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Historisches Jahrbuch 1m Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von Arnold Angenendt Laetitia Boehm Odilo Engels Hans Günter Hockerts Rudolf Morsey Rainet A. Müller Konrad Repgen Anton Schindling 117. JAHRGANG 1997 . 1. HALBBAND VERLAG KARL ALBER FRE1BURG I MÜNCHEN lSSN 0018-2621 . lSBN 3-495-45271-0

Historisches Jahrbuch - MGH-Bibliothekthenburg und die Königswahl von 1152,in:Sönke Lorenz und Ulrich Schmidt (Hgg.): Von Schwaben bisJerusalem. Facetten staufiseher Geschichte,

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HistorischesJahrbuch

1m Auftrag der Görres-Gesellschaftherausgegeben von

Arnold AngenendtLaetitia BoehmOdilo Engels

Hans Günter HockertsRudolf MorseyRainet A. MüllerKonrad RepgenAnton Schindling

117. JAHRGANG 1997 . 1. HALBBAND

VERLAG KARL ALBER FRE1BURG I MÜNCHENlSSN 0018-2621 . lSBN 3-495-45271-0

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BEOBACHTUNGEN ZUR WAHL KONRADS Ill.UNDIHREM UMFELD

VON GERHARD LUBICH

In den vergangenen Jahren haben die Königswahlen Lothars IlL,Konrads Ill. und Friedrichs I.Barbarossa ein derartig großes Interesseder Forschung gefunden \ daß neue Fragestellungen zu diesem Problemkaum noch möglich scheinen. Die Quellen zu den Wahlvorgängen sindgesammelt, ergänzt und teilweise zum wiederholten Male untersuchtworden 2; auf dieser Basis wurden unter verschiedensten PerspektivenErwägungen zu Verlauf, Rechtmäßigkeit oder treibenden Kräften ange-stellt und teilweise sehr kontrovers diskutiert, ohne daß sich dabei einKonsens abzeichnen würde. Eine Diskussion auf der Basis bekannterForschungsmeinungen birgt jedoch eine Gefahr in sich: Anstoß, Blick-winkel und Zielpunkt sind die Außerungen von Wissenschaftlern, sodaß grundlegende, oftmals banal erscheinende Fragestellungen zum

I Eingehend behandelt und mit der bis dahin erschienenen Literatur versehen von UlrichSchmidt, Königswahl und Thronfolge im 12 Jahrhundert, Köln - Wien 1987; übergrei-fende Aspekte auch bei Hans Constantin Faussner, Die Thronerhebung des deutschenKönigs im Hochmittelalter und die Entstehung des Kurfürstenkollegs, in: ZRG GA 108(1991), 1-60; Roland Pauler: Wahlheiligkeit, in: Schnith, Karl R. u. Ders. (Hgg.): FSEduard Hlawitschka, Kallmünz 1993,461-477. - Zur Wahl Lothars Ill. vg!. Johann Fried-rich Böhmer, Regesta imperii, Bd. IV/I: Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar Ill.und Konrad Ill. Lothar III. 1125 (1075)-1137, ed. Wolfgang Petke, Köln 1994, Nr.92,52-61 (Quellen und Literatur) sowie zuletzt Ludwig Vones, Der gescheiterte Königsma-cher. Erzbischof Adalbert I. von Mainz und die Wahl von 1125, in: H]b 115, 1995,85-124.Zu Konrad Ill. vg!. Ursula Vones-Liebenstein, Neue Aspekte zur Wahl Konrads IlL, in:Hanna Vollrath und Stefefan Weinfurter (Hgg.): Köln - Stadt und Kirche in Bistum undReich des Mittelalters. FS Odilo Engels, Köln 1993,323-348, sowie zuletzt Roland Pauler,War Konrads Ill. Wahl irregulär?, in: DA 52 (1996) 135-159, dem ich für die freundlicheÜberlassung des Manuskriptes dieser Abhandlung herzlich zu danken habe. Zu Friedri-eh 1. vg!.Werner Goez, Von Bamberg nach Frankfurt und Aachen. Barbarossas Weg zurKönigskrone, in: FS A. Wendehorst ab. f. fränkische Landesforschung 52), 1992,61-72,und Odilo Engels, Die Staufer, Stuttgart, 61994,55-59. Zur jüngst häufiger untersuchtenRolle Friedrichs IV. hierbei Gerd Althoff, Friedrich von Rothenburg. Uberlegungen zueinem übergangenen Königssohn, in: Karl Schnith und Roland Pauler (Hgg.): FS EduardHlawitschka, Kallmünz 1993, 307-316, sowie Jah Paul Niederkorn, Friedrich von Ro-thenburg und die Königswahl von 1152, in: Sönke Lorenz und Ulrich Schmidt (Hgg.):Von Schwaben bisJerusalem. Facetten staufiseher Geschichte, Sigmaringen 1995,51-59.2 Zusammenstellung der Quellen bei Waiter Böhme, Die deutsche Königserhebung im10.-12. Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 1970, Nr.35, Nr. 39-46 und Nr.46, ergänzt vonSchmidt, Königswahl und Thronfolge (wie Anm. 1), 60f Anm. 4, der (87f.) die Forschun-gen zum Problem des Geblütsdenkens anführt; Zum Forschungsgang ansonsten vg!. Vo-nes-Liebenstein, Neue Aspekte (wie Anm. I), 324£.

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Untersuchungsgegenstand an sich nicht aufgeworfen oder zumindestnicht mit letztem Nachdruck geklärt werden. Eine Frage dieser Art sollhier am Beginn der Ausführungen stehen. Sie lautet: Warum war es ge-rade Konrad, der sich im Jahre 1138 zum König aufschwang, und nichtsein älterer Bruder, der Schwabenherzog Friedrich n.?

Auf den ersten Blick mag es scheinen, als ob damit dieselbe Proble-matik angesprochen würde, wie sie sich für die Forschung schon anläß-lich der Erhebung Konrads zum Gegenkönig (1127) stellt. Zu deren Er-klärung hat man verschiedene Überlegungen vorgebracht, die jedochnur teilweise auf die Situation des Jahres 1138 übertragbar sind. So istmit Sicherheit das Argument nicht mehr anwendbar, Friedrich 11.habesich durch den Lehnseid an Lothar Ill.gebunden gefühlt, eine Ansicht,die ohnehin in der neueren Forschung kaum noch auf Resonanz gesto-ßen ist). Problemlos würde sich hingegen das zweimalige ZurücktretenFriedrichs 11. erklären, unterstellte man Konrads Persönlichkeit einenstärkeren» Willen zur Macht«, wie dies verschiedentlich geschehen ist",Doch ist diese Denkmöglichkeit nicht über jeden Zweifel erhaben, trägtsie doch weder der bezeugten ambicio Friedrichs anläßlich der Königs-kandidatur des Jahres 1125 Rechnung", noch seinem von mehrerenQuellen angedeuteten maßgeblichen Einfluß auf die Erhebung Konradsim Jahre 11276• Einen Schlüssel könnte hingegen die für 1138 bezeugteEinäugigkeit Friedrichs 11.liefern 7, die möglicherweise als unvereinbarmit der Königswürde angesehen wurde, doch liegen hierfür keine Prä-zedenzfälle vor, und ob der Verlust eines Auges, der offenbar die »Her-zogswürdigkeit« nicht beeinträchtigte, ausgerechnet zwischen 1125 und1127 eintrat, ist verschiedentlich bezweifelt worden 8.

Eine allgemein akzeptierte Erklärung für die Person Konrads als Ge-genkönig im Jahre 1127 besteht also nicht, und ein Großteil der hierbeigenannten Argumente kann für die Wahl von 1138 nicht angewandt

) Wilhe1m Bernhardi, Jahrbücher des Reiches unter Lothar von Supplinburg, Leipzig1879,140.4 Ulrich Reuling, Die Kur in Deutschland und Frankreich. Untersuchungen zur Ent-wicklung des rechtsförmlichen Wahlaktes bei der Königserhebung im 11. und 12Jahrhun-dert, Göttingen 1979,74 Anm. 234. Ähnliche Überlegungen auch bei Engels, Staufer (wieAnm. 1),28.5 Narratio de electione Lotharii, ed. Wilhe1mWattenbach, MGH SSXII, Hannover 1856,511; vg!.Vones, Der gescheiterte Königsmacher (wie Anm. 1),98 f.6 Vg!. Schmidt, Königswahl und Thronfolge (wie Anm. 1), 62 mit den entsprechendenQuellen und Literatur in diesem Sinne in Anm. 14.7 Ioannes Kinnamos, Epitome rerum ab Ioanne et Alexio Comnenis gestarum, 11,20, ed.A. Meinecke, Corpus scriptorum historiae byzantinae 25,1836,89.• Werner Goez, Gestalten des Hochmittelalters. Personengeschichtliche Essays im allge-meinhistorischen Kontext, Darmstadt 1983, 210; Engels, Staufer (wie Anm. 1), 28; zwei-felnd Schmidt, Konigswahl und Thronfolge (wie Anm. 1),62 Anm. 10.

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werden. Der Grund für den zweimaligen Vorzug Konrads vor seinemälteren Bruder kann mithin auch in einem anderen Bereich gesucht wer-den, z. B. in der aktuellen politischen Situation zum jeweiligen Zeit-punkt der Wahl. Unter diesem Blickwinkellassen sich für die Gegenkö-nigserhebung von 1127 gute Gründe für das Zurücktreten Friedrichs II.namhaft machen. Der Schwabenherzog hatte sich als zunächst militan-ter Parteigänger Heinrichs V. exponiert, der auf Kosten der Oppositionneben den Reichsinteressen auch seine Hausmacht zu stärken gewußthatte", Sein Auftritt bei der Wahlversammlung von 1125 hatte ebenso-wenig ungeteilten Beifall gefunden 10 wie sein trotziges Bestehen auf derEinbehaltung des salischen Erbes, das ihm schließlich die durch die Für-sten ausgesprochene Verurteilung mit dem »Regensburger Fürsten-spruch« mit all seinen Konsequenzen eingebracht hatte ",

Konrad hingegen hatte sich in dieser Zeit vergleichsweise bedeckt ge-halten. Zwar hatte auch er in Ostfranken die Sache Heinrichs V. ver-fochten 12, was nicht ohne Kritik geblieben warn, aber schließlich hattedoch er die Rolle des Mittelsmannes des letzten Saliers übernommen,der im Jahre 1120 für einen Frieden mit Lothar von Süpplinburg ver-handelte 14. An den Auseinandersetzungen vor, während und unmittel-

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9 Hans Heuermann, Die Hausmachtpolitik von Herzog Friedrich I. bis König KonradIll. (1079-1152), Diss. Berlin 1939, 54-64; zusammenfassend Engels, Staufer (wieAnm. 1),21 H.10 Narratio de electione Lotharii (wie Anm. 5), 510f. Zur Bewertung vg!. Vones, Der ge-scheiterte Königsmacher (wie Anm. 1), 93-99.11 RI lVII, Nr. 106, 69f., zur schon einenMonat später beschlossenen Acht ebda., Nr. 115,74H. Grundlegende Überlegungen bei Elmar Wad le, Reichsgut und Königsherrschaft un-ter Lothar Ill. (1125-1137). Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des 12.Jahrhunderts,Berlin 1963, 100-123, wobei m.E. immer noch nicht klar ist, nach welchen Normen Fried-rich II. schließlich verurteilt wurde. Die Verfahrensrichtlinien, die für die Welfenprozesseangenommen werden, können vom zeitlichen Ablauf her jedenfalls nicht gegolten haben.12 Die Beauftragung Konrads erwähnt Otto von Freising, Chronik, ed. AdolfHofmeister,MGH SS in us. scho!., Hannover 1912,VII, 15, 524, vg!. a. Otto von Freising und Rahewin,Gesta Friderici, ed. Franz-Josef Schmale, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe XVII,Darmstadt 31986,I, 12, 150;damit in Verbindung steht der ducates orientalis Franciae (Fru-tolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik, edd. Franz-JosefSchmale und Irene Schmale-Ott, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe xv, Darmstadt1972, Ekkehard Rec.lVad a.1116, 316), der im Rahmen meiner Dissertation (Auf dem Wegzur »Güldenen Freiheit«. Herrschaft und Raum in der Francia orientalis von der Karolin-ger- zur Stauferzeit, Husum 1996, hier 151-178) eingehender untersucht wurde.)) Vg!. etwa Ekkehard von Aura, Chronik ad a. 1117,324.14 So u.a. Lothar Speer, Kaiser Lothar Ill. und Adalbertvon Mainz, Köln- Wien 1983, 78,oder Heinrich W. Vogt, Das Herzogtum Lothars von Supplinburg, Hildesheim 1959, 23aufgrund des Stückes Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, ed.Georg Schmidt (Publicationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven 17), Berlin1883, Nr. 146, 114 (16.IY.1120), in der Lothar und Konrad gemeinsam als Zeugen erwähntsind.

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bar nach der Wahl Lothars Ill. war er nicht beteiligt gewesen, da er sichim Jahre 1124 zu einer Fahrt in das Heilige Land entschlossen hatte IS.

Als er, spätestens im Sommer 1127, zurückkehrte 16, befand sich seinBruder in der Reichsacht und das Land im Krieg. Sollten sich die StauferChancen auf einen Anhang unter den deutschen Fürsten ausgerechnethaben, so war Konrad sicherlich der unbelastetere Kandidat, der auf ei-nen breiteren Zuspruch hoffen konnte. Dieses Kalkül steht keineswegsim Widerspruch zu bisher geäußerten Argumenten, im Gegenteil: Indieser Sicht der Dinge greifen der Herrschaftswille Konrads, die aus-schlaggebende Rolle Friedrichs 11.bei der Gegenkönigserhebung oderseine Einäugigkeit, sogar seine Bindung an den Lehnseid eher ineinan-der, als daß sie sich widersprechen würden.

Die Situation des Jahres 1138 hingegen stellt sich etwas komplexerdar, zieht man sich nicht auf die Position zurück, eine Erklärung alleinin dem körperlichen Defekt Friedrichs 11.zu suchen. Bei einer grobenEinschätzung der Stimmungslage im Jahre 1137 müßte man zunächstdavon ausgehen, daß beide Staufer nicht unbedingt beliebt gewesen seinkönnen. Friedrich 11. hatte sicherlich seinen Ruf der Jahre vor 1125noch nicht abgestreift, und ob Konrad als oft gescholtener, letzIich ge-scheiterter Usurpatorl7 überhaupt als ein vordringlicher Kandidat aufdie Königskrone gelten konnte, ist keineswegs ausgemacht. Es liegt da-her nahe, daß die Wahl des Jahres 1138 - so bislang der Tenor der For-schung 18 - nur mit einer kleinen namentlich bekannten Gruppe vonReichsfürsten durchzuführen war, die untereinander in engen Bezie-hungen standen 19. Weitere Große schlossen sich an, so daß mit Aus-nahme eines harten Kerns der welfischen Partei sowie des Erzbischofs

15 Ekkehard von Aura, Chronik ad a. 1124,386 berichtet, Konrad habe am 2. Februar 1124die Fahrt gelobt. Einen raschen Aufbruch Konrads, der seitdem in den Quellen nicht mehrerwähnt wird, nimmt an Ferdinand Geldner, Kaiserin Mathilde, die deutsche Königswahlvon 1125 und das Gegenkönigturn Konrads lII., in: ZBLG 40 (1977) 3-22, hier 7.16 RI IV/I, Nr.Hl, 92. Urkundlich ist Konrad zudem in Monumenta BoicaXXIl, Nt: 14,11 belegt.17 Sammlung der entsprechenden Belege für das Jahr 1127 bei Schmidt, Königswahl undThronfolge (wie Anm. 1), 63; imJahre 1135 hatte sich an diesem Urteil nicht viel geändert(vgl, RI IV/I, Nr. 429, 272f.). Daß dies 1138 noch im Gedächtnis war, zeigen die AnnalesPatherburenses ad a. 1138: Cuonradus ... aliquando ... usurpator regii nominis (danachauch die Kölner Königschronik und der Annalista Saxo).11 Pauler, War die Wahl ... (wie Anm. 1), 147ff. nimmt nach einer erneuten Untersuchungder historiographischen Quellen und ihrer Zusammenhänge an, daß der Kreis der an derWahl Beteiligten größer war, als man bislang aufgrund der spärlichen Namensnennungenund den Zeugenreihen der ersten Urkunden Konrads Ill. annahm. Dies ist zwar sehr gutmöglich, m.E. sogar wahrscheinlich, allerdings ohne positiven Beleg eine Annahme e silen-tio.19 Vones-Liebenstein, Neue Aspekte (wie Anm. 1), passim.

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Konrad von Salzburg " nach dem Pfingsthoftag von Bamberg kein be-deutender Fürst mehr offen gegen den neuen König stand.

Als Grund für diese zügige Parteinahme wird gerne auf den Vorwurfder superbis verwiesen, den zwei nicht unbedingt welfenfreundlicheChronisten gegen Heinrich den Stolzen erheben 21. Zudem wird gemein-hin angenommen, Konrad habe eine Alternative zu der beträchtlichenMacht dargestellt, über die der Welfe verfügte und den Freiraum, denman von seinem Königtum erwartete, schon mit entsprechenden Wahl-versprechen untermauert". Uneinigkeit besteht darüber, welche Rolledas Geblütsdenken bei den Vorgängen des Jahres 1138 spielte."; der kei-nesfalls eindeutigen Quellenlage und dem Fehlen der Babenberger, dieebenso eng mit den Saliern verwandt waren wie die Staufer und, wiejüngst betont worden ist24, mit Leopold bei der Wahl von 1125 einendurchaus chancenreichen Bewerber gestellt hatten, wird man zumindestentnehmen können, daß dieser Aspekt nicht als einzig ausschlaggebenderachtet wurde. Offenbar stellte er einen Faktor unter vielen dar, demauch die Zeitgenossen unterschiedlich hohe Bedeutung beimaßen.

All diese hier verkürzt wiedergegebenen Überlegungen zur Wahl desJahres 1138 beantworten jedoch genaugenommen nur die Frage, warumzu diesem Zeitpunkt ein Kandidat aus staufisehern Hause zum Königerhoben und durchgesetzt werden konnte; warum aber ausgerechnetKonrad und nicht Friedrich 11. letztlich die Verantwortung übernahm,bleibt weiterhin offen. Es gibt keinen einsichtigen Grund, warum dieangeführten Argumente nicht auch auf den Schwabenherzog zutreffensollten, dem überdies als dem Altereren ein gewisser Vorrang einge-

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20 Konrad von Salzburg mußte zwar zur Anerkennung Konrads Ill. - wie Heinrich derStolze auch - zu dem folgenden Hoftag nach Regensburg geladen werden (die Ladungdurch Konrad in MGH D Ko III. Nr. 11,19£., das Schreiben der Fürsten in Epistolae Barn-bergenses, ed. Phillip J affe, Bibliotheca rerum Germanicarum V [Monumenta Bambergen-sia], Berlin 1869, Nr. 33, 529f.); dies muß jedoch nicht bedeuten, daß er gleichzeitig denWelfen favorisierte, können die Gründe des zögerlichen Anschlusses doch auch in seinerrigiden, die Kirchenreform verfechtenden Geisteshaltung liegen.21 Otto von Freising, Gesta I, 23, :Heinricus ... pro nota superbie pene omnium ... odiumcontraxerat; Berthold von Zwiefalten, Chronik c.30, ed. Luitpold Wallach u.a., Schwäbi-sche Chroniken der Stauferzeit 2, Sigmaringen 21978,234 :H einricus '" propter superbiama cunctis abominatus.22 Wilhe1m Bernhardi, Die Jahrbücher des Reiches unter Konrad Ill., Leipzig 1883, 12;Engels, Staufer (wie Anm. 1), 32f.; Schmidt, Königswahl und Thronfolge (wie Anm. 1),78f.23 Schmidt, Königswahl und Thronfolge (wie Anm. 1), der entschieden einen Einfluß ge-blütsrechtlicher Überlegungen bestreitet (81-90), skizziert hierzu den Forschungsgang(S. 87). Seine Ausführungen haben jedoch weder Pauler, Geblütsheiligkeit (wie Anm. 1),472£. überzeugt noch Engels, Staufer (wie Anm.l), 33f. zu einer Revision seines Stand-punktes bewegt.24Vones, Der gescheiterte Königsmacher (wie Anm. 1), passim.

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räumt hätte werden können 25. Man kann daraus nur folgern, daß Kon-rad über etwas verfügt haben muß, das seinem Bruder abging. Einmalmehr ließe sich über die Auswirkungen der Einäugigkeit Friedrichs spe-kulieren, die ja zu 1138 ausdrücklich belegt ist ", doch besteht durch dieEinzigartigkeit dieses Falles ein hinreichender Anlaß, wie im Falle desGegenkönigtums eine Erklärung auf politischem Gebiet zu suchen.Hierzu erweist sich ein näherer Blick auf die Jahre unmittelbar vor 1138als hilfreich.Nachdem die militärische und politische Bedeungslosigkeit seines

nur kurzfristig erfolgreichen Gegenkönigtums feststand, hatte Konradsein Scheitern mit der Unterwerfung in Mühlhausen öffentlich zumAusdruck gebracht.", nachdem sich sein Bruder schon ein halbes Jahrzuvor in Bamberg in die Gnade Lothars Ill. begeben hatte.", Entgegender weit verbreiteten Annahme, die Kapitulation habe für die Stauferkeinerlei negative Konsequenzen gehabt.", läßt die nicht unbedingtreichlich zu nennende Überlieferung auch den gegenteiligen Schluß zu.Lothar Ill. hatte schon 1131 nach dem Zurückweichen Friedrichs 11.aus den rheinischen Positionen begonnen, dort Reichsgut zu rekuperie-ren 30. Wenn der Staufer nach 1135 in einzelnen Positionen wieder auf-taucht, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß er auf der Basis desAusgleichs über die Gesamtheit des »salischen Erbes- verfügen konnte.Die Behandlung des Reichsgutes Nürnberg, das in der Hand Heinrichsdes Stolzen blieb31, ist sogar ein Beleg für das Gegenteil. Es erscheint

2S Ferdinand Güterbock, Barbarossas ältester Sohn und die Thronfolge des Erstgebore-nen, in: HVjS 29 (1935) 509-540, hier 538ff., hat versucht, das Abgehen von der Primoge-nitur in staufiseher Zeit systematisch zu erfassen; ihm ist dahingehend zuzustimmen, daßdas Wahlprinzip im Zug der Zeit rein erbrechtliche Vorstellungen verdrängte. Seine An-sicht jedoch, es habe in der Stauferzeit eine prinzipielle Trennung von Schwabenherzogtumund Königswürde gegeben, ist von der Forschung kaum berücksichtigt oder geteilt worden(zustimmend jedoch Helmut Maurer, Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkun-gen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer, salischer und staufiseher Zeit, Sigmaringen1978,272 mit Anm. 293) und nach den Beobachtungen von Althoff, Friedrich IV. (wieAnm. I), 313ff. wohl ihrer Grundlage beraubt.26 Wie Anm. 7.27 RI IV/t, Nr. 456, 291£.28 RI lVII, Nr. 429, 272f.29 So schon Bernhardi, Lothar Ill. (wie Anm.3), 563; Hans Werle, Staufische Haus-machtpolitik am Rhein im 12.Jahrhundert, in: ZGO 71 (1962) 241-370, 250; nuancierend,aber letztlich zustimmend Wadle, Reichsgut und Königsherrschaft (wie Anm.ll), 97-100.- Eine gegenteilige, wenngleich allein aus der Behandlung Nürnbergs abzuleitende Sichtder Dinge vertrat Heuermann, Hausmachtpolitik (wie Anm. 9), 89, vg!. die Korrekturenvon Wadle, ebda, 99 Anm. 15.- Die Quellen bei RI lVII, Nr. 429, 272f. und Nr. 456,291 f.30 Wadle, Reichsgut und Königsherrschaft (wie Anm. 11), 68 f. (Rheinfranken), 78 (Nürn-berg), 99 (Zusammenfassung).31 ebda., 98f.

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auch wenig plausibel, daß Lothar III. vor den Stand des jahrelang ver-fochtenen »Regensburger Fürstenspruches- zurückzugehen bereit war,nur um den Preis der Aufgabe eines Gegenkönigtums willen, das imJahre 1135 für ihn keinerlei ernsthafte Bedrohung mehr darstellte". Ge-nau genommen sagt auch keine Quelle, die über die Unterwerfung derStaufer berichtet, etwas über die Behandlung des Reichsgutes aus, nichteinmal die späte, für die Ansicht einer vollständigen Restitution einzigeBelegstelle aus der Fortsetzung der Erfurter Annalen, die sich auch nurauf Konrad bezieht ". Vor einer zu hohen Wertschätzung dieser Nach-richt ist umso mehr zu warnen, als für den Großteil der Liegenschaftenzwischen 1135 und 1138 keine Belege vorhanden sind und jede Überle-gung über deren Behandlung zwangsläufig immer einen spekulativenCharakter haben muß. Man wird wohl am ehesten an einen Kompro-miß zu denken haben, bei dem das Reichsgut anläßlich der Unterwer-fung zunächst in die Hände Lothars gegeben wurde, anschließend aberzumindest teilweise wieder an Friedrich verlehnt wurde.

Doch nicht allein Einschränkungen in der Verfügung über ehemalssalisches Haus- und Reichsgut sind nachweisbar, sondern auch Konse-quenzen für den Besitz des staufischen Hauses. Geradezu in das Zen-trum des Hausverständnisses mußte es treffen, wenn Friedrich 11. alsVogt der Staufergründung und -grablege Lorch durch Hermann vonStahleck ersetzt wurde.", das Kloster wurde in der Folge nie zu einemsakralen Mittelpunkt des Hauses in dem Maße, wie es sowohl dem adli-gen als auch dem königlichen Hausverständnis der Zeit eigentlich ent-sprochen hätte ".

Auch Konrad hatte Einbußen hinzunehmen. Als Reichsstellvertreterund in Verbindung mit dem ducatus orientalis Franciae war ihm imJahre 1116 die Grafschaft im Kochergau zugefallen, zumal unmittelbarnach der Verleihung das dortige Grafengeschlecht ausgestorben war ".

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32 Einzige zusammenhängende Darstellung dieses Zeitraums immer noch bei WolfgangGiese, Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127-1135, in: ZRG GA 95 (1978)203-220, hier 207; zusammenfassend Engels, Staufer (wie Anm. 1), 30.33 Monumenta Erphesfurtensia saec. XII., XIII., XlV., ed Oswald Holder-Egger, Han-nover 1899, MGH SS rer. Germ.42, 42: Quem (i.e. Konrad) imperator ... omnia quae illiusfuerant restituit. Die Unterwerfung Friedrichs wird ebda., 41 berichtet, ohne daß etwasüber die Behandlung von Gütern ausgesagt wird. Ob die Formulierung omnia quae illiusante fuerant Reichsgut einschließt, läßt sich nicht entscheiden: Gerade die Frage des Eigen-tums bei dem vormals salischen Reichsgut war ja strittig gewesen.Jo4 Württembergisches Urkundenbuch, ed. Königliches Staatsarchiv Stuttgart, Bd. 3, Stutt-gart 1871, Nachtrag Nr. 6, 466£. (1138 o.T.).3~ Odilo Engels, Die kaiserliche Grablege im Speyerer Dom und die Staufer, in: JoachimDahlhaus und Armin Kohnle (Hgg.): Papstgeschichte und Landesgeschichte. FestschriftHermannjakobs, Köln 1995, 227-254, hier 233f.36 Aus den Nachrichten zur Beauftragung Konrads (wie Anm. 12) ergibt sich als deren

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Auf diese Rechtstitel in Verbindung mit der zeitlichen Koinzidenz,und nicht - wie lange Zeit angenommen - auf eine Heiratsverbin-dung)7 ist der Erwerb derjenigen ostfränkischen Gebiete zwanglos zu-rückzuführen, die später mit dem Zentralort Rothenburg eine beson-dere Rolle im staufischen Reichsland spielen sollten. In einer seinerersten Königsurkunden 38 regelte Konrad die Befugnisse des Grafen imKochergau, wo er nach Aussage des Diploms selbst Graf gewesenwar)'. Konrad hatte also die Grafschaft selbst nicht mehr inne; dieFrage nach dem Zeitpunkt, an dem er sie verloren haben könnte, führtwieder zurück zu seiner Unterwerfung im Jahre 1135, denn wennKonrad tatsächlich in Rothenburg oder Neuburg im Kochergau zumGegenkönig ausgerufen worden war ", so liegt nahe, daß er bis dahin

Zeitpunkt die Jahreswende 1115/16: Das dort als Ort der Handlung erwähnte Speyer ist alsAufenthaltsort des Hofes zuletzt belegt in St. Nr. 3123 (02.1.1116), als zumindest der dortzeugende Otto von Bamberg von der erfolglosen Gesandtschaft nach Köln zurückgekehrtwar. Die erste nachweisbare Station des folgenden Italienzuges war wahrscheinlich Augs-burg, zumal von dort eine auf den 14. Februar 1116 gefälschte Urkunde mit möglicher-weise originaler Zeugenreihe und Datierungszeile erhalten ist (Monumenta Boica 29,1,Nr. 443, 236 = St. Nr. 3125), vg!. H.]. Stüllein, Das Itinerar Heinrichs V.,Diss. München,1971,75. Der Aufbruch des Hofes ist wohl noch auf Januar anzusetzen. Der letzte nach-weisbare Graf von Komburg-Rothenburg starb erst am 20 Januar 1116 (Rainer J ooß, Klo-ster Komburg im Mittelalter. Studien zur Verfassungs-, Besitz- und Sozialgeschichte einerfränkischen Benediktinerabtei. Sigmaringen 21987, 19), ein Zeitpunkt also, als die Einset-zung Konrads schon erfolgt war. Der Reiseweg des Hofes nach Augsburg mag entlang desNeckars geführt haben, wodurch eine Berührung mit der Einflußzone der Komburg-Ro-thenburger anzunehmen wären; die soeben herrenlos gewordene Grafschaft wäre dann zudiesem Zeitpunkt an Konrad übergegangen, der in ihr eine willkommene Ausgangsbasisfür seine Aufgabe in Ostfranken sehen mußte.37 Hansmartin Decker-Hauff, Das staufisehe Haus, in: Die Welt der Staufer, Katalog zurStauferausstellung, Bd. 3, Stuttgart 1977, 339-374, hier 350, Nr. 37 sowie Ders., KonradIll. und die Komburg, in:Württembergisch Franken 62 (1978), 3-12 behauptete, aufgrundeines persönlichen Exzerptes aus dem »Roten Buch«, einem Kopial des Klosters Lorch,eine Tochter des letzten Kochergaugrafen als erste Ehefrau Konrads verifizieren zu kön-nen. Zum Zeitpunkt dieser Behauptung galt das »Rote Buch« als verbrannt; inzwischen istes jedoch restauriert (HStA Stuttgart, H14, Nr. 175) und bietet keine derartigen Hinweise,wie ich selbst überprüfen konnte. Ein übereinstimmendes Ergebnis wurde vorher schon er-bracht von Klaus Graf, Staufer-Überlieferungen aus Kloster Lorch, in: Lorenz undSch mid t (Hgg.): Von Schwaben bis Jerusalem (wie Anm. 1),209-240, hier 230-237, dessenForschungen mir zum Zeitpunkt meiner Untersuchungen noch nicht bekannt waren. -Rein rechnerisch wäre eine frühere Heirat Konrads zwar möglich, doch bleibt es in Erman-gelung von Quellen schiere Spekulation, aus diesem Sachverhalt weitere Schlüsse zu zie-hen.3' MGH D Ko 1Il., Nr. 14, 23f. (13.VIII.1138).39 ebda., Z. 37 f.: ... per totum comitatum Choggengou, quem ante nostram in regno subli-matione nos ipsi habuimus.40 Der Ort der Wahl ist unklar, da nur die Deutsche Kaiserchronik, ed. Edward Schröder,MGH Deutsche Chroniken 1,1, Hannover 1892, V.17045,388 den Ort mit Nivenburc an-gibt, was zu verschiedenen Deutungen geführt hat, vg!. die Zusammenstellung in RIIV/l,

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im Besitz der Grafschaft geblieben war und diese bis 1135 weiterhinzumindest beanspruchte.

Es läßt sich trotz der erwähnten Einschränkungen aber doch sagen,daß die beiden Staufer bei ihrer Unterwerfung, salopp ausgedrückt,noch einmal mit einem »blauen Auge« davongekommen waren.Lothar Ill. hatte sie nicht vollständig entmachtet, er war ihnen entge-gengekommen, wohl um für den anstehenden Italienzug freie Hand zuhaben. Dennoch befanden sich Friedrich und Konrad keineswegs in derPosition, Ansprüche stellen zu können, im Gegenteil, für die Zukunftdes Hauses mußte viel davon abhängen, wie sich die beiden Brüder mitden bestehenden Machtverhältnissen arrangierten. In diesen Zusam-menhang mußten auch Eheverbindungen von Interesse sein. Friedrichhatte sich wohl noch vor 1135 mit dem Grafenhaus von Saarbrückenverbunden, dessen Machtposition am Mittelrhein durchaus bedeutendwar ". Konrad ehelichte Gertrud von Sulzbach, deren Bruder einer derführenden Grafen im bayerischen Nordgau war und zudem über Ein-fluß im Bistum Bamberg verfügte ". Die Stauferin Gertrud schließlichwurde mit Hermann von Stahleck - Neustadt verheiratet, der im süd-östlichen Franken begütert war und am Mittelrhein Erbansprüchehatte.". Es ist auffällig, daß alle Heiratsverbindungen mit Geschlechterneingegangen wurden, deren Herrschaftsschwerpunkte in Rhein- undOstfranken lagen, eben den Gebieten, in denen die Staufer schon ab1116 tätig geworden waren. Offenbar versuchten die Staufer, vermittelsBündnissen auf lokaler Ebene in Verbindung zu bleiben mit ihrem überden Hausbesitz hinausreichenden Einflußgebiet.

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Nr. 150,96. Die beiden angegebenen Orte lagen im unmittelbaren Machtbereich der Korn-burg-Rothenburger Grafen. Für die Neuenburg bei Rothenburg sprachen sich u.a.Schmidt, Königswahl und Thronfolge (wie Anm.l), 60f. und Engels, Staufer (wieAnm. 1),28 aus, während Werner Goez, Konrad Ill. Der fränkische Stauferkönig, in: Jb d.Historischen Vereins f. Mittelfranken 89 (1977/1981),17-34, hier 26 das von Bernhardi,Lothar Ill. (wie Anm. 3), 139 in Vorschlag gebrachte Nürnberg favorisiert. Zu NeuburgGerd Wunder, Wo wurde Konrad IlL zum König gewählt?, in: Württembergisch Franken57 (1973), 279-282.41 Decker-Hauff, Das staufische Haus (wie Anm. 37), Nr. 35, 349; zu den lokalpoliti-schen Implikationen Speer, Lothar Ill. und Adalbert (wie Anm. 14), 131.42 Der genaue Zeitpunkt der Eheschließung ist unbekannt, lag jedoch eindeutig vor derKönigswahl Konrads; vg!. Bernhardi, Konrad Ill. (wie Anm. 22),19 Anm. 29; Decker-Hauff, Das staufisehe Haus (wie Anm. 37), Nr. 37,350; Goez, Konrad Ill. Der fränkischeStauferkönig (wie Anm. 40), 28.•) vgl. Ruth Gerstner, Geschichte der lothringischen und rheinischen Pfalzgrafschaft vonihren Anfängen bis zur Ausbildung des Kurterritoriums Pfalz, Bonn 1941, 73-77 (regional-politische Zusammenhänge); Werner Goez, Hermann von Stahleck, in: Fränkische Le-bensbilder 8, 1978, 1-21, hier 6ff. sowie Werle, Staufische Hausmachtpolitik (wieAnm. 29), 294 f., die beide auf die weitgehende geographische Deckung der Hausmachtsin-teressen der beiden beteiligten Häuser hinweisen.

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Die angestrebte Integration in die Adelslandschaft war eine Sache,das Auskommen mit Lothar Ill. eine andere. Letzteres betreffend ver-hielt sich Konrad zweifellos wesentlich geschickter als sein Bruder, derzwar Schwabenherzog geblieben war, aber trotz dieses bedeutendenAmtes nach 1135 nicht mehr im näheren Umkreis des Kaisers nachzu-weisen ist. Ob er tatsächlich an dem 2. Italienzug teilnahm, wie er es ge-mäß dem Bericht des Annalista Saxo anläßlich seiner Unterwerfunghatte beschwören müssen", läßt sich nur vermuten. Keine erzählendeQuelle erwähnt ihn in diesem Zusammenhang, selbst der AnnalistaSaxo nicht, der die prominentesten Großen aus dem Heer Lotharsnennt45• Auch in dem Diplom Lothars, das bei dem Hoftag zur Samm-lung des Italienheeres für das Stift Neumünster in Würzburg ausgestelltwurde46, taucht der Schwabenherzog nicht auf, ebensowenig in den inItalien ausgestellten Urkunden. Wenn Friedrich überhaupt nach Italienmitgezogen sein sollte, dann, so wird man schließen müssen, sicherlichnicht in einer exponierten Stellung. Offenbar gelang es Friedrich trotzseines Schwabenherzogtums nicht, sich den führenden Kreisen anzunä-hern.

Völlig anders stellt sich hingegen der Werdegang Konrads dar. Späte-stens ein knappes Jahr nach seiner Unterwerfung war er im näherenUmkreis Lothars " und bezeugte in der eben erwähnten Urkunde denSpruch des Fürstengerichtes, dem er - man könnte es aus dem Testatschließen - vielleicht auch angehörte.". Während des Italienzuges istKonrad noch mehrere Male als Zeuge nachweisbar, zumeist mit einemHerzogstitel versehen und in der Rangfolge der Zeugen an zweiterStelle hinter Heinrich dem Stolzen 49. Erzählende Quellen zeigen ihnauch mit der selbständigen Leitung militärischer Unternehmungen be-traut so, wie es dem von ihm ausgeübten Amt des Bannerträgers ent-sprach 51. Dieses Hofamt dürfte zudem einen Ehrentiteloder eine Aus-zeichnung bedeutet haben. Außerdem scheint Konrad bei Hofe die

44 Zu dieser Unterwerfungsbedingung RI IV/t, Nr. 429, 272 f.45 Annalista Saxo ad a. 1136, ed. Georg Waitz, MGH SSVI, Hannover 1844, 770.46 RI IV/t, Nr. 495, 322f. mit Angaben zu den Überlieferungsverhältnissen.47 Es besteht die Möglichkeit, daß Konrad sogar schon früher am Hofe war: In dem ver-fälschten MGH D Lo Ill. Nr.98 (angebI.22.III.t 136) zeugt ein Herzog Konrad, dessenHerkunft oder Geschlecht nicht näher bezeichnet werden; ob damit der Staufer oder derZähringer (so z, B. Petke in RI IV/t, Nr. 473, 30t H.) gemeint ist, bleibt Ermessenssache.48 RI IV/t, Nr. 495, 322f. (t5.-20.VIII.1136).49 RI IV/t, Nr. 510,331 f.; Nr. 522, 337f.;Nr. 635, 396ff., Nr. 651, 403f. - Zum Inhalt desHerzogstitels vgl, WaIter Kienast, Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland(9.-12. Jahrhundert), München 1968, 338.so RI IV/t, Nr. 534, 345f.; Nr. 580, 577; Nr. 581, 577f.51 Die Belege für dieses Amt gesammelt in RI IV/I, Nr. 494,320; zu Inhalt und Bedeutungdes Amtes vgl. den Artikel »Banner« von Wilfried Ehbrecht, in: Lex MA, Sp. 1419.

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Funktion oder die Macht gehabt zu haben, Leuten beim Kaiser Gehörzu verschaffen 52.

Der Unterschied zwischen dem politischen Werdegang der beidenstaufischen Brüder tritt deutlich zutage. Zwar hatten beide durch ihre je-weiligen Heiratsverbindungen lokal an Einfluß gewinnen können, dochwährend es Konrad gelang, sich in das Herrschaftsgefüge Lothars Ill.einzupassen und recht bald wieder zu den bedeutenden Reichsfürsten zugehören, stand Friedrich abseits. Ob er selbst sich zurückhielt oder ob ernicht zum engeren Kreis zugelassen wurde, geben die Quellen nicht zuerkennen, ebensowenig die Gründe, die zu dieser offenkundigen Di-stanz zwischen Kaiser und Schwabenherzog führten. Ein amicissimusLothars, als welcher Konrad später bezeichnet wurde.", war Friedrich,nach allem, was wir wissen, jedenfalls nicht, wohingegen der jüngereStaufer auf dem Wege war, sich politisch an der Seite des Kaisers zu pro-filieren.Mit anderen Worten, Konrad bewies eine höhere Integrationsfähig-

keit, die nicht unbemerkt bleiben konnte. Insbesondere der Italienzug,den Balderich in seiner zeitgenössischen Gesta Alberonis gar als dieeigentliche Versöhnung zwischen Konrad und Lothar bezeichnet.", er-möglichte ihm wohl auch, in näheren Kontakt mit Kräften zu kommen,die den Staufern bislang indifferent oder sogar ablehnend gegenüber-gestanden waren. Quellenmäßig belegt ist ausdrücklich die in Italiengeschlossene Freundschaft Konrads mit dem Trierer Erzbischof undspäterem »Königsrnacher« Albero ", eine Nachricht, der die Forschungfür die Ereignisse von 1138 hohe Bedeutung beigemessen hat. Offen-sichtlich war diese Verbindung aber kein Einzelfall: Weltliche Teil-nehmer des Italienzuges, die noch vor dem Bamberger Tag auf der SeiteKonrads standen, waren Otto von Rheineck 56 und der Reichsministe-riale Dietrich von Düren 57, möglicherweise auch Wilhelm von Bal-lenstedt - Orlamünde 58; in Bamberg kamen Herzog Ulrich von Karn-

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S2 RI IV/I, Nr.527, 340f.; Nr. 598, 378f. (der inhaltlich bedenkliche Bericht des PetrusDiaconus ist in dieser Hinsicht unverdächtig).S3 Helmold von Bosau, Slavenchronik, I, 41, ed. Bernd Schmeidler, MGH SS rer. Germ.32, Hannover 1909, 83.~ Gesta Alberonis auctore Balderico, ed. Georg Waitz, MGH SS VIII, Hannover 1848,252: .,. Canradus ... in predicta expeditione Lotharia regi reonciliatus est ..•ss ebda.: ... Conradus ... domini Alberoni archiepiscopo ... seseJamiliaritate magna et ser-oitio adiunxit; et tanta coniuncti sunt amicicia ...S6 Italienzug: RI IV/I, Nr. 510, 331f.; Nr. 522, 337f.; Nr. 635, 396ff. -Auf Seiten Konrads:MGH D Ko Ill. Nr. 6, 11H.S7 Italienzug: RI IV/I, Nr. 533, 344; Nr. 541,348. -AufSeiten Konrads: MGH DD Ko Ill.Nr. 3, 5ff.; Nr. 5, 8-11; Nr. 6, I1ff.; Nr. 9,17.ss Petke identifiziert in RI IV/I, Ne. 522, 337 den genannten Pfalzgrafen Willhelm mitdem Orlamünder, vg!. auch Ders., Kanzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lo-

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ten S9 und Poppo von Andechs 60, sowie - obwohl nicht ganz eindeutig inItalien nachweisbar - Albrecht der Bär61 und Engelbert von Tuszien 62

hinzu. Italienfahrer unter den ersten geistlichen Unterstützern Konradswaren Erzbischof Albero von Trier6J und Bischof Albero von Lüttich 64,

unter den Teilnehmern des Bamberger Tages schließlich die BischöfeHeinrich von Regensburg " und Andreas von Utrecht.", Ein Großteildieser Fürsten hatte in einem keineswegs schlechten Verhältnis zu Lo-thar Ill. gestanden 67, womit ihre Parteinahme für Konrad nicht als überden Tod des Süpplinburgers hinaus verlängerte Oppositionshaltung ge-gen ihn und seine Familie (einschließlich Heinrich dem Stolzen) erklärtwerden kann. Die Hinwendung zu Konrad erscheint unter diesemAspekt vielmehr als eine Entscheidung zugunsten eines Fürsten, dersich als neue Kraft innerhalb des bestehenden Systems bewährt hatteund im Aufstieg begriffen war.

Es soll nun nicht behauptet werden, der Italienzug allein habe Kon-rad Thronbesteigung und Durchsetzung der Herrschaft ermöglicht. Die

thar Ill., Köln- Wien 1984,241.-Auf Seiten Konrads: MGH DD Ko Ill. Nr. 3, 5ff.; Nr. 5,8-11; Nr. 6, 11H.;59 Italienzug: RI IV/I, Nr. 522, 337f.; Nr. 635, 396ff., Nr. 651, 403f.; zu der Frage nachdem Erscheinen Ulrichs in RI IV/I, Nr. 510, 331f. vgl. die dortige Nachbemerkung. - AufSeiten Konrads: MGH D Ko Ill. Nr. 10, 18f.60 Italienzug: RI IV/I, Nr. 510,331 f.; Nr. 634, 393ff.; Nr. 635, 396ff.-Auf Seiten Konrads:MGH D Ko III. Nr. 10, 18f.61 Die Identifikation im Anschluß an Wolfgang Petke, Kanzlei (wie Anm.58), 356Anm. 57 und RI IV/I, Nr. 510, 331f.; Nr. 510, 331f.; Nr. 600,381. - Auf Seiten Konrads:MGH D Ko III. Nr. 10, 18f.62 Engelbert taucht in Urkunden Lothars oder als selbständig Handelnder nicht in derÜberlieferung auf; von wird jedoch berichtet, daß er auf dem Italienzug eingesetzt werdensollte (RI IV/I, Nr. 554, 355; Nr. 584,1, 365), was seine persönliche Anwesenheit voraus-setzt. - Auf Seiten Konrads: MGH D Ko Ill. Nr. 10, 18f.63 Italienzug: RI IV/I, Nr. 510, 331f.; Nr. 522, 337f.; Nr. 527, 340f.; Nr. 593, 376f.; Nr. 596,376f.; Nr. 598, 378f.; Nr. 634, 393ff.; Nr. 635, 396ff.; Nr. 648,402. - Auf Seiten Konrads:MGH DD Ko Ill. Nrr.2-6, 3-13, Nrr.8-10, 15-19.64 Italienzug. RIIV/I, Nr. 510, 331f.; Nr. 522, 337f.; Nr. 593, 376f.; Nr. 634, 393ff.; Nr. 635,396 ff.; Nr. 648, 402. - Auf Seiten Konrads: MGH DD Ko Ill. Nrr.2-6, 3-13, Nr. 8, 15f.65 Italienzug: RI IV/I, Nr. 510, 331f.; Nr. 522, 337f.; Nr. 596, 376f.; Nr. 598, 378f.; Nr. 613,385 f.; Nr. 634, 393H.;Nr. 635, 396ff.; Nr. 648, 402. - Auf Seiten Konrads: MGH D Ko Ill.Nr. 10, 18f.66 Italienzug: RI lV/I, Nr.510, 331 f.; Nr.522, 337f.; Nr.634, 393H.; Nr.635, 396ff.;Nr. 648, 402.-AufSeiten Konrads: MGH D Ko Ill. Nr. 10, 18f. -vg!. a.W.JappeAlbertsund Stefan Weinfurter, Traiectum, in: Stefan Weinfurter und Odilo Engels (Hgg.), Se-ries episcoporum ecclesiae catholicae occidentalis, V/I, Stuttgart 1982, 197.67 Perke, Kanzlei (wie Anm. 58) stellt fest, daß Otto von Rheineck .in engen Beziehungenzu Lothar 1I1.. stand (S. 210) und Albrecht der Bär sicherlich einer der engeren VertrautenLotbars war (S. 249-360). Offene Konflikte für die anderen genannten Großen sind nichtnachweisbar, einzig das reservierte Verhältnis zwischen Albero von Trier und dem Kaiser(ebda., 256).

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Motive der Großen, Konrad zu unterstützen, mögen durchaus unter-schiedlich gewesen sein. Doch aus der Vielzahl der möglichen Beweg-gründe tritt deutlich nur einer hervor, der Konrad gegenüber seinemBruder Bruder Friedrich 11.hervorhebt: Sein Engagement auf der SeiteLothars 111.,das ihm eine höhere Akzeptanz verschaffte als dem Schwa-benherzog. Die Position, die Konrad im Laufe der Zeit einzunehmenverstanden hatte, läßt ihn im Gegensatz zu seinem Bruder keineswegsals unversöhnlich oder auf eigene Belange fixiert erscheinen, sondern alskonziliant und engagiert für die Angelegenheiten des Reiches. Manwird wohl schließen können, daß hierin - zum wiederholten Male seiauf die Einäugigkeit Friedrichs 11.hingewiesen - der Grund dafür lag,warum Konrad im Jahre 1138 den Vorzug vor seinem Bruder erhielt. Inder Situation des Jahres 1127 war Konrad der geeignetere Kandidat ge-wesen, da sich sein Bruder in eine schwierige Lage manövriert hatte, dieKonrad als relativ unvorbelastet erscheinen ließ; im Jahre 1138 hingegenwar es seine seit 1136 insbesondere auf dem Italienzug aktiv bewieseneFähigkeit zur Kooperation und die wohl auch daraus resultierende An-erkennung, die ihn in diese Position brachten und ihm letztlich auch dieDurchsetzung seines Königtums erleichtert haben mögen.

Die Tatsache, daß Konrad dem vereinbarten Wahltermin zuvorkam,deutet darauf hin, daß der Staufer es letzten Endes nicht auf ein direktesKräftemessen mit Heinrich dem Stolzen ankommen lassen wollte.Doch vergegenwärtigt man sich die genannten Faktoren, die zu seinenGunsten sprachen - mittlerweile erworbenes Ansehen, Verwandtschaftzu den Saliern, Rückhalt in bestehenden Verwandtschaftsbeziehungenund deren Umfeld, Ausnutzung bestehender Unstimmigkeiten mitHeinrich dem Stolzen auch durch Wahlversprechen -, so fragt sich, obKonrad bei einer regulären Wahl tatsächlich ein vollkommen aussichts-loser Kandidat gewesen wäre. Diese Mutmaßung ist umso mehr berech-tigt, wenn man einen weiteren Aspekt berücksichtigt: Die Position, dieder deutsche Episkopat zu dem »Coup« Konrads einnahm. Von Beginnan konnte der später zu Unrecht als ,.Pfaffenkönig« gescholtene Stauferunter den geistlichen Großen auf eine erstaunlich große Anhängerschaftzählen. Schon vor dem Bamberger Hoftag vom Mai 1138 war demZeugnis der Urkunden nach die Geistlichkeit unverhältnismäßig starkan dem jungen staufischen Königtum beteiligt. Sowohl der Anzahl alsauch dem Rang der Bischöfe nach übertraf die Anteilnahme des Episko-pates bei weitem diejenige der weltlichen Fürsten, von denen zunächstnamentlich lediglich lothringische Große belegt sind 68. Eine Erklärung

68 So schon Bernhardi, Konrad Ill. (wie Anm. 22), 24. Die Zusammenhänge klargestelltvon Vones-Liehenstein, Neue Aspekte (wie Anm. I), passim.

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dieses Sachverhalts und die Antwort auf die Frage, ob und gegebenen-falls warum die Wahl Konrads auch von Seiten des Episkopates betrie-ben wurde, stehen noch aus. Sieht man von den Überlegungen ab, dieüber die Beweggründe des »Königsmachers«, des Trierer ErzbischofsAlbero von Montreuil und seinem Umkreis angestellt worden sind 69, sowertet die Forschung als aktiv beteiligte kirchliche Kraft eigentlich nurdas Papsttum, dessen mutmaßliche Rolle jedoch als höchst umstrittengelten kann 70. Die anscheinende Passivität des deutschen Episkopates,der für das frühe 12. Jahrhundert ungewöhnlich unprofiliert in willigemGefolge der Kurie erscheint, muß umso mehr verwundern, wenn mansich seine Situation im Jahre 1138 vor Augen führt.

Im Laufe des Jahres 1137 und zu Beginn des nächsten Jahres wareneine ganze Reihe von Vakanzen eingetreten, unter denen diejenigen inden Erzbistümern Köln und Mainz nur die prominentesten waren. Va-kanzen oder zumindest noch unbestätigte Nachfolgeregelungen sindauch für die Bistümer Freising ", Basel ", Merseburg ", Brandenburg "und an Osnabrück 75 anzunehmen. Konstanz war zu diesem Zeitpunktpraktisch unregierbar ". Eine Wiederbesetzung stand zudem in demReichsdamenstift Quedlinburg an 77. Insgesamt waren also zwei Erzbis-

69 Die ältere Forschung und Literatur behandelt bei Vones-Liebenstein, Neue Aspekte(wie Anm. 1),331-334.70 Diese Ansicht, die schon Bernhardi, Konrad III. (wie Anm. 22),16 aus der Gesinnungseiner Zeit heraus vertrat, hat Schmidt, Königswahl und Thronfolge (wie Anm. I), 80f.wieder in die Diskussion eingebracht. Anklänge daran auch bei Faussner, Thronerhebung(wie Anm. 1),25.71 Cornelia Kirchner-Feyerabend, Otto von Freising als Diözesan- und Reichsbischof,Frankfurt 1990, 37-42; im Gesamtkontext des Jahres 1138 bei Odilo Engels, Die Restitu-tion des Bayernherzogtums an Heinrich den Löwen, in: Jochen Luckhard und FranzNiehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation derWelfen 1125-1235, Bd. 2, München 1995,159-171, hier 160f.72 Albert Bruckner (Hg.), Helvetia Sacra, Abtlg I, Bd. 1, Bern 1972, 172.n Waiter Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, Bd. 2, Köln - Graz1962,70.74 Gustav Abb und Gottfried Wentz, Das Bistum Brandenburg, Berlin 1929, 24f.7S Udo von Osnabrück war während des Italienzuges gewählt worden (zu den Daten vg!.Helmut Kluger und Angelika Spicher- Wendt, Osnabrugensis ecclesia, in: Weinfurter /Engels [Hgg.], Series episcoporum V/I, [wie Anm. 66.), 161),wahrscheinlich auch geweiht(so Bernhardi, Konrad Ill. wie Anm. 22], Anm.4 auf 25f.). Die Investitur muß - auchdurch den Wechsel in Köln - jedenfalls noch ausgestanden haben.76 Albert Bruckner (Hg.), Helvetia Sacra, Abtlg I, Bd. 2, Bern 1993, 269f. vg!. auch Mar-lene Meyer-Gebel, Bischofsabsetzungen in der deutschen Reichskirche vom WormserKonkordat (1122) bis zum Ausbruch des Alexandrinischen Schismas (1159), Siegburg 1992,170-181.77 Zur Situation vgl, Karlotto Bogumil, Das Bistum Halberstadt im 12.Jahrhundert. Stu-dien zur Reichs- und Reformpolitik des Bischofs Reinhard und zum Wirken der Augusti-ner-Chorherren, Köln - Wien 1972,233.

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tümer, sechs Bistümer und ein Reichsstift vakant oder zumindest nichtfunktionstüchtig. Sicherlich waren nicht all diese Institute von eminen-ter Bedeutung, doch mußte sich angesichts der Masse der anstehendenWiederbesetzungen für den deutschen Episkopat wie für das Papsttumauch die Frage stellen, was von welchem Königskandidaten zu erwartensein würde.

Die Erwartungshaltung des Papsttums an einen neuen Herrscher imReich sind wohl dahingehend zu interpretieren, daß dieser den im ,.In-vestiturstreit- erreichten gangbaren Weg nicht zu verlassen trachteteund auch im Kontakt mit dem Papsttum nicht versuchen würde, demKönigtum eine Suprematie zu verschaffen. Letzteres wird die Kurienach den Ereignissen des Italienzuges der Jahre 1136/37 wohl eherdurch Konrad als durch Heinrich den Stolzen gewährleistet gesehen ha-ben 78. Die Fortführung der Regelungen des Wormser Konkordates, aufdie schon Lothar Ill. geachtet hatte, war auch Teil der - bislang nochnicht eingehend untersuchten - Kirchenpolitik Konrads. Man wird mitBernhardi annehmen dürfen, daß schon die erste von ihm durchge-führte Investitur in Mainz nach diesem Modus ablief".

Daß damit das Papsttum ein Motiv hatte, dem Welfen den Staufervorzuziehen, liegt auf der Hand. Ob in der Kurie bzw. ihrem LegatenDietwin aber die einzige treibende Kraft zu sehen ist, wie kürzlich erstwieder unter Rekurs auf die Thesen der älteren Forschung erwogenworden ist 80, ist damit nicht gesagt. Die Beteiligung des Reichsepisko-pates bei den vorangegangen Königswahlen ist unbestritten, und es istnur schwer vorstellbar, daß sich diese politisch durchaus nicht vomPapsttum abhängige Rolle mit einem Mal erledigt hätte. Die Reformge-sinnung, die auf den Erhalt der libertas und damit gleichzeitig auch -zumindest in den Augen der Zeitgenossen - auf den Erhalt der territo-rialen und politischen Stellung der Kirche und ihrer Institute abzielte",

78 Engels, Staufer (wie Anm. 1), 34 betont zu Recht traditionellen Beziehungen der Wel-fen zum Reformpapsttum und ihre Zuwendung zu den Reformkanonikern; doch mußtedas Papsttum von dem »energischen Verfechter der Reichsrechte- (ebda.) seinem Verhaltenauf dem Italienzug nach; vgl. hierzu Bernhardi, Lothar Ill. (wie Anm. 3), 693-708 sowieders. Konrad Ill. (wie Anm. 22), 4f.; trotz aller prinzipiellen Übereinstimmung eher vonHeinrich dem Stolzen eine politische Bedrohung erwarten als von Konrad, der nicht durchEigenmächtigkeiten aufgefallen war und zum Freundeskreis Alberos von Trier zählte, derwiederum als frisch ernannter Legat für das Reich gute Beziehungen zur Kurie unterhielt.79 Bernhardi, Konrad Ill. (wie Anm. 22), 34.80 wie Anm. 70.81 In der Forschung laufen hier oft zwei Diskussionen nebeneinander; die m. E. nicht soweit voneinander entfernt sind, wie es den Anschein haben mag. War ein Anliegen der Re-formgesinnung der Erhalt kirchlicher Freiheit, so umschloß dieser Freiheitsbegriff auch dieFreiheit - die Unantastbarkeit - des kirchlichen Besitzes; vgl. Brigitte Szab6-Bechstein,»Libertas ecclesiae« vom 12. bis zur Mitte des 13.Jahrhunderts. Verbreitung und Wandel

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hatte seit dem Ende des 11. Jahrhunderts unverkennbar politisches Ge-wicht gewonnen 82 und war nun weiterhin von Bedeutung, untersuchtman die Lage, in der sich ein Großteil derjenigen Bischöfe befanden, dieunmittelbar nach der Krönung in Aachen an der Seite Konrads in Kölnnachweisbar sind.

Reformgesinnung und territoriales Streben gleichzeitig sind deutlichbelegt für die Person Erzbischof Alberos von Trier und den Großteilseiner Suffragane ". Auch für Rudolf von Halberstadt stellte sich dieFrage nach der Freiheit der Kirche: Das mit seinem Bistum verbundeneDamenstift Quedlinburg war vakant, und in den fortdauernden Kon-flikten mit dem Vogt Friedrich von Sommersehenburg drohte diese Po-sition von rein weltlichen Interessen mediatisiert zu werden, was umsobedeutender war, als die Stadt durch die Privilegierung Lothars an wirt-schaftlicher Bedeutung gewonnen hatte 84. Halberstädter Kanoniker warübrigens auch Bischof Werner von Münster vor seiner Erhebung gewe-sen 8S; über seine Motive zur Parteinahme läßt sich in Ermangelung vonQuellen ansonsten nichts sagen. Unklar ist auch die Position Embrichosvon Würzburg: Im Jahre 1127 durch Lothar Ill. zur Beendigung einesfünfjährigen Streites um die Besetzung des Bistums eingesetzt.", war er

des Begriffes seit seiner Prägung durch Gregor VII., in: Johannes Fried [Hg.], Die abend-ländische Freiheit vom 10. bis zum 14.Jahrhundert: der Wirkungszusammenhang von Ideeund Wirklichkeit im europäischen Vergleich, Sigmaringen 1991, 147-175). Dies wird schonbei der libertas Moguntina deutlich. Bischöfliche Territorialpolitik, oft genug als profaneMachtausweitung betrachtet, hat damit auch eine sakrale Komponente, wie sie auch zeit-verzögert im Wandel des Bischofsideals hervortritt; vgl. Hugo Stehkämper, Der Reichsbi-schof und Territorialfürst, in: Peter Berglar und Odilo Engels (Hgg.), Der Bischof in sei-ner Zeit. Bischofstypus und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche, Köln 1986,95-184. Mit dieser hier nur pauschal aufgestellten Behauptung, die weiterer Untersuchungbedarf, ist keineswegs etwas über die Ursächlichkeiten in dieser Wechselbeziehung gesagt;es solllediglich darauf hingewiesen werden, daß das 12.Jh. sicherlich nicht in den Katego-rien der modernen Geschichtsforschung dachte.82 Zu 1105 vgl. Stefan Weinfurter, Reformidee und Königtum im spätsalischen Reich.Überlegungen zu einer Neubewertung Kaiser Heinrichs V., in: Ders. (Hg.): Reformideeund Reformpolitik in spätsalisch-frühstaufischer Zeit, 1-45; die Frage der Reformgesin-nung spielt auch bei Vones, Der gescheiterte Königsmacher (wie Anm. 1), passim, einegroße Rolle, wenngleich die Bedeutung Adalberts von Mainz in einem neuen Licht er-scheint.8l Vones-Liebenstein, Neue Aspekte (wie Anm. 1),332 f., Petke, Kanzlei (wie Anm. 61),255f.; Marie-Luise CRONE, Untersuchungen zur Reichskirchenpolitik Lothars Ill.(1125-1137) zwischen reichskirchlicherTradition und Reformkurie, Frankfurt - Bern 1982,92ff.84 Bogumil (wie Anm. 77), 225f.; Crone (wie Anm. 83), 188f.8~ Crone (wie Anm. 83), 83.B6 Zur Einsetzung Embrichos vgl. RI IV/I, Nr. 151, 96ff.; zum Streit um das Bistum AlfredWendehorst, Das Bistum Würzburg, Teilt. Die Bischofsreihe bis 1254, Berlin 1962,132-139 sowie Meyer-Gebel, Bischofsabsetzungen (wie Anm. 77), 32-48.

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entschiedener Parteigänger des Süpplinburgers, stand jedoch sofort aufSeiten Konrads Ill., an dessen Hof er bald zu einiger Bedeutung aufstei-gen sollte. Man kann nur vermuten, daß er durch die schnelle Beteili-gung am Königtum des Staufers Positionen seines Bistums in Ostfran-ken zu erhalten suchten, die ihm vielleicht durch die Unterwerfung derStaufer zugefallen waren 87.

Auch die Nachfolgeregelungen in Köln und Mainz, deren Bestäti-gung man Konrad wohl zu seiner Wahl abverlangte, passen in diesenZusammenhang. Der neue Kölner Erzbischof Arnold I. stand im Span-nungsfeld zwischen erzbischöflicher Territorialpolitik und konkurrie-renden Ansprüchen von Laien, wobei hier nicht die Form der Kanoni-kerreform zum Tragen kam, sondern die Siegburger Reform sowie diewegen des Priorenkollegs für Köln typischen Verhältnisse 88. In Mainzjedoch trat Adalbert II. in die Nachfolge seines gleichnamigen Onkelsein 89, der ja als Verteter der libertas Moguntina und ihrem Zusammen-spiel mit territorialen Ansprüchen geradezu ein Paradebeispiel für dieVerkettung von Reform und Territorialpolitik darstellt ". Adalbert 11.stammte zwar aus dem Saarbrücker Grafenhaus, mit dem die Stauferüber die Einheirat Friedrichs II. mittlerweile verschwägert waren 91,

doch wie sein Vorgänger sah auch er keine Veranlassung, widerstandslosden königlichen Absichten nachzugeben, selbst die consanguinitasspielte hierfür keine Rolle 92.

Die ersten episkopalen Anhänger Konrads Ill. stellen also insofern

87 In diesem Kontext sind wohl die Besonderheiten zu sehen, die MGH D KIll. Nr. 14,23 f. bietet: Der hier ausgesprochene Königsschutz für Kloster Komburg wird salvo omniaiure et iusticia Wirziburgensis episcopi verliehen, die Gerichtsrechte consentiente Embri-chone geregelt und zwischen Signums- und Rekognitionszeile findet sich ein nicht in Elon-gata gehaltener Einschub: Hoc etiam Embichone (sie!) Wirziburgensis episcopus sua presen-tia et peticione confirmavit. Vgl. hierzu vorerst Peter J ohanek, Der Markt von SchwäbischHall, Kloster Comburg und das Herzogtum Würzburg. Zur Kritik der Urkunde BischofGebhardts vom 10J1.1156, in: Württembergisch Franken 64,1980,27-62, hier Anm.151auf 61.88 Manfred Groten, Reformbewegungen und Reformgesinnung im Erzbistum Köln in:Stefan Weinfurter (Hg.), Reformidee (wie Anm. 82), 97-118; Ders., Priorenkolleg undDomkapitel von Köln im Hohen Mittelalter. Zur Geschichte des kölnischen Erzstifts undHerzogtums, Bonn 1980, US f.; zum Hintergrund Odilo Engels, Die Stauferzeit. in: FranzPetri und Georg Droege (Hgg.), Rheinische Geschichte 13,199-296, hier 216-223.89 Stefan Weinfurter, Reformkanoniker und Reichsepiskopat im Hochmittelalter, in: HJb97/98 (1978) 158-193, hier 166-169.90 Ludwig Falck, Klosterfreiheit und Klosterschutz. Die Klosterpolitik der Mainzer Erz-bischöfe von Adalbert I.bis Heinrich I.(1110-1153), in: AmrhKG 8 (1956) 21-75; zusam-mengefaßt bei Weinfurter, Reformkanoniker (wie Anm. 89), 167.9. Wie Anm. 41.92 Heinrich Büttner, Das Erzstift Mainz und das Reich im 12.Jahrhundert. in: Hess. Jb f.Landesgesch. 9 (1959) 18-36, hier 22 f.

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eine Gruppe mit innerer Geschlossenheit dar, als sich hier, so weit fest-stellbar, Vertreter einer bestimmten Auffassung von dem Verhältniszwischen geistlicher und weltlicher Herrschaft zusammenfanden. DieseGeistlichen entsprachen damit in der Regel einem bestimmten Typusdes Bischofs, wie ihn das frühe 12. Jahrhundert herausgebildet hatte.Daß der »Reichsbischof und Territorialherr« auch gewisse Ansprüchean das Königtum stellte, hatte die Herrschaft Heinrichs V. zur Genügegezeigt; seine Wahl wie auch diejenige Lothars Ill. waren maßgeblichvom deutschen Episkopat beeinflußt worden 93. Auch Konrads Thron-erhebung werden Überlegungen und Absprachen von dieser Seite hervorausgegangen sein. Die politisch-geistliche Ausrichtung seiner erstennamhaft zu machenden Anhänger legt nahe, daß man einen Kandidatensuchte, der auch im Hinblick auf die anstehenden Neubesetzungen dieAnsprüche des Episkopates respektierte und nicht, wie man Heinrichdem Stolzen in einem Schreiben aus Bamberg vorwarf, die »Kirche mitseiner Macht erstickte« 9\

Daß der deutsche Episkopat oder zumindest ein Teil von ihm imJahre 1138 eine eigene Haltung einnahm und aktiv vertrat, läßt sich na-türlich nur über die angeführten Indizien wahrscheinlich machen.Strenggenommen ist diese These ebensowenig belegt wie diejenige, al-lein der Einfluß des Heiligen Stuhles habe vermittels des Legaten Diet-win die Weichen gestellt. Überhaupt scheint fraglich, ob man wirklichnur eine federführende Partei annehmen sollte. Die kirchliche Förde-rung der Wahl Konrads scheint, bei realistischer Einschätzung der Lage,doch wohl von beiden Seiten ausgegangen zu sein: Der Staufer bot wohlam ehesten Gewähr dafür, daß den Ansprüchen beider Seiten Genügegetan wurde. Es ist schwer vorstellbar, daß in der konkreten Situation inKoblenz ein Kandidat gewählt worden wäre, der nicht rückhaltlos vonallen Anwesenden - oder allen, die auch unmittelbar danach an seinerSeite nachweisbar sind - unterstützt worden wäre. Man scheint sich inden Fragen des Verhältnisses zwischen imperium und sacerdotium nichtauf Neuregelungen eingelassen zu haben. Die Linie etwa Konrads vonSalzburg, der radikale Forderungen wie den vollkommenen Verzichtauf das hominium vertrat'S, wurde nicht eingeschlagen, was den zöger-lichen Beitritt des Erzbischofs wohl hinreichend erklärt. Es steht dahin,

9) Wie Anm. 82.94 Epistolae Bambergenses, Nr. 33, 529f ..: Quem (i.e. Heinrich der Stolze) idcirco a nostrisconsiliis segregavimus, quia a matre nostra sancta Romana ecclesia... , quam sua potentiasuffocavit ... (Schreiben der Fürsten an Konrad vom Salzburg mit der Ladung nach Re-gensburg).9S Vita Chunradi archiepiscopi c.5, ed. Wilhelm Wattenbach, MGH SS XI, Hannover1854,66.

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ob Heinrich der Stolze derart große Zugeständnisse in der Kirchenpoli-tik gemacht hätte, daß er die Unterstützung des Salzburgers erhaltenhätte. Nachrichten wie die der Pöhlder Annalen, Konrad Ill. sei elec-tione ep is cop or um et aliquorum principum an die Macht gekom-men 96, Quellen also, die von einer Beteiligung des Episkopates an denVorgängen des Jahres 1138 berichten, erscheinen aber nach dem ebenDargelegten vielleicht in einem veränderten Licht.

Innerhalb des deutschen Episkopates bestanden in der Frage des Ver-hältnisses zu weltlicher Macht beträchtliche Differenzen, die eine rela-tive Geschlossenheit wie etwa im Jahre 1104/5 verhinderten. Ein ein-heitliches Handeln wurde auch dadurch erschwert, daß Bischöfe inregionale Herrschaftsstrukturen eingebunden waren, die dem neuenKönig nicht unbedingt freundlich gegenüberstehen mußten. So findensich im Jahr 1138 nur wenige sächsische Bischöfe auf der Seite Konrads,was wohl auf den Einfluß Heinrichs des Stolzen und die angespannte Si-tuation in Sachsen zurückzuführen ist. Doch neben dem Episkopat ausdem welfischen Machtbereich hatten noch weitere Vertreter der Geist-lichkeit nicht am Herrschaftsantritt Konrads Ill. Anteil, die ebenfalls ineinem geographisch-politischen Zusammenhang standen: Die Bischöfevon Straßburg, Chur, Konstanz 97 und Augsburg, also der gesamte Epi-skopat aus dem Südwesten des Reiches, mithin alle amtierendenBischöfe aus dem Machtbereich Friedrichs 11. (Basel war wohl nochvakant "}, Will man in diesem Sachverhalt nicht einen Zufall sehen, sofragt sich, ob hier eine innerer Zusammenhang bestanden haben könnte,was letzten Endes zu der Frage führt, welche Position der Schwaben-herzog zum Königtum seines Bruders bezog. Überlegungen hierzu sindkaum angestellt worden, erscheint doch der Beginn des »staufischen«Königtums als besondere Entwicklungsstufe des Hauses der »Heinri-ehe von Waiblingen« 99 und nicht als Aufstieg einzelner, die individuelleZiele verfolgten. Doch sammelt man einmal das wenige, das über dasVerhältnis zwischen dem Brüderpaar Friedrich 11.und Konrad überlie-fert ist, so gerät dieses Bild ins Wanken.

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96 Annales Palidenses auctore Theodoro monacho, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SSXVI, Hannover 1859, 80.97 Wie oben S. 324 ausgeführt, kann Konstanz in dieser Zeit nicht unbedingt als voll funk-tionsfähig bezeichnet werden; dennoch hätte es nahe gelegen, daß zumindest eine der Kon-fliktparteien von dem neuen, von der überwiegenden Mehrheit des Episkopats getragenenKönig unverzüglich eine Lösung der Probleme verlangt hätte.98 Albero Ill.war am 16.x.1137 gestorben, das Datum der Einsetzung seines Nachfolgersist ungewiß, da dieser erst am 18.111.1139 als Bischof belegt ist, vg!.Bruckner, Helvetia Sa-era (wie Anm. 72), 172.99 Otto von Freising, Gesta 11, 2, 284.

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Schon beim Tode Friedrichs 1.war dessen Erbe zwischen seine beidenSöhnen aufgeteilt worden 100, und diese Teilung setzte sich fort, alsFriedrichs 11.und Konrad zwischen 1116 und 1120 die Reichsstellver-treterschaft für Heinrich V. ausübten: Friedrich Il. und Konrad wirktenin verschiedenen Gebieten, ohne jemals nachweislich zusammenzuar-beiten. Daraus resultierten zwei voneinander geschiedene Einflußzo-nen, die bis in die Zeit Konrads Ill. Bestand hatten 101. Auch nach 1120ist ein politisches Zusammenwirken der Brüder kaum nachweisbar. Zu-nächst scheint Friedrich das Heft in die Hand genommen zu haben. Ei-genständige Taten Konrads sind nicht überliefert, und seine fast schonstereotype Bezeichnung als frater Frederici ducis, die bei weitem häufi-ger angewandt wurde als der dux-Titel, tritt uns aus zahlreichen Erwäh-nungen entgegen 102, womit der Eindruck politischer Profillosigkeitnoch verstärkt wird. Selbst bei dem Streit um die Besetzung des BistumsWürzburg seit dem Jahre 1122, der zu einer ersten Differenz mit Hein-rich V. geführt hatte, stand der Schwabenherzog im Vordergrund, ob-wohl Konrad durch sein früheres Engagement im mainfränkischenRaum Interessen und vielleicht auch Rückhalt hatte 103. Ebenso wie das

100 Heuermann, Hausmachtpolitik (wie Anm. 9), 45ff.101 Werle, Hausmachtpolitik (wie Anm. 29), 254-257.102 Als [rater Frederici ducis etwa in: Gesta Treverorum, ed. Georg Waitz, MGH SSVIII,Hannover 1848, 199;Honorii Summa ad a. 1125, ed. Georg H. Pertz, ebda., 131;Vita Chu-onradi archiepiscopi, ed. Wattenbach, ebda., 76; Armales Herbipolenses, ed. Georg H.Pertz, MGH SSXVI, Hannover 1859, 2; Annales Palidenses ad a.1127, ebda., 78; AnnalesMagdeburgenses ad a. 1135, ebda., 185; Annales Spirenses, ed. Georg H. Pertz, MGH SSXVII, Hannover 1861, 81; Annales Benedictborani ad a. 1138, ed. Phillip Jaffe, ebda., 319;Annales Ratisponenses ad a. 1127, ed. Wilhelm Wattenbach, ebda., 585; Bertholdi Zwifal-tenses chronicon, ed. Wallach u. a. 232. - als dux: Canonici Wissengradensis continuatuoCosmae, ed. Rudolf Köpke, MGH SS IX, Hannover 1851, 133; Annales Mellicenses, ed.Wilhelm Wattenbach, ebda., 503; Annales sancti Disibodi ad a. 1128, ed. Georg Waitz,MGH SS XVII, Hannover 1861, 24. - als dux Sueviae: Chronic a monasterii Casensis Ill,ed. Wilhe1mWattenbach, MGH SSVII, Hannover 1846, 822, 832, 842; Annales Ottenbu-rani, Annales Isingrimi maiores ad a. 1138, ed. Georg Pertz, MGH SS XVII, Hannover1861,312; Annales Colonienses Maximi ad a. 1138 (recensio 11),ed. Pertz, ebda., 758. - MitBezug auf Rothenburg: Gesta archiepsicoporum Magdeburgensium ad a. 1125, ed. Wil-helm Schum, MGH SSXII, Hannover 1883,412; Annales Spirenses, ed. Georg H. Pertz,MGH SSXVII, Hannover 1861, 82.103 Die Kochergaugrafschaft hatte Konrad zu diesem Zeitpunkt noch inne (vgl. obenS. 317f£.). Desweiteren sind im Umkreis der Komburg-Rothenburger Geschlechter nach-weisbar, die wohl schon seit 1116 auf Seiten Konrads standen, etwa die Herren von Bielriet,eine Seitenlinie des Grafengeschlechts; vgl. hierzu Gerd Wunder, Bielriet, in: Württember-gisch Franken 71 (1987) 273-278), von VeIlberg; Ders., Die Ritter von VeIlberg, in: Vell-berg in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, Sigmaringen 1988, 129-196, hier 144f., vonOberrot; Gerhard Fritz, Forschungen zur Geschichte von Oberrot, in: WürttembergischFranken 69 (1985),17-69, hier 19 und von Lobenhausen. Zu dieser Familie immer nochHermann Bauer, Die Grafen von Lobenhausen und Flügelau, in: Württembergisch Fran-ken 8 (1868) 1-18 und 70-82 (Regesten).

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Eingreifen in den Würzburger Streit ist wohl auch die EinzelaktionFriedrichs bei der Rückführung Buccos von Worms in seine Bischofs-stadt (1124) als Anzeichen persönlichen Herrschaftsstrebens von SeitenFriedrichs n. zu werten 104. Der Zug Konrads ins Heilige Land, unab-hängig davon, wie weit man den unterstellten religiösen Motiven lOS

Glauben schenkt oder nicht, war gleichbedeutend mit seinem Rückzugaus der Reichspolitik oder, aus der Perspektive des Hauses betrachtet, erdokumentiert »ein mangelndes Interesse am politischen Schicksal seinesBruders- 106.

Auch während des Gegenkönigtums Konrads sind nur über ein gutesJahr hinweg gemeinsame Aktionen der staufischen Brüder belegt 107. Ab1129 trennten sie sich, wohl aus taktischen Gründen, und Konrad zognach Italien, wo er bis mindestens 1132 blieb 108. Wie weit das staufiseheVorgehen in dieser Zeit überhaupt abgestimmt gewesen sein kann, istfraglich; die Unterwerfung fand jedenfalls zu unterschiedlichen Zeitenan verschiedenen Orten statt - auch dies nicht unbedingt ein Beleg fürGemeinsamkeit. Daß die Brüder nach der Unterwerfung unterschiedli-che (oder gar getrennte?) Wege gingen, ist schon ausgeführt worden 109.

Erst bei den Vorgängen des Jahres 1138 ist Friedrich dann wieder aufder Seite seines Bruders nachzuweisen. Seine Teilnahme am Wahlaktselbst berichten nur zwei erzählende Quellen 110; die Urkunden Kon-rads Ill. erwähnen ihn allerdings nicht in Köln, sondern erst inMainz 111. Die Regelung der dortigen Bischofswahl schreibt ihm nurOtto von Freising in der »Gesta Frederici« zu 112. Erst nachdem sich dasKönigtum Konrads Ill. stabilisiert hatte, findet man Friedrich 11.regel-mäßig an der Seite seines Bruders. Mit deutlichem Abstand ist er der

104 Engels, Staufer (wie Anm. 1), 23; vgl, zuletzt Hubertus Seibert, Reichsbischof undHerrscher. Zu den Beziehungen zwischen Königtum und Wormser Bischöfen in spätsa-lisch-frühstaufischer Zeit (1107-1217), in: ZGO 104 (1995) 97-144, hier 108f.lOS Ekkehard von Aura, Chronik ad a. 1124,364.106 Engels, Staufer (wie Anm. 1),23.107 Ono von Freising, Gesta I, 18, 158f.108 Zum zeitlichen Ablauf vgl, Jan Paul Niederkorn, Konrad Ill. als Gegenkönig in ita-lien, in: DA 49 (1993) 589-600, hier 596.109 Vg!. oben, S. 320f.110 Gesta Alberonis c. 15,252; Berthold von Zwiefalten, Liber de constructione Zwifilden-sis c.30, ed Leopold Wallach u.a, Schwäbische Chroniken der Stauferzeit. Sigmaringen1978,235.111 vg!. MGH DD Ko Ill. 2-8, 3-16.11l Zusammenstellung der übrigen Quellen bei Bernhardi, Konrad Ill. (wie Anm. 22), 33Anm. 17. - Das Zitat, mit welchem ebda. Anm. 16 die Abhängigkeit der Wahl Adalbertsvon staufischem Wohlwollen gezeigt werden soll, stammt im Gegensatz zur angegebenenStelle aus Otto von Freising, Gesta I, 24,168 und ist m.E. keinesfalls als schlüssiger Belegzu werten.

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meisterwähnte weltliche Fürst in den Diplomen des ersten Staufer-königs 113. Doch auch hier ist zu fragen, ob dies unbedingt als Indiz fürdie Geschlossenheit des Hauses gewertet werden muß; politische Ge-meinsamkeiten allein, wenngleich zwischen Verwandten, machen nochkein »Haus«. Ein Haus ist auch eine ideelle Gemeinschaft mit einem ge-meinsamen Bezugspunkt, einer Stammburg und einer Grablege für dieMitglieder des Hauses. Doch gerade letzteres fehlt für die frühen Stau-fer. Ob Konrad nun in Lorch beerdigt werden wollte oder nicht 114, we-der er noch Friedrich 11.sind in der Familiengründung beigesetzt, undauch später wurde kein Versuch unternommen, seine Gebeine dorthinoder - entsprechend dem sich entwickelnden Selbstverständnis als»Haus der Könige« - nach Speyer zu transferieren, wie dies KaiserFriedrich 11. mit den sterblichen Überresten Phillips von Schwabentat lIS. Ganz offensichtlich drücken die unterschiedlichen Begräbnisorteeine Distanz aus, die auch später nicht mehr aufgehoben wurde.

Letzten Endes, so wird man schließen müssen, lassen die nachweisba-ren Taten nicht viel von einem Zusammengehörigkeitsgefühl des staufi-sehen Hauses erkennen. Doch hat sich die Sicht der Forschung nie aus-schließlich auf die Beweiskraft der Ereignisse verlassen, sondern dasZeugnis Ottos von Freising herangezogen, dem als Halbbruder derStaufer in diesem Zusammenhang eine große Glaubwürdigkeit zugebil-ligt wird. Diese Verläßlichkeit kann und soll hier nicht in Frage gestelltwerden, sie ist im Gegenteil eine Voraussetzung der folgenden Argu-mentation, die von einer oftmals getroffenen Beobachtung ausgeht:Zwischen den beiden Werken Ottos bestehen Unterschiede, die nichtallein durch die jeweilige Anlage und oder einen veränderten Berichts-zeitraum bedingt sind, sondern auch in kleinen Details bemerkbar wer-den, deren Bedeutung erst unter einer bestimmten Fragestellung deut-lich wird. Einer dieser »feinen Unterschiede« ist die Beurteilung desstaufischen Brüderpaares, die in Chronik und Gesta keineswegs einheit-lich ist 116.

113 vg!. den Namensindex in den MGH DD Ko Ill.114 So Otto von Freising, Gesta I, 71,280.lIS Engels, Kaiserliche Grablege (wie Anm. 35), 244-250.116 Die Konzeption des Werkes Ottos von Freising hat die Forschung schon immer mehrbeschäftigt als die politischen Implikationen seiner jeweiligen Aussagen, vgl, etwa die Ge-wichtung bei Hans-Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitragzur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12.Jahrhunderts, Köln - Wien1984.Der hier untersuchte Sachverhalt wird auf 277 nur gestreift. Ergiebiger sind in diesemZusammenhang Johannes Voelker, Konrad Ill. in der Darstellung Ottos von Freising,Diss. Greifswald 1917 (gedruckt 1920 0.0.) und Hans Pozor, Die politische Haltung Or-tos von Freising, Diss. Halle 1937, deren Arbeiten jedoch kaum rezipiert worden sind undin einigen Belangen inzwischen als veraltet betrachtet werden müssen.

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Friedrich 11.wird im Text der Chronik nur an drei Stellen erwähnt: An-läßlich der Stellvertreterschaft von 1115/16 117, seiner Kandidatur zur Wahlvon 1125 und den anschließenden Ereignissen 118, sowie zuletzt bei der U n-terwerfung unter Lothar!". Die genannten Passagen berichten ebenfallsvon Konrad, ausdrücklich auch von dessen Gegenkönigtum einschließlichdes Italienabenteuers 120 und heben ihn als Teilnehmer des ItalienzugsLothars Ill. hervor, ohne über den Verbleib Friedrichs Il. Aufschluß zugeben 121. Von dem Schwabenherzog ist für den Rest des Berichtszeit-raumes, immerhin bis 1146, keine Rede mehr, auch nicht anläßlich derWahl seines Bruders und den unmittelbar folgenden Ereignissen 122.

Die Gesta Frederici vermittelt ein anderes Bild. Gemeinsam werdenFriedrich Il. und Konrad anläßlich des Todes ihres Vaters imJahre 1105genannt 123. Bei der Schilderung der Ereignisse im Reich während desItalienzugs Heinrichs V. wird Konrad schon nicht mehr namentlich ge-nannt, sondern nur als Bruder Friedrichs bezeichnet; von der Verlei-hung einer Stellvertreterschaft wird nicht berichtet 124. Es folgt die Be-schreibung der Taten Herzog Friedrichs, seine Burgenpolitik und seineAuseinandersetzung mit Adalbert 125, die ihn zum Retter des honor regnimachen 126. Konrad wird keines Wortes gewürdigt; der Leser der Gestaerfährt nichts von seinem wenig glücklichen Engagement für den letztenSalier. Von Konrad ist erst wieder die Rede, als die Konflikte nach derWahl Lothars Ill. einsetzen. Er erscheint dann einzig in zwei kurzenKapiteln bei militärischen Aktionen gemeinsam mit seinem Bruder 127,

117 Otto von Freising, Chronik VII, 15, 524.118 ebda. VII, 17, 528.119 ebda. VII, 19, 530.120 ebda. VII, 17, 528.121 ebda. VII, 19, 532.122 ebda. VII, 22, 538.123 Otto von Freising, Gesta I, 9, 148.124 ebda. I, 12, 150ff.: ... preter Fredericum ducem fratemque suum et Gotefridum palati-num comitem uix aliqui ex principibus fuerint, qui principi suo (i.e. Heinrich V.)non rebel-larent. - Nur an dieser Stelle wird Gottfried von Calw genannt, was dazu geführt hat, daßman ihn in Gleichsetzung mit der entsprechenden Passage der Chronik (VII, 15,524) alsoffiziell eingesetzten Stellvertreter Heinrichs V. betrachtet hat, was die Quelle so nicht her-gibt. Gottfried wird zwar während der Abwesenheit Heinrichs V. in zwei Briefen desCodex Udalrici (ed. Phillip J affe, Bibliotheca rerum Germanicarum V,Berlin 1869) zusam-men mit Friedrich 11.erwähnt, einmal von den Bürgern Speyers (Nr. 176, 308ff.) und ein-mal von Heinrich V. selbst in der Angelegenheit der Mainzer Bürgerschaft (ebda., Nr. 177,310). Beide Belege beziehen sich damit auf den Wirkungsbereich des rheinischen Pfalzgra-fen, der Gottfried ja war. Eine Reichsstellvertreterschaft jedenfalls kann daraus nicht zwin-gend abgeleitet werden.125 Otto von Freising, Gesta I, 11-14, 150-156.126 ebda. I, 14, 156:Pretaxatus dux ... sua virtute honorem regni sustenaret.127 ebda. I, 18 und 19, 158ff.

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ohne daß sein Gegenkönigtum erwähnt würde. Die folgende Darstel-lung erweckt den Anschein, als ob Friedrich gleichsam im AlleingangLothar Ill. aktiventgegengetreten sei 128; die Zeit bis 1135, als es offiziellnoch einen staufischen Gegenkönig gab, erscheint letztlich als eine dis-sensio ... inter Fredericum ducem Lothariumque imperatorem 129. Be-züglich des Italienzugs Lothars Ill. wird der Leser auf die Darstellungder Chronik verwiesen 130, auch hier fällt Konrads Name nicht. Und nurFriedrichs Il. Heiratsverbindung wird berichtet 131, Konrads Ehe, dieebenfalls in dieser Zeit geschlossen worden sein muß 132, wird nicht mit-geteilt.Schon dieser kurze Vergleich - es ließen sich entsprechende Beispiele

aus den Berichten zur Königsherrschaft Konrads Ill. anführen 133 -

macht deutlich, wie sich das Schwergewicht der Darstellung von derChronik zur Gesta von der gleichberechtigten Darstellung beider Stau-fer hin zu einer eindeutigen Profilierung Friedrichs Il. verschobenhat 134. Wenn die Gesta nun zur Wahl Konrads berichtet, der Frederidduds [rater'", nicht der Schwiegersohn Heinrichs v., wie es in derChronik heißt 136, sei zum König gewählt worden, so entspricht dies dereingeschlagenen Linie, Friedrich Il. auf Kosten Konrads hervorzuhe-ben. Der Schwabenherzog wird zum entscheidenden Faktor bei demAufstieg des staufischen Hauses zur Königswürde, der sich in der Chro-nik durch die Darstellung des Werdegangs Konrads recht logisch aus

128 ebda. I, 19-20, 160-164.129 ebda. 1,21, 164.no ebda. 1,21,164.III ebda. I, 22, 166.m Wie Anm. 42.133 Zu Recht spricht Voelker, Konrad Ill. (wie Anm.116), 41 anläßlich der Gegenüber-stellung der entsprechenden Passagen von Ottos "Kühle, seine[r] ablehnenden Haltung«Konrad gegenüber.IH Selbst Voelker, Konrad Ill. (wie Anm. 116), der zwischen Chronik und Gesta kaumdifferenziert, stellt (S. 26) fest: "Ohne Zweifel hat Otto das Bild Friedrichs von Schwabenmit größerer Liebe gezeichnet als das Konrads.« Genauer Pozor, Die politische Haltung(wie Anm. 116),64: ,.Als Otto sein zweites Werk schrieb, war der Sohn dieses Herzogs (i.e,Friedrich 11.von Schwaben) König. Mit der nicht zu verkennenden Absicht, die Persön-lichkeit des Vaters zu heben, schmeichelt er dem Sohn.«, der eine »Hervorhebung und Ver-lebendigung der Persönlichkeit Friedrichs von Schwaben- konstatiert.m Otto von Freising, Gesta I, 23, 166.06 Otto von Freising, Chronik, I, 22, 538. Leider legt Pozor, Die politische Haltung (wieAnm. 116), 60 gerade auf diese Verschiebung keinen Wert. - Auf der Vorlage der Chronikberuht auch die entsprechende Passage der Historia Welforum, c.24, ed. Erich König,Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 1, Sigmaringen 1976, 46, die wie Otto in der Gestaan die Stelle des sororius Heinrici den frater Frederici setzt, "um die daraus fließende Be-rechtigung abzuschwächen«, wie Bernhardi, Konrad Ill. (wie Anm. 22), 6f. Anm. 8 be-merkte.

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dessen bisherigen Verdiensten ergibt. Es kann nicht verwundern, wennnur die Gesta nun die Regelung der Mainzer Nachfolge Friedrich zu-schreibt 137, der damit auch als Wegbereiter der tatsächlichen Königs-herrschaft des ersten Stauferkönigs erscheint. Herrscht »im ersten Buchder Gesta der Eindruck der Tragödie« 138, so ist die Person Friedrichs 11.gleichsam die Lichtgestalt dieser mehr oder minder trüben Epoche.Otto von Freising charakterisiert ihn als nobilissimus 139, in bellis fortis,in negotiis ingeniosus, vultu et animo serenus, in sermone urbanus donis-que ... largus 140, fortissimus 141, illustrissimus 142 und strenuissimus 143.

Konrad erscheint zwar einmal als christianissimus princeps 144, seineweltlichen Qualitäten werden jedoch erst anläßlich seines Todes berich-tet und beschränken sich auf fortitudo und prudentia 145; erst später wirder als gloriosissimus 146 oder piissimus 147 bezeichnet.

Scheint somit die Gesta Frederici imperatoris in ihrem ersten Teil ehereine Gesta Frederici ducis zu sein, so muß Otto von Freising bei ihrerAbfassung triftige Gründe gehabt haben, seine Darstellung der Chronikzu ändern. Sicherlich könnte man vermuten, die Bedeutung des Schwa-benherzogs sei ihm erst später klar geworden, doch erklärt dies nicht dieauffällige Zurücksetzung Konrads Ill. Und auch wenn Otto zur Her-ausstellung der Verdienste Barbarossas eine gewisse Fallhöhe benö-tigte 148, so bleibt doch offen, warum dessen Königtum kaum eine Bezie-hung zu seinem Vorgänger aufweist, sondern wesentlich stärker auf denbetonten Verdiensten seines Vaters aufzubauen scheint. Die Herleitungüber die Taten des Großvaters, Vaters und Onkels, wie Otto selbst esausdrückt 149, zeigt eindeutig Schwerpunkte zugunsten des Vaters. DerSchluß liegt nahe, daß die Person Friedrichs n.eine besondere Rolle fürdas Königtum seines Sohnes Friedrich I.Barbarossa, das die Gesta ja zubeschreiben hatte, spielte oder genauer: nunmehr zu spielen hatte, dennin der Chronik, die ja nicht im Auftrag Barbarossas verfaßt wurde, istdie Friedrich n. zugemessene Bedeutung eher gering.

117 Otto von Freising, Gesta I, 24,168; vg!. Chronik, I, 22,538.m So Franz-Josef Schmale in seiner Einleitung zur Edition der Gesta (wie Anm. 12), 5.D9 Otto von Freising, Gesta 1,12,152; I, 13, 154 und 1,42,208.140 ebda. I, 12, 152.141 ebda. I, 13, 154.14Z ebda. I, 14, 154.t4J ebda. I, 27, 180.144 ebda. I, 30, 188.14S ebda. I, 71, 278ff.146 ebda., Vorwort zum zweiten Buch, 282.147 ebda. 11,1,284148 In diese Richtungen auch Überlegungen bei Goetz, Geschichtsbild (wie Anm. 116),277.149 Ono von Freising, Gesta, Prolog, 118.

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Dieses Zwischenergebnis, das Ungleichgewicht in der BewertungFriedrichs Il. und Konrads Ill. auf die besondere Ausrichtung der Ge-sta zurückzuführen, läßt einen Umkehrschluß zu. Wenn nicht alle Stau-fer in gleicher oder zumindest ähnlicher Weise die besondere Eignungund die Königswürdigkeit des Geschlechtes vertreten, so kann es ein ge-schlossenes Haus der Staufer zumindest nicht in dem Sinne gegeben ha-ben, daß sich jeder Angehörige des Geschlechtes dem Königtum gleich-sam als höherem Ziel unterordnete. Offenbar bestand eine Distanzzwischen beiden Brüdern, die auch die Abstammungsgemeinschaft, derRahmen des »Hauses«, nicht überbrücken konnte. Man kommt nichtumhin, sogar den Ansatz einer Linientrennung zu sehen, was durchausnicht abwegig ist: Die Erbfälle in zwei der bedeutendsten damaligenAdelshäuser, denen der Welfen 150 und Zähringer 151, die ebenfalls im er-sten Viertel des 12. Jahrhunderts eintraten, führten jedenfalls zu diesemErgebnis. Durchaus vergleichbare Vorgänge lassen sich auch bei weni-ger exponierten Geschlechtern dieser Zeit beobachten 152. Diese Ent-wicklung ging offenbar auch an den Staufern nicht vorbei. Nicht nur dieBeobachtung, daß bis 1138 weder territorial noch politisch eine über dasübliche Maß politischer Kooperation hinausgehende Geschlossenheitfestzustellen ist, untermauert dieses Ergebnis, der Vergleich zwischenden Werken Ottos von Freising zeigt sogar, daß diese Distanz auch aufideologischer Ebene als bedeutend angesehen wurde. Alles in allemwird deutlich, wie sich innerhalb des frühen staufischen Hauses zweiLinien voneinander absetzten: Die Friedrich-Linie, als deren AusläuferBarbarossa sich beschreiben und durch die Art und Weise der Beschrei-bung zu einem Teil auch legitimieren ließ, und eine auf Konrad zurück-gehende Linie, die trotz der Betonung des Hauscharakters gerade in derGesta von derjenigen Friedrichs getrennt wird 153.

ISO Vgl, aus den letzten Jahren Otto G. Oexle, Adliges Selbstverständnis und seine Ver-knüpfung mit dem liturgischen Gedenken - das Beispiel der Welfen, in: ZGO 95 (1986)47-75, hier bes.S. 54f., 71fund insbes. 74; Odilo Engels, Friedrich Barbarossa und dieWelfen, in: Rainer Jehl (Hg.): Welf VI., Sigmaringen 1995, 59-74, hier 64f.; Thomas Zotz,Heinrich der Löwe und die Welfen in Schwaben, in: Luckhard und Niehoff (Hgg.),Heinrich der Löwe (wie Anm. 71), 69-77, hier 69f.ISt Zu den Vorgängen von 1111 vgl, Karl Schmid, Zähringergeschichte und Zähringertra-dition als Thema der Zähringerforschung, in: Ders. (Hg.), Die Zähringer. Eine Traditionund ihre Erforschung, Sigmaringen 1986,211-228, hier 215.m Beispiele aus dem mittelrheinischen Bereich bei Engels, Stauferzeit (wie Anm. 88),208 f.; im ostfränkisch-thüringischen Gebiet wäre an das Beispiel der Henneberger zu den-ken, vg!. Heinrich Wagner, Zur Genealogie der Grafen von Henneberg, in: Mainfränk. Jb32 (1980) 70-104, hier 85-94. Die Reihe ließe sich fortsetzen.ISl Diese Schlußfolgerung blieb Voelker, Konrad Ill. (wie Anm. 116) und Pozor, Die po-litische Haltung (wie Anm. 116) verwehrt, da der Begriff des »Hauses« zur damaligen Zeitanders gefaßt wurde und noch nicht in seiner Bedeutung erkannt worden war.

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Die These von einem mangelnden Zusammenhalt des frühen staufi-sehen Hauses ist auch geeignet, einige Phänomene aus der Regierungs-zeit Friedrich Barbarossas in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.Der letzte Ausläufer der Konrad-Linie war Friedrich IV. »von Rothen-burg«, der Sohn Konrads. Wie immer man dessen Aussichten bei der ei-ligen Wahl des Jahres 1152 beurteilen mag 154, Otto von Freising berich-tet selbst, daß Konrad ihn zu seinem Nachfolger gewünscht hatte 155.

Die Kritik der späteren Quellen am Vorgehen Barbarossas 156 wird je-denfalls umso plausibler, je weniger man das staufisehe Haus als un-trennbare Einheit gleichsam ohne Individualitäten versteht. Tatsache istauch, daß sich der »übergangene Königssohn- nach Erlangung der Voll-jährigkeit nicht immer glänzend mit seinem Onkel verstand 157. SeinVerhalten ist demjenigen Barbarossas zu seiner Zeit als Schwabenher-zog durchaus vergleichbar!", was auch für die jeweilige Konstellationgilt - Herzogsherrschaft unter der Königsherrschaft eines Onkels auseiner anderen Linie des Hauses. Zu denken ist in diesem Zusammen-hang auch an die Unstimmigkeiten, die zwischen Barbarossa und sei-

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m Niederkorn. Friedrich von Rothenburg (wie Anm. 1), 58f. sieht Friedrich als chan-cenlos an, da er nicht uiuente rege zum Mitkönig erhoben worden sei, was ja durchaus gän-gige Praxis war und in der Regel auch nicht zu Nachfolgeproblemen führte; das Risiko ei-nes frühen Ableben des Vaters hätten die Fürsten also in Kauf genommen, nicht jedochabsehbare Schwierigkeiten und ein Defizit an Idoneität. Allerdings ist dabei zu bedenken,daß die Situation des Jahres 1152 einen Präzedenzfall darstellte, der genausogut umgekehrtgedeutet werden könnte: Noch nie hatte die Erhebung eines Verwandten zu Lebzeiten di-rekter Nachkommen stattgefunden. Bedenkt man die Eile, mit der Barbarossa seine Erhe-bung betrieb, läßt sich der Verdacht nicht restlos beseitigen, daß nicht alles so mit rechtenDingen zuging, wie man nach der Darstellung Niederkorns annehmen müßte. Ob derSonntag Laetare, wie GOEZ,Von Bamberg (wie Anm. 1), passim, meint, auch für Barba-rossa eine derartig große Rolle spielte wie für Konrad, kann auch bezweifelt werden, be-denkt man, wie wenig sich Barbarossa ansonsten in die Tradition seines Vorgängers zu stei-len bemüht war oder sogar - folgt man unseren Ausführungen zum Hintergrund der GestaOttos von Freising - eine im staufischen Haus angelegte Differenz zwischen zwei Linienbestand. - Weniger schematisierend Althoff, Friedrich von Rothenburg (wie Anm. 1),313 ff.m Otto von Freising, Gesta I , 71, 280.156 Engels, Staufer (wie A~m. 1),57.IS7 Zur Tübinger Fehde zuletzt Gerd Althoff, Welf VI. und seine Verwandten in denKonflikten des 12.Jahrhunderts, in: Jehl (Hg.), Welf VI. (wie Anm. 150),75-89, hier 77-82(ältere Literatur in Anm. 7 auf 77); aus anderer Perspektive Ders., Friedrich von Rothen-burg (wie Anm. 1), 313ff.158 Die Erklärung für die Unterstützung, die Friedrich den Welfen gegen Konrad Ill. ge-währte, wäre also nicht in einer engen consanguinitas-Bindung zu den Welfen, sondern ineiner Distanz sogar zu den engsten Verwandten zu suchen, was letzten Endes schlicht indi-viduelle Machtpolitik bedeuten würde. Überdies wäre noch zu untersuchen, in welchemVerhältnis überhaupt die Welfen zueinander standen, ob also tatsächlich von den beidenmonolithischen Machtblöcken der Staufer und Welfen auszugehen ist, wie z.B. Zotz,Heinrich der Löwe (wie Anm. 150), 69f. dies tut.

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nem Halbbruder Konrad, dem Pfalzgrafen bei Rhein bestanden 159; auchhier war das Hausinteresse nicht so stark, daß es zu einem automati-schen Zusammenwirken geführt hätte. Alle Differenzen, die innerhalbdes staufischen Hauses bis in die Zeit Barbarossas hinein bestanden, wa-ren Konflikte zwischen Staufern, die sich neben einer globalen Zugehö-rigkeit zu einem gemeinsamen Haus besonders auch als Angehörige ei-ner bestimmten Linie empfanden. Einzig die Söhne Barbarossasverkörpern demnach die Gemeinschaft, die man sich unter dem staufi-sehen Haus vorstellt, doch erst zu einer Zeit, als nur noch die Friedrich-Linie als der denkbar engste Bereich des staufischen Hauses übrigge-blieben war.

Kehren wir nach dieser Abschweifung zurück zur Wahl Konrads Ill.Selbst aus dem Zeugnis Ottos von Freising, betrachtet man seine beidenWerke im Vergleich, wird eine Differenz zwischen Konrad und Fried-rich n. deutlich, die im Aufbau des staufischen Hauses selbst angelegtscheint und daher fortwirkte. Zudem ließ sich zeigen, daß auch in derVorgeschichte der Wahl erstaunlich wenige Gemeinsamkeiten zwischenbeiden Brüdern nachweisen lassen. Es erscheint damit nicht abwegig,die Motive Friedrichs II. bei der Unterstützung seines Bruders imJahre1138 nicht allein auf ein Hausbewußtsein zurückzuführen, das allemAnschein nach nicht sonderlich intensiv war. Man wird bei ihm wie beianderen Fürsten auch Sinn für die Realitäten zu vermuten haben (washätte er sich von einem König Heinrich dem Stolzen versprechen kön-nen?), vielleicht sogar ein gewisse Reserve, wie die Abwesenheit dessüddeutschen Episkopats nahelegt. Die Vorstellung von einem ge-schlossenen staufischen Haus allerdings wird man für diese frühe Phasewohl ein wenig zu differenzieren haben, insbesondere dann, wenn dar-aus politisches Handeln erklärt werden soll.Alles in allem lassen sich drei neue Beobachtungen in die Diskussion

um die Wahl Konrads Ill. einbringen. Erstens die Feststellung, daßKonrad bei seinen beiden Wahlen immer (auch) aufgrund der jeweiligenpolitischen Situation den Vorzug vor seinem Bruder erhielt. War er 1127der weniger belastete der beiden Staufer gewesen, da er entweder imSchatten Friedrichs 11.gestanden hatte oder an den Ereignissen seit 1124nicht mehr Anteil gehabt hatte, so hatte er zwischen 1135 und 1138selbst dafür gesorgt, im Geschehen der Zeit eine wichtige Rolle zu spie-len. Sein Aufstieg zum König ist in dieser Sicht nicht unbedingt nur ein»Überraschungscoupe, sondern auch die Fortsetzung seiner bisherigenLaufbahn, jedoch auf einem risikoreichen hohen Niveau. Ermöglichtund entscheidend erleichtert wurde ihm der Antritt des Königtums - so

159 Engels, Stauferzeit (wie Anm. 88), 214f., 223f. sowie Ders., Staufer (wie Anm. 1),lO9£.

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die zweite Überlegung - durch die Situation im Episkopat, die eine Par-teinahme von Seiten der Bischöfe notwendig erscheinen ließ. EineGruppe, die sich über ähnliche Auffassungen von kirchlicher Freiheitund weltlicher Herrschaft charakterisieren läßt, scheint sich hier inÜbereinstimmung mit dem Vertreter der Kurie für Konrad ausgespro-chen und entsprechend die Initiative ergriffen zu haben. Die Unterstüt-zung, die das junge staufische Königtum so erstaunlich rasch erfuhr, warauf die Person Konrads bezogen. Das Haus der Staufer als Gemein-schaft der beiden Brüder Friedrich und Konrad war, wie im letzten Ab-schnitt zu zeigen versucht wurde, dabei wohl nicht unbedingt eineStütze, ja, es scheint sogar, als ob dort zu diesem frühen Zeitpunkt inAnsätzen eine Linientrennung erfolgt war und von Einigkeit nur sehreingeschränkt die Rede sein kann: Der Kreis der gemeinsam Handeln-den beschränkte sich wohl eher auf die direkte Nachkommenschaft alsauf die unmittelbare Verwandtschaft. Das uns gleichsam als monolithi-scher Block erscheinende Haus der Staufer wäre demnach von seinerAnlage her keineswegs so dicht gefügt gewesen, daß es nicht zu Kon-flikten hätte kommen können, die durch seine exponierte Stellung bis indie Reichspolitik hinein wirksam wurden. 160

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160 Nachbemerkung: Nach Abfassung dieses Textes erschien das Buch von Werner Hech-berger, Staufer und Welfen 1125-1190. Zur Verwendung von Theorien in der Geschichts-wissenschaft, Köln 1996.Hechberger kommt in seinem Werk, auf das noch einzugehen seinwird, unter anderer Fragestellung und mit anderer Methodik bezüglich des .staufischenHauses« zu ähnlichen, wenngleich wesentlich weiter greifenden Schlußfolgerungen.