H.J. Krysmanski Das Empire der Postmoderne und die ... · PDF fileAntonio Negri und der 30-jährige Michael Hardt, von ihrer wissenschaftlichen Statur nicht mit dem jungen Marx und

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    Eine Version dieses Textes in: Bhrmann, Andrea u.a. (Hrsg.), Gesellschaftstheorie und die Heterogenitt empirischer Sozialforschung: Festschrift fr Hanns Wienold, Mnster: Westflisches Dampfboot, 2006 H.J. Krysmanski Das Empire der Postmoderne und die Arbeiterbewegung eine Fhrung durch Hardt/Negris Empire Vor einigen Jahren erschien, zweifellos konzipiert unter dem Eindruck der informationstechnischen Revolution der 90er Jahre, ein Buch mit dem schlichten Titel Empire. Es wurde sofort in viele Sprachen bersetzt, verstand sich selbst als ein Kommunistisches Manifest fr das 21. Jahrhundert und regte in der Tat unter den linken Intellektuellen weltweit heftige Diskussionen an. Zwar waren die Autoren, der 65-jhrige Antonio Negri und der 30-jhrige Michael Hardt, von ihrer wissenschaftlichen Statur nicht mit dem jungen Marx und dem jungen Engels von 1848 zu vergleichen. Doch sie konnten immerhin auf eine 150-jhrige Tradition der Entfaltung und Anwendung der Marxschen Produktivkrafttheorie zurckgreifen und machten davon intelligenten und originren Gebrauch. So entstand, auch wenn viele Traditionalisten es immer noch nicht wahrhaben wollen, mit Empire ein System-Modell unserer heutigen weltgesellschaftlichen Totalitt, das fr unsere Wanderungen durch die Aktionsfelder globaler Machteliten sozusagen die Wanderkarte nachreichen kann. Empire war ein Macht- und Herrschaftsmodell, das keineswegs allein auf die Dominanz eines US-amerikanischen Imperiums abhob, sondern aus der Sicht auf eine globale Kommando-Struktur hchst widersprchlicher und konfliktreicher Interessen und Krfte entwickelt worden war. Und so folgte diesem Buch ber herrschende globale Eliten ein Buch ber die beherrschten globalen Massen Multitude. Vieles in diesen beiden Bchern ist bermig abstrakt, schematisch und in gewissem Sinne ebenso oberflchlich wie der gleichen gesellschaftlichen Totalitt ggeopolitische Strategiepapauch der CIA. Zugleich aber konnte Antonio Negri auf einen in der italienischen Linken ausgebildeten produktivkrafttheoretischen Diskussionsstrang zurckgreifen, an demmageblich beteiligt war auf den Operaismus. Diese Denktradition hebt die entscheidende Bedeutung der lebendigen menschlichen Arbeitskraft hervor, derer sich die Eliten durch Biopolitik bemchtigen mssen, um ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten und die andererseits im Zentrum jeglichen revolutionren, systemumwlzenden Geschehens wirkist. Wichtig fr den operaistischen Ansatz von Negri und Hardt ist dabei auch ein Lebensgefhl, das sich mit den neuen Informations- und Kommunausbreitet und das in der zeitkritischen gesellschaftstheoretischen Disk

    ewidmete iere etwa

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    ikationstechnologien ussion mit dem Begriff

    des Postmodernismus umschrieben wird.

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    Wesentliche Bestimmungen der gegenwrtigen Epoche deuten auf ein Ende der Moderne und iehen, mangels eines besseren Begriffs fr diese Phase des Sptkapitalismus, den Begriff der

    llt ormengerst

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    duktion, im Sinne M. Foucaults (1976) und durchaus auch Susan Georges 001), ist die Basisaktivitt dieser Art von Globalisierung: Die Konstitution des Empire

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    transnationalen Konzerne: sie organisieren die Kapitalflsse, t gen n

    zPostmoderne oder des Postmodernismus in Betracht (Jameson 1992). Schon C. Wright Mills schrieb, dem Zeitalter der Moderne scheint eine postmoderne Periode zu folgen, in welcher ein Anwachsen der Rationalitt nicht unbedingt zu mehr Freiheit fhrt. (Mills 1959, 166f) Zuden wichtigsten Merkmalen dieser Epoche gehren Relativierungen des Raum- und Zeitgefges der Moderne sowie, vor allem, die Informatisierung der Produktion und der Kultur. Alle diese Aspekte werden von Hardt und Negri ausfhrlich diskutiert. Bezglich einer neuen Weltordnungsstruktur schreiben sie: Das imperiale Paradigma stesich zugleich als ein System und als eine Hierarchie dar, als ein zentralisiertes Nund als umfassendes Erzeugen von Legitimitt, die sich ber den globalen Raum legen. (Hardt/Negri 2002: 9) Das Empire entsteht heute als Zentrum, das die Globalisierung von Netzwerken der Produktion trgt und ein Netz der Inklusion einsetzt, um mglichst alle Machtbeziehungen innerhalb der neuen Weltordnung einzufassen. Zur gleichen Zeit setzt es Polizeimacht gegen die neuen Barbaren und die rebellischen Sklaven ein, die diese Ordnbedrohen. (35) Biopolitische Pro(2nimmt weder auf der Grundlage von Vertrgen oder Abkommen noch durch irgendwelche fderativen Mechanismen Gestalt an. Der Ursprung der imperialen Normativitt ist ein neuApparat, ein konomisch-industriell-kommunikativer Apparat ... - ... Die Machtverhltnissedes Empire deuten auf etwas Grundlegendes, auf die Produktivkraft des Systems, des neuen biopolitischen konomischen und institutionellen Systems. (54f) Hardt und Negri sprechen

    von einer dreischichtigen Struktur des globalen Herrschaftszusammenhang(the pyramid of global constitution). Die oberste Ebene (unified global command) besteht aus der Supermacht USA, eineausgewhlten Gruppe von Nationalstaaten (G7), verschiedenen 'Clubs' wie dPariser oder Londoner dem World Economic Forum sowie einem vielfltigen Netzweiterer (informeller) Vereinigungen und Organisationen (heteroset of associations). Ds) wird bestimmt durch die

    echnologische Entwicklunund Bevlkerungsbewegungen; die Konzerne 'teilen' sich diese Aufgaben mit einer grereGruppe von Nationalstaaten (general set of sovereign nation states) sowie vielfltigen lokalenund regionalen Organisationen. Die unterste Ebene des globalen Herrschaftszusammenhangs bilden die 'Mechanismen der Reprsentation' der Interessen des 'globalen Volkes', der 'Multitude': die politischen (parlamentarischen) Systeme der Nationalstaaten, die Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und vielfltige Basisbewegungen,

    mittlere Ebene (network of international capitalist corporation

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    Initiativen usw. Hier findet sich beispielsweise der Satz, dass NGOs die lebendige Kraft (vitaforce) der Vlker in allgemeine Biopolitik, sozusagen eine Biopolitik von unten, verknnen. Entgegen

    l wandeln

    allen rckwrtsgewandten alteuropischen Utopien betonen Hardt und Negri: Von nserem Standpunkt aus jedoch ist die Tatsache, dass sich gegen die alten Mchte Europas ein

    gut en,

    tehen die Marxschen Kategorien

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    isser Weise als jene Totalitt zu verstehen, in welcher die tionsweisen, berbauten und Gesellschaftsformationen

    uktionsmittel (pm), die sachlich-gegenstndliche Seite der Produktivkrfte, ird einmal mehr in den Gesamtprozess eingeordnet: Vogelfrei mit diesem Begriff hat

    de

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    uneues Empire herausgebildet hat, nur zu begren. Denn wer will noch irgendetwas von der angekrnkelten und parasitren herrschenden Klasse Europas wissen, die vom Ancien Rgime direkt zum Nationalismus berging, vom Populismus zum Faschismus und die heute auf einen generalisierten Neo-Liberalismus drngt? Wer will noch etwas wissen von diesen Ideologien und brokratischen Apparaten, von denen die verrottende europische Elite solebte? Und wer ertrgt noch diese Systeme der Arbeitsorganisation und diese Unternehmdie lngst jede Lebendigkeit verloren haben? (383) Im Zentrum des Empire-Modells sdes Historischen Materialimus. Die Re-aktivierung dieser Kategorien durch Hardt und Negri inmitten dessen, was man auch eine Weltsystem-Analyse nennen knnte, ist gar nicht zu berschtzen. Natrlich spielt Negris Nhe zur Traditiitalienischen Operaismus (mit sBetonung der lebendigen Produktivkrfte) eine Rolle. Jedenfalls gibt das vielfltigverwendete klassische Begriffssystem der Produktivkrafttheorie dEmpire erst seine iund seinen Zusammenhalt. Der Begriff des Empire ist hier in gewbisherige Geschichte der Produkaufgehoben ist. Die Rolle der Prod

    wKarl Marx das Proletariat beschrieben, das zu Beginn der Moderne in den ursprnglichen Akkumulationsprozessen auf zweifache Weise befreit wurde: In erster Linie wurde es davonbefreit, Eigentum des Herren zu sein (d.h. von der Leibeigenschaft); und zum zweiten wures von den Produktionsmitteln befreit, es durfte keinen Boden besitzen und hatte nichts zu verkaufen als die eigene Arbeitskraft. (170) Arbeitskraft (ak) wird wieder als gesellschaftskonstituierende Macht gesehen: Nein, wir sind keine Anarchisten, sondern Kommunisten, die gesehen haben, wie viel Repression und Zerstrung von Humliberalen und sozialistischen allgegenwrtigen Staaten ausging. Und wir haben gesehen, wall dies Eingang ins Empire fand, und zwar gerade in dem Moment, da die Zyklen produktivKooperation die Arbeitskraft insgesamt in die Lage versetzten, sich selbst an Stelle einer Regierung zu konstituieren. (358) Und folglich gilt es, nach der Erosion der (staatlichen) Souvernittsformen der Moderne, die revolutionre Rolle der Produktivkrfte (pk) zu

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    betonen: Was Marx fr die Zukunft voraussagte, erleben wir heute. Diese radikale Vernderung von Arbeitskraft und die Einbeziehung von Wissenschaft, KommunikationSprache in die Produktivkrfte haben die gesamte Phnomenologie der Arbeit und deweltweiten Horizont der Produktion neu definiert. (372)

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    Ein wesentliches Merkmal der ategorien des Historischen

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    Produktionsweisen und berbauten dar, whrend Empire im e aller

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    Die

    rbauten (b), die kulturelle Logik des ptkapitalismus wird zu seiner Produktionslogik (Jameson 1992): Das Empire nimmt

    eit und rbeit,

    Rolle der Geld- und Machteliten im Sinne einer akteursbezogenen Perspektive findet ich in Empire nichts. Im Gegenteil, Antonio Negri schtzt die Rolle reicher Privatleute im

    globalen Herrschaftsgeschehen gering und wenn berhaupt, positiv ein. Gleichwohl spielen