auslandsaufenthalte – um

nur einige Beispiele zu nennen. Nach dem Brexit finden weder Arbeitnehmerfreizügigkeit

noch Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis zwischen der EU und dem UK mehr Anwendung.

Dies kann zur Folge haben, dass eine Arbeitserlaubnis im UK beantragt werden muss

(möglicherweise in Verbindung mit einer Vorrangprüfung) und ein britischer Staatsbürger,

der in Hessen arbeiten möchte, die Bedingungen einer EU-Blue-Card zu erfüllen hat. Zu-

mindest der bürokratische Aufwand für die grenzüberschreitende Mobilität könnte sich also

erhöhen.

Der Finanzplatz London stellt zum einen ein „Sprungbrett“ für Kapital aus Nicht-EU-Staaten

in die EU dar. Zum anderen ist der größte europäische Finanzplatz ein zentraler Ort für das

Geschäft großer Banken aus EU und Nicht-EU. Der Zugang Londons zum Europäischen

Binnenmarkt ist zur Wahrnehmung dieser beiden Funktionen essentiell, wobei umgekehrt

natürlich auch die Banken aus der EU vom Zugang zum Finanzplatz London profitieren.

55 % der befragten hessischen Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen

zum UK sehen das Risiko, dass der freie Kapitalverkehr zwischen dem UK und der EU

durch den Brexit erschwert wird. Ein zentraler Aspekt hierbei ist der sogenannte Europäi-

sche Finanzpass, der es Finanzdienstleistern – im diesem Fall aus dem UK, wobei dies

nicht nur britische Banken, sondern etwa auch Tochtergesellschaften außereuropäischer

Banken sein können – ermöglicht, grenzüberschreitend Finanzdienstleistungen in anderen

EU-Staaten anzubieten, aber ausschließlich der Regulierungshoheit im UK zu unterliegen.

Diese Erbringung kann sogar ohne Zweigstelle in dem anderen EU-Land, z.B. über das

Internet, erfolgen. Mit dem Brexit könnten diese Passrechte verloren gehen. Im Übrigen

bedienen sich nicht nur Banken, sondern auch Versicherungsunternehmen des EU-

Passporting.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

66

Entsprechend machen sich Unternehmen Sorgen: 62 % der befragten hessischen Unter-

nehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen sieht als Risiko für ihre Geschäftstätig-

keit eine Einschränkung eben dieser grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienst-

leistungen an. In der Konsequenz wäre etwa die Errichtung einer Tochtergesellschaft in

Frankfurt erforderlich, die dann aber nicht gemäß § 53b Kreditwesengesetz (KWG), son-

dern nach § 53 KWG zu behandeln ist, was höhere regulatorische Anforderungen bedeutet.

Über die Problematik möglicherweise im Zuge des Brexit entfallender Passporting-Rechte

sind auch der Handel und das Clearing von Euro-Produkten anzuführen, das zu einem be-

trächtlichen Teil in London abgewickelt wird. Dass dies in London, d.h. außerhalb des Eu-

roraums stattfindet, wurde von der EZB bereits kritisch gesehen. Dies dürfte nach einem

„harten“ Brexit erst recht zutreffen. Insofern könnte es auch hier zu Verlagerungen aus Lon-

don kommen, was aus Sicht so manches befragten Unternehmens ein Risiko darstellt, weil

nicht zuletzt Kosten entstehen.

Wird ein Fazit aus Unternehmenssicht aus den oben genannten Risiken gezogen, so ist zu

konstatieren:

30 % der befragten hessischen Unternehmen mit Mutter im UK bzw. Tochter im UK be-

fürchten durch den Brexit eine erschwerte grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwi-

schen Mutter und Tochter. Hierbei fällt die Ansicht der britischen Tochterunternehmen in

Hessen (63 %) deutlich skeptischer aus als die der hessischen Unternehmen mit Töchtern

im UK (41 %). Erstere sind nicht nur unmittelbarer vom Brexit betroffen, sondern es wird

ebenfalls eine Rolle spielen, dass die Töchter gewissermaßen am kürzeren Hebel sitzen.

Denn die wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf den Brexit dürften in den allermeis-

ten Fällen in der Konzernzentrale getroffen werden – insofern ist auch die Ungewissheit bei

den Tochterunternehmen groß.

10 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK – bzw. 43 % der Unternehmen,

deren Mutterunternehmen bzw. Europazentrale im UK ansässig ist – sehen in dieser

Konstellation durch den Brexit beträchtliche Risiken und entsprechend das Erfordernis zu

umfangreichen Anpassungen, um diese Risiken zu bewältigen.

8 % der befragten hessischen Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK gehen so-

gar so weit, diese – zumindest teilweise – durch den Brexit in Frage zu stellen. Ist etwa –

um ein Beispiel zu geben – im UK der Standort eines Warenlagers des Konzerns zur Be-

lieferung der gesamten EU, so kann es nicht verwundern, wenn über eine Verlagerung

nachgedacht wird. Sicherlich liegt ist es in vielen Fällen im Ermessen des Unternehmens,

welche möglichen Einschränkungen oder Risiken durch den Brexit noch in Kauf genommen

werden und ab wann sozusagen die Reißleine gezogen wird. Ist das UK für das Unterneh-

men ein sehr wichtiger Markt und können aufgrund der starken Marktposition evtl. durch

den Brexit resultierende Mehrkosten auf den Kunden überwälzt werden, dürfte die Entschei-

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67

dung zudem anders ausfallen, als wenn das UK nur ein Randgeschäft mit geringen Ge-

winnmargen darstellt. Nicht immer wird die Entscheidung allerdings in der Hand des Unter-

nehmens liegen, wie die Ausführungen zum sogenannten Europa-Pass für Finanzdienst-

leistungen gezeigt haben. Entsprechend haben auch überproportional viele – nämlich 16 %

– der Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen angegeben, dass sie Teile

ihrer Geschäftstätigkeit durch den Brexit in Frage gestellt sehen.

5.5 Auswirkungen des Brexit auf den Wirtschaftsstandort Hessen

Die Unternehmen wurden auch gebeten, über ihr Unternehmen hinauszublicken und eine

Einschätzung der Folgen des Brexit für den Wirtschaftsstandort Hessen insgesamt abzu-

geben. Die in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellten Befragungsergebnisse haben

verdeutlicht, dass aus Sicht der Unternehmen – insbesondere der Unternehmen mit Ge-

schäftsbeziehungen zum UK – Risiken durch den Brexit gesehen und folglich die Auswir-

kungen auf das eigene Unternehmen eher neutral bis pessimistisch eingeschätzt werden.

Dieses Bild dreht sich bis zu einem gewissen Grad, wenn Hessen insgesamt in das Blickfeld

genommen wird (vgl. Abbildung 39): Mit 42 % bzw. 36 % schätzen sowohl unter den Unter-

nehmen ohne Geschäftsbeziehungen zum UK als auch unter denen mit Geschäftsbezie-

hungen die meisten Unternehmen die Auswirkungen des Brexit auf den Standort Hessen

eher positiv ein. Werden allerdings die eindeutig positiven und eher positiven Bewertungen

zusammengefasst und den eindeutig negativen und eher negativen Bewertungen gegen-

übergestellt, so ergibt sich folgendes Bild: 40,2 % der Unternehmen ohne Geschäftsbezie-

hungen gehen von negativen und 42,7 % von positiven Effekten des Brexit auf den Standort

Hessen aus. Dagegen erwarten unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen 39,8 %

der Unternehmen eher bzw. eindeutig negative Effekte und 37,8 % eher bzw. eindeutig

positive Effekte des Brexit auf Hessen. Insgesamt gesehen sind die Unterschiede in der

Einschätzung zwischen Unternehmen mit und ohne Geschäftsbeziehungen zum Vereinig-

ten Königreich aber gering.

Allerdings ergeben sich im Detail wiederum deutlichere Unterschiede je nach Art der jewei-

ligen Geschäftsbeziehungen mit dem UK. So überwiegen bei Unternehmen mit Mutter / Eu-

ropazentrale im UK die positiven Einschätzungen für den Wirtschaftsstandort Hessen mit

47 % die negativen mit 30,6 %. Noch klarer fällt das Befragungsergebnis bei den finanz-

wirtschaftlich mit dem UK verflochtenen Unternehmen aus – positiv: 58,6 %, negativ:

23,9 %. Die gravierenden Unterschiede zwischen den Einschätzungen der Effekte des

Brexit auf das Unternehmen selbst und den positiven Effekten auf den Standort Hessen

stützt die These, dass es zu Standortverlagerungen aus dem UK nach Hessen bzw. einem

Ausbau des Standorts Hessens kommen kann. Für die betroffenen Unternehmen ist dies

negativ, da es mit hohem organisatorischen Aufwand und Kosten verbunden ist, wirkt sich

aber auf den Standort Hessen als erhöhte Investitionen und einer Ausweitung der Beschäf-

tigung positiv aus. Ein weiteres Beispiel für die Diskrepanz in der Einschätzung der Brexit-

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

68

Folgen – negativer Effekt für das Unternehmen aber positiver Effekt für den Standort Hes-

sen – besteht darin, dass sich für ein Unternehmen durch eine verstärkte Ansiedlung bzw.

eine Ausweitung der Tätigkeiten am Standort Hessen durch andere Unternehmen eine Er-

höhung der Konkurrenz auf Absatz- oder Beschaffungsmärkten ergeben kann, diese Ent-

wicklung aber für den Standort Hessen günstig zu bewerten ist.

Hessische Unternehmen, die eine Tochtergesellschaft im UK haben oder realwirtschaftliche

Beziehungen zum UK unterhalten, sind im Vergleich pessimistischer in ihrer Einschätzung

zum Standort Hessen insgesamt. Von diesen beiden Unternehmensgruppen erwarten 34 %

bzw. 44 % der Unternehmen negative und 35 % bzw. 34 % positive Auswirkungen des

Brexit auf den Standort Hessen. Den negativen Auswirkungen auf das eigene Unternehmen

– etwa komplexere Regulierungen, die Kosten verursachen, ein Rückgang des Umsatzes

der UK-Tochter oder geringere Exporte in das UK – wird offenbar häufiger eine gewisse

Allgemeingültigkeit für Hessen insgesamt zugemessen.

Beim Blick über das eigene Unternehmen hinaus fallen die Einschätzungen zu den Auswir-

kungen des Brexit auf den Wirtschaftsstandort Hessen insgesamt in allen Branchen güns-

tiger aus. Allerdings scheint der Blick auf Hessen insgesamt durch die jeweils eigene Wahr-

nehmung in den Branchen beeinflusst zu werden, denn im Verarbeitenden Gewerbe stehen

30 % der Unternehmen mit (eher / eindeutig) positiven Erwartungen 46 % mit (eher / ein-

deutig) negativen Erwartungen gegenüber, während im Dienstleistungsbereich die Zahl der

positiven Einschätzungen mit 52 % die der negativen mit 39 % übertrifft.

Abbildung 39: Auswirkungen des Brexit auf den Standort Hessen

Legende

mit Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich = alle Unternehmen = ohne Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

eindeutig negativ -2

eher negativ -1

neutral ohne Auswirkungen +0

eher positiv +1

eindeutig positiv +2

0% 10% 20% 30% 40%

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexitinsgesamt gesehen auf den Wirtschaftsstandort

Hessen ein?mit Geschäftsbeziehungen: n=341, ohne Geschäftsbeziehungen: n=243

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69

Insgesamt gesehen zeigen also die Einschätzungen der Auswirkungen des Brexit auf den

Wirtschaftsstandort Hessen (vgl. Abbildung 39) ein deutlich freundlicheres Bild als die Ein-

schätzungen zu den Auswirkungen auf die befragten Unternehmen selbst (vgl. Abbildung

24) – obgleich es in beiden Fällen nur vereinzelte Unternehmen gibt, die von eindeutig po-

sitiven Auswirkungen des Brexit sprechen. Es kann somit keineswegs davon gesprochen

werden, dass die Befragten die Einschätzungen für ihr Unternehmen lediglich auf die Ge-

samtwirtschaft projizieren – es wird sehr wohl differenziert bewertet.

Abbildung 40 erlaubt einen weiteren Blick „hinter“ die Einschätzungen der befragten hessi-

schen Unternehmen, da diese ihre Einschätzungen zur Wahrscheinlichkeit für das Eintreten

bestimmter Brexit-Folgen abgegeben haben. Darüber hinaus bestand auch die Möglichkeit,

weitere Risiken und Chancen durch den Brexit zu nennen, wobei die von den Unternehmen

angeführten Aspekte zu einem Teil Kommentare zu den in Abbildung 40 genannten Punkte

darstellen. Zum anderen Teil thematisierten die zusätzlich genannten Chancen und Risiken

die Konsequenzen des Brexit auf die EU insgesamt sowie auf deren Stellung in der Welt-

(wirtschaft). Auf diesen Punkt wird am Ende des Kapitels eingegangen. Die Einschätzungen

differieren zwischen den Unternehmen ohne und mit Geschäftsbeziehungen bzw. den spe-

zifischen Geschäftsbeziehungen nur um wenige Prozentpunkte, sodass die Auswertung

über alle Unternehmen erfolgt. Auch Branchenunterschiede sind zu vernachlässigen.

Aufgrund des Finanzplatzes Frankfurt Rhein/Main halten die Unternehmen positive Effekte

des Brexit für wahrscheinlich. Im Einklang mit der Berichterstattung in den Medien sowie

den Anstrengungen von Landesregierung und Wirtschaftsförderung halten es nahezu alle

(94 %) antwortenden hessischen Unternehmen für wahrscheinlich, dass der Finanzplatz

Frankfurt Rhein/Main durch den Brexit profitiert – sei es konkret durch die Verlagerung von

Arbeitsplätzen des Finanzsektors von London nach Frankfurt oder durch einen Umzug der

Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA an den Main, oder auch durch einen relativen

Bedeutungsverlust Londons im Vergleich zu Frankfurt.

Ebenfalls positiv auf den Standort Hessen könnte sich eine verstärkte Ansiedlung von Un-

ternehmen aus Drittländern auswirken, da mit dem Vereinigten Königreich ein bisher be-

deutsamer Wettbewerber im Standortwettbewerb um Investitionen innerhalb der EU weg-

fällt. 59 % der befragten Unternehmen halten einen derartigen Effekt für wahrscheinlich,

41 % für unwahrscheinlich. Damit überwiegen zwar die optimistischen die pessimistischen

Einschätzungen klar, aber im Vergleich zu den Auswirkungen auf den Finanzplatz wird ein

solches Szenario doch als deutlich weniger realistisch eingeschätzt. Zudem verzichteten

hier deutlich mehr Unternehmen darauf, eine Einschätzung abzugeben (n=501 vs. n=614).

Die weitaus überwiegende Mehrheit (87 %) der befragten hessischen Unternehmen hält es

für wahrscheinlich, dass das UK aufgrund des Austritts aus der EU längerfristig – d.h. über

mehrere Jahre hinweg – Wachstumseinbußen hinnehmen muss. Vereinzelte Stimmen se-

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

70

hen aber durchaus auch Vorteile für das UK durch den Austritt. So werden z.B. die entfal-

lenden EU-Beiträge (das UK ist Nettozahler) oder weniger EU-Regulierung angeführt. Eine

schwache oder zumindest schwächere Wirtschaftsentwicklung im UK könnte sich auch für

die exportorientierte Wirtschaft in Hessen negativ auswirken und damit auf so manches

stark im UK engagierte Unternehmen aus Hessen. Nur eine Minderheit von 15 % geht al-

lerdings davon aus, dass sich der Brexit so stark auf Deutschland bzw. Hessen auswirkt,

d.h. sich das Wachstum in Deutschland und Hessen mehrere Jahre lang abschwächt.

Eine Abwertung des britischen Pfunds gegenüber dem Euro hat insgesamt gesehen a priori

keine festgelegte Wirkungsrichtung für Hessen: So werden wechselkursbedingt etwa die

hessischen Importe aus dem Vereinigten Königreich billiger, aber dafür aus Hessen impor-

tierte Güter im UK teurer und damit weniger wettbewerbsfähig. Im Einklang mit der skepti-

schen Einschätzung zur Wirtschaftsentwicklung im UK sehen 92 % der befragten hessi-

schen Unternehmen die britische Währung durch den Brexit weiter unter Druck und gehen

von zunehmenden Wechselkursschwankungen aus. Wechselkursschwankungen an sich

sind zwar nichts Neues im Geschäft mit dem Vereinigten Königreich – sie erhöhen aller-

dings die Unsicherheit bei unternehmerischen Entscheidungen.

Da die EU durch einen Austritt des Vereinigten Königreichs kleiner wird, nimmt im Gegen-

zug der Anteil Deutschlands (z.B. gemessen an Fläche, Einwohner oder Wirtschaftsleis-

tung) zu. Korrespondierend zu diesem rein rechnerischen Bedeutungszuwachs sind 71 %

der befragten hessischen Unternehmen der Ansicht, der Brexit stärke die Stellung Deutsch-

lands – und damit Hessens – innerhalb der EU. Mit einem Anteil von 29 % hält dies ein

beachtlicher Teil der Unternehmen allerdings im Gegenteil für unwahrscheinlich. So wird

etwa darauf verwiesen, dass das UK und Deutschland häufig ähnliche Interessen innerhalb

der EU verfolgten und Deutschland damit einen wichtigen Partner verlöre, einen „Gleichge-

sinnten“, wie es ein Unternehmen ausdrückt.

Ein beträchtlicher Teil der von den Unternehmen zusätzlich genannten Chancen und Risi-

ken thematisiert die Auswirkungen des Brexit auf die EU insgesamt und auf deren politi-

sches wie ökonomisches Gewicht im weltweiten Kontext. Dabei umfassen die Ansichten

eine große Bandbreite: Von der Auffassung, der Brexit stelle eine Chance für die EU dar,

sich neu aufzustellen, bis hin zur Befürchtung, weitere Länder könnten dem Beispiel Groß-

britanniens folgen. Die Stimmen, die den Brexit als negativ für die EU ansehen, überwiegen

allerdings bei weitem.

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

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Abbildung 40: Chancen und Risiken durch den Brexit für den Standort Hessen

Legende

wahrscheinlich = unwahrscheinlich =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Das Land Hessen engagiert sich, um einerseits die Risiken des Brexit für die heimische

Wirtschaft zu minimieren und um andererseits sich ergebende Chancen zu nutzen (vgl.

hierzu das folgende Kapitel 6). Die Bedeutung verschiedener Unterstützungsangebote und

Maßnahmen im Kontext des Brexit sind durch die Unternehmen bewertet worden (vgl. Ab-

bildung 41). Zusätzlich wurde den hessischen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, hierzu

weitere Anregungen zu geben, die in den nachfolgenden Ausführungen beispielhaft berück-

sichtigt werden.

Alle aufgeführten Maßnahmen werden von einer deutlichen Mehrheit der antwortenden

hessischen Unternehmen für sehr wichtig oder wichtig erachtet. Die höchste Bedeutung

messen die Unternehmen dem politischen Engagement – also einer Kerntätigkeit der Lan-

desregierung – im Sinne möglichst guter Brexit-Verhandlungsergebnisse bei: 85 % der ant-

wortenden Unternehmen schätzen ein derartiges Engagement vonseiten der Hessischen

Landesregierung als wichtig oder sehr wichtig ein. Dabei haben die vorstehenden Einschät-

zungen und Erwartungen der Unternehmen gezeigt, dass es durchaus widerstreitende In-

teressen geben kann, die angemessen zu berücksichtigen sind. So ist für die bestehenden

Wirtschaftsbeziehungen eine weiterhin möglichst enge Anbindung des UK an die EU („wei-

cher Brexit“) förderlich, während die Chancen auf die Ansiedlung von Unternehmen in Hes-

sen desto mehr steigen dürften, je mehr in die Entwicklung in Richtung „harter Brexit“ ver-

läuft. Äußerungen von Unternehmen reichen von „Der Brexit muss teuer für UK werden“

und „Auf harte Verhandlungen hinwirken“ auf der einen Seite über die Hoffnung auf einen

Der Brexit wird die Stellung Deutschlands – und damitauch Hessens – innerhalb der EU stärken. n=514

Der Brexit wird das britische Pfund weiter unter Drucksetzen und die Wechselkursschwankungen erhöhen. n=572

Der Brexit wird das Wirtschaftswachstum in Deutschlandund Hessen mehrere Jahre lang abschwächen. n=555

Der Brexit wird das Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreichmehrere Jahre lang abschwächen. n=565

Hessen wird vom Brexit profitieren, da sich Hessen – als Alternative zumVereinigten Königreich – stärker als „Brückenkopf in die EU“

für ausländische Unternehmen positionieren kann. n=501

Der Finanzplatz Frankfurt/Rhein-Mainwird vom Brexit profitieren. n=614

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

72

Kündigungsvertrag, der „alle Seiten das Gesicht wahren lässt“, bis hin zum Appell, den

Brexit möglichst irgendwie noch zu verhindern. Dies verdeutlicht das Spannungsfeld.

77 % der Unternehmen wünschen sich vom Land Hessen Informationen, Beratungen, Ver-

anstaltungen etc. zum Thema Brexit, womit diesem Aspekt die zweithöchste Bedeutung

zukommt. Damit sollen nicht nur Informationen zum Brexit und seinen Auswirkungen zur

Verfügung gestellt werden, sondern auch die Kontaktaufnahme etwa zur Landesregierung

erleichtert und der Austausch der Unternehmen untereinander sowie mit den entsprechen-

den Akteuren auf Seiten des Landes befördert werden.

Im Hinblick auf das Marketing für den Standort Hessen, d.h. die Gewinnung von Investoren

(Incoming-Geschäft), wie auch für die Bearbeitung der Auslandsmärkte im Rahmen der

Außenwirtschaftsförderung (Outgoing-Geschäft) stützen die Befragungsergebnisse im

Kontext des Brexit letztlich eine „Sowohl-als-auch“-Strategie:

So wird zum einen die Bearbeitung von anderen Auslandsmärkten als dem UK – sowohl

was die Außenwirtschaftsförderung als auch das Standortmarketing für Hessen betrifft –

durch die Unternehmen zwar als noch bedeutender bewertet als vergleichbare Maßnahmen

im UK. Die Unterschiede fallen mit 71 % zu 66 % bzw. 69 % zu 64 % allerdings vergleichs-

weise gering aus. Zum anderen wird das Standortmarketing für Hessen von einem höheren

Anteil als sehr wichtig erachtet als die Bearbeitung von Auslandsmärkten im Rahmen der

Außenwirtschaftsförderung – dies ist vor dem Hintergrund der aktuell stark auf Ansiedlun-

gen fokussierenden Diskussion nicht überraschend. Darüber sollte allerdings das Outgoing-

Geschäft nicht in den Hintergrund treten, dem mit 64 % (UK) bzw. 66 % (andere Auslands-

märkte) aus Sicht der befragten Unternehmen ebenfalls eine hohe Bedeutung zukommt.

Es zeigen sich nur relativ geringe Unterschiede in den Einschätzungen zwischen Unterneh-

men ohne und mit Geschäftsbeziehungen zum UK sowie nach der Art der Verflechtung mit

dem UK. Eine Ausnahme besteht für die befragten hessischen Unternehmen mit finanzwirt-

schaftlichen Verflechtungen, von denen 77 % das Marketing für den Standort Hessen im

UK als (sehr) wichtig einschätzen – was klar über dem Vergleichswert von 66 % für alle

Unternehmen liegt. Ergänzende Bemerkungen der Unternehmen zielen auch in diese Rich-

tung, wenn etwa betont wird, dass auch im Finanzbereich Ansiedlungen und Verlagerungen

Hessen „nicht einfach in den Schoß fallen“ werden. Man müsse sich „intensiv“ um mögliche

Investitionen und Standortverlegungen kümmern – was natürlich nicht nur ein entsprechen-

des Marketing verlangt, sondern auch attraktive Rahmenbedingungen.

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Abbildung 41: Einschätzungen der Unternehmen zur Bedeutung von Maßnahmen des Landes, um einerseits die Risiken des Brexit für die heimische Wirtschaft zu minimieren und ande-rerseits sich ergebende Chancen auszuschöpfen

Legende

sehr wichtig = wichtig = weniger wichtig =

Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017

Welche Bedeutung hat die Bearbeitung des Auslandsmarktes VereinigtesKönigreich im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung? n=609

Welche Bedeutung hat das Marketing für denStandort Hessen im Vereinigten Königreich? n=616

Welche Bedeutung hat die Bearbeitung anderer Auslandsmärkteim Rahmen der Außenwirtschaftsförderung? n=605

Welche Bedeutung hat das Marketing für denStandort Hessen in anderen Auslandsmärkten? n=611

Welche Bedeutung haben Informationen / Beratungen / Veranstaltungenzum Brexit und den möglichen Folgen für die Unternehmen in Hessen? n=617

Welche Bedeutung hat das Engagement auf politischer Ebene (Bund, EU)im Sinne möglichst guter Brexit-Verhandlungsergebnisse

für die Unternehmen in Hessen? n=619

0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

74

6 Brexit-Aktivitäten des Landes Hessen

Dem allgemein bedauerten Ausgang der Volksabstimmung im Vereinigten Königreich über

einen EU-Austritt kommt neben seiner politischen auch eine beträchtliche ökonomische Be-

deutung für Hessen zu. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen zwischen dem UK

und der EU über die Modalitäten des Brexit sind Wirtschaft und Politik gehalten, sich bereits

im Vorfeld mit den möglichen Folgen des Brexit auseinanderzusetzen. Die hessische Lan-

desregierung hat hier schon frühzeitig Initiativen ergriffen und direkt nach dem britischen

Volksentscheid das Engagement auf der politischen Ebene eingeleitet. Mit der Einberufung

des Finanzplatzkabinetts im Sommer 2016 unter Teilnahme des Präsidenten der Deut-

schen Bundesbank, Repräsentanten des Finanzplatzes, der Wirtschaft, der Wissenschaft

und der Bundesregierung wurden von der Landesregierung die drei Themengruppen „Mar-

keting und Realwirtschaft“, „Rechtsrahmen“ und „Bund und Europa“ initiiert, die bei den

entsprechenden Ministerien angesiedelt sind und in denen es darum geht, sich ergebende

Chancen insbesondere für den Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main auszuloten.

Darüber hinaus hat Ministerpräsident Bouffier in Brüssel mit den verantwortlichen Fraktio-

nen des Europäischen Parlaments, den Kommissaren der Europäischen Kommission und

mit dem für den Kapitalmarkt zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission

intensive Gespräche geführt und für den Standort Hessen geworben. Die Vertretung des

Landes Hessen bei der Europäischen Union setzt sich im Meinungsbildungs- und Verhand-

lungsprozess zum Brexit auf Ebene des Bundes und der EU aktiv für die Belange Hessens

ein. In der Hessischen Staatskanzlei wurde eine Stabsstelle Brexit zur Behandlung von

Grundsatzfragen eingerichtet. Frühzeitig fanden Kabinettsitzungen mit dem Präsidium der

hessischen Unternehmerverbände statt.

Das Hessische Finanzministerium ist federführend bei Fragen zu Änderungen des Rechts-

rahmens im künftigen Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU mit dem

Ziel, Chancen für Hessen zu nutzen und Risiken für Hessen zu minimieren. Dies betrifft z.B.

Fragen der Finanzmarktregulierung oder spezifische Regelungen für Finanzdienstleis-

tungsunternehmen.

Chancen ergeben sich im Hinblick auf mögliche Verlagerungen von Unternehmen oder Teil-

Aktivitäten von Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich vor dem Hintergrund des

Austritts aus der Europäischen Union und der damit verbundenen Neuordnung der außen-

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Zur Förderung der Ansiedlung von Unternehmen

aus dem UK in Hessen wurde unter der Federführung des Hessischen Wirtschaftsministe-

riums bereits eine Vielzahl an Maßnahmen zum Standortmarketing für Hessen durchgeführt

bzw. in die Wege geleitet. Bereits im August 2016 reiste Wirtschaftsminister Al-Wazir mit

einer Delegation nach London, um dort gezielt Gespräche mit Entscheidungsträgern von

Banken und Versicherungen sowie mit Investoren zu führen. Die englischsprachige Bro-

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schüre „Welcome to Frankfurt, Welcome to Hessen“ wirbt mit den Standortvorteilen Hes-

sens. Eine Unternehmerreise mit Standortseminaren nach Birmingham, Leeds und in eine

weitere Großstadt ist geplant, um speziell bei Unternehmen der Automobilbranche, aus den

Bereichen Chemie / Pharma sowie Optik / Elektrotechnik – alles Bereiche mit hohen Expor-

ten hessischer Unternehmen in das UK – über den Standort Hessen zu informieren und für

den Standort Hessen zu werben. Aktuell wurde auf der Webseite www.invest-in-hessen.de

eine zentrale Informationsplattform rund um das Thema Brexit eingerichtet. Auch der

4. Hessische Außenwirtschaftstag, den die hessischen IHKs in Zusammenarbeit mit dem

Hessischen Wirtschaftsministerium am 20. Juni 2017 durchführen, bietet Informationen

zum Brexit.

Hessen steht im Standortwettbewerb in Konkurrenz mit anderen Standorten in Europa.

Wichtig ist daher ein schlagkräftiges, gemeinsames Auftraten aller Akteure. Im Rahmen des

Standortmarketings arbeiten daher das Land, Hessen Agentur, Hessen Trade & Invest,

FrankfurtRheinMain International Marketing of the Region (FRM), Wirtschaftsförderung

Frankfurt, IHK Frankfurt und – bei Maßnahmen für den Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main –

die FrankfurtMainFinance eng und vertrauensvoll zusammen. In einer „Brexit Task Force“

der beteiligten Partner werden regelmäßig relevante Informationen ausgetauscht und Mar-

ketingprojekte diskutiert. Bereits am Tag nach der Brexit-Entscheidung wurde die Internet-

seite www.welcometofrm.com freigeschaltet. In London wurde vor Ort ein Ansprechpartner

etabliert. Unternehmen und Investoren erhalten Informationen aus einer Hand. Aktivitäten

wie gemeinsame Delegationsreisen, Messebeteiligungen und Investmentseminare in den

wichtigsten Quellmärkten werden gemeinsam durchgeführt.

Neben Marketingmaßnahmen im UK wird auch in anderen Auslandsmärkten für den Wirt-

schaftsstandort Hessen geworben, um internationale Unternehmen und Investoren, für die

das Vereinigte Königreich als Unternehmensstandort möglicherweise an Attraktivität ver-

liert, für Hessen zu gewinnen. Wichtige Investorenländer sind z.B. die Volksrepublik China,

USA, Indien, Japan und Korea. Die Standortmarketingaktivitäten umfassen z.B. Veranstal-

tungen wie Investmentseminare und Roadshows im Ausland, die Erstellung von Informati-

onsbroschüren zum Standort Hessen in verschiedenen Sprachversionen sowie Anzeigen

und Editorials zum Wirtschaftsstandort Hessen in ausgewählten internationalen Medien.

Mit der „Allianz für Wohnen in Hessen“ als Bündnis der Bau- und Wohnungswirtschaft, der

Kommunen, der Mieter- und Eigentümerverbände und vielen anderen leistet das Land dar-

über hinaus einen Beitrag zur Errichtung neuer und auch preiswerter Wohnungen, um die

Herausforderungen möglicher Zuzüge infolge des Brexit auf einem angespannten Woh-

nungsmarkt zu meistern.

Maßnahmen des Standortmarketings zielen darauf ab, Chancen des Standortes Hessen

durch den Brexit zu nutzen. Die Landesregierung sieht es aber auch als ihre Aufgabe an,

hessische Unternehmen dabei zu unterstützen, die mit einem EU-Austritt des Vereinigten

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Königreichs verbundenen Herausforderungen zu meistern und die sich eröffnenden Chan-

cen zu nutzen. Beispiele für entsprechende Aktivitäten der hessischen Landesregierung

sind Informationsveranstaltungen zu den Auswirkungen des Brexit, die Unterstützung von

Messeteilnahmen im Ausland sowie Delegationsreisen in das Vereinigte Königreich sowie

auch in andere Auslandsmärkte. Beispielhaft zu nennen seien hier die im Mai 2017 stattfin-

dende Delegationsreise des Wirtschaftsministers nach London mit den Schwerpunkten

Kreativwirtschaft und Finanzsektor oder die geplanten Wirtschaftsdelegationen nach Sin-

gapur und Hongkong.

Neben zahlreichen zusätzlichen Standortmarketingprojekten wird die Brexit-Thematik inter-

disziplinär und Themenfelder übergreifend bei allen Aktivitäten der Wirtschaftsförderung für

Hessen berücksichtigt.

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

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7 Zusammenfassung und Fazit

Mit dem Austrittsantrag des Vereinigten Königreichs vom 29. März 2017 wurden die Wei-

chen für den Brexit gestellt. Dieser ist in mehrfacher Hinsicht ein einschneidendes Ereignis:

Auf politischer Ebene bedeutet der Brexit eine Zäsur, da nach Jahrzehnten der fortwähren-

den EU-Erweiterung erstmals ein Mitglied die EU wieder verlassen wird. Wirtschaftlich ge-

sehen stellt der Brexit für die vielfältigen Bestrebungen um wirtschaftliche Integration und

Abbau von Handelshürden weltweit einen Rückschlag dar – obgleich Szenarien denkbar

sind, in denen nur wenig neue Handelshürden geschaffen werden. Die wirtschaftlichen Aus-

wirkungen betreffen naturgemäß insbesondere das UK selbst, aber auch die Wirtschafts-

partner sind über verschiedene Transmissionskanäle durch einen EU-Austritt betroffen. Der

Fokus dieser Untersuchung liegt auf den Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirt-

schaft.

Das UK ist eine der höchstentwickelten Volkswirtschaften der Welt mit einem Bruttoinlands-

produkt (BIP) je Einwohner von 43.700 US-Dollar. Mit 2,85 Mrd. US-Dollar erwirtschaftet

das UK das – nach Deutschland – zweithöchste BIP in der EU. Die Wirtschaft im UK ist

strukturell durch einen äußerst hohen Dienstleistungsanteil (80 %) geprägt. Zwischen dem

Vereinigten Königreich und Hessen bestehen intensive Wirtschaftsbeziehungen. Der hes-

sische Export betrug 4,5 Mrd. Euro in 2015, womit das Land hinter den USA und Frankreich

der weltweit drittgrößte Exportmarkt für die hessische Wirtschaft ist. Etwa ein Drittel der

Exporte entfallen auf Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör. Mit 19 % liegen chemische

und pharmazeutische Erzeugnisse auf Rang 2 unter den Exportgütern in das UK. Damit

unterscheidet sich die Struktur der Exporte im Handel mit dem UK deutlich vom hessischen

Export insgesamt, wo auf chemische und pharmazeutische Erzeugnisse rund ein Drittel des

Gesamtvolumens entfällt und etwa 10 % des Exports der Warengruppe Fahrzeuge, Fahr-

zeugteile und -zubehör zuzuordnen ist. Importseitig belegt das UK mit 3,3 Mrd. Euro Rang 9

unter den Herkunftsländern von Waren für Hessen. Die bedeutendste Importgüterkategorie

sind die chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse. Über die Handelsbeziehungen

hinaus bestehen zwischen dem UK und Hessen auch intensive Investitionsbeziehungen.

Hessische Unternehmen weisen einen Direktinvestitionsbestand im UK von 20,3 Mrd. Euro

auf. Dies entspricht einem Anteil von 12 % an den FDI Hessens im Ausland insgesamt,

womit das UK Rang 3 unter den Zielländern für Investitionen hessischer Unternehmen be-

legt. Dabei werden die Investitionen durch die Branche der Finanz- und Versicherungs-

dienstleistungen dominiert. In der umgekehrten Richtung belegt das UK mit 5,6 Mrd. Euro

bzw. 9 % an allen eingehenden FDI ebenfalls Rang 3 unter den Herkunftsländern von FDI

in Hessen. Bei den Investitionsobjekten kommt zwar wiederum dem Finanz- und Versiche-

rungsbereich die Hauptrolle zu, doch die Investitionen des UK in Hessen bieten ein diver-

sifizierteres Bild.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Diese engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Hessen und dem UK verdeutlichen,

dass sich potenzielle Änderungen der Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Aus-

tausch zwischen der EU und dem UK durch den Brexit auch auf die hessische Wirtschaft

niederschlagen können. Dies gilt bereits vor und während der Verhandlungsphase, wofür

insbesondere die Unsicherheit im Hinblick auf das Verhandlungsergebnis verantwortlich ist.

Diese Unsicherheit schlägt sich z.B. auf die Investitionstätigkeit nieder. So dürften etwa

verschiedene langfristige Investitionsentscheidungen hessischer Unternehmen im UK zu-

rückgestellt werden. Aktuelle Konjunkturprognosen für Deutschland wurden aufgrund des

Brexit-Referendums leicht nach unten korrigiert. Die langfristigen Auswirkungen lassen sich

quantitativ durch Modellrechnungen abschätzen, in denen aufgrund der Unsicherheit des

Verhandlungsergebnisses zumeist verschiedene Szenarien betrachtet werden. Je „härter“

der Brexit ausgestaltet ist, desto negativer wirkt sich dies auf die Entwicklung des BIP im

UK aus. Doch nicht nur das UK – das mit den stärksten Verlusten durch den Brexit rechnen

muss –, sondern auch die Wirtschaftspartner werden gemäß den Modellrechnungen in un-

terschiedlichem Ausmaße negative Auswirkungen des Brexit spüren. So geht eine Schät-

zung für Deutschland von einer Verminderung des realen BIP um 0,1 % bis 2 % – in Ab-

hängigkeit des Ausstiegsszenarios – gegenüber der BIP-Entwicklung ohne Brexit aus. Über

derartige quantitative Analysen hinaus wurden von verschiedenen Instituten Unterneh-

mensbefragungen zum Thema Brexit durchgeführt. In den Umfragen werden von der Mehr-

heit der Unternehmen regelmäßig zwar keine gravierenden Auswirkungen des Brexit be-

fürchtet, aber eine nennenswerte Zahl erwartet durchaus negative Effekte auf ihre Ge-

schäftstätigkeit. Zudem werden die negativen Folgen der Unsicherheit, die seit dem

Referendum besteht, hervorgehoben.

Um aus erster Hand ein auf breiter Basis stehendes, differenziertes Meinungsbild hessi-

scher Unternehmen zum Brexit zu erhalten, führte die Hessen Agentur eine Unternehmens-

befragung durch. Diese thematisiert nicht nur die Folgen für die Unternehmen, sondern gibt

auch Aufschluss über die möglichen Auswirkungen des EU-Austritts des Vereinigten Kö-

nigreichs auf Hessen insgesamt. Die Befragung richtete sich an rund 4.100 Unternehmen

mit Sitz in Hessen, wobei das Ziel nicht in einem Querschnitt der gesamten hessischen

Wirtschaft lag, sondern zielgerichtet ein Sample von Unternehmen mit einer hohen Wahr-

scheinlichkeit für bestehende wirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK erstellt wurde. Es

beteiligten sich 672 Unternehmen, was eine erfreulich hohe Rücklaufquote von 16,4 % be-

deutet. Der Zielstellung der Untersuchung entsprechend weist mit 59 % ein hoher Anteil der

befragten Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit dem UK auf. Diese Unternehmen sind

auf vielfältige Weise mit dem UK wirtschaftlich verbunden: 75 % der Unternehmen weisen

realwirtschaftliche Verflechtungen – Export und Import von Gütern und Dienstleistungen

(ohne Finanzdienstleistungen) – auf. 33 % der Unternehmen besitzen eigene oder in Ko-

operation betriebene Tochtergesellschaften im UK. In der umgekehrten Richtung ist das UK

für 24 % der Unternehmen der Sitz der Konzernmutter bzw. der Europazentrale. Und

schließlich verfügen 13 % der Unternehmen über finanzwirtschaftliche Verflechtungen mit

dem UK.

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Als ein wesentliches Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Befragten die Auswirkungen

des Brexit auf ihr Unternehmen überwiegend neutral bis pessimistisch einschätzen. Etwa

50 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK schätzen die Auswirkungen auf

ihr Unternehmen neutral ein. Unter den Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen liegt

dieser Anteil 30 %-Punkte höher. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Anteil der

befragten Unternehmen, die negative Auswirkungen erwarten, in beiden Gruppen mit 46 %

(mit Geschäftsbeziehungen) und 12 % (ohne Geschäftsbeziehungen) über dem Anteil der

Unternehmen mit positiven Erwartungen (4 % bzw. 8 %) liegt. Zusammenfassend ist her-

vorzuheben, dass gerade unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK na-

hezu jeder zweite Befragte befürchtet, dass sich der Brexit negativ auf das Unternehmen

auswirken wird.

Blicken die Befragten über ihr eigenes Unternehmen hinaus und bewerten die Auswirkun-

gen des Brexit auf den Wirtschaftsstandort Hessen, zeigt sich ein anderes wichtiges Ergeb-

nis: Wesentlich weniger Unternehmen gehen von neutralen Effekten aus (20 %), während

sich positive und negative Einschätzungen mit je rund 40 % in Waage halten. Dieses zu-

nächst überraschende Resultat – ein relativ hoher Anteil negativer Einschätzungen zu den

Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen bei gleichzeitig relativ vielen positiven Ein-

schätzungen im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Hessen – lässt sich auflösen. Teils

können Brexit-Folgen negativ oder neutral für das Unternehmen sein, während sie in

Summe für den Wirtschaftsstandort Hessen eine Chance bedeuten. Hierunter fallen z.B.

Standortverlagerungen aus dem UK nach Hessen. Dieses Szenario wird derzeit insbeson-

dere in der Finanzbranche diskutiert, in der verschiedene Tätigkeiten und Dienstleistungen

an einen Sitz innerhalb der EU gekoppelt sind. 94 % der befragten Unternehmen halten es

daher für wahrscheinlich, dass der Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main vom Brexit profitieren

kann. Doch auch in anderen Branchen kann Hessen im Standortwettbewerb möglicher-

weise durch den Brexit profitieren – 58 % der Befragten halten es für wahrscheinlich, dass

sich Hessen für ausländische Unternehmen zukünftig noch stärker als „Brückenkopf“ in die

EU positionieren kann. Ein weiteres Indiz für die vergleichsweise günstigeren Einschätzun-

gen der Brexit-Folgen auf den Standort Hessen liegt in den Erwartungen zum Wirtschafts-

wachstum, denn nur 15 % der befragten Unternehmen gehen von einer nachhaltigen

Schwächung des Wachstums in Deutschland aus. Weitgehende Einigkeit (87 %) herrscht

hingegen unter den Unternehmen, dass durch den Brexit das Wirtschaftswachstum im UK

wahrscheinlich über mehrere Jahre hinweg geschwächt wird.

Die vorgenannten Einschätzungen sind vor dem Hintergrund der Erwartungen der Unter-

nehmen an die Ausgestaltung des Brexit zu interpretieren. Die deutliche Mehrheit der Be-

fragten (58 %) erwartete einen Mittelweg – d.h. weder einen besonders „harten“ noch einen

besonders „weichen“ Brexit. Extreme Verhandlungsergebnisse – ein Scheitern der Ver-

handlungen mit „ungeregeltem“ EU-Austritt oder ein Verbleib des UK in der EU – halten nur

wenige der Befragten für wahrscheinlich.

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Die Unternehmensbefragung bietet zahlreiche weitere Ergebnisse, anhand derer sich die

Einschätzungen der Unternehmen zu den Auswirkungen des Brexit konkretisieren lassen.

So ist bereits während der Verhandlungsphase eine Anpassung der Geschäftsbeziehungen

mit dem UK zu erwarten. Obwohl die Mehrheit der befragten hessischen Unternehmen eine

Stabilität der Geschäftsbeziehungen erwartet, gehen – je nach Art der Geschäftsbeziehung

– bereits 20 % der Unternehmen von einer Verringerung aus. Langfristig, d.h. nach dem

Brexit, steigt dieser Anteil deutlich auf rund 40 %. Die Befragungsergebnisse bestätigen

zudem, dass die Haupteffekte im UK selbst auftreten werden. Während die Unternehmen

an ihrem Standort in Hessen zu über 80 % mit unveränderten Umsatz- und Beschäftigten-

zahlen rechnen und sich die Zahl der Einschätzungen zu steigenden und sinkenden Werten

nahezu ausgleicht, erwarten rund 30 % der Unternehmen im UK sinkende Umsatz- und

Beschäftigtenzahlen.

Die Befragung gibt zudem einen Einblick in konkrete Risiken, die die Unternehmen für ihre

Geschäftstätigkeit durch den Brexit erwarten. Jeweils etwa 60 % der Unternehmen befürch-

ten eine Erhöhung der tarifären und der nicht-tarifären Handelshemmnisse. Ein weiteres

häufig genanntes Risiko ist die Erhöhung der Komplexität durch (zukünftig) abweichende

Regulierungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich. Auch

die Einschränkung der grenzüberschreitenden Mobilität der Beschäftigung wird von nahezu

40 % der Unternehmen als Risiko genannt. Im Hinblick auf die Erbringung von finanzwirt-

schaftlichen Dienstleistungen und des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs werden ins-

besondere durch Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtungen Befürchtungen

geäußert.

Vor dem Hintergrund des derzeitigen Vorbereitungsstandes der Unternehmen – erst etwa

ein Drittel der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK hat erste Schritte diesbe-

züglich eingeleitet – überrascht es nicht, dass sich 77 % der Unternehmen vom Land Hes-

sen Informationen, Beratung und Veranstaltungen zum Thema Brexit wünschen. Einzig das

politische Engagement des Landes im Sinne möglichst guter Brexit-Verhandlungsergeb-

nisse für die Unternehmen wird mit 85 % von einem noch höheren Anteil der Befragten als

wichtig eingeschätzt. Auch andere klassische Maßnahmen der Wirtschaftsförderung wie

Standortmarketing und Außenwirtschaftsförderung im UK und in anderen Auslandsmärkten

werden von mehr als 60 % der befragten Unternehmen als wichtige Maßnahme des Landes

eingeschätzt, um einerseits die Risiken des Brexit für die heimische Wirtschaft zu minimie-

ren und andererseits sich ergebende Chancen auszuschöpfen.

Die Hessische Landesregierung führt – in enger Abstimmung mit allen Akteuren – vielfältige

Brexit-Aktivitäten durch, um zum einen für Hessen als attraktiven Standort innerhalb der EU

zu werben. Zum anderen werden hessische Unternehmen dabei unterstützt, die mit dem

Brexit verbundenen Herausforderungen zu meistern und die sich eröffnenden Chancen zu

nutzen.

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung Seite

1  Europäische Union und Vereinigtes Königreich 4 

2  Wirtschaftsstruktur im Vereinigten Königreich und in Deutschland – Anteile der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung 2015 6 

3  Nominales Bruttoinlandsprodukt des Vereinigten Königreichs 1990-2015 7 

4  Entwicklung des Wechselkurses von US-Dollar bzw. Euro pro Britisches Pfund 8 

5  Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts im UK 1990-2015 gegenüber dem Vorjahr 9 

6  Jährliche Inflationsrate im UK 1990-2015 gegenüber dem Vorjahr 9 

7  Arbeitslosenquote im Vereinigten Königreich 1991-2014 10 

8  Staatsverschuldung im Vereinigten Königreich 1990-2015 10 

9  Exporte und Importe des UK 2005-2015 11 

10  Ausländische Direktinvestitionen (FDI) im Ausland und aus dem Ausland 2003-2012 12 

11  Hessischer Außenhandel mit dem UK: Exportgüter 2015 15 

12  Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Exportgüter 2015 16 

13  Export zwischen Hessen / Deutschland und dem UK 2005-2015 17 

14  Relative Bedeutung des Exports in das UK für Hessen / Deutschland 2005-2015 18 

15  Hessischer Außenhandel mit dem UK: Importgüter 2015 19 

16  Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Importgüter 2015 20 

17  Import zwischen Hessen / Deutschland und dem UK 2005-2015 21 

18  Relative Bedeutung des Imports aus dem UK für Hessen / Deutschland 2005-2015 21 

19  Exporte und Importe zwischen Hessen / Deutschland und dem UK Januar 2015 bis Januar 2017 23 

20  Größenstruktur der befragten Unternehmen nach Beschäftigten 40 

21  Branchenstruktur der befragten Unternehmen 41 

22  Einschätzungen hessischer Unternehmen zur Verhandlungsphase des Brexit 42 

23  Erwartungen hessischer Unternehmen an das Verhandlungsergebnis 43 

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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24  Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen: Hessische Unternehmen mit und ohne Geschäftsbeziehungen mit dem UK 45 

25  Anteil der Unternehmen mit und ohne Geschäftsbeziehungen zum UK nach Branchen 46 

26  Auswirkungen des Brexit auf das Unternehmen nach Branchen 47 

27  Art der Geschäftsbeziehungen hessischer Unternehmen mit dem UK 49 

28  Bedeutung des UK unter den Auslandsmärkten hessischer Unternehmen 50 

29  Bedeutung des Auslandsmarktes UK nach Branchen 51 

30  Hessische Unternehmen: Beschäftigte aus der EU im UK und aus dem UK in Hessen 52 

31  Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU: Beschäftigung von EU-Ausländern im UK und von britischen Staatsbürgern in Hessen nach Branchen 53 

32  Entwicklung der Geschäftsbeziehungen hessischer Unternehmen mit dem UK – kurzfristige und langfristige Effekte 55 

33  Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung nach dem Brexit – Effekte an den Standorten Hessen und Vereinigtes Königreich 57 

34  Entwicklung des Umsatzes in Hessen und im UK nach Branchen 58 

35  Entwicklung der Beschäftigung in Hessen und im UK nach Branchen 59 

36  Vorbereitungen der Unternehmen auf den Brexit – ja oder nein 61 

37  Vorbereitungen der Unternehmen auf den Brexit – Welche Schritte? 62 

38  Risiken für die Geschäftstätigkeit der Unternehmen differenziert nach Art der Geschäftsbeziehung 64 

39  Auswirkungen des Brexit auf den Standort Hessen 68 

40  Chancen und Risiken durch den Brexit für den Standort Hessen 71 

41  Einschätzungen der Unternehmen zur Bedeutung von Maßnahmen des Landes, um einerseits die Risiken des Brexit für die heimische Wirtschaft zu minimieren und andererseits sich ergebende Chancen auszuschöpfen 73 

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Tabellenverzeichnis

Tabelle Seite

1  Vergleich statistischer Kennzahlen: Vereinigtes Königreich, Deutschland und Europäische Union 2015 5 

2  Vergleich volkswirtschaftlicher Kennzahlen: Vereinigtes Königreich, Deutschland und Europäische Union 2016 6 

3  Ausländische Direktinvestitionen (FDI) zwischen dem UK und Hessen / Deutschland 2010-2014 25 

4  FDI aus Hessen im UK und aus dem UK in Hessen nach ausgewählten Wirtschaftszweigen 2014 27 

5  FDI aus Deutschland im UK und aus dem UK in Deutschland nach ausgewählten Wirtschaftszweigen 2014 29 

6  Studien zu den Auswirkungen des Brexit auf Deutschland im Überblick 35 

7  Aktuelle Unternehmensbefragungen aus Deutschland zum Brexit im Überblick 36 

8  Charakteristika der Unternehmensbefragung „Hessen und der Brexit – Auswirkungen eines EU-Austritts des Vereinigten Königreichs auf die hessische Wirtschaft“ im Überblick 39 

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Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft

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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

Hessen und der Brexit – Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft

Herausgeber:

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

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