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HISTO RISCHES JAHRBUCH Im Au/trag der Görres-Gesellscha/t herausgegeben von jOHANNES SPORL 95. JAHRGANG 1 975 VERLAG K.ARL ALBER MONCHEN/FREIBURG

HISTORISCHES JAHRBUCH - mgh-bibliothek.de · REICHSEINHEIT UND REICHSTEILUNG Bemerkungen zur Divisio regnerum von 806 und zur Ordinatio Imperii von 817 VON DIETER HÄGERMANN--Die

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HISTO RISCHESJAHRBUCH

Im Au/trag der Görres-Gesellscha/t

herausgegeben von

jOHANNES SPORL

95. JAHRGANG

1 975

VERLAG K.ARL ALBER MONCHEN/FREIBURG

REICHSEINHEIT UND REICHSTEILUNG

Bemerkungen zur Divisio regnerum von 806

und zur Ordinatio Imperii von 817

VON DIETER HÄGERMANN

--Die mit dem Titel unserer Studie angedeuteten Prinzipien der Rege-

lung der Nachfolge im Herrscheramt - Teilung der Macht und desStaatsgebildes unter den erbberechtigten Söhnen der stirps regia oderübergang der Herrsdtaft auf einenSohn bei abgestuftem bzw. völligemAusschluß der übrigen von der Teilhabe an der staatlichen Machtaus-übung - haben entsdte~dend den Verlauf der europäischen G~schi~tedes Früh- und Hochmittelalters bestimmt; so zeichnet sich die fran-kisch-karolingische Epoche von Clod wig bis Karl dem Großen durchgemein-germanische Reichsteilung aus, wenngleich das corpus [ratrumder Herrschenden zumindest ideell die Samtherrschaft des Königs-hauses realisiert; die auf dem Boden des Karlsreiches sich ausbildendenNationalstaaten sind hingegen durch das Prinzip der Reichseinheitbestimmt als deren Konsequenz sich u, a. die staatliche Konsistenz ins-besondere Frankreichs und Deutschlands ergab. .

Es ist hier nicht der Ort, allen Ursachen, Bedingungen, Momentenund Verknüpfungen dieses Prinzipienwechsels im 9. und 10. Jahrjhundert nachzugehen, der wohl kaum in einem grundlegenden Wandeder Herrschafts- oder gar Staatsauffassung zu suchen sein dürfte, son-dern stattdessen vielmehr in der Entwicklung der machtpolitischenVerhältnisse, die dem Adel durch den z. T. selbstverschuldeten Ruinder karolingischen Dynastie nach 829 - gipfelnd in den Bruderkriegen- einen ganz beträchtlichen Machtzuwachs gebracht hatte, was sich vorallem in der sp~teren Ausbildung von Territorialfürstentümern aufAmtsgrundlage In der Francia occidentalis, im Wiederaufleben vonHerzogtümern auf Stammesgrundlage in der Francia orientalis ver-fassungsgeschichtlich niederschlug.

Nur eine Umkehrung dieses - im Hinblick auf die stirps regia -zentrifugalen Prozesses im 10. Jahrhundert hätte reale VoraussetzUn-gen zur Herrscha~steil~ng nach fränkisch-germanischem Erbrecht ge-sdiaffen. D~ lag Jenset~ der Möglichkeiten, nicht einmal die Inten-nonen zu -el~em derarugen Schritt sind zu unterstellen oder gar ZUerkennen. Die Idee der Herrschaft des einen aus dem KönigshauS -

/s~att aller Erbberechtigten -: hatte gesiegt und der rechtlichen Reidts-einheit I!ll corpus fratrum die faktische Monarchie gegenübergestellt.,

Nun ist dieser übergang vom Prinzip der Realteilung zur AlIelf1-

Reimseinheit und Reichsteilung 279

herrschaft keineswegs abrupt oder in einem abstrakten Gesetzgebungs-prozeß vor sich gegangen, sondern war ein Ergebnis von Entwick-lungslinien der krisenhaften Dezennien des 9.Jahrhunderts, in denen-unvermittelt und scheinbar beziehungslos nebeneinander - Reichs-teilung und Reichseinheit als rechtliche Grundlagen der Thronfolge-ordnung einander gleichsam alternativ gegenüberstehen. Wir meinendie sogenannte Divisio regnorum von 8061 und die Ordinatio Imperiivon 817J - beides modeme Bezeichnungen zur Kurzcharakterisierungdes wesentlichen Inhaltst=-, mit denen die beiden prominentesten Ka-rolinger ihre Nachfolge zu regeln suchten. Im Jahre 806 war eine Real-teilung - trina portione - des totum regni corpus zwischen den a Deoconseroati atque conseroandi imperii 'Vel regni nostri heredes Ludwig,Pippin und Karl auf den Todesfall ihres Vaters festgesetzt worden,wobei - das muß m. E. gegen alle anderslautenden Thesen und Speku-lationen entschieden betont werden - über die Kaiserwürde, das nomenimperatoris, keinerlei Verfügung getroffen wurde," während das Reich- regnum 'Vel imperium genannt, wobei imperium sicherlich auf die~umliche Erstreckung des Gesamtreiches abhebt, 5 was durchaus nichtID einem Widerspruch zu der Auffassung steht, daß Imperium quali-

, Text: MG Capit. 1 Nr. 45 S. 126 ff.:a Text: MG Capit. 1 Nr. 136 S. 270 ff. ' .• Die Handschriften, in denen die Divisio überliefert wird, zeigen Überschriften,

"00 denen eine (Nr. 1) offenbar die moderne Bezeidmung inspiriert hat: incipit~ivisio~s rrponlmj vgL dazu P. C I a •• en, Karl der Große und die Thronfolge~ Frankenreidt, in: Festscbrill für Hermann Heimpel Bd. 3 (1972) 121 Anm.: 59;die einzige Hs., die den Text der Ordinaeio mirreilr (paris, BibI. Nat. Lat. 2718 f.76 - ea, 830), hat die Obersdtrill: Di"isio imptTÜ etc. Vgl. dazu F. L. Ga n s hof,Observations sur l'Ordinatio Imperii de 817, in: Festschrill Guido Kism (1955)IS-31, hier zitiert nam der englisdJen Obersetzung in dem Sammelband: F. L.~~~~h 0 f, The Carolingians and the Frankish Monarmy, Studies in Carolingian:"'~."'IT, transl. by Janet Soodheimer (1971) (Nr. XV: Some observations on the<?rdinatio Imperii of 817: 273-288) 281 Anm. 1 und 288 Anm. 73. - Zur Ober-lie~eruug der Divisio regnorum vgL ferner W. S e hie sin g e r , Kaisertum und~chsteilung. Zur Divisio regnorum von 806, in: Festgabe für Fritz Hartung (1958)",-52) hier zitiert nad! dem W'tederabdrudt in: W. Sc bl e sin ger, Beiträge zur...:utscben VerfassunK1gesmimte des Mittelalten 1 (1963) 197 f. . ., •• Vgl. Sc h l e s i n ger, Beiträge 229: .nimt verfügt war über das nomen im-P!riaIe als Würde, einen Rang .• Sdtlesingers Meinung zu diesem Punkt ist freilim~c:bt tanz einheitlidt, "enn er andererseits über die sdion 806 intendierte Fortdauer"CI IUisenums, die freilich ohne Obertragung des nomm imperiAle nimt möglim'~, mutmaßt (220),. aber es "äre ein Irrtum daraus zu folgern, die Divisio von- habe allein über die Namfolge im fränkisdten Königreidl bestimmt ••• Daß~r1 das Kaisertum als eine nur seiner Person übertragene Würde angesehen hätte,~.oo vornherein un"ahrscheinlim ••• Der transpersooale Charakter der kaiser-p en Hernchafl, das Element der Dauer wurde damit vorausgesetzt .• Vgl. aum dieUsage S. 227. . .-a_; Sc b I el i DIe r. Beiträge. 229: ~ve1ügt "ar über das imperium als einenIltD und als potestaS und domlnarus In diesem Raume.. . .' '.

280 Dieter Hägermann

tativ mehr oder auch anderes meint als der hier den einzelnen Teil-reichen zugedachte Terminus regna - in drei Herrschaftsgebiete etwagleichen Umfangs bzw. Q~alitä~' - die Teilungskriterien sollen u!1snoch beschäftigen - unter die Bruder aufgeteilt wurde, diese ihrerseitszu pax atque caritas ermahnt? und zum Kirchenschutz als gemeinsamerAufgabe der stirps regia, insbesondere zur cura et defensio ecclesiae s.Petri verpflichtet wurden.8 Zudem sucht der Text in einer Reihe vonParagraphen Probleme der Innen- und Außenpolitik, die zuAusein-andersetzungen Anlaß geben könnten, zu regeln.9. .

.Diese Thronfolgeordnung, dem Erbrecht des germanischen Hausesentsprechend, tradiert u. a. auch im fränkischen Volksrecht, wurde be-kanntlich nie realisiert: Pippin und Karl starben vor ihrem Vater,Ludwig trat 814 die Alleinherrschaft an, was einer der, Launen desSchicksals zu danken war -, der Vergleich mit dem Jahr7~1liegt nahe,als Karlmann starb und damit die Voraussetzungen für die Wieder-vereinigung des drei Jahre zuvor geteilten regnum Franco rum schuf-,was aber wohl kaum den ursprünglichen Intentionen Karls des Großenentsprochen zu haben scheint, der eben deshalb auch die Nachfolge imKaisertum erst 813 regelre.w . ' ..

Ludwig der Fromme - und damit gibt es zunächst eine augenfällige, Das läßt sich einmal aus d.erDetailregelung folgern wie a~dererseits aus der in

der Divisio niedergelegten Absu:htserk1ärungKarls (Einleitung): eo oidelicet modo,ut sua quisque portione contentus iuxta ordinationem nostram .:. dejender« et ••.euszodire. .

7 Divisio Eint.: pacem atque caritatem cum [ratre cestodirr.• Divisio S 15. . ., Man hat in diesem Text - entsprechend auch in der Ordinatio von 817 - eines

der wenigen frühmittelalterüchen Dokumente vor sich die zwischen Innen- undAußenpolitik deutlich differenzieren und die einzelnen Sektoren inhaltlich zu fassensuchen. Derartige Subtilitäten wird man in der zeitgenössischen Gesmimtssmreibungmeist vergebens sudien; aum Einhard hat in seiner Karlsvita - im Gegensatz ~useiner antiken Vorla:ge Sue~on- den Bereich der eigeneliehen Innenpolitik weithl!lausgespart. So vermitteln die Texte von 806 und 817 - ähnlich den Capitularen -einen Eindruck von dC? inneren Schwierigkeiten des Riesenreichest vgl. Divisio SS7-11: u, a. T~euekonflikt u~d Doppelvasallität, Probleme mit verstreut liegend~I~obi~ienb~l~. Vgl. zu dl.~m Komplex auch _ vor allem im Hinblick auf .,heOrdinatio, die die »außenpolltlsmec Bewegungsfreiheit der Brüder Lothars drastiSchbeschnitt, Ga n s h o f , ~e .observations 277 und Ordinatio §§ 7-8.

to Daß Karl und Ludwig emander nidit sonderlich schätzten kann angesichts dereminenten Cha~kterunterschi~de und Interessengegensätze w~hl kaum bezweifeltwerden: Auch die Quellen beriditen andeutungsweise von dem lastenden Mißtrauen.das zWI~en V:ter und Sohn geherrsdn haben muß. So zögerte Ludwig - nach deU!Tode sem_er.Bruder810 bzw. 811 -, den Vater in Aamen aufzusumen: ne forte Per.hoc pa~Tem;'sus!,ectu,!, reJJ~et. obwohl damals Ludwig nach derselben 9~e~le:}pes un!fJeTsztatls potlUndae In eum adsurgebat. V~l. Anonrmi vita HludoWICl ilUfperatons: MG....SS. 2 S. 617 (cap. 20). - Aum gmg der Ubergang von Kart aULudwig nicht ganz reibungslos vonstatten. Vgl. Anonymus cap. 21 S. 618 (insbe-sondere die Rolle Walas).

Reimseinheit und Reimsteilung 281

Parallele zu den Ereignissen von 806 - besaß gleichfalls drei Söhne,Lothar, Pippin und Ludwig, als für ihn 817 - drei Jahre nach Regie-rungsantritt .:...die Nachfolgefrage aktuell wurde.". Eine dringendeNotwendigkeit für diesen Schritt ist nicht zu erkennen,zumal Ludwignoch 814 - wir kommen auf diese Frage zurück .; die beiden älterenSöhne mit Regierungsaufgaben in Aquitanien und Bayern betrauthatte. Das auslösende Moment dürfte wohl in dem Umstand zu er-blicken sein, daß der abergläubische Ludwig wenige Wochen'vor derReichsversammlung, auf derdie Ordinatio erlassen wurde, bei einemZusammensturz des hölzernen Säulenganges, der das Aachener Mün-ster mit der dortigen Pfalz verband, fast erschlagen worden wäre; ausdiesem bösen Omen leitete er oder leiteten seine Berater die Notwen-digkeit zur Regelung der Thronfolge möglicherweise ab. ',', Statt der »genossensdiafllidiene, die Samtherrsdiafl des corpus Frat-

rum postulierenden Erbfolge im Königtum wie 806' wurde 817 die.herrschaftlimec vorgesehen, die den ältesten Sohn Lothar als Mit-kaiser, als consors et successor imperii heraushob, während seine jün-gerenBrüder,- communi consilio pIacuit regiis insigniri nominibus= 12

denen lediglich loca (in/erius denominata) zugewiesen werden, imInnern nur eine eingeschränkte lOSouveränität«, erhalten und ihre~ußenpolitische Handlungsfähigkeit beschnitten wird. Sie werden demalteren Bruder und Kaiser unterstellt (paternus et /raternus amor ).'3 Sieerhalten damit eine Position, die eine Zwischenstufe zwischen dem jün-geren Unrerkönigtumt- und dem auch 806 anvisierten Teilkönigtum,~ nach dem Tode Ludwigs 840 allein die Zukunft gehörte, ein-nlIllmt.1S Diese Thronfolgeregelung, die - was oft übersehen wird - m-

11 Ludwig war aber damals erst 39 Jahre alt:-'. 11 Ordinatio Einl. Man wird auf diese verklausulierte Ausdrudtsweise freilichIUdlt allzu viel geben dürfen, zumindest was die Phrase regiis insigniri nominibusangeht, spradi dodi aum etwa Alcuin davon, daß Karl d. Jüngere 800 in Rom dasnomen regium erhalten habe: MG. EE. 4 Nr. 217 S. 360, zitiert bei C I ass en,~I d. Gr. - Anders steht es allerdings mit dem Terminus loca zur Bezeichnungdera .gesdümteten Königreiche, hier sollte augenscheinlich der Begriff regnum ver-~~ werden, der mit eraditionellen, den Absiditender Verfasser der OrdinatioUlrtderlaufenden Vorstellungen besetzt war. '. :'

13 Ordinatio S 4 f.~' Vgl dazu die Monographie von G. Ei ten. Das Unterkönigtum. im Reime

Merowinger und Karolinger (1907). ' . " " .~" ~ übrigen ist aum die Abfassung der Divisio nichts weniger als selbstver-:an~m. liegt dodl mit dieser Thronfolgeordnung, soweit im sehe, die erste

~ h r 1ft 1ich e FIXierung eines Hausgesetzes der fränkisdren Könige vor. Karl,,_~ nam der Realteilung von 768 und dem Tode seines Bruders Karlmann 771iJIeIl1egitime Erben um ihren Reichsteil gebracht, so daß C I ass en; Karl ~. G~.~ sehr zu Red1t formuliert: .die Erinnerungen an vergangene ebenso wie ~Ulp . 1Ing bevorstehender Bruderkämpfe durchziehen das Teilungsgesetz und seinefledenshestimmungen wie ein roter Faden.c .

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der späteren überschrift in dem einzigen Codex, der den Text über-liefert, noch zum Ausdruck kommt: divisio imperii - das Prinzip derReichseinheit keinesfalls Heine verwirklicht, wie etwa 936, als Orto I.allein die Königsherrschaft unter Ausschluß seiner Brüder antrat, son-dern die jüngeren Brüder des Mitkaisers an der Herrschaft beteiligt(sub seniori [ratre regali potestate potiantur), ist ebenfalls Pergamentgeblieben und wurde nicht realisiert, allerdings nicht - im Gegensatzzur Ordnung von 806 - aus einer Laune des Schicksals und durch' un-vorhersehbare menschliche Ereignisse bedingt, wie Todesfälle, sondernwegen des Widerstandes der benachteiligten Brüder Pipfin und Lud-wig,16 zu denen sich nach 824 noch der nachgeborene Kar aus Ludwigszweiter Ehe mit der Welfin Judith hinzugesellte und ihrer Anhänger-schaft im hohen Adel. So sah sich Ludwig schon 829 gezwungen -gegen die heftige Opposition der »Reichseinheitsparteie16a -, seinemSohn Karl - Nithard sagt in diesem Zusammenhang ganz lakonischund zutreffend: Nach Karls Geburt wußte der Kaiser nicht, was er mitihm machen solle, da er das ganze Reich unter die übrigen Söhne ver-teilt harte'? - mit einer Ländermasse auszustatten, mit Alemannien,der Heimat seiner Mutter, als Kern - was nicht nur Lothar erbirterte.l"Im Jahre 831 kam es endlich nach dem Vorbild und Muster der Divisioregnorum zu einem faktischen Realteilungsvertrag und damit zur ~b-kehr von den 817 verkündeten und später erneut beschworenen prxn-zipien.19 , . _" . '. '

Verschiedene Projekte und Kombinationen lösten in den folgendenJahren einander ab, drei Jahre nach dem Tode des Vaters gebotder Adel dem Ka~pf der Brüder gegeneinander (Pippin war berei?838 verstorben) Einhalt: Ursache aller Auseinandersetzungen war dl.ein der Ordinatio befürchtete und als Grundübel angeprangerte cupid,-tas rerum terrenarum; diese führte nach ruinösem Prestige- und Macht-verlust der stirps regia zugunsren der Großen zumTeilungsvertragvon Verdun20 und damit zur staatsrechtlichen Grundlage des späteren

.". M~n geht ja. fälschlid!erweise ~mer von der Hypothese ~us, als hä~e sid! ~ieOrdinatio ohne die Geburt Karls ohne weiteres realisieren lassen. Das ist sidlerhdlein Irrtum. , , . '

1611 Vg!. dazu Ga n s hof, Some observations 274 ff. und 278 ff bes. aber dieAusführungen von E. B 0 S hof, Erzbischof Agobard von Lyon. Leben und Werk(1969) 195 ff. bes. 201 fI. Zur sog. Flebilis epistola Agobards. . ' e :

17 Nithardi historiarum libri 4, ea. E. Müller: MG. SS. rer. Germ. (1907) cap.35.3. . , . " .' ,.. I • ,.

, 11 'Thegani Vita !iludowici imperatoris: MG. SS. 2 cap. 35 S. 597.. " Vg!. MG. Capit, 2 Nr. 194 S. 20 ff., '

:ro _Vg!.zum'Vertrag von Verdun vor allem F. L. Ga n 5 h o f , Zur Entstehungs'geschidite u?d Bedeutung ~es Vertrags von Verdun: DA 12 (1956) 313-30, wied~abgedruckt In engl. OberS. 10 dem Anm. 3 zitierten Sammelband Nr. XVI S.289-3

Reichseinheitund Reichsteilung 283

Frankreichs und Deutschlands, die nach langwierig-en Auseinander-setzungen um das regnum Lothariiim Bonner Vertrag von 921 ihreendgültige Fixierung fand.21 Mit diesen einleitenden Bemerkungenwenden wir uns einer vergleichenden Charakteristik der Thronfolge-ordnungen von 806 und 817 zu, der wir eine Analyse 'des ProblemsReichseinheit-Kaisertum, soweit diese einander bedingen, anschließenund erörtern endlich die Teilungsmodalität~n dieser »Hausgesetze-.P .

I.:

'. Die sog. Divisio regnorum ist als Dokument zu bezeichnen, 'mit demKar! der Große im 64. Lebensjahr= und im 38. Jahr seiner Königs-herrschaft sein .Hause bestellte, wobei dieser Begriff wortwörtlich zunehmen ist. Daß zur Nachfolgeregelung überhaupt eine schriftlicheVerfügung als notwendig erachtet wurde, versteht sich keinesfalls vonselbst und wird an sich nur durch die latente Rechrsunsidierheit erklär-bar - ausgelöst durch die Vorgänge von 771, als Karl seine Neffen bei-seitegedrängt und auch im Teilreich seines verstorbenen Bruders-Unter Mitwirkung der Großen - die Königsherrschaft angetreten hatte.Der Erlaß des Hausgesetzes von 806 vollzog sich im Zusammenhang. rnir einer Reichsversammlung in Thionville (Diedenhofen),24 wobeidoch wohl der Wortlaut des Textes in einer Beratung mit den anwesen-~en Magnaten und Klerikern beschlossen und verabschiedet worden1St. Die Divisio selbst enthält keinen Hinweis in dieser Richtung undd!e Reidisannalen sagen lediglich, daß Karl die Großen - optimates.-etdhch auf das Dokument verpflichtet hätte - ein Vorgang, der wohl ~nParallele zu setzen ist mit der Einholung der päpstlichen Unterschriftdurch Einhard.25 .' •..•. ,. . .'

Die Reichsannalen bezeichnen die Teilung als Testame~t,26 die denI .-. .' ~ ..., , ,. :

~d P. Cla'uen, Die Verträge '~o~ Verdun und' Cou!;ines 843 als 'poÜtis<herundlagen des westfränkischen Reimes: HZ 196 (1963) 1-35. ' .•2t MG. Const. 1 Nr. 1 S. 1 f.; dazu ferner jüngst W. K i e n a s t , Deutsdtland

und Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270) 1 (Z1974) 52£. mit Lit. ,..' .: •LUEs sei an dieser Stelle noch einmal auf die bereits zitierten Aufsäue von Gans-of, Schlesinger und Classen verwiesen, die den modernen Forschungsstand der an-geschninenen Fragen repräsentieren und von denen jede Erörterung auszugehen hat.1 U K. F. Wer n er, Das GeburtSdatum Karls des Großen: Francia 1 (1972)IS-1S7 hat sich erneut mit großem Sdtarfsinn für 747 als Geburtsjahr Karls ein-t~t, so daß Karl danam im Jahre 806 erst 59 Jahre alt gewesen wäre. DieseifFerenz ändert aber nimts an dem testamentarisdren Charakter der Divisio.

S k Aunales regni Francorum, ed. F. Kur z e: MG. SS. rer, Germ. ad. a.. 806.120. . ." " .IS D~hac p"rtition~ et ttst"mml"m /acl"m ~t ;"'~ ""aMo ab optimatib"s Fran-

c~ confi""""_. ; ." . .' . ..Vg!. vorige Anm.

284 Dieter Hägermann

drei Söhnen auferlegten Herrschafts- und Kooperationsformen zurWahrung von pax und caritas als constitutiones pacis conseruandaecausa factae, so daß nach diesem Wortlaut und der Anlage des Textesselbst anzunehmen ist, daß dieser aus zwei Partien zusammengefügtworden ist: der erste Abschnitt umfaßt die Einleitung und die erstenfünf Paragraphen, der zweite den restlichen Text, wie deutlich auchaus der Formulierung zu Beginn des zweiten Teils hervorgeht: posthane nostrae auetoritatis dispositionem placuit inter praedictos filiosnostros statuere atque praeeipere propter pacem etc.27 Der Tenor desgesamten Schriftstückes - auch des einleitenden Proömiums - ist nüch-tern, kühl und zielbewußr.P ausgeklügelt und voller Mißtrauen undSkepsis in die innere Verfassung des Reiches und zugleich in diemenschliche Natur abgefaßt und sucht viele denkbare Schwierigkeitenvorab auszuschalten und überläßt nur wenig dem Zufall.29 Daß Kar!hier unverkennbar selbst zu Worte kommt, ergibt sich aus einem inZweck und Anlage parallelen Schriftstück, das bei Einhard in vollemWortlaut überliefert ist: das kasuistisch durchgegliederte »private«Testament des alten Kaisers, das bislang nicht viel Aufmerksamkeit inder Forschung erregt hat.30 Die Maßnahmen Zur Verteilung des mobi-len Besitzes werden bis in alle Details, geradezu kleinlich, vorgeschrie-ben: so wird z. B. die königliche Schatzkammer (d. h. Gold, Silber,Juwelen, Schmuck) in drei Teile zerlegt, die ersten zwei nochmals in 21geteilt, diese 21 den Metropoliten des Reiches zugewiesen, wovon einDrittel (des jeweiligen 21. Teils) dem Erzbischof (bzw, der Metro-politankirche), die restlichen zwei Drittel aber den Suffraganen zu-fallen sollten. Somit werden nicht nur bloße Prinzipien dargelegt, nachdenen verfahren werden soU, sondern eine strenge ,.Durchführungs-verordnung« regelt alle Einzelheiten, selbst den Modus der Aufbewah-rung dieser Teile: ~von diesen Teilen ••. liegt jeder von dem a!lderenabgesondert an seinem eigenen Verwahrort mit der AnschrIft derStadt, der er zufallen soll.e Ganz detailliert (und nicht gerade unkom-pliziert) wird auch das künftige Schicksal des noch ungeteilten Drittelsgeregelt, das erst nach Karls Tode in vier gleiche Partien zerlegt wer-den soll.

~o~ einem derartigen Geist der Rationalität, der nach O. Bru~ner- WIe Ich glaube sehr zu Redu - als Kennzeichen europäischer Entwlck-

27 Vgl. Sc hie 5 in g e r , Beiträge 198 und C I ass en. -Karl d. Große 122mitAnm.63. -'

2. Audl- ~ I ass e n 122 Anm. 64 charakterisiert (gegen Mitteis) Karl als nüdt·tern. I

~ %f So k.ann au~ das Problem der Kaiserwürde wohl kaum zufällig ausgespartworde~ sein, t:'!1I' k~en auf diese Frage zurück.

JO Einhardi vita Karoli Magni. ed, O. Hol der _Egg er: MG. SS. rer. Germ·('1911) cap. 33 S. 37-41.

Reichseinheit und Reichsteilung 285

lung zu werten ist31 - ist audi die Divisio von 806 erfüllt; zwarweistdas Proömium durchaus diristlidi-metaphysisdie Bezügeauf - so stelltKarl die Tatsache heraus, daß er per dei gratiam drei Söhne hat, sowie ihm das Reich von Gott zukommt":' was aber keinen Widersprudtzu den sidi anschließenden praktischen Regelungen, so um vorsorglichStreit und Zwietracht nadi seinem Tode auszuschließen, involviert ... Als Beispiel einer auf das offensichtlich Wünsdtbare und Mögliche

gerichteten praktischen Politik erscheint der Passus, .der das corpusfratrum auf den Kirdiensdiutz, insbesondere die defensio ecclesiaesancti Petri verpflichten dies soll geschehen mit der bezeichnenden' Ein:sduänkung: quantum ad ipsos pertinet et ratio (sie!) postulaveTit.32Ferner und das weist in die gleiche Richtung und zeugt zugleich fürKarls nüchternes, abwägendes Wesen, daß er sich mit § 19 der Divisioausdrücklich das Recht vorbehält, nodi Zusätze - quae ad profectumet utilitatem eorum (sc. [ratrum} pertinent - nachzutragen, ein Passus,den man bezeidtnenderweise in der Ordinatio Ludwigs des Frommenvon 817 vergeblich suchen wird, obwohl gerade diese frühe Verab-sdüedung eines ltHausgesetzesc diese Vorsidusmaßnahme nahegelegthätte.33 . '.. ,.

" In den Kontext unserer überlegungen paßt auch der Umstand,' daßüber die Kaiserwürde, das nomen imperatoris, um die SprachederQuellen zu übernehmen, nicht verfügt wird: das Verhältnis zu ByzanzWar 806 nodi diffus und ungeklärt, überdies - dieser Gesichtspunkt~eint mir der ganz entscheidende zu sein - dürfte Karl mit ~icheremBhc:kerkannt haben, daß das in der Thronfolgeregelung so penibel unddetailliert ausbalanzierte Gleichgewidtt innerhalb des corpus /ratrumfemäß fränkisdten Erbrechtes empfindlich gestört werden mußte, so-ald das Problem der (damals nodi) schwer definierbaren, vor allem in

Praktikable Herrsdtaftsfunktionen umsetzbaren Kaiserwürde in die-setn konkreten Zusammenhang berührt werden würde ..3~ Die yorw;eg------'fl11 O. Br u n n er. Das Problem einer europäischen' Sozialg~schichte, I~: Neue'flege der Verfassungs- und Sozialgesdtichte ('1968) 89 fE. im Anschluß an Max8 ~ und H. Freyer. - Auch C I ass e n 125 spricht im Zusammenhang mit den\ IJlS Auge gefaßten Teilungsmodalitäten von einem ,.eigenartigen Rationalismus«.

Divisio S 15. ..hI..~ Divisio S 19 - Vgl zur Lage von 833. als die Anhänger Ludwigs die Abände-iiJ' der Ordinario ÜlJcta rnllm oporumitatem zu verteidigen suchten, B 0 s hof

~ .~ Dieses Problem hat auch Sc hie sin ger. Beiträge 223 mit aller SchärfeIt ~:,.in jedem Fall aber war zu entscheiden ob und wie ein fortbeste~e~desestliches Kaisertum mit dem germanischen Prinzip der Reichsteilung zu verel~lgen

~ar eine solche Vereinigung nicht möglich, 50 mußte man entweder auf Teilung~ ten - dieser Weg wurde 817 beschritten (das ist nicht korrekt: 817 war.enk~:':- abgeschichtete Unterkönigtiimer. locll. vorgesehen) oder die Nachf,?lge 1M

~ mußte anderen Prinzipien folgen als die im Königtum ••• Es 1st ver-

286 Dieter Hägermann

übertragene Kaiserwürde - wenn nicht als nomen inutile - auf einender Söhne hätte den imperator in spe in eine Quasi-Hegemonialstel-lung gegenüber den Königen, seinen Brüdern, gebracht. In diese Rich-tung geht auch, wie längst erkannt,35 die übertragung des Kuchen-sdiutzes, insbesondere der päpstlichen Interessen, an die Brüder alsvorgegeben traditionell karolingische Aufgabe, wofür so~~r -. imWiderspruch zu den bekannten Tatsachen - Karl MarteU bemuht wird,so daß das Kaisertum, zumindest in seiner denkbaren Funktion alsSchutzmacht und Garant der Nachfolger Petri, entbehrlich erscheint.Möglicherweise ließ sich Karl mit dem § 19 der Divisio, der Zusätzezum Text gestattet, auch in dieser Frage, einen Weg offen.36 Indessenwird man nicht übersehen dürfen, daß Kar! sich erst 813 bereitfand.das Kaiserproblem öffentlich zu erörtern und zu lösen, aber offensicht-lich zögernd und voller Skepsis. - Wir werden auf diese Frage zurück-kommen. .:.Kar! setzte 806 seine Söhne auch keinesfalls zu Mitherrschern ein,

auch wenn das Proömium betont: donee in corpore sumus ••. consorteshabere ~•• optamus.37 sondern die Regelung soU - einem Testamententsprechend - erst nach des Kaisers Tod in Kraft treten wie § 20 deut-lich macht, ein Passus, der freilich in der Ordinatio fehlt, war dochLothar bereits 817 zum Mitkaiser und Mitregenten erhoben worden.

ständlim, daß Karl angesidits der Fülle und Schwierigkeiten der Probleme die An-gelegenheit zunämst dilatorisch behandelte und sim verschiedene Möglimkeitenoffenhieltc. D. h. aber, daß der Divisio hinsimtlim des Fortbesteheus des Kaiser-titels bzw. der imperialen Würde nidits Greifbares zu entnehmen ist. Nach 811, d~Tode Pippins und Karls d. Jüngeren, stellte sim das Problem fränkisches Könl~-turn - westliche Kaiserwürde entsdtieden anders dar als 806, da jetzt nur noch eIDlegitime.r Erbe am Lebc;n war, di~ Prinzipien Einheit-Teilung nimt kollidi~neJ? .I~kann nuch dah~r Schles1J?ge':!Memung (206 oben) nicht anschließen, daß .dle Dl!IS10regnorum ••• eine der wichugsten Quellen für die Erkenntnis des Wesens des Kaiser-tums KarIs des Großen (zu sein sdteint)c. '

J5 S chi e 5 in ger, Beiträge 207 f. -J6 Divisio S 19. . .37 Zu Recht bemerkt Sc hie sin ger ~ Beiträge226 r,' daß consorti~", ~ur

Anwartsdtaft ~~C:U~ aum w~ verbis expressis Teilhaberschaft eingeräumt wl!'d.Kap. 20 der D1V1Sl0indessen Zeigt, daß die Regelung erst nach dem Tode KarIs gtltSdilesinger lös~ di~ Differenz auf, indem er behauptet, daß mit der Bezeich.nungconsortes an die ~lserherrsdtaft gedacht sei. Der Rückgriff auf antike Vorbild~r,etwa auf Konstanun, der drei Söhne zu Lebzeiten zu Caesaren ernannt hat, istnicht beweiskräftig genug. Denn damit hätte es drei designierte Anwäner auf ~Kaisenum g~n; ~udem löst diese Interpretation den Widerspruch zwischen 'Fe :habe und-erst kunfuger Berufung nimt. Auch der Hinweis auf 813 verfängt nIcht.Damals wwd_e l:udwig ~deutig zum Kaiser erhoben, während 806 nichts dergleich4verlautet. Moghmerweue besagt der dunkle Passus nichts anderes als daß }{atsdton. bei L~eiten - Jontc in carport SUmMS _ die Teilhaberschaft'der drei Söhnean seinem Rel(h regeln und festlegen wollte um nichts dem Zufall zu überlassen-Gewiß kann sich das consortium der Söhn: nicht auf ihre .königlime Stellung-

Reichseinheitund Reichsteilung 287

Die Dreiteilung des Karlsreiches, dem Willen nach endgültiger Re-gelung der Verhältnisse entsprechend, orientiert an der germanisch-fränkischen Rechtstradition der Realteilung des väterlichen Erbes (dieSöhne heißen 806 auch imperii vel regni heredes38) wie auch der Modusdieser Aufteilung selbst in kluger Einsicht in die politischen Verhält-nisse des Riesenreiches, wird man als Meisterstück politischen Calculsbezeichnen müssen, das zwar die leidlich brisante Frage nachdemnomen imperatoris offen ließ, keinesfalls aber - und das war entschei-dend, ganz im Gegensatz zu den Bestimmungen der Ordinatio :....schonVorab den Keim zu Auseinandersetzungen über territoriale Ansprüchezwischen den Brüdern in sich trug, sondern vielmehr das corpus frat-rum aus gleichberechtigten Mitgliedern konstituierte - soverlauteteauch nirgends ein Widerspruch gegen diese ~räsumptive Thronfolge-?rdnung, während 817 deutlich zwei Fraktionen das Hausgesetz inIhrem Sinn zu beeiriflussen suchten. Wenn die Großen 806 eidlich aufdas Dokument verpflichtet wurden, dann wohl prophylaktisch imRückblick auf die Ereignisse von 771, als nicht zuletzt der Adel desTeilreiches, in dem Karlmann herrschte, Karl zur tatsächlichen Monar-<hieunter Ausschluß seiner Neffen verholfen hatte •.Daß der Papst um seine Unterschrift gebeten wurde, liegt auf der

linie von Karls sonstigem Vorgehen, politisch-dynastisch wichtigeF~gen und Aktionen vom Nachfolger Petri bestätigen zu lassen, umdie potestas regalis durch die sacrata auetoritat pontificum zu stützeni~d sichern, so als Pippin und Ludwig 781 zu Königen ~esalbt - vi el-eicht auch gekrönt - und gleichzeitig zu Unterkönigen In Italien und~q~itanien bestellt wurden, wie andererseits auch Karl der Jüngereeihnachten 800 gesalbt und gekrönt wurde, ganz entsprechend dem

Gesetz, unter dem die neue fränkische Königsdynastie in der Mitte des8. Jahrhunderts angetreten war.· ....Da im übrigen 806 der Kirchenschutz, vor allem die Vertretungder

Papstlichen Interessen, zur Sache der stirps regia erklärt wurde, war ~s~ur zu verständlich, den zu Beschützenden von dieser Maßnahme Intnntnis zu setzen.lf .------= -

~Ied!thin beziehen. sie waren längst Könige, wie S c h l e sin ger, Beiträge 227I Recht ausführt; das consortillm könnte sich aber, um einen weiteren Versuch zurf~terpretation zu wagen. gegebenenfalls auf den Umstand beziehen, daß die Nach-1> Cebi~er nur generell. nicht aber im Detail präzisiert und festgel~t worden war.l:~u diente die Divisio. - Obrigcns erhält auch Ludwig 813 nur die AnY"arts~afl.JJ:eswegs aber Teilhabe an der imperialen Herrschaft seinesVaters. Er blieb welter-S. auf Aquitanien besdtränkt. VgL Thegan cap. 6 S. 592 und Anonymus cap..20et ~17ganz im Einklang toit der Notiz des Ast~nomen zur ~aiserk.rönung Ludwigs:.f- "IrIm.rm rerum pnr~s eem j"t"rllm ess« Chnsto IlIflmtt innotutt, Davon an an-~er Stelle. ' ,

: Divisio E~.: impmi fJtl r~gni IIOst~hur~~s. • .. ' . . _Sc b I e S I D g e r , Beiträge 229 f. bnngt die Einholung der papsthchen Unter

288 Dieter Hägcrmann

- Wie anders nimmt sich hingegen in .Tenor, Stil und Inhalt die nurgut ein Jahrzehnt später erlassene Ordinatio imperii Ludwigs d. From-men aus! Wenn Th. Schieffer in seiner Abhandlung erklärt: »Es bedeu-tet keine Hyperbel, wenn wir das ••. Jahr 817 als den absolutenHöhepunkt .des karolingischen Zeitalters und der fränkischen. Ge-schichte bezeichnen. Es rst Jener einmalige Augenbhck, da das Abend-land nahe daran war, sich über die religiös-kulturelle Gemeinsamkeithinaus bewußt auch als politische Einheit zu formen,«4o so wird mandieser sehr positiven Betrachtung, die freilich vom Verfasser selbst imGange seiner Unrersudiung deutlich abgeschwä?tt. wird, in~oweit b~i-pflichten können, als der 10tellektuelle Fortschritt 10 der Zelt Ludwigsdes Frommen - Zeugnis hiervon gibt u. a. auch die damals überarbei-tete Fassung der Reidisannalerr'! -, das wachsende Abstraktionsver-mögen, Sublimierung und Integrierung verschiedenster Momente inStaat und Kirche, was sich auch in einem zunehmend ethisch fundiertenStaatsbewußtsein äußert, im Vergleich zu den vergangenen Dezennienkarolingischer Geschichte in der ..Tat staunenswert sind, aber man wirddoch grundsätzlich einschränkend bemerken müssen, daß diese religiöszentrierte, auf die Beherrschungder primär christlich interpretiertenund verstandenen res publica ausgerichtete Reichseinheitsdoktrin, diein ihren Anforderungen an das geistige Verständnis nur einem kleinenKreis gelehrter Kleriker und wenigen Laien zugänglich gewesen ist, denprinzipiell noch immer auf volkstümlichen Grundlagen beruhendenStaat Karls des Großen erschütterte oder anders ausgedrückt, daß dieseDoktrin, indem sie den kirchlich-hierarchischen Amtsgedanken auf denweltlichen Bereich übertrug, den volkstümlich-charismatischen Charak-ter des Königtums und damit dessen Ansehen zerstörte und damit dierelative Balance zwischen Königtum und Adel die zusammen das ex-pansive Imperiu~ geschaffen u~d bislang zus~mmengehalten hatten,bedrohte. Der Ruin der Dynastie, der inneres Chaos (Vater-Bruderfr-kriege) und. zunehmende äußere Bedrohung im Gefolge hatte, wa.auch die Kirdie zurück, oder zumindest die kirchlichen Kreise, dIe

sdlrift inBeziehungzum Kaisertum - allein es muß daran erinnert werden, daß ddkonkrete Te.xt m dI~ Frage k ein e Aussage trifft, so daß der Papst in diesetllPunkt gar ~Idlt verpflichtet werden konnte. Wie solI man nicht existente AbmadtuJI-gen bekräfngen?1 .

.. Th. Sc b i~f fer. Die Krise des karolingischen Imperiums. In: Aus Mittel-alter. un_dNc:uzett• Gerbard Kallen Zum 70. Geburtstag dargebracht (1957) 8.rZweIfel. an dieser Wertung meldet auch W. Sc hie sin g e r , Die Auflösung deSKarlsrei<hes. In:Kart der Große. 1.Persönlichkeit und Geschichte,brsg. von Ho ßeIJ"mann (J196~795 an.

•, Vgl, -'dazu W a t ten b ach - Hol t z m ann _L ö w e Deutschlands Ge:S¥chtsque~en ~ Mittelalter. Vorzeit und Karolinger (1953) 254 fI. (Annales qUIdicuntur Einhardi).

Reimseinheit und Reimsteilung 289

glaubten, über Ludwig dem Frommen die res publica beherrschen undsim unterwerfen zu können. .'

Es waren bekanntlich objektiv gegebene Faktoren, die gleichsamstrukturell die decomposition (Ganshof)42 des Karlsreiches bewirkten:riesige territoriale Ausdehnung (Aachen-Rom 1150 Kilometer, Breto-nisdie Mark-Ostmark 1250 Kilometer, Nordmark-Spanische Mark,Hamburg-Barcelona, 1500 Kilometer),43 das damit verbundene Völ-kergemisdt, kulturelles Gefälle, höchst unvollkommene schwache Ver-waltungsorganisation; Krieg und Hungersnöte, Aufstände und Ob-struktion, Heeresflucht und Bandenunwesen - insbesondere die Kapi-tularien liefern hier ein sdionungsloses Bild der tatsächlichen Zustände- gestalteten schon die letzten Jahre Karls überaus sdrwierigr" dieseFaktoren einer latenten Krise aber wurden in ihrer Wirkung poten-ziert und beschleunigten den Auflösungsprozeß des karolingischen Im-periums als der ruinöse Prestige- und Machtverlust der herrschendenDynastie nicht zuletzt durch das rigorose Einwirken der Hierarchieauf den eigentlich staatlidi-weltlidien Bereich offenbar wurde und dieheiden Säulen, auf denen einzig und allein das Imperium als Gemein-,,:esen beruhte, nämlich die akzeptierte Herrschaft einer Dynastie unddie als geistig-kulturell-moralisdier Katalysator wirkende und, vonallen anerkannte Kirche, brachen. Am Anfang und zugleich als eineder Ursachen dieses Zusammenbruchs der traditionellen Elemente stehtdie Ordinatio imperii, deren Realisierung sich als unmöglich erwies.Denn diese war keinesfalls als wohlüberlegter, kühl durchdachter undentsprechend ausformulierter Sdilußstridi eines erfahrenen Herrscherszustandegekommen, der sich aus Altersgründen veranlaßt sieht, seinliaus zu bestellen, sondern als enthousiastisdier Entsdiluß eines kaumZur Herrschaft gelangten, nom nicht einmal vierzigjährigen Mannes,

fd~~u'?-ter dem Einfluß des ihn beratenden hohen Klerus stand, der denränlusdten Staat nunc et in futuro auf ein neues und besseres, d. h.~o~ allem geistlidieres Fundament stellen wollte, wozu vor allem diea1serwürde, das Amt, als Ausgangspunkt und Ansatzhebel dienen

SOllte. ' .

tsNi.chts zeigt deutlicher den Grab~ zwischen Karl und Ludwig ana die Tatsache, daß im Jahre 817 die nom 806 von Karl als nahezu---- 'Z. ; y,t dazu die Studie von F. 1.. Ga n s h o F, La fin du r~gne de Charlemagne:III • Sdtweiz. Gesdl. (1948) 53l-52, in engl, Obers. in dem Anm. 1 genannten Sam-~ban~ .unter dem Titel: The last period of Charlemagne's reign: a study in de----penmon 240-255.: Die Zahlen nam Sc hie sin g e r , Die Auflösung, 797.

h' VgL die an Anm. 42 genannte Arbeit und die weitere Studie von Ga n s-c!!' L'&bcc de Charlemagne. In: Academie des Inscriptions et Belles Lettres,~Ptes rendus des seances (1947) 248-254, wiederabgedrudtt in der Anm. 3 ge-

ten Sammlung 256-260: Charlemagne's failure.1, ~,._

. .&IOt. Jahrbach 9S

290 . Dieter Hägermann

selbstverständlich und entsprechend unbefangen praktizierte Anwen-dung des fränkischen Erbrechts (more parentum45) nun als pejorativbezeichnete dioisio humana erscheint, deren Anwendung ein scanda-lum in sancta ecclesia nach sich ziehen könne oder gar müsse. DerenBefürworter werden zwar noch fideles nostri genannt, allein als ihreGegner gelten diejenigen hii qui sanum sapiunt.46 Nicht daß es denkirchlichen Kreisen gelang, den Amtscharakter des Kaisertums imSinne eines göttlichen Auftrages, eines ministeriums, durchzusetzenund auf eine Vergeistigung und damit auch ethische Erweiterung desHerrscheramtes hinzuwirken, ruinierte Ludwig, sondern die Tatsache-wie übrigens auch Schieffer einräumt -, daß die kirchliche Partei, obwillentlich oder als Gefangene ihrer eigenen Ideologie" sei dahin-gestellt, die Eigengesetzlichkeit des Staates, besser des staatlichen Be-reichs, als quasi nicht existent negierte und damit beseitigte.

Statt dem Beispiel Karls folgend, im Hinblick auf die Thronfolgenüchterne überlegungen anzustellen und daraus präzise Folgerungenabzuleiten, wurde das bisher gültige und anerkannte Charisma allerMitglieder der Königsfamilie durch den imperialen Amtsauftrag einesaus der stirps regia mittels numinoser Inspirationswahl bestimmtenbzw. zu bestimmenden Herrschers ersetzt. Die volkstümlichen und tra-dierten Anschauungen von Königtum und Königsheil ~urden durchden dürren Rationalismus (Sc:hlesinger) einer überaus kleinen Minder-heit der Abstraktion fähiger Kleriker verdrängt.48

Statt der üblichen Thronerhebung (eben more parentum) bzw. derauch 806 von Karl für die Zukunft der Teilreiche vorgesehenen Aus-wahl eines der Rechtsnachfolger des verstorbenen Königs, der sich nachherrschaftsimmanenten Kriterien als geeignet erwies 4811sollte die denWillen Gottes alle~ enthüllende Inspirationswahl die Nachfolge imübergeordneten KaIsertum hestimmen;49 aber auch die Sukzession in

u Vg!. da~u ~ e h l e 5 in g e r , Beiträge 222 f. mit Anm. 143. ... Ordinaoo Eml... .

• .7 Sc h l e ~i n ~ er, J?ie Aufl?sung 833, spridn vom ltunpolitisdlen, systemati-sierenden RanonaIismus, Ja Doktrmarismus der Reformer an deren ltidealistisdterc<?esinn~g nidlt gezwe!felt werden kann, die aber zugleidl redit kompakte kirdt-liehe Besitz- und Madlnnteressen vertraten,e Hier genüge der konkrete Hinweis aufAgobard von Lyon.

41 Schieffer 10•. .aa Divisio SS: qllod si talis fililll cllilibtt istorum trium fratrum natlll IlIt,;t,

quem POPUlll1 eligtTe oelit , • • • I _-,

.t ~!:di~tio S 18; all~rd:ingsversdl'v.:eigtdieser Passus, der sidt mit der Nadtif~lge un Kaiserrum ~afngt. - ,!"ohl nidit ganz zufällig _ den modus proce~eJ1d

. f!!r den Fall, ~. der Ka~serbel ~mem Tode mehrere legitime Erben (Söhne) hlnte~la~t, von detWl Ja nur einer Kaiser werden kann. Sollten die anderen Brüder da! e- im G~gensatz zu.817 - ganz .von der Herrsdlaft ausgeschlossenwerden _ oder war_es zu einer neuerlichen Absdüdltung in Form von Sdtaffung weiterer loc« gekOrn

Reichseinheit und Reichsteilung 291

den abgeschichteten loca wird sakralisiert.w Im übrigen bleibt festzu-halten, daß Karl, obwohl 806 in hohem Alter stehend, erfahren undvorausschauend genug war, seinem Hausgesetz eine Klausel beizu-geben, die Zusätze und damit auch Abänderungen der getroffenen Ver-fügungen als quasi selbstverständliche Modalitäten erlaubte, währendder Kreis, der Ludwig 817 beriet oder sich seiner zur Durchsetzungbestimmter Pläne und Doktrinen bediente, die Ordinatio als unab-änderliche und unumstößliche Willenskundgebung Gottes interpretierteund damit jedwede Veränderung vorab obsolet machte. So kam es, daßLudwig, als er sein Hausgesetz zugunsten des 824 nachgeborenen KarlCl:bändernwollte, sich schwerster Anklagen wegen Verletzung des gött-~chen Gebots ausgesetzt sah und seine Gemahlin Judith, die verstand-hcherweise im Interesse ihres Kindes handelte, als neue Jezabel vollerLaster galt.51 .' , ' .. I .,

, Ein ganzwesentlicher, wenn auch erklärbarer Mangelder Haus-urdnung von 817 liegt in dem zumeist übersehenen oder unterbewer-te~en Umstand begründet, daß in ihr wederder Einheitsgedanke imElDklang mit dem kirchlichen Amts~edanken »rein« noch die alten Tei-lungsgrundsätze tatsächlich praktiziert wurden, sondern daß diese Re-gelung den unzulänglichen Versuch darstellt, beide Prinzipien zu ver-tnengen. Ob sich die Superiorität des Kaisers über die abgeschichteten

haBrüderhätte realisieren lassen, erscheint zumindest als äußerst zweifel-fl:, daß sich die Teilungsmodalitäten nach der Geburt Karls nicht

tnehr aufrecht erhalten ließen, lag auf der Hand., c':' ,.Am Schluß der Kämpfe um die Durchsetzung dieses unzeitgemäßen

~rojektes war als Ergebnis zu konstatieren, daß nicht die kirchlich-Oktrinären Kreise um Agobard von Lyon Sieger geblieben waren,

~dern die großen Adelsfamilien, die als eigentliche Nutznießer aus~ Ringen um Macht und Besitz ..:..motiviert durch die ahnungsvoll~ der Ordiaatio beschworene cupiditas rerum terrenarum - hervor-gtngen und den Vertrag von Verdun durch die ruinierte stirps regia~Ur Konsolidierung der eigenen Interessen erzwangen und dabei noch-tnals das alte Teilungsprinzip durdisetzten.P -. ", ~':. Man wird konstatieren müssen, daß das soeben in Umrissen skiz-~ene, herrschaftlich geordnete (Schieffer) Thronfolgegesetz von 817~ eindeutig die tradierten Anschauungen von der zumindest ideel-~e~gkeit aller Mitglieder de~ stir~s~egia verle~t:c~n~ d~~

1Ilen~ Man sieh~ aD 'di~ Beispiel. ''Wi~artifiziell und ~durchdacht diesel häufig;;e;;e!e=.g3;~n 817 ge'W~~ ~t. Vgt auch G a.ns ho E .', so~~ ;~bserva-

frit '?rdinatio S 14: pop./"s 'lint" convtnlms .n.m ex els quem dominus ",olu-,tligllt - also das gleicheVerfahren. das 817 zur Erhebung Lothars geführt hatte.12 Vgl. Tor allem B 0 S hoE 206-208. . . '.:" . .

Vg!. die Ausführungen TOIl Ga n s h o f , Zur EntstehungsgeschIchte.:":I,.

292 Dieter Hägermann

mit den (labilen) Frieden im Herrscherhaus selbst und die auch vonLudwig noch 814 angewandten Mitt~l und Methoden der konkrete?Herrschaftsausübung in den Randgebieten des Imperiums durch Fami-lienangehörige unnötig in Frage stellte und damit das »Reichsregi-ment« insgesamt schwächte.

Kurz mich. Herrschaftsantritt hatte Ludwig Lothar nach Bayern undPippin nadi Aquitanien entsandt; Bernhard, .~~r Sohn sei~es BrudersPippin, der 813 noch von Karl zum Unterkönig von Italien bestelltworden war, wurde in seinem regnum bestätigt/" Hier knüpfte Lud-wig aus gutem Grund unmittelbar an seinen Vater an - im Gegensatzzum Jahr 817.5311 .••••

Einen Vorgesdtmack auf kommende Ereignisse erhielten der Kaiserund die ihn führenden Kreise freilich durch den Aufstand eben jenesBernhards von Italien, der sich durch eine Bestimmung in der Ordi-natio, die übrigens an der Stelle des Textes deutlich als Nachtrag ZUerkennen ist,54 bedroht fühlen mußte, sollte doch sein regnum - wohlnach Ludwigs Tod (und Bernhards?) - Lothar voll unterstehen. DerAufstand blieb erfolglos, Bernhard wurde geblendet und starb an denFolgen dieser Tortur.55 Sein Tod blieb ein böses Omen. Ludwig zogfreilich aus diesem Ereignis eine Lehre, denn nach dem Bericht seinesBiographen Thegan ließ er damals seinen Halbbrüdern Drogo, HugOund Theoderich die Tonsur geben, um »die Zwietracht zu mildern«S6:.m. a. W. durch die Vermönchung sollten potentielle Rivalen und Geg-ner seiner Söhne, die ihrerseits unzweifelhaft der stirps regia angehör~ten, ausgeschaltet werden. .. .

~ie weit ~ie angestrebreVerdiristlidnmg im Reich Ludwigs, dessenReglment Spiegel eines muustenums im göttlichen Auftrage sein sollte,tatsädUim gediehen war, bezeugt aber nichts besser als eben die Tat-sadie, daß ver:meintliche. oder tatsächliche politische Gegner- erinnertset an das Sdücksal Tassilos von Bayern - ins Kloster gesteckt wurden

5J Astronom cap. 24 S. 619 und Annales regni Franeorum ad a. 814 S. 14t. .~3il VgL dazu Ga n s hof, Some observations 278: the method of placUlg

regions remote from the centre, possessed of marked individual characteristics andpowe~ully affect~d by a~tonomous currents, under a representative of his o\Vllauthority: •• ~nng the:.title of king. .. d

54 Ordinatio S 17, während. die anderen territorialen Regelungen in den S 1 un.S 2 stehen: regnllm ~ero Itall4e eo modo praedicto /ilio nostro, si Deus fJolutrl!ut successornoster e"!stat, per omnia subiectum sit, sicut et patri nostro fuit et n~udeo oolent« p~est1ftl tempore subiectum manet, Dieser nicht leicht verständhdlCPas~us__lstnur 10 ~m~ sehr klar, indem er verschweigt, daß Ludwig seinen Netfetldr~ Jahre zuvor 10 se~er Herrschaft über Italien bestätigt hatte. od

VgL ~ales regm Francorum ad. a. 817/18 S. 147 f., die allerdings den1Bernhards uafolge der Blendung verschweigen.Vg!. Thegan cap. 23 S. 596 und }.nO'nymus cap. 29 f. S. 622 f.

54 Thegan cap. 24 S. 596 und Nithard lib. I cap. 2 S. 2.

Reichseinheitund ReichsteiIung 293

und daß die unfreiwillige Vermönchung in einem Paragraphen derDivisio von 806 unmittelbar nach der Todesstrafe, Verstümmelungund Blendung rangiert." Man wird deshalb vorsichtig sein, den intel-lektuellen Aufschwung einiger weniger mit einer in kurzer Zeit grund-sätzlich gewandelten, religiös inspirierten und christlich agierendenGesellschaft gleichzusetzen, deren Regent mittels divinatorischer Ein-gebungen sein Amt mit Ratschluß der Priester (hii qui sanum sapiunt)führt. Das Gottesreich war nichts weniger als angebrochen!

Daß dieser für die politische Konsistenz des Riesenreiches gefähr-liche Wandel in den Anschauungen, der von der Samtherrschaft derstirps regia auf »volkstümlichere Grundlage zum imperialen ministeri-Um führte, dessen Beurteilung kirchlichen Instanzen zufiel, die, wie dieJahre 829-833 zeigten, als selbst der Papst sich bemüßigt fühlte, gegenLudwig Partei zu ergreifen,58 den Träger der Reichsgewalt durch här-teste Kirchenstrafen bloßstellten und damit die Autorität staatlicherI.nstanzen entscheidend untergruben, den Auf1ösungsprozeß des karo-hngischen Reiches beschleunigte, ist festzuhalten. " ,.: .. Die Krise des Karlsreiches ist nicht zuletzt eine geistige Krise gewe-s~n, in deren Zentrum der nur für wenige nachvollziehbare Abstrak-tIonsprozeß stand, als dessen Resultat die Wandlung des charismati-~en Königtums älterer Observanz zum herrscherlichen Amt imDIenste der christianitas unter Aufsicht und Leitung der Hierarchie zukonstatieren ist. Die von Schieffer beschworene »für die fränkische Ge-~chte neuartige Konjunktur von Macht und Geist«59 entsprach real~~lneswegs dem Zustand des unkonsolidierten, in seiner Existenz ge;'fährdeten Riesenreiches und der gegebenen Gesellschaftsstruktur ~es9i, Jahrhunderts und zerstörte in ihrem starren Rationalismus, der SIchien nicht in praktische Politik ummünzen ließ, die eigentlichen Pfei-er. karolingischer Hemchaft: Dynastie und Kirche infolge der zer-splitternden Staatsautorität. " ..

II.S Mit dieser vergleichenden Kurzcharakteristik der Dokumentevon.06 und 817 wird deutlich, daß der »Reichseinheitsgedanke« - zumallQ ~er 817 verordneten Mischung von Kaisertum einerseits und abge-sdüdlteten Teilkönigreichen verminderter »Souveränität« andererseits-----=-a; Divisio S 18 sorgt sich um das Schidual der Enkel Karls - möglicherweise ein1IIn ex auf seine eigene Handlungsweise, als er die Kinder seines Bruders Karlmann9 ihr. Erbe brachte; TgL auch Sc hie s iD g e r , Beiträge 196 - und v~rbletet:Oc~ libet e:c illis IIPU se tlCCIIsatllm sine mslll disclIssione alque examinatlOne aut~ Vhe IUIt membris mancllre IUIt excaecare aut invitum tondere faciat!It gl. Tor allem B 0 Shof 206-208 und 216 ff. bes, 222 und 223. .SchieHer 4oben.

294 . Dieter Hägerrnann

- auf dem Hintergrund der tatsächlichen Machtstruktur. der unzu-reimenden Verwaltungsorganisation des Imperiums und nidit zuletztwegen des Bruchsmit der Tradition, keine realistischeAlternative zurtraditionell- gewohnheitsremtlim verankerten Erbfolge nadi den Ge-setzen des germanisdien Hauses bieten konnte - anders mochte es nurden durch eigene Erfahrungen und Wünsmen motivierten Historikerndes 19. und ihren Nachfahren im 20. Jahrhundert erscheinen, die der»Einheit« an sicheinen anderen, höheren Stellenwert zumaßen als denTeilungen, auchwenn dieseEinheit - in konkrete Herrschaftsausübungumgesetzt - im 8. und 9. Jahrhundert aus den schonkurz angeführtenstrukturellen Gründen nicht realisiert werden konnte, zumal das ok-kasionelle System von Aushilfen60 nur durch eine mehr oder minderkunstvolle, mehr oder minder geglückte Balance zwischen Dynastie,Adel und Kirdie bei Ausgleichdivergierender Interessen möglich bzw-leidlich effizient war. So zeigte sichzwar 817 die sog. »Reichseinheits-partele auf der Höhe des Abstraktionsvermögens; es soll auch nicht inAbrede gestellt werden, daß der Gedanke des imperium CbristianumAusdruck einer idealistisdien Konzeption von Staat, Kirdie und Ge-sellsdiafl war. Diese Idee schlugfreilich nur zu bald in Ideologie (Sdile-singer) um, als sie zum Mittel parteiischer Auseinandersetzung degene-rierte un~ d~bei ~as tra~_iti0!lelleVer~tändnis desK?nigtUJ;ns~eseitigteund smheßhm 1!D' ~nfanghmen Triumph der Hierardiie uber denschwadien Ludwig die Herrschaftsbasis zerrüttete; der um des Trug-bildes vom »Imperium diristianume die Eigengesetzlichkeit der staat-limen Sphäre negierte und smließlim seinen utopischen Traum imKonflikt mit den Thronfolgern, machtbewußten Klerikern und Adels-fraktionen beendete. " '. Wer einräumt - u!l~ die Texte, deren Tragweite 'die an ihrem Zu-standekommen Beteiligten sehr wohl abzusmätzenwußten, lasseOdiese Annahme ohne weiteres zu -, daß die »Hausgesetzee von 806und 817 nimt. zul~t die geistigePhysiognomie, den polirisdien Sach-verstand und intendierren Erwartungshorizont der anordnenden Herr-sdierpersönlidikeiten ein Stück weit erkennen lassen, wer überdies be-denkt, daß s~on Ludwigs Biograph Thegan- selbst ein Kleriker ....Ludwigs gesteigerte Abhängigkeit von seinen geistlichen Beratern alsein ~rundübel seiner Politik brandmarkte," also der Kreise qui sanu'!'sa1!.,unt, d:ren Ideen undVorstellungen offenkundig die Ordina~lopragten, Wird eswohl kaum für möglich oder auch nur für wahrsmelo-l~m,.halten, daß. schonKarl der Große 806 eine sabgestuftee Reichs-elnhelte als gleichsam abstraktes Denkmodell alternativ zu der VOll

_.. ~ e h fe-;! n g e r.t Die Anflös~g 826: Im' Grunde war es ••• ein Systettlstandlger Aushilfen Inn dem die Regierungsaufgaben bewältigt wurden. . '.'

" Thegan cap. 20 S. 595.

Reichseinheit und Reichsteilung 295

ihm tatsächlich erlassenen Thronfolgeordnung ins Auge gefaßt haben~ön~te, wie es immerhin Waiter Schlesinger für möglich hält, wenn erm einer bedeutenden Studie über die Hausgesetze, insbesondere überdie Divisio von 806, die ganz und gar dem Teilungsprinzip verpflich-tet ist, bemerkt: «Dies ist nicht selbstverständlich. Dem Teilungsprin-zip stand der Gedanke der Reichseinheit gegenüber, und dieordinatioimperii entschied sich für ihn, anders als 806«.62 Diese Einschätzungerfolgt zweifellos auf dem Hintergrund des weiteren Verlaufs derkarolingischen Geschichte und läßt damit unzulässigerweise,wie ichmeine, die Ordnung von 817 als denkbare Alternative schon von 806erscheinen. Dieses Urteil geschieht ex eventu und behandelt die gemein-germanische, stets auch im Frankenreich praktizierte Realteilung, _diesich somit auch 806 als nahezu selbstverständlich anbot, und die höchstungewöhnliche und komplizierte Thronfolgeordnung von 817, dere?B.eratung und Beschlußfassung einen spektakulären Aufwand an .reli-g.lös-übersinnlichen Prozeduren nach sich gezogen hatte, als gleichwer-tlge und mögliche Alternativen auch des Jahres 806. :.. L _

Es gibt jedoch, soweit ich sehe, nicht den geringsten Anhaltspunktfü.r die These, daß Karl jemals ähnliche Pläne, die in der Ordinatio~eInes Sohnes zum Ausdrude kommen, für seine Thronfolgeregelungins Auge gefaßt haben könnte. , : . -, "j , ,

Wenn Karl 806 - allen anderslautenden Spekulationen zum Trotz-~as Problem des Kaisertums, besser gesagt der Kaiserwürde, des nomenlmperatoris. in der Schwebe ließ und damit eine Regelung über das"'eitere Fortbestehen jener Institution unterließ, die sich wie keineZ~eite als Vehikel zur Schaffung der Reichseinheit geradezu anbot, wiedte Ordinatio bald zeigen sollte,63 dann wird man wohl kaum an-dehmen dürfen, daß ihm eine Alternative zur RealteiIung vorschwebte,er überdies - indem sie durch Abschichtung von Quasi-Unterkönigen

der Tradition gewisse Zugeständnisse macht - ein vollends artifiziellerCharakter anhaftet. 64 - '. \ . • '

kr~as nun die Einstellung Karlszu diesem angeschnittenen Problern-e.tsangeht, in dessen Zentrum die Kaiserwürde steht, so sind WIr an-

g.esl(:htsdes Wortlauts der Divisio nicht nur auf das argumentum edlentio angewiesen,denn: dieseThronfolgeregelung,die den 8061eben-en Söhnen gleichberechtigt eine schriftlich fixierte Anwartschaft auf

~au umrissene regna gab und das ltReichsregiment« ihrer Samtherr-z aft: anvertraute, trat bekanntlich nie in Kraft, da Pippin, der 781l{~.König von Italien bestimmt, und Karl, der 800 in Rom zul?Ontg gekrönt und gesalbt worden war, 810 bzw. 811 starben; somit---.::..::.__ _ _' _ ,

.: Schleainger. Beiträge193•... Schi e ff e r 8.

Vgl. dazu unsere Ausführungen in Anm. 49.

296 Dieter Hägermann

blieb Ludwig, seit 781 Unter~ön.ig von Aq~tanien, als einziger ~egi-timer Erbe und Thronfolger ubng. Doch diese uns so selbstverstand-liche und unkomplizierte Lösung des Nachfolgeproblems, die zugleich-so könnte man meinen - die auch für Karl erstrebenswerte und alsWert an sich betrachtete Reichseinheit garantierte, ergab sich aberkeinesfalls von selbst: so wurde im Zusammenhang mit der ErhebungLudwigs d. Frommen im Jahre 813, die uns noch beschäftigen wird,auch Bernhard, der wohl illegitime Sohn Pippins alsKönig über Italiengesetzt: Italiae pre/ecit et regem appellari iussit.65 Dies geschah alleinaus der Kompetenz des Herrschers und nicht etwa, wie 806 für dieZukunft vorgesehen, durch die Wahl des populus in dem betreffendenReichsteil. Daß die Erhebung Bernhards nicht auf der Divisio basiert,erhellt auch aus dem Umstand, daß Bernhard lediglich das regnumItaliae, d. h. das Unterkönigtum seines verstorbenen Vaters, nicht aberdie pars"regni erhielt, die Pippin nach dem Tode Karls hätte zufallensollen, was u. a. auch den Einschluß Bayerns involviert hätte.66 .

Wenn Karl so mit dem mutmaßlichen Friedelsohn seines verstorbe-nen Erbfolgers verfuhr,67 mußte dann nicht für Ludwig zu besorgensein, daß auch seine (illegitimen) Halbbrüder Drogo, Hugo und Theo-derich real am corpusimperii vel regni durch ihren Vater beteiligt wer-den könnten?68Daß in den Jahren 811/12 noch nichts endgültig entschieden und

geregelt war, was die endgültigen Modalitäten der Thronfolge anging,geht auch aus der Notiz des Astronomen hervor, die an sich nicht rechtverständlich wäre, sofern Karl schon damals das Problem - wie wirglauben »logisch« im Sinne der Reichseinheit und Alleinnachfolgeseines Sohnes Ludwig gelöst hätte, nämlich: »Um diese Zeit, da schonfrüher Pippin, der König von Italien, gestorben und nun auch kürzlichsein Brude~ aus dieser Welt gegangen war, erwachte in ihm die Hoff-nung auf die Herrschaft des ganzen Reiches (spes universitatis potiun-dae in eum adsurgebat1'9«. Obwohl Karl damals offenbar sehr krankwar,wagte sich Ludwig nicht nach Aachen zum Vater: »nach höherettl

. • 6S Annales r~i Franc~rum ad a. 813 S. 138: Bemhardum nepotem suum, /iliumP'PPIn' ••• ItaZiae praetee,: et regm. appellar; iussit,

" C I ass en, Kar der Große, wie Anm. 3, S. 133.67 Nam C I as sen.' Karl d. Gr. 133 Anm. 103 verdient Thegans Nachridtt

(ca!? 22 S. 596) sdt.werhch G!auben. daß Bernhard der Sohn Pippins von einer KOI!-k~blne gew~ sei. Man wird aber indessen schwer über dieses positive Zeug~15hmwl!l?gehen ~o~en, zumal Ludwig - und hierin wird man wohl nicht nur den E11l-fl~ß semer geistlichen Berater Zu sehen haben _ 817 verbis expressis die unehelicheJISöt:e von d~r Nachf~lge ausgeschlossen wissen wollte, vgl. Ordinatio S 14.

So schritt Ludwlg Zur Ve~önchung seiner Halbbrüder nach der Niede,,!er-fung des von Bernhard prOVOZlenen Aufstandes zweifellos dodt aum um e11leJIweiteren potentiellen Unsicherheitsfaktor auszusm~lten.

" Anonymus cap. 20 S. 617.

Reichseinheit und Reichsteilung 297

Ratschluß jedoch um nicht etwa dem Vater Verdacht zu erregen,zögerte Ludwig dem Rufe zu folgenc7o• Ergänzt werden diese Nach-richten durch eine weitere Bemerkung des Astronomen, diesich gleich-falls nahtlos in unsere überlegungen einbeziehen läßt: »Karl sah, daßes bei seinem Alter mit ihm abwärts ginge, und fürchtete, daß 'er,wenn er dieser Welt enthoben würde, das Reich etwa in Verwirrungzurücklassen möchte, welches mit Gottes Hilfe in gute Ordnunggebracht war (oerens ne [orte ••• con/usum relinqueret regnum, quoderat Deo donante nobiliter ordinatum)~71. . ;. Aus diesen QuellenstelIen ist zu folgern, daß 812 - da die RegelungVon 806 durch den Tod zweier Söhne überholt war - die endgültigeThronfolgeordnung noch nicht abschließend konzipiert war. Manwird im Lichte dieser Analyse auch die Berichte über die Vorgängevon 813, die zur Kaiserkrönung Ludwigs d. Frommen führten, neudurchdenken müssen. Denn erst damals entschloß sich Karl endgültigsein Haus zu bestellen. Die Aufforderung an Ludwig nach Aachen zukommen, verknüpft der Astronom mit den oben zitierten Befürchtun-gen des alten, kranken Monarchen über die Zukunft des Reiches. Underst damals verfügte Karl endgültig über sein Imperium und hobdamit offiziell die Thronfolgeregelung von 806 auf,· wenn er auch~on mit der Bestallung Bernhards zum König von Italien notwen-dige Korrekturen eingeleitet hatte. In der Tat erfolgte damals auf derReichsversammlung zu Aachen,72 wie Tellenbach doch wohl zutref-!end ausführte »eine Thronfolgeregelung und Königserhebung in derublichen fränkischen Formc.J3 Schlesingers Einwand gegen diese In-terpretation, Ludwig sei ja bereits 813 gesalbter König gewese~ undhabe damals nur das nomen imperatoris erhalten, verfängt in diesemZ.~enhang nicht, Ludwig war zwar König, aber nur Unter-kOnig in einem Teilreich 'Aquitanien), aber keinesfalls - ganz un-abhängig von der Kaiserwürde - expressis verbis mit der. Anw~rt-schaft auf die Nachfolge im Ge s a mt rei c h ausgestattet.l" Hie~-auf machte er sich lediglich (gewiß auch berechtigte) Hoffnungen, Wie-------

,. ibidem.( . ,. Anonymus cap. 20 S. 617 - vgl. dazu die Einl. zur Divisio: non ut con/useSIC!) atq~ inorainate (/) ••• rtlinquamus als deutliche Parallele. .

J1 Annales regni Francorum ad a. 813 S. 138; Thegan cap. 6 S. 591 f.; Anonrmustap.20 S. 617 und der Brief Agobards von 833 (die sog. Flebilis epistola) mit direk-~ Bezug auf diese Reichsversammlung: MG. EE. 5 S. 223-226; vgl. dazu Ga n s-21~' Some oberservations 2741f. mit Anm. 17 und vor allem B 0 s h of 38 If. und

22t. . ,S (71 G. Tell e n b a e h , Europa im Zeitalter der Karolinger. In: Histori.a ~undiA.:~956)434, zitiert bei Sc b 1e sin ger, Karlingische Königswahlen: Beitrage 96-~43 -'t S c'b 1es in g e r , Beiträge 96 Anm. 43.

298 Dieter Hägermann

sein anonymer Biograph treffend zu berichten weiß.75 .Erst 813 erhielt Ludwig das kaiserliche Diadem und das nomen

imperatoris und damit zugleich die Gewißheit künftiger Alleinherr-schaft: summam rerum penes eum /uturam esse Christo /avente inno-tuit.76 Karl hat damals erst über den Fortbestand des Kaisertums ver-fügt, das er - so lautet der Gesamttenor der Forschung - nach Befra-gen der Großen des Reiches selbst auf seinen Sohn übertrug." Diemeisten Quellen berichten in der Tat, daß Karl Ludwig eigenhändiggekrönt habe78• Diese Zeremonie trägt nach der communis opinioeinen deutlich' papstfeindlichen Akzent, da Karl - im Gegensatz zuseiner eigenen Kaisererhebung - den Papst als Coronator und Ver-mittler der Würde und die Römer als akklamierendes Reichsvolk beider Promotion seines Sohnes habe ausschalten wollen"; Nicht dieFrage, ob das Kaisertum bzw.das nomen imperiale auf seinen Sohnübergehen solle oder nicht, sei Gegenstand der Beratungen jenesAachener Reichstages gewesen, sondern lediglich die Frage nach demmodus procedendi bei dieser übertragung auf Ludwig. Wer indessensorgsam berücksichtigt, wie kühl Karl mich Einhards bekannten Wor-ten der Kaiserwürde gegenüberstand, gleichviel ob schon bald nachdem epochalen Weihnachtstag 800 oder durch die nachfolgenden Ver-wicklungen mit Byzanz bedingt oder auch nur durch die Form desAblaufs im Petersdorn hervorgerufenw, wer ferner registriert, daßzumindest nach Auffassung der um 805 am Kaiserhof konzipierten.wenngleich nur in. einer späteren Überarbeitung erhaltenen MetzerAnnnalen schon Pippins, Karls Vaters Herrschaft als imperium übernationes und gentes dtarakterisiert wird, und damit das imperialeK?ni~m der stirps regia, das nicht des nornen imperatoris ~ur ~er-wukhchung der damit verbundenen Ansprüche bedarf", hteransch

7S Vgl. Zitat Anm. 69 und das Zitat im Text oben; 5 c h 1e sin g e r , Beiträge96 behauptet, nachdem er zuvor sein Erstaunen über den Vorgang geäußert hat, diBKarl die »Großenc überhaupt befragt hat: »die Frage der Nachfolge als soldie standin diesem ~alle (813) überhaupt .nitht zur Diskussion, und die Befragung der Großenkann mit einer Wahlhandlung nltht verglithen werden.c.

" Anonymus cap. 20 S. 617; diaObersetzung des Textes in der Freiherr-volD-Stein-Ausgabe: Quell~ zu~ ~rolin~isthen Reichsgeschichte 1, hrsg. von R. Ra 1J(31968) 289 untersthlagt die eIgendIme Pointe wenn der Satz lautet: »und gabbekannt, daß d!e hödtste Gewalt bei ihm sein soile.c Es fehlt das Adverb »künftigel

77 S ~ h 1~ S II! g e r , Beiträ~e. 96 und auth 223. Vgl. hierzu aum Einhard cap. 305.34 mit Hinweis auf das conSIlIum der Großen Ci • •

.• 71 !,nna:les regni Francorum ad a. 813 S. Ij8; Anonymus cap. 20 S. 617 undEmhard wie Anm. n. .

79 S e h l e sin g e r , Beiträge 223 zusammenfassend... Einhardcap, 28 S. 32 f. . . ." ,.. .

. et Zu ~~ Annales Mettenses priores vgl. die Ausführungen von S chi e sin -~ er. _BeItrage 220 ff. und I.H a I e 1b a e h , Aufstieg und Herrsthaft der }Car-linger m der Darstellung der sogenannten Annales Mettenses priores (1970). ~ .,

Reichseinheit und Reichsteilung 299

faßbar wird, wer ferner beachtet, daß die Divisio von 806 die Kaiser-würde ausklammert und lediglich über das imperium (vel regnum) alseinen Raum und als potestas und dominatus in diesem Raume be-schließt, um Schlesinger zustimmend zu zitieren, der den Satz fort-setzt mit der Bemerkung: »nicht verfügt war über das nomen impe-riale als eine Würde, einen Rang.a2«, und wer endlich berücksichtigt,daß der Schutz des Papsttums - wenn auch mit fragwürdiger Rück-wendung auf Karl Martell - als Aufgabe der stirps Carolina bezeich-net wird und nicht etwa als vornehmste Pflicht des Kaisertums, werdies alles in Rechnung stellt, wird die These.von dem angeblich 806Intendierten Fortleben des nomen imperatoris, die zweifellos pax undcaritas der Brüdergemeine vor schwierigste Probleme gestellt hätte,mit einiger Skepsis beurteilen. Denn, um die letzte Frage noch einmalkurz aufzugreifen, wie hätte wohl das Verhältnis von Kaiser undKönigen auf der Basis der genossenschaftlichkonzipierten Divisio inconcreto ausgesehen? ., .i/ ~J " •• {

Man wird sich also vor einem vorschnellen Urteil indiesem Punkthüten müssen, denn auch hier ist die dargelegte ArgumentationeinStück weit an den Quellen überprüfbar. So heißt es nämlich in derbekannten, häufig herangezogenen Stelle in Thegans Ludwigsvita ausAnlaß der Reichsversammlung von 813, als Kar! endgültig seineN~<hfolge regelte: interragans (sc. Karl) omnes a maximausque admmimum, si eis placuit ut nomen suum, id est imperatoris, ftlio suoHludowico tradissetu. Eine unbefangene Interpretation dieses Satzes.kann doch nur lauten, da der Akzent zweifelsfrei durch Possessiv-pronomen und Apposition auf dem Kaisertitel liegt: ut nomen suum,id est imperatoris, daß der Kaiser die anwesenden Großen gefragthat, ob er den Kaisertitel auf seinen Sohn übertragen solle. Daß u~-sere Interpretation die zutreffende sein dürfte84, worauf schon diegrammatikalische Konstruktion der fraglichen Phrase hinwies; gehtaudt aus der bislang m. E. zu wenig beachteten Tatsame hervor, d,,:ßfe!:lde nach Thegan (als einziger Quelle!) nicht etwa Karl Ludwigronte, wie es die Deutung Schlesingers doch erfordern würde, son-

dern Ludwig sich selbst das Diadem aufs Haupt setzteB5•Somit liegtauch von daher die Annahme zumindest nahe, daß Karl 813 nichtbz'W.nicht vorrangig die Modalitäten der Übertragung erörtert, son-trn wohl das Problem »KaiseTWÜrdecmit den Großen ventiliert undnn entschieden hat. Daß überdies der Papst samt den Römern aus

--:--_. . L"

: ~ hles in g'e'r, Beiträge 229 .unten.le egan cap. 67 S. 591. .IS Sc hIe sin g e r , BeiträgeW.

~ 'I'began S. 591 E.: Time iussit ntm pat". lit propriis manibus eleoasset. coro-• q~ eret s.p" altare et Cllpili SilO imponeret •••

300 Dieter Hägermann

dem Gesdiäfl herausgehalten werden sollte, dürfte von Karl gewißbeabsichtigt gewesen sein und steht nicht im Widerspruch zu unsererDarlegung der Vorgänge von 813. . . . .

Daß Karl im übrigen erst 813 das Kaiserproblem und damit dieThronfolge im Frankenreim überhaupt (!) definitiv regelte, hängt mitder erst 812 durch Gesandtschaften abgestimmten Ordnung des Ver-hältnisses mit Byzanz zusarnmens- und zweifellos mit der über-legung, daß seit dem Tode Pippins und Karls das imperiale König-tum des ein e n Thronnachfolgers durch die Annahme des nomenimperiale an Prestige dazugewinnen und Auseinandersetzungen inner-halb der stirps regia nicht zu befürchten waren.

Daß aber die jetzt im Kaisertitel gleichsam inkarnierte oder reprä-sentierte Reimseinheit für Karl kein Wert »an sidi« gewesen seinkann, erhellt aus dem Umstand, daß er nodi 813 im Zusammenhangmit der endgültigen Regelung der Thronfolge seinen Enkel Bernhardmit dem Unterkönigtum seines verstorbenen Vaters Pippin ausge-stattet hat, obwohl er diesen-_wie einst seinen eigenen illegitimenSohn Pippin (d. Buckligen) von der Teilhabe am Staat hätte völligausschließen können'".

Es ist hier nochmals daran zu erinnern, daß Ludwig nach demdurch die Thronfolgeordnung von 817 provozierten Aufstand Bern-hards zur Vermöndiung seiner Halbbrüder schritt, um die künstlimeKonstruktion der Reichseinheit in Verbindung mit abgesdiiditetenloca nicht durch weitere potentielle Konkurrenten seiner Söhne ZUgefährden. .

Wenn Karl 806 eine Realteilung unter den nom lebenden legitimenSöhnen vorsah - ohne damit zugleim die Frage nach dem Kaisertumzu beantworten -; .befand er sich im Einklang mit der germanis~-fränkischen Tradition des Erbganges. Daß ihm die Reichseinheit inGestalt der Monarchie eines Sohnes als alternatives Thronfolgemode]lvorgesdrwebt ha~e~ könnte, i.st rein spekulativ nur mit einem, .WieIch meme, unzulässigen Vorgriff auf das später erlassene HausgesetzLudwigs zu begründen. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang ZUfragen, ob denn unsere so logism anmutende Alternative .Relchs-einheit-Reimst~ilung« überhaupt der Vorstellungswelt des Frühmit-telalters entspr~mt? Auch hier sind berechtigte Zweifel angebr~cht:~e~ sofern Wir davon ausgehen, daß im zeitgenössischen V~rs~and-m~ m~t der Monarch in stricto sensu, sondern die stirps regia in Ihren~~nnhch~n, ~urch Erbgang berufenen Mitgliedern regiert, dann ver;körpert-sidi m der Form der Brüdergemeine ohnehin eine abstrak~eReidiseinheit, die als Samtherrschaft funktionell wird auch wenn SI/-,"- ,

: Vg!. d!lzu ~ales regni Franeorum ad a. 812 S. 136.Vg!. die Ausfuhrungen von C I as s e n , KarI der Große S. 113-121.

Reimseinheit und Reichsteilung 301

sich in concreto jeweils nur auf einzelne Teilreiche bezieht88• An dieserAuffassung ist selbst nach den doch sehr dedizierten Teilungen von843 festgehalten worden, die weiterhin vom corpus /ratrum als einerdas Gesamtreich übergreifenden Institution ausgingen, die u. a. das Ein-trittsrecht der Brüder beinhaltete", so daß der moderne GegensatzEinheit-Teilung im patrimonialen Staatsverständnis sich - ganz imGegensatz zur Einzigartigkeit des kaiserlichen Amtes - in der gemein-samen Herrschaft des Königshauses aufhob.

Ill.Auch die Teilungsmodalitäten der Thronfolgeordnung von 806, um

damit zu einem letzten Punkt überzuleiten, stellen wiederum der poli-tischen Kunst und dem staatsmännischen Weitblick Karls ein denkbarpositives Zeugnis aus, da er dabei offenkundig nicht von schemati-schen, gänzlich abstrakten Teilungsmodellen ausging, sondern von dertatsächlichen Lage des Riesenreiches und seiner Herrschaftsstruktur,die abgestufte Dezentralisation mit erbrechtliehen Traditionen aufsbeste zu kombinieren wußte. Karl teilte sein Reich auf den Fall seinesT~es nicht etwa in drei gleiche Teile in Nord-Süd- oderWest-Ost-Richtung - daß an eine qualitativ gleichmäßige Teilung gedacht war,ergibt sich aus dem Tenor der Einleitung zur Divisio wie auch ausdem Umfang der einzelnen Teilreiche, ebenso aber auch aus der Tei-lungstradition, insbesondere nach dem Tode Pippins 76890 -, sondernsucht das Teilungsprinzip ex aequo mit der Erhaltung bestehenderpolitischer Einheiten, den Unterkönigtümern, zu verknüpfen, dieihrerseits die ungeheure Expansion des Frankenreiches während derRegierungszeit Karls widerspiegeln: so erhält Ludwig ein regnum,dessen Zentrum das ihm bereits 781 übertragene Aquitanien bildet,~t der Gascogne und Teilen Burgunds; Pippin erhält ,das ihm

, .'.. So sagt Sc hIe sin g e r , Die Anfänge der deutsdien Königswahl: Beiträge

~~ ff. S. 167 unten und folgende: »Der Wille des alten Königs war im fränkischen41~~medadurch zum Ausdruck. gekommen, daß er sein Reim teilte ••. Er äußert sich"'>0 im Sinne der germanischen Bcüdergemeinschafl:. Nicht darüber hatte der KönigZu bestimmen, daß geteilt wurde; es war vielmehr selbstverständlich, daß nadi sei-n~ Tode das Reim den Söhnen zu gleichen Teilen anwudise. Vgl. auch H. Mit t >

eiS, Der Staat des hohen Mittelalters ('1959) 41 f. - Man wird an dem Begriffd(Ber.Brüdergemeine festhalten können, aum wenn nam Sdilesingers Untersudiungen

eUrige 93 Anm. 33) der Terminus »in der Reditsspradie nicht üblich gewesen ist«.~ Vgl zu diesem Komplex R. Sc h Dei der, Brüdergemeine und Schwurfreund-""laft (1964).S "h Wobei man sich bemühte, das Reich in möglichst gleiche Teile zu gliedern. ~g1.,J 1es i n g e r , Karlingische Königswahlen, Beiträge 108 f. und Mitt e 15 ,c;.Anm. 88, S. 92£. . '.'fO,_~gl. etwa die Bemerkungen Einhards cap. 3 S. 5 f.:. F_rancisiquiJ~m facto~"'!'!l" gmn-ali conwntll .mbos (Karlmann und Karl) SIb, reges constltuunt ea

cond'tioM prlUmisSlI,lit tot»m regni COrpllSex uqllo (/) partirentur.

302 Dieter Hägermann

gleichfalls 781 unterstellte Italien s~mt ~ayern und ~arl, der seit789/90 in Neustrien tätig war und erne nicht unwesentliche Rolle ander Seite seines Vaters im ltAltreichc gespielt hat, worauf jüngstClassen aufmerksam machte"; bekam den verbleibenden Rest desReiches mithin vor allem die fränkischen Kemlande und den Groß-teil des'ostrheinischen Territoriums mit Einschluß Sachsens.Daß Lud-wig und Kar! ein ungehinderter Übergang über die Alpen garantiertwurde versteht sich auch wegen der allen obliegenden Aufgabe desKirdiensdiutzes, d. h. des römischen Papstes und seiner Interessen.Selbst ~ie herrschaftlich.konzipierte ~rdinatio vo~ 81? reflektiert

bei gänzlich anderer Verteilung der Gewichte noch die Teilungsstruk-tur von 806 und deren Kriterien: So soll Pippin Aquitanien und Lud-wig Bayern als Herrschaftsräume (loca) erhalten, Lothar hingegenalles andere, wozu auch Italien gehörte, wie der schon berührte Nach-trag ausweist, der schließlich und endlich den Aufstand Bernhardsprovoziert haben dürfte92•· ...

Es ist mithin zu konstatieren, daß der Teilungsplan von 806 - nocherkennbar in der Ordinatio von 817 und schon zuvor in MaßnahmenLudwigs, der nach seinem Herrschaftsantritt 814 »Lothar nach Bay-ern, den anderen Pippin nach Aquitanien (den dritten Ludwig, dernoch sehr jung war, behielt er bei sich),schickte93«,d. h. Ludwig fol~teseinemVater, indem er weitgehend von politisch-geographischenEIn-heiten (auf Sta.mmes-oder Territorialgrundlage) ausging - die Inte-grität der RegI~.ne.nwahr:e, die dem karolingischen Imperium erstunter Kar! endgültig (Aquuamen, Bayern) oder überhaupt zum erstenMal (Italien) gewaltsam eingegliedert worden waren, wobei be-stimmte, an die Unterkönigreidle grenzende Zonen des alten Kern-reiches (Neustrien, Austrien und Burgund) aus militärisch-wirtschaft-lichen Gründen und.zw~s ~usgleich hinzugefügt wurden. ... r .:Karl der qroße ging bel seinem Teilungskonzept offenbar von dern

sehr wes.entll~en Umstand aus, daß Pippin und Ludwig, die seiteinem Vierteljahrhundert als Unterkönige in Italien und Aquitanienamtierten, nut den regionalen Erfordernissen bestens vertraut warenund somit ihre Herrschaft nur sachlich und räumlich zu erweiternhatten'.Y'~hrend Ka~l der Jüngere, der zwar bislang ohne eigentlidtesUnterkönigtum ßebheben war, aber im väterlichen Auftrage die Ver-waltung Neustriens wahrgenommen hatte, das fränkische Kernlandsamt den dazugewonnenen ostrheinischen Gebieten übertragen erhal-ten sollte.«...--- _.~

: C I a ss e D, Kar! der Große 110 f. und passim.· . . .. . Vgl. ~udt J:li~rd IV, c~p. ~ ~. ~3 terciam tantum modo partem totiu« absqlllLa~obardUl. BiUoanaet Aq,,'tanuz illi [Lothar] concederent (Ludw. u, Karl) zu 8'f2.

Anonymus cap. 24 S. 619, aber Annales rcgni Franeorum ad a. 814 S. Ht.

Reidiseinheit und Reichsteilung 303

Wie bereits mehrfach betont, ist diese umsichtige, den politischenBedürfnissen und Möglichkeiten staatlicher Durchdringung entspre-chende Teilungsplan noch in der Ordinatio von 817 deutlich zu er-kennen und hat die »reine« Lehre von der gottgewollten Reichseinheitdurch erbrechtlich-traditionelle Momente verwässert. 0' O! Co·'

Jüngst hat P. Classen in einer klugen Untersuchung die Schluß-f~lgerung gez?gen, daß - und hierin zeige sich eine gewisseÜberein-Stunmung zwischen den Geschehen von 806 und 817 - »Karls desGroßen Divisio bereits einen Bruch mit dem überlieferten Recht voll-zieht, der Ludwigs Ordinatio vorbereitet, indem er das Kernreich derF~anken ungeteilt dem ältesten Sohn überläßt, ihn allein zum echten(SIC!)König der Franken werden läßt, ohne den Brüdern Anteil ander Herrschaft über Reichsvolk und Hausgut zu geben94«. Diese aufden ersten Blick faszinierende These hält allerdings einer kritischenÜberprüfung, wie ich glaube, nicht stand. Sicherlich ist Classen bei-Zupflichten,daß Karl, als er seinen ältesten legitimen Sohn im Jahr800 Zum König krönen und salben ließ, sich Gedanken über die~r~nfolge gemacht haben dürfte, möglicherweisesogar in der Form,di~sun bald darauf in der Divisio niederschlug, daß Kar! aber vorabsem Handeln dem Prinzip verpflichtet hätte, das alte regnum Fran-dorum,~ust~en und Neustri~n (dem ja zumindest da~,seit Ja~rhun-erten integnerte Burgund hinzugerechnet werden mußte,';wahrend

~lac:hsenals überaus neuer Bestandteil zu gelten hat), ungetei,lt seinema t~ten Sohn zu überlassen, der damit allein über das eigentlicheltelchsvolk und über das Hausgut geherrscht und als echter re:coFran-c!'heTum den imperator der Ordinatio antizipiert hätte, ist wemg plau-SI ~ diese Ansicht geht an der historischen Wirklichkeit vorbei, zu:"Illal - und hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Ordinatio -~abrl lediglich gleichberechtigt seinen Teil des totius regni forpus~ en so1l9s, während 817 Pippin und Ludwig als Könige mlt.ve!-

:U~~e;r ~uveränität dem kaiserlichen B~der u~~:~wo~fen sel~

obDoch ist mit diesem letzten Hinweis die Frage nicht beantwort~t,se. und wenn ja, inwieweit Karl d. Große, indem er die a~teFrancia/~emSohn Karl ungeteilt zukommen ließ, bewußt die,Tell~gsprm;blPlen der fränkischen Könige oder auch nur seiner belden unmltt~l-.a.renVorgänger außer Kraft gesetzt oder einfach ignoriert hat. Em---: er, S sen, Karl der Große 132 ~nten. 0

~ So, sagt Cia s sen, IUrl d. Gr. 132 f" fast ein Widerspruch zu seiner These;lian.~eUl Kar] d. Jüngere der .echte« König der Franken sein soll: .Aber nur durch~~ Macht. Erbe und Recht des Königs der Franken, nicht durch eine ,Obe:-h~ber _ 1Dl Gesamtreim steht Karl der Jüngere den Brüdern voran,« Das ut em

Rucbug. . 0 • 0 .0

304 Dieter Hägermann

Vergleich zu früheren J,,:hrze~nten ist aber str~nggenommen nicht zu-lässig da das Frankenreich seit 768/71 entscheidend Umfang und Ge-stalt ~errnehrt und gewandelt hatte. Für Karls Teilungsmodalitätenkonnte es - abgesehen von dem Grundsatz,. daß alle S~hne gleich zubehandeln seien - kein nachahmbares Vorbild geben, VIelmehr ist ervon praktischen, Erfahrung ~nd ,.status quo Rechnung tr,agendeJ?-Ge-sichtspunkten ausgegangen, die fur das corpus fratrum em Maximuman Herrschaftsintensität garantieren bzw. möglich machen sollten.Denn dies war die entscheidend neue Situation: Als 768 Pippin starbund sein Reich Karl und Karlmann hinterließ, war Aquitanien kurzzuvor einverleibt worden, die Eroberung Bayerns, gar Italiens lagnoch in einiger Ferne; so war damals der Schnitt durch das alte reg-num zweifellos in der Absicht erfolgt, jeden der Brüder annäherndgleich zu versorgen, was übrigens auch von Einhard ausdrücklichbezeugt wird96•

Dieser Gesichtspunkt allein konnte indessen 806 für den Prag-matiker Karl nicht maßgebend sein. Möglicherweise hat Classen mitder Annahme recht, daß Karl in seinem gleichnamigen Sohn seineneigentlichen Nachfolger im Kern des Reiches, in der alten Francia,gesehen hat, denn nicht er, sondern die beiden jüngeren Brüder wur-den 781 mit einem Unterkönigtum betraut, aber der Verfasser argu-mentiert doch post festum, wenn er in der Erhebung Pippins und Lud-wigs zu Königen durch den Papst eine Vorwegnahme (bei einer Zeit-spanne von nicht weniger als 25 Jahren!) der später verbindlich vor-geschriebenen Teilungsmodalitäten sieht. Für Karl galt es 781 vorallem, durch de-facto-Ausschaltung des illegitimen buckligen Pippin,dessen Name durch päpstliche Taufe auf Karlmann übertragenwurde", ein dem Frankenreich erst seit wenigen Jahren angeglieder-tes T~rritori.um, das wie Aquitanien ein Eigenleben führte und dasüberdies welt entfernt vom eigentlichen fränkischen MachtzentruItllag, mit Gr.enze zum gr:iechis~e? Süden wie Aquitanien zum islami-schen Spanien, durch em MItglIed des Königshauses dem Franken-reich fest zu verbinden und damit der Herrschaft konkret zu unter-werfen. Allein in dieser Absicht sind Pippin und Ludwig zu Unter-kömgen erhoben worden, ohne daß durch diese Maßnahme die eigent-liche Nachfolgeregelung präjudiziert oder gar vorweggenommen wer-den sollte oder mußte. So sagen denn die Reichsannalen zum Jahr 781auch nur lapidare et du? fi~ii ••• iniuncti in reges ..• hi sunt PippiTJ~Set Hludotoicus reges, P'ppmus rex in Italiam et Hludowicus in AqlW_---

" Vgl. Anm. 90.t7 ~ 1a ss en. Kar~ der_Große 114 f. Vielleimt spielte bei dieser Damnati~

memo~lae ~rlmann5 die Ennnerung an den verstorbenen Bruder gleichen NameJldoch eine großere Rolle als Classen offenbar einzuräumen geneigt ist.

Reichseinheit und Reichsteilung 305

taniam'8. Pippin und Ludwig wurden mithin zu Königen gesalbt undZum König in einem Territorium, in einer politischen Einheit be-stimmt. Sie waren Könige, ihre potestas aber - ohnehin durch die,:äterliche Oberherrschaft beschnitten - auf einen Amtsauftrag ineinem bestimmten Land (Zone, Einflußbereich) beschränkt988• DaßKarldamals darüber hinaus eineZweiteilung des eigentlichenFranken-reiches zugunsten seines gleichnamigen Sohnes und des' erst ebenseines Taufnamens beraubten Friedelsohnes, des buckligen Pippin, insAuge gefaßt haben sollte, wie Classen annimmt, ist durch nichts zubelegen und hat keine Wahrscheinlichkeit für sich.' Karl dachte 781nicht an eine wie auch immer geartete Aufteilung seiner Herrschaft -selbst 806 bzw. 813 erfolgten alle diesbezüglichen Maßnahmen erstfür die Zukunft nach seinem Tode -, sondern traf umsichtige Vor-bereitungen zur Integration erst kürzlich angegliederter Regionen,wodurch freilich durch verschiedene Umstände bedingt, vor allemWegen der langen Dauer des Unterkönigtums ein und desselben Soh-nes, gewisse Modalitäten der späteren Thronfolgeregelung gleichsamvorweggenommen wurden. Das war aber 781 keinesfalls abzusehenoder gar geplant. Auf der gleichen Linie liegt es, - Dezentralisierungun.d damit Intensivierung der Herrschaft durch Heranziehung .vonMitgliedern der stirps regia - wenn Karl 789 ein regnum ultra Sego-na .(also zwischen Seine und Loire) seinem gleichnamigen Sohn zu-WeISt", so daß die Annalen von St. Amand zum folgenden Jahr ver-relden: rex factus est1OO• Nach Classen trifft dieser Tatbestand - näm-Ich daß Kar! schon vor dem Weihnachtstage 800 König ist - nicht zu,er bleibt aber einen quellenmäßigen Beweis für seine Behauptung~uldig101. Somit waren 789/90 alle legitimen Söhne im Auftrageitres Vaters in einem bestimmten Gebiet tätig und zwar mit dem!lng und Titel eines Königs, d. h. ausdrücklich als Mitglieder der

8tlrps regia. Sollte nicht die wenig später erfolgte Vermönchung destUckligen Pippin als Folge eines von diesem angezettelten Aufstandeshausal mit seiner »KaltsteUungc und dem Ausschluß von der ~önigs-errsdtaft in Form seiner Brüder zusammenhängen'P? Es 1St nun

.....___ I •

~ Annales regni Francorum ad a. 781 S.41.t Pippin und Ludwig werden nicht - gegen Cia s sen Karl d. Gr. 126 - zu~gts f:angobarJorum bzw. Äq";tanorum bestellt. auch wenn es gelegentlich Ze~g-a $Se ~ur derartige Titulaturen gibt (C I ass en. Karl d. Gr. 118 Anm. 45); hier-id' elDen gentilen, quasi wertmindernden Gegensatz zum echten rex Francorum,

~ Karl d. Jüngeren zu konstruieren. geht m. E. über das Ziel weit hinaus.'11Annales S. Amandi ad a. 789: MG. SS. 1 S. 12.

110 E ~es S. Amandi breves. ibidem 2 S. 184. Vg!. Cia s s e n , Karl d. Gr.'et' DUtAnm. 8 und 10. .'Il C Iass e n 111 sagt nur: »sie (die jüngere Nachricht) trim nicht zu.e

Cia ss en. Karl d. Gr. 120.

20 I.o,_ .• ._, Jalubud. 9S

306 Dieter Hägermann

gewiß denkbar .; wir wiesen im Anschluß an Classen schon auf diesenUmstand hin -, daß Kar! der Große, als er 800 seinen Sohn Karlzum König salben und krönen ließ und ihm damit die gleicheBehand-lung wie seinen jüngeren Brüdern angedeihen ließ, den Vorsatz gefaßthaben könnte, die Teilung seinesReichesdergestalt vorzunehmen, daßLudwig und Pippin als Kern ihrer regna das ihnen vor 18 Jahrenübertragene Aquitanien bzw. Italien erhalten sollten, Karl aber denKern des alten regnum Franeorum, die Francia älteren Datums. Die-ser Modus enthielt freilich die Abkehr vom alten, 768 zuletzt prakti-zierten Teilungsprinzip, war aber indessen ein Akt staatsmännischerKlugheit. Entscheidend für die Thronfolgeordnung von 806 war aber,daß das Frankenreim im Zenit seiner Expansion eben nicht mehr demalten regnum Francorum von 768/71 entsprach, .als die, letzte Auf-teilung erfolgt war, der freilich nur kurze Dauer beschieden war, sodaß sichaus diesem Faktum keine Kontinuität entfalten konnte. Aberes bedarf dieser Überlegungen nicht, um Classens These zu wider-legen, daß Karl zumindest in der unbeschädigten Bewahrung des altenKernreiches für seinen Sohn Karl ein Prinzip der Ordinatio Ludwigsvorweggenommen und hierin auch mit der Tradition gebrochen habe,denn die Divisio regnorum selbst bestimmt nämlich im 4. Kapitelexpressis verbis, daß beim Tode des jüngeren Karl und beim über-leben seiner Brüder - sofern nicht der populus seinesTeilreiches einenSohn des Verstorbenen ZumKönig erhebt - pars regni • . . dividaturinter Pippinum et Hluduwicum, sicut quondam diuisum est inter noset [ratrem nostrum Karlomannum1021!J. Somit wird völlig unbefangenfür einen durchaus nicht unwahrscheinlichen Fall die Wiederholungder Realteilung von 768 angeordnet, die das alte regnum Franeorum.wie auch Classen konstatieren muß, zersdlnitt10l• •...

Wer nom mehr ins Detail geht, wird finden, daß sich angesichts derdenkbaren .Konstellationen bei künftigen Teilungen die These vonClassen 10 Ihr genaues Gegenteil verkehrt, so wenn die Divisio vor-sieht, daß. zW31rdi~ Francia in zwei Teile zerlegt werden kann, daßaber ~qultaDle~ .(ubngc:ns ~uch Bayern!) beim Tode Pippins bzw-Ludwigs als polirisdie Emhelt erhalten bleiben sollen104•

tall!J Divisio regnerum S 4. . . :•• tCD C la ss ~ 0 •• Karl d. Gr. 124 besd!äftigt sid! mit diesem Teilungsmodus undraumt seIhst eID:. »Nur w~ Kar! stirbt, wird das fränkische Kernland geteilt undz~ar genau ~ wie 768.zwlschen Karl und Karlmann.« Zwar sei der genaue Verlauf~Iese[ Gr~ehung ~Jd!t bekannt, aber »so ist jedenfalls rid!tig erkannt, daß ~SId! um eine großenteils OstWestlid! verlaufende Grenzlinie handelt die nicht dieälte~ Eioh.eit~ NeJJst~en und ~~trien zugrundelegt, sondern beid~ aufteilt.« .

t VgL 1u diesen Projekten die instrukeiven Karten bei C I ass e 0 KarI d. Gr.zwisch.~ den ~. 1.28 und 129. Nod! 842 sah der Plan Lotbars _ vgl, Anm. 92 _ dieIntegntat AqwtaDlens, Bayerns und Italiens vor. . .

Reichseinheit und Reichsteilung 307

Daß auch Ludwig zur Einsicht in diese politische Realität durchausfähig war, bewies er zu Beginn seiner Regierung, als er Bernhard vonItalien in seinem Amt bestätigte, Lothar wie erwähnt nach Bayernund Pippin nach Aquitanien entsandte. Gerade in dem Umstand, daßder später so eminent bevorzugte Lothar in das vergleichsweise be-scheidene Bayern entsandt wurde, läßt m. E. darauf schließen, daß~uch Ludwig - ebenso wenig wie Kar! 781 - bei seinen diesbezüg-lIchen Maßnahmen keinesfalls an eine Nachfolgeregelung gedachthaben dürfte, sondern lediglich das Herrschaftssystem seines Vatersbe.stätigte und fortsetzte. Damit dürfte die These von Classen zu-~lndest erschüttert sein, daß die Divisio in irgendeiner Weise die Or-~lIlatio antizipiert oder diese, wie Sdilesinger meint, als Ausformu-herung des Reichseinheitsgedankens, bereits 806 als alternatives~enkffiodell zum Teilungsmodus zur Verfügung gestanden hätte. Es~~ .m. E. kein Zweifel daran bestehen, daß zwischen der staats-

rnan~l1schenKlugheit und nüchternen Planung Karls, die den Erfor-dermssen in genauer Einschätzung der Dinge und Personen gerechtz~ werden suchte, wie jeder Satz der Divisio bezeugt, und dem reli-~ös inspirierten Überschwang Ludwigs und seiner geistlichen Berate~,. e ohne zwingende Not und übereilt die volkstümlichen und tradi-tl.onellen Elemente der Herrschaftsausübung und des fränkischen Kö-nigtums abtaten und einem verwässerten Zentralismus auf dem Per-g~rnent zum Siege verhalfen, der sich als nicht tragfähig erwies unddhnleG:undlagen des Staates, die durch die objektiven Gegebenheiteno c:hlIl wenig abgesichert waren, erschütterten und den Mythos derci_lansmatischen stirps regia ruinierten, ein tiefer Graben besteht undetne .~EntwickIungsliniec von 806 zu 817 nicht gezogen werden kann,es sei denn in der versuchten Bewahrung der politischen Einheit eini-~ Territorien als Zentren eines Teilreiches bzw. als loca der abge-

~teten Könige.Nunt zuletzt diese Diskontinuität hat das Reich Karls vernichtet.