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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 1 Hintergrundwissen: Geriatrische Patienten in der Hausarztpraxis Die folgenden Grundlagen dienen der Einarbeitung in das Thema und werden als Lernstoff vorausgesetzt. Im Seminar sollen die genannten allgemeinärztlichen Handlungsstrategien an konkreten Kasuistiken eingeübt und diskutiert werden. Weiterführende Links bzw. Quellen zum Selbststudium Was ist Geriatrie “? Broschüre der Ärztlichen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Geriatrie in Bayern „Hausärztliche Leitlinien: Geriatrie“ der Leitliniengruppe Hessen (im Buchhandel) Multimedikation “ S2-Handlungsempfehlungen der DEGAM „PRISCUS “-Konsensusempfehlungen

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 1

Hintergrundwissen: Geriatrische Patienten in der Hausarztpraxis

Die folgenden Grundlagen dienen der Einarbeitung in das Thema und werden als Lernstoff vorausgesetzt. Im Seminar sollen die genannten allgemeinärztlichen Handlungsstrategien an konkreten Kasuistiken eingeübt und diskutiert werden.

Weiterführende Links bzw. Quellen zum Selbststudium

„Was ist Geriatrie“?Broschüre der Ärztlichen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Geriatrie in Bayern

„Hausärztliche Leitlinien: Geriatrie“ der Leitliniengruppe Hessen (im Buchhandel)

„Multimedikation“ S2-Handlungsempfehlungen der DEGAM

„PRISCUS“-Konsensusempfehlungen

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Besonderheiten geriatrischer Medizin

Altersphysiologie Veränderte Pharmakokinetik

Verringerte Ressourcen lebenswichtiger Organe

Kognitive Einbußen

Multimorbidität Symptomüberlagerung / -verschleierung

Hierarchisierung der Behandlungsziele

Interdisziplinäre / multiprofessionelle Koordination

Todesnähe Irreversibilität der Krankheitsprozesse

Palliativmedizinische und psychosoziale Betreuung

Ethische Fragestellungen, Lebenseinstellungen

Alltagsbezug Rehabilitationspotentiale

Aktivitäten täglichen Lebens

Lebensqualität

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3

Physiologische Veränderungen im Alter

Verlust von Muskelmasse und Zunahme der Fettmasse

Verringerte Knochendichte

Nachlassende Gefäßelastizität

Abnahme von Hautdicke und Hautelastizität

Nachlassende Nieren- und Leberfunktion

Verminderte Hormonbildung

Nachlassen der Gedächtnisleistung

Reaktionsträges Vegetativum

LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 4

Basisassessment

Geriatrisches Assessment dient der standardisierten Einschätzung des gegenwärtigen Zustandes, v.a. zur Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit.

Barthel-Index (Aktivitäten des täglichen Lebens, ADL)

Vorteile: hoher nationaler und internationaler Verbreitungsgrad

wissenschaftlich oft untersucht, in Studien eingesetzt

sinnvoll zur Abschätzung des pflegerischen Aufwandes

einfache, zuverlässige Anwendung, genaue Interpretationshilfen liegen vor

schnelle Orientierung, Verlaufskontrolle in der Rehabilitation

Nachteile: Summenscore, beschreibt bei gleichem Wert sehr unterschiedliche Zustandsbilder

weniger hilfreich bei vorrangig geistigen Beeinträchtigungen

auch bei hohem Wert evtl. starke Einschränkung der selbständigen Lebensführung (s. IADL)

Erweiterte Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) (Lawton Scale)

oft besser zur Einschätzung der Alltagsselbständigkeit

Mini-Mental-Status (MMST)

Einschätzung des Schweregrades und des Verlaufs einer Demenzerkrankung - zur Früherkennung nicht sicher

geeignet; ergänzend: Uhrentest, DemTect

Timed-up-and-go, Tinetti-Motilitätstest

einfache Tests zur Abschätzung der Mobilität und des Sturzrisikos

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 5

EssenUnabhängig, isst selbständig, benutzt Geschirr und Besteck

10 Braucht etwas Hilfe, z.B. bei Fleisch- oder Brotschneiden 5 Nicht selbständig, auch wenn og. Hilfe gewährt wird 0 WaschenUnabhängig beim Waschen(Gesicht/Hände) und Kämmen

5 Nicht selbständig bei og. Tätigkeiten 0 BadenUnabhängig in allen Phasen des Badens/Duschens 5 Nicht selbständig bei og. Tätigkeit 0 An- und AuskleidenUnabhängig beim An- und Auskleiden 10 Benötigt Hilfe, kann aber 50 % der Tätigkeit selbst ausführen

5 Nicht selbstständig, auch wenn Hilfe gewährt wird 0 StuhlkontrolleStändig kontinent 10 Gelegentlich inkontinent, maximal 1x/Woche 5 Häufiger/ständig inkontinent 0 UrinkontrolleStändig kontinent 10 Gelegentlich inkontinent, maximal 1x/Woche 5 Häufiger/ständig inkontinent 0

ToilettenbenutzungUnabhängig in allen Phasen der Tätigkeit (inkl. Reinigung)

10 Benötigt Hilfe, z.B. mit Kleidung oder Sitzposition 5 Kann Toilette/Nachtstuhl nicht benützen 0 Bett-(Roll-)Stuhl-TransferUnabhängig in allen Phasen der Tätigkeit 15 Geringe Hilfe oder Beaufsichtigung erforderlich 10 Erhebliche Hilfe beim Transfer 5 Nicht selbstständig, auch wenn og. Hilfe gewährt wird 0 Gehen auf Flurebene bzw. RollstuhlfahrenUnabhängig beim Gehen über 50 m, Gehstock erlaubt 15Geringe Hilfe oder Überwachung erforderlich, mit Hilfsmittel

10Nicht selbständig beim Gehen, im Rollstuhl selbständig 5 Nicht selbstständig beim Gehen oder Rollstuhlfahren 0 TreppensteigenUnabhängig bei der Bewältigung einer Treppe 10 Benötigt Hilfe oder Überwachung beim Treppensteigen 5 Nicht selbstständig, kann auch mit Hilfe nicht Treppe steigen

0

Ist für eine ansonsten selbständige Leistung Aufsicht oder professionelle Motivation erforderlich, wird nur die zweithöchste Punktzahl vergeben.

Basisassessment – Barthel-Index

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Basisassessment – IADL

Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (Lawton-Skala):

Bewertung von 8 essentiellen Bereichen der Alltagsselbständigkeit (je 0 oder 1 Punkt)

Telefonieren

Einkaufen

Kochen

Haushalt

Wäsche

Medikamente

Umgang mit Geld

Verkehrsmittel

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Orientierung

Was für ein Jahr haben wir?

Welche Jahreszeit?

Welcher Monat?

Welcher Wochentag?

Wie ist das heutige Datum?

In welchem Bundesland befinden wir uns?

In welcher Stadt?

In welchem Stadtteil?

Wie nennt man diese Räume?

In welchem Stockwerk sind wir?

1 Punkt für jede korrekt beantwortete Frage

Merkfähigkeit

Bitte merken Sie sich diese drei Wörter: Tisch, Blume, Kerze.

- Wie lauteten die drei Wörter?

1 Punkt für jedes auf Anhieb genannte Wort.

Die Wörter können (nach der Wertung) noch einige Male

vorgesagt werden, bis Pat. alle Wörter behalten hat.

Aufmerksamkeit und Rechnen

Bitte ziehen Sie von 100 solange jeweils 7 ab,

bis Sie eine Zahl unter 70 erhalten.

alternativ: Bitte buchstabieren Sie das Wort „Radio“ rückwärts.

Achtung: Die Aufforderung soll während des Aufzählens bzw.

Rechnens nicht wiederholt werden.

1 Punkt für jeden korrekten Schritt (um 7 kleiner als letzte Zahl)

Erinnerung

Wie lauten die drei Wörter, die Sie sich eben gemerkt haben?

1 Punkt für jedes auf Anhieb genannte Wort.

Sprache

Was ist das? (Armbanduhr zeigen)

Und das? (Bleistift zeigen)

Bitte sprechen Sie mir nach: „kein wenn und oder aber“

Je 1 Punkt korrekte Benennung und fehlerloses Nachsprechen

Planung

Achtung: Die Aufforderung soll in einem Satz gesprochen und

nicht wiederholt werden.

Bitte nehmen Sie nun das Blatt in die Hände,

falten Sie es in der Mitte zusammen und

legen Sie es auf den Fußboden.

je 1 Punkt für jeden befolgten Schritt

Lesen, Schreiben, Konstruktion

Bitte lesen Sie, was hier steht, und tun Sie es.

Bitte schreiben Sie einen vollständigen Satz auf.

Bitte kopieren Sie diese Zeichnung (überschneidende Fünfecke)

je 1 Punkt für korrekte Ausführung

Augen

schließen

Basisassessment – Mini Mental Status

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 8

Basisassessment – Mobilität

Timed up & go

Der Proband sitzt auf einem Stuhl mit Armlehne. Er darf gegebenenfalls ein Hilfsmittel für den Test (z.B. Stock) benutzen. Die Arme des Probanden liegen auf der Stuhllehne und der Rücken befindet sich an der Rücklehne des Stuhles. Der Untersucher darf nicht helfen.

> Auf Kommando soll der Proband mit einem normalen und sicheren Gang bis zu einer Linie (auf dem Boden) in drei Meter Entfernung laufen, sich dort umdrehen, wieder zurück zum Stuhl gehen und in die Ausgangsposition hinsetzen. Die benötigte Zeit bei dem Test wird in Sekunden notiert. Der Proband darf den Bewegungsablauf einmal vor dem eigentlichen Test ausprobieren. Alternativ kann der Bewegungsablauf vom Untersucher demonstriert werden.

unter 10 Sekunden: Patient ist in der alltäglichen Mobilität vollständig unabhängig.

11-19 Sekunden: Mobilitätseinschränkung, jedoch in der Regel ohne funktionelle Auswirkungen

20-29 Sekunden: Mobilitätseinschränkung, oft mit funktionellen Auswirkungen

über 30 Sekunden: ausgeprägte Mobilitätseinschränkung, i.d.R. ist eine intensiveBetreuung und eine adäquate Hilfsmittelversorgung erforderlich.

Motilitätstest nach Tinetti

Abschätzung der Balance- und Gangsicherheit in je 8 Items: , max. 28 Punkte

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 9

Arzneimittelanamnese

Arzneimittelbezogene Probleme sind u.a. insbesondere zu erwarten

bei regelmäßiger Einnahme von fünf und mehr Medikamenten

bei Einnahme von mehr als 12 Tagesdosen

bei Arzneimitteln mit enger therapeutischer Breite oder erforderlichem Monitoring

bei Problemen in der praktischen Durchführung der Therapie (Sicherheitsverschlüsse, Tropfflaschen, Spritzen, Aerosole)

bei kognitiver Überforderung in der Einhaltung des Therapieregimes durch die Patienten

bei Patienten mit gleichzeitiger Konsultation verschiedener Ärzte/Verordner

bei fehlendem Verständnis für die Therapie

Fragen zum aktuellen Medikamentenplan

Welche Erkrankung / welche Beschwerden stehen im Vordergrund?

Sind neu auftretende Symptome möglicherweise Folgen einer bestehenden Therapie?

Sind alle Arzneimittel aktuell noch indiziert? Auf welche kann verzichtet werden?

Fehlen notwendige Arzneimittel? (Cave: Unterversorgung)

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Besonderheiten der Pharmakotherapie

Gründe für zurückhaltende Pharmakotherapie:

Schlechtere Resorption vieler Stoffe im Alter für viele Stoffe

Reduktion des Gesamtkörperwassers niedrigeres Verteilungsvolumen hydrophiler

Arzneien

Veränderte Wirksamkeit wasserlöslicher Medikamente durch Elektrolytverschiebungen

Zunahme des Körperfetts erhöhtes Verteilungsvolumen und verlängerte

Wirkdauer (Fettdepotspeicherung) bei lipophilen Arzneimitteln

Verringerte renale Elimination, (Faustregel: Ab dem 40. Lebensjahr vermindert sich die glomeruläre Filtrationsrate jährlich um 1% im Alter i.d.R. bis zu 50%

vermindert)

Verminderte Leberdurchblutung (- 40%) und –größe, geringere metabolische Kapazität

Interaktionen bei Multimorbidität oft kaum vermeidbar

Verstärkte Auswirkungen unerwünschter Effekte durch geringere physiologische Kompensationsmöglichkeiten

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Grundregeln der Pharmakotherapie

Weniger ist mehr

möglichst wenig (Zahl der Präparate begrenzen)

möglichst selten (Einmalgabe bevorzugen)

möglichst gering dosiert (start low, go slow)

Noncompliance ist normal

schriftlicher Einnahmeplan

häufige Nachfrage

Erläuterung des konkret erwarteten Nutzens

Multimorbidität macht Mühe

Kontraindikationen prüfen

Wechselwirkungen klären

Begrenzung auf wirksamste Behandlung

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 12

Grundregeln der Pharmakotherapie

Vor neuer Verordnung folgende Fragen beantworten (nach WHO ):

Ist das Arzneimittel notwendig? Liegt eine entsprechende Diagnose vor?

Bringt das Arzneimittel einen sicheren Nutzen für den Patienten?

Ist die Dosis angepasst?

Wurde - sofern möglich - ein einfaches Einnahme-/Applikationsschema gewählt?

Sind neue Symptome auf Arzneimittel zurückzuführen?

Sind alle Medikamente bekannt, die der Patient sonst noch einnimmt?

Wurde bei einer Neuverordnung geprüft, ob ein anderes Med. abgesetzt werden kann?

Wurde der Patient bzw. seine Pflegenden gut und verständlich über das Med. informiert?

Es ist ebenso wichtig, eine Behandlung zu beenden, wie sie zu beginnen!

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 13

Konsensfindung: Fragen Sie Ihren Patienten!

Indikationsstellung für funktions-/symptomverbessernde Medikation:

Diese Medikament kann folgende Beschwerden lindern: (…)

Sind diese Beschwerden für Sie so bedeutsam, dass Sie etwas einnehmen möchten?

Würden Sie etwaige Nebenwirkungen dafür in Kauf nehmen?

Indikationsstellung für prognoseverbessernde Medikation:

Dieses Medikament kann folgendes Risiko vermindern (…) / Ihr Leben verlängern.

Ist diese Chance für Sie so bedeutsam, dass Sie etwas einnehmen möchten?

Würden Sie etwaige Nebenwirkungen dafür in Kauf nehmen?

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 14

Körperliche Aktivität

Als nichtmedikamentöse Maßnahme ist dosiertes körperliches Training bei vielen chronischen Erkrankungen mitunter wirksamer als die medikamentöse Therapie, weil die Muskulatur das größte stoffwechselaktive Organ ist, so z. B. bei

Herzinsuffizienz

KHK

Asthma/COPD

Schlaganfall

Diabetes mellitus

degenerativen Gelenkerkrankungen

Depression

Günstige Seniorensportarten

Spazierengehen, Walking, Wandern, Bergwandern, Schwimmen, Radfahren, Laufen, Joggen, Heimtraining, Tischtennis, Tanzen

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 15

Sturzrisiko

Stürze geriatrischer Patienten sind

häufig

alterstypisch

gefährlich

durch ärztliche Intervention verringerbar

Typische Sturzfolgen:

in 5% Frakturen

davon 20% weitere schwere Verletzungen, dauerhafte Pflegebedürftigkeit

Sturzangst, Verlust von Selbstvertrauen

soziale und lokomotorische Reduktion/Dekonditionierung

Risikofaktoren

frühere Stürze (nachfragen!)

Muskelinsuffizienz, Inaktivität

neurologische Erkrankungen wie M. Parkinson, Demenz, Schlaganfall, Sehstörungen

Kreislaufdysregulation bei Herzerkrankungen, Atemwegserkrankungen, Hyptonie

Polyarthrose, Osteoporose

Einnahme sedierender oder herzwirksamer Medikamente

Stolperfallen, schlechte Beleuchtung, unpassendes Schuhwerk

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Sturzprophylaxe

Aufklärung

Krafttraining

Gleichgewichtstraining

Visuskorrektur

Vermeidung sturzfördernder Medikamente

Schuhanpassung

Umgebungskontrolle

Hilfsmittel

Vit. D

Hüftprotektoren ?

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Altersdepression

Besonderheiten depressiver Zustände im Alter:

Inappetenz bis zur Kachexie

Apathie

Reizbarkeit

Erschöpfung, Schwäche

Beziehungsverlust

Hypochondrie

Häufige diagnostische Fehler:

Konzentration auf organische geriatrische Erkrankungen

Verkennung als dementielles Syndrom

Einordnung als Trauerreaktion

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 18

„eher depressiv“ „eher dementiell“

Aggravation Dissimulation

anhaltend niedergeschlagen stimmungslabil

Schuld- u. Versagensgefühl Anschuldigung anderer

rascher Beginn schleichende Zunahme

Schlaflosigkeit nächtliche Unruhe

Selbstabwertung Selbstüberschätzung

erhaltene kognitive Fähigkeiten; keine Leistungsmotivation

Konzentrations-, Gedächtnis-, Orientierungsschwäche

Familiäre Belastung für Depression Familiäre Belastung für Demenz

Besserung auf Antidepressiva Persistenz kognitiver Störungen

Demenz oder Depression?

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 19

„Geriatric Depression Scale“

15 standardisierte Fragen zur Erkennung einer Altersdepression:

1. Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden?

2. Haben Sie viele Ihrer Aktivitäten und Interessen aufgegeben?

3. Haben Sie das Gefühl Ihr Leben sei unausgefüllt?

4. Ist Ihnen oft langweilig?

5. Sind Sie meistens guter Laune?

6. Haben Sie Angst, dass Ihnen etwas Schlimmes zustoßen wird?

7. Fühlen Sie sich die meiste Zeit glücklich?

8. Fühlen Sie sich hilflos?

9. Bleiben Sie lieber zuhause, anstatt auszugehen und Neues kennen zu lernen?

10. Glauben Sie mehr Probleme mit dem Gedächtnis zu haben, als andere Menschen Ihres Alters?

11. Finden Sie es schön, jetzt zu leben?

12. Kommen Sie sich in Ihrem jetzigen Zustand wertlos vor?

13. Fühlen Sie sich voller Energie?

14. Finden Sie, dass Ihre Situation hoffnungslos ist?

15. Glauben Sie, dass es den meisten anderen Menschen Ihres Alters besser geht als Ihnen?

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Typische Anlässe

hohes Fieber

Kopfschmerzen

Rückenschmerzen

Bauchschmerzen

Brustschmerzen

Erbrechen, Durchfall

Atemnot

Sturz, Verletzung

Blutdruckkrise

Neurolog. Störungen

Erregungszustände

Suizidgefährdung

Besonderheiten

subjektiv schwere Erkrankung

oft wenig bekannter Patient

nur Primärdiagnostik verfügbar

zur Unzeit (nachts/feiertags)

hoher Entscheidungsdruck

restriktive Therapie

oft Krankenhauseinweisung

vorrangige Ziele

gefährlichen Verlauf abwenden

Patient stabilisieren

Aufschub für weitere Diagnostik

Hausbesuche: Akutbesuche

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 21

Anlässe:

Herzinsuffizienz, KHK

Diabetes und Folgekomplikationen

Hypertonie und Folgekomplikationen

Schlaganfall

Demenz, HOPS

COPD

M. Parkinson, MS o.ä.

Malignome

Arthrose, Polyarthritis

Osteoporose, Frakturen

Depression, Angsterkrankung, Psychose

Betreuungsziele:

Regelmäßiger Kontakt

Kontrolle bekannter Symptome

Linderung aktueller Beschwerden

Bewertung der Dauertherapie und der Compliance

Einschätzung der familiären und sozialen Situation

Beurteilung der Wohnverhältnisse

Einbeziehung der Angehörigen

Vermeidung von Krankenhauseinweisungen

Koordination pflegerischer Hilfen

Hausbesuche: Regelmäßiger Besuch

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LB Allgemeinmedizin der Universität Würzburg: Geriatrie und Hausbesuche 22

Hausbesuche: Regelmäßiger Besuch

Nutzen für besuchte Patienten:

Senkung der Mortalität

Weniger Krankenhausbehandlungen

Weniger Heimeinweisungen

Weniger Sturzereignisse

Bessere Therapieeinstellung

Bessere pflegerische Versorgung

Höhere Patientenzufriedenheit