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7/24/2019 Hesychia
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Erhard J. Fischer
Hesychia
7/24/2019 Hesychia
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Nach 25, 30 oder gar 35 Jahren Arbeit an sich selbst, seinen
Gedanken und Leidenschaften - verbunden mit der Unterstützung
durch das unablässig sprudelnde Jesusgebet - gelangt der Mensch
durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit zur Ruhe des Herzens, der
Hesychia der Wüstenväter und Mönche des Athos, der Starzen
Russlands, aber auch bedeutender Heiliger des Westens. Dies wird
begleitet durch ein zurückgezogenes Leben in Einsamkeit, abge-
schirmt von jeglicher Zerstreuung. Bereits die Wüstenväter lehrten
in ihren Apophthegmen (Aussprüchen) das „Bewahren der Zun-
ge“ zur Erhaltung von Wachsamkeit und Ruhe ( hesychia ). Ein reines
unschuldiges Herz wird erlangt, das keinerlei Schatten mehr beher-bergt, keine bösen Gedanken, Vorstellungen, Anmutungen hegt,
nur reine, unverfälschte Liebe, ohne jegliche Bedingung. Diese
Liebe richtet sich auf Gott, den Nächsten, alle Geschöpfe und die
gesamte Schöpfung. Die Gabe der Tränen stellt sich ein.
Zur Trauer sagen die Wüstenväter (250 – 450 n. Chr.) sehr Unter-
schiedliches. „Normale“ Trauer - wir Heutigen sprechen da eher von Depression - wird von ihnen als „Laster“ angesehen, während
Penthos die göttliche Traurigkeit darstellt, die von diesen Altvätern
als besondere Gnadengabe angestrebt wurde. Dies ist die Trauer
über die eigenen Sünden, die beweint werden.
Loslassen von allem Negativen wie Groll, Hass, Rache, Vergeltung,
Strafe, Trotz, auch Sarkasmus und schließlich sogar Ironie. Spar-
samkeit mit Worten, Zurückhaltung jeglicher Gewalt, Druck, Mani-
pulation, weil wir einmal für unsere Worte gerichtet werden. In
Matthäus 12 lesen wir: 36 Ich sage euch aber, daß die Menschen am Tag des
Gerichts Rechenschaft geben müssen von jedem unnützen Wort, das sie geredet
haben. 37 Denn nach deinen Worten wirst du gerechtfertigt, und nach deinen
Worten wirst du verurteilt werden!
Dieser Mensch redet nur, wenn er gefragt wird. Sollte ihm eine hin-terhältige Frage gestellt werden, vergibt er dem Frager seine Bosheit
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und antwortet milde. Dann bestimmt das Herz über den Verstand,
Bewusstes und Unbewusstes klaffen nicht mehr auseinander, die
Unschuld des Kindes wird zurückerlangt. Das Herz ist ruhig gewor-
den und schweigt. weil die Seele zur Ruhe gekommen ist. Gelassen-
heit, äußere Stille und inneres Schweigen breiten sich aus, neben
reinen unschuldigen Gedanken des Friedens und Wohlwollens.
Jeder Gedanke wird zum Segensgebet. Alle Planung ist längst aus-
geschaltet. Alle Aufregung, Jammern oder gar Tadel sind in weite
Ferne gerückt, da - durch unzählige Versuchungen erprobt und ge-
stählt - alle Emotionen zur Ruhe gekommen sind.
Jegliches Urteilen oder gar Verurteilen ist fremd geworden, wird in
der Schwebe gehalten, ausgeblendet. Denn Jesus mahnt in Lukas
6,37: Richte nicht, und du wirst nicht gerichtet werden, verurteile nicht, und du
wirst nicht verurteilt werden , während Paulus sagt: Richtet nicht vor der Zeit,
bis der Herr kommt. Er wird auch das im Dunkel Verborgene ans Licht brin-
gen und die Gesinnung der Herzen offenbar machen (1Kor 4,5). Die Schrift
wird wirklich ernst genommen. Man braucht eine wahrhaft göttlicheSicht der Dinge, um zwischen Urteilen und Unterscheiden zu dif-
ferenzieren, dafür bedarf es der Gabe der Herzensschau.
Das Thema Nicht urteilen ist eine, wenn nicht sogar die essentielle
Lehre aller echten Religionen und Mysterienschulen und wurde
immer nur in inneren Kreisen weitergegeben, gerade weil sie so
missverständlich ist. Denn sie ist nur aus einer göttlichen Sicht zu
verstehen. Im Urteilen sind wir nicht eins mit dem Ganzen. Wir sind mit
Bruchstücken beschäftigt und aus kleinen Dingen ziehen wir voreilige Schlüsse.
Im Urteilen bleiben wir stehen und trennen uns vom Wachstum. Der Verstand
neigt zum schnellen Urteilen, denn für ihn ist es immer beunruhigend, in
Bewegung zu bleiben. Unterscheiden ohne zu urteilen bedeutet also: Die Dua-
lität nicht ignorieren, sondern transzendieren (Risi).
Alles wird sofort vergeben, nichts Übles mehr lauert in den Ge-danken, da aller Groll, jegliche Kränkung sofort in Gott hinein los-
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gelassen wird. Die Gegenwart Gottes ist etwas Selbstverständliches
geworden. Tiefe Zufriedenheit, Güte, bedingungslose Liebe,
Freundlichkeit, äußerstes Wohlwollen und sogar die Herzensschau
(Gabe der Erkenntnis, 1Kor 12,8; vergl. Zimmerling, Anmerkung
212) - jeglicher Gedanke, die Herzensgesinnung eines Gegenübers
wird erkannt, was dieser Mensch braucht, es werden die verbor-
genen Hindernisse ausgelotet, die auf dem Weg zu Gott liegen,
dabei wird das Beste zum Klingen gebracht und die reine Sehnsucht
nach Gott angefacht - sind zu grundlegenden Eigenschaften gewor-
den. Weil schlussendlich alles losgelassen wurde, stören auch wäh-
rend des Gebets, der Meditation oder Kontemplation keinerleiGedanken mehr. Jeder Atemzug ist Gebet, Fürbitte, Danksagung,
Anbetung, Lobpreis und Hingabe zugleich. Der Beter tritt in den
Riss (Hes/Ez 13,5; 22,30), das Jesusgebet ist zum Herzensgebet ge-
worden. Und dieses Gebet bedarf keiner Worte mehr, es geht
schlechthin in einen Dauerzustand über. Der eigene Wille wurde in
den Gottes losgelassen, weil das Vater unser ernst genommen wird,
wo wir beten: Dein Wille geschehe .
Eine radikale und kompromisslose Haltung hat den geläuterten
Menschen erfasst - er ruht in Gottes Hand, er ist von allem unab-
hängig. Geduld, Demut, Sanftmut, Gleichmut, Bedingungslosigkeit,
Vergebungsbereitschaft haben sich bei ihm eingenistet. Die Aus-
strahlung dieser Menschen ist Heiligkeit, Gelassenheit, Unerschüt-
terlichkeit. Er ist wahrhaft mündig und nicht mehr abhängig von
Lob oder Tadel, Reichtum oder Armut, Krankheit oder Gesundheit.
Die einzige Abhängigkeit stellt Gott dar. Es wird nichts mehr
erwartet - nur bedingungslos lieben in unendlicher Dankbarkeit.
Nichts mehr wollen, besonders nicht für sich selbst, wunschloses
Glück wuchert. Hesychia ist ein Zustand ständiger Bewusstheit und
Wachsamkeit. Das Ergebnis ist durch Gottes Gnade ein wahrhaft
geläuterter und erwachsener Mensch, gänzlich nach dem Willen
Gottes gestaltet.
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Auslöser für Hesychia war ein Text von A. M. im. Januar 2014 in der Litera-rischen Werkstatt Altenkirchen im Haus Felsenkeller. Daraus resultierte die
Überlegung, was ist die hervorstechende Eigenschaft des wirklich reifen und
erwachsenen Menschen - Hesychia.
Quellen:
Risi, Armin, Unterscheiden, ohne zu urteilen – Was bedeutet das?http://armin-risi.ch/Artikel/Philosophie/Unterscheiden_ohne_zu_urteilen.html
Zimmerling, Peter, Die charismatischen Bewegungen: Theologie, Spiritualität,
Anstösse zum Gespräch, Göttingen 2009http://books.google.de/books?id=SrYyNzOrlsQC&pg=PA287&lpg=PA287&dq=gabe+der+herzensschau&source=bl&ots=cN06XmDKNZ&sig=D547hg9fUbB7GMQhNrZotpHk nKM&hl=de&sa=X&ei=V8DWUqrnCcuBywPT4oCoBw&ved=0CDEQ6AEwAA#v=onepage&q=gabe%20der%20herzensschau&f=false
Anmerkung 212Die Gabe der Erkenntnis erinnert an die im russischen Starzentumaufgetretene Gabe der Herzensschau, die diese befähigte, die Problemeder Seelsorgesuchenden ohne vorheriges Gespräch zu erkennen. Die
Starzen haben diese Gabe als übernatürliche Gabe des Heiligen Geistesbetrachtet (dazu Maria Kaißling/Tatjana Goritschewa, Russisch-ortho-doxe Seelsorge/Starzen, in: Möller, Geschichte der Seelsorge in Einzel-portraits, Bd. 3, 362 f.; Igor Smolitsch, Leben und Lehre der Starzen,
Wien 1936, der diesem Phänomen in der Geschichte der Starzennachgeht).